Titel
stringlengths
0
1.98k
Untertitel
stringclasses
1 value
CELEX-Nummer
stringlengths
11
15
Ausgangsdokument
stringclasses
1 value
Verfahrensnummer
stringclasses
1 value
Ursprünglicher Verweis
stringclasses
1 value
Verabschiedete Rechtsakte
stringclasses
1 value
Letzte konsolidierte Fassung
stringclasses
1 value
Verfahrensstand
stringclasses
1 value
ECLI-Identifikator
stringlengths
0
19
Umgesetzte(r) Rechtsakt(e)
stringclasses
1 value
Datum des Dokuments
timestamp[s]date
2010-01-12 00:00:00
2025-07-23 00:00:00
Autor
stringclasses
60 values
In-Kraft-Indikator
stringclasses
1 value
Seitenzahl
stringclasses
1 value
Fundstelle im Amtsblatt
stringclasses
173 values
Unnamed: 16
stringclasses
1 value
Text
stringlengths
1.29k
986k
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 17. September 2014.#Baltic Agro AS gegen Maksu- ja Tolliameti Ida maksu- ja tollikeskus.#Vorabentscheidungsersuchen des Tartu Ringkonnakohus.#Vorabentscheidungsersuchen – Antidumping – Verordnung (EG) Nr. 661/2008 – Endgültiger Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland – Voraussetzungen für die Befreiung – Art. 3 Abs. 1 – Erster unabhängiger Abnehmer in der Union – Kauf von Ammoniumnitratdüngemitteln über einen Zwischenhändler – Überlassung der Waren – Antrag auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen – Beschluss 2008/577/EG – Zollkodex – Art. 66 und 220 – Fehler – Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 – Art. 251 – Nachträgliche Prüfung.#Rechtssache C‑3/13.
62013CJ0003
ECLI:EU:C:2014:2227
2014-09-17T00:00:00
Cruz Villalón, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0003 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) 17. September 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Antidumping — Verordnung (EG) Nr. 661/2008 — Endgültiger Antidumpingzoll auf die Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland — Voraussetzungen für die Befreiung — Art. 3 Abs. 1 — Erster unabhängiger Abnehmer in der Union — Kauf von Ammoniumnitratdüngemitteln über einen Zwischenhändler — Überlassung der Waren — Antrag auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen — Beschluss 2008/577/EG — Zollkodex — Art. 66 und 220 — Fehler — Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 — Art. 251 — Nachträgliche Prüfung“ In der Rechtssache C‑3/13 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tartu ringkonnakohus (Estland) mit Entscheidung vom 27. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2013, in dem Verfahren Baltic Agro AS gegen Maksu- ja Tolliameti Ida maksu- ja tollikeskus erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: P. Cruz Villalón, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der estnischen Regierung, vertreten durch M. Linntam und N. Grünberg als Bevollmächtigte, — des Rates der Europäischen Union, vertreten durch S. Boelaert und M. Remmelgas als Bevollmächtigte im Beistand von B. Byrne, Solicitor, und Rechtsanwalt G. Berrisch, — der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Stobiecka-Kuik, E. Randvere und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. April 2014 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung und die Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) und der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 312/2009 der Kommission vom 16. April 2009 (ABl. L 98, S. 3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2454/93) sowie die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 661/2008 des Rates vom 8. Juli 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland nach einer Überprüfung wegen bevorstehenden Außerkrafttretens gemäß Artikel 11 Absatz 2 und einer teilweisen Interimsüberprüfung gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (ABl. L 185, S. 1, und Berichtigung ABl. 2009, L 339, S. 59), des Beschlusses 2008/577/EG der Kommission vom 4. Juli 2008 zur Annahme von Verpflichtungsangeboten im Zusammenhang mit dem Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland und der Ukraine (ABl. L 185, S. 43, und Berichtigung ABl. 2009, L 339, S. 59), des Art. 28 AEUV, des Art. 31 AEUV und des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Baltic Agro AS (im Folgenden: Baltic Agro) und dem Maksu- ja Tolliameti Ida maksu- ja tollikeskus (Steuer- und Zollamt – Steuer- und Zollzentralstelle Ost, im Folgenden: MTA) wegen Antidumpingzöllen und Umsatzsteuer, die von Baltic Agro für Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland infolge einer nachträglichen Kontrolle verlangt wurden. Rechtlicher Rahmen Der Zollkodex 3 Art. 66 des Zollkodex bestimmt: „(1)   Die Zollbehörden erklären auf Antrag des Anmelders eine bereits angenommene Anmeldung für ungültig, wenn der Anmelder nachweist, dass die Waren irrtümlich zu dem in dieser Anmeldung bezeichneten Zollverfahren angemeldet worden sind oder dass infolge besonderer Umstände die Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren nicht mehr gerechtfertigt ist. Haben jedoch die Zollbehörden den Anmelder davon unterrichtet, dass sie eine Beschau der Waren vornehmen wollen, so kann der Antrag auf Ungültigerklärung der Anmeldung erst angenommen werden, nachdem diese Beschau stattgefunden hat. (2)   Nach Überlassung der Waren kann die Anmeldung außer in den nach dem Ausschussverfahren festgelegten Fällen nicht mehr für ungültig erklärt werden. (3)   Die Ungültigerklärung der Anmeldung bleibt ohne Folgen für das geltende Straf‑ und Ordnungswidrigkeitenrecht.“ 4 Art. 220 Abs. 2 des Zollkodex sieht vor: „Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn … b) der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat; …“ Die Verordnung Nr. 2454/93 5 Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 lautet: „Abweichend von Artikel 66 Absatz 2 des Zollkodex kann eine Zollanmeldung nach Überlassung der Waren unter folgenden Voraussetzungen für ungültig erklärt werden: 1. In Fällen, in denen nachgewiesen wird, dass die Waren aufgrund eines Irrtums in ein Zollverfahren, das die Verpflichtung zur Entrichtung von Einfuhrabgaben enthält, statt in ein anderes Zollverfahren übergeführt worden sind, wird die Zollanmeldung von der Zollstelle für ungültig erklärt, wenn der entsprechende Antrag innerhalb von drei Monaten nach dem Tag der Annahme der Zollanmeldung gestellt wird und sofern — die Waren nicht anders verwendet worden sind, als es in dem Zollverfahren, in das die Waren hätten übergeführt werden sollen, vorgesehen ist, — die Waren bei ihrer Zollanmeldung zur Überführung in ein anderes Zollverfahren bestimmt waren, für das sie alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllten und — die Waren unverzüglich zu dem Zollverfahren angemeldet werden, für das sie bestimmt waren. Die Zollanmeldung der Waren zu diesem anderen Zollverfahren ist vom Tage der Annahme der für ungültig erklärten Zollanmeldung an wirksam. In begründeten Ausnahmefällen kann die Zollstelle eine Überschreitung dieser Frist zulassen; …“ Die Verordnung Nr. 661/2008 6 Die Erwägungsgründe 159 und 161 der Verordnung Nr. 661/2008 lauten: „(159) Um die Kommission und die Zollbehörden in die Lage zu versetzen, die Einhaltung der Verpflichtungen wirksam zu kontrollieren, sollte die Befreiung vom Antidumpingzoll bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr davon abhängig gemacht werden, dass i) den zuständigen Zollbehörden eine Verpflichtungsrechnung vorgelegt wird; das ist eine Handelsrechnung, die mindestens die Angaben und die Erklärung enthält, die im Anhang vorgegeben sind, ii) die eingeführten Waren von den genannten Unternehmen hergestellt, versandt und dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Gemeinschaft direkt in Rechnung gestellt werden und iii) die bei den Zollbehörden angemeldeten und gestellten Waren der Beschreibung auf der Verpflichtungsrechnung genau entsprechen. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, entsteht bei der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Zollschuld in Höhe des entsprechenden Antidumpingzolls. … (161) Den Einführern sollte bewusst sein, dass bei der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, wie unter den Erwägungsgründen 159 und 160 dargelegt, auch dann eine Zollschuld entstehen kann, wenn eine vom Hersteller, bei dem sie die Ware direkt oder indirekt gekauft haben, angebotene Verpflichtung von der Kommission angenommen wurde; das Entstehen einer solchen Zollschuld ist als normales Geschäftsrisiko zu betrachten.“ 7 Die Art. 1 und 2 der Verordnung Nr. 661/2008 sehen für die Einfuhr von Ammoniumnitrat und bestimmter Düngemittel sowie weiterer ammoniumnitrathaltiger Produkte mit Ursprung in Russland endgültige Antidumpingzölle unterschiedlicher Höhe vor. 8 Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung lautet: „(1)   Zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldete Einfuhren, die von Unternehmen in Rechnung gestellt werden, deren Verpflichtungsangebote von der Kommission angenommen wurden und die namentlich in dem Beschluss 2008/577/EG in der jeweils geltenden Fassung genannt sind, sind von dem in Artikel 2 eingeführten Zoll befreit, sofern: — sie von den genannten Unternehmen hergestellt, versandt und dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Gemeinschaft direkt in Rechnung gestellt werden und — für diese Einfuhren eine Verpflichtungsrechnung vorgelegt wird – eine Verpflichtungsrechnung ist eine Handelsrechnung, die mindestens die Angaben und die Erklärung enthält, die im Anhang vorgegeben sind – und — die bei den Zollbehörden angemeldeten und gestellten Waren der Beschreibung auf der Verpflichtungsrechnung genau entsprechen. (2)   Bei der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr entsteht eine Zollschuld, — wenn bei den in Absatz 1 genannten Einfuhren festgestellt wird, dass eine oder mehrere der in Absatz 1 aufgeführten Bedingungen nicht erfüllt sind, oder …“ Der Beschluss 2008/577 9 Der 21. Erwägungsgrund des Beschlusses 2008/577 lautet: „Um eine wirksame Überwachung der Einhaltung der Verpflichtungen der Unternehmen durch die Kommission zu gewährleisten, ist die Befreiung vom Antidumpingzoll bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr davon abhängig, dass i) den betreffenden Zollbehörden eine Verpflichtungsrechnung vorgelegt wird, die mindestens die im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 661/2008 und im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 662/2008 des Rates … aufgeführten Angaben enthält, ii) die eingeführten Waren von den genannten Unternehmen hergestellt, versandt und dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Gemeinschaft direkt in Rechnung gestellt werden, und iii) die bei den Zollbehörden angemeldeten und gestellten Waren der Beschreibung auf der Verpflichtungsrechnung genau entsprechen. Wird keine solche Rechnung vorgelegt oder bezieht sich diese Rechnung nicht auf die gestellte Ware, so ist der entsprechende Antidumpingzoll zu entrichten.“ 10 Mit diesem Beschluss nahm die Europäische Kommission die Preisverpflichtungen an, die von den russischen ausführenden Ammoniumnitratherstellern „JSC Acron [im Folgenden: Acron], Veliky Novgorod, Russland, und JSC Dorogobuzh, Dorogobuzh, Russland, Mitglieder der Acron-Holding“ nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1) angeboten worden waren. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 11 Im Oktober 2009 und Januar 2010 erwarb Baltic Agro mit Sitz in Estland über die estnische Gesellschaft Magnet Grupp OÜ (im Folgenden: Magnet Grupp) als Zwischenhändler 5000 Tonnen Ammoniumnitratdüngemittel. Dazu wurden zwischen Acron und Magnet Grupp einerseits und Magnet Grupp und Baltic Agro andererseits mehrere Kaufverträge geschlossen. Im Rahmen dieser Verträge verkaufte Acron an Magnet Grupp 10000 Tonnen Ammoniumnitratdüngemittel, und Magnet Grupp wiederum verkaufte davon 5000 Tonnen an Baltic Agro, die sich in diesen Verträgen verpflichtete, die Zollformalitäten für die Waren zu erledigen und die Umsatzsteuer zu entrichten. 12 Gemäß dem vorlegenden Gericht nahmen zwei Zollagenten im Januar und Februar 2010 fünf Zollanmeldungen betreffend die Einfuhr von 1751,5 Tonnen Ammoniumnitratdüngemittel vor, in denen Baltic Agro als Empfängerin der eingeführten Waren genannt wurde. Als Absenderinnen wurden in zwei dieser Zollanmeldungen Acron und in den übrigen drei Zollanmeldungen eine lettische Speditionsgesellschaft, Ventoil SIA, genannt. 13 Am 1. März und am 23. April 2010 beantragten die genannten Zollagenten beim MTA, diese Zollanmeldungen für ungültig zu erklären, weil in diesen Baltic Agro anstelle von Magnet Grupp als Empfängerin angegeben worden sei. 14 Am 3. März 2010 führte das MTA eine Nachprüfung der fünf Zollanmeldungen durch, um den Zollwert der eingeführten Waren sowie die Berechnung und die Begleichung der erhobenen Einfuhrabgaben auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. 15 Am 31. Mai 2010 erließ das MTA auf der Grundlage der Nachprüfung zwei Bescheide, mit denen Baltic Agro zur Zahlung von Zoll und Umsatzsteuer auf die eingeführten Waren verpflichtet wurde, und begründete dies damit, dass die Voraussetzungen für die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Zollbefreiung nicht erfüllt seien, da Baltic Agro nicht der erste unabhängige Abnehmer in der Europäischen Union sei. 16 Baltic Agro erhob gegen diese Bescheide beim Tartu halduskohus (Verwaltungsgericht Tartu, Estland) Klage. Dabei machte sie geltend, der Umstand, dass sie sich bei den betreffenden Einfuhren eines Zwischenhändlers, Magnet Grupp, bedient habe, spiele in abgabenrechtlicher Hinsicht keine Rolle. 17 Das Tartu halduskohus wies diese Klage mit Urteil vom 25. April 2011 mit der Begründung ab, Baltic Agro könne die nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Zollbefreiung nicht für sich in Anspruch nehmen, da sie die eingeführten Waren nicht direkt vom Hersteller erworben habe. 18 Am 25. Mai 2011 focht Baltic Agro das erstinstanzliche Urteil beim Tartu ringkonnakohus (Berufungsgericht Tartu, Estland) an und beantragte, dieses Urteil aufzuheben. 19 Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob Baltic Agro, obwohl sie nicht der erste unabhängige Abnehmer in der Europäischen Union ist, die nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Befreiung von Antidumpingzöllen beanspruchen kann oder ob diese Befreiung voraussetzt, dass der erste Abnehmer und der Einführer stets ein und dieselbe Person sind. 20 Außerdem möchte das genannte Gericht wissen, welche Folgen eine fehlerhafte Zollanmeldung hat. In diesem Zusammenhang wirft es die Frage auf, ob die Tatsache, dass die Zollbehörde die genannten Zollanmeldungen, nachdem die Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragt hatte, diese für ungültig zu erklären, angenommen und eine nachträgliche Prüfung durchgeführt hat, nicht auf einen Fehler dieser Behörde hinweist, der der Klägerin die Möglichkeit eröffnet, das Verfahren nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex in Anspruch zu nehmen, das die Möglichkeit einer Ungültigerklärung von Zollanmeldungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vorsieht. 21 Schließlich möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Rückgriff auf einen Zwischenhändler wie Magnet Grupp für die Einfuhr von Waren in die Europäische Union in rechtlicher Hinsicht nicht eine Ungleichbehandlung darstellt, da einem Einführer, der sich nicht eines solchen Zwischenhändlers bedient, die nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Befreiung von Antidumpingzöllen gewährt wird. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist dieses Vorgehen nicht verhältnismäßig und stellt eine Ungleichbehandlung zweier sich in der gleichen Situation befindender Einführer dar. Dies verstoße gegen das Unionsrecht und insbesondere gegen Art. 20 der Charta. 22 Unter diesen Umständen hat das Tartu ringkonnakohus das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 dahin auszulegen, dass der Einführer und der erste unabhängige Abnehmer in der [Union] stets ein und dieselbe Person sein müssen? 2. Ist Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 in Verbindung mit dem Beschluss Nr. 2008/577 dahin auszulegen, dass die Befreiung vom Antidumpingzoll nur für einen solchen ersten unabhängigen Abnehmer in der [Union] gilt, der die anzumeldende Ware nicht vor der Anmeldung weiterverkauft hat? 3. Ist Art. 66 des Zollkodex in Verbindung mit Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 und den übrigen Verfahrensvorschriften über spätere Änderungen der Zollanmeldung dahin auszulegen, dass es, wenn bei der Einfuhr einer Ware in der Anmeldung ein falscher Empfänger eingetragen wird, ermöglicht werden muss, die Anmeldung auch nach Überlassung der Ware auf Antrag für ungültig zu erklären und die Eintragung des Empfängers zu korrigieren, wenn bei Eintragung des richtigen Empfängers die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Zollbefreiung hätte angewandt werden müssen, oder ist Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex unter diesen Umständen dahin auszulegen, dass die Zollbehörden nicht berechtigt sind, eine nachträgliche buchmäßige Erfassung vorzunehmen? 4. Sofern beide Alternativen der Frage 3 verneint werden, steht es dann im Einklang mit Art. 20 der Charta in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 AEUV und Art. 31 AEUV, wenn Art. 66 des Zollkodex in Verbindung mit Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 und den übrigen Verfahrensvorschriften über spätere Änderungen der Zollanmeldung es nicht gestattet, eine Anmeldung nach Überlassung der Ware auf Antrag für ungültig zu erklären und die Eintragung des Empfängers zu korrigieren, wenn bei Eintragung des richtigen Empfängers die in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Zollbefreiung hätte gewährt werden müssen? Zu den Vorlagefragen Zur ersten und zur zweiten Frage 23 Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 dahin auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland über eine andere, ebenfalls in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft zum Zweck der Einfuhr in die Europäische Union gekauft hat, als erster unabhängiger Abnehmer in der Union im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden und daraufhin die Befreiung vom endgültigen Antidumpingzoll beanspruchen kann, der durch diese Verordnung für Ammoniumnitrat eingeführt wurde. 24 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Befreiung von Antidumpingzöllen nur unter bestimmten Voraussetzungen in ausdrücklich vorgesehenen Fällen gewährt werden kann. Es handelt sich daher um eine Ausnahme von der normalen Regelung für Antidumpingzölle. Deshalb sind die Vorschriften, die eine solche Befreiung vorsehen, eng auszulegen (vgl. entsprechend Urteile Söhl & Söhlke, C‑48/98, EU:C:1999:548, Rn. 52, und Isaac International, C‑371/09, EU:C:2010:458, Rn. 42). 25 Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 können von der Kommission akzeptierte Einfuhren vom Antidumpingzoll befreit werden, wenn sie die drei in dieser Vorschrift genannten kumulativen Voraussetzungen erfüllen. Erstens müssen die Einfuhren von den ausführenden Unternehmen hergestellt, versandt und dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Union direkt in Rechnung gestellt werden. Hierzu verlangt Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Verordnung mit der Verwendung des Wortes „direkt“, dass zwischen der Gesellschaft, die für die Herstellung, den Versand und die Fakturierung der eingeführten Ware zuständig ist, und dem ersten unabhängigen Abnehmer in der Union ein enger Zusammenhang besteht. 26 Zweitens muss für die Einfuhren, die für diese Befreiung in Betracht kommen, eine Verpflichtungsrechnung vorgelegt werden, d. h. eine Handelsrechnung, die mindestens die Angaben und die Erklärung enthält, die im Anhang der Verordnung Nr. 661/2008 vorgegeben sind. 27 Drittens müssen die bei den Zollbehörden angemeldeten und gestellten Waren der Beschreibung auf der Verpflichtungsrechnung genau entsprechen und somit die in der vorstehenden Randnummer genannten Anforderungen erfüllen. 28 Im Übrigen entsteht gemäß Art. 3 Abs. 2 der genannten Verordnung bei der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Zollschuld, wenn bei den in Art. 3 Abs. 1 genannten Einfuhren festgestellt wird, dass sie eine oder mehrere der in Abs. 1 aufgeführten Bedingungen nicht erfüllen. 29 Art. 3 der Verordnung Nr. 661/2008 ist im Licht des 159. Erwägungsgrundes dieser Verordnung zu sehen, wonach die Befreiung vom Antidumpingzoll voraussetzt, dass die in diesem Artikel genannten Voraussetzungen erfüllt sind, damit die Kommission und die zuständigen Zollbehörden wirksam kontrollieren können, ob sich die Unternehmen bei der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an ihre Verpflichtungen halten. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, entsteht bei der Annahme der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr eine Zollschuld in Höhe des entsprechenden Antidumpingzolls. 30 Außerdem sind, wie der Generalanwalt in Nr. 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Anforderungen nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 in Verbindung mit dem genannten Erwägungsgrund aufgrund von Erwägungen in Bezug auf die Kontrolle der Durchführung der eingegangenen Verpflichtungen sowohl durch die Kommission als auch durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten gerechtfertigt. 31 Wie sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, wurden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren Baltic Agro von Acron nicht direkt in Rechnung gestellt und übersandt, denn zum einen hat Baltic Agro diese Waren nicht direkt bei Acron – dem Unternehmen, dessen Preisverpflichtungsangebot die Kommission mit der Verordnung Nr. 661/2008 angenommen hat – gekauft und zum anderen hat sie nur einen Teil der von Acron an Magnet Grupp veräußerten Waren gekauft, auch wenn Baltic Agro in den Zollanmeldungen als Empfänger sämtlicher von Acron verkauften Waren angegeben war. Unter diesen Umständen ist die erste Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 nicht erfüllt, so dass die durch diese Verordnung eingeführte Befreiung vom Antidumpingzoll nicht gilt. 32 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 dahin auszulegen ist, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland über eine andere, ebenfalls in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft zum Zweck der Einfuhr in die Europäische Union gekauft hat, nicht als erster unabhängiger Abnehmer in der Union im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann und demzufolge nicht die Befreiung vom endgültigen Antidumpingzoll beanspruchen kann, der durch diese Verordnung für Ammoniumnitrat eingeführt wurde. Zur dritten Frage 33 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 66 und 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex dahin auszulegen sind, dass sie es einer Zollbehörde verwehren, einen Antidumpingzoll nachträglich buchmäßig zu erfassen, wenn, wie in dem Sachverhalt, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, Anträge auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gestellt wurden, weil der Empfänger in diesen Zollanmeldungen unzutreffend angegeben war und die genannte Behörde die Zollanmeldungen nach Erhalt der fraglichen Anträge angenommen oder nach Erhalt dieser Anträge kontrolliert hat. 34 Erstens ist daran zu erinnern, dass nach Art. 66 des Zollkodex ein Antrag auf Ungültigerklärung angenommen werden kann, wenn der Anmelder nachweist, dass die Ware irrtümlich zu dem in dieser Anmeldung bezeichneten Zollverfahren angemeldet worden ist oder dass die Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren nicht mehr gerechtfertigt ist. Nach demselben Artikel kann die Anmeldung nach Überlassung der Waren nur in bestimmten, insbesondere in Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 aufgezählten Fällen für ungültig erklärt werden. 35 Zweitens sieht Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex vor, dass keine nachträgliche buchmäßige Erfassung erfolgt, wenn der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt hat. 36 Im vorliegenden Fall weist jedoch nichts in den Akten darauf hin, dass unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Art. 66 und 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex anwendbar wären. 37 Was nämlich Art. 66 des Zollkodex angeht, hat Baltic Agro weder geltend gemacht noch sonst behauptet, dass die Waren irrtümlich zu dem im Ausgangsverfahren bezeichneten Zollverfahren angemeldet worden sind. Deshalb findet Art. 66 des Zollkodex, wie der Generalanwalt in den Nrn. 46 und 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unter den Umständen des Ausgangsverfahrens keine Anwendung. 38 Hinsichtlich Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex ist festzustellen, dass nichts in den dem Gerichtshof vorgelegten Akten auf einen Fehler der Zollbehörde schließen lässt, weder bei der Angabe der Zollagenten in den Zollanmeldungen, dass Baltic Agro Empfänger der Waren sei, noch bei der Zustimmung zu einer Kontrolle solcher Anmeldungen oder der Einleitung einer solchen Kontrolle, nachdem beantragt worden war, diese Zollanmeldungen für ungültig zu erklären. 39 Selbst wenn aufgrund dieser Gesichtspunkte ein Fehler vorläge, der es im Ausgangsverfahren ermöglichen würde, die Zollanmeldungen für ungültig zu erklären, könnte Baltic Agro aufgrund solcher Umstände jedenfalls nicht die nach der Verordnung Nr. 661/2008 vorgesehene Befreiung vom Antidumpingzoll verlangen, da dieses Unternehmen, wie sich aus Rn. 31 dieses Urteils ergibt, noch immer nicht die Voraussetzungen des Art. 3 dieser Verordnung erfüllen würde, um als erster unabhängiger Abnehmer in der Union angesehen werden zu können. 40 Unter diesen Umständen ist auf die dritte Frage zu antworten, dass die Art. 66 und 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex dahin auszulegen sind, dass sie es einer Zollbehörde nicht verwehren, einen Antidumpingzoll nachträglich buchmäßig zu erfassen, wenn, wie in dem Sachverhalt, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, Anträge auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gestellt wurden, weil der Empfänger in diesen Zollanmeldungen unzutreffend angegeben war und die genannte Behörde die Zollanmeldungen nach Erhalt der fraglichen Anträge angenommen oder nach Erhalt dieser Anträge kontrolliert hat. Zur vierten Frage 41 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 66 des Zollkodex und Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 mit dem in Art. 20 der Charta verankerten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz im Einklang stehen, wenn es im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs, auf den die Art. 28 AEUV und 31 AEUV verweisen, nach den vorstehend genannten Vorschriften des Zollkodex und der Verordnung Nr. 2454/93 nicht möglich ist, eine fehlerhafte Zollanmeldung auf Antrag für ungültig zu erklären und dementsprechend dem Empfänger der Waren, der einen Anspruch auf Befreiung vom Antidumpingzoll gehabt hätte, wenn dieser Fehler nicht unterlaufen wäre, diese Befreiung zu gewähren. 42 Das vorlegende Gericht trägt in diesem Zusammenhang vor, dass es nach den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschriften des Zollkodex und der Verordnung Nr. 661/2008 zwar nicht möglich sei, die Zollanmeldung für ungültig zu erklären, um die Angabe des Empfängers der fraglichen Waren zu berichtigen, so dass es Magnet Grupp verwehrt sei, die Befreiung vom Antidumpingzoll zu beanspruchen, die sie ohne einen solchen Fehler hätte beanspruchen können, doch stelle sich die Frage, ob nicht der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz verletzt sei, da sich die beiden in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gesellschaften zwar im Wesentlichen in der gleichen Situation befänden, jedoch ungleich behandelt würden. 43 Im Ausgangsverfahren liegt jedoch, wie in Rn. 38 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, kein Fehler vor, der es ermöglichen würde, die Zollanmeldungen für ungültig zu erklären. Insoweit ist in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, dass bei einer Zollanmeldung der Anmelder verpflichtet ist, zutreffende Angaben zu machen. Mit dieser Verpflichtung ist der Grundsatz verknüpft, dass die Zollanmeldung nach ihrer Annahme nicht widerrufbar ist, ein Grundsatz, dessen Ausnahmen im einschlägigen Unionsrecht streng eingegrenzt sind (Urteil DP grup, C‑138/10, EU:C:2011:587, Rn. 39 bis 41). 44 Außerdem ist festzustellen, dass ein Unternehmen, das die Anforderungen des Art. 3 der Verordnung Nr. 661/2008 eingehalten und eine Zollanmeldung ordnungsgemäß ausgefüllt hat, um eine Befreiung vom Antidumpingzoll zu erhalten, sich nicht in einer Situation befindet, die mit der eines Unternehmens vergleichbar wäre, das diese Anforderungen nicht erfüllt hat. 45 Überdies könnte Baltic Agro, wie in den Rn. 31 und 39 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, selbst wenn die fraglichen Zollanmeldungen ordnungsgemäß ausgefüllt worden wären, keine Befreiung vom Antidumpingzoll beanspruchen, weil sie jedenfalls nicht die Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 661/2008 erfüllt. 46 Deshalb ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 66 des Zollkodex und Art. 251 der Verordnung Nr. 2454/93 mit dem in Art. 20 der Charta verankerten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz im Einklang stehen, wenn es im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs, auf den die Art. 28 AEUV und 31 AEUV verweisen, nach den vorstehend genannten Vorschriften des Zollkodex und der Verordnung Nr. 2454/93 nicht möglich ist, eine fehlerhafte Zollanmeldung auf Antrag für ungültig zu erklären und dementsprechend dem Empfänger der Waren, der einen Anspruch auf Befreiung vom Antidumpingzoll gehabt hätte, wenn dieser Fehler nicht unterlaufen wäre, diese Befreiung zu gewähren. Kosten 47 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 661/2008 des Rates vom 8. Juli 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland nach einer Überprüfung wegen bevorstehenden Außerkrafttretens gemäß Artikel 11 Absatz 2 und einer teilweisen Interimsüberprüfung gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 ist dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft, die Ammoniumnitrat mit Ursprung in Russland über eine andere, ebenfalls in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft zum Zweck der Einfuhr in die Europäische Union gekauft hat, nicht als erster unabhängiger Abnehmer in der Union im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann und demzufolge nicht die Befreiung vom endgültigen Antidumpingzoll beanspruchen kann, der durch die Verordnung Nr. 661/2008 für Ammoniumnitrat eingeführt wurde. 2. Die Art. 66 und 220 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie es einer Zollbehörde nicht verwehren, einen Antidumpingzoll nachträglich buchmäßig zu erfassen, wenn, wie in dem Sachverhalt, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, Anträge auf Ungültigerklärung der Zollanmeldungen gestellt wurden, weil der Empfänger in diesen Zollanmeldungen unzutreffend angegeben war und die genannte Behörde die Zollanmeldungen nach Erhalt der fraglichen Anträge angenommen oder nach Erhalt dieser Anträge kontrolliert hat. 3. Art. 66 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 1791/2006 geänderten Fassung und Art. 251 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 312/2009 der Kommission vom 16. April 2009 geänderten Fassung stehen mit dem in Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz im Einklang, wenn es im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs, auf den die Art. 28 AEUV und 31 AEUV verweisen, nach den vorstehend genannten Vorschriften der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 1791/2006 geänderten Fassung und der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 312/2009 geänderten Fassung nicht möglich ist, eine fehlerhafte Zollanmeldung auf Antrag für ungültig zu erklären und dementsprechend dem Empfänger der Waren, der einen Anspruch auf Befreiung vom Antidumpingzoll gehabt hätte, wenn dieser Fehler nicht unterlaufen wäre, diese Befreiung zu gewähren. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Estnisch.
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 11. September 2014.#Europäische Kommission gegen Portugiesische Republik.#Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 96/67/EG – Art. 11 – Luftverkehr – Bodenabfertigungsdienste – Auswahl der Dienstleister.#Rechtssache C‑277/13.
62013CJ0277
ECLI:EU:C:2014:2208
2014-09-11T00:00:00
Gerichtshof, Szpunar
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0277 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 11. September 2014 (*1) „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Richtlinie 96/67/EG — Art. 11 — Luftverkehr — Bodenabfertigungsdienste — Auswahl der Dienstleister“ In der Rechtssache C‑277/13 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 21. Mai 2013, Europäische Kommission, vertreten durch P. Guerra e Andrade und F. W. Bulst als Bevollmächtigte, Klägerin, gegen Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, T. Falcão und V. Moura Ramos als Bevollmächtigte, Beklagte, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Richters E. Levits, der Richterin M. Berger sowie der Richter S. Rodin (Berichterstatter) und F. Biltgen, Generalanwalt: M. Szpunar, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2014, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft (ABl. L 272, S. 36) verstoßen hat, dass sie nicht im Einklang mit diesem Art. 11 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines Auswahlverfahrens unter den zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten der Gepäckabfertigung, der Vorfelddienste sowie der Fracht- und Postabfertigung auf den Flughäfen Lissabon, Porto und Faro befugten Dienstleistern getroffen hat. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 2 Im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 96/67 heißt es: „Mit der Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste soll zur Senkung der Betriebskosten der Luftverkehrsgesellschaften und zur Hebung der den Nutzern gebotenen Qualität beigetragen werden.“ 3 Der 16. Erwägungsgrund dieser Richtlinie lautet wie folgt: „Wird die Zahl der Dienstleister begrenzt, so ist es zur Wahrung eines wirksamen und lauteren Wettbewerbs erforderlich, dass diese Dienstleister nach einem transparenten und unparteiischen Verfahren ausgewählt werden. Es ist angebracht, die Nutzer bei dieser Auswahl zu konsultieren, da sie schließlich am unmittelbarsten von Qualität und Preis der Dienste betroffen sind, die sie später in Anspruch nehmen sollen.“ 4 Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 96/67, der den Begriff „Bodenabfertigungsdienste“ definiert, verweist hinsichtlich der von diesem Begriff erfassten Kategorien von Diensten auf den Anhang dieser Richtlinie. Nach diesem Anhang gehören zu den Bodenabfertigungsdiensten folgende Dienste: „… 3. Die Gepäckabfertigung … 4. Die Fracht- und Postabfertigung … … 5. Die Vorfelddienste … …“ 5 Art. 6 dieser Richtlinie lautet wie folgt: „(1)   Die Mitgliedstaaten treffen gemäß Artikel 1 die erforderlichen Maßnahmen, um den Bodenabfertigungsdienstleistern den freien Zugang zum Markt der Drittabfertigungsdienste zu gewährleisten. … (2)   Die Mitgliedstaaten können die Zahl der Dienstleister begrenzen, die zur Erbringung folgender Bodenabfertigungsdienste befugt sind: — Gepäckabfertigung, — Vorfelddienste, … — Fracht- und Postabfertigung, soweit dies die konkrete Beförderung von Fracht und Post zwischen Flughafen und Flugzeug bei der Ankunft, beim Abflug oder beim Transit betrifft. Sie dürfen die Zahl dieser Dienstleister indessen nicht auf weniger als zwei je Bodenabfertigungsdienst begrenzen. (3)   Darüber hinaus darf ab dem 1. Januar 2001 wenigstens einer dieser zugelassenen Dienstleister — weder durch das Leitungsorgan, — noch durch einen Nutzer, der in dem Jahr vor der Auswahl der Dienstleister mehr als 25 % der auf dem Flughafen registrierten Fluggäste oder Fracht befördert hat, — noch durch eine Stelle, die dieses Leitungsorgan oder einen solchen Nutzer unmittelbar oder mittelbar kontrolliert oder ihrerseits von einem der beiden kontrolliert wird, unmittelbar oder mittelbar kontrolliert werden. Ein Mitgliedstaat kann jedoch bis zum 1. Juli 2000 beantragen, dass die sich aus diesem Absatz ergebenden Verpflichtungen bis zum 31. Dezember 2001 ausgesetzt werden. Die Kommission prüft mit Unterstützung des in Artikel 10 genannten Ausschusses einen solchen Antrag und kann unter Berücksichtigung der Entwicklung des Sektors und insbesondere der Situation von Flughäfen, die hinsichtlich des Verkehrsvolumens und ihrer Beschaffenheit vergleichbar sind, beschließen, dass dem Antrag stattgegeben wird. (4)   Begrenzen die Mitgliedstaaten nach Absatz 2 die Zahl der zugelassenen Dienstleister, so darf dadurch keinem Flughafennutzer ungeachtet des ihm zugewiesenen Flughafenbereichs die Möglichkeit genommen werden, bei jedem Bodenabfertigungsdienst, für den Begrenzungen gelten, effektiv zwischen mindestens zwei Bodenabfertigungsdienstleistern gemäß den Absätzen 2 und 3 wählen zu können.“ 6 Art. 11 dieser Richtlinie sieht vor: „(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines Auswahlverfahrens unter den Dienstleistern, die zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf einem Flughafen befugt sind, falls die Zahl der Dienstleister gemäß Artikel 6 Absatz 2 oder Artikel 9 begrenzt wird. Dieses Verfahren ist nach folgenden Grundsätzen durchzuführen: a) Falls die Mitgliedstaaten die Erstellung eines Pflichtenhefts oder technischer Spezifikationen vorsehen, denen die Dienstleister gerecht werden müssen, werden diese Anforderungen nach Anhörung des Nutzerausschusses festgelegt. Die im Pflichtenheft bzw. in den technischen Spezifikationen vorgesehenen Auswahlkriterien müssen sachgerecht, objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein. … b) Im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ist eine Ausschreibung zu veröffentlichen, die es jedem Interessenten gestattet, sich zu bewerben. c) Die Auswahl der Dienstleister erfolgt i) nach Anhörung des Nutzerausschusses durch das Leitungsorgan des Flughafens, wenn dieses — selbst keine gleichartigen Bodenabfertigungsdienste erbringt und — kein Unternehmen, das derartige Dienste erbringt, direkt oder indirekt kontrolliert und — in keiner Weise an einem solchen Unternehmen beteiligt ist; ii) in den übrigen Fällen durch die von den Leitungsorganen unabhängigen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten nach Anhörung des Nutzerausschusses und der Leitungsorgane. d) Die Dienstleister werden für die Dauer von höchstens sieben Jahren ausgewählt. e) Stellt ein Dienstleister seine Tätigkeit vor Ablauf des Zeitraums ein, für den er ausgewählt wurde, so wird er nach dem gleichen Verfahren durch einen anderen ersetzt. (2)   Wird die Anzahl der Dienstleister gemäß Artikel 6 Absatz 2 oder Artikel 9 begrenzt, so kann das Leitungsorgan selbst Bodenabfertigungsdienste erbringen, ohne sich dem Auswahlverfahren nach Absatz 1 unterziehen zu müssen. Es kann ferner ohne dieses Verfahren einem Dienstleistungsunternehmen gestatten, Bodenabfertigungsdienste auf dem betreffenden Flughafen zu erbringen, wenn — es dieses Unternehmen direkt oder indirekt kontrolliert oder — es von diesem Unternehmen direkt oder indirekt kontrolliert wird. (3)   Das Leitungsorgan unterrichtet den Nutzerausschuss über die im Rahmen dieses Artikels getroffenen Entscheidungen.“ 7 Art. 18 („Sozialer Schutz und Umweltschutz“) der Richtlinie 96/67 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten können unbeschadet der Anwendung dieser Richtlinie und unter Wahrung der übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Schutz der Rechte der Arbeitnehmer und den Schutz der Umwelt sicherzustellen.“ 8 Art. 23 („Umsetzung“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor: „Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie bis spätestens ein Jahr nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis. …“ 9 Diese am 25. Oktober 1996 veröffentlichte Richtlinie hätte somit spätestens am 25. Oktober 1997 umgesetzt worden sein müssen. Portugiesisches Recht 10 Die Portugiesische Republik hat die Richtlinie 96/67 mit dem Decreto‑Lei Nr. 275/99 vom 23. Juli 1999 umgesetzt. In der Präambel dieses Decreto‑Lei heißt es: „Berücksichtigt wird ferner die Notwendigkeit, so weit wie möglich einen reibungslosen Übergang zu der neuen Regelung zu gewährleisten, indem die Kontinuität der Dienste sichergestellt wird und die Arbeitsplätze und Rechte der Arbeitnehmer des Sektors geschützt werden.“ 11 Art. 27 („Auswahl der Dienstleister“) dieses Decreto‑Lei lautet wie folgt: „1.   In den in Art. 22 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 1 Buchst. a und b vorgesehenen Fällen einer Begrenzung der Zahl der Dienstleister erfolgt die Auswahl der zugelassenen Dienstleister im Wege einer im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Ausschreibung. … 7.   Die Dienstleister werden für die Dauer von mindestens vier und höchstens sieben Jahren ausgewählt.“ 12 Art. 39 („Übergangsregelung“) dieses Decreto‑Lei bestimmt: „1.   Unbeschadet des Abs. 2 ist es Unternehmen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Decreto‑Lei von Gesetzes wegen oder aufgrund einer Genehmigung durch das Leitungsorgan befugt waren, auf einem Flugplatz die Selbstabfertigung vorzunehmen oder Bodenabfertigungsdienste zu erbringen, automatisch erlaubt, zur Erfüllung der betreffenden Aufgaben bis zum Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Gültigkeitsdauer der bestehenden Genehmigung oder für einen Zeitraum von vier Jahren, wenn die Gültigkeitsdauer der bestehenden Genehmigung nicht zeitlich befristet ist oder vier Jahre überschreitet, auf dem fraglichen Flugplatz das öffentliche Flughafengelände zu nutzen. … 2.   Innerhalb einer Frist von einem Jahr ab der Veröffentlichung des vorliegenden Decreto‑Lei müssen die in Abs. 1 genannten Unternehmen nach Kapitel II eine Lizenz für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit erwirken; andernfalls verfallen zu diesem Zeitpunkt die betreffenden Genehmigungen oder mit diesen verbundenen Erlaubnisse.“ Vorverfahren 13 Nach den von der Kommission eingeholten Informationen handelt es sich bei den Dienstleistern für „Gepäckabfertigung“, „Fracht‑ und Postabfertigung“ und „Vorfelddienste“ in Portugal um die Portway – Handling de Portugal, SA (im Folgenden: Portway), und die Serviços Portugueses de Handling, SA, die seit 2005 unter dem Namen ihrer Marke Groundforce Portugal (im Folgenden: Groundforce) bekannt ist. 14 Portway ist ein Unternehmen, dass zu 100 % von der ANA, SA gehalten wird, deren Unternehmensgegenstand in der Verwaltung der Flughafeninfrastruktur und der Erbringung von Flughafendiensten auf den Flughäfen von Lissabon, Porto und Faro auf der Grundlage eines verwaltungsrechtlichen Konzessionsvertrags besteht. 15 Groundforce ist ein Unternehmen, dass zu 50,1 % von der Urbanos‑Gruppe gehalten wird. Vor der Beteiligung dieser Gruppe am Kapital der Groundforce, wurde diese von der Transportes Aéreos Portugueses (im Folgenden: TAP) gehalten. Im Jahr 2003 räumten die portugiesischen Rechtsvorschriften der TAP das Recht ein, im Wege einer internationalen offenen Ausschreibung, die sich an die Investoren richtete, die die in einem Pflichtenheft festgelegten Bedingungen erfüllten, eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Groundforce zu veräußern. Die Globalia, Corporación Empresarial SA (im Folgenden: Globalia), die als Meistbietende ausgewählt wurde, erwarb im Jahr 2004 die Mehrheit der Aktien der Groundforce. Nach verschiedenen Transaktionen erwarb die Urbanos‑Gruppe die genannte Aktienmehrheit, die sie zurzeit hält. 16 Am 25. November 2010 richtete die Kommission ein Aufforderungsschreiben an die Portugiesische Republik, in dem sie dieser vorwarf, dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 96/67 verstoßen zu haben, dass sie nicht im Einklang mit Art. 11 dieser Richtlinie ein Auswahlverfahren unter den Bodenabfertigungsdienstleistern durchgeführt habe. 17 Die portugiesische Regierung antwortete mit Schreiben vom 31. Januar 2011 und bestritt die zur Last gelegte Vertragsverletzung. 18 Am 20. Mai 2011 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Portugiesische Republik, in der sie ihre Rügen bekräftigte. Insbesondere habe der genannte Staat in der Zeit von 1999 bis 2003 eine Übergangsregelung angewandt, die eine automatische Genehmigung vorgesehen habe und es Portway, die von der ANA, SA dem Leitungsorgan des Flughafens, kontrolliert worden sei, und gleichzeitig Groundforce, die von der TAP, dem wichtigsten portugiesischen Verkehrsunternehmen, kontrolliert worden sei, ermöglicht habe, weiterhin die fraglichen Dienste zu erbringen. Im Jahr 2004 wurde Groundforce nach einer internationalen offenen Ausschreibung Teil der Globalia‑Gruppe, behielt jedoch die Genehmigung für die Erbringung der Bodenabfertigungsdienste. 19 Die portugiesische Republik antwortete mit Schreiben vom 27. Juli 2011 und teilte der Kommission mit, dass zwei Ausschreibungsverfahren eingeleitet worden seien, das eine für den Flughafen von Faro, das andere für die Flughäfen von Lissabon und Porto. Nach ihrer Einschätzung sollten diese beiden Ausschreibungsverfahren Ende Oktober bzw. Ende November 2011 beendet gewesen sein. Die betroffenen Nutzerausschüsse seien über die Ausschreibungsverfahren informiert worden, die an den Nutzerausschuss des Flughafens von Faro gesandte E‑Mail sei jedoch zurückgesandt worden. 20 Am 22. Juni 2012 richtete die Kommission eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme an die Portugiesische Republik, in der sie ausführte, dass diese keine neuen Dienstleister ausgewählt, sondern mittels des Decreto‑Lei Nr. 19/2012 vom 27. Januar 2012 eine Ausnahmeregelung mit Rückwirkung zum 31. Dezember 2011 eingeführt habe, um die Zugangsgenehmigung der Groundforce bis zur Erteilung der neuen Genehmigungen zu verlängern. Sie wies ferner darauf hin, dass die Portugiesische Republik trotz der Angabe der Daten für die Öffnung und Prüfung der Angebote der Bodenabfertigungsdienstleister mitgeteilt habe, dass es nicht möglich sei, das genaue Datum für den Abschluss des Auswahlverfahrens zu bestimmen. Außerdem habe keine Anhörung der Nutzerausschüsse in Bezug auf die Auswahl der Dienstleister stattgefunden. 21 Am 3. Oktober 2012 antwortete die Portugiesische Republik, dass sie die Übergangsregelung für erforderlich halte, um die Kontinuität der Dienste sicherzustellen und die Arbeitsplätze und Rechte der Arbeitnehmer auf diesem Markt zu schützen. Nach den Ausführungen dieses Mitgliedstaats sollte die automatische Genehmigung das berechtigte rechtliche Vertrauen der Unternehmen schützen, die bereits Bodenabfertigungstätigkeiten auf den betroffenen Flughäfen ausübten. 22 Zu den laufenden Ausschreibungsverfahren führte die Portugiesische Republik aus, dass sich der Prüfungsausschuss – im Oktober 2012 – in der Phase der Prüfung der Angebote befinde, diese Prüfung jedoch einen besonders komplexen Prozess darstelle. Es sei dem Prüfungsausschuss nicht möglich gewesen, den vorläufigen Bericht über die Prüfung der Angebote fertigzustellen. Er habe jedoch die Absicht bekundet, vor der Auswahl der Bodenabfertigungsdienstleister die Nutzerausschüsse anzuhören. 23 Da die Antworten der Portugiesischen Republik die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie die vorliegende Vertragsverletzungsklage erhoben. Zur Klage Vorbringen der Parteien 24 Die Portugiesische Republik hat erstmals in der mündlichen Verhandlung die Einrede der Unzulässigkeit der Klage erhoben, die sie darauf gestützt hat, dass die Kommission ihr keine genauen Anweisungen gegeben habe, die ihr eine korrekte Umsetzung der Richtlinie 96/67 ermöglicht hätten. 25 In der Sache führt die Kommission aus, dass die Portugiesische Republik, nachdem sie den Zugang zu bestimmten Kategorien von Bodenabfertigungsdiensten auf zwei Dienstleister beschränkt habe – von denen der eine, Portway, nicht von dem Auswahlverfahren betroffen gewesen sei, da er zu 100 % von dem Leitungsorgan der Flughäfen von Lissabon, Porto und Faro gehalten worden sei –, nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 96/67 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines Verfahrens zur Auswahl des zweiten Bodenabfertigungsdienstleisters für die genannten Flughäfen getroffen habe. 26 Mit der von der Portugiesischen Republik mittels des Art. 39 des Decreto‑Lei Nr. 275/99 eingeführten Übergangsregelung werde die Groundforce erteilte Genehmigung für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten automatisch aufrechterhalten. Während dieses Zeitraums habe dieser Mitgliedstaat kein Verfahren zur Auswahl anderer Dienstleister durchgeführt. Seit der Umstrukturierung und der Veräußerung der Aktien der Groundforce von TAP an Globalia im Jahr 2004 sei Groundforce Inhaberin dieser Genehmigung geblieben. 27 Zu dem internationalen offenen Ausschreibungsverfahren in Bezug auf diese Veräußerung führt die Kommission aus, dass die Bodenabfertigungsdienstleister die Genehmigung nicht ohne den Erwerb der Aktien der Groundforce hätten erlangen können. Folglich habe es sich bei diesem Ausschreibungsverfahren nicht um ein Verfahren zur Auswahl von Dienstleistern, sondern um ein Verfahren zur Auswahl von Investoren gehandelt. Jedenfalls hätten diese Verfahren nicht den in Art. 11 der Richtlinie 96/67 genannten Grundsätzen entsprochen. U. a. seien die erteilten Genehmigungen nicht auf einen Zeitraum von höchstens sieben Jahren beschränkt gewesen. Außerdem seien die Nutzerausschüsse der betroffenen Flughäfen nicht angehört worden. 28 Die Portugiesische Republik habe zwar im Laufe des Jahres 2011 drei neue Verfahren zur Auswahl des zweiten Bodenabfertigungsdienstleisters eingeleitet, diese seien jedoch nicht zum Abschluss gebracht worden. Zudem habe die portugiesische Verwaltung im Jahr 2012 mit dem Decreto‑Lei Nr. 19/2012 eine rückwirkende Ausnahmeregelung eingeführt, um die Groundforce erteilte Genehmigung zu verlängern. 29 Die Portugiesische Republik entgegnet, dass die Einführung dieser Regelung, da in der Richtlinie 96/67 nichts darüber stehe, ob die Einführung einer Übergangsregelung möglich sei oder nicht, nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie zuwiderlaufe. Diese Regelung sei geschaffen worden, um die Rechte der Unternehmen zu wahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Decreto‑Lei Nr. 275/99 über eine Genehmigung verfügten, um bestimmte Kategorien von Bodenabfertigungsdiensten zu erbringen. Diese Regelung habe ferner entsprechend der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 1995 über die Zivilluftfahrt in Europa, in der das Parlament auf die Notwendigkeit hingewiesen habe, die Auswirkungen des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf die Beschäftigung sowie die Sicherheit auf den Flughäfen der Europäischen Union zu berücksichtigen, die Kontinuität der Dienste sichergestellt sowie die Arbeitsplätze und die Rechte der Arbeitnehmer geschützt. 30 Außerdem seien die in Rede stehenden Genehmigungen bis zum Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Gültigkeitsdauer der bestehenden Genehmigungen oder für einen Zeitraum von vier Jahren, wenn die Gültigkeitsdauer der bestehenden Genehmigung nicht zeitlich befristet gewesen sei oder vier Jahre überschritten habe, automatisch erneuert worden. 31 Mit der Veräußerung der Aktien der Groundforce habe unter Berücksichtigung der im Pflichtenheft vorgesehenen und der durch das nationale und das Unionsrecht vorgeschriebenen Anforderungen ein Bodenabfertigungsdienstleister ausgewählt werden sollen. Das Verfahren sei nach den in Art. 11 der Richtlinie 96/67 vorgesehenen sachgerechten, objektiven, transparenten und nicht diskriminierenden Auswahlkriterien durchgeführt worden. 32 Durch die Veräußerung der Aktien hätten Störungen der normalen Abläufe bei der Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten, was die Verfügbarkeit und die Qualität der Dienste, aber auch was deren Preis angehe, vermieden werden können. Wäre die Groundforce erteilte Genehmigung nicht erneuert worden, hätte der zweite Dienstleister, Portway, bis zum Abschluss des Verfahrens zur Auswahl anderer Dienstleister das Monopol auf dem Markt der Bodenabfertigungsdienste gehabt. 33 Zu den im Jahr 2011 für die betroffenen Flughäfen eingeleiteten Ausschreibungsverfahren macht die Portugiesische Republik geltend, dass diese den in Art. 11 der Richtlinie 96/67 genannten Bedingungen entsprächen. Der Zeitraum, für den die Genehmigungen erteilt würden, sei auf sieben Jahre begrenzt und die Nutzerausschüsse seien vor der Einleitung des Ausschreibungsverfahrens angehört worden. Diese Ausschüsse würden auch in Bezug auf die Auswahl des anderen Dienstleisters angehört werden. 34 Die Komplexität des Auswahlverfahrens sei auf die Änderungen der nationalen Vorschriften im Bereich der Humanressourcen betreffend die Einstellung und die Vergütung zurückzuführen, die sich aus Haushaltsbeschränkungen ergäben, die zur Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen der Portugiesischen Republik, der Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am 17. Mai 2011 geführt hätten. Die Arbeit des für die Prüfung der betreffenden Angebote zuständigen Prüfungsausschusses sei durch den Austritt mehrerer Ausschussmitglieder infolge einer wesentlichen Kürzung ihrer Vergütung unterbrochen worden, was den gesamten Prozess der Prüfung der Angebote durch den Prüfungsausschuss maßgeblich beeinträchtigt habe. Die zuständige Behörde habe alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, um es dem Prüfungsausschuss zu ermöglichen, die Prüfung der genannten Angebote abzuschließen. 35 Außerdem sollten die Unionsvorschriften über den Markt der Bodenabfertigungsdienste demnächst geändert werden; sollten also erneute Änderungen erlassen werden, würde dies den Flughafen von Lissabon und potenziell die anderen in Rede stehenden Flughäfen betreffen. Eine solche Änderung würde, wenn sie erfolgte, unweigerlich die Vergabe der öffentlichen Aufträge im Rahmen der laufenden Verfahren unmöglich machen. 36 Die Kommission macht in ihrer Erwiderung geltend, dass in der Richtlinie 96/67 keine Bestimmung fehle und dass diese Richtlinie keine Lücke aufweise, die es der Portugiesischen Republik erlauben würde, eine Übergangsregelung einzuführen. Die Portugiesische Republik habe die Richtlinie 96/67 in den 14 Jahren, die seit ihrem Inkrafttreten vergangen seien, nicht korrekt umgesetzt. Die Übergangsregelung diene dem Schutz der Stellung der bereits auf dem betroffenen Markt tätigen nationalen Unternehmen. Hätte Groundforce ihre Stellung als Dienstleisterin verloren, wäre es ihren Angestellten durchaus möglich gewesen, bei anderen Unternehmen Arbeit zu finden, einschließlich bei dem Unternehmen, dem der Auftrag für die Erbringung der Bodenabfertigungsdienste erteilt worden wäre. 37 Was die neuen Verfahren zur Auswahl der Dienstleister betreffe, ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Umstände, die sich aus seiner internen Rechtsordnung ergäben, berufen könne, um die Nichteinhaltung der durch das Unionsrecht vorgeschriebenen Verpflichtungen zu rechtfertigen. Somit könnten Veränderungen in Bezug auf die Personalorganisation oder fehlende Humanressourcen nicht die Nichtbeachtung des Unionsrechts rechtfertigen. Eine eventuelle Änderung des Unionsrechts habe ferner keine Auswirkungen auf die bestehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten. 38 Schließlich bestehe bei der in Art. 11 der Richtlinie 96/67 vorgesehenen Durchführung eines Auswahlverfahrens unter den Dienstleistern, die zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten befugt seien, eine Erfolgspflicht. Habe ein Mitgliedstaat also erfolglos ein Auswahlverfahren durchgeführt, müsse angenommen werden, dass er dieser Richtlinie nicht nachgekommen sei. Wäre der Mitgliedstaat lediglich verpflichtet, ein solches Auswahlverfahren durchzuführen, ohne einer Erfolgspflicht zu unterliegen, würde der genannten Richtlinie jede praktische Wirksamkeit genommen. 39 Die Portugiesische Republik fügt in ihrer Gegenerwiderung hinzu, dass, soweit Globalia, die die Aktien der Groundforce erworben habe, eine Bodenabfertigungsdienstleisterin sei, die Veräußerung dieser Aktien als Verfahren zur Auswahl eines anderen Dienstleisters zu behandeln sei. 40 Zu den neuen Verfahren zur Auswahl der Bodenabfertigungsdienstleister macht die Portugiesische Republik geltend, dass die Kommission das Verfahren betreffend den finanziellen Beistand für Portugal und den Umstand, dass eine der Bedingungen in der zwischen der Portugiesischen Republik, der Kommission, der EZB und dem IWF geschlossenen Vereinbarung gerade die Privatisierung der Aeroportos de Portugal SA – dem Leitungsorgan der betroffenen Flughäfen – betreffe, nicht ignorieren dürfe. Bei den finanziellen Problemen der Portugiesischen Republik handle es sich nicht um rein administrative oder bürokratische Probleme. Würdigung durch den Gerichtshof Zur Zulässigkeit 41 Zu der erstmals in der mündlichen Verhandlung von der Portugiesischen Republik erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, mit der sie der Kommission vorwirft, ihr im Vorverfahren keine genauen Anweisungen für eine korrekte Umsetzung der Richtlinie 96/67 gegeben zu haben, genügt der Hinweis, dass nach Art. 127 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig ist, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. 42 Im vorliegenden Fall hatte die Kommission Gelegenheit, die der Portugiesischen Republik vorgeworfenen Beschwerdepunkte darzulegen, und diese hatte Gelegenheit, die von ihr für sachdienlich gehaltenen Erklärungen abzugeben. Da diesem Mitgliedstaat das geltend gemachte Fehlen von Anweisungen der Kommission während des Vorverfahrens bewusst war und seine Einwände nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, ist diese Unzulässigkeitseinrede unzulässig. Zur Begründetheit 43 Für die Entscheidung über die vorliegende Klage ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften einer Richtlinie in der Weise umgesetzt werden müssen, dass sie unzweifelhaft verbindlich und so konkret, bestimmt und klar sind, dass sie dem Erfordernis der Rechtssicherheit genügen (Urteil Dillenkofer u. a., C‑178/94, C‑179/94 und C‑188/94 bis C‑190/94, EU:C:1996:375, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 44 Außerdem hat Art. 23 der Richtlinie 96/67, indem er im Wesentlichen den Mitgliedstaaten auferlegte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Richtlinie spätestens am 25. Oktober 1997 nachzukommen, diese verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die volle Wirksamkeit der Vorschriften dieser Richtlinie zu gewährleisten und damit die Verwirklichung des von ihr vorgeschriebenen Ziels zu sichern (vgl. entsprechend Urteil Dillenkofer u. a., EU:C:1996:375, Rn. 49). 45 Folglich lässt der Umstand, dass die Richtlinie 96/67 für die Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit vorsieht, eine Übergangsregelung einzuführen, nicht, wie die Portugiesische Republik geltend macht, den Schluss zu, dass diese Richtlinie eine Lücke aufweist und es diesen Staaten freisteht, noch dazu – wie im vorliegenden Fall – nach Ablauf der Umsetzungsfrist, eine solche Übergangsregelung einzuführen. Dies würde nämlich darauf hinauslaufen, einem Mitgliedstaat zu gestatten, sich eine neue Umsetzungsfrist zu gewähren. 46 Zu der von der Portugiesischen Republik vertretenen Ansicht, dass das Verfahren zur Veräußerung der Aktien einer Gesellschaft als einem Verfahren zur Auswahl anderer Bodenabfertigungsdienstleister gleichwertig angesehen werden könne, da dieses Verfahren die in Art. 11 der Richtlinie 96/67 vorgesehenen Voraussetzungen erfülle und gleichzeitig die Verwirklichung des legitimen Ziels des Schutzes der Rechte der Arbeitnehmer und des Schutzes des berechtigten rechtlichen Vertrauens der bereits tätigen Unternehmen sowie der Kontinuität und der Qualität der Dienstleistungen auf den fraglichen Flughäfen ermögliche, ist festzustellen, dass einer solche Auslegung des genannten Art. 11 nicht zugestimmt werden kann. 47 Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 96/67 verlangt nämlich, dass das Auswahlverfahren jedem Interessenten offensteht. 48 Ein Verfahren zur Veräußerung der Aktien schließt jedoch alle diejenigen Dienstleister aus, die nicht gleichzeitig am Erwerb der Aktien eines bereits bestehenden Unternehmens interessierte Investoren sind. Wie die Portugiesische Republik in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, hat Groundforce nach ihrem Erwerb durch Globalia die Genehmigung für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten, die ihr gewährt worden war, behalten, so dass es für einen Bodenabfertigungsdienstleister nicht möglich war, die Genehmigung zu erhalten, ohne gleichzeitig die Aktien der Groundforce zu erwerben. 49 Das Verfahren zur Veräußerung der Aktien der Groundforce stand folglich nicht allen Interessenten offen und hatte zur Folge, dass gegen das mit der Richtlinie 96/67 verfolgte Ziel, nämlich die im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannte Öffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste für den Wettbewerb, verstoßen wurde. 50 Dieser Umstand allein reicht bereits für die Feststellung aus, dass ein solches Verfahren nicht als Auswahlverfahren unter den Bodenabfertigungsdienstleistern im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 96/67 angesehen werden kann. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob die anderen in dieser Bestimmung genannten Bedingungen erfüllt sind. 51 Diese Feststellung kann im Übrigen nicht durch das Vorbringen der Portugiesischen Republik in Frage gestellt werden, dass ein solches Verfahren unter Art. 18 der Richtlinie 96/67 falle, der es den Mitgliedstaaten erlaube, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren. 52 Der Gerichtshof hat insoweit nämlich bereits entschieden, dass die Mitgliedstaaten zwar weiterhin das Recht haben, den Beschäftigten von Unternehmen, die Bodenabfertigungsdienste erbringen, ein angemessenes Niveau sozialer Sicherheit zu gewährleisten, dass diese Befugnis den Mitgliedstaaten aber keine unbegrenzte Regelungszuständigkeit verleiht und in einer Art und Weise ausgeübt werden muss, die die praktische Wirksamkeit und die Ziele der Richtlinie nicht beeinträchtigt (vgl. Urteil Kommission/Deutschland, C‑386/03, EU:C:2005:461, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 53 Die Portugiesische Republik hat ferner auf eine Frage, die ihr in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde, ausgeführt, dass die Aufrechterhaltung der Genehmigung der Groundforce zu dem Zeitpunkt, zu dem deren Kontrolle auf die Globalia übergegangen sei, die Erhaltung aller Arbeitsplätze bei Groundforce ermöglicht habe. In der Ausschreibung sei eine Verpflichtung zum Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeitsplätze vorgesehen gewesen, wobei die Art dieser Verpflichtung jedoch nicht näher bestimmt worden sei. 54 Insoweit ist zu bemerken, das erstens, wenn ein Unternehmen beim Erwerb des Kapitals der erworbenen Gesellschaft eine Genehmigung für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten erhalten hat, dies nicht den Schluss zulässt, dass das künftige Verhalten eines solchen Unternehmens nach dem Erhalt der Genehmigung unverändert bleibt und dieses Unternehmen insbesondere alle bei der erworbenen Gesellschaft bestehenden Arbeitsplätze erhält. 55 Zweitens steht fest, dass die den Unternehmen auferlegte Verpflichtung, das Personal des vorherigen Dienstleisters zu übernehmen, die potenziellen neuen Konkurrenten gegenüber den bereits tätigen Unternehmen benachteiligt und die Öffnung der Märkte für Bodenabfertigungsdienste gefährdet, wodurch die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 96/67 beeinträchtigt wird (vgl. insbesondere Urteil Kommission/Italien, C‑460/02, EU:C:2004:780, Rn. 34). 56 Zu dem weiteren Vorbringen der Portugiesischen Republik, wonach die Regelung eingeführt worden sei, um das berechtigte rechtliche Vertrauen der bereits tätigen Unternehmen zu schützen sowie die Kontinuität und die Qualität der Dienstleistungen auf den fraglichen Flughäfen zu gewährleisten, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen kann, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat, und niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen kann, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat (vgl. Urteil Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, EU:C:2006:416, Rn. 147 und die dort angeführte Rechtsprechung). 57 Da Art. 288 Abs. 3 AEUV jedoch vorsieht, dass die Richtlinien für alle Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet werden, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 96/67 am 25. Oktober 1997 abgelaufen ist und keine Hinweise der Kommission oder eines anderen Unionsorgans vorliegen, wonach die Portugiesische Republik von der Verpflichtung befreit worden wäre, diese Richtlinie innerhalb der festgelegten Frist in ihr nationales Recht umzusetzen, oder diese Richtlinie in diesem Mitgliedstaat nicht anzuwenden wäre, kann sich weder dieser Staat, noch irgendein Unternehmen, das dort Bodenabfertigungsdienste erbringt, auf ein berechtigtes Vertrauen in die Beibehaltung des in diesem Mitgliedstaat bestehenden Systems berufen. 58 Es genügt der Hinweis, dass die Portugiesische Republik dem Gerichtshof in Bezug auf den Schutz der Kontinuität und der Qualität der auf den Flughäfen erbrachten Dienstleistungen keinerlei Beweise übermittelt hat, die das Vorbringen stützen könnten, dass die Umsetzung der Richtlinie 96/67, wenn sie in der festgelegten Frist erfolgt wäre, die Kontinuität oder die Qualität der fraglichen Dienstleistungen hätte beeinträchtigen können. 59 Was die Rechtfertigungen betrifft, die die Portugiesische Republik in Bezug auf den Umstand vorgebracht hat, dass die im Jahr 2011 durchgeführten Verfahren zur Auswahl der Bodenabfertigungsdienstleister nicht abgeschlossen wurden, genügt der Hinweis, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf interne Bestimmungen, Übungen oder Umstände berufen kann, um die Nichteinhaltung der im Unionsrecht festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen (vgl. Urteile Kommission/Portugal, C‑150/97, EU:C:1999:15, Rn. 21, Kommission/Luxemburg, C‑69/05, EU:C:2006:32, Rn. 10, sowie Kommission/Italien, C‑161/05, EU:C:2006:762, Rn. 12). 60 Zum Vorbringen der Portugiesischen Republik, dass die potenziellen Änderungen der fraglichen Rechtsvorschriften die Auswahl des zweiten Dienstleisters überflüssig machen könnten, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung nach dem Stand des Unionsrechts am Ende der Frist zu beurteilen ist, die die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat für ein Handeln gemäß ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt hat (vgl. insbesondere Urteile Kommission/Belgien, C‑377/03, EU:C:2006:638, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Frankreich, C‑170/09, EU:C:2010:97, Rn. 6 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine eventuelle Änderung der Rechtsvorschriften befreit einen Mitgliedstaat daher nicht von der Verpflichtung, die geltende Richtlinie innerhalb der für deren Umsetzung vorgesehenen Frist in seine interne Rechtsordnung umzusetzen. 61 Aus alledem ergibt sich, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 96/67 verstoßen hat, dass sie nicht im Einklang mit diesem Artikel die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines Auswahlverfahrens unter den zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten der Gepäckabfertigung, der Vorfelddienste sowie der Fracht- und Postabfertigung auf den Flughäfen Lissabon, Porto und Faro befugten Dienstleistern getroffen hat. Kosten 62 Nach Art. 138 § 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 der Richtlinie 96/67/EG des Rates vom 15. Oktober 1996 über den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft verstoßen, dass sie nicht im Einklang mit diesem Artikel die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung eines Auswahlverfahrens unter den zur Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten der Gepäckabfertigung, der Vorfelddienste sowie der Fracht- und Postabfertigung auf den Flughäfen Lissabon, Porto und Faro befugten Dienstleistern getroffen hat. 2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Portugiesisch.
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 10. September 2014.#Monika Kušionová gegen SMART Capital, a.s.#Vorabentscheidungsersuchen des Krajský súd v Prešove.#Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 93/13/EWG – Missbräuchliche Klauseln – Verbraucherkreditvertrag – Art. 1 Abs. 2 – Auf einer bindenden Rechtsvorschrift beruhende Klausel – Geltungsbereich der Richtlinie – Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 – Sicherung der Forderung durch ein Grundpfandrecht – Möglichkeit der Verwertung dieser Sicherheit im Wege der Versteigerung – Gerichtliche Nachprüfung.#Rechtssache C‑34/13.
62013CJ0034
ECLI:EU:C:2014:2189
2014-09-10T00:00:00
Gerichtshof, Wahl
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0034 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) 10. September 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Richtlinie 93/13/EWG — Missbräuchliche Klauseln — Verbraucherkreditvertrag — Art. 1 Abs. 2 — Auf einer bindenden Rechtsvorschrift beruhende Klausel — Geltungsbereich der Richtlinie — Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 — Sicherung der Forderung durch ein Grundpfandrecht — Möglichkeit der Verwertung dieser Sicherheit im Wege der Versteigerung — Gerichtliche Nachprüfung“ In der Rechtssache C‑34/13 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský súd v Prešove (Slowakei) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2013, in dem Verfahren Monika Kušionová gegen SMART Capital a.s. erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2014, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte, — der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár und M. van Beek als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinien 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29) und 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates sowie der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 149, S. 22) im Licht von Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie des Urteils Simmenthal (106/77, EU:C:1978:49). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Kušionová und der SMART Capital a.s. (im Folgenden: SMART Capital) wegen der Art und Weise der Verwertung einer für einen Hypothekendarlehensvertrag bestellten Sicherheit und wegen der Zulässigkeit der in diesem Vertrag enthaltenen Klauseln. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Art. 7 der Charta lautet: „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“ 4 Art. 38 der Charta bestimmt, dass die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellt. 5 Art. 47 der Charta bestimmt in Abs. 1: „Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.“ 6 Die Erwägungsgründe 12 bis 14 und 24 der Richtlinie 93/13 lauten wie folgt: „Beim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt allerdings nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht. So gilt diese Richtlinie insbesondere nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Den Mitgliedstaaten muss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des [EG-]Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren. Bei Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, in denen direkt oder indirekt die Klauseln für Verbraucherverträge festgelegt werden, wird davon ausgegangen, dass sie keine missbräuchlichen Klauseln enthalten. Daher sind Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften … beruhen, … nicht dieser Richtlinie zu unterwerfen; der Begriff „bindende Rechtsvorschriften“ in Artikel 1 Absatz 2 umfasst auch Regeln, die nach dem Gesetz zwischen den Vertragsparteien gelten, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch dafür sorgen, dass darin keine missbräuchlichen Klauseln enthalten sind … … Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“. 7 Art. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor: „(1)   Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. (2)   Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften … beruhen, … unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“ 8 Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet: „Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.“ 9 Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest …“ 10 Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“ Slowakisches Recht 11 § 151j Abs. 1 des Občiansky zákonník (Bürgerliches Gesetzbuch) lautet: „Wird die durch ein Pfandrecht gesicherte Forderung nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt, kann der Pfandgläubiger die Verwertung des Pfandes betreiben. Soweit dieses Gesetz oder ein besonderes Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, kann sich der Pfandgläubiger im Rahmen der Verwertung des Pfandes in der vertraglich bestimmten Weise oder durch Verkauf des Pfandes im Wege der Versteigerung nach einem besonderen Gesetz … befriedigen oder Befriedigung durch Verkauf des Pfandes nach besonderen gesetzlichen Vorschriften … verlangen, vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen dieses Gesetzes oder eines besonderen Gesetzes.“ 12 Das vorlegende Gericht gibt an, dass dieser Abs. 1 eine erste, nach den Worten „nach einem besonderen Gesetz“ eingefügte Fußnote enthält, die auf das Gesetz Nr. 527/2002 über freiwillige Versteigerungen verweist, welches das Gesetz des slowakischen Nationalrats Nr. 323/1992 über die Notare und die notariellen Tätigkeiten (Notariatsordnung) in geänderter Fassung („Gesetz über freiwillige Versteigerungen“) ergänzt, sowie eine zweite, nach den Worten „nach besonderen gesetzlichen Vorschriften“ eingefügte Fußnote, die auf das Bürgerliche Gesetzbuch und die Vollstreckungsordnung verweist. 13 § 151m des Bürgerlichen Gesetzbuchs lautet: „(1)   Soweit ein besonderes Gesetz nicht etwas anderes bestimmt, kann der Pfandgläubiger das Pfand frühestens nach Ablauf von 30 Tagen seit dem Tag, an dem er dem Verpfänder und, falls der Schuldner nicht mit dem Verpfänder identisch ist, dem Schuldner die Einleitung der Verwertung des Pfandes angezeigt hat, in der im Vertrag über die Bestellung des Pfandrechts bestimmten Weise oder im Wege der Versteigerung verkaufen … (2)   Der Verpfänder und der Pfandgläubiger können nach der Anzeige der Einleitung der Pfandverwertung vereinbaren, dass der Pfandgläubiger berechtigt ist, das Pfand auch vor Ablauf der Frist nach Abs. 1 in der im Vertrag über die Bestellung des Pfandrechts vereinbarten Weise oder im Wege der Versteigerung zu verkaufen. (3)   Der Pfandgläubiger, der die Verwertung des Pfandes eingeleitet hat, um seine Forderung in der im Vertrag über die Bestellung des Pfandrechts vereinbarten Weise zu befriedigen, kann im Lauf der Verwertung des Pfandes deren Art und Weise jederzeit ändern und das Pfand im Rahmen einer Versteigerung verkaufen oder seine Befriedigung durch den Verkauf des Pfandes nach besonderen gesetzlichen Vorschriften verlangen. Der Pfandgläubiger ist verpflichtet, den Verpfänder über die Änderung der Art und Weise der Verwertung des Pfandes zu informieren.“ 14 Nach § 74 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das Gericht einstweilige Maßnahmen anordnen, wenn es erforderlich ist, die Beziehungen zwischen den Parteien vorläufig zu regeln, oder wenn die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung gefährdet ist. Gemäß § 76 Abs. 1 dieses Gesetzes kann das Gericht einstweilige Anordnungen gegen eine Partei erlassen, insbesondere, „etwas zu tun, etwas zu unterlassen oder etwas zu dulden“. 15 Das Gesetz über freiwillige Versteigerungen definiert in seinem § 6 den Versteigerer als „die Person, die die Versteigerung durchführt und die Voraussetzungen erfüllt, unter denen dieses besondere Gesetz sie zur Ausübung des entsprechenden Berufs befugt“, sowie in § 7 Abs. 1 die die Versteigerung betreibende Person als den Eigentümer des zu versteigernden Gegenstands, den Pfandgläubiger oder jede andere Person, die nach einem besonderen Gesetz berechtigt ist, die Durchführung einer Versteigerung zu beantragen. 16 Insbesondere in Bezug auf den Pfandgläubiger bestimmt § 7 Abs. 2 dieses Gesetzes, dass dieser schriftlich nicht nur zu erklären hat, dass der zu verkaufende Gegenstand versteigert werden kann, sondern auch, dass und in welcher Höhe die Forderung, zu deren Befriedigung die Vollstreckung in das Pfand nach diesem Gesetz beantragt wurde, besteht und fällig ist. 17 Gemäß § 16 Abs. 1 dieses Gesetzes kann eine Versteigerung nur auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags zwischen der die Versteigerung betreibenden Person und dem Versteigerer durchgeführt werden. 18 Nach § 17 des Gesetzes über freiwillige Versteigerungen hat der Versteigerer den Verkauf durch Veröffentlichung einer Versteigerungsanzeige bekannt zu machen. Handelt es sich bei dem Versteigerungsgegenstand um eine Wohnung, ein Haus, ein sonstiges Gebäude oder ein Unternehmen oder eines seiner Teile oder übersteigt das geringste Gebot 16550 Euro, veröffentlicht der Versteigerer die Versteigerungsanzeige mindestens 30 Tage vor Beginn der Versteigerung. Ferner übermittelt der Versteigerer die Versteigerungsanzeige unverzüglich dem Ministerium zur Veröffentlichung im Handelsamtsblatt. Die Versteigerungsanzeige wird ferner der die Versteigerung betreibenden Person, dem Schuldner des Pfandgläubigers und dem Eigentümer des Versteigerungsgegenstands übermittelt, wenn dieser nicht mit dem Schuldner identisch ist. 19 Für den Fall, dass es sich bei dem Gegenstand der Versteigerung um eine Wohnung, ein Haus oder ein sonstiges Gebäude handelt, bestimmt § 20 Abs. 13 des besagten Gesetzes, dass über den Ablauf dieser Versteigerung eine notarielle Urkunde zu errichten ist, in der der Notar zugleich die Verpflichtung des bisherigen Eigentümers gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 dieses Gesetzes angibt. 20 § 21 Abs. 2 desselben Gesetzes sieht vor, dass im Fall eines Verstoßes gegen eine Bestimmung dieses Gesetzes eine Person, die sich hierdurch in ihren Rechten beeinträchtigt fühlt, bei Gericht die Nichtigerklärung der Versteigerung beantragen kann. Das Antragsrecht erlischt jedoch drei Monate nach der Versteigerung, es sei denn, dass die Nichtigkeit mit der Begehung einer Straftat begründet wird und die Versteigerung ein Haus oder eine Wohnung betrifft, in dem oder in der der bisherige Eigentümer behördlich als wohnhaft gemeldet war. 21 § 21 Abs. 4 des genannten Gesetzes präzisiert, dass Parteien des gemäß § 21 Abs. 2 auf Nichtigerklärung einer Versteigerung gerichteten Verfahrens die die Versteigerung betreibende Person, der Versteigerer, der Zuschlagsempfänger, der bisherige Eigentümer und die Person sind, die eine Verletzung ihrer Rechte gemäß diesem Abs. 2 geltend macht. 22 Leistet der Zuschlagsempfänger keine Zahlung oder erkennt das Gericht auf Nichtigkeit des Verkaufs, sieht § 21 Abs. 5 des betreffenden Gesetzes vor, dass die Versteigerung vom Zeitpunkt des Zuschlags an als unwirksam gilt. 23 Im Fall der Versteigerung eines Gegenstands im Sinne des § 20 Abs. 13 des Gesetzes über freiwillige Versteigerungen bestimmt dessen § 29 Abs. 2 zunächst, dass der bisherige Eigentümer verpflichtet ist, den Versteigerungsgegenstand gegen Vorlage einer beglaubigten Abschrift der notariellen Niederschrift und eines Identitätsnachweises des Zuschlagsempfängers gemäß den in der Versteigerungsanzeige genannten Bedingungen unverzüglich zu übergeben. Der Versteigerer hat daraufhin an Ort und Stelle eine Niederschrift über die Übergabe des verkauften Gegenstands anzufertigen. Diese Niederschrift enthält insbesondere eine detaillierte Beschreibung des Zustands der Sache und der Umstände, unter denen die mit dem verkauften Gegenstand und gegebenenfalls seinem Zubehör verbundenen Rechte und Pflichten übertragen wurden. 24 Vorbehaltlich entgegenstehender Bestimmungen sieht § 32 Abs. 1 dieses Gesetzes vor, dass der Versteigerungserlös nach Erstattung der Kosten, Befriedigung des Pfandgläubigers und Zahlung des Zuschlagspreises unverzüglich an den bisherigen Eigentümer ausgezahlt wird. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 25 Am 26. Februar 2009 schloss Frau Kušionová mit SMART Capital einen Verbraucherkreditvertrag über einen Betrag von 10000 Euro. Zur Sicherung der Forderung wurde ein Grundpfandrecht an dem Einfamilienhaus bestellt, in dem die Klägerin des Ausgangsverfahrens wohnt. 26 Diese erhob beim Okresný súd Humenné (Bezirksgericht Humenné) Klage auf Nichtigerklärung des Kreditvertrags und des Vertrags über die Bestellung des Pfandrechts wegen Missbräuchlichkeit der zwischen ihr und dieser Gesellschaft vereinbarten Vertragsklauseln. Dieses Gericht des ersten Rechtszugs stellte fest, dass einige Klauseln missbräuchlich seien, und erklärte den Kreditvertrag für teilweise nichtig. Der Pfandbestellungsvertrag wurde insgesamt für nichtig erklärt. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung zum Krajský súd v Prešove (Regionalgericht Prešov) ein. 27 Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob eine der Klauseln des Pfandbestellungsvertrags, nämlich diejenige über die außergerichtliche Verwertung des vom Verbraucher als Sicherheit bestellten Grundpfandrechts, missbräuchlich ist, und weist darauf hin, dass diese Klausel dem Gläubiger erlaubt, das bestellte Pfand zu verwerten, ohne dass eine gerichtliche Kontrolle stattfindet. 28 Im Rahmen dieser Beurteilung hat das vorlegende Gericht jedoch auf eine weitere Schwierigkeit hingewiesen, die sich daraus ergibt, dass die betreffende Klausel auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht, nämlich auf § 151j des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 29 Da die Vertragsklauseln, die das vorlegende Gericht zu prüfen hat, möglicherweise als missbräuchlich im Sinne der Richtlinie 93/13 anzusehen seien und eine dieser Klauseln auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe, ist dieses Gericht der Auffassung, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung des Unionsrechts abhängt. 30 Unter diesen Umständen hat der Krajský súd v Prešove beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Sind die Richtlinie 93/13 und die Richtlinie 2005/29 im Licht von Art. 38 der Charta dahin auszulegen, dass sie einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie § 151j Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen der im Ausgangsverfahren einschlägigen Regelung entgegenstehen, die es dem Gläubiger ermöglicht, im Wege der Zwangsvollstreckung in eine als Sicherheit dienende Immobilie des Verbrauchers eine auf unzulässigen Vertragsbedingungen beruhende Leistung zu fordern, ohne dass diese Vertragsbedingungen durch ein Gericht geprüft werden, und obwohl die Parteien hinsichtlich der Frage, ob es sich um unzulässige Vertragsbedingungen handelt, widerstreitende Ansichten vertreten? 2. Stehen die in der ersten Frage angeführten Rechtsvorschriften der Europäischen Union einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift wie § 151j Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen der im Ausgangsverfahren einschlägigen Regelung entgegen, die es dem Gläubiger ermöglicht, im Wege der Zwangsvollstreckung in eine als Sicherheit dienende Immobilie des Verbrauchers eine auf unzulässigen Vertragsbedingungen beruhende Leistung zu fordern, ohne dass diese Vertragsbedingungen durch ein Gericht geprüft werden, und obwohl die Parteien hinsichtlich der Frage, ob es sich um unzulässige Vertragsbedingungen handelt, widerstreitende Ansichten vertreten? 3. Ist das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Simmenthal (EU:C:1978:49) dahin zu verstehen, dass für die Erreichung des Zwecks der in der ersten Frage angeführten Richtlinien das nationale Gericht im Licht von Art. 38 der Charta die innerstaatlichen Bestimmungen wie § 151j Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit den übrigen Bestimmungen der im Ausgangsverfahren einschlägigen Regelung unangewandt lässt, die es dem Gläubiger ermöglicht, im Wege der Zwangsvollstreckung in eine als Sicherheit dienende Immobilie des Verbrauchers eine auf unzulässigen Vertragsbedingungen beruhende Leistung zu fordern, ohne dass diese Vertragsbedingungen durch ein Gericht geprüft werden, wodurch ihre amtswegige gerichtliche Kontrolle verhindert wird, obwohl die Parteien widerstreitende Ansichten vertreten? 4. Ist Art. 4 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass eine in einem Vertrag mit einem Verbraucher enthaltene Vertragsbedingung, die von diesem ohne anwaltlichen Beistand vereinbart wird und die es dem Gläubiger ermöglicht, ohne gerichtliche Kontrolle die außergerichtliche Vollstreckung in ein Pfand zu betreiben, den unionsrechtlichen Grundsatz der amtswegigen gerichtlichen Kontrolle von Vertragsklauseln umgeht und daher auch dann missbräuchlich ist, wenn der Wortlaut dieser Vertragsklausel aus einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift stammt? Die nach der Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens eingetretenen Entwicklungen 31 In der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2014 hat die slowakische Regierung dem Gerichtshof mitgeteilt, dass die verfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Verwertung von Sicherheiten durch den Erlass des Gesetzes Nr. 106/2014 vom 1. April 2014, das mit Wirkung vom 1. Juni 2014 auf alle laufenden Verträge anzuwenden sei, geändert worden seien. 32 Insbesondere habe § V Abs. 7 dieses Gesetzes § 21 Abs. 2 des Gesetzes über freiwillige Versteigerungen ergänzt, so dass diese Bestimmung seither wie folgt laute: „Im Fall der Anfechtung der Gültigkeit des Vertrags über die Pfandrechtsbestellung oder eines Verstoßes gegen eine Bestimmung dieses Gesetzes kann eine Person, die eine aufgrund dieses Verstoßes eingetretene Beeinträchtigung ihrer Rechte geltend macht, bei Gericht die Nichtigerklärung der Versteigerung beantragen …“ Zu den Vorlagefragen Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen 33 Die deutsche Regierung ist in erster Linie der Ansicht, die ersten beiden Vorlagefragen seien unzulässig. 34 Zunächst habe das vorlegende Gericht weder die tatsächlichen noch die rechtlichen Angaben gemacht, die der Gerichtshof für die zweckdienliche Beantwortung dieser Fragen benötige. Zum einen stelle die Möglichkeit der Pfandverwertung ohne gerichtliche Kontrolle keine Frage dar, die eine unlautere Geschäftspraxis betreffe. Zum anderen habe das vorlegende Gericht nicht konkret auf die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 Bezug genommen. 35 Ferner handele es sich bei diesen Fragen um hypothetische Fragen, für deren Beantwortung der Gerichtshof nicht zuständig sei. Die Pfandverwertung sei von SMART Capital nämlich noch nicht eingeleitet worden, so dass die vom vorlegenden Gericht dargestellte Situation nicht vorliege. 36 Schließlich sei Gegenstand des Ausgangsverfahrens die Frage der Nichtigkeit des Darlehensvertrags sowie des Pfandbestellungsvertrags. Mit den ersten beiden Vorlagefragen erstrebe das vorlegende Gericht vielmehr eine Beurteilung, ob die nationalen Verfahrensvorschriften mit der Richtlinie 93/13 in Einklang stünden. Da diese Richtlinie indes die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln bezwecke, beziehe sie sich nur auf Klauseln, die in Verträgen enthalten seien, nicht aber auf eine nach innerstaatlichem Recht vorgesehene Möglichkeit der Verwertung einer derartigen Sicherheit. 37 Die slowakische Regierung räumt zwar ein, dass das Vorabentscheidungsersuchen gewisse Lücken aufweist, hält die ersten beiden Fragen des vorlegenden Gerichts aber für zulässig. Die Europäische Kommission hat in der mündlichen Verhandlung den Standpunkt vertreten, dass die Voraussetzungen der Unzulässigkeit, wie der Gerichtshof sie im Beschluss SKP (C‑433/11, EU:C:2012:702) definiert habe, in der vorliegenden Rechtssache nicht gegeben seien, und hält die ersten beiden Fragen daher für zulässig. 38 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil Pohotovosť, C‑470/12, EU:C:2014:101, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). 39 Zunächst ist festzustellen, dass die erste Vorlagefrage in der Tat neben der Richtlinie 93/13 auch die Richtlinie 2005/29 betrifft. Wie die deutsche Regierung zu Recht vorträgt, beschränkt sich das vorlegende Gericht allerdings darauf, die letztgenannte Richtlinie zu zitieren, ohne zu begründen, warum deren Auslegung für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits entscheidend sei. Es führt auch nicht aus, in welcher Hinsicht das von der Klägerin des Ausgangsverfahrens angegriffene Verfahren der Pfandverwertung eine unlautere Geschäftspraxis darstellen könne. 40 Zum Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist ferner anzumerken, dass es die Bedeutung von Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 betrifft, mit denen der Unionsgesetzgeber jeweils eine Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie vorgesehen hat, definiert hat, wann eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, die Regel aufgestellt hat, dass eine missbräuchliche Vertragsklausel für den Verbraucher unverbindlich ist, und festgelegt hat, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird. 41 Mithin sind die Vorlagefragen allein im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 zu beantworten. 42 Der Umstand, dass die Sicherheit noch nicht vollständig verwertet wurde, bedeutet zweitens nicht, dass diese Fragen hypothetischer Natur sind. Zum einen hebt das vorlegende Gericht hervor, dass SMART Capital dem Verbraucher gegenüber tatsächlich Schritte unternommen hat, die den Verkauf der verpfändeten Immobilie zum Ziel haben. Selbst wenn die Verwertung der Sicherheit noch nicht abgeschlossen sein sollte, zielen die Vorlagefragen weniger darauf ab, zu wissen, ob der Verkauf zustande gekommen ist, sondern darauf, ob der Gläubiger von Rechts wegen einen solchen Verkauf durchführen kann und ob der Schuldner die Möglichkeit hat, gerichtlich gegen die Vollstreckung vorzugehen. 43 In diesem Sinne sind die Vorlagefragen nicht hypothetisch, und die erbetene Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 93/13 ist für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits erforderlich. 44 Nach alledem ist das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig zu erklären. Zur Beantwortung der Fragen Zu den Fragen 1 bis 3 45 Auch wenn die erste Frage allein Art. 38 der Charta erwähnt, ist darauf hinzuweisen, dass sich das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen auf Art. 47 der Charta bezieht und diesen unter den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts ausdrücklich aufführt. Da es bei den ersten drei Vorlagefragen darum geht, das Niveau des Schutzes der Verbraucher sowie die ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu bestimmen, ist dieser Artikel zu den Rechtsvorschriften der Union zu zählen, um deren Auslegung das vorlegende Gericht den Gerichtshof bittet. 46 Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 im Licht der Art. 38 und 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die die Beitreibung einer auf möglicherweise missbräuchlichen Vertragsklauseln beruhenden Forderung im Wege der außergerichtlichen Verwertung eines vom Verbraucher eingeräumten Grundpfandrechts erlaubt. Bejahendenfalls möchte dieses Gericht wissen, ob diese innerstaatlichen Vorschriften entsprechend der mit dem Urteil Simmenthal (EU:C:1978:49) begründeten Rechtsprechung außer Betracht zu bleiben haben. 47 Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 38 der Charta bestimmt, dass die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellt, während Art. 47 der Charta das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz betrifft. Diese Gebote gelten für die Umsetzung der Richtlinie 93/13 (vgl. in diesem Sinne Urteil Pohotovosť, EU:C:2014:101, Rn. 52). 48 Zum anderen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem davon ausgeht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteile Pohotovosť, EU:C:2014:101, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Sánchez Morcillo und Abril García, C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 22). 49 Hinsichtlich der Inanspruchnahme von Sicherheiten für Verbraucherkreditverträge ist festzustellen, dass die Richtlinie 93/13 keinerlei Hinweis in Bezug auf die Verwertung von Sicherheiten enthält. 50 Jedenfalls ist es nach ständiger Rechtsprechung mangels einer unionsrechtlichen Harmonisierung der nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, entsprechende Regeln festzulegen, vorausgesetzt allerdings, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteile Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Pohotovosť, EU:C:2014:101, Rn. 46). 51 Hinsichtlich des Äquivalenzgrundsatzes ist festzustellen, dass der Gerichtshof über keinerlei Anhaltspunkte verfügt, die einen Zweifel an der Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung mit diesem Prinzip hervorrufen könnten. 52 Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist (Urteil Asociación de Consumidores Independientes de Castilla y León, C‑413/12, EU:C:2013:800, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). 53 Außerdem sind die spezifischen Merkmale der nach nationalem Recht zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geführten gerichtlichen Verfahren kein Faktor, der den Rechtsschutz, der den Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zu gewähren ist, beeinträchtigen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 62). 54 In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens ist daher zu prüfen, in welchem Ausmaß die Verwirklichung des Schutzes, den diese Richtlinie gewährt, unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. 55 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass § 151m Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Verbindung mit § 17 Abs. 3 des Gesetzes über freiwillige Versteigerungen zum einen vorsieht, dass eine Versteigerung innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach der Anzeige der Einleitung der Verwertung des Pfandrechts angefochten werden kann, und zum anderen, dass die Person, die die Art und Weise dieser Versteigerung angreift, hierzu gemäß § 21 Abs. 2 dieses Gesetzes über eine Frist von drei Monaten nach dem Zuschlag verfügt. 56 Auch wenn die Richtlinie 93/13 in Rechtsstreitigkeiten, an denen ein Gewerbetreibender und ein Verbraucher beteiligt sind, ein positives, von den Vertragsparteien unabhängiges Eingreifen durch das mit solchen Rechtsstreitigkeiten befasste nationale Gericht vorschreibt (Urteile Asbeek Brusse und de Man Garabito, C‑488/11, EU:C:2013:341, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Pohotovosť, EU:C:2014:101, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung), geht die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes aber nicht so weit, eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers auszugleichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 47). 57 Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung ist die von den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgesehene Fristenkombination, wie sie in Rn. 55 des vorliegenden Urteils dargestellt ist, weder mit der Frist von 20 Tagen vergleichbar, um die es in der Rechtssache ging, die dem Urteil Banco Español de Crédito (EU:C:2012:349) zugrunde lag, noch mit den Umständen, die in der Rechtssache, die zu dem Urteil Aziz (EU:C:2013:164, Rn. 57 bis 59) geführt hat, vorlagen und unter denen der Rechtsbehelf des Verbrauchers gegen derartige Maßnahmen zum Scheitern verurteilt war. 58 Zur Wahrung der den Verbrauchern aus der Richtlinie 93/13 erwachsenden Rechte sind die Mitgliedstaaten im Übrigen nach Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie insbesondere verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um der Verwendung als missbräuchlich anzusehender Klauseln ein Ende zu setzen. Dies wird zudem durch den 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bestätigt, der insoweit bestimmt, dass die Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten über angemessene und wirksame Mittel verfügen müssen. 59 Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV verankert ist, müssen die Mitgliedstaaten, denen die Wahl der Maßregeln für Verstöße gegen das Unionsrecht überlassen bleibt, vor allem darauf achten, dass diese einen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Charakter haben (vgl. in diesem Sinne Urteil LCL Le Crédit Lyonnais, C‑565/12, EU:C:2014:190, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). 60 Hinsichtlich des wirksamen und abschreckenden Charakters führt die slowakische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen aus, dass das zuständige nationale Gericht im Verlauf eines solchen Verfahrens der außergerichtlichen Verwertung einer Sicherheit gemäß §§ 74 Abs. 1 und 76 Abs. 1 der Zivilprozessordnung einstweilige Anordnungen erlassen kann, die die weitere Durchführung einer solchen Versteigerung untersagen. 61 Im Übrigen hat das Gesetz Nr. 106/2014 vom 1. April 2014, das am 1. Juni 2014 in Kraft getreten ist und auf alle zu diesem Zeitpunkt laufenden Pfandbestellungsverträge anzuwenden ist, die verfahrensrechtlichen Vorschriften, die für eine Klausel wie die im Ausgangsverfahren gelten, wie in den Rn. 31 und 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, offenbar geändert. Insbesondere soll das Gericht nach § 21 Abs. 2 des Gesetzes über freiwillige Versteigerungen in seiner nunmehr geltenden Fassung im Fall der Anfechtung der Gültigkeit der Sicherungsabrede den Verkauf für nichtig erklären können, was den Verbraucher gleichermaßen in seine ursprüngliche Lage zurückversetzen und den Ersatz seines Schadens im Fall der Unzulässigkeit des Verkaufs somit nicht auf eine bloße Entschädigung in Geld beschränken würde. 62 Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Sanktion ist dem Umstand besondere Bedeutung beizumessen, dass es sich im Ausgangsverfahren bei dem vom Verfahren der außergerichtlichen Verwertung der Sicherheit betroffenen Gegenstand um das Haus handelt, in dem der Verbraucher mit seiner Familie wohnt. 63 Der Verlust der Familienwohnung ist nämlich nicht nur geeignet, das Recht des Verbrauchers erheblich zu beeinträchtigen (Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 61), sondern bringt die Familie des betroffenen Verbrauchers in eine besonders gefährdete Lage (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs Sánchez Morcillo und Abril García, EU:C:2014:1388, Rn. 11). 64 Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einerseits den Verlust der Wohnung als einen der schwersten Eingriffe in das Recht auf Achtung der Wohnung angesehen und andererseits ausgeführt, dass jede Person, die von einem solchen Eingriff bedroht ist, grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme überprüfen zu lassen (vgl. Urteile des EGMR McCann/Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 19009/04, Recueil des arrêts et décisions 2008, § 50, und Rousk/Schweden, Beschwerde Nr. 27183/04, § 137). 65 Im Unionsrecht ist die Achtung der Wohnung ein durch Art. 7 der Charta geschütztes Grundrecht, das das vorlegende Gericht bei der Anwendung der Richtlinie 93/13 zu berücksichtigen hat. 66 Was speziell die Folgen betrifft, die mit der Zwangsräumung der dem Verbraucher und seiner Familie als Hauptwohnsitz dienenden Wohnung verbunden sind, hat der Gerichtshof bereits betont, wie wichtig es für das zuständige nationale Gericht ist, vorläufige Maßnahmen zur Aussetzung oder Verhinderung eines unzulässigen Hypothekenvollstreckungsverfahrens treffen zu können, wenn der Erlass solcher Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit des durch die Richtlinie 93/13 gewollten Schutzes zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 59). 67 Im vorliegenden Fall erscheint die Befugnis des nationalen Gerichts, vorläufige Maßnahmen wie die in Rn. 60 des vorliegenden Urteils bezeichneten treffen zu können, als angemessenes und wirksames Mittel, der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. 68 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach eine auf möglicherweise missbräuchliche Vertragsklauseln gegründete Forderung durch die außergerichtliche Verwertung eines vom Verbraucher als Sicherheit bestellten Grundpfandrechts beigetrieben werden kann, nicht entgegenstehen, soweit diese Regelung die Wahrung der dem Verbraucher durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist. 69 Angesichts dieser Antwort auf den ersten Teil der ersten drei Fragen ist es nicht erforderlich, deren zweiten Teil, der die Bedeutung des Urteils Simmenthal (EU:C:1978:49) für eine nationale Regelung betrifft, die die außergerichtliche Verwertung einer Sicherheit erlaubt, zu beantworten. Zur vierten Frage 70 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er einer Klausel, die in einem von einem Gewerbetreibenden mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrag enthalten ist, auch dann entgegensteht, wenn diese Klausel mit einer Rechtsvorschrift übereinstimmt. 71 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil Vicoplus u. a., C‑307/09 bis C‑309/09, EU:C:2011:64, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). 72 Soweit das vorlegende Gericht sich umfassend darauf bezieht, dass Vertragsklauseln, die auf Vorschriften des innerstaatlichen Rechts beruhen, vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 ausgenommen sind, ist zu berücksichtigen, dass deren Art. 1 Abs. 2, obwohl im Vorabentscheidungsersuchen nicht erwähnt, stillschweigend, aber notwendigerweise Gegenstand der vierten Vorlagefrage ist. Daher ist das Vorabentscheidungsersuchen dahin zu verstehen, dass es sich auf Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie bezieht. 73 Schließlich kann der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Ausübung der Zuständigkeit zur Auslegung des Unionsrechts, die ihm in Art. 267 AEUV übertragen ist, die vom Unionsgesetzgeber zur Definition des Begriffs der missbräuchlichen Klausel verwendeten allgemeinen Kriterien auslegen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Pohotovosť, C‑76/10, EU:C:2010:685, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Infolgedessen muss sich der Gerichtshof darauf beschränken, dem vorlegenden Gericht Hinweise an die Hand zu geben, die dieses bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel zu beachten hat (Urteile Aziz, EU:C:2013:164, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung, Kásler und Káslerné Rábai, EU:C:2014:282, Rn. 45, sowie Beschluss Sebestyén, C‑342/13, EU:C:2014:1857, Rn. 25). 74 Während Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 deren Anwendungsbereich festlegt, nimmt Art. 1 Abs. 2 Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, hiervon aus. 75 Insoweit schlagen die slowakische und die deutsche Regierung dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Klausel, nämlich die freiwillige Versteigerung, unter diese Ausnahme fällt. Demgegenüber ist die Kommission der Auffassung, dass die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 93/13 gefährdet wäre, wenn ein Fall wie der des Ausgangsverfahrens unter eine solche Ausnahme fiele. 76 Der Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnimmt (vgl. in diesem Sinne Urteil RWE Vertrieb, C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 25). 77 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung – wie jede Ausnahme – im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie, nämlich den Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln in Verträgen zwischen ihnen und Gewerbetreibenden, eng auszulegen ist. 78 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Urteil RWE Vertrieb (EU:C:2013:180), dass diese Ausnahme vom Vorliegen zweier Voraussetzungen abhängt. Erstens muss die Vertragsklausel auf einer Rechtsvorschrift beruhen, und zweitens muss diese Rechtsvorschrift bindend sein. 79 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht zur Feststellung, ob eine Vertragsklausel vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 ausgenommen ist, zu prüfen hat, ob diese Klausel auf Bestimmungen des nationalen Rechts beruht, die unabdingbar sind oder von Gesetzes wegen greifen, wenn sie nicht abbedungen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil RWE Vertrieb, EU:C:2013:180, Rn. 26). 80 Demnach ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass eine Vertragsklausel, die in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthalten ist, nur dann vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, wenn diese Vertragsklausel auf dem Inhalt einer bindenden Rechtsvorschrift beruht, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist. Zur zeitlichen Wirkung des vorliegenden Urteils 81 Für den Fall, dass der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen sollte, die Bestimmungen der Richtlinie 93/13 seien dahin auszulegen, dass der außergerichtlichen Verwertung einer Sicherheit wie der im Ausgangsverfahren zwingend eine richterliche Prüfung vorausgehen muss, beantragt die slowakische Regierung, die Wirkungen des vorliegenden Urteils zeitlich zu beschränken. 82 In Anbetracht der Antwort auf die ersten drei Fragen bedarf dieser Antrag der slowakischen Regierung keiner Entscheidung. Kosten 83 Die Auslagen anderer Beteiligter als der Parteien des Ausgangsverfahrens für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Bestimmungen der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, wonach eine auf möglicherweise missbräuchlichen Vertragsklauseln beruhende Forderung im Wege der außergerichtlichen Verwertung eines vom Verbraucher eingeräumten Grundpfandrechts beigetrieben werden kann, nicht entgegenstehen, soweit diese Regelung die Wahrung der dem Verbraucher durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist. 2. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass eine in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltene Vertragsklausel nur dann vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen ist, wenn sie auf dem Inhalt einer bindenden Rechtsvorschrift beruht, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Slowakisch.
Beschluss des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 17. Juli 2014.#Levent Redzheb, Yumer gegen Teritoriyalna direktsia na NAP - Varna.#Vorabentscheidungsersuchen der Administrativen sad - Varna.#Einkommensteuer – Art. 2 EUV – Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Grundsätze der Rechtssicherheit, der Effektivität und der Verhältnismäßigkeit – Recht auf Ermäßigung der Steuer auf Einkünfte aus landwirtschaftlicher Tätigkeit – Ausschluss natürlicher Personen, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben – Umsetzung des Unionsrechts – Fehlen – Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs.#Rechtssache C‑505/13).
62013CO0505
ECLI:EU:C:2014:2129
2014-07-17T00:00:00
Kokott, Gerichtshof
EUR-Lex - CELEX:62013CO0505 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62013CO0505 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62013CO0505 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 17. Juli 2014.#Angelo Alberto Torresi und Pierfrancesco Torresi gegen Consiglio dell’Ordine degli Avvocati di Macerata.#Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio Nazionale Forense.#Vorabentscheidungsersuchen – Freizügigkeit – Zugang zum Rechtsanwaltsberuf – Möglichkeit, den Angehörigen eines Mitgliedstaats, die die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben, die Eintragung in das Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer zu verweigern – Rechtsmissbrauch.#Verbundene Rechtssachen C‑58/13 und C‑59/13.
62013CJ0058
ECLI:EU:C:2014:2088
2014-07-17T00:00:00
Gerichtshof, Wahl
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0058 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 17. Juli 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Freizügigkeit — Zugang zum Rechtsanwaltsberuf — Möglichkeit, den Angehörigen eines Mitgliedstaats, die die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben, die Eintragung in das Verzeichnis der Rechtsanwaltskammer zu verweigern — Rechtsmissbrauch“ In den verbundenen Rechtssachen C‑58/13 und C‑59/13 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio Nazionale Forense (Italien) mit Entscheidungen vom 29. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Februar 2013, in den Verfahren Angelo Alberto Torresi (C‑58/13), Pierfrancesco Torresi (C‑59/13) gegen Consiglio dell’Ordine degli Avvocati di Macerata erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen (Berichterstatter), E. Juhász und M. Safjan, der Richter A. Rosas und D. Šváby, der Richterin M. Berger, der Richter S. Rodin und F. Biltgen sowie der Richterin K. Jürimäe, Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: A Impellizzeri, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2014, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Herren Torresi, vertreten durch C. Torresi, avvocato, — der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato, — der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte, — der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten, — der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten, — der rumänischen Regierung, vertreten durch R.‑H. Radu, R.‑I. Hatieganu und A.‑L. Crişan als Bevollmächtigte, — des Europäischen Parlaments, vertreten durch M. Gómez‑Leal und L. Visaggio als Bevollmächtigte, — des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A. Vitro und P. Mahnič Bruni als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2014 folgendes Urteil 1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung und die Gültigkeit von Art. 3 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77, S. 36). 2 Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, die die Herren Torresi jeweils gegen den Consiglio dell’Ordine degli Avvocati di Macerata (Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Macerata) angestrengt haben, weil dieser ihren Anträgen auf Eintragung in die Sonderabteilung des Anwaltsverzeichnisses nicht stattgab. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 98/5 lautet: „Ein Tätigwerden auf Gemeinschaftsebene ist auch deswegen gerechtfertigt, weil bisher erst einige Mitgliedstaaten gestatten, dass Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung eine Anwaltstätigkeit in anderer Form denn als Dienstleistung in ihrem Gebiet ausüben. In den Mitgliedstaaten, in denen diese Möglichkeit gegeben ist, gelten sehr unterschiedliche Modalitäten, beispielsweise was das Tätigkeitsfeld und die Pflicht zur Eintragung bei den zuständigen Stellen betrifft. Solche unterschiedlichen Situationen führen zu Ungleichheiten und Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zwischen den Rechtsanwälten der Mitgliedstaaten und bilden ein Hindernis für die Freizügigkeit. Nur durch eine Richtlinie zur Regelung der Bedingungen, unter denen Rechtsanwälte, die unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig sind, ihren Beruf in anderer Form denn als Dienstleistung ausüben dürfen, können diese Probleme gelöst und in allen Mitgliedstaaten den Rechtsanwälten und Rechtsuchenden die gleichen Möglichkeiten geboten werden.“ 4 Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 soll die Richtlinie 98/5 die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs als Selbständiger oder abhängig Beschäftigter in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Berufsqualifikation erworben wurde, erleichtern. 5 Art. 2 („Recht auf Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung“) der Richtlinie 98/5 bestimmt in seinem Abs. 1: „Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.“ 6 Art. 3 („Eintragung bei der zuständigen Stelle“) der Richtlinie 98/5 sieht in seinen Abs. 1 und 2 vor: „(1)   Jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, hat sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen. (2)   Die zuständige Stelle des Aufnahmestaats nimmt die Eintragung des Rechtsanwalts anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats vor. Sie kann verlangen, dass diese von der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats erteilte Bescheinigung im Zeitpunkt ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate ist. Sie setzt die zuständige Stelle des Herkunftsstaats von der Eintragung in Kenntnis.“ Italienisches Recht 7 Die Italienische Republik hat die Richtlinie 98/5 durch das Gesetzesvertretende Dekret Nr. 96 vom 2. Februar 2001 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 79 vom 4. April 2001, im Folgenden: Gesetzesvertretendes Dekret Nr. 96/2001) in nationales Recht umgesetzt. Dessen Art. 6 („Eintragung“) bestimmt: „(1)   Zur ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Italien müssen sich Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Besitz eines der Titel im Sinne des Art. 2 sind, in eine Sonderabteilung des Verzeichnisses im Bezirk des Gerichts, in dem sie unter Einhaltung der Vorschriften über die Sozialversicherungspflichten ihren festen Wohn‑ oder Geschäftssitz genommen haben, eintragen lassen. (2)   Die Eintragung in die Sonderabteilung des Verzeichnisses ist an die Eintragung des Antragstellers bei der zuständigen Berufsorganisation des Herkunftsmitgliedstaats geknüpft. (3)   Dem Eintragungsantrag sind folgende Dokumente beizufügen: a) Nachweis über die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder Ersatzerklärung; b) Wohnsitzbescheinigung oder Ersatzerklärung oder Erklärung des Antragstellers über den Geschäftssitz; c) Bescheinigung über die Eintragung bei der Berufsorganisation des Herkunftsmitgliedstaats, die nicht früher als drei Monate vor der Vorlage ausgestellt worden sein darf, oder Ersatzerklärung. … (6)   Der Ausschuss der Kammer ordnet innerhalb von 30 Tagen nach Einreichung oder Ergänzung des Antrags, wenn das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen festgestellt ist und keine Unvereinbarkeitsgründe entgegenstehen, die Eintragung in die Sonderabteilung des Verzeichnisses an und teilt dies der entsprechenden Stelle des Herkunftsmitgliedstaats mit. (7)   Eine Ablehnung des Antrags ist nur nach Anhörung des Betroffenen möglich. Der Beschluss ist zu begründen, und eine Abschrift davon in voller Länge ist dem Betroffenen sowie dem Staatsanwalt … innerhalb einer Frist von zwei Wochen zuzustellen. (8)   Hat der Ausschuss der Kammer nicht innerhalb der Frist des Absatzes 6 über den Antrag entschieden, kann der Betroffene innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf dieser Frist Beschwerde beim Consiglio Nazionale Forense [Ausschuss der gesamtstaatlichen Rechtsanwaltskammer] erheben, der über die Eintragung in der Sache entscheidet. (9)   Mit der Eintragung in die Sonderabteilung des Verzeichnisses erwirbt der niedergelassene Rechtsanwalt das aktive, nicht jedoch das passive Wahlrecht. …“ 8 Nach dem durch das Gesetz Nr. 36 von 1934 mit Änderungen in Gesetz umgewandelten Königlichen Gesetzesdekret Nr. 1578 vom 27. November 1933 in der zuletzt geänderten Fassung (Gazzetta Ufficiale Nr. 24 vom 30. Januar 1934) können die Entscheidungen des Consiglio Nazionale Forense aus Rechtsgründen vor den Vereinigten Senaten der Corte Suprema di Cassazione (Oberster Kassationsgerichtshof) angefochten werden. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 9 Nachdem die Herren Torresi ihren Universitätsabschluss in Rechtswissenschaften in Italien erhalten hatten, erwarben sie beide einen Universitätsabschluss in Rechtswissenschaften in Spanien und wurden am 1. Dezember 2011 als Rechtsanwälte in das Verzeichnis des Ilustre Colegio de Abogados de Santa Cruz de Tenerife (Rechtsanwaltskammer von Santa Cruz de Tenerife, Spanien) eingetragen. 10 Am 17. März 2012 stellten die Herren Torresi nach Art. 6 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 beim Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Macerata einen Antrag auf Eintragung in die Sonderabteilung des Anwaltsverzeichnisses, die für Rechtsanwälte vorgesehen ist, die eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik verliehene Berufsbezeichnung innehaben und in der Italienischen Republik niedergelassen sind (im Folgenden: niedergelassene Rechtsanwälte). 11 Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Macerata erließ innerhalb der in Art. 6 Abs. 6 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 vorgesehenen Frist von 30 Tagen keine Entscheidung über die Eintragungsanträge. 12 Die Herren Torresi erhoben daher am 19. bzw. 20. April 2012 Beschwerde beim Consiglio Nazionale Forense und begehrten eine Entscheidung über ihre Eintragungsanträge. Sie stützten ihre Beschwerden darauf, dass die beantragten Eintragungen von der einzigen nach der geltenden Regelung erforderlichen Voraussetzung abhingen, nämlich der Vorlage der „Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats“, der im vorliegenden Fall das Königreich Spanien sei. 13 Demgegenüber ist der Consiglio Nazionale Forense der Ansicht, dass es nichts mit den Zielen der Richtlinie 98/5 zu tun habe und einen Rechtsmissbrauch darstellen könne, wenn sich eine Person, nachdem sie in einem Mitgliedstaat einen Abschluss in Rechtswissenschaften erworben habe, mit dem Ziel des Erwerbs der Anwaltsbezeichnung in einen anderen Mitgliedstaat begebe, um umgehend zum Zwecke der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in den ersten Mitgliedstaat zurückzukehren. 14 Da der Consiglio Nazionale Forense Zweifel hinsichtlich der Auslegung und der Gültigkeit von Art. 3 der Richtlinie 98/5 hegt, hat er unter dem Hinweis darauf, dass er vom Gerichtshof für zur Vorlage eines Vorabentscheidungersuchens befugt erklärt worden sei (Urteil Gebhard, C‑55/94, EU:C:1995:411), beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 3 der Richtlinie 98/5 vor dem Hintergrund des allgemeinen Grundsatzes des Rechtsmissbrauchsverbots und des die Achtung der nationalen Identität betreffenden Art. 4 Abs. 2 EUV dahin auszulegen, dass er die nationalen Verwaltungsstellen verpflichtet, italienische Staatsbürger, die das Unionsrecht missbraucht haben, in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte einzutragen, und er einer nationalen Praxis entgegensteht, die es diesen Stellen erlaubt, Anträge auf Eintragung in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte abzulehnen, wenn objektive Umstände vorliegen, die die Feststellung ermöglichen, dass der Tatbestand des Missbrauchs des Unionsrechts verwirklicht ist, unbeschadet zum einen der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Diskriminierungsverbots und zum anderen des Rechts des Betroffenen, das Gericht anzurufen, um etwaige Verletzungen des Niederlassungsrechts zu rügen, und somit einer gerichtlichen Überprüfung des Verwaltungshandelns? 2. Falls die erste Frage verneint wird: Ist Art. 3 der Richtlinie 98/5 in dieser Auslegung im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 EUV insoweit ungültig, als er es erlaubt, die Regelung eines Mitgliedstaats, die den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf vom Bestehen einer Staatsprüfung abhängig macht, zu umgehen, während das Erfordernis dieser Prüfung in der Verfassung dieses Staates vorgesehen ist und zu den grundlegenden Prinzipien des Schutzes derjenigen, die die beruflichen Tätigkeiten in Anspruch nehmen, und zu einer geordneten Rechtspflege gehört? Zu den Vorlagefragen Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs 15 Einleitend bringen die Herren Torresi u. a. vor, dass der Consiglio Nazionale Forense kein Gericht sei und somit nicht die Befugnis habe, Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV einzureichen. Insbesondere übe er nur dann gerichtliche Funktionen aus, wenn er in Disziplinarsachen tätig werde, nicht hingegen, wenn er die Anwaltsverzeichnisse führe, wobei es sich um eine rein administrative Tätigkeit handle. So habe er, wenn er nach Art. 6 Abs. 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 befasst werde, über die Eintragung als Verwaltungsorgan zu entscheiden, das dem Ausschuss der örtlichen Rechtsanwaltskammer, der innerhalb der Frist des Art. 6 Abs. 6 des genannten Dekrets keine Entscheidung erlassen habe, übergeordnet sei. 16 Unter Berufung auf das Urteil Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587) machen die Herren Torresi zudem geltend, der Consiglio Nazionale Forense erfülle nicht die Voraussetzung der Unparteilichkeit, da es sich bei seinen Mitgliedern um Anwälte handle, die von den einzelnen Ausschüssen der örtlichen Rechtsanwaltskammern, einschließlich jenes Ausschusses, der Partei des Ausgangsverfahrens sei, gewählt würden. Deshalb bestehe die Gefahr, dass die Entscheidung über den dem Consiglio Nazionale Forense übermittelten Antrag von einem praktischen Interesse wie demjenigen an der Begrenzung der Eintragungen beeinflusst und nicht von der Anwendung der Rechtsnorm geleitet werde. 17 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof zur Beurteilung der Frage, ob es sich bei der vorlegenden Einrichtung um ein „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV handelt, nach ständiger Rechtsprechung auf eine Reihe von Merkmalen abstellt, wie gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen durch die Einrichtung sowie deren Unabhängigkeit (vgl. insbesondere Urteile Miles u. a., C‑196/09, EU:C:2011:388, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Belov, C‑394/11, EU:C:2013:48, Rn. 38). 18 Was genauer die Unabhängigkeit der vorlegenden Einrichtung betrifft, so setzt dieses Erfordernis voraus, dass die Einrichtung vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder im Hinblick auf die ihnen unterbreiteten Rechtsstreitigkeiten gefährden könnten (vgl. Urteil Wilson, EU:C:2006:587, Rn. 51). 19 Außerdem ist es für die Feststellung, ob eine nationale Einrichtung, die nach dem Gesetz mit Aufgaben unterschiedlicher Art betraut ist, als „Gericht“ im Sinne von Art. 267 AEUV zu qualifizieren ist, erforderlich, die spezifische Natur der Aufgaben zu prüfen, die sie in dem konkreten normativen Kontext ausübt, in dem sie sich zur Anrufung des Gerichtshofs veranlasst sieht. Die nationalen Gerichte können den Gerichtshof nur anrufen, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt (vgl. Urteil Belov, EU:C:2013:48, Rn. 39 und 41). 20 Hinsichtlich der ersten fünf in Rn. 17 des vorliegenden Urteils genannten Merkmale geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der Consiglio Nazionale Forense durch Gesetz eingerichtet worden ist und ständigen Charakter hat. Außerdem ist seine Gerichtsbarkeit obligatorisch, da seine Zuständigkeit für Beschwerden gegen Entscheidungen der Ausschüsse der örtlichen Rechtsanwaltskammern rechtlich vorgesehen sowie nicht optional ist und die Entscheidungen, die er in Ausübung dieser Zuständigkeit erlässt, vollstreckbar sind. Schließlich steht fest, dass zum einen das vor dem Consiglio Nazionale Forense anwendbare Verfahren, das weitgehend an den Vorschriften des Zivilverfahrens ausgerichtet ist, sowohl in seinem schriftlichen als auch in seinem mündlichen Teil kontradiktorisch ist und dass zum anderen der Consiglio Nazionale Forense anhand von Rechtsvorschriften entscheidet. 21 Zum Erfordernis der Unabhängigkeit ist als Erstes festzustellen, dass insbesondere aus den Angaben der italienischen Regierung hervorgeht, dass sich der Consiglio Nazionale Forense zwar aus Räten zusammensetzt, die von den Mitgliedern der verschiedenen Ausschüsse der örtlichen Rechtsanwaltskammern aus dem Kreis der bei der Corte Suprema di Cassazione zugelassenen Rechtsanwälte gewählt werden – wobei die Mitglieder dieser Ausschüsse ihrerseits von den Rechtsanwälten gewählt werden, die in das Verzeichnis der betreffenden Rechtsanwaltskammer eingetragen sind –, dass aber die Tätigkeit als Rat des Consiglio Nazionale Forense vor allem mit jener als Mitglied eines Ausschusses einer örtlichen Rechtsanwaltskammer unvereinbar ist. 22 Als Zweites ist offensichtlich, dass für den Consiglio Nazionale Forense die Garantien gelten, die die italienische Verfassung in Sachen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte vorsieht. Zudem übt er seine Funktionen in völliger Autonomie aus, ohne irgendeiner Stelle untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten. Im Übrigen sind die Bestimmungen der italienischen Zivilprozessordnung über Enthaltung und Ablehnung zur Gänze auf ihn anwendbar. 23 Als Drittes kann – wie die italienische Regierung in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat – der Consiglio Nazionale Forense im Unterschied zu einem Ausschuss einer örtlichen Rechtsanwaltskammer, der in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Entscheidung von ihm Partei vor dem Consiglio Nazionale Forense ist, nicht Partei in einem Verfahren sein, das vor der Corte Suprema di Cassazione gegen die Entscheidung angestrengt wird, mit der er über die Beschwerde gegen den betreffenden Ausschuss der Rechtsanwaltskammer entschieden hat. Der Consiglio Nazionale Forense hat somit – wie von der Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt (vgl. Urteil Wilson, EU:C:2006:587, Rn. 49) – gegenüber der Stelle, die die mit einem Rechtsbehelf angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Eigenschaft eines Dritten. 24 Schließlich geht aus den Akten hervor, dass der Rat des Consiglio Nazionale Forense aus dem Bezirk des mit dem Eintragungsantrag befassten Ausschusses der Rechtsanwaltskammer nach ständiger Praxis, unbeschadet der vollständigen Anwendbarkeit der Vorschriften der italienischen Zivilprozessordnung über die Enthaltung und die Ablehnung, nicht dem Spruchkörper des Consiglio Nazionale Forense angehört. Die italienische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, dass zwar eines der Mitglieder des Consiglio Nazionale Forense bei der Rechtsanwaltskammer Macerata eingetragen gewesen sei, es aber an den Verfahren betreffend die Herren Torresi nicht teilgenommen habe. 25 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der Consiglio Nazionale Forense den Erfordernissen der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die ein Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV kennzeichnen, gerecht wird. 26 Zu dem in Rn. 19 des vorliegenden Urteils erwähnten Erfordernis, wonach eine vorlegende Einrichtung den Gerichtshof nur in Ausübung einer gerichtlichen Funktion anrufen kann, ist festzustellen, dass sich – entgegen dem Vorbringen der Herren Torresi – der Consiglio Nazionale Forense, wenn bei ihm Beschwerde nach Art. 6 Abs. 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 erhoben wird, weil der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer innerhalb der Frist von 30 Tagen nach Einreichung eines Antrags auf Eintragung in die Sonderabteilung des Anwaltsverzeichnisses keine Entscheidung erlassen hat, nicht darauf beschränkt, anstelle des betreffenden Ausschusses der Rechtsanwaltskammer über diesen Antrag zu entscheiden. Wie nämlich u. a. aus den Erläuterungen der italienischen Regierung und aus den Protokollen der mündlichen Verhandlungen über die Beschwerden der Herren Torresi gegen den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Macerata, die am 29. September 2012 vor dem Consiglio Nazionale Forense abgehalten wurden, hervorgeht, hat der Consiglio Nazionale Forense über die Begründetheit der stillschweigenden Entscheidung des betreffenden Ausschusses der Rechtsanwaltskammer zu entscheiden, da durch diese stillschweigende Entscheidung der Eintragungsantrag des Betroffenen abgelehnt wird. Wird der Beschwerde stattgegeben, entscheidet der Consiglio Nazionale Forense dann in der Sache über den Eintragungsantrag. 27 Des Weiteren steht fest, dass die Erhebung einer Beschwerde im Sinne von Art. 6 Abs. 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 zu einem Verfahren führt, in dem die Parteien aufgerufen sind, ihre Argumente schriftlich und mündlich, in öffentlicher Sitzung sowie im Beistand eines Rechtsanwalts darzulegen. Die Staatsanwaltschaft stellt ihre Anträge in der mündlichen Verhandlung. Im vorliegenden Fall geht aus den in der vorstehenden Randnummer erwähnten Protokollen hervor, dass die Staatsanwaltschaft die Ablehnung der Beschwerden der Herren Torresi beantragt hat. Der Consiglio Nazionale Forense entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung, und zwar durch eine Entscheidung, die zugleich die Form, die Bezeichnung und den Inhalt eines im Namen des italienischen Volkes verkündeten Urteils aufweist. 28 Schließlich ist, wie in Rn. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Consiglio Nazionale Forense im Unterschied zu dem Ausschuss der örtlichen Rechtsanwaltskammer, gegen dessen Entscheidung Beschwerde beim Consiglio Nazionale Forense erhoben wurde und der in dem dortigen Verfahren Partei ist, keine Partei in dem Verfahren vor der Corte Suprema di Cassazione, wenn seine Entscheidung über die Beschwerde ihrerseits vor dem letztgenannten Gericht angefochten wird. Wie insbesondere aus dem Urteil der Vereinigten Senate dieses Gerichts vom 22. Dezember 2011 hervorgeht, auf das sich die Herren Torresi in ihren schriftlichen Erklärungen berufen, ist es vielmehr der betreffende Ausschuss der Rechtsanwaltskammer, der in dem Verfahren vor der Corte Suprema di Cassazione Partei bleibt. 29 Daraus folgt, dass der Consiglio Nazionale Forense im vorliegenden Fall durchaus mit einem Rechtsstreit befasst ist und im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden hat, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt. 30 In Anbetracht der bisherigen Ausführungen ist festzustellen, dass der Consiglio Nazionale Forense, da er die Kontrolle nach Art. 6 Abs. 8 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 96/2001 ausübt, ein Gericht im Sinne von Art. 267 AEUV ist und dass der Gerichtshof folglich für die Beantwortung der ihm von diesem Gericht vorgelegten Fragen zuständig ist. Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen 31 Die Herren Torresi und der Rat der Europäischen Union machen geltend, dass die vom Consiglio Nazionale Forense vorgelegten Fragen angesichts der einheitlichen Rechtsprechung des Gerichtshofs auf diesem Gebiet unter die Lehre vom „acte éclairé“ fielen und somit unzulässig seien. 32 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es den innerstaatlichen Gerichten, selbst bei Vorliegen einer Rechtsprechung des Gerichtshofs, zu der betreffenden Rechtsfrage unbenommen bleibt, den Gerichtshof zu befassen, wenn sie es für angebracht halten (vgl. Urteil Cilfit u. a., 283/81, EU:C:1982:335, Rn. 13 bis 15), ohne dass der Umstand, dass die Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht wird, bereits vom Gerichtshof ausgelegt worden sind, einer neuerlichen Entscheidung des Gerichtshofs entgegenstünde (vgl. in diesem Sinne Urteil Boxus u. a., C‑128/09 bis C‑131/09, C‑134/09 und C‑135/09, EU:C:2011:667, Rn. 32). 33 Daraus folgt, dass die Vorabentscheidungsersuchen zulässig sind. Zur ersten Frage 34 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 der Richtlinie 98/5 dahin auszulegen ist, dass die zuständigen Stellen eines Mitgliedstaats dessen Angehörigen, die sich nach dem Erwerb eines Universitätsabschlusses in diesem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat begeben haben, um dort die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf zu erwerben, und anschließend in den ersten Mitgliedstaat zurückgekehrt sind, um dort den Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung auszuüben, die sie in dem Mitgliedstaat erlangt haben, in dem sie auch die Berufsqualifikation erworben haben, die Eintragung in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte nicht unter Berufung auf einen Rechtsmissbrauch verweigern dürfen. 35 Zuallererst ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 98/5 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Berufsqualifikation erworben wurde, erleichtern soll. 36 Hierzu hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die genannte Richtlinie einen Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung der Berufsbezeichnungen der zuwandernden Rechtsanwälte schafft, die unter der im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung arbeiten wollen (vgl. Urteil Luxemburg/Parlament und Rat, C‑168/98, EU:C:2000:598, Rn. 56). 37 Wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/5 ergibt, wollte der Unionsgesetzgeber mit dieser Richtlinie zudem insbesondere der Unterschiedlichkeit der nationalen Vorschriften über die Voraussetzungen der Eintragung bei den zuständigen Stellen ein Ende setzen, die den Ungleichheiten und Hindernissen für die Freizügigkeit zugrunde lagen (vgl. Urteile Kommission/Luxemburg, C‑193/05, EU:C:2006:588, Rn. 34, und Wilson, EU:C:2006:587, Rn. 64). 38 In diesem Zusammenhang nimmt Art. 3 der Richtlinie 98/5 eine vollständige Harmonisierung der Voraussetzungen für die Ausübung des mit dieser Richtlinie verliehenen Niederlassungsrechts vor, indem er bestimmt, dass jeder Rechtsanwalt, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, sich bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats eintragen zu lassen hat, die die Eintragung des Rechtsanwalts „anhand einer Bescheinigung über dessen Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats“ vorzunehmen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Luxemburg, EU:C:2006:588, Rn. 35 und 36, und Wilson, EU:C:2006:587, Rn. 65 und 66). 39 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich die Vorlage einer Bescheinigung über die Eintragung bei der zuständigen Stelle des Herkunftsmitgliedstaats gegenüber der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaats als die einzige Voraussetzung für die Eintragung des Betreffenden im Aufnahmemitgliedstaat erweist, die es ihm ermöglicht, in diesem Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig zu sein (vgl. Urteile Kommission/Luxemburg, EU:C:2006:588, Rn. 37, und Wilson, EU:C:2006:587, Rn. 67). 40 Daher ist festzustellen, dass bei Angehörigen eines Mitgliedstaats wie den Herren Torresi, die der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats die Bescheinigung über ihre Eintragung bei der zuständigen Stelle eines anderen Mitgliedstaats vorlegen, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sie alle nötigen Voraussetzungen erfüllen, um sich unter ihrer in diesem anderen Mitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte im ersten Mitgliedstaat eintragen zu lassen. 41 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts können sich die Herren Torresi im vorliegenden Fall jedoch nicht auf Art. 3 der Richtlinie 98/5 berufen, da der Erwerb der Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik lediglich dazu diene, das Recht der Italienischen Republik über den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf zu umgehen, worin eine missbräuchliche Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit liege, die den Zielen dieser Richtlinie zuwiderlaufe. 42 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht erlaubt ist (vgl. insbesondere Urteile Halifax u. a., C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68, sowie SICES u. a., C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 29). 43 Insbesondere ist ein Mitgliedstaat im Hinblick auf die Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit berechtigt, Maßnahmen zu treffen, die verhindern sollen, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Ausnutzung der durch den AEU-Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in missbräuchlicher Weise den Vorschriften des nationalen Rechts entziehen (vgl. Urteil Inspire Art, C‑167/01, EU:C:2003:512, Rn. 136). 44 Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements (vgl. Urteil SICES u. a., EU:C:2014:145, Rn. 31). 45 Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde (vgl. Urteil SICES u. a., EU:C:2014:145, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). 46 In Bezug auf das subjektive Element muss die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil O. und B., C‑456/12, EU:C:2014:135, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). 47 Wie bereits in Rn. 35 des vorliegenden Urteils erwähnt, soll die Richtlinie 98/5 die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Berufsqualifikation erworben wurde, erleichtern. 48 In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass das Recht der Angehörigen eines Mitgliedstaats, zum einen den Mitgliedstaat, in dem sie ihre beruflichen Qualifikationen erwerben wollen, und zum anderen den Mitgliedstaat, in dem sie ihren Beruf ausüben möchten, zu wählen, im Binnenmarkt der Ausübung der von den Verträgen gewährleisteten Grundfreiheiten innewohnt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, C‑286/06, EU:C:2008:586, Rn. 72). 49 Daher stellt der Umstand, dass sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der in diesem Staat einen Universitätsabschluss erworben hat, in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf zu erwerben, und danach in den Mitgliedstaat, dem er angehört, zurückkehrt, um dort den Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung auszuüben, die er in dem Mitgliedstaat erlangt hat, in dem er auch die betreffende Qualifikation erworben hat, einen der Fälle dar, in denen das Ziel der Richtlinie 98/5 erreicht wird, und kann für sich genommen keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts nach Art. 3 der Richtlinie 98/5 begründen. 50 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 91 und 92 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, reicht außerdem der Umstand, dass sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats entschlossen hat, eine Berufsqualifikation in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnmitgliedstaat zu erwerben, um dort in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, für sich genommen nicht aus, um auf einen Rechtsmissbrauch zu schließen. 51 Diese Feststellung wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Eintragung in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte bei der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaats kurze Zeit nach dem Erwerb der Berufsbezeichnung im Herkunftsmitgliedstaat beantragt wurde. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 93 und 94 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sieht nämlich Art. 3 der Richtlinie 98/5 in keiner Weise vor, dass die Eintragung eines Rechtsanwalts, der seinen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er seine Berufsqualifikation erworben hat, ausüben möchte, bei der zuständigen Stelle des Aufnahmemitgliedstaats von der Absolvierung einer praktischen Verwendung als Rechtsanwalt im Herkunftsmitgliedstaat abhängig gemacht werden kann. 52 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 der Richtlinie 98/5 dahin auszulegen ist, dass es keine missbräuchliche Praktik darstellen kann, wenn sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort nach erfolgreich abgelegten Universitätsprüfungen die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf zu erwerben, und danach in den Mitgliedstaat, dem er angehört, zurückkehrt, um dort den Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung auszuüben, die er in dem Mitgliedstaat erlangt hat, in dem er auch die Berufsqualifikation erworben hat. Zur zweiten Frage 53 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 der Richtlinie 98/5 im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 EUV ungültig ist. 54 Hierzu ist sogleich darauf hinzuweisen, dass die Union nach Art. 4 Abs. 2 EUV die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt. 55 Nach Ansicht des Consiglio Nazionale Forense bewirkt Art. 3 der Richtlinie 98/5, soweit er den italienischen Staatsangehörigen, die ihre Berufsbezeichnung als Rechtsanwalt in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik erworben hätten, die Ausübung ihres Berufs in der Italienischen Republik gestatte, eine Umgehung von Art. 33 Abs. 5 der italienischen Verfassung, der den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf an die erfolgreiche Absolvierung einer Staatsprüfung knüpfe. Folglich verstoße diese Bestimmung des sekundären Unionsrechts, soweit sie die Umgehung einer Regelung ermögliche, die Teil der italienischen nationalen Identität sei, gegen Art. 4 Abs. 2 EUV und sei damit als ungültig anzusehen. 56 Insoweit ist festzustellen, dass Art. 3 der Richtlinie 98/5 lediglich das Recht betrifft, sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen, um dort den Rechtsanwaltsberuf unter der im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung auszuüben. Diese Bestimmung regelt weder den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf noch seine Ausübung unter der im Aufnahmemitgliedstaat verliehenen Berufsbezeichnung. 57 Daraus ergibt sich notwendigerweise, dass durch einen Antrag auf Eintragung in das Verzeichnis der niedergelassenen Rechtsanwälte nach Art. 3 der Richtlinie 98/5 die Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf nicht umgangen werden können. 58 Wie auch die italienische Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist folglich davon auszugehen, dass Art. 3 der Richtlinie 98/5, soweit er es den Angehörigen eines Mitgliedstaats, die die Berufsbezeichnung des Rechtsanwalts in einem anderen Mitgliedstaat erworben haben, gestattet, den Rechtsanwaltsberuf in dem Staat, dem sie angehören, unter der im Herkunftsmitgliedstaat erworbenen Berufsbezeichnung auszuüben, jedenfalls nicht geeignet ist, die grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen oder die grundlegenden Funktionen des Aufnahmemitgliedstaats im Sinne von Art. 4 Abs. 2 EUV zu berühren. 59 Daraus folgt, dass die Prüfung der zweiten Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Art. 3 der Richtlinie 98/5 beeinträchtigen könnte. Kosten 60 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 3 der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, ist dahin auszulegen, dass es keine missbräuchliche Praktik darstellen kann, wenn sich ein Angehöriger eines Mitgliedstaats in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um dort nach erfolgreich abgelegten Universitätsprüfungen die Qualifikation für den Rechtsanwaltsberuf zu erwerben, und danach in den Mitgliedstaat, dem er angehört, zurückkehrt, um dort den Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung auszuüben, die er in dem Mitgliedstaat erlangt hat, in dem er auch die Berufsqualifikation erworben hat. 2. Die Prüfung der zweiten Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 3 der Richtlinie 98/5 beeinträchtigen könnte. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Italienisch.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 10. Juli 2014. # Kalliopi Nikolaou gegen Rechnungshof der Europäischen Union. # Rechtsmittel - Außervertragliche Haftung - Unterlassungen des Rechnungshofs - Schadensersatzklage - Grundsatz der Unschuldsvermutung - Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit - Befugnisse - Ablauf der Voruntersuchungen. # Rechtssache C-220/13 P.
62013CJ0220
ECLI:EU:C:2014:2057
2014-07-10T00:00:00
Gerichtshof, Bot
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0220 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 10. Juli 2014 (*1) „Rechtsmittel — Außervertragliche Haftung — Unterlassungen des Rechnungshofs — Schadensersatzklage — Grundsatz der Unschuldsvermutung — Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit — Befugnisse — Ablauf der Voruntersuchungen“ In der Rechtssache C‑220/13 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 25. April 2013, Kalliopi Nikolaou, wohnhaft in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: V. Christianos und S. Paliou, dikigoroi, Rechtsmittelführerin, andere Partei des Verfahrens: Rechnungshof der Europäischen Union, vertreten durch T. Kennedy und I. Ní Riagáin Düro als Bevollmächtigte im Beistand von P. Tridimas, Barrister, Beklagter im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), des Richters A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen, Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2014, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. März 2014 folgendes Urteil 1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Frau Nikolaou, das Urteil des Gerichts der Europäischen Union Nikolaou/Rechnungshof (T‑241/09, EU:T:2013:79, im Folgenden: angefochtenes Urteil) aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Klage auf Ersatz des Schadens abgewiesen hat, der ihr als Folge von im Rahmen einer internen Untersuchung vom Rechnungshof begangenen Unregelmäßigkeiten und Verstößen gegen das Unionsrecht entstanden sein soll. Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Frau Nikolaou war von 1996 bis 2001 Mitglied des Rechnungshofs. Nach einem am 19. Februar 2002 in der Tageszeitung Europa Journal erschienenen Bericht verfügte Herr Staes, ein Abgeordneter des Europäischen Parlaments, über Informationen betreffend rechtswidrige Handlungen der Rechtsmittelführerin während ihrer Amtszeit als Mitglied des Rechnungshofs. 3 Mit Schreiben vom 18. März 2002 übermittelte der Generalsekretär des Rechnungshofs (im Folgenden: Generalsekretär) dem Generaldirektor des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) eine Akte, die Hinweise im Zusammenhang mit diesen Handlungen enthielt, von denen er und der Präsident des Rechnungshofs Kenntnis erlangt hatten. Außerdem bat der Generalsekretär das OLAF um Mitteilung, ob Frau Nikolaou gemäß Art. 4 des Beschlusses 99/50 des Rechnungshofs über die Bedingungen und Modalitäten der internen Untersuchungen zur Bekämpfung von Betrug, Korruption und sonstigen rechtswidrigen Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften von der Existenz einer sie betreffenden Untersuchung zu unterrichten sei. 4 Mit Schreiben vom 8. April 2002 unterrichtete der Präsident des Rechnungshofs Frau Nikolaou von der Existenz einer vom OLAF im Anschluss an den im Europa Journal erschienenen Artikel durchgeführten internen Untersuchung. Mit Schreiben vom 26. April 2002 teilte der Generaldirektor des OLAF Frau Nikolaou mit, dass infolge der Auskünfte, die das OLAF von Herrn Staes erhalten habe, und auf der Grundlage einer Voruntersuchungsakte des Generalsekretärs eine interne Untersuchung eingeleitet worden sei, an der sie mitwirken solle. 5 Frau Nikolaou führte am 24. Mai 2002 ein Gespräch mit Verantwortlichen des OLAF. Am 17. Oktober 2002 veröffentlichte die Website European Voice eine Reportage, in der u. a. ausgeführt wurde, dass das OLAF im Begriff sei, die gegen die Rechtsmittelführerin durchgeführte Untersuchung abzuschließen. Ähnliche Reportagen wurden in der griechischen Presse veröffentlicht. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2002 informierte das OLAF Frau Nikolaou über den Abschluss der Untersuchung und teilte ihr mit, dass der Abschlussbericht sowie die maßgeblichen Informationen dem Generalsekretär und den luxemburgischen Justizbehörden übermittelt worden seien. Mit Schreiben vom 10. Februar 2004 übermittelte der Rechnungshof der Rechtsmittelführerin eine gekürzte Fassung des Abschlussberichts des OLAF. 6 Nach den Angaben im Abschlussbericht vom 28. Oktober 2002 erhielt Herr Staes die Frau Nikolaou betreffenden Informationen von zwei Mitarbeitern des Rechnungshofs, von denen einer dem Kabinett der Rechtsmittelführerin angehört haben soll. Die untersuchten Vorwürfe betrafen erstens Geldbeträge, die die Rechtsmittelführerin als Darlehen von ihrem Personal erhalten haben soll, zweitens falsche Erklärungen in Anträgen auf Übertragung von Urlaub ihres Kabinettschefs, die dazu geführt hätten, dass er eine Erstattung von etwa 28790 Euro für nicht in Anspruch genommene Urlaubstage in den Jahren 1999, 2000 und 2001 erhalten habe, drittens die Benutzung des Dienstfahrzeugs von Frau Nikolaou zu Zwecken, die in der einschlägigen Regelung nicht vorgesehen seien, viertens Aufträge an den Fahrer der Rechtsmittelführerin zu anderen als den von der einschlägigen Regelung gedeckten Zwecken, fünftens einen innerhalb des Kabinetts der Rechtsmittelführerin praktizierten Absentismus, sechstens kommerzielle Tätigkeiten und Interventionen bei hochrangigen Personen, um die Ausübung solcher Tätigkeiten durch Familienangehörige der Rechtsmittelführerin zu erleichtern, siebtens einen Betrug im Rahmen eines Auswahlverfahrens und achtens betrügerische Handlungen in Bezug auf die Repräsentationskosten, die der Rechtsmittelführerin gezahlt worden seien. 7 Das OLAF kam zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der Anträge auf Übertragung von Urlaubstagen des Kabinettschefs der Rechtsmittelführerin möglicherweise Zuwiderhandlungen begangen worden seien, die als Urkundenfälschung, Verwendung gefälschter Urkunden und Betrug eingestuft werden könnten. Nach dem Abschlussbericht könnten von der Rechtsmittelführerin und Mitgliedern ihres Kabinetts Straftaten im Zusammenhang mit Geldbeträgen begangen worden sein, die Erstere nach Angaben der Beteiligten als Darlehen erhalten habe. Unter diesen Umständen unterrichtete das OLAF gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136, S. 1) die luxemburgischen Justizbehörden im Hinblick auf die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen von diesen Gegebenheiten. 8 Hinsichtlich der übrigen Vorwürfe, ausgenommen den des Betrugs im Rahmen eines Auswahlverfahrens, legte das OLAF mögliche Unregelmäßigkeiten oder fragliche Punkte im Verhalten von Frau Nikolaou dar und schlug dem Rechnungshof vor, „Korrekturmaßnahmen“ ihr gegenüber sowie Maßnahmen zur Verbesserung des Kontrollsystems innerhalb des Organs zu ergreifen. 9 Am 26. April 2004 wurde die Rechtsmittelführerin bei einer vertraulichen Sitzung des Rechnungshofs im Hinblick auf eine mögliche Anwendung von Art. 247 Abs. 7 EG angehört. Mit einem Schreiben vom 13. Mai 2004 (im Folgenden: Schreiben vom 13. Mai 2004) legte der Präsident des Rechnungshofs dar, dass die für die Verweisung der Rechtssache an den Gerichtshof zur Anwendung von Art. 247 Abs. 7 EG wegen des Vorwurfs, dass Frau Nikolaou persönliche Darlehen von Mitgliedern ihres Kabinetts gefordert und erhalten habe, nach Art. 6 der Geschäftsordnung des Rechnungshofs in der Fassung vom 31. Januar 2002 erforderliche Einstimmigkeit bei der Sitzung am 4. Mai 2004 nicht erreicht worden sei. Der Präsident des Rechnungshofs fügte hinzu, dass eine große Mehrheit der Mitglieder des Organs das Verhalten der Rechtsmittelführerin als völlig unangemessen angesehen habe. Hinsichtlich der Urlaubstage ihres Kabinettschefs führte der Präsident des Rechnungshofs aus, das Organ habe, da die Rechtssache vor den luxemburgischen Gerichten anhängig sei, seine Entscheidung bis zum Abschluss der dortigen Verfahren aufgeschoben. 10 Mit dem Urteil Nikolaou/Kommission (T‑259/03, EU:T:2007:254) verurteilte das Gericht die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der Rechtsmittelführerin wegen der Veröffentlichung bestimmter Informationen über die vom OLAF durchgeführte Untersuchung eine Entschädigung in Höhe von 3000 Euro zu zahlen. 11 Mit Urteil vom 2. Oktober 2008 sprach die Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg die Rechtsmittelführerin und ihren Kabinettschef von den Vorwürfen der Urkundenfälschung und der Verwendung gefälschter Urkunden, der wahrheitswidrigen Erklärung, hilfsweise des rechtswidrigen Bezugs einer Entschädigung, eines Zuschusses oder einer Beihilfe sowie, höchst hilfsweise, des Betrugs frei (im Folgenden: Urteil vom 2. Oktober 2008). Das Gericht führte im Wesentlichen aus, einige Erklärungen des Kabinettschefs der Rechtsmittelführerin und Letzterer würfen Zweifel an dem vom OLAF und der luxemburgischen Kriminalpolizei gesammelten Bündel von Beweisen dafür auf, dass sich der Kabinettschef in den Jahren 1999, 2000 und 2001 mehrere Tage in nicht gemeldetem Urlaub befunden habe. Daher seien die Frau Nikolaou vorgeworfenen Tatsachen nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden, so dass sie, da der geringste Zweifel dem Angeklagten zugutekommen müsse, von den gegen sie erhobenen Vorwürfen freizusprechen sei. Zu Beginn des Urteils vom 2. Oktober 2008 wird ausgeführt, dass der Fall der Rechtsmittelführerin und ihres Kabinettschefs durch Beschluss der Ratskammer des Bezirksgerichts Luxemburg, der durch Urteil der Ratskammer des Berufungsgerichts vom 29. Januar 2008 bestätigt wurde, an die Strafkammer des Bezirksgerichts verwiesen worden war. Da kein Rechtsmittel eingelegt wurde, wurde das Urteil vom 2. Oktober 2008 rechtskräftig. 12 Mit Schreiben vom 14. April 2009 verlangte die Rechtsmittelführerin vom Rechnungshof, eine Mitteilung über ihren Freispruch in allen luxemburgischen, deutschen, griechischen, französischen, spanischen und belgischen Zeitungen zu veröffentlichen und die anderen Organe der Europäischen Union von ihm zu unterrichten. Hilfsweise verlangte die Rechtsmittelführerin für den Fall, dass der Rechnungshof diese Veröffentlichungen nicht veranlasse, die Zahlung von 100000 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens, wobei sie sich verpflichtete, diesen Betrag für die genannten Veröffentlichungen zu verwenden. Die Rechtsmittelführerin verlangte vom Rechnungshof außerdem, ihr erstens 40000 Euro zum Ersatz des durch das Verfahren vor den luxemburgischen Gerichten verursachten immateriellen Schadens und 57 771,40 Euro zum Ersatz des durch dieses Verfahren verursachten materiellen Schadens zu zahlen, zweitens alle insbesondere vor dem Untersuchungsrichter und dem Bezirksgericht Luxemburg entstandenen Kosten zu ersetzen und drittens die im Verfahren vor dem Rechnungshof entstandenen Kosten zu ersetzen. 13 Mit Schreiben vom 7. Juli 2009 übermittelte der Präsident des Rechnungshofs Frau Nikolaou die in Beantwortung dieser Forderungen am 2. Juli 2009 erlassene Entscheidung. Darin wurden zum einen die im Schreiben vom 14. April 2009 angeführten Argumente zurückgewiesen, und zum anderen wurde der Rechtsmittelführerin mitgeteilt, dass der Rechnungshof auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen geprüft habe, ob der Sachverhalt einen hinreichenden Schweregrad für die Anrufung des Gerichtshofs im Hinblick auf eine Entscheidung über das Vorliegen von Verstößen gegen die ihr nach dem EG-Vertrag obliegenden Verpflichtungen und das Erfordernis der Verhängung allfälliger Sanktionen aufweise. Dabei wurde auch auf die Umstände hingewiesen, die den Rechnungshof veranlasst hatten, den Gerichtshof nicht anzurufen; zu ihnen gehörten insbesondere der Freispruch von Frau Nikolaou im Urteil vom 2. Oktober 2008 und der fehlende Schaden für den Gemeinschaftshaushalt in Anbetracht der Rückzahlung des zu Unrecht an ihren Kabinettschef gezahlten Betrags. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil 14 Mit Klageschrift, die am 16. Juni 2009 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob Frau Nikolaou eine Schadensersatzklage, mit der sie beantragte, den Rechnungshof zur Zahlung eines Betrags von 85000 Euro zuzüglich Zinsen ab 14. April 2009 als Ersatz des durch die ihm anzulastenden „Handlungen“ und Unterlassungen entstandenen immateriellen Schadens zu verurteilen, wobei sie sich verpflichtete, diesen Betrag für die Veröffentlichung einer Mitteilung über ihren Freispruch zu verwenden. 15 Die Rechtsmittelführerin stützte diese Klage auf sechs Klagegründe, mit denen sie einen qualifizierten Verstoß des Rechnungshofs gegen Bestimmungen des Unionsrechts rügte, die dem Einzelnen Rechte verliehen. Ferner machte sie geltend, dass zwischen diesem Verstoß und dem ihr dadurch entstandenen immateriellen und materiellen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehe. 16 Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da es keinen der gerügten Verstöße des Rechnungshofs gegen das Unionsrecht als erwiesen ansah. 17 Soweit für das vorliegende Rechtsmittel von Interesse, hat das Gericht erstens in den Rn. 27 bis 31 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die „Handlungen“ des Rechnungshofs im Zusammenhang mit der Voruntersuchung nicht rechtswidrig gewesen seien, da dieses Organ weder gegen die Erfordernisse aus Art. 2 in Verbindung mit Art. 4 des Beschlusses 99/50 verstoßen noch die Verteidigungsrechte verletzt oder gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit verstoßen habe. 18 Insbesondere hat das Gericht in Rn. 29 dieses Urteils den Zweck der Voruntersuchung, auf die sich Art. 2 des Beschlusses 99/50 bezieht, darin gesehen, zum einen dem Generalsekretär die Beurteilung zu ermöglichen, ob die ihm zur Kenntnis gebrachten Umstände Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union vermuten ließen, und zum anderen dem OLAF im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 eine Akte zu übermitteln, die es ihm ermögliche, zu beurteilen, ob eine interne Untersuchung nach Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung einzuleiten sei. Es hat daher entschieden, dass die Voruntersuchung nicht die Aufgabe habe, zu Schlüssen in Bezug auf die fragliche Person zu kommen, da die sich aus Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses 99/50 ergebende Verpflichtung „Handlungen“ des Generalsekretärs im Rahmen von Art. 2 dieses Beschlusses nicht betreffe. 19 Desgleichen hat das Gericht in Rn. 30 dieses Urteils festgestellt, dass die in den Schreiben vom 8. und 26. April 2002 enthaltenen Mitteilungen den Erfordernissen von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses 99/50 entsprächen, so dass die Rechtsmittelführerin die Rüge einer Verletzung dieser Bestimmung nicht darauf stützen könne, dass der Rechnungshof sie nicht angehört habe, bevor er die Akte mit den Informationen, die der Generalsekretär über sie gesammelt habe, dem OLAF übermittelt habe. 20 Zweitens hat das Gericht in Rn. 32 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, wonach der Rechnungshof eine gefälschte Urkunde verwendet habe, für unbegründet erachtet. Insoweit hat es festgestellt, dass das betreffende Dokument, ein Antrag vom 20. November 2011 auf Übertragung des Jahresurlaubs des Kabinettschefs von Frau Nikolaou, nicht zu den Dokumenten in der dem OLAF übermittelten Voruntersuchungsakte gehört habe. Selbst wenn unterstellt würde, dass der Rechnungshof dieses Dokument tatsächlich dem OLAF oder den luxemburgischen Behörden übermittelt habe, würde diese etwaige Übermittlung jedenfalls nicht bedeuten, dass der Rechnungshof in Bezug auf die Echtheit der Unterschrift der Rechtsmittelführerin bösgläubig gehandelt habe. 21 Drittens hat das Gericht in den Rn. 43 bis 47 des angefochtenen Urteils entschieden, dass der Rechnungshof es nicht rechtsfehlerhaft unterlassen habe, eine förmliche Entscheidung zu erlassen, in der die Rechtsmittelführerin im Anschluss an das Urteil vom 2. Oktober 2008 von allen gegen sie erhobenen Vorwürfen entlastet werde. 22 Zunächst hat das Gericht in Rn. 45 des Urteils festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin aufgrund von Zweifeln freigesprochen worden sei, die durch einige Erklärungen ihres Kabinettschefs entstanden seien. Folglich impliziere der Grund für den Freispruch nicht, dass die Vorwürfe gegen die Rechtsmittelführerin jeder Grundlage entbehrten, sondern, wie das Bezirksgericht Luxemburg dargelegt habe, dass sie nicht ohne den „geringsten Zweifel“ nachgewiesen worden seien. 23 Sodann hat das Gericht in Rn. 46 des Urteils entschieden, dass es ausschließlich Sache der nationalen Justizbehörden sei, die Vorwürfe in strafrechtlicher Hinsicht zu prüfen, und Sache des Gerichtshofs, sie in disziplinarischer Hinsicht nach Art. 247 Abs. 7 EG zu würdigen. Der Rechnungshof sei daher nicht befugt gewesen, sich hierzu zu äußern. 24 Schließlich hat es das Gericht in Rn. 47 des angefochtenen Urteils für nicht zulässig erachtet, aus der fehlenden Anrufung des Gerichtshofs aufgrund der genannten Bestimmung abzuleiten, dass der Rechnungshof der Ansicht gewesen sei, die gegen die Rechtsmittelführerin vorgebrachten Tatsachen entbehrten jeder Grundlage. Nach Art. 6 der Geschäftsordnung des Rechnungshofs müsse nämlich die in Rede stehende Anrufung einstimmig beschlossen werden. Folglich bedeute die fehlende Anrufung des Gerichtshofs zwar, dass keine Einstimmigkeit erzielt worden sei, doch sei sie nicht als inhaltliche Stellungnahme des Rechnungshofs zu den Tatsachen zu werten. In diesem Zusammenhang hat das Gericht zu der Bemerkung im Schreiben vom 13. Mai 2004 ausgeführt, dass „es nicht unangemessen [war], dass der Präsident des Rechnungshofs die Klägerin darauf hinwies, dass die große Mehrheit der Mitglieder des Organs ihr Verhalten als inakzeptabel angesehen habe, damit die unterbliebene Anrufung des Gerichtshofs nicht etwa als eine das Vorliegen des ihr zur Last gelegten Sachverhalts negierende Stellungnahme verstanden werden kann, was im Übrigen auch nicht den wirklichen Gegebenheiten entspräche“. 25 Viertens hat das Gericht in Rn. 49 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass aus der Fürsorgepflicht keine Verpflichtung des Rechnungshofs zur Veröffentlichung des Freispruchs der Rechtsmittelführerin abgeleitet werden könne. Anträge der Parteien 26 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Frau Nikolaou, — das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen; — dem Rechnungshof die Kosten aufzuerlegen. 27 Der Rechnungshof beantragt, — das Rechtsmittel als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen; — Frau Nikolaou die Kosten des Rechtszugs aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel 28 Frau Nikolaou stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Zum ersten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 29 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, der in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten aufgestellte Grundsatz der Unschuldsvermutung gewährleiste eine Verfahrensgarantie, die sich nicht auf das Stadium vor der Verkündung eines Urteils beschränke, sondern auch danach gelte. Daher sei dieser Grundsatz in dem Sinne auszulegen, dass er der Entscheidung eines Unionsgerichts entgegenstehe, mit der die Unschuld einer angeklagten Person wieder in Zweifel gezogen werde, obschon sie zuvor durch eine unumstößliche strafgerichtliche Entscheidung entlastet worden sei (vgl. EGMR, Urteil vom 27. September 2007, Vassilios Stavropoulos/Griechenland, Recueil des arrêts et décisions 2007‑I, § 39). 30 Im Licht dieser Erwägungen macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe in Rn. 45 des angefochtenen Urteils gegen diesen Grundsatz verstoßen, indem es festgestellt habe, dass der vom Bezirksgericht Luxemburg herangezogene Grund für den auf das Bestehen von Zweifeln gestützten Freispruch „nicht bedeutet, dass die Vorwürfe gegen die [Rechtsmittelführerin] jeder Grundlage entbehren“. 31 Ein solcher Verstoß beeinträchtige notwendigerweise die Gültigkeit dieses Urteils, da er ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass die Versäumnisse des Rechnungshofs, eine förmliche Entscheidung zu erlassen, mit der die Rechtsmittelführerin im Anschluss an das Urteil vom 2. Oktober 2008 von jedem gegen sie erhobenen Vorwurf entlastet werde, und den Freispruch der Rechtsmittelführerin in der Presse zu veröffentlichen, in den Rn. 44 und 49 des Urteils für rechtmäßig befunden worden seien. 32 Der Rechnungshof macht geltend, dieser erste Rechtsmittelgrund beruhe auf der Annahme, dass er oder das Gericht die Begründetheit des Urteils vom 2. Oktober 2008 überprüft habe. Diese Prämisse sei aber falsch. 33 Beim Erlass der in Rn. 13 des vorliegenden Urteils angeführten Entscheidung vom 2. Juli 2009 habe der Rechnungshof dieses Urteil zur Kenntnis genommen und daraus die für ihn in Ausübung seiner eigenen Zuständigkeit, zu der nicht die Möglichkeit gehört habe, die Veröffentlichung des Freispruchs der Rechtsmittelführerin zu veranlassen, gebotenen Schlussfolgerungen gezogen. Auch das Gericht habe den Inhalt dieses Urteils hinsichtlich seiner strafrechtlichen Konsequenzen anerkannt und beachtet. Würdigung durch den Gerichtshof 34 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Frau Nikolaou geltend, das Gericht habe den Grundsatz der Unschuldsvermutung verkannt, indem es in Rn. 45 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass der im Urteil vom 2. Oktober 2008 herangezogene Grund für den Freispruch „nicht bedeutet, dass die Vorwürfe gegen die [Rechtsmittelführerin] jeder Grundlage entbehren“, sondern „bedeutet, dass sie ihr nicht ohne den ‚geringsten Zweifel‘ nachgewiesen wurden“. Dieser Fehler muss nach Ansicht der Rechtsmittelführerin zur Aufhebung des Urteils führen, da das Gericht, hätte es nicht gegen diesen Grundsatz verstoßen, in den Rn. 44 und 49 des Urteils anerkannt hätte, dass die Versäumnisse des Rechnungshofs, eine förmliche Entscheidung zu erlassen, mit der die Rechtsmittelführerin im Anschluss an das Urteil vom 2. Oktober 2008 von jedem gegen sie erhobenen Vorwurf entlastet werde, und den Freispruch der Rechtsmittelführerin in der Presse zu veröffentlichen, rechtswidrig gewesen seien. 35 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Art. 6 Abs. 2 und 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten entspricht, verankerte Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere dann verkannt worden sein kann, wenn eine gerichtliche Entscheidung durch ihre Begründung das Gefühl widerspiegelt, dass eine Person eines Vergehens schuldig sei, obschon Strafverfahren gegen sie mit ihrem Freispruch abgeschlossen wurden (vgl. EGMR, Urteile vom 10. Februar 1995, Allenet de Ribemont/Frankreich, Serie A Nr. 308, §§ 35 und 36, vom 10. Oktober 2000, Daktaras/Litauen, Recueil des arrêts et décisions 2000‑III, §§ 41 bis 44, und vom 4. Juni 2013, Teodor/Rumänien, Recueil des arrêts et décisions 2013‑III, §§ 36 und 37). 36 Im vorliegenden Fall ist, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, festzustellen, dass die Passagen der Erwägungen des Gerichts in Rn. 45 des angefochtenen Urteils in der Tat den Eindruck erwecken, dass Frau Nikolaou aufgrund genau des Sachverhalts, der bereits Gegenstand ihres rechtskräftigen Freispruchs durch das Urteil vom 2. Oktober 2008 war, eines Vergehens schuldig sein könnte. 37 Somit ist festzustellen, dass diese Erwägungen offenkundig gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen. 38 Gleichwohl ist festzustellen, dass der Verstoß gegen diesen Grundsatz nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen kann, da die Erwägungen in den Rn. 44 und 49 des Urteils zur Rechtmäßigkeit der gerügten Versäumnisse des Rechnungshofs jedenfalls in stichhaltiger Weise auf einen anderen Grund gestützt sind, der eigenständig in Rn. 46 des Urteils entwickelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, EU:C:2006:594, Rn. 186, sowie Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 233). 39 Dort hat das Gericht nämlich zu Recht entschieden, dass es zum einen „ausschließlich Sache der nationalen Justizbehörden [ist], die [gegen ein ehemaliges Mitglied des Rechnungshofs erhobenen] Vorwürfe in strafrechtlicher Hinsicht zu prüfen“, und dass es zum anderen Sache des Gerichtshofs ist, sie „in disziplinarischer Hinsicht nach Art. 247 Abs. 7 EG zu prüfen“, so dass der Rechnungshof selbst im Rahmen der institutionellen Struktur der Union nicht befugt war, in disziplinarischer oder strafrechtlicher Hinsicht eine förmliche, die Rechtsmittelführerin von allen gegen sie erhobenen Vorwürfen entlastende Entscheidung zu erlassen oder eine Veröffentlichung ihres Freispruchs in der Presse zu veranlassen. 40 Diese Feststellung steht im Übrigen auch im Einklang mit den Grundsätzen, die sich aus der ständigen Rechtsprechung zum eigenständigen Charakter von Disziplinarverfahren vor dem Gerichtshof im Sinne von Art. 247 Abs. 7 EG im Verhältnis zu nationalen Verfahren strafrechtlicher Natur ergeben (Urteil Kommission/Cresson, C‑432/04, EU:C:2006:455, Rn. 120 und 121). Wie auch der Generalanwalt in den Nrn. 71 bis 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht nämlich aus dieser Rechtsprechung hervor, dass der Rechnungshof als zur Anrufung des Gerichtshofs zuständige Stelle, ebenso wie dieser, nicht an die rechtliche Würdigung des Sachverhalts im Rahmen eines nationalen Strafverfahrens gebunden ist. Der Rechnungshof war somit nicht verpflichtet, im vorliegenden Fall im Anschluss an das Urteil vom 2. Oktober 2008 in der von der Rechtsmittelführerin geforderten Weise tätig zu werden oder sich zu verhalten. 41 Demnach ist der erste Rechtsmittelgrund als ins Leere gehend zurückzuweisen. Zum zweiten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 42 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft Frau Nikolaou dem Gericht vor, gegen den in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen zu haben, zu dessen Beachtung es gegenüber dem Bezirksgericht Luxemburg verpflichtet gewesen sei. 43 Hierzu trägt die Rechtsmittelführerin unter Bezugnahme auf den Beschluss Zwartveld u. a. (C‑2/88, EU:C:1990:315, Rn. 17) und das Urteil Irland/Kommission (C‑339/00, EU:C:2003:545, Rn. 71 und 72) vor, dass dieser Grundsatz nicht nur den Mitgliedstaaten, sondern auch den Unionsorganen und weiter gehend allen ihren Einrichtungen einschließlich ihrer Gerichte wechselseitige Pflichten zu loyaler Zusammenarbeit auferlege. 44 Im Anschluss an diese Klarstellung macht sie geltend, das Gericht habe das Urteil vom 2. Oktober 2008 jedoch weder beachtet noch ordnungsgemäß berücksichtigt. 45 Zunächst habe das Gericht in den Rn. 44 und 45 des angefochtenen Urteils die das Verhalten von Frau Nikolaou betreffenden Tatsachen völlig anders gewürdigt als das Bezirksgericht Luxemburg. 46 Sodann widerspreche die Würdigung in Rn. 35 des angefochtenen Urteils, wonach die Verwaltung jedes Urlaubssystems auf der Verpflichtung des Dienstvorgesetzten beruhe, die Anwesenheit des ihm unterstellten Personals zu überprüfen, offensichtlich den Erwägungen im Urteil vom 2. Oktober 2008, wonach keine Verpflichtung der Kabinettsmitglieder bestanden habe, ein Urlaubsregister zu führen. 47 Schließlich habe das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass „die Mängel des zur maßgeblichen Zeit geltenden Systems der Urlaubsaufzeichnung und ‑überwachung“ es nicht rechtfertigen könnten, jegliche gegen die Rechtsmittelführerin gerichtete Untersuchung oder Verfolgung einzustellen, obwohl gerade dieses mangelhafte Urlaubsüberwachungssystem zu ihrem Freispruch durch das Bezirksgericht Luxemburg geführt habe. 48 Der Rechnungshof antwortet darauf, der zweite Rechtsmittelgrund beruhe auf einer Verkennung der jeweiligen Rolle der betreffenden Organe sowie der Tragweite von Art. 4 Abs. 3 EUV. 49 Im Einklang mit der sich aus dem Urteil Kommission/Cresson (EU:C:2006:455) ergebenden Rechtsprechung habe das Gericht das Urteil vom 2. Oktober 2008 nämlich nicht in Frage gestellt, sondern es habe schlicht im Rahmen der Prüfung einer etwaigen außervertraglichen Haftung des Rechnungshofs eine eigenständige Würdigung bestimmter bereits im Strafverfahren auf nationaler Ebene untersuchter Tatsachen vorgenommen. Die unterschiedliche Würdigung bestimmter tatsächlicher Umstände resultiere daher aus der Eigenständigkeit jedes der beiden eingeleiteten gerichtlichen Verfahren. Würdigung durch den Gerichtshof 50 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen zu haben, zu dessen Beachtung es gegenüber dem Bezirksgericht Luxemburg verpflichtet gewesen sei, da es in den Rn. 44 und 45 sowie 35 und 38 des angefochtenen Urteils bestimmte tatsächliche Umstände in einer Weise gewürdigt habe, die von den Erwägungen im Urteil vom 2. Oktober 2008 abweiche. 51 Hierzu ist daran zu erinnern, dass der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon in Art. 10 EG enthalten war und nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV verankert ist, für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung impliziert, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, und dass er den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten gegenseitige Pflichten auferlegt, sich bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, zu achten und zu unterstützen (vgl. in diesem Sinne Urteile First und Franex, C‑275/00, EU:C:2002:711, Rn. 49, und Irland/Kommission, EU:C:2003:545, Rn. 71). 52 Im Rahmen dieser Aufgaben überträgt Art. 235 EG in Verbindung mit Art. 225 Abs. 1 EG dem Gerichtshof und dem Gericht ausdrücklich die Zuständigkeit für Streitsachen über den in Art. 288 Abs. 2 EG, der die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft zum Gegenstand hat, vorgesehenen Schadensersatz. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich dabei um eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaftsgerichte, die das Vorliegen einer Reihe kumulativer Voraussetzungen – und zwar die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Bestehen des Schadens und die Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden – zu prüfen haben, von deren Zusammentreffen die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft abhängt (vgl. Urteil Kommission/Systran und Systran Luxembourg, C‑103/11 P, EU:C:2013:245, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). 53 Außerdem hat der Gerichtshof insbesondere in Bezug auf das Vorliegen der ersten dieser Voraussetzungen bereits wiederholt klargestellt, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsregel nachzuweisen ist, die dem Einzelnen Rechte verleihen soll (vgl. Urteil Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 42); das betreffende Organ muss also die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich verkannt haben (vgl. in diesem Sinne Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 55, und Kommission/CEVA und Pfizer, C‑198/03 P, EU:C:2005:445, Rn. 64). 54 Diesen Grundsätzen ist zu entnehmen, dass die Klage auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft für Handlungen oder Unterlassungen ihrer Organe als ein gegenüber anderen Klagen selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen und von Voraussetzungen abhängig gemacht worden ist, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind (vgl. insbesondere Urteile Lütticke/Kommission, 4/69, EU:C:1971:40, Rn. 6, sowie Unifrex/Rat und Kommission, 281/82, EU:C:1984:165, Rn. 11). 55 Folglich ist, wie auch der Rechnungshof in seinen schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, das angerufene Gemeinschaftsgericht – obschon die in einem Strafverfahren getroffenen Feststellungen zu Tatsachen, die mit den im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 235 EG geprüften Tatsachen identisch sind, von ihm berücksichtigt werden können – nicht an die vom Strafrichter vorgenommene rechtliche Qualifizierung dieser Tatsachen gebunden, sondern es hat sie nach seinem freien Ermessen eigenständig zu untersuchen, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von deren Vorliegen die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft abhängt (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Cresson, EU:C:2006:455, Rn. 120 und 121). 56 Angesichts dieser Erwägungen ist somit festzustellen, dass das Vorbringen, mit dem die Rechtsmittelführerin dem Gericht vorwirft, in den Rn. 44 und 45 sowie 35 und 38 des angefochtenen Urteils gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen zu haben, jeder Grundlage entbehrt. 57 In diesen Randnummern seines Urteils hat das Gericht nämlich seine ihm als Organ gegenüber dem Bezirksgericht Luxemburg bestehende Achtungspflicht nicht verletzt, denn es hat sich zu bestimmten, bereits im Urteil vom 2. Oktober 2008 untersuchten Tatsachen nur geäußert, um die Rechtmäßigkeit der dem Rechnungshof im Rahmen des Rechtsstreits über die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft vorgeworfenen Versäumnisse zu prüfen, und nicht etwa mit dem Ziel, die Begründetheit der gegen Frau Nikolaou erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zu würdigen. 58 Folglich ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. Zum dritten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 59 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht Frau Nikolaou geltend, das angefochtene Urteil sei mit einem Zuständigkeitsmangel behaftet, da das Gericht über Fragen entschieden habe, die die ihm durch die Verträge verliehenen Zuständigkeiten überschritten. 60 Erstens sei das Gericht in Rn. 45 dieses Urteils wie ein „Berufungsgericht in Strafsachen“ vorgegangen, als es in strafrechtlicher Hinsicht inhaltlich geprüft habe, was der Freispruch „aufgrund von Zweifeln“ im Urteil vom 2. Oktober 2008„bedeutet“ oder „nicht bedeutet“. 61 Zweitens sei das Gericht als „Disziplinargericht“ tätig geworden und habe zudem die Befugnisse des Rechnungshofs verkannt, als es in Rn. 47 des angefochtenen Urteils in Bezug auf die Bemerkung im Schreiben vom 13. Mai 2004 ausgeführt habe, dass „es nicht unangemessen [war], dass der Präsident des Rechnungshofs die [Rechtsmittelführerin] darauf hinwies, dass die große Mehrheit der Mitglieder des Organs ihr Verhalten als inakzeptabel angesehen habe“. 62 Hierzu führt Frau Nikolaou aus, da nach Art. 247 Abs. 7 EG allein der Gerichtshof über den Vorwurf disziplinarischer Verfehlungen eines Mitglieds des Rechnungshofs zu entscheiden habe, sei das Gericht nicht berechtigt gewesen, sich zu dem der Rechtsmittelführerin in diesem Schreiben vorgeworfenen Verhalten zu äußern oder den Inhalt dieses Schreibens für rechtmäßig zu erklären. 63 Der Rechnungshof macht geltend, dieser Rechtsmittelgrund sei als unzulässig zurückzuweisen, soweit mit ihm das Vorbringen im ersten Rechtszug zum Schreiben vom 13. Mai 2004 lediglich wiederholt werde, und im Übrigen als unbegründet, da das Gericht das Urteil vom 2. Oktober 2008 nicht in Frage gestellt habe; die Beurteilung desselben Verhaltens könne nämlich zu unterschiedlichen Schlüssen führen, je nachdem, welches Gericht angerufen und welche Klage erhoben werde. Würdigung durch den Gerichtshof 64 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht Frau Nikolaou geltend, dass das Gericht gegen die den Verträgen zu entnehmenden Zuständigkeitsregeln verstoßen habe. Erstens habe es in Rn. 45 des angefochtenen Urteils die gegen sie erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe und den Grund für den Freispruch im Urteil vom 2. Oktober 2008 inhaltlich geprüft. Zweitens habe es in Rn. 47 dieses Urteils zu Unrecht die im Schreiben vom 13. Mai 2004 enthaltene Bemerkung disziplinarischer Art geprüft und die Rechtmäßigkeit des Inhalts dieses Schreibens bestätigt; dabei habe es die Grenzen nicht nur seiner Befugnisse, sondern auch der des Rechnungshofs verkannt. 65 Dieses Vorbringen beruht auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils. 66 Zum ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes genügt nämlich der Hinweis darauf, dass das Gericht in Rn. 45 seines Urteils die Tatsachen, die den gegen die Rechtsmittelführerin erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen zugrunde liegen, und den Grund für den Freispruch im Urteil vom 2. Oktober 2008 nicht mit dem Ziel untersucht hat, das Endergebnis dieses Urteils in Frage zu stellen oder das auf nationaler Ebene durchgeführte Strafverfahren wiederzueröffnen. 67 Vielmehr hat sich das Gericht, wie in den Rn. 56 und 57 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, in den Grenzen seiner ausschließlichen Zuständigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft darauf beschränkt, auf die bereits im Verlauf des Strafverfahrens berücksichtigten tatsächlichen Umstände allein deshalb Bezug zu nehmen, um auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu erwidern, dass der Rechnungshof es in rechtswidriger Weise unterlassen habe, im Anschluss an das Urteil vom 2. Oktober 2008 eine förmliche, sie von allen gegen sie erhobenen Vorwürfen entlastende Entscheidung zu erlassen. 68 Daher hat das Gericht in Rn. 45 des angefochtenen Urteils, entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, nicht wie ein „Berufungsgericht in Strafsachen“ gehandelt, sondern ist im Rahmen seiner Zuständigkeiten geblieben. 69 In Bezug auf den zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ist zum einen klarzustellen, dass die in Rn. 47 des angefochtenen Urteils angestellten Erwägungen auch eine Antwort auf die Rüge der Rechtsmittelführerin darstellen, wonach der Rechnungshof durch eine kränkende und überflüssige Bemerkung im Schreiben vom 13. Mai 2004 gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit und die Fürsorgepflicht verstoßen habe. 70 Durch die Prüfung einer solchen Bemerkung im Rahmen der Schadensersatzklage, mit der es befasst war, hat sich das Gericht daher nicht aus disziplinarischer Sicht zu dem der Rechtsmittelführerin vorgeworfenen Verhalten geäußert und hat die Grenzen seiner Zuständigkeit im Bereich der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft nicht überschritten. 71 Zum anderen ist zum Inhalt des Schreibens vom 13. Mai 2004 festzustellen, dass es sich, wie auch der Generalanwalt in Nr. 84 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, zu Recht auf die bloße Angabe des Ergebnisses der Abstimmung der zur Entscheidung über eine Anrufung des Gerichtshofs nach Art. 247 Abs. 7 EG zusammengetretenen Mitglieder des Rechnungshofs beschränkte und somit keine disziplinarische Beurteilung des Frau Nikolaou vorgeworfenen Verhaltens enthielt. 72 Da nämlich die Zulässigkeit einer Anrufung des Gerichtshofs nach den Grundsätzen, die sich aus der einschlägigen Rechtsprechung ergeben, eine zu vermutende „Pflichtverletzung von einem gewissen Schweregrad“ voraussetzte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Cresson, EU:C:2006:455, Rn. 72), stand es dem Rechnungshof frei, anzugeben, dass die hierfür nach Art. 6 seiner Geschäftsordnung erforderliche Einstimmigkeit nicht erzielt worden sei, obwohl eine große Mehrheit seiner Mitglieder das in Punkt (i) des Schreibens gerügte Verhalten beanstandet habe. 73 Im Übrigen wurde die Bemerkung in diesem Schreiben, wie alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bestätigt haben, nur an die Rechtsmittelführerin persönlich gerichtet und der Presse nicht mitgeteilt. 74 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Gericht, indem es den Inhalt des Schreibens vom 13. Mai 2004 für rechtmäßig befunden hat, dem Rechnungshof keine Zuständigkeiten im disziplinarischen Bereich zuerkannt hat, über die er nicht verfügte, und dass es auch den Umfang seiner eigenen Zuständigkeiten nicht verkannt hat, da es nicht als „Disziplinargericht“ tätig geworden ist. 75 Demnach ist der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. Zum vierten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 76 Mit dem ersten Teil ihres vierten Rechtsmittelgrundes macht Frau Nikolaou geltend, das Gericht habe die Regeln über die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft fehlerhaft ausgelegt und angewandt. In Rn. 32 des angefochtenen Urteils habe es nämlich eine zusätzliche, von der Rechtsprechung nicht geforderte Voraussetzung aufgestellt, und zwar das Erfordernis, dass das betreffende Organ „bösgläubig“ gehandelt haben müsse. 77 Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, einen Rechtsfehler bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 99/50 in Verbindung mit dessen Art. 4 Abs. 1 begangen zu haben. 78 Zum einen habe das Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass es nicht notwendig gewesen sei, die Rechtsmittelführerin darüber zu unterrichten, dass gegen sie eine Voruntersuchung eingeleitet worden sei, und dass die Schreiben vom 8. und 26. April 2002, mit denen ihr lediglich die Eröffnung einer internen Untersuchung des OLAF mitgeteilt worden sei, den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 dieses Beschlusses genügten. Zum anderen habe das Gericht in Rn. 29 des Urteils zu Unrecht anerkannt, dass das Versäumnis des Rechnungshofs, der Rechtsmittelführerin den Inhalt der während der Voruntersuchung angelegten Akte bekannt zu geben oder sie vor deren Übermittlung an das OLAF anzuhören, nicht als rechtswidrig im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses eingestuft werden könne. 79 Der Rechnungshof trägt vor, dieser Rechtsmittelgrund sei für unzulässig zu erklären, da mit ihm lediglich das Vorbringen im ersten Rechtszug wiederholt und somit eine erneute Prüfung des Sachverhalts begehrt werde. 80 Das Gericht habe jedenfalls in Rn. 32 des angefochtenen Urteils keine zusätzliche Voraussetzung für die Begründung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft aufgestellt. Es habe auch keinen Fehler bei der Auslegung von Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 99/50 begangen, da diese Bestimmung nicht vorschreibe, dass die Einleitung einer Voruntersuchung der Person mitzuteilen sei, der Unregelmäßigkeiten angelastet würden, sondern nur verlange, dass der Generalsekretär die im Rahmen einer solchen Untersuchung gesammelten Informationen unverzüglich dem OLAF übermittele. Würdigung durch den Gerichtshof 81 Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, einen Rechtsfehler bei der Auslegung der Voraussetzungen für die Begründung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft begangen zu haben, indem es in Rn. 32 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass die etwaige Übermittlung eines vom Kabinettschef von Frau Nikolaou stammenden Dokuments vom 20. November 2001, dessen Unterschrift wahrscheinlich falsch sei, an das OLAF oder die luxemburgischen Behörden nicht bedeute, dass der Rechnungshof in Bezug auf die Frage der Echtheit der Unterschrift der Rechtsmittelführerin bösgläubig gewesen sei. 82 Insoweit genügt der Hinweis, dass das Gericht diese Schlussfolgerung lediglich hilfsweise gezogen hat, nachdem es in erster Linie festgestellt hatte, dass das fragliche Dokument nicht in der dem OLAF vom Rechnungshof übermittelten Voruntersuchungsakte enthalten gewesen und auch den luxemburgischen Behörden nicht übermittelt worden sei. 83 Da diese Würdigung tatsächlicher Art im Rechtsmittel nicht beanstandet worden ist, geht der erste Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ins Leere und ist zurückzuweisen. 84 Mit dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht Frau Nikolaou geltend, das Gericht habe Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses 99/50 fehlerhaft ausgelegt, indem es in Rn. 30 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass die Schreiben vom 8. und 26. April 2002, mit denen der Rechtsmittelführerin die Eröffnung der internen Untersuchung des OLAF, nicht aber der Voruntersuchung mitgeteilt worden sei, den Anforderungen von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 dieses Beschlusses genügten, und in Rn. 29 dieses Urteils, dass Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses den Rechnungshof nicht verpflichtet habe, der Rechtsmittelführerin den Inhalt der während der Voruntersuchung angelegten Akte bekannt zu geben oder sie vor deren Übermittlung an das OLAF anzuhören. 85 Insoweit ist daran zu erinnern, dass Art. 2 Abs. 2 des Beschlusses 99/50 bestimmt, dass der Generalsekretär zum einen „dem [OLAF] … jeden … tatsächlichen Anhaltspunkt übermittelt, der Unregelmäßigkeiten … vermuten lässt“, zu denen Betrug, Korruption oder sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Gemeinschaften gehören, und dass er zum anderen „unbeschadet der internen Untersuchungen des [OLAF] eine Voruntersuchung durch[führt]“. 86 Da sich aus diesem Artikel keine expliziten Angaben zur Beantwortung des ersten zur Stützung des zweiten Teils des vierten Rechtsmittelgrundes geltend gemachten Arguments ergeben, ist zunächst zu klären, ob sich die Unterrichtungspflicht, von der in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses 99/50 die Rede ist, auch auf die Voruntersuchung erstreckt, und sodann, falls dies zu bejahen ist, welcher Natur diese Verpflichtung ist, sowie schließlich, ob im vorliegenden Fall eine solche Unterrichtung der Rechtsmittelführerin stattfand. 87 Hinsichtlich der Prüfung dieser Punkte ist festzustellen, dass Art. 4 Abs. 1 Satz 1, ohne nähere Angaben zur Art der beabsichtigten Untersuchung, lediglich vorsieht, dass ein Mitglied, ein Beamter oder ein Bediensteter des Rechnungshofs, dessen persönliche Implikation möglich erscheint, hierüber „rasch“ zu unterrichten ist, sofern dies nicht die Untersuchung beeinträchtigen kann. 88 Selbst wenn diese Bestimmung auch die Voruntersuchung betreffen sollte, sieht sie folglich zum einen keine Pflicht zur sofortigen Unterrichtung gleich zu Beginn der Untersuchung vor und relativiert zum anderen diese Pflicht durch das Erfordernis, die Effizienz der Untersuchung zu schützen. 89 Im vorliegenden Fall wurde die Rechtsmittelführerin entgegen ihrem Vorbringen durch das Schreiben vom 26. April 2002 nicht nur darüber unterrichtet, dass eine interne Untersuchung eingeleitet worden war, sondern auch darüber, dass der Rechnungshof eine Voruntersuchung durchgeführt hatte und dass dem OLAF vom Generalsekretär eine sie betreffende Akte übermittelt worden war. 90 Da die Rechtsmittelführerin nicht geltend macht, dass ihr dieses Schreiben verspätet übersandt worden sei, ist davon auszugehen, dass die darin enthaltene Mitteilung, wie auch der Generalanwalt in Nr. 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, den Grundsatz einer raschen Unterrichtung der Betroffenen mit dem Erfordernis, die Effizienz sowohl der Voruntersuchung als auch der internen Untersuchung sicherzustellen, in Einklang brachte. 91 Folglich hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 30 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die in den Schreiben vom 8. und 26. April 2002 enthaltenen Mitteilungen den Erfordernissen von Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Beschlusses 99/50 entsprächen. 92 Nachdem diese Fragen geklärt worden sind, ist zur Beurteilung der Begründetheit des zweiten Arguments, das zur Stützung des zweiten Teils des vorliegenden Rechtsmittelgrundes geltend gemacht wird, noch zu ermitteln, ob bei der Voruntersuchung jedenfalls die Unterrichtungspflicht nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses 99/50 gewahrt werden muss, der vorsieht, dass „Schlussfolgerungen, die ein namentlich genanntes Mitglied … betreffen, am Ende der Untersuchung nicht gezogen werden [dürfen], ohne dass dem Betroffenen Gelegenheit gegeben wurde, sich zu allen ihn betreffenden Tatsachen zu äußern“, d. h., ob die Rechtsmittelführerin vor dem Abschluss dieser Untersuchung und der Übermittlung der angelegten Akte an das OLAF anzuhören war. 93 Zu diesem Zweck sind, da dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 keine klaren Angaben zu entnehmen sind, die speziellen Merkmale der Voruntersuchung zu prüfen. 94 Wie der Rechnungshof in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erläutert hat, stellt eine solche Untersuchung eine Vorphase der Sammlung und Bewertung von Informationen zu behaupteten Unregelmäßigkeiten dar, über die der Generalsekretär unterrichtet wurde. Sie dient dazu, die Glaubhaftigkeit der Anhaltspunkte zur Stützung der Behauptungen zu überprüfen, bevor diese in einer Akte zusammengestellt und entweder an die Anstellungsbehörde zur Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung oder an das OLAF zur Durchführung einer internen Untersuchung weitergeleitet werden. 95 Somit dient die Voruntersuchung, wie auch der Generalanwalt in Nr. 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht dazu, Schlussfolgerungen in Bezug auf die beschuldigte Person zu ziehen. 96 Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 29 des angefochtenen Urteils den Gegenstand der Voruntersuchung geprüft hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Beschlusses 99/50 nicht die vom Generalsekretär in ihrem Rahmen vorgenommenen Handlungen betreffe. 97 Folglich ist der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes insgesamt als unbegründet zurückzuweisen. 98 Nach alledem geht der vierte Rechtsmittelgrund zum Teil ins Leere und ist zum Teil unbegründet. Somit ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Kosten 99 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Frau Nikolaou mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag des Rechnungshofs die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2. Frau Kalliopi Nikolaou trägt die Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Griechisch.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 10. Juli 2014.#Impresa Pizzarotti & C. Spa gegen Comune di Bari u. a.#Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.#Vorabentscheidungsersuchen – Öffentliche Bauaufträge – Richtlinie 93/37/EWG – ‚Verpflichtungserklärung zur Vermietung‘ von noch nicht errichteten Gebäuden – Rechtskräftige nationalgerichtliche Entscheidung – Tragweite der Rechtskraftwirkung im Fall einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren Situation.#Rechtssache C‑213/13.
62013CJ0213
ECLI:EU:C:2014:2067
2014-07-10T00:00:00
Wahl, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0213 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) 10. Juli 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Öffentliche Bauaufträge — Richtlinie 93/37/EWG — ‚Verpflichtungserklärung zur Vermietung‘ von noch nicht errichteten Gebäuden — Rechtskräftige nationalgerichtliche Entscheidung — Tragweite der Rechtskraftwirkung im Fall einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren Situation“ In der Rechtssache C‑213/13 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 11. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 23. April 2013, in dem Verfahren Impresa Pizzarotti & C. SpA gegen Comune di Bari, Giunta comunale di Bari, Consiglio comunale di Bari, Beteiligte: Complesso Residenziale Bari 2 Srl, Commissione di manutenzione della Corte d’appello di Bari, Giuseppe Albenzio als „Commissario ad acta“, Ministero della Giustizia, Regione Puglia erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis und J.‑C. Bonichot, Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2014, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Impresa Pizzarotti & C. SpA, vertreten durch R. Mastroianni, D. Vaiano und F. Lorusso, avvocati, — der Comune di Bari, vertreten durch A. Loiodice, I. Loiodice und R. Lanza, avvocati, — der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato, — der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro‑Nolin, A. Tokár und A. Aresu als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Mai 2014 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sowie die Tragweite der Rechtskraftwirkung im Fall einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren Situation. 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Impresa Pizzarotti & C. SpA (im Folgenden: Pizzarotti) auf der einen Seite und der Comune di Bari (Gemeinde Bari), der Giunta comunale di Bari (Gemeindeverwaltung Bari) und dem Consiglio comunale di Bari (Gemeinderat Bari) auf der anderen Seite infolge der Veröffentlichung der Bekanntmachung einer Marktuntersuchung, um die italienische Justizverwaltung mit einem einheitlichen Sitz für alle in Bari (Italien) angesiedelten Gerichte auszustatten. Rechtlicher Rahmen Richtlinie 92/50/EWG 3 Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) bestimmte: „Im Sinne dieser Richtlinie a) gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge, ausgenommen … iii) ungeachtet deren Finanzmodalitäten Verträge über Erwerb oder Miete von oder Rechte an Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen …; …“ Richtlinie 93/37/EWG 4 Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 199, S. 54) definierte „öffentliche Bauaufträge“ im Sinne dieser Richtlinie als „die zwischen einem Unternehmer und einem unter Buchstabe b) näher bezeichneten öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Ausführung und die Planung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks im Sinne des Buchstabens c) oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen“. 5 Unter den in Anhang II dieser Richtlinie genannten Tätigkeiten befinden sich in Klasse 50 („Baugewerbe“) die Untergruppe „Allgemeines Baugewerbe (ohne ausgeprägten Schwerpunkt)“ (Untergruppe 500.1) sowie das „Rohbaugewerbe“ (Gruppe 501). Richtlinie 2004/18 6 Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 bestimmt: „a) ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie. b) ‚Öffentliche Bauaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über entweder die Ausführung oder gleichzeitig die Planung und die Ausführung von Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer der in Anhang I genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerks oder die Erbringung einer Bauleistung durch Dritte, gleichgültig mit welchen Mitteln, gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen. …“ 7 In Art. 16 („Besondere Ausnahmen“) dieser Richtlinie heißt es: „Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Folgendes zum Gegenstand haben: a) Erwerb oder Miete von Grundstücken oder vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermögen oder Rechte daran ungeachtet der Finanzmodalitäten dieser Aufträge; … …“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 8 Am 14. August 2003 veröffentlichte die Comune di Bari die Bekanntmachung einer „Marktuntersuchung“ für die schnellstmögliche Errichtung eines neuen einheitlichen, geeigneten und angemessenen Sitzes für sämtliche Gerichte von Bari. Diese Bekanntmachung wurde u. a. im Amtsblatt der Europäischen Union vom 23. August 2003 veröffentlicht (ABl. S 161). 9 Nach dieser Bekanntmachung hatten sich alle Bewerber zu verpflichten, mit den Bauarbeiten des geplanten Gebäudes vor dem 31. Dezember 2003 zu beginnen. Verlangt waren klare und vollständige Angaben über die zulasten der Gemeindeverwaltung und des italienischen Justizministeriums gehenden Kosten sowie über die Zahlungsmodalitäten unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die verfügbaren öffentlichen Mittel auf 43,5 Mio. Euro beliefen, die bereits für das Projekt bestimmt waren, zuzüglich 3 Mio. Euro, die der Höhe der jährlich von der Comune di Bari getragenen Miete für die Anmietung der Gebäude entsprechen, in denen die betreffenden Gerichte untergebracht sind. Die Bekanntmachung enthielt einen von der Corte d’apello di Bari verfassten Anhang, mit dem ein „offizieller und vollständiger Rahmen der strukturellen, funktionalen und organisatorischen Anforderungen“ (im Folgenden: Anforderungsrahmen) für die Errichtung des geplanten Gerichtskomplexes zur Verfügung gestellt werden sollte. 10 Vier Angebote wurden eingereicht. Mit Entscheidung Nr. 1045/2003 vom 18. Dezember 2003 wählte die Comune di Bari dasjenige von Pizzarotti aus. Dieses Angebot sah vor, dass ein Teil des errichteten Gebäudes an die Comune di Bari für 43 Mio. Euro verkauft würde und dass der übrige Teil an diese für eine jährliche Miete von 3 Mio. Euro vermietet würde. 11 Mit Schreiben vom 4. Februar 2004 informierte das Ministero della Giustizia (Justizministerium) die Comune di Bari darüber, dass die verfügbaren öffentlichen Mittel für das betreffende Projekt auf 18,5 Mio. Euro gekürzt worden seien, und forderte sie auf, zu prüfen, ob es in Anbetracht der erhaltenen Angebote möglich sei, das Projekt in den von diesem neuen wirtschaftlichen Rahmen abgesteckten Grenzen erfolgreich durchzuführen. Mit Schreiben vom 11. Februar 2004 forderte die Comune di Bari Pizzarotti auf, ihr mitzuteilen, ob sie bereit sei, das begonnene Verfahren fortzuführen. Pizzarotti bejahte dies und formulierte ihr Angebot um, um der Kürzung der verfügbaren öffentlichen Mittel Rechnung zu tragen. 12 Die vorgesehene öffentliche Finanzierung wurde im September 2004 vollständig gestrichen. 13 Infolge dieser Streichung reichte Pizzarotti bei der Comune di Bari ein zweites Angebot ein und verwies auf die Möglichkeit der Realisierung des für die Vermietung bestimmten, im ursprünglichen Angebot ins Auge gefassten Gebäudes. 14 Aufgrund der Untätigkeit der Verwaltung erhob Pizzarotti beim Tribunale amministrativo regionale per la Puglia (Regionales Verwaltungsgericht für Apulien) Klage auf Verpflichtung der Comune di Bari zum Handeln. 15 Der nach Abweisung dieser Klage von Pizzarotti eingelegten Berufung gab der Consiglio di Stato mit Urteil Nr. 4267/2007 statt. Er war der Auffassung, dass das Verfahren unter Berücksichtigung des nach der Änderung des wirtschaftlichen Rahmens ergangenen Schreibens des Justizministeriums vom 4. Februar 2004 nicht durch die Billigung des Ergebnisses der Marktuntersuchung beendet worden sei, und entschied daher, dass die Comune di Bari „unter Beachtung der Grundsätze der Angemessenheit, von Treu und Glauben und des Vertrauensschutzes das Verfahren in nachvollziehbarer Weise angemessen zu Ende bringen muss, indem sie ihre eigenen Handlungen konsequent weiterführt und im Rahmen der eingegangenen Angebote prüft, ob das Gebäude innerhalb des geänderten wirtschaftlichen Rahmens errichtet werden kann“. 16 Die von der Comune di Bari gegen dieses Urteil erhobene Kassationsbeschwerde wurde mit einem Beschluss der Corte suprema di cassazione vom 23. Dezember 2008 zurückgewiesen. 17 Der in der Zwischenzeit wegen der Durchführung seines Urteils Nr. 4267/2007 angerufene Consiglio di Stato stellte mit Urteil Nr. 3817/2008 die Untätigkeit der Comune di Bari fest und gab dieser auf, den Tenor des Urteils Nr. 4267/2007 innerhalb einer Frist von 30 Tagen vollständig durchzuführen. Er ernannte den Präfekten von Bari zum „Commissario ad acta“ (Kommissar für Einzelmaßnahmen), der im Fall einer andauernden Untätigkeit – gegebenenfalls mittels einer beauftragten Person – alle zur Durchführung dieses Urteils erforderlichen Handlungen vornehmen sollte. 18 Am 21. November 2008 befand der vom Präfekten von Bari beauftragte „Commissario ad acta“ die Angebote von Pizzarotti für gültig und stellte folglich fest, dass das mit der Bekanntmachung der betreffenden Marktuntersuchung eingeleitete Verfahren positiv geendet habe. 19 Die giunta comunale di Bari beendete ihrerseits dieses Verfahren und berief sich dabei auf die fehlende Übereinstimmung des zweiten Angebots von Pizzarotti mit den in der Bekanntmachung enthaltenen Vorgaben. 20 Pizzarotti und die Comune di Bari erhoben jeweils Klage beim Consiglio di Stato. Pizzarotti machte geltend, dass die Comune di Bari, da sie sich nicht vertraglich zur Realisierung des geplanten neuen Justizkomplexes verpflichtet habe, das Urteil Nr. 3817/2008 des Consiglio di Stato nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Die Comune di Bari beanstandete, dass der Verschlechterung der Bedingungen einer Realisierung des Projekts, die für den weiteren Verlauf des Verfahrens entscheidend gewesen sei, nicht Rechnung getragen worden sei. 21 Mit der Durchführungsentscheidung Nr. 2153/2010 vom 15. April 2010 gab der Consiglio di Stato der Klage von Pizzarotti statt und wies die Klage der Comune di Bari ab. Das Tätigwerden des „Commissario ad acta“ hielt er wegen des fehlenden „nachvollziehbar angemessenen Abschlusses“ im Sinne seines Urteils Nr. 4267/2007 für unvollständig. Er entschied, dass die zur konkreten Realisierung des zweiten Vorschlags von Pizzarotti erforderlichen Handlungen vorzunehmen seien, und setzte eine Frist von 180 Tagen, um das Verfahren abzuschließen. 22 Mit Bescheid vom 27. Mai 2010 kam der „Commissario ad acta“ zu dem Ergebnis, dass „die Bekanntmachung für eine Marktuntersuchung vom August 2003 kein positives Ende gefunden [habe]“. Er begründete dies bezüglich des ersten Angebots von Pizzarotti, wie es im Laufe des Jahres 2004 umformuliert worden war, damit, dass der Verlust eines Teils der öffentlichen Finanzierung die Erreichung des von der Comune di Bari verfolgten Zwecks unmöglich gemacht habe. Bezüglich des zweiten Angebots von Pizzarotti zur Vermietung von Gebäuden, die privat errichtet werden sollten, hob er hervor, dass dies im Hinblick auf den Zweck völlig ungeeignet sei. 23 Pizzarotti erhob dagegen Klage beim Consiglio di Stato, der mit der Durchführungsentscheidung Nr. 8420/2010 vom 3. Dezember 2010 stattgegeben werde. Unter Hervorhebung der Inkohärenz der Ergebnisse zu der Bekanntmachung im Bescheid vom 21. November 2008 und in dem vom 27. Mai 2010 war der Consiglio di Stato der Auffassung, dass das einzige Ergebnis, das sich aufgedrängt habe, das im ersten dieser beiden Bescheide sei. Er bekräftigte die Notwendigkeit für den „Commissario ad acta“, die für die Annahme des zweiten Angebots von Pizzarotti notwendigen Verfahren einzuleiten, und erklärte den zweiten Bescheid mit der Begründung für nichtig, dass er die Rechtskraft breche. 24 Später ergriff der neue vom Präfekten von Bari ernannte „Commissario ad acta“ alle Maßnahmen, die erforderlich waren, damit eine „städtebauliche Variante“ zum Flächennutzungsplan der Comune di Bari für die von der Errichtung des geplanten Justizkomplexes betroffenen Grundstücke am 23. April 2012 angenommen werden konnte. 25 Pizzarotti focht diese Entscheidung beim Consiglio di Stato mit der Begründung an, dass sie die Rechtskraft breche. 26 In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht erstens, ob ein Vertrag über die Vermietung einer zukünftigen Immobilie in Form einer Verpflichtungserklärung zu deren Vermietung trotz des Vorliegens charakteristischer Merkmale eines Mietvertrags einem Bauauftrag gleichkomme, auf den die spezifische Ausschlussklausel in Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 keine Anwendung finde. 27 Falls dieser Vertrag einen Bauauftrag darstellen sollte, fragt sich das Gericht zweitens, ob es die Rechtskraft seines Urteils Nr. 4267/2007 als unwirksam betrachten könne, da sie aufgrund späterer Durchführungsentscheidungen und von Bescheiden des „Commissario ad acta“ zu einer Situation geführt habe, die mit dem Vergaberecht der Union unvereinbar sei. Nach seiner eigenen Rechtsprechung könne der Consiglio di Stato unter bestimmten Voraussetzungen den ursprünglichen Tenor einer seiner Entscheidungen mit einer Entscheidung, die diese durchführt, ergänzen, wobei es zu einer „stufenweise eintretenden Rechtskraft“ komme. 28 Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Entspricht der abzuschließende Vertrag über die Vermietung einer zukünftigen Sache, auch in der zuletzt vorgeschlagenen Form einer Verpflichtungserklärung zur Vermietung, einem Bauauftrag, wenn auch mit einigen Merkmalen eines Mietvertrags, so dass er nicht als ein Vertrag angesehen werden kann, der gemäß Art. 16 der Richtlinie 2004/18 von der Anwendung der Regelung über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen ist? 2. Kann das nationale Gericht, insbesondere das vorlegende Gericht, im Fall der Bejahung der ersten Frage die gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsene Entscheidung über den vorliegenden, in der Sachverhaltsdarstellung beschriebenen Fall als unwirksam betrachten, da durch sie eine mit dem Unionsrecht über die Vergabe öffentlicher Aufträge unvereinbare Rechtslage fortbesteht? Ist es also möglich, eine mit dem Unionsrecht unvereinbare rechtskräftige Entscheidung zu vollstrecken? Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen 29 Pizzarotti führt zwei Gründe an, die sie ernsthaft an der Zulässigkeit der Vorlagefragen zweifeln lassen. 30 Erstens halte das Vorabentscheidungsersuchen die Unionsregelung fälschlicherweise im Ausgangsverfahren für anwendbar. Das Ersuchen sei darauf gerichtet, eine Auslegung der Richtlinie 2004/18 zu erhalten, obwohl diese nach dem Zeitpunkt erlassen worden sei, zu dem die Comune di Bari entschieden habe, die Bekanntmachung der betreffenden Marktuntersuchung zu veröffentlichen, nämlich am 14. August 2003. Die Richtlinie sei daher nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar. 31 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich diejenige Richtlinie anwendbar ist, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem der öffentliche Auftraggeber die Art des Verfahrens auswählt und endgültig entscheidet, ob die Verpflichtung zu einem vorherigen Aufruf zum Wettbewerb für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags besteht (Urteil Kommission/Niederlande, C‑576/10, EU:C:2013:510, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Unanwendbar sind hingegen die Bestimmungen einer Richtlinie, deren Umsetzungsfrist nach diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, C‑337/98, EU:C:2000:543, Rn. 41 und 42). 32 In der vorliegenden Rechtssache galten die Richtlinien 92/50 und 93/37 am 14. August 2003, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Bekanntmachung einer „Marktuntersuchung“ durch die Comune di Bari für die Errichtung eines Gerichtskomplexes in Bari. Diese Richtlinien galten, als nach der Änderung des wirtschaftlichen Rahmens durch die vollständige Streichung der öffentlichen Finanzierung die Comune di Bari im September 2004 nach eigenen Angaben der Ansicht war, ein neues Auswahlverfahren einleiten zu müssen, anstatt direkt, ohne einen vorherigen Aufruf zum Wettbewerb, mit Pizzarotti über den Abschluss eines Vertrags über „die Vermietung einer zukünftigen Sache“ zu verhandeln. 33 Hingegen war die Richtlinie 2004/18 zu diesen verschiedenen Zeitpunkten nicht anwendbar, da nämlich ihre Umsetzungsfrist gemäß ihrem Art. 80 Abs. 1 erst am 31. Januar 2006 abgelaufen ist. 34 Allerdings wird der Begriff „öffentliche Bauaufträge“, auf den die erste Frage abzielt, nahezu wortgleich in Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37 und in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2004/18 definiert. Außerdem verwenden Art. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 92/50 und Art. 16 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 wortgleiche Wendungen, um die Reichweite des ebenfalls in dieser ersten Frage angesprochenen Ausschlusses zu definieren. 35 Unter diesen Umständen kann die fehlerhafte Ermittlung der auf die vorliegende Rechtssache anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts durch das vorlegende Recht die Zulässigkeit der Vorlagefragen nicht berühren (vgl. in diesem Sinne Urteil Zurita García und Choque Cabrera, C‑261/08 und C‑348/08, EU:C:2009:648, Rn. 39). 36 Zweitens macht Pizzarotti geltend, das Ausgangsverfahren sei durch das Vorhandensein rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen insbesondere des Consiglio di Stato gekennzeichnet, was das Vorabentscheidungsersuchen, insbesondere die erste Frage, offensichtlich unzulässig mache. Eine Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage könnte nämlich unter Berücksichtigung zum einen der unionsrechtlich anerkannten Bedeutung der Rechtskraftwirkung – und sei es auf Kosten der Beseitigung eines Verstoßes gegen das Unionsrecht – und zum anderen des Fehlens einer Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, eine endgültige Entscheidung, die sich als unionsrechtswidrig erweise, rückgängig zu machen, auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits keine Auswirkung haben. 37 Diese Argumentation betrifft jedoch die Begründetheit des Ausgangsverfahrens, genauer gesagt, den Gegenstand der zweiten Vorlagefrage. 38 Demzufolge sind die Vorlagefragen zulässig. Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 39 Mit seiner ersten Frage, die entsprechend den in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts umzuformulieren ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37 dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag, der eine Verpflichtung enthält, noch nicht errichtete Gebäude zu vermieten, trotz des Vorliegens charakteristischer Merkmale eines Mietvertrags einen öffentlichen Bauauftrag darstellt und daher nicht unter den in Art. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 92/50 genannten Ausschluss fällt. 40 Hierzu ist vorab zum einen darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob ein Vorhaben einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne der Unionsvorschriften darstellt oder nicht, in den Bereich des Unionsrechts fällt. Die von Pizzarotti und der italienischen Regierung vorgetragene Qualifizierung des beabsichtigten Vertrags als „Mietvertrag“ ist insoweit nicht entscheidend (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, C‑536/07, EU:C:2009:664, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 41 Zum anderen ist bei einem Vertrag, der zugleich Elemente eines öffentlichen Bauauftrags und Elemente eines Auftrags anderer Art aufweist, zur Bestimmung seiner rechtlichen Qualifizierung und der anwendbaren Unionsvorschriften auf seinen Hauptgegenstand abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Auroux u. a., C‑220/05, EU:C:2007:31, Rn. 37, Kommission/Italien, C‑412/04, EU:C:2008:102, Rn. 47, und Kommission/Deutschland, EU:C:2009:664, Rn. 57). 42 Im Ausgangsverfahren geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem der Comune di Bari von Pizzarotti der Abschluss des in Rede stehenden Vertrags angeboten wurde, die Errichtung des Gebäudes, auf das sich der Vertrag bezog, noch nicht begonnen war. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Hauptgegenstand des Vertrags in dieser Errichtung liegt, die zwangsläufig Voraussetzung für die spätere Vermietung des Gebäudes ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, EU:C:2009:664, Rn. 56). 43 Wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, muss allerdings, damit ein „öffentlicher Bauauftrag“ im Sinne der Richtlinie 93/37 angenommen werden kann, die Errichtung des geplanten Gebäudes den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen genügen (Urteil Kommission/Deutschland, EU:C:2009:664, Rn. 55). 44 Dies ist der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber Maßnahmen ergriffen hat, um die Merkmale der Bauleistung festzulegen oder zumindest entscheidenden Einfluss auf die Planung der Bauleistung zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Helmut Müller, C‑451/08, EU:C:2010:168, Rn. 67). 45 Im Ausgangsverfahren nimmt der Entwurf einer „Verpflichtungserklärung zur Vermietung“, der vom vorlegenden Gericht als die letzte der Comune di Bari von Pizzarotti vorgeschlagene Vertragsform genannt wird, in Punkt 10 Bezug auf den von der Corte d’appello di Bari für die Veröffentlichung der betreffenden Bekanntmachung der Marktuntersuchung verfassten Anforderungsrahmen. Art. 7 des Entwurfs behält der Verwaltung das Recht vor, vor Abnahme des Gebäudes dessen Übereinstimmung mit diesem Anforderungsrahmen zu überprüfen. 46 Der Anforderungsrahmen präzisiert die verschiedenen technischen und technologischen Merkmale des geplanten Gebäudes sowie – unter Berücksichtigung einer Gesamtheit statistischer Daten zur Gerichtstätigkeit im Bezirk von Bari (Anzahl der Zivil- und Strafverfahren, wöchentliche Zahl der Sitzungen pro Gericht, Zahl der Richter und Staatsanwälte, Zahl der Mitglieder des Verwaltungspersonals, der Kriminalpolizei oder der Sicherheitsdienste, Zahl der bei der Anwaltskammer von Bari eingeschriebenen Rechtsanwälte usw.) – die spezifischen Bedürfnisse jedes einzelnen Gerichts im Gerichtsbezirk (Zahl der notwendigen Büros und Sitzungssäle, Konferenz-, Besprechungs- und Archivräume, Fläche der Räume, Arten der internen Kommunikation) sowie bestimmte gemeinsame Bedürfnisse wie die Kapazität der Parkplätze. 47 Entgegen dem Vorbringen von Pizzarotti und der italienischen Regierung versetzt ein solcher Anforderungsrahmen die Comune di Bari in die Lage, auf die Planung des zu errichtenden Gebäudes entscheidend Einfluss zu nehmen. 48 Daraus folgt, dass der im Ausgangsverfahren beabsichtigte Vertrag die Errichtung eines Gebäudes, das den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen genügt, zum Hauptgegenstand hat. 49 Zwar enthält, worauf das vorlegende Gericht hinweist, der Entwurf einer „Verpflichtungserklärung zur Vermietung“ auch charakteristische Merkmale eines Mietvertrags. Vor dem Gerichtshof ist besonders hervorgehoben worden, dass die finanzielle Gegenleistung der Verwaltung nach Art. 5 des Entwurfs einer „Jahresmiete“ von 3,5 Mio. Euro entspricht, die während der 18-jährigen Laufzeit des Vertrags zu zahlen ist. Nach Angaben von Pizzarotti und der italienischen Regierung wäre diese Gesamtgegenleistung in Höhe von 63 Mio. Euro deutlich niedriger als die geschätzten Gesamtkosten des Gebäudes, die sich annähernd auf 330 Mio. Euro belaufen sollen. 50 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ausschlaggebend für die Einstufung des betreffenden Vertrags dessen Hauptgegenstand und nicht die Höhe der Vergütung des Unternehmers oder die Art und Weise ihrer Zahlung ist (Urteil Kommission/Deutschland, EU:C:2009:664, Rn. 61). 51 Im Übrigen würden nach den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung weder Art. 4 des Entwurfs einer „Verpflichtungserklärung zur Vermietung“, wonach der Vertrag nach Ablauf eines 18-jährigen Zeitraums automatisch endet, noch die von der italienischen Regierung hervorgehobene Bestimmung der italienischen Rechtsvorschriften über die allgemeine Rechnungsführung des Staates, die verlangt, dass die von den Behörden geschlossenen Verträge einen feststehenden Endzeitpunkt und eine ganz bestimmte Dauer haben, und die verbietet, dass diese Verträge eine dauerhafte Belastung für den Staat darstellen, es ausschließen, dass nach Ablauf des ersten beabsichtigten Vertrags ein oder mehrere weitere Verträge geschlossen werden, die Pizzarotti die Bezahlung der ganzen oder eines substanziellen Teils der für die Errichtung des betreffenden Bauwerks ausgeführten Arbeiten gewährleisten würden. 52 Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37 dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag, der die Errichtung eines Bauwerks, das den vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernissen genügt, zum Hauptgegenstand hat, einen öffentlichen Bauauftrag darstellt und daher nicht unter den Ausschluss in Art. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 92/50 fällt, auch wenn er eine Verpflichtung enthält, das betreffende Bauwerk zu vermieten. Zur zweiten Frage 53 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es seine eigene, gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsene Entscheidung, die zu einer mit den Vorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge unvereinbaren Lage geführt haben soll, als unwirksam betrachten kann. 54 Insoweit ist zu beachten, dass es aufgrund fehlender unionsrechtlicher Vorschriften nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie Sache der innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist, die Modalitäten der Wirkung der Rechtskraft festzulegen, wobei jedoch die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt sein müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Fallimento Olimpiclub, C‑2/08, EU:C:2009:506, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). 55 In seinem Vorabentscheidungsersuchen führt das vorlegende Gericht aus, dass es nach seiner Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen den ursprünglichen Tenor eines seiner Urteile durch Durchführungsentscheidungen ergänzen könne, wobei es zu einer „stufenweise eintretenden Rechtskraft“ komme. 56 Wenn, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, bezüglich der in seinem Urteil Nr. 4267/2007 enthaltenen Entscheidung, die in Rn. 15 des vorliegenden Urteils erwähnt wird und die nach den Angaben im Vorlagebeschluss die Rechtskraft in der vorliegenden Rechtssache festlegt, die Voraussetzungen für eine Anwendung dieser verfahrensrechtlichen Möglichkeit erfüllt sind, ist es Sache dieses Gerichts, unter Berücksichtigung des Äquivalenzgrundsatzes von dieser Möglichkeit in der Weise Gebrauch zu machen, dass von „den vielfältigen verschiedenen Lösungsmöglichkeiten“, die nach den eigenen Angaben des Gerichts für diese Entscheidung in Betracht kommen, derjenigen der Vorzug gegeben wird, die im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz die Beachtung der Vorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge gewährleistet. 57 Wie die Comune di Bari bemerkt hat, könnte diese Lösung darin bestehen, in Ergänzung zu der genannten Entscheidung die Beendigung des Verfahrens der Marktuntersuchung anzuordnen, ohne dass ein Angebot ausgewählt wird, was die Einleitung eines neuen Verfahrens unter Beachtung der Vorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge ermöglichen würde. 58 Sollte das vorlegende Gericht hingegen zu der Auffassung gelangen, dass der korrekten Anwendung dieser Vorschriften nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensbestimmungen die Rechtskraft seines Urteils Nr. 4267/2007 oder der von ihm am 15. April und 3. Dezember 2010 erlassenen Durchführungsentscheidungen zu diesem Urteil entgegensteht, ist auf die Bedeutung hinzuweisen, die die Rechtskraft sowohl in der Unionsrechtsordnung als auch in den nationalen Rechtsordnungen hat. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nämlich nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können (Urteile Kapferer, C‑234/04, EU:C:2006:178, Rn. 20, Kommission/Luxemburg, C‑526/08, EU:C:2010:379, Rn. 26, und ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, EU:C:2011:191, Rn. 123). 59 Daher gebietet es das Unionsrecht einem nationalen Gericht nicht, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Gerichtsentscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Situation abgeholfen werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile Eco Swiss, C‑126/97, EU:C:1999:269, Rn. 46 und 47, Kapferer, EU:C:2006:178, Rn. 20 und 21, Fallimento Olimpiclub, EU:C:2009:506, Rn. 22 und 23, Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 35 bis 37, sowie Kommission/Slowakei, C‑507/08, EU:C:2010:802, Rn. 59 und 60). 60 Das Unionsrecht verlangt also nicht, dass ein Rechtsprechungsorgan eine in Rechtskraft erwachsene Entscheidung nach einer späteren Auslegung einschlägiger unionsrechtlicher Bestimmung durch den Gerichtshof grundsätzlich rückgängig zu machen hat, um dieser Auslegung Rechnung zu tragen. 61 Das vom vorlegenden Gericht angeführte Urteil Lucchini (C‑119/05, EU:C:2007:434) ist nicht geeignet, diese Beurteilung zu entkräften. Der Gerichtshof hat nämlich in einem ganz besonders gelagerten Fall, in dem es um die grundsätzliche Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen ging, sinngemäß entschieden, dass das Unionsrecht der Anwendung einer auf die Verankerung des Grundsatzes der Rechtskraft abzielenden Vorschrift des nationalen Rechts wie Art. 2909 des italienischen Codice civile entgegensteht, soweit ihre Anwendung die Rückforderung einer unter Verstoß gegen das Unionsrecht gewährten Beihilfe behindern würde, deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt durch eine bestandskräftig gewordene Entscheidung der Europäischen Kommission festgestellt worden war (vgl. in diesem Sinne Urteil Fallimento Olimpiclub, EU:C:2009:506, Rn. 25). Die vorliegende Rechtssache wirft jedoch keine solchen Fragen nach der Verteilung von Zuständigkeiten auf. 62 Besteht für das nationale Gericht nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine rechtskräftig gewordene Entscheidung rückgängig zu machen, um die Situation mit dem nationalen Recht in Einklang zu bringen, muss daher, sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, nach den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, damit die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation mit der Regelung der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge wiederhergestellt wird. 63 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisens, dass diese Regelung insofern bedeutsame unionsrechtliche Bestimmungen enthält, als sie dazu bestimmt ist, die Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz zum Zweck der Öffnung für einen unverfälschten Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Portugal, C‑70/06, EU:C:2008:3, Rn. 40, Michaniki, C‑213/07, EU:C:2008:731, Rn. 55, Kommission/Zypern, C‑251/09, EU:C:2011:84, Rn. 37 bis 39, sowie Manova, C‑336/12, EU:C:2013:647, Rn. 28). 64 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass, sofern ein nationales Gericht wie das vorlegende, das letztinstanzlich entschieden hat, ohne dass der Gerichtshof zuvor nach Art. 267 AEUV mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst wurde, nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften hierzu befugt ist, seine rechtskräftig gewordene Entscheidung, die zu einer mit den Vorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge unvereinbaren Situation geführt hat, entweder ergänzen oder rückgängig machen muss, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung dieser Vorschriften Rechnung zu tragen. Kosten 65 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, der die Errichtung eines Bauwerks, das den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen genügt, zum Hauptgegenstand hat, einen öffentlichen Bauauftrag darstellt und daher nicht unter den Ausschluss in Art. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge fällt, auch wenn er eine Verpflichtung enthält, das betreffende Bauwerk zu vermieten. 2. Sofern ein nationales Gericht wie das vorlegende, das letztinstanzlich entschieden hat, ohne dass der Gerichtshof der Europäischen Union zuvor nach Art. 267 AEUV mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst wurde, nach den anwendbaren innerstaatlichen Verfahrensvorschriften hierzu befugt ist, muss es seine rechtskräftig gewordene Entscheidung, die zu einer mit den Vorschriften der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge unvereinbaren Situation geführt hat, entweder ergänzen oder rückgängig machen, um einer später vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung dieser Vorschriften Rechnung zu tragen. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Italienisch.
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 1. Juli 2014.#Ålands Vindkraft AB gegen Energimyndigheten.#Vorabentscheidungsersuchen des Förvaltningsrätt i Linköping.#Vorabentscheidungsersuchen – Nationale Förderregelung, die vorsieht, dass für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen handelbare grüne Zertifikate erteilt werden – Pflicht der Stromversorger und bestimmter Nutzer, jedes Jahr bei der zuständigen Behörde eine bestimmte Anzahl grüner Zertifikate einzureichen – Weigerung, grüne Zertifikate für Produktionsanlagen zu erteilen, die sich außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats befinden – Richtlinie 2009/28/EG – Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 – Freier Warenverkehr – Art. 34 AEUV.#Rechtssache C‑573/12.
62012CJ0573
ECLI:EU:C:2014:2037
2014-07-01T00:00:00
Gerichtshof, Bot
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62012CJ0573 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 1. Juli 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Nationale Förderregelung, die vorsieht, dass für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen handelbare grüne Zertifikate erteilt werden — Pflicht der Stromversorger und bestimmter Nutzer, jedes Jahr bei der zuständigen Behörde eine bestimmte Anzahl grüner Zertifikate einzureichen — Weigerung, grüne Zertifikate für Produktionsanlagen zu erteilen, die sich außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats befinden — Richtlinie 2009/28/EG — Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 — Freier Warenverkehr — Art. 34 AEUV“ In der Rechtssache C‑573/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Förvaltningsrätt i Linköping (Schweden) mit Entscheidung vom 4. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Dezember 2012, in dem Verfahren Ålands Vindkraft AB gegen Energimyndigheten erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, M. Safjan und C. G. Fernlund, der Richter E. Levits, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader, des Richters D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal (Berichterstatterin) sowie des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Ålands Vindkraft AB, vertreten durch F. Distefano, avvocatessa, — der Energimyndigheten, vertreten durch E. Brandsma und J. Johansson als Bevollmächtigte im Beistand von K. Forsbacka, advokat, — der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, C. Stege, U. Persson und S. Johannesson als Bevollmächtigte, — der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte, — der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Ree und M. Bulterman als Bevollmächtigte, — der norwegischen Regierung, vertreten durch M. Emberland und B. Gabrielsen als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann, E. Kružíková und J. Enegren als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Januar 2014 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. L 140, S. 16) sowie von Art. 34 AEUV. 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Ålands Vindkraft AB (im Folgenden: Ålands Vindkraft) und Energimyndigheten (Energiebehörde) über die Weigerung dieser Behörde, einen in Finnland befindlichen Windenergiepark von Ålands Vindkraft für die Zuteilung von Stromzertifikaten zuzulassen. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Die Richtlinie 2009/28 trat am 25. Juni 2009 in Kraft und musste bis zum 5. Dezember 2010 in nationales Recht umgesetzt werden. Durch sie wurde die Richtlinie 2001/77/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. L 283, S. 33) mit Wirkung vom 1. Januar 2012 aufgehoben. 4 Die Erwägungsgründe 1, 15, 25, 52 und 56 der Richtlinie 2009/28 lauten: „(1) Die Kontrolle des Energieverbrauchs in Europa sowie die vermehrte Nutzung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen sind gemeinsam mit Energieeinsparungen und einer verbesserten Energieeffizienz wesentliche Elemente des Maßnahmenbündels, das zur Verringerung der Treibhausgasemissionen und zur Einhaltung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und weiterer gemeinschaftlicher und internationaler Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen über das Jahr 2012 hinaus benötigt wird. Diese Faktoren spielen auch eine wichtige Rolle bei der Stärkung der Energieversorgungssicherheit, der Förderung der technologischen Entwicklung und Innovation sowie der Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten und von Möglichkeiten der regionalen Entwicklung, vor allem in ländlichen und entlegenen Gebieten. … (15) Die Ausgangslage, das Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energie und der Energiemix sind in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich. Das Gemeinschaftsziel von 20 % muss daher in Einzelziele für die einzelnen Mitgliedstaaten übersetzt werden, und dies unter gebührender Berücksichtigung einer fairen und angemessenen Aufteilung, die den unterschiedlichen Ausgangslagen und Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, einschließlich des bestehenden Anteils von Energie aus erneuerbaren Energiequellen und des Energiemix, Rechnung trägt. Es ist angebracht, dabei so zu verfahren, dass die geforderte Gesamtsteigerung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zwischen den Mitgliedstaaten auf der Grundlage einer nach ihrem Bruttoinlandsprodukt gewichteten gleichen Steigerung des Anteils eines jeden Mitgliedstaats, die entsprechend seiner Ausgangslage abgestuft ist, aufgeteilt wird und der Bruttoendenergieverbrauch für die Berechnung der erneuerbaren Energie verwendet wird, wobei bisherige Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu berücksichtigen sind. … (25) Die Mitgliedstaaten haben unterschiedliche Potenziale im Bereich der erneuerbaren Energie und wenden auf nationaler Ebene unterschiedliche Regelungen zur Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen an. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten wendet Förderregelungen an, bei denen Vorteile ausschließlich für in ihrem Hoheitsgebiet erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen gewährt werden. Damit nationale Förderregelungen ungestört funktionieren können, müssen die Mitgliedstaaten deren Wirkung und Kosten entsprechend ihrem jeweiligen Potenzial kontrollieren können. Ein wichtiger Faktor bei der Verwirklichung des Ziels dieser Richtlinie besteht darin, das ungestörte Funktionieren der nationalen Förderregelungen, wie nach der Richtlinie [2001/77], zu gewährleisten, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt und die Mitgliedstaaten wirksame nationale Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung der Ziele konzipieren können. Diese Richtlinie zielt darauf ab, die grenzüberschreitende Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu erleichtern, ohne die nationalen Förderregelungen zu beeinträchtigen. Sie führt wahlweise Mechanismen der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten ein, in deren Rahmen die Mitgliedstaaten vereinbaren können, in welchem Maße ein Mitgliedstaat die Energieerzeugung in einem anderen Mitgliedstaat fördert und in welchem Umfang die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen auf die nationalen Gesamtziele des einen oder des anderen Mitgliedstaats angerechnet wird. Um die Wirksamkeit der beiden Maßnahmen zur Zielerfüllung, also der nationalen Förderregelungen und der Mechanismen der Zusammenarbeit, zu gewährleisten, ist es unbedingt notwendig, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ihre nationalen Förderregelungen für in anderen Mitgliedstaaten erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen gelten, und sich durch die Anwendung der in der vorliegenden Richtlinie vorgesehenen Mechanismen der Zusammenarbeit darüber zu einigen. … (52) Herkunftsnachweise, die für die Zwecke dieser Richtlinie ausgestellt werden, dienen ausschließlich dazu, einem Endkunden gegenüber nachzuweisen, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde. Ein Herkunftsnachweis kann, unabhängig von der Energie, auf die er sich bezieht, von einem Inhaber auf einen anderen übertragen werden. Um sicherzustellen, dass eine aus erneuerbaren Energiequellen erzeugte Elektrizitätseinheit einem Verbraucher gegenüber nur einmal ausgewiesen werden kann, sollte jedoch eine Doppelzählung und doppelte Ausweisung von Herkunftsnachweisen vermieden werden. Energie aus erneuerbaren Quellen, deren begleitender Herkunftsnachweis vom Produzenten separat verkauft wurde, sollte gegenüber dem Endkunden nicht als aus erneuerbaren Quellen erzeugte Energie ausgewiesen oder verkauft werden. Es ist wichtig, dass zwischen grünen Zertifikaten, die für Fördersysteme genutzt werden, und Herkunftsnachweisen unterschieden wird. … (56) Herkunftsnachweise begründen nicht an sich ein Recht auf Inanspruchnahme nationaler Förderregelungen.“ 5 In Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieser Richtlinie heißt es: „Mit dieser Richtlinie wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben. In ihr werden verbindliche nationale Ziele für den Gesamtanteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch … festgelegt. Gleichzeitig werden Regeln für statistische Transfers zwischen Mitgliedstaaten, gemeinsame Projekte zwischen Mitgliedstaaten und mit Drittländern, Herkunftsnachweise, administrative Verfahren, Informationen und Ausbildung und Zugang zum Elektrizitätsnetz für Energie aus erneuerbaren Quellen aufgestellt. …“ 6 Nach den Begriffsbestimmungen in Art. 2 Abs. 2 Buchst. j bis l der Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „… j) ‚Herkunftsnachweis‘ ein elektronisches Dokument, das gemäß den Anforderungen von Artikel 3 Absatz 6 der Richtlinie 2003/54/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. L 176, S. 37)] ausschließlich als Nachweis gegenüber einem Endkunden dafür dient, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugt wurde; k) ‚Förderregelung‘ ein Instrument, eine Regelung oder einen Mechanismus, das bzw. die bzw. der von einem Mitgliedstaat oder einer Gruppe von Mitgliedstaaten angewendet wird und die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen dadurch fördert, dass die Kosten dieser Energie gesenkt werden, ihr Verkaufspreis erhöht wird oder ihre Absatzmenge durch eine Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie oder auf andere Weise gesteigert wird. Dazu zählen unter anderem Investitionsbeihilfen, Steuerbefreiungen oder ‑erleichterungen, Steuererstattungen, Förderregelungen, die zur Nutzung erneuerbarer Energiequellen verpflichten, einschließlich solcher, bei denen grüne Zertifikate verwendet werden, sowie direkte Preisstützungssysteme einschließlich Einspeisetarife und Prämienzahlungen; l) ‚Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie‘ eine nationale Förderregelung, durch die Energieproduzenten dazu verpflichtet werden, ihre Erzeugung zu einem bestimmten Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken, durch die Energieversorger dazu verpflichtet werden, ihre Versorgung zu einem bestimmten Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken, oder durch die Energieverbraucher dazu verpflichtet werden, ihren Verbrauch zu einem bestimmten Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dazu zählen auch Regelungen, bei denen derartige Verpflichtungen durch Verwendung grüner Zertifikate erfüllt werden können …“ 7 Art. 3 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 2009/28 bestimmt: „(1)   Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass sein gemäß den Artikeln 5 bis 11 berechneter Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch im Jahr 2020 mindestens seinem nationalen Gesamtziel für den Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen in diesem Jahr gemäß der dritten Spalte der Tabelle in Anhang I Teil A entspricht. Diese verbindlichen nationalen Gesamtziele müssen mit dem Ziel in Einklang stehen, bis 2020 mindestens 20 % des Bruttoendenergieverbrauchs der Gemeinschaft durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken. … (2)   Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um effektiv zu gewährleisten, dass ihr Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen den im indikativen Zielpfad in Anhang I Teil B angegebenen Anteil erreicht oder übersteigt. (3)   Zur Erfüllung der in den Absätzen 1 und 2 genannten Ziele können die Mitgliedstaaten unter anderem folgende Maßnahmen anwenden: a) Förderregelungen; b) Maßnahmen zur Kooperation zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten und mit Drittländern im Hinblick auf die Erfüllung ihrer nationalen Gesamtziele gemäß den Artikeln 5 bis 11. Unbeschadet der Artikel [107 AEUV und 108 AEUV] haben die Mitgliedstaaten das Recht, gemäß den Artikeln 5 bis 11 dieser Richtlinie zu entscheiden, in welchem Umfang sie die in einem anderen Mitgliedstaat erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen fördern wollen.“ 8 In Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie heißt es: „(1)   Der Bruttoendenergieverbrauch aus erneuerbaren Quellen in den einzelnen Mitgliedstaaten wird berechnet als Summe a) des Bruttoendenergieverbrauchs von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen, … (3)   Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a wird der Bruttoendenergieverbrauch von Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen als die Elektrizitätsmenge berechnet, die in einem Mitgliedstaat aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, …“ 9 Art. 11 („Gemeinsame Förderregelungen“) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor: „Unbeschadet der Pflichten der Mitgliedstaaten nach Artikel 3 können zwei oder mehr Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis beschließen, ihre nationalen Förderregelungen zusammenzulegen oder teilweise zu koordinieren. In solchen Fällen kann eine bestimmte Menge an Energie aus erneuerbaren Quellen, die im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaats erzeugt wird, auf das nationale Gesamtziel eines anderen teilnehmenden Mitgliedstaats angerechnet werden, wenn die betreffenden Mitgliedstaaten a) gemäß Artikel 6 einen statistischen Transfer bestimmter Mengen an Energie aus erneuerbaren Quellen von einem Mitgliedstaat auf einen anderen vornehmen oder b) eine von den teilnehmenden Mitgliedstaaten gebilligte Verteilungsregel festlegen, nach der Mengen an Energie aus erneuerbaren Quellen den beteiligten Mitgliedstaaten zugewiesen werden. Diese Regel ist der Kommission spätestens drei Monate nach dem Ende des ersten Jahres, in dem sie wirksam wird, mitzuteilen.“ 10 Art. 15 der Richtlinie bestimmt zu den Herkunftsnachweisen u. a.: „(1)   Zum Zweck des Nachweises gegenüber den Endkunden darüber, welchen Anteil Energie aus erneuerbaren Quellen im Energiemix eines Energieversorgers ausmacht oder in welcher Menge sie darin enthalten ist, der gemäß Artikel 3 Absatz 6 der Richtlinie [2003/54] zu erbringen ist, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Herkunft von aus erneuerbaren Energiequellen erzeugter Elektrizität als solche im Sinne dieser Richtlinie gemäß objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien garantiert werden kann. (2)   … Der Herkunftsnachweis ist für die Einhaltung des Artikels 3 durch die Mitgliedstaaten nicht zu verwenden. Die Übertragung[en] von Herkunftsnachweisen, sei es gesondert oder zusammen mit der physischen Übertragung von Energie, haben keine Auswirkungen auf die Entscheidung von Mitgliedstaaten, zur Erreichung der Ziele auf statistische Transfers, gemeinsame Projekte oder gemeinsame Förderregelungen zurückzugreifen; ebenso wenig haben sie Auswirkungen auf die Berechnung des gemäß Artikel 5 berechneten Bruttoendenergieverbrauchs von Energie aus erneuerbaren Quellen. … (9)   Die Mitgliedstaaten erkennen die von anderen Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie ausgestellten Herkunftsnachweise ausschließlich als Nachweis der in Absatz 1 und Absatz 6 Buchstaben a bis f genannten Angaben an. … …“ Schwedisches Recht 11 Die Regelung der Stromzertifikate ist mit dem Gesetz Nr. 113 von 2003 über Stromzertifikate (lagen [2003:113] om elcertifikat, im Folgenden: Gesetz von 2003) eingeführt worden. Dabei handelt es sich um eine Regelung zur Förderung der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen (im Folgenden: grüner Strom). Dieses Gesetz ist mit Wirkung vom 1. Januar 2012 durch das Gesetz Nr. 1200 von 2011 über Stromzertifikate (lagen [2011:1200] om elcertifikat, im Folgenden: Gesetz von 2011) ersetzt worden, mit dem u. a. die Richtlinie 2009/28 umgesetzt werden sollte. 12 Nach dem Gesetz von 2011 wird den zugelassenen Erzeugern ein Stromzertifikat pro erzeugter Megawattstunde (MWh) grünen Stroms zugeteilt. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass aus den Materialien zu diesem Gesetz und zu dem Gesetz von 2003 eindeutig hervorgehe, dass für die Zuteilung von Stromzertifikaten lediglich in Schweden befindliche Anlagen zur Erzeugung grünen Stroms zugelassen werden könnten, obgleich eine solche Beschränkung nicht ausdrücklich im Gesetz von 2011 enthalten sei. Die Zulassung von Anlagen, die sich außerhalb des schwedischen Hoheitsgebiets befänden, sei hingegen nicht möglich. 13 Das Gesetz von 2011 bestimme zwar nicht, dass der Kauf von Stromzertifikaten mit einem entsprechenden Kauf von Strom einhergehen müsse, schließe aber die Möglichkeit eines solchen gebündelten Kaufs nicht aus. 14 Die Stromzertifikate werden auf einem wettbewerbsorientierten Markt gehandelt, auf dem sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet. 15 Die Nachfrage nach Stromzertifikaten wird dadurch geschaffen, dass Stromversorger und bestimmte Nutzer verpflichtet sind, zum 1. April jedes Jahres eine bestimmte Anzahl von Zertifikaten zu halten und beim Staat einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch im abgelaufenen Jahr entspricht. 16 Kapitel 4 § 1 des Gesetzes von 2011 lautet: „Der Quotenpflicht unterliegen: 1. Stromversorger, 2. Stromnutzer, die von ihnen selbst erzeugten Strom nutzen, wenn in einer Anlage mit einer Nennleistung von mehr als 50 [Kilowatt (kW)] mehr als 60 MWh pro Bezugsjahr verbraucht werden, 3. Stromnutzer, soweit sie eingeführten oder an der nordischen Strombörse gekauften Strom genutzt haben, und 4. Unternehmen mit hohem Stromverbrauch, die registriert worden sind.“ 17 Die Quote der Stromzertifikate, die nach Maßgabe des vom Königreich Schweden angestrebten Ziels der Erzeugung von grünem Strom variiert, schwankte während der relevanten Zeiträume. Für den Zeitraum von 2010 bis 2012 belief sie sich auf 0,179. 18 Der Kaufpreis der Stromzertifikate wird vom Versorger an den Verbraucher weitergegeben. 19 Zudem geht aus den in der Vorlageentscheidung wiedergegebenen Erklärungen der Parteien des Ausgangsverfahrens hervor, dass die Stromversorger und die betroffenen Nutzer einen Geldbetrag zahlen müssen, wenn sie am Fälligkeitstag nicht in der Lage sind, die erforderliche Zahl von Stromzertifikaten einzureichen. Auch die schwedische Regierung hat in ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen auf die Pflicht zur Zahlung einer solchen Abgabe Bezug genommen, die sie als „besondere Abgabe“ qualifizierte (im Folgenden: Sonderabgabe). 20 Im Übrigen ist unstreitig, dass, da keine völkerrechtliche Übereinkunft nach Art. 11 der Richtlinie 2009/28 geschlossen wurde, der Quotenpflicht nur mit Stromzertifikaten nachgekommen werden kann, die gemäß dem Gesetz von 2011 erteilt wurden. 21 Insoweit bestimmt Kapitel 1 § 5 des Gesetzes von 2011: „Stromzertifikate, die für die Erzeugung erneuerbaren Stroms in einem anderen Staat ausgestellt worden sind, können verwendet werden, um der Quotenpflicht nach diesem Gesetz nachzukommen, sofern die schwedische Stromzertifizierungsregelung und die Stromzertifizierungsregelung des anderen Staates durch völkerrechtliche Übereinkunft aufeinander abgestimmt sind.“ 22 Am 29. Juni 2011 schloss das Königreich Schweden mit dem Königreich Norwegen eine solche Übereinkunft. Zwischen dem Königreich Schweden und der Republik Finnland besteht hingegen keine derartige Übereinkunft. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 23 Am 30. November 2009 beantragte Ålands Vindkraft bei der zuständigen schwedischen Behörde, seinen Windenergiepark Oskar, der sich in Finnland im Archipel der Åland-Inseln befindet, für die Zuteilung von Stromzertifikaten zuzulassen. 24 Diesen Antrag lehnte Energimyndigheten mit Bescheid vom 9. Juni 2010 ab, weil nur in Schweden befindliche Anlagen zur Erzeugung von grünem Strom für die Zuteilung von Stromzertifikaten zugelassen werden könnten. 25 Ålands Vindkraft erhob beim Förvaltningsrätt i Linköping Klage, die darauf gerichtet war, dass dieser Bescheid für nichtig erklärt und ihrem Zulassungsantrag stattgegeben wird. Sie rügt u. a. einen Verstoß gegen Art. 34 AEUV und macht insoweit geltend, die Stromzertifizierungsregelung bewirke wegen der im berücksichtigten Zeitraum 0,179 betragenden Quote der Stromzertifikate, dass etwa 18 % des schwedischen Stromverbrauchsmarkts zum Nachteil der Stromeinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten den in Schweden ansässigen Erzeugern von grünem Strom vorbehalten blieben. Ein solches Handelshemmnis könne insbesondere deshalb nicht mit Umweltschutzerwägungen gerechtfertigt werden, weil der Verbrauch von grünem Strom in Schweden genauso gefördert würde, wenn Stromzertifikate für grünen Strom erteilt würden, der in Schweden verbraucht, aber in anderen Mitgliedstaaten erzeugt werde. 26 Der Förvaltningsrätt i Linköping führt einleitend aus, zwar sei der genannte Bescheid in Anwendung des Gesetzes von 2003 erlassen worden, doch müsse nach schwedischem Recht der Ausgangsrechtsstreit anhand des bei seiner gerichtlichen Prüfung anwendbaren Gesetzes, im vorliegenden Fall also des Gesetzes von 2011, entschieden werden. Das Gesetz von 2011 habe im Übrigen die auf die Problemstellung des Ausgangsverfahrens anwendbaren Regeln nur geringfügig geändert. 27 Zunächst sei zu klären, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Stromzertifizierungsregelung eine Förderregelung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 darstelle, und zwar insbesondere deshalb, weil sie die Erzeugung von grünem Strom fördere, wohingegen die genannten Bestimmungen ihrerseits auf die Nutzung oder den Verbrauch von grünem Strom abstellten. Falls dem so sei, bedürfe zudem der Klärung, ob diese Regelung nach der Richtlinie zulässig sei, obgleich sie von ihrem Anwendungsbereich Anlagen ausnehme, die in anderen Mitgliedstaaten grünen Strom erzeugten. 28 Sodann sei zum einen festzustellen, dass die genannte Regelung es den schwedischen Erzeugern von grünem Strom ermögliche, einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gegenüber Erzeugern aus anderen Mitgliedstaaten zu erlangen. Zum anderen könne diese Regelung – auch wenn das Gesetz von 2011 den Kauf von Stromzertifikaten formal nicht an einen entsprechenden Kauf von Strom knüpfe – mittelbar dazu führen, dass die Vermarktung von Strom nationalen Ursprungs insofern gefördert werde, als die Versorger sich eher zum Erwerb von Strom bei nationalen Erzeugern veranlasst fühlen könnten, da diese auch in der Lage seien, ihnen die Zertifikate zu verschaffen, die sie benötigten, um ihrer Quotenpflicht nachzukommen. 29 Sollte die genannte Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV darstellen, wäre sodann zu fragen, ob diese Maßnahme im vorliegenden Fall durch zwingende Gründe des Umweltschutzes gerechtfertigt werden könne. 30 In diesem Zusammenhang stelle sich namentlich die Frage, ob das Urteil PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160) relevant sein könnte, da zum einen die schwedische Stromzertifizierungsregelung im Unterschied zur deutschen Förderregelung, um die es im Urteil PreussenElektra gegangen sei, den Stromversorgern formal keine Pflicht auferlege, Strom von nationalen Erzeugern zu erwerben, und zum anderen das Unionsrecht seit Verkündung des genannten Urteils verschiedene, insbesondere mit dem Erlass der Richtlinien 2001/77 und 2009/28 zusammenhängende Änderungen erfahren habe. 31 Schließlich sei fraglich, ob der Ausschluss von grünem Strom, der außerhalb des schwedischen Hoheitsgebiets erzeugt worden sei, vom Anwendungsbereich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Förderregelung, insbesondere angesichts des Grundsatzes der Rechtssicherheit, nicht ausdrücklich durch das Gesetz von 2011 hätte vorgesehen werden müssen. 32 Unter diesen Umständen hat der Förvaltningsrätt i Linköping beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Die schwedische Stromzertifizierungsregelung ist eine nationale Förderregelung, die Stromlieferanten und bestimmte Stromverbraucher in diesem Mitgliedstaat zum Erwerb von Stromzertifikaten in Höhe eines bestimmten Anteils an ihrem Verkauf bzw. Verbrauch verpflichtet, ohne ausdrücklich zu verlangen, von dieser Quelle auch Strom zu kaufen. Stromzertifikate werden vom schwedischen Staat zugeteilt und sind ein Nachweis dafür, dass eine bestimmte Strommenge aus erneuerbaren Quellen erzeugt worden ist. Die Erzeuger von grünem Strom erhalten durch den Verkauf von Stromzertifikaten zusätzliche Einnahmen, die ein zusätzliches Einkommen aus ihrer Stromerzeugung darstellen. Sind Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 so auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat erlauben, eine nationale Förderregelung wie die oben dargestellte anzuwenden, bei der nur Erzeuger, die im Hoheitsgebiet dieses Staates ansässig sind, berücksichtigt werden können und die zur Folge hat, dass diese Erzeuger im Verhältnis zu den Erzeugern, die keine Stromzertifikate zugeteilt bekommen können, wirtschaftlich begünstigt werden? 2. Kann eine Regelung, wie sie in der ersten Vorlagefrage beschrieben worden ist, im Licht von Art. 34 AEUV als eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung betrachtet werden? 3. Wenn die zweite Vorlagefrage bejaht wird: Kann eine derartige Regelung unter Berücksichtigung des Ziels, die Erzeugung von grünem Strom zu fördern, mit Art. 34 AEUV vereinbar sein? 4. Wie wird die Beurteilung obiger Vorlagefragen davon beeinflusst, dass die Beschränkung der Anwendung der Förderregelung auf inländische Erzeuger nicht ausdrücklich in einem nationalen Gesetz geregelt ist? Verfahren vor dem Gerichtshof 33 Mit Schriftsätzen, die am 5. und 6. Februar sowie am 14. März 2014 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, haben das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und das Königreich Schweden die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt. 34 Sie stützen diese Anträge darauf, dass ihnen im Anschluss an die Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts, in denen er dem Gerichtshof vorschlage, Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 für ungültig zu erklären, Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden müsse, weil sich der Gerichtshof dadurch veranlasst sehen könnte, die Rechtssache auf der Grundlage einer Argumentation zu entscheiden, die sich auf die Ungültigkeit der genannten Bestimmung und nicht auf ihre Auslegung beziehe und die zwischen den Beteiligten nicht habe erörtert werden können. 35 Gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann er nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den Parteien oder den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist. 36 Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass ihm alle für eine Entscheidung notwendigen Informationen vorliegen. Überdies stellt er fest, dass die Rechtssache nicht auf der Grundlage eines Vorbringens zur Gültigkeit der Richtlinie 2009/28 entschieden zu werden braucht, das zwischen den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs bezeichneten Beteiligten nicht erörtert worden ist. 37 Unter diesen Umständen ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen. Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 38 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat erlauben, eine Förderregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einzuführen, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von grünem Strom nur der im Hoheitsgebiet dieses Staates erzeugte grüne Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer verpflichtet sind, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht. 39 Als Erstes ist zu prüfen, ob eine Regelung zur Förderung grünen Stroms wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine „Förderregelung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 darstellt. 40 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 für den Unionsgesetzgeber ein wichtiger Faktor bei der Verwirklichung ihres Ziels darin besteht, das ungestörte Funktionieren der nationalen Förderregelungen, wie nach der Richtlinie 2001/77, zu gewährleisten. 41 Aus dem 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/77 geht aber ausdrücklich hervor, dass sich unter den verschiedenen in dieser Richtlinie vorgesehenen Arten nationaler Förderregelungen bereits die Fördermechanismen befanden, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Förderregelung „grüne Zertifikate“ verwenden. 42 Außerdem beziehen sich die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und l der Richtlinie 2009/28 ebenfalls speziell auf nationale Förderregelungen, die „grüne Zertifikate“ verwenden. 43 Zu dem Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eher die „Erzeugung“ von grünem Strom als dessen „Nutzung“ oder „Verbrauch“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28 fördern soll, ist Folgendes auszuführen. 44 Was zum einen die Tatsache anbelangt, dass die Definition der „Förderregelung“ in Art. 2 Abs. 2 Buchst. k der Richtlinie 2009/28 – wie das vorlegende Gericht hervorhebt – Instrumente, Regelungen oder Mechanismen umfasst, die die „Nutzung“ grüner Energie, gegebenenfalls durch eine Verpflichtung zu ihrer „Nutzung“, fördern, ist erstens zu berücksichtigen, dass nach Art. 1 dieser Richtlinie, der ihren Gegenstand und Anwendungsbereich betrifft, mit ihr ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung grüner Energie vorgeschrieben wird. 45 Zweitens ist festzustellen, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2009/28 bestimmt, was unter einer „Verpflichtung zur Nutzung erneuerbarer Energie“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k zu verstehen ist. Hierzu verweist Art. 2 Abs. 2 Buchst. l auf die nationalen Förderregelungen, durch die Produzenten dazu verpflichtet werden, ihre „Erzeugung“ zu einem bestimmten Anteil durch grüne Energie zu decken, oder „durch die Energieversorger dazu verpflichtet werden, ihre Versorgung zu einem bestimmten Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken, oder durch die Energieverbraucher dazu verpflichtet werden, ihren Verbrauch zu einem bestimmten Anteil durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu decken“; dabei bestimmt er ausdrücklich, dass dazu auch Regelungen zählen, bei denen derartige Verpflichtungen durch Verwendung grüner Zertifikate erfüllt werden können. 46 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Förderregelung weist aber durchaus derartige Merkmale auf, da sie Energieversorger und bestimmte Verbraucher verpflichtet, grüne Zertifikate zu verwenden, um ihrer Pflicht nachzukommen, ihre Versorgung bzw. ihren Verbrauch zu einem bestimmten Anteil durch grünen Strom zu decken. 47 Was zum anderen den Umstand anbelangt, dass die verbindlichen nationalen Ziele, zu denen die in Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 angesprochenen Förderregelungen beitragen sollen, nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie anhand des Anteils grüner Energie am „Endverbrauch“ von Energie bestimmt werden, ist festzustellen, dass nach Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie dieser Verbrauch in Wirklichkeit anhand der Menge grünen Stroms berechnet wird, die in einem Mitgliedstaat „erzeugt“ wird. 48 Somit geht aus den Erwägungen in den Rn. 40 bis 47 des vorliegenden Urteils hervor, dass eine Regelung, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende zur Förderung der Erzeugung grünen Stroms grüne Zertifikate verwendet, die erforderlichen Merkmale aufweist, um als „Förderregelung“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 eingestuft zu werden. 49 Als Zweites ist zu den Bedenken, die das vorlegende Gericht in Bezug darauf hat, dass nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Förderregelung bei der Zuteilung von Stromzertifikaten nur im Inland erzeugter grüner Strom berücksichtigt wird, festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2009/28 die Möglichkeit einer solchen territorialen Beschränkung unberührt gelassen hat. 50 Insoweit ergibt sich zunächst aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass der Unionsgesetzgeber im Anschluss an die Feststellung, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten Förderregelungen anwendet, bei denen Vorteile ausschließlich für in ihrem Hoheitsgebiet erzeugte grüne Energie gewährt werden, darauf hingewiesen hat, dass es zur Gewährleistung der Wirksamkeit dieser Regelungen als Maßnahmen, die zur Erfüllung der jeweiligen nationalen Gesamtziele beitragen sollen, unbedingt notwendig ist, dass diese Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang ihre nationalen Förderregelungen für in anderen Mitgliedstaaten erzeugte grüne Energie gelten, und sich durch die Anwendung der in der Richtlinie vorgesehenen Mechanismen der Zusammenarbeit darüber zu einigen. 51 Ferner bestimmt Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 ausdrücklich, dass die Mitgliedstaaten unbeschadet der Art. 107 AEUV und 108 AEUV das Recht haben, gemäß den Art. 5 bis 11 dieser Richtlinie zu entscheiden, in welchem Umfang sie die in einem anderen Mitgliedstaat erzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen fördern wollen. 52 Schließlich ist speziell zu den nationalen Regelungen, die grüne Zertifikate verwenden, festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber in den Erwägungsgründen 52 und 56 der Richtlinie ausdrücklich klargestellt hat, dass Herkunftsnachweise, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten in Umsetzung der Richtlinie ausgestellt werden, von grünen Zertifikaten, die im Rahmen nationaler Förderregelungen verwendet werden, zu unterscheiden sind und für sich genommen nicht zur Inanspruchnahme solcher Regelungen berechtigen. Wie im Übrigen aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. j und Art. 15 Abs. 1 und 9 der Richtlinie hervorgeht, müssen die Herkunftsnachweise, deren einzige Funktion darin besteht, den Endkunden anzugeben, welchen Anteil die grüne Energie im Energiemix eines Energieversorgers ausmacht, von den Mitgliedstaaten nur in dieser Hinsicht gegenseitig anerkannt werden. 53 Solche Klarstellungen bestätigen ihrerseits, dass der Unionsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, den Mitgliedstaaten, die sich für eine Förderregelung unter Verwendung grüner Zertifikate entschieden haben, vorzuschreiben, die Förderung nach dieser Regelung auf grünen Strom zu erstrecken, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats erzeugt worden ist. 54 Angesichts aller vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat erlauben, eine Förderregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einzuführen, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von grünem Strom nur der im Hoheitsgebiet dieses Staates erzeugte grüne Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer verpflichtet sind, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht. Zur zweiten und zur dritten Frage 55 Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von grünem Strom nur der im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erzeugte grüne Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer eine Sonderabgabe zahlen müssen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne dieser Bestimmung darstellt. Bejahendenfalls möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine derartige Regelung angesichts des mit ihr verfolgten Ziels, die Erzeugung von grünem Strom zu fördern, gleichwohl gerechtfertigt sein kann. Zur Anwendbarkeit von Art. 34 AEUV 56 Nach Ansicht von Energimyndigheten sowie der schwedischen und der deutschen Regierung ist eine Prüfung der geschilderten Einschränkung des territorialen Anwendungsbereichs der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung anhand von Art. 34 AEUV nicht erforderlich, da die Richtlinie 2009/28 eine Harmonisierungsmaßnahme sei, die ausdrücklich vorsehe, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet seien, ihre Förderregelungen für den in anderen Mitgliedstaaten erzeugten grünen Strom zu öffnen, und dass eine solche Öffnung für diese Staaten eine bloße Möglichkeit darstelle, von der gegebenenfalls ausschließlich anhand der in der Richtlinie vorgesehenen Modalitäten Gebrauch zu machen sei. 57 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht des Primärrechts zu beurteilen ist (vgl. u. a. Urteil Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz, C‑309/02, EU:C:2004:799, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 58 Im vorliegenden Fall ist daher zu klären, ob mit der Richtlinie 2009/28 eine Harmonisierung vorgenommen wurde, die geeignet ist, die Prüfung der Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden mit Art. 34 AEUV auszuschließen. 59 Dazu ist zunächst festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber keineswegs eine abschließende Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie vornehmen wollte, sondern, wie u. a. aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie hervorgeht, zum einen davon ausging, dass die Mitgliedstaaten verschiedene Förderregelungen anwenden, und zum anderen von dem Grundsatz, dass das ungestörte Funktionieren dieser Förderregelungen zu gewährleisten ist, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt und die Mitgliedstaaten wirksame nationale Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung der verbindlichen nationalen Gesamtziele, die ihnen die Richtlinie vorschreibt, konzipieren können. 60 Auch die für die Zwecke der Richtlinie in deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. k vorgenommene Definition der „Förderregelung“ hebt den im Wesentlichen staatlichen Ursprung der Instrumente, Regelungen oder Mechanismen zur Förderung hervor und beschränkt sich dabei in allgemeiner Form auf die Nennung der bestehenden Arten nationaler Anreize, mit denen die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen gefördert werden soll. 61 Art. 1 der Richtlinie 2009/28, der ihren Gegenstand beschreibt, enthält seinerseits keine weiteren Hinweise darauf, dass die Richtlinie darauf abzielte, die Merkmale der verschiedenen nationalen Förderregelungen zu harmonisieren. 62 Auch Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie, der sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie zu gestatten und zu unterstützen, enthält keine Angaben über solche Merkmale, mit Ausnahme des Hinweises, dass die Mitgliedstaaten das Recht haben, gemäß den Art. 5 bis 11 der Richtlinie zu entscheiden, in welchem Umfang sie die in einem anderen Mitgliedstaat erzeugte grüne Energie fördern wollen. 63 In diesem Kontext kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Richtlinie 2009/28 mit der Behandlung dieses Aspekts des territorialen Anwendungsbereichs der nationalen Förderregelungen den sie betreffenden Bereich im Sinne der in Rn. 57 des vorliegenden Urteils erwähnten Rechtsprechung in einer die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit Art. 34 AEUV ausschließenden Weise abschließend harmonisiert hätte (vgl. entsprechend Urteil Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz, EU:C:2004:799, Rn. 54 bis 57). 64 Angesichts der vorstehenden Erwägungen sind die Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr aus dem Blickwinkel der zweiten und der dritten Frage auszulegen. Zum Vorliegen eines Handelshemmnisses 65 Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist ein grundlegendes Prinzip des Vertrags, das seinen Ausdruck in dem in Art. 34 AEUV niedergelegten Verbot findet (vgl. u. a. Urteil Kommission/Dänemark, C‑192/01, EU:C:2003:492, Rn. 38). 66 Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 34 AEUV, der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten verbietet, auf alle nationalen Maßnahmen anwendbar, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. u. a. Urteile Dassonville, 8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5, und PreussenElektra, EU:C:2001:160, Rn. 69). 67 Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung geeignet ist, Stromeinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere von grünem Strom, zumindest mittelbar und potenziell zu behindern, und zwar aus mehreren Gründen. 68 Zum einen geht aus der fraglichen Regelung hervor, dass die Versorger sowie bestimmte Verbraucher verpflichtet sind, am jährlichen Fälligkeitstag zur Erfüllung ihrer Quotenpflicht eine bestimmte Menge von Stromzertifikaten zu halten, die sich nach der gesamten von ihnen gelieferten bzw. verbrauchten Strommenge richtet. 69 Da es aber insbesondere keine einschlägige internationale Übereinkunft gibt, können zur Erfüllung dieser Pflicht nur die nach der nationalen Regelung erteilten Zertifikate verwendet werden. Daher sind die betreffenden Versorger und Verbraucher im Allgemeinen verpflichtet, für den von ihnen eingeführten Strom solche Zertifikate zu erwerben, denn sonst müssen sie eine Sonderabgabe zahlen. 70 Solche Maßnahmen sind somit geeignet, Stromeinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten zu behindern (vgl. u. a. entsprechend Urteil Ligur Carni u. a., C‑277/91, C‑318/91 und C‑319/91, EU:C:1993:927, Rn. 36). 71 Zum anderen stellt das vorlegende Gericht sowohl in seiner Entscheidung als auch in seinen Fragen fest, dass die Erzeuger von grünem Strom ihre Stromzertifikate zwar im Rahmen der Förderregelung, die durch die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung eingeführt wurde, auf dem dafür vorgesehenen wettbewerbsorientierten Markt verkaufen könnten, doch verbiete diese Regelung es den Erzeugern nicht, die Zertifikate zusammen mit dem von ihnen erzeugten Strom zu verkaufen. 72 Dass es eine solche Möglichkeit gibt, erscheint aber in der Praxis geeignet, die Aufnahme von Verhandlungen und die Eingehung gegebenenfalls langfristiger vertraglicher Beziehungen im Bereich der Lieferung von inländischem Strom durch solche Erzeuger an die Stromversorger bzw. ‑nutzer zu fördern, da Letztere nämlich auf diese Weise zugleich Strom und die von ihnen zur Erfüllung ihrer Quotenpflicht benötigten grünen Zertifikate erhalten können. 73 Daraus folgt, dass auch in dieser Hinsicht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Förderregelung eine zumindest potenzielle Behinderung von Stromeinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten bewirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland, 249/81, EU:C:1982:402, Rn. 27 bis 29). 74 In einem solchen Kontext ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der innergemeinschaftliche Handelsverkehr, ebenso wie durch eine Handlung, dadurch beeinträchtigt werden kann, dass ein Mitgliedstaat es versäumt, ausreichende Maßnahmen zur Beseitigung von Hemmnissen für den freien Warenverkehr zu treffen, die namentlich durch Handlungen von Wirtschaftsteilnehmern geschaffen, aber durch eine besondere Regelung des Mitgliedstaats ermöglicht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Frankreich, C‑265/95, EU:C:1997:595, Rn. 31, und Schmidberger, C‑112/00, EU:C:2003:333, Rn. 58). 75 Nach alledem ist festzustellen, dass eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende geeignet ist, Stromeinfuhren aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere von grünem Strom, zu behindern, und dass sie daher eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen darstellt, die grundsätzlich mit den unionsrechtlichen Verpflichtungen aus Art. 34 AEUV unvereinbar ist, sofern sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden kann (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Kommission/Österreich, C‑320/03, EU:C:2005:684, Rn. 69). Zur etwaigen Rechtfertigung 76 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine nationale Regelung oder Praxis, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss in beiden Fällen die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (vgl. u. a. Urteil Kommission/Österreich, C‑524/07, EU:C:2008:717, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). – Zum Ziel, die Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen zu fördern 77 Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Maßnahmen, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel zu behindern, u. a. durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, EU:C:2008:717, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 78 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung, die durch eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gefördert werden soll, dem Umweltschutz dient, da sie zur Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen beiträgt, die zu den Hauptursachen der Klimaänderungen zählen, zu deren Bekämpfung sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben (vgl. in diesem Sinne Urteil PreussenElektra, EU:C:2001:160, Rn. 73). 79 In diesem Sinne ist, wie u. a. im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 dargelegt wird, die vermehrte Nutzung solcher Energiequellen eines der wesentlichen Elemente des Maßnahmenbündels, das zur Verringerung der genannten Emissionen und zur Einhaltung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen sowie weiterer gemeinschaftlicher und internationaler Verpflichtungen zur Senkung der Treibhausgasemissionen über das Jahr 2012 hinaus benötigt wird. 80 Wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, bezweckt eine solche vermehrte Nutzung zugleich den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen, der in Art. 36 AEUV unter den Gründen des Allgemeininteresses aufgeführt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil PreussenElektra, EU:C:2001:160, Rn. 75). 81 Zudem geht aus Art. 194 Abs. 1 Buchst. c AEUV hervor, dass die Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zu den Zielen gehört, an denen sich die Energiepolitik der Union zu orientieren hat. 82 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist anzuerkennen, dass das mit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung verfolgte Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen für die Stromerzeugung zu fördern, grundsätzlich geeignet ist, etwaige Behinderungen des freien Warenverkehrs zu rechtfertigen. – Zur Verhältnismäßigkeit 83 Wie bereits in Rn. 76 des vorliegenden Urteils ausgeführt, setzt eine Rechtfertigung der genannten nationalen Regelung jedoch voraus, dass sie den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genügt, d. h., dass sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels geeignet und erforderlich ist. 84 Um auf einige insoweit vom vorlegenden Gericht aufgeworfene Fragen zu antworten, ist vorab, im Licht der eingetretenen Entwicklungen des einschlägigen Unionsrechts, nochmals auf gewisse Besonderheiten des Strommarkts einzugehen, die der Gerichtshof im Kontext seiner Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Urteil PreussenElektra (EU:C:2001:160) berücksichtigt hat. 85 Insbesondere ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 83 bis 86 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 78 des genannten Urteils, wonach die Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt (ABl. 1997, L 27, S. 20), die damals in Kraft war, lediglich eine Stufe bei der Liberalisierung des Elektrizitätsmarkts darstellte und Hemmnisse für den Elektrizitätshandel zwischen den Mitgliedstaaten fortbestehen ließ, nicht mehr aktuell. 86 In der Folge wurden nämlich von der Union verschiedene Regelungen erlassen, die darauf abzielten, die genannten Hemmnisse nach und nach zu beseitigen, um die Schaffung eines voll funktionstüchtigen Strombinnenmarkts zu ermöglichen, auf dem u. a. ein verstärkter grenzüberschreitender Stromhandel in der Union besteht und alle Versorger ihre Erzeugnisse liefern und die Verbraucher ihren Versorger frei wählen können. Zu diesen Regelungen zählen insbesondere nacheinander die Richtlinien 2003/54 und 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54 (ABl. L 211, S. 55) sowie nacheinander die Verordnungen (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (ABl. L 176, S. 1) und (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung Nr. 1228/2003 (ABl. L 211, S. 15). 87 Demgegenüber trifft die Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 79 des Urteils PreussenElektra (EU:C:2001:160), wonach es in der Natur der Elektrizität liegt, dass sich ihre Herkunft und insbesondere die Energiequelle, aus der sie gewonnen wurde, nach der Einspeisung in ein Übertragungs- oder Verteilernetz kaum noch bestimmen lässt, weiterhin zu. 88 Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass in den Richtlinien 2001/77 und 2009/28 vorgesehen ist, dass die Herkunft des grünen Stroms durch Herkunftsnachweise belegt werden kann. 89 Zum einen haben diese Herkunftsnachweise, wie bereits in Rn. 52 des vorliegenden Urteils ausgeführt, lediglich die Funktion, den Endkunden anzugeben, welchen Anteil die grüne Energie am Energiemix eines Stromversorgers ausmacht. 90 Zum anderen ist festzustellen, dass die Herkunftsnachweise angesichts der Fungibilität des in den Übertragungs- und Verteilernetzen vorhandenen Stroms nicht zu belegen vermögen, dass es sich bei einer bestimmten Menge des durch diese Netze gelieferten Stroms um genau die aus den erneuerbaren Energiequellen, in Ansehung deren die Herkunftsnachweise ausgestellt wurden, stammende Menge handelt, so dass die systematische Separation von Strom als grünem Strom in den Stadien der Verteilung und des Verbrauchs weiterhin kaum durchführbar ist. 91 In Anbetracht dieser einleitenden Erwägungen bedarf es als Erstes einer Befassung mit einem der Aspekte der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung, den das vorlegende Gericht in seinen Fragen hervorgehoben hat und aufgrund dessen die von Ålands Vindkraft begehrte Zulassung abgelehnt wurde, und zwar mit der Tatsache, dass Stromzertifikate nach dieser Regelung ausschließlich für den im Inland erzeugten grünen Strom erteilt werden. 92 Insoweit ist anzuerkennen, dass beim derzeitigen Stand des Unionsrechts eine solche territoriale Beschränkung an sich als erforderlich angesehen werden kann, um das im vorliegenden Fall verfolgte legitime Ziel zu erreichen, das darin besteht, eine vermehrte Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung zu fördern. 93 Zwar trifft das u. a. von Ålands Vindkraft angeführte Argument zu, dass das einer Steigerung der Erzeugung und des Verbrauchs grünen Stroms zugrunde liegende Ziel des Umweltschutzes, nämlich insbesondere die Verringerung von Treibhausgasemissionen, wie im Übrigen auch das damit verbundene Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen, auf den ersten Blick in der Union unabhängig davon verfolgt werden kann, in welchem Mitgliedstaat sich die Anlagen befinden, mit denen diese Steigerung bewirkt wird. 94 Da jedoch insbesondere auf Unionsebene keine Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung grünen Stroms erfolgt ist, steht es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei, durch solche Regelungen nur die in ihrem Hoheitsgebiet stattfindende Erzeugung von grünem Strom zu fördern. 95 Erstens lässt sich der Umstand, dass eine nationale Förderregelung so ausgestaltet ist, dass sie unmittelbar die Erzeugung von grünem Strom und nicht dessen bloßen Verbrauch begünstigt, u. a. dadurch erklären, dass Strom nur aufgrund der Art seiner Herstellung als grün bezeichnet werden kann und dass somit die mit der Verringerung der Treibhausgasemissionen verbundenen Umweltziele in erster Linie im Stadium der Erzeugung wirksam verfolgt werden können. 96 Dagegen ist es – wie in den Rn. 87 und 90 des vorliegenden Urteils ausgeführt – schwierig, die genaue Herkunft grünen Stroms zu bestimmen, sobald er in das Übertragungs- oder Verteilernetz eingespeist wurde, so dass seine systematische Separation als grüner Strom im Stadium des Verbrauchs kaum durchführbar erscheint. 97 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass – wie u. a. aus den Erwägungsgründen 1 und 25 sowie aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28 hervorgeht und im Rahmen der Prüfung der ersten Frage dargelegt worden ist – der Unionsgesetzgeber, um die Erfüllung der von der Union eingegangenen internationalen Umweltverpflichtungen zu gewährleisten, den verschiedenen Mitgliedstaaten verbindliche nationale Ziele in Form von Erzeugungsquoten grünen Stroms auferlegt hat. 98 Zweitens ist hinsichtlich der Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Förderregelung aufgrund ihrer Ausgestaltung nur die im Inland stattfindende Erzeugung von grünem Strom erfasst, darauf hinzuweisen, dass – wie der Unionsgesetzgeber im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 ausgeführt hat – die Ausgangslage, das Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energie und der Energiemix in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind, was den Unionsgesetzgeber insbesondere zu der Überlegung veranlasst hat, dass zwischen ihnen unter Berücksichtigung dieser Unterschiede eine faire und angemessene Aufteilung der Anstrengungen zur Erfüllung der genannten internationalen Verpflichtungen der Union vorzunehmen ist. 99 Zudem ist es, wie auch der Unionsgesetzgeber im 25. Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt hat, für die Gewährleistung des ungestörten Funktionierens der nationalen Förderregelungen von wesentlicher Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten die Wirkung und die Kosten der nationalen Förderregelungen entsprechend ihrem jeweiligen Potenzial kontrollieren können und zugleich das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt. 100 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber – unter Wahrung der nationalen und grundsätzlich territorialen Natur der bestehenden Förderregelungen – gleichwohl verschiedene Mechanismen vorgesehen hat, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, so weit wie möglich zusammenzuarbeiten, damit die ihnen von der Richtlinie auferlegten verbindlichen Ziele erreicht werden können. Zu diesen Mechanismen zählt die in Art. 11 der Richtlinie vorgesehene Möglichkeit, gemeinsame Förderregelungen zu erlassen. 101 Wie in Rn. 22 des vorliegenden Urteils angegeben, haben von dieser Möglichkeit u. a. das Königreich Schweden und das Königreich Norwegen Gebrauch gemacht, die ihre Förderregelungen, bei denen jeweils grüne Zertifikate zum Einsatz kommen, aufeinander abgestimmt haben. 102 Zu dem Vorbringen von Ålands Vindkraft, wie Kennzahlen belegten, verfüge das Königreich Schweden schon jetzt über ausreichende Kapazitäten zur Erzeugung grünen Stroms, um die ihm von der Richtlinie auferlegten verbindlichen nationalen Ziele zu erreichen, ist festzustellen, dass dieser Umstand, selbst wenn er zutreffen sollte, nicht die Schlussfolgerung rechtfertigen kann, dass die territoriale Beschränkung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Förderregelung nicht mehr erforderlich sei. 103 Insoweit genügt nämlich der Hinweis, dass eine solche Regelung zur Förderung grüner Energie – deren Erzeugungskosten, wie u. a. die schwedische Regierung und die Kommission dargelegt haben, im Vergleich zu den Kosten von Strom aus nicht erneuerbaren Quellen stets recht hoch erscheinen – im Wesentlichen langfristige Investitionen in neue Anlagen fördern soll, indem sie den Erzeugern gewisse Garantien hinsichtlich der künftigen Abnahme ihrer Erzeugung von grünem Strom gibt. Daher erfordert die Wirksamkeit einer solchen Regelung definitionsgemäß eine gewisse Beständigkeit, die insbesondere geeignet ist, die Wahrung des berechtigten Vertrauens der Investoren, die diesen Weg eingeschlagen haben, und die Fortführung des Betriebs dieser Anlagen sicherzustellen. 104 Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass das Königreich Schweden allein dadurch, dass es eine Förderregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei der grüne Zertifikate zum Einsatz kommen, auf den im Inland erzeugten grünen Strom beschränkt hat, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hätte. Beim derzeitigen Stand des Unionsrechts war das Königreich Schweden zu der Annahme berechtigt, dass eine solche territoriale Beschränkung nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des sowohl mit dieser nationalen Regelung als auch mit der Richtlinie 2009/28, in deren Rahmen sie sich einfügt, verfolgten Ziels erforderlich ist, das darin besteht, in der Union die Erzeugung und, mittelbar, den Verbrauch von grünem Strom zu steigern. 105 Als Zweites ist jedoch zu prüfen, ob die übrigen vom vorlegenden Gericht erwähnten Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung zusammen mit der soeben behandelten territorialen Beschränkung den Schluss zulassen, dass diese Regelung in ihrer Gesamtheit den Anforderungen genügt, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben. 106 Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass diese Regelung nach den Angaben in der Vorlageentscheidung insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer eine Sonderabgabe zahlen müssen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, jedes Jahr eine bestimmte, einem Anteil an ihrem Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entsprechende Menge von Stromzertifikaten zu halten und bei der zuständigen Behörde einzureichen. 107 Des Weiteren geht aus der Beschreibung in der Vorlageentscheidung zum einen hervor, dass sich die Betroffenen die von den Erzeugern abgegebenen Stromzertifikate auf einem speziellen, wettbewerbsorientierten Markt beschaffen können, auf dem sich der Preis nach Angebot und Nachfrage richtet, und zum anderen, dass die genannte Regelung es weder verlangt noch ausschließt, Strom und Zertifikate gemeinsam bei ein und demselben Erzeuger zu erwerben. 108 Somit geht aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung hervor, dass im Fall der Einfuhr von grünem Strom, den Ålands Vindkraft in Finnland erzeugt hat, nach Schweden die Vermarktung oder der Verbrauch dieses Stroms im Allgemeinen voraussetzt, dass die betreffenden Versorger und Verbraucher, zu denen gegebenenfalls Ålands Vindkraft in ihrer Eigenschaft als Versorger gehört, Stromzertifikate für die auf diese Weise eingeführte Strommenge erwerben. 109 Zu diesen verschiedenen Aspekten ist erstens festzustellen, dass eine nationale Förderregelung, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende grüne Zertifikate verwendet, insbesondere darauf abzielt, dass die mit der Erzeugung von grünem Strom verbundenen Mehrkosten unmittelbar vom Markt, d. h. von den der Quotenpflicht unterliegenden Stromversorgern und ‑nutzern und letztlich von den Verbrauchern, getragen werden. 110 Ein Mitgliedstaat, der eine solche Wahl trifft, überschreitet nicht den Wertungsspielraum, der ihm bei der Verfolgung des legitimen Ziels, die Erzeugung grünen Stroms zu steigern, verbleibt. 111 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass eine derartige Regelung, anders als z. B. eine Investitionsbeihilfe, darauf abzielt, den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung grünen Stroms zu fördern, sobald diese in Betrieb genommen worden sind. Dabei dient die Quotenpflicht insbesondere dazu, den Erzeugern von grünem Strom eine Nachfrage für die ihnen zugeteilten Zertifikate zu sichern und auf diese Weise den Absatz der grünen Energie zu erleichtern, die sie zu einem Preis erzeugen, der über dem Marktpreis herkömmlicher Energie liegt. 112 Der mit einer solchen Regelung für die Stromerzeuger im Allgemeinen – darunter u. a. jene, die sowohl Erzeuger als auch Versorger oder Verbraucher sind – verbundene Anreiz, mehr grünen Strom zu erzeugen, und folglich auch die Eignung dieser Regelung zur Erreichung des im vorliegenden Fall verfolgten legitimen Ziels dürfte außer Zweifel stehen. 113 Allerdings ist drittens festzustellen, dass das ungestörte Funktionieren einer solchen Regelung im Wesentlichen das Bestehen von Marktmechanismen voraussetzt, die es den Wirtschaftsteilnehmern, die der Quotenpflicht unterliegen und die noch nicht über die zur Erfüllung dieser Verpflichtung erforderlichen Zertifikate verfügen, ermöglichen, sich auf wirksame Weise und unter fairen Bedingungen Zertifikate zu beschaffen. 114 Daher müssen Mechanismen eingerichtet werden, die die Schaffung eines echten Zertifikatemarkts sicherstellen, auf dem Angebot und Nachfrage wirkungsvoll aufeinandertreffen und ein Gleichgewicht anstreben können, so dass es den betroffenen Versorgern und Nutzern tatsächlich ermöglicht wird, sich unter fairen Bedingungen Zertifikate zu beschaffen. 115 Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts werden die grünen Zertifikate aber in dem betreffenden Mitgliedstaat tatsächlich auf einem wettbewerbsorientierten Markt verkauft, so dass ihr Preis durch Angebot und Nachfrage bestimmt wird. 116 Zu dem Umstand, dass nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung die Versorger und die Nutzer, die der ihnen auferlegten Quotenpflicht nicht nachkommen, eine Sonderabgabe zahlen müssen, ist Folgendes auszuführen. Zwar kann die Auferlegung einer solchen Abgabe als notwendig erachtet werden, um zum einen die Erzeuger zur Steigerung ihrer Erzeugung grünen Stroms und zum anderen die einer Quotenpflicht unterliegenden Wirtschaftsteilnehmer zum tatsächlichen Erwerb der erforderlichen Zertifikate anzuhalten, doch dürfen zudem die Berechnungsmodalitäten und der Betrag dieser Abgabe nicht über das hinausgehen, was für derartige Anreizzwecke erforderlich ist, wobei insbesondere vermieden werden muss, dass die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer übermäßig benachteiligt werden. 117 Viertens ist darauf hinzuweisen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, wie das vorlegende Gericht hervorhebt, es nicht ausschließt, dass die einer Quotenpflicht unterliegenden Versorger und Nutzer von inländischen Erzeugern grünen Stroms sowohl Strom als auch Stromzertifikate beziehen. Ålands Vindkraft macht geltend, aufgrund dessen könnten die inländischen Erzeuger grünen Stroms dessen Absatz fördern, indem sie die Veräußerung von Stromzertifikaten an die Veräußerung von Strom koppelten. 118 Hierzu ist festzustellen, dass – solange es einen Markt für grüne Zertifikate gibt, der den in den Rn. 113 und 114 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen genügt und auf dem sich die Wirtschaftsteilnehmer, die Strom aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt haben, auf wirksame Weise und unter fairen Bedingungen Zertifikate beschaffen können – die Tatsache, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung es den inländischen Erzeugern grünen Stroms ansonsten nicht verbietet, den der Quotenpflicht unterliegenden Wirtschaftsteilnehmern Strom zusammen mit Zertifikaten zu verkaufen, nicht bedeutet, dass diese Regelung über das hinausginge, was zur Erreichung des Ziels, die Erzeugung grünen Stroms zu steigern, erforderlich ist. Denn die Tatsache, dass eine solche Möglichkeit fortbesteht, erscheint geeignet, einen zusätzlichen Anreiz für die Erzeuger zu schaffen, ihre Erzeugung grünen Stroms zu steigern. 119 In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 34 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von grünem Strom nur der im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erzeugte grüne Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer eine Sonderabgabe zahlen müssen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht. Zur vierten Frage 120 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Licht der Gründe der Vorlageentscheidung wissen, ob es – sofern Art. 34 AEUV dahin auszulegen sein sollte, dass er einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, nach der die Inanspruchnahme der mit ihr geschaffenen Fördermaßnahmen auf den im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erzeugten grünen Strom beschränkt ist, entgegensteht – gegen das Unionsrecht und insbesondere den darin verankerten Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt, wenn diese Beschränkung des territorialen Anwendungsbereichs nicht ausdrücklich aus den Bestimmungen der Regelung hervorgeht. 121 Hierzu hat das vorlegende Gericht ausgeführt, dass Anlagen zur Erzeugung grünen Stroms, die sich außerhalb des schwedischen Hoheitsgebiets befänden, nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung nicht zur Inanspruchnahme der Stromzertifizierungsregelung berechtigten. Zwar ergebe sich die genannte Beschränkung nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Regelung, doch sei eine solche Auslegung insbesondere in Anbetracht ihrer Entstehungsgeschichte geboten. 122 Die Kommission macht hierzu geltend, die Beschränkung gehe ausdrücklich aus dem Wortlaut von Kapitel 1 § 5 des Gesetzes von 2011 hervor, so dass die vorgelegte Frage vom Gerichtshof nicht zu beantworten sei. 123 Dazu ist jedoch festzustellen, dass die Frage, inwieweit die Beschränkung des territorialen Anwendungsbereichs der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung möglicherweise aus deren Wortlaut hervorgeht, die Auslegung dieser Regelung betrifft und somit in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte fällt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil ČEZ, C‑115/08, EU:C:2009:660, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 124 Hinsichtlich der Frage des vorlegenden Gerichts ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Förderregelung nach der Antwort, die der Gerichtshof auf die erste Frage gegeben hat, eine Förderregelung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 darstellt, die daher, wie sich aus der letztgenannten Bestimmung ergibt, dazu beitragen soll, dass das Königreich Schweden in seinem Hoheitsgebiet die ihm durch die Richtlinie vorgegebenen verbindlichen Ziele im Bereich der Erzeugung grünen Stroms verwirklicht. 125 Nach ständiger Rechtsprechung haben die Mitgliedstaaten, wenn sie in dieser Weise Maßnahmen zur Umsetzung des Unionsrechts erlassen, die allgemeinen Rechtsgrundsätze einzuhalten, zu denen insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit zählt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Plantanol, C‑201/08, EU:C:2009:539, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie IBV & Cie, C‑195/12, EU:C:2013:598, Rn. 49). 126 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende mit diesem Grundsatz vereinbar ist, da der Gerichtshof, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 AEUV entscheidet, darauf beschränkt ist, dem vorlegenden Gericht alle unionsrechtlichen Auslegungshinweise zu geben, die es diesem ermöglichen können, die Frage der Vereinbarkeit zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Plantanol, EU:C:2009:539, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). 127 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass Rechtsvorschriften klar und bestimmt sind und dass ihre Anwendung für den Einzelnen voraussehbar ist (vgl. u. a. Urteil Plantanol, EU:C:2009:539, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). 128 Insbesondere verlangt dieser Grundsatz, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass sie ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (vgl. u. a. Urteil ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). 129 Was den territorialen Anwendungsbereich der von der Regelung des Ausgangsverfahrens vorgesehenen Förderregelung anbelangt, kann das vorlegende Gericht, um zu ermitteln, ob die Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit erfüllt sind, alle relevanten Gesichtspunkte berücksichtigen, die aus Wortlaut, Zweck oder Aufbau dieser Regelung hervorgehen (vgl. entsprechend Urteil Mitsui & Co. Deutschland, C‑256/07, EU:C:2009:167, Rn. 32). 130 Das vorlegende Gericht kann zudem den Umstand, dass die genannte nationale Regelung im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie 2009/28 steht – auf die im Übrigen die Materialien zum Gesetz von 2011 ausdrücklich Bezug nehmen –, insofern berücksichtigen, als es diese Richtlinie – wie aus der Prüfung der ersten Frage durch den Gerichtshof hervorgeht – insbesondere ausdrücklich erlaubt, dass die Mitgliedstaaten solche territorial begrenzten Förderregelungen erlassen, u. a. zu dem Zweck, ihnen in ihrem Hoheitsgebiet die Erreichung der verbindlichen Ziele zu ermöglichen, die ihnen die Richtlinie im Bereich der Erzeugung grünen Stroms auferlegt. 131 In Anbetracht der vorstehenden Gesichtspunkte und vorbehaltlich der endgültigen Beurteilung, für die allein das nationale Gericht zuständig ist, ist kein Verstoß der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit ersichtlich. 132 Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte, zu denen insbesondere der normative Kontext des Unionsrechts gehören kann, in den sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung einfügt, zu prüfen, ob diese Regelung aus dem Blickwinkel ihres territorialen Anwendungsbereichs den Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit genügt. Kosten 133 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Bestimmungen von Art. 2 Abs. 2 Buchst. k und Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat erlauben, eine Förderregelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende einzuführen, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen nur der im Hoheitsgebiet dieses Staates aus diesen Quellen erzeugte Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer verpflichtet sind, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht. 2. Art. 34 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, die vorsieht, dass bei der Zuteilung handelbarer Zertifikate an die Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen nur der im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aus diesen Quellen erzeugte Strom berücksichtigt werden kann und dass die Stromversorger und bestimmte Stromnutzer eine Sonderabgabe zahlen müssen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, bei der zuständigen Behörde jedes Jahr eine bestimmte Menge solcher Zertifikate einzureichen, die einem Anteil an ihrem gesamten Stromverkauf bzw. Stromverbrauch entspricht. 3. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte, zu denen insbesondere der normative Kontext des Unionsrechts gehören kann, in den sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung einfügt, zu prüfen, ob diese Regelung aus dem Blickwinkel ihres territorialen Anwendungsbereichs den Anforderungen des Grundsatzes der Rechtssicherheit genügt. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Schwedisch.
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 19. Juni 2014.#Commune de Millau und Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) gegen Europäische Kommission.#Rechtsmittel – Schiedsklausel – Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung – Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse – Schuldübernahme – Zuständigkeit des Gerichts – Verjährung – Haftung der Kommission.#Rechtssache C‑531/12 P.
62012CJ0531
ECLI:EU:C:2014:2008
2014-06-19T00:00:00
Kokott, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62012CJ0531 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 19. Juni 2014 (*1) „Rechtsmittel — Schiedsklausel — Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung — Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse — Schuldübernahme — Zuständigkeit des Gerichts — Verjährung — Haftung der Kommission“ In der Rechtssache C‑531/12 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 19. November 2012, Commune de Millau, Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) mit Sitz in Millau (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: L. Hincker und F. Bleykasten, avocats, Rechtsmittelführerinnen, andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission, vertreten durch S. Lejeune und D. Calciu als Bevollmächtigte im Beistand von E. Bouttier, avocat, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, des Richters E. Levits, der Richterin M. Berger sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen (Berichterstatter), Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Februar 2014 folgendes Urteil 1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Commune de Millau und die Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Kommission/SEMEA und Commune de Millau (T‑168/10 und T‑572/10, EU:T:2012:435, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht SEMEA und die Commune de Millau verurteilt hat, als Gesamtschuldner an die Europäische Kommission einen Betrag von 41012 Euro, den diese im Rahmen der SEMEA gewährten Finanzierungen gezahlt hatte, zuzüglich Verzugszinsen und Zinseszinsen zu zahlen. Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Das Gericht hat die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Rn. 1 bis 31 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst: „1 Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, vertreten durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, schloss am 6. Juli 1990 mit der [SEMEA], an der die Commune de Millau (Frankreich) mit 50 % des Kapitals beteiligt war, einen Subventionsvertrag. 2 Der Vertrag betraf eine örtliche Entwicklungsmaßnahme, bestehend aus der Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale (Europäisches Zentrum für örtliche Unternehmen) in Millau (im Folgenden: Vertrag). 3 Art. 2 des Vertrags bestimmte: ‚Die Arbeiten sind innerhalb von 18 Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags auszuführen.‘ 4 Nach Art. 4 des Vertrags verpflichtete sich SEMEA, verschiedene Leistungen zu erbringen und gegenüber der Kommission durch die Vorlage von Berichten in regelmäßigen Abständen darüber Rechenschaft abzulegen, während sich die Kommission ihrerseits verpflichtete, zur Durchführung dieser Arbeiten einen finanziellen Beitrag bis zu einer Höhe von maximal 135000 ECU und bis zu 50 % der gerechtfertigten Kosten der Arbeiten zu leisten. 5 Art. 6 des Vertrags sah vor: ‚Der vorliegende Vertrag unterliegt französischem Recht.‘ 6 Art. 10 des Vertrags lautete wie folgt: ‚Sind keine Mittel oder nur Mittel verfügbar, die für die Durchführung des vorliegenden Vertrags unzureichend sind, ist die Kommission berechtigt, von dem Vertrag ohne gerichtliches Verfahren zurückzutreten oder den Vertrag an die neue Finanzlage anzupassen.‘ 7 Art. 9 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags lautete: ‚Kommt der Vertragspartner seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nach, kann die Kommission – unabhängig von den Folgen nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht – den Vertrag ohne Weiteres kündigen oder von ihm zurücktreten, nachdem sie den Vertragspartner durch Einschreiben zur Leistung aufgefordert hat und dieser der Aufforderung innerhalb eines Monats nicht nachgekommen ist.‘ 8 Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags sah vor: ‚Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, die den Vertrag betreffen und nicht gütlich beigelegt werden können, ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig.‘ 9 Mit Schreiben vom 16. Mai 1991 bat SEMEA die Kommission, den Vertrag durch eine andere Einrichtung, das Centre européen d’entreprise et d’innovation (im Folgenden: Verein CEI 12), durchführen zu können, was die Kommission mit Schreiben vom 2. Juli 1991 akzeptierte, wobei sie klarstellte, dass diese Vereinbarung SEMEA nicht von ihren Verpflichtungen entbinde. SEMEA bestätigte mit Schreiben vom 22. Oktober 1991, dass sie für die ordnungsgemäße Durchführung der im Vertrag vorgesehenen Leistungen hafte. 10 In den Monaten Juni und Juli 1992 führten die Dienststellen der Kommission eine Kontrolle durch, die den Fortschritt der Arbeiten zum Gegenstand hatte und die zum Ergebnis kam, dass sich die Summe der berücksichtigungsfähigen Ausgaben auf 187977 ECU belaufe und der Beitrag der Kommission daher auf 50 % dieses Betrags, also auf 93988 ECU, festzusetzen sei. 11 Da SEMEA aufgrund des Vertrags bereits 135000 ECU erhalten hatte, forderte die Kommission SEMEA mit Schreiben vom 27. April 1993 auf, den Betrag von 41012 ECU zurückzuzahlen (im Folgenden: streitige Forderung). SEMEA ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. 12 Am 17. Februar 1997 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der Aktionäre von SEMEA die vorzeitige einvernehmliche Auflösung von SEMEA zum 31. März 1997 und die Bestellung eines Liquidators. 13 Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 18. November 2005 forderte die Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu begleichen. 14 Am 11. Januar 2006 richtete die Kommission eine Einziehungsanordnung über einen Betrag von 41012 Euro an SEMEA. 15 Mit Antwortschreiben vom 31. Januar 2006 teilte der Liquidator von SEMEA mit, dass die finanzielle Lage der Gesellschaft die Zahlung eines Betrags in dieser Höhe nicht zulasse, dass er sich gezwungen sehe, Insolvenz anzumelden, und dass die streitige Forderung nach französischem Recht als verjährt angesehen werden müsse, da das französische Recht die Beitreibung von Forderungen, die länger als vier Jahre nicht geltend gemacht worden seien, nicht zulasse und die letzte Geltendmachung der Kommission am 27. April 1993 erfolgt sei, also vor mehr als zwölf Jahren. 16 Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 16. Februar 2006 beantragte die Kommission förmlich die Berücksichtigung der streitigen Forderung im Insolvenzverfahren und die Eintragung dieser Forderung in die Insolvenztabelle. 17 Mit Schreiben vom 20. September 2006 teilte SEMEA der Kommission mit, dass die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossen habe, die Stellung des Insolvenzantrags aufzuschieben; sie bezog sich auf ein Protokoll des Vereins CEI 12, aus dem sich ergebe, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung letztlich verzichtet habe. 18 Mit Schreiben vom 29. November 2006 forderte die Kommission durch ihren Anwalt SEMEA in Form einer Mahnung zur Begleichung der Forderung auf. Sie stellte in diesem Schreiben klar, dass sie nie die Absicht gehabt habe, auf diese Forderung zu verzichten. 19 Mit Mahnschreiben vom 30. Januar 2007 forderte der Anwalt der Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu bezahlen, und zog aus der Untätigkeit von SEMEA den Schluss, dass diese ihre Zahlungen eingestellt habe. 20 Mit Schreiben vom 5. Februar 2007 erklärte SEMEA, dass sie die Zahlungen nicht eingestellt habe. 21 Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 übersandte SEMEA eine Kopie des Beschlusses des Vereins CEI 12, in dem festgestellt wurde, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung verzichtet habe. 22 Am 26. Oktober 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung durch den Gerichtsvollzieher am Wohnsitz des Liquidators von SEMEA zustellen. 23 Am 10. Dezember 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung am Sitz der Liquidationsgesellschaft durch den Gerichtsvollzieher zustellen. 24 Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 an den Gerichtsvollzieher, der die Zahlungsaufforderung ausgehändigt hatte, bat der Liquidator von SEMEA erneut um Auskunft über die Entscheidung der Kommission, auf die Begleichung der streitigen Forderung zu verzichten. Er behauptete in seinem Schreiben, die neuen Aktionäre und der Liquidator seien über die Verbindlichkeiten, die SEMEA gegenüber dem Verein CEI 12 eingegangen sei, nicht informiert gewesen. 25 Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 bestritt der Anwalt der Kommission die Behauptungen des Liquidators von SEMEA, forderte ihn erneut in Form einer Mahnung zur Bezahlung der streitigen Forderung auf und übersandte eine Kopie dieses Schreibens an den Staatsanwalt mit der Bitte, das Verhalten des Liquidators von SEMEA insbesondere im Hinblick auf den Straftatbestand des Betrugs zu überprüfen. 26 In Beantwortung dieses letztgenannten Mahnschreibens führte der Liquidator von SEMEA aus, dass die streitige Forderung möglicherweise verjährt sei. Er wies in diesem Schreiben darauf hin, dass er sich Anfang des Jahres 2007 in einem Gespräch mit dem Anwalt der Kommission verpflichtet habe, die streitige Forderung zu begleichen, sobald seine Fragen zur Verjährung der Forderung beantwortet seien. 27 Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 forderte die Kommission SEMEA letztmalig zur Begleichung der streitigen Forderung auf. 28 Am 21. November 2008 nahm die außerordentliche Hauptversammlung von SEMEA die Entscheidung der Commune de Millau, ihrer Hauptaktionärin, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen, zur Kenntnis und beschloss, den Betrag von 82719,76 Euro, die verfügbaren Barmittel von SEMEA, an die Commune [de] Millau [zu] zahlen. Nach dem vom Liquidator vorgelegten Liquidationsbericht, der die streitige Forderung auswies, waren alle übernommenen Geschäfte abgewickelt. 29 Am 9. Dezember 2008 beendete der Liquidator von SEMEA die Liquidation und veranlasste die Löschung von SEMEA im Handelsregister. 30 Am 18. Dezember 2008 bestätigte der Gemeinderat der Commune de Millau die Übernahme des Gesellschaftsvermögens von SEMEA. Unter den Passiva der Gesellschaft war ausdrücklich der Rechtsstreit mit der Europäischen Kommission ausgewiesen. 31 Auf Antrag der Kommission bestellte das Tribunal de commerce Rodez am 12. Februar 2010 einen Ad-hoc-Bevollmächtigten als Vertreter von SEMEA.“ Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil 3 Mit Klageschrift, die am 15. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte die Kommission, SEMEA zu verurteilen, an sie einen Betrag von 41012 Euro zuzüglich Zinseszinsen zurückzuzahlen und 5 000 Euro als Schadensersatz zu zahlen. 4 Da die Commune de Millau sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von SEMEA übernommen hatte, erhob die Kommission mit Klageschrift, die am 21. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage gegen die Commune de Millau. 5 Wegen ihres Zusammenhangs wurden die beiden Rechtssachen verbunden. 6 Im ersten Teil des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Klage der Kommission gegen SEMEA geprüft. 7 In Bezug auf die Zulässigkeit der Klage hat sich das Gericht in den Rn. 47 bis 49 des angefochtenen Urteils für gemäß Art. 272 AEUV und Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen zuständig erklärt, um über den Antrag der Kommission zu entscheiden. Es hat die von SEMEA erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückgewiesen, die darauf gestützt war, dass diese Gesellschaft aufgrund ihrer Löschung im Handelsregister bei Erhebung der Klage nicht rechts- und parteifähig gewesen sei. 8 Zur Begründetheit der Klage hat das Gericht zunächst in den Rn. 61 bis 68 des angefochtenen Urteils den in Rede stehenden Vertrag als öffentlich-rechtlichen Vertrag eingestuft. 9 Sodann hat das Gericht in den Rn. 69 bis 74 des Urteils festgestellt, dass SEMEA nach französischem Recht aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verpflichtet gewesen sei, der Europäischen Union den ohne Rechtsgrund erhaltenen Betrag von 41012 Euro zurückzuzahlen. 10 Das Gericht hat in den Rn. 75 bis 88 des angefochtenen Urteils die Einwände von SEMEA zurückgewiesen, mit denen diese erstens einen Verzicht seitens der Kommission auf die Rückzahlung der geschuldeten Summe, zweitens eine Befreiung von SEMEA von ihrer Verbindlichkeit infolge der Übernahme durch die Commune de Millau, drittens die Verjährung der streitigen Forderung und viertens das Erlöschen dieser Forderung geltend gemacht hatte. 11 Außerdem hat das Gericht SEMEA zur Zahlung von Verzugszinsen ab dem 27. April 1993 in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Zinssatzes verurteilt, wobei die kapitalisierten, bis zum 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Zinsen ihrerseits zu verzinsen waren. 12 Schließlich hat das Gericht den Antrag der Kommission auf Zahlung von Schadensersatz zurückgewiesen. 13 Die Widerklage von SEMEA hat das Gericht abgewiesen, nachdem es in den Rn. 108 und 109 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblichen Schaden kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehe. 14 Im zweiten Teil des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau geprüft. Nach Auffassung der Commune de Millau war diese Klage abzuweisen, da sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben worden sei. 15 Zur Frage, ob die Zuständigkeit des Gerichts auf die von SEMEA vereinbarte Schiedsklausel gestützt werden konnte, hat das Gericht in den Rn. 114 bis 119 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass Art. 272 AEUV eng auszulegen sei und dass sich seine Zuständigkeit für die Entscheidung eines Rechtsstreits über einen Vertrag grundsätzlich allein nach Art. 272 AEUV und der Schiedsklausel selbst beurteile. 16 Nachdem es die Auffassung der Kommission zurückgewiesen hatte, wonach die von SEMEA vereinbarte Schiedsklausel als vom Bestehen der fraglichen Verbindlichkeit abhängige Regelung auf die Commune de Millau übertragen worden sei, hat das Gericht in den Rn. 132 bis 149 des Urteils geprüft, ob die Commune de Millau der Schiedsklausel im Wege eines mit SEMEA geschlossenen Vertrags zugunsten Dritter unterworfen worden sein könnte. 17 Insoweit hat das Gericht zunächst in Rn. 134 des Urteils festgestellt, dass das Vorliegen einer Schiedsklausel unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts der Mitgliedstaaten geprüft werde. Es hat näher ausgeführt, dass, „[s]elbst wenn … einer dieser Grundsätze besagt, dass ein Vertrag nur die Vertragsparteien bindet, … es dieser Grundsatz nicht [verwehrt], dass zwei Parteien einem Dritten durch einen Vertrag zugunsten Dritter ein Recht einräumen“. 18 Sodann hat das Gericht in Rn. 135 des angefochtenen Urteils entschieden, dass sich die Geltung der in Art. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehene Schiedsklausel aus dem zwischen SEMEA und der Commune de Millau geschlossenen Vertrag ergeben könne. Zum einen nämlich bestimme Art. 272 AEUV, dass eine Schiedsklausel in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen Vertrag enthalten sein müsse. Die Commune de Millau und die Kommission hätten aber keinen Vertrag geschlossen und daher auch keine Schiedsklausel vereinbart. Um zu dem Schluss zu gelangen, dass die Kommission sich gegenüber der Commune de Millau auf diese Schiedsklausel berufen könne, hat das Gericht angenommen, dass der zwischen SEMEA und der Commune de Millau geschlossene Vertrag zugunsten Dritter als ein für Rechnung der Union abgeschlossener Vertrag angesehen werden könne. Zum anderen hat es festgestellt, dass die Zuständigkeit des Gerichts für Rechtsstreitigkeiten, die einen Vertrag betreffen, nicht gegen den Willen der Union begründet werden könne, was jedoch bei einer allein zugunsten der Union vereinbarten Schiedsklausel nicht der Fall sei. 19 Schließlich hat das Gericht in Rn. 136 des angefochtenen Urteils hinzugefügt, dass die verfahrensrechtliche Natur einer Schiedsklausel nicht dagegen spreche, dass sie zugunsten Dritter vereinbart werde. 20 Nachdem es in Rn. 138 des Urteils ausgeführt hat, dass sich das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter aus einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden ergeben könne, mit der einem Dritten ein Recht eingeräumt werden solle, aber auch aus dem Zweck des Vertrags oder den Umständen des Falls abgeleitet werden könne, hat das Gericht in den Rn. 139 bis 141 des Urteils insbesondere im Hinblick auf die tatsächlichen und rechtlichen Angaben im Protokoll des Gemeinderats der Commune de Millau vom 18. Dezember 2010 festgestellt, dass die Rechtsmittelführerinnen eine Forderung der Union gegenüber der Commune de Millau hätten begründen wollen und dass diese sich der in Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen vorgesehenen Schiedsklausel habe unterwerfen wollen. 21 Damit hat das Gericht in Rn. 142 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach die Übertragung der Schuld von SEMEA auf die Commune de Millau befreiende Wirkung für SEMEA gehabt habe, zurückgewiesen, da eine solche Schuldübertragung eine Zustimmung der Union erfordert hätte, die im vorliegenden Fall fehle. 22 Ferner hat das Gericht in Rn. 148 des Urteils ausgeführt, dass, selbst wenn es einen Konflikt zwischen den Bestimmungen des französischen Rechts – Art. 2060 des Code civil und Art. 48 des Code de la procédure civile – und Art. 272 AEUV geben würde, die letztgenannte Vorschrift Vorrang vor jeder abweichenden innerstaatlichen Bestimmung haben müsse. 23 Das Gericht hat hieraus in Rn. 149 des Urteils geschlossen, dass es aufgrund der Schiedsklausel für die Entscheidung über die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau zuständig sei. 24 In der Sache hat das Gericht sowohl den Antrag auf Erstattung des Betrags in Höhe von 41012 Euro als auch den Antrag auf Zahlung von Zinsen, die ihrerseits ab dem 15. April 2010, dem Tag der ersten jährlichen Fälligkeit, zu verzinsen sind, gegenüber der Commune de Millau für begründet erklärt. 25 Da die Kommission die Zahlung nur einmal verlangen kann, hat das Gericht SEMEA und die Commune de Millau als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt. 26 Dagegen hat es den Antrag auf Schadensersatz der Kommission sowie den Widerklageantrag der Commune de Millau zurückgewiesen. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien 27 Mit ihrem Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen, — das angefochtene Urteil aufzuheben; — das Gericht für zur Entscheidung über die gegen die Commune de Millau erhobene Klage unzuständig zu erklären und die Klage gegen SEMEA für unzulässig zu erklären; — hilfsweise, den Antrag der Kommission zurückzuweisen; — die Kommission zur Zahlung von 41012 Euro zuzüglich Zinsen an die Commune de Millau und SEMEA zu verurteilen; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 28 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel Zur formellen Ordungsmäßigkeit des Rechtsmittels 29 Das vorliegende Rechtsmittel wirft, wie die Generalanwältin in Nr. 32 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Frage auf, ob es im Namen von SEMEA wirksam eingelegt worden ist. 30 Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, d. h. am 19. November 2012, die für die Commune de Millau auftretenden Anwälte entgegen den Bestimmungen von Art. 119 Abs. 2 und Art. 168 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs keinen Nachweis einer durch einen befugten Vertreter von SEMEA erteilte Vollmacht vorgelegt hatten. 31 Zwar hat Herr Blanc in seiner Eigenschaft als Ad-hoc-Bevollmächtigter von SEMEA es in einem an Rechtsanwalt Bleykasten gerichteten Schreiben vom 12. November 2012 als zweckmäßig erachtet, dass SEMEA sich dem von der Commune de Millau eingelegten Rechtsmittel anschließe; er hat jedoch darauf hingewiesen, dass seine Amtszeit als Ad-hoc-Bevollmächtigter von SEMEA am 12. August 2012 geendet habe. 32 Gemäß Art. 119 Abs. 4 und Art. 168 Abs. 4 der Verfahrensordnung hat die Kanzlei des Gerichtshofs im Oktober 2013 die Anwälte von SEMEA zur Vorlage der Vollmacht aufgefordert, aus der hervorgehe, dass sie dazu ermächtigt waren, im Namen von SEMEA zu handeln. Mit Schreiben vom 25. November 2013 haben diese bei der Kanzlei des Gerichtshofs einen Beschluss des zuständigen Tribunal de commerce (Handelsgericht) vom 5. November 2013 eingereicht, in dem im Hinblick auf das beim Gerichtshof anhängige Verfahren Herr Blanc als Ad-hoc-Bevollmächtigter dieser Gesellschaft bestellt wurde. 33 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 40 bis 44 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, sind Art. 119 Abs. 4 und Art. 168 Abs. 4 der Verfahrensordnung dahin auszulegen, dass eine fehlende Bevollmächtigung zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels durch die nachträgliche Vorlage eines das Bestehen dieser Bevollmächtigung bestätigenden Dokuments geheilt werden kann. 34 Obwohl die Anwälte von SEMEA zum Zeitpunkt der Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels nicht über eine Vollmacht seitens dieser Gesellschaft verfügten, konnte folglich Herr Blanc nach seiner Bestellung als Ad-hoc-Bevollmächtigter rechtsgültig seinen Willen bestätigen, dass SEMEA sich dem von der Commune de Millau eingelegten Rechtsmittel anschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil Maurissen und Union syndicale/Rechnungshof, 193/87 und 194/87, EU:C:1989:185, Rn. 33). 35 Folglich ist das Rechtsmittel ordnungsgemäß im Namen von SEMEA eingelegt worden. Zur Begründetheit 36 Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Zum ersten Rechtsmittelgrund – Vorbringen der Parteien 37 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe sich rechtsfehlerhaft für zuständig erklärt, über die Klage gegen die Commune de Millau zu entscheiden. Es habe zu Unrecht angenommen, dass sich die Commune de Millau mit dem zwischen ihr und SEMEA geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter der Schiedsklausel in Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen des zwischen SEMEA und der Kommission geschlossenen Vertrags unterworfen habe. 38 Die Rechtsmittelführerinnen machen erstens geltend, dass das anwendbare nationale Recht, hier Art. 2060 des Code civil, es juristischen Personen des öffentlichen Rechts untersage, einen Rechtsstreit vor ein Schiedsgericht zu bringen. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die keine Schiedsklausel vereinbaren könne, könne eine solche Klausel erst recht nicht zugunsten eines Dritten vereinbaren, zumal Art. 272 AEUV die Möglichkeit einer solchen Vereinbarung nicht vorsehe. 39 Außerdem sei die Bezugnahme des Gerichts in Rn. 136 des angefochtenen Urteils auf das Urteil Gerling Konzern (201/82, EU:C:1983:217, Rn. 10 bis 20) für den vorliegenden Fall nicht relevant, da dieses Urteil im speziellen Kontext eines Versicherungsvertrags ergangen sei. Darüber hinaus liege, da die Kommission einer Übertragung der Forderung, die sie im Hinblick auf SEMEA gegen das Vermögen der Commune de Millau besitze, nie ausdrücklich zugestimmt habe, nach dem Grundsatz der Privatautonomie weder eine Übertragung dieser Forderung noch eine Übertragung der Schiedsklausel vor. 40 Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen insbesondere die Rn. 137 bis 140 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht festgestellt hat, dass die Zahlungsverpflichtung zulasten der Commune de Millau ihren Grund in der Vereinbarung habe, die diese mit SEMEA geschlossen habe, aus der ein Vertrag zugunsten Dritter – der Union – abgeleitet werden könne. Eine solche Vereinbarung über die angebliche Verbindlichkeit gegenüber der Kommission sei nie abgeschlossen worden, da die Entscheidung der Commune de Millau in Bezug auf die Übernahme der Verbindlichkeiten von SEMEA eine einseitige Entscheidung dieser Gemeinde darstelle. 41 Drittens sind die Rechtsmittelführerinnen der Ansicht, dass das Gericht in Rn. 140 des angefochtenen Urteils den Beschluss vom 18. Dezember 2010 unrichtig aufgefasst habe, indem es angenommen habe, dass die Commune de Millau „in voller Kenntnis der Sachlage“ eine Schuld habe übernehmen wollen, die nach Art und Inhalt der Schuld von SEMEA entsprochen habe. Die Entscheidung des Gemeinderats der Commune de Millau über die Übernahme der Forderungen und Verbindlichkeiten von SEMEA „wie oben beschrieben“ enthalte aber eine detaillierte Beschreibung, in der es keinen Hinweis auf das Bestehen einer Schiedsklausel gebe. 42 Die Kommission macht zunächst geltend, dass Art. 10 der Allgemeinen Vertragsbedingungen nach französischem Recht als Klausel über die gerichtliche Zuständigkeit und nicht als Schiedsklausel zu qualifizieren sei. Von dem in Art. 2060 des Code civil betroffenen Verbot sei indes nur die Schiedsklausel erfasst. 43 Sodann habe das Gericht zu Recht angenommen, dass die Merkmale eines Vertrags zugunsten Dritter vorlägen. Die Tragweite des Urteils Gerling Konzern (EU:C:1983:217) sei nicht auf Versicherungsverträge beschränkt. 44 Schließlich sei das Argument in Bezug auf den Beschluss vom 18. Dezember 2010 als unzulässig zurückzuweisen, da es eine reine Tatsachenfrage zum Gegenstand habe. – Würdigung durch den Gerichtshof 45 Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstanden die Rechtsmittelführerinnen die Auffassung, dass eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV Gegenstand eines Vertrags zugunsten Dritter sein könne. Sie weisen insoweit auf ihr erstinstanzliches Vorbringen zu dem für juristische Personen des französischen öffentlichen Rechts geltenden Verbot, eine Schiedsklausel zu vereinbaren, hin und machen geltend, dass dieses Verbot erst recht für die Vereinbarung einer solchen Klausel zugunsten eines Dritten gelten müsse. 46 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich die Rechtsmittelführerinnen darauf beschränken, eine bereits vor dem Gericht vorgebrachte Argumentation weiterzuentwickeln, ohne zu der Begründung Stellung zu nehmen, mit der das Gericht diese zurückgewiesen hat. 47 Aus Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 112 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs folgt aber, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteile Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, EU:C:2000:361, Rn. 34, Interporc/Kommission, C‑41/00 P, EU:C:2003:125, Rn. 15, sowie Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, EU:C:2006:541, Rn. 49). 48 Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe oder Argumente einschließlich derjenigen wiederholt oder wörtlich wiedergibt, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, genügt somit nicht den Begründungserfordernissen, die sich aus diesen Vorschriften ergeben (vgl. u. a. Urteil Interporc/Kommission, EU:C:2003:125, Rn. 16). Ein solches Rechtsmittel zielt nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt (vgl. u. a. Urteil Reynolds Tobacco u. a./Kommission, EU:C:2006:541, Rn. 50). 49 Daher ist dieses Argument als unzulässig zurückzuweisen. 50 Was die Bezugnahme auf das Urteil Gerling Konzern (EU:C:1983:217) in Rn. 136 des angefochtenen Urteils betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht dieses Urteil zitiert hat, um hervorzuheben, dass „[d]ie verfahrensrechtliche Natur einer Schiedsklausel … nicht dagegen [spricht], dass sie zugunsten Dritter vereinbart wird“. 51 Es genügt aber, festzustellen, dass Rn. 136 des angefochtenen Urteils eine zusätzliche Begründung enthält, die die Schlussfolgerung stützt, zu der das Gericht in den Rn. 134 und 135 des Urteils gelangt war, nämlich dass eine Gerichtsstandsvereinbarung Gegenstand eines Vertrags zugunsten Dritter sein könne. 52 Da das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf das Urteil Gerling Konzern (EU:C:1983:217) die Schlussfolgerung des Gerichts somit nicht zu entkräften vermag, ist es als ins Leere gehend zurückzuweisen. 53 Das auf den Grundsatz der Privatautonomie gestützte Vorbringen, dass es wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Zustimmung der Kommission weder eine Übertragung der streitigen Forderung noch der darauf bezogenen Schiedsklausel gegeben habe, ist ebenfalls zurückzuweisen. Die Rechtsmittelführerinnen wiederholen nämlich nur ihre im ersten Rechtszug ausgeführte Argumentation, ohne näher darzulegen, inwiefern die Begründung des Gerichts, soweit es in den Rn. 142 und 143 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die ausdrückliche Zustimmung der Kommission nicht erforderlich gewesen sei, da die Schiedsklausel zugunsten der Union vereinbart wurde, zu beanstanden sein soll. 54 Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes genügt die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen, indem sie auf bestimmte tatsächliche Gesichtspunkte hinweisen, im Wesentlichen die Würdigung der Umstände des Falles rügen, die das Gericht in den Rn. 137 bis 140 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat, um zu bestimmen, ob das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter aus dem Zweck des in Rede stehenden Vertrags abgeleitet werden kann. 55 Nach den Art. 256 AEUV und 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist aber das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt und muss auf die Unzuständigkeit des Gerichts, auf einen Verfahrensfehler, durch den die Interessen des Rechtsmittelführers beeinträchtigt werden, oder auf eine Verletzung des Unionsrechts durch das Gericht gestützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, EU:C:1994:211, Rn. 47). 56 Daher ist allein das Gericht für die Feststellung des Sachverhalts – sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und für die Würdigung der Beweise zuständig. Die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Beweise stellen demnach, außer im Fall ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile EIB/Hautem, C‑449/99 P, EU:C:2001:502, Rn. 44, sowie Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, EU:C:2006:592, Rn. 69 und 70). 57 Die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung, die zu dem Ergebnis geführt hat, dass eine Zahlungsverpflichtung der Commune de Millau bestand, stellt somit, soweit keine Verfälschung dieser Tatsachen vorliegt, die von den Rechtsmittelführerinnen jedoch nicht behauptet worden ist, keine Rechtsfrage dar, die der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt. 58 Der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist daher unzulässig. 59 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe in Rn. 141 des angefochtenen Urteils bei der Bestimmung der Frage, welche Tragweite die Übernahme der Verbindlichkeit von SEMEA durch die Commune de Millau gegenüber der Kommission gehabt habe, den Beschluss vom 18. Dezember 2010 unrichtig aufgefasst. 60 Es ist jedoch festzustellen, dass sich die Rechtsmittelführerinnen darauf beschränken, die Würdigung, die das Gericht in Bezug auf den Umfang der von der Commune de Millau übernommenen Verbindlichkeiten von SEMEA vorgenommen hat, als solche zu beanstanden. Somit bezieht sich ihre Behauptung weder auf die tatsächliche Unrichtigkeit der Feststellungen des Gerichts noch auf eine Verfälschung der ihm vorgelegten Beweise. 61 Gemäß der in den Rn. 55 und 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist auch dieser dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen. 62 Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund als teilweise ins Leere gehend und teilweise unzulässig zurückzuweisen. Zum zweiten Rechtsmittelgrund – Vorbringen der Parteien 63 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht mit seiner Entscheidung, dass die Klage der Kommission gegen SEMEA zulässig sei, einen Rechtsfehler begangen habe. Das Gericht habe zu Unrecht zum einen festgestellt, dass die gesellschaftsrechtlichen Rechte und Verbindlichkeiten von SEMEA nicht erloschen seien, und zum anderen, dass SEMEA von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Kommission nicht infolge der Übertragung ihres Vermögens an die Commune de Millau befreit worden sei, da die Kommission der Übernahme der streitigen Forderung durch diese Gemeinde nicht zugestimmt habe. 64 Da die Commune de Millau vollständig an die Stelle von SEMEA getreten sei, habe diese nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen ihre Abwicklung beenden können. SEMEA sei rechtsgültig von ihren Verbindlichkeiten gegenüber der Kommission befreit worden, deren Zustimmung nicht erforderlich sei, da ihre Ersetzung durch eine zahlungsfähige juristische Person für die Kommission vorteilhaft sei. 65 Die Kommission hält den Rechtsmittelgrund für unzulässig, weil er nicht klar sei. Hilfsweise sei der Rechtsmittelgrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. – Würdigung durch den Gerichtshof 66 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Commune de Millau an die Stelle von SEMEA getreten sei. Damit billigen sie in Wirklichkeit die Begründung, die das Gericht in den Rn. 138 bis 140 des angefochtenen Urteils angeführt hat, wonach aus den Umständen des Falles hervorgehe, dass die tatsächlichen oder potenziellen Gläubiger von SEMEA, zu denen insbesondere die Kommission gehört, durch einen Vertrag zugunsten Dritter in der Commune de Millau einen neuen Schuldner erhalten hätten. 67 Es ist jedoch festzustellen, dass sich die von den Rechtsmittelführerinnen gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Rügen auf die vom Gericht vorgenommene Sachverhaltswürdigung beschränken, ohne genau anzugeben, welche Rechtsfehler das Gericht insoweit begangen haben soll, oder die rechtlichen Argumente vorzubringen, die für diesen zweiten Rechtsmittelgrund geltend gemacht werden. Nach der in den Rn. 47 und 48 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist dieser zweite Rechtsmittelgrund unzulässig. 68 Darüber hinaus ist festzustellen, dass dieser zweite Rechtsmittelgrund im Wesentlichen die Ausführungen aufgreift, die die Rechtsmittelführerinnen im Rahmen ihres ersten Rechtsmittelgrundes gemacht haben, der jedoch darauf hinauslief, das Vorliegen jeder Vereinbarung zwischen SEMEA und der Commune de Millau über die behauptete Verbindlichkeit gegenüber der Kommission zu verneinen. 69 Deshalb, und da die Rechtsmittelführerinnen somit ihrer eigenen rechtlichen Argumentation widersprechen, ist dieser zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Beschluss Nijs/Rechnungshof, C‑495/06 P, EU:C:2007:644, Rn. 52 bis 56). Zum dritten Rechtsmittelgrund – Vorbringen der Parteien 70 Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es entschieden habe, dass die 30-jährige Verjährungsfrist des allgemeinen Rechts anwendbar und die streitige Forderung damit nicht verjährt sei. 71 Die Rechtsmittelführerinnen weisen zum einen darauf hin, dass die Commune de Millau, da sie das Vermögen von SEMEA übernommen habe, berechtigt sei, der Kommission gegenüber dieselben rechtlichen Argumente geltend zu machen, auf die sich SEMEA hätte berufen können, einschließlich des Arguments betreffend die zehnjährige Verjährung von Verbindlichkeiten gemäß dem Code de commerce in seiner vorliegend maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Code de commerce). Zum anderen sei, da SEMEA eine gemischtwirtschaftliche Gesellschaft mit Handelscharakter sei, die streitige Forderung im Rahmen einer Handelsbeziehung zwischen SEMEA, die Kaufmannseigenschaft habe, und der Kommission, die keine Kaufmannseigenschaft habe, entstanden. 72 Erstens machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Verjährung der Verbindlichkeiten nicht vom verwaltungsrechtlichen Charakter des Vertrags abhänge. Da es an einer besonderen verwaltungsrechtlichen Regelung fehle, seien nämlich die Verjährungsregeln des allgemeinen Rechts anwendbar. Die im Code de commerce vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist sei eine spezielle Rechtsvorschrift, die Vorrang vor den Vorschriften des bürgerlichen Rechts habe; sie müsse daher auf die im vorliegenden Fall in Rede stehende handelsrechtliche Beziehung angewandt werden. 73 Zum Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 (Nr. 69661) weisen die Rechtsmittelführerinnen darauf hin, dass der Verwaltungsrichter die Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist nicht aus dem Grund abgelehnt habe, dass sie nicht zwischen einer Person des öffentlichen Rechts und einem Kaufmann anwendbar wäre, sondern, weil die streitigen Verbindlichkeiten nicht in einer Handelsbeziehung zwischen den betroffenen Personen entstanden seien. Folglich könne die Rechtsnatur des fraglichen Vertrags der Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen zehnjährigen Verjährungsfrist nicht entgegenstehen. 74 Zweitens werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, die Bestimmungen des Vertrags und die Umstände des vorliegenden Falles unzutreffend dahin gehend gewürdigt zu haben, dass die streitige Forderung nicht als im Rahmen der Handelsbeziehung zwischen SEMEA und der Kommission entstanden anzusehen sei. 75 In diesem Zusammenhang betonen sie, dass das Urteil des Conseil d’ État vom 31. Juli 1992 in dem völlig anderen Kontext der im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik eingeführten landwirtschaftlichen Erstattungen ergangen sei und nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden könne. In Anbetracht der vertraglichen Bestimmungen sei die Kommission nämlich unmittelbar in das fragliche Vorhaben einbezogen und verfüge über einen beherrschenden Einfluss auf das Werk, so dass das Vorliegen einer Handelsbeziehung zwischen SEMEA und der Kommission festzustellen sei. 76 Die Kommission macht geltend, dass der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes als unzulässig oder zumindest als unbegründet zurückzuweisen sei, da er auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils beruhe. Das Gericht habe seine Begründung in Bezug auf die Verjährung der streitigen Forderung in keiner Weise auf den verwaltungsrechtlichen Charakter des in Rede stehenden Vertrags gestützt. 77 Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes anbelangt, habe sich das Gericht zutreffend auf das Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 bezogen, um den Grundsatz zu veranschaulichen, dass ein Vertrag, der auf die Zahlung einer finanziellen Beihilfe im Rahmen der Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung ohne Gewinn oder Gegenleistung abziele, nicht als ein Handelsgeschäft angesehen werden könne, so dass für ihn nicht die in Art. 110-4 des Code de commerce vorgesehene zehnjährige Verjährungsfrist gelte. – Würdigung durch den Gerichtshof 78 Was erstens das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen betrifft, dass der öffentlich-rechtliche Charakter des Vertrags für die Bestimmung der auf die streitige Forderung anwendbaren Verjährungsfrist ohne Bedeutung sei, ist festzustellen, dass das Gericht in den Rn. 61 bis 68 des angefochtenen Urteils geprüft hat, welche Regelung auf diesen Vertrag anzuwenden ist, und zu dem Ergebnis gelangt ist, dass es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handele. 79 Bei seiner Prüfung der Frage, welche Verjährungsfrist für die streitige Forderung gilt, hat das Gericht in den Rn. 82 bis 88 des angefochtenen Urteils aber keinen Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Charakter des in Rede stehenden Vertrags genommen. 80 Da der öffentlich-rechtliche Charakter dieses Vertrags keine Auswirkungen auf die Bestimmung der für die streitige Forderung geltenden Verjährungsfrist hatte, ist das hierzu vorgebrachte Argument als ins Leere gehend zurückzuweisen. 81 Zweitens ist zu dem Vorwurf, das Gericht habe die Bestimmungen des Vertrags und die Umstände des vorliegenden Falles unzutreffend gewürdigt, festzustellen, dass das Gericht in Rn. 83 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass der in Rede stehende Vertrag die Zahlung einer Subvention durch die Kommission betroffen habe, deren Zweck die Erfüllung eines im Rahmen der Regionalpolitik der Union geschlossenen Vertrags gewesen sei. 82 Es hat hieraus, gestützt auf das Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992, gefolgert, dass „nicht davon ausgegangen werden [kann], dass die sich insoweit ergebenden Verbindlichkeiten, zu denen die streitige Forderung zählt, im Handelsverkehr zwischen der Kommission und SEMEA entstanden sind“. 83 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich das Gericht für den Ausschluss der Anwendung der im Code de commerce vorgesehenen Verjährungsfrist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht darauf gestützt hat, dass der Vertrag zwischen einer öffentlich-rechtlichen Person und einem Kaufmann geschlossen wurde, sondern darauf, dass der in Rede stehende Vertrag die Zahlung einer Subvention durch die Kommission für die Zwecke der Erfüllung eines im Rahmen der Regionalpolitik der Union geschlossenen Vertrags betroffen habe. 84 Ferner kann das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach der Kontext des vorliegenden Falles ein völlig anderer sei als der, um den es im Urteil des Conseil d’État vom 31. Juli 1992 gegangen sei, keinen Erfolg haben. Die streitige Rückzahlungsaufforderung bezog sich nämlich auf Beträge, die die Kommission im Rahmen einer Regionalpolitik gezahlt hatte und von denen nicht angenommen werden konnte, dass sie sich aus Verbindlichkeiten ergäben, die zwischen den Rechtsmittelführerinnen und der Kommission im Rahmen ihrer Handelstätigkeit entstanden wären. 85 Demnach ist der dritte Rechtsmittelgrund als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet zurückzuweisen. Zum vierten Rechtsmittelgrund – Vorbringen der Parteien 86 Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund werfen die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vor, ihre Widerklage mit der Feststellung abgewiesen zu haben, dass zwischen dem Verhalten der Kommission und dem von ihnen behaupteten Schaden kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehe. 87 Die Kommission habe zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 nichts unternommen, um die ihrer Ansicht nach geschuldeten Beträge beizutreiben. Wäre sie früher bei SEMEA vorstellig geworden, hätte diese Prüfungen vornehmen und gegebenenfalls der Rückzahlungsforderung angemessen nachkommen können. 88 Die Untätigkeit der Kommission während zwölf Jahren habe SEMEA annehmen lassen, dass die Kommission auf die Rückzahlung der gezahlten Beträge verzichtet habe. 89 Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen stellt eine solche Untätigkeit der Kommission einen Verstoß gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dar, den das Gericht hätte ahnden müssen. 90 Die Kommission hält den vierten Rechtsmittelgrund für unzulässig, da er darauf abziele, die vom Gericht vorgenommene Tatsachenwürdigung in Frage zu stellen. – Würdigung durch den Gerichtshof 91 Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf den angeblichen Verzicht der Kommission auf die Rückzahlung der gezahlten Beträge ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 77 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass nach den Prozessakten das Vorliegen eines Verzichts nicht habe festgestellt werden können. 92 Daher rügen die Rechtsmittelführerinnen mit diesem Vorbringen in Wirklichkeit die Würdigung des Akteninhalts durch das Gericht. Nach der in den Rn. 55 und 56 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist das Vorbringen infolgedessen als unzulässig zurückzuweisen. 93 Soweit die Rechtsmittelführerinnen der Kommission einen Verstoß gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung vorwerfen, ist unbestritten, dass die Kommission zwar mit Schreiben vom 27. April 1993 die Rückzahlung der streitigen Forderung verlangt hat und SEMEA dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist. Sie hat sich allerdings erst mit Einschreiben vom 18. November 2005 erneut an SEMEA gewandt, und die Versendung der Einziehungsanordnung erfolgte erst mit dem Schreiben vom 11. Januar 2006. 94 Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die Beurteilungen in den Rn. 108 und 109 des angefochtenen Urteils in Frage zu stellen, wonach kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem von den Rechtsmittelführerinnen behaupteten Schaden, was den Betrag von 41012 Euro betrifft, bestanden habe. 95 Das Gericht hat somit zutreffend entschieden, dass die Zahlungsaufforderung über die Forderung von 41012 Euro auf die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beträge gerichtet war und dass, da diese Forderung nicht verjährt war, SEMEA jedenfalls zur Zahlung verpflichtet war. Da die beiden Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, war der Betrag der streitigen Forderung selbst dann fällig, wenn unterstellt wird, dass die Kommission aufgrund des Verstoßes gegen ihre Verpflichtung zu ordnungsgemäßer Verwaltung außervertraglich haftet. 96 Was dagegen die Verzugszinsen betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die außervertragliche Haftung der Union und der Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 340 AEUV davon abhängen, dass eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist, die sich auf die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Vorliegen des Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beziehen (vgl. u. a. Urteile Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, EU:C:1982:318, Rn. 16, Birra Wührer u. a./Rat und Kommission, 256/80, 257/80, 265/80, 267/80, 5/81, 51/81 und 282/82, EU:C:1984:341, Rn. 9, und Inalca und Cremonini/Kommission, C‑460/09 P, EU:C:2013:111, Rn. 46). 97 In Bezug auf das der Kommission vorgeworfene rechtswidrige Verhalten ist darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der zu den Garantien gehört, die die Unionsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, und der gegenwärtig in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist, die Unionsorgane Beitreibungsverfahren mit Sorgfalt durchzuführen und so zu handeln haben, dass jede Verfolgungsmaßnahme innerhalb einer angemessenen Frist nach der vorausgegangenen Maßnahme erfolgt. 98 Es steht jedoch fest, dass die Kommission, nachdem sie mit Schreiben vom 27. April 1993 die Rückzahlung der streitigen Forderung verlangt hatte, über zwölf Jahre untätig geblieben ist und erst mit Einschreiben vom 18. November 2005 wieder vorstellig geworden ist. 99 Darüber hinaus kann eine solche Untätigkeit weder mit der Komplexität des Rechtsstreits noch mit einem anderen besonderen, den festgestellten Verzug rechtfertigenden Umstand gerechtfertigt werden. 100 Unter diesen Umständen hat das Gericht in Rn. 108 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden, dass kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblichen Schaden bestehe. 101 Was das Vorliegen des Schadens angeht, trifft es zu, dass die Zinsen angefallen sind, weil SEMEA der Rückzahlungsaufforderung der Kommission vom 27. April 1993 nicht unverzüglich nachgekommen ist. 102 Die über zwölf Jahre andauernde Untätigkeit der Kommission hatte allerdings, wie aus Nr. 89 der Schlussanträge der Generalanwältin hervorgeht, zur Folge, dass die geforderten Verzugszinsen den Betrag der streitigen Forderung mittlerweile übersteigen. 103 Gemäß Nr. 90 der genannten Schlussanträge ist festzustellen, dass der Betrag der in dem über zwölf Jahre dauernden Zeitraum der Untätigkeit der Kommission angefallenen Verzugszinsen unmittelbar dem Verhalten dieses Organs anzulasten ist. 104 Daher ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin im Rahmen der Prüfung der von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Widerklage festgestellt worden ist, dass kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblich durch die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen erlittenen Schaden besteht. Zur Klage 105 Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Das ist hier der Fall. 106 Vorliegend ist in Anbetracht der spezifischen Merkmale des Falles über die Widerklage der Rechtsmittelführerinnen wegen der Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen zu entscheiden. 107 Aus den Rn. 97 bis 104 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass der Schaden, der aus den Verzugszinsen besteht, die während der mehr als zwölf Jahre andauernden Untätigkeit der Kommission angefallen sind, unmittelbar dem schuldhaften Verhalten dieses Organs anzulasten ist. 108 Außerdem ist jedoch davon auszugehen, dass die Forderung von 41012 Euro, die SEMEA der Kommission hätte erstatten müssen, am 18. November 2005, d. h. an dem Tag, an dem das Organ die Rückzahlung dieses Betrags verlangt hat, nicht verjährt war. 109 Daher ist der Widerklage der Rechtsmittelführerinnen teilweise stattzugeben und die Kommission zu verurteilen, drei Viertel des Betrags der Verzugszinsen zu tragen, die zu dem in Frankreich geltenden gesetzlichen jährlichen Zinssatz zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 angefallen sind. Kosten 110 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet. 111 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Der Gerichtshof kann jedoch nach derselben Bestimmung entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint. 112 Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof der Auffassung, dass der Kommission neben ihren eigenen Kosten in beiden Rechtszügen ein Viertel der Kosten der Commune de Millau und von SEMEA aufzuerlegen ist. Diese tragen drei Viertel ihrer eigenen Kosten in beiden Rechtszügen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union Kommission/SEMEA und Commune de Millau (T‑168/10 und T‑572/10) wird aufgehoben, soweit darin im Rahmen der von der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) erhobenen Widerklage festgestellt worden ist, dass kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Europäischen Kommission und dem angeblich durch die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen erlittenen Schaden besteht. 2. Der Widerklage der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) wird insoweit teilweise stattgegeben, als die Europäische Kommission verurteilt wird, drei Viertel des Betrags zu tragen, der den Verzugszinsen zum in Frankreich geltenden gesetzlichen jährlichen Zinssatz entspricht, die zwischen dem 27. April 1993 und dem 18. November 2005 angefallen sind. 3. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen. 4. Die Europäische Kommission wird verurteilt, sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im Rechtsmittelverfahren neben ihren eigenen Kosten ein Viertel der Kosten zu tragen, die der Commune de Millau und der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) in diesen beiden Rechtszügen entstanden sind. 5. Die Commune de Millau und die Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) tragen drei Viertel ihrer eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Französisch.
Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 12. Juni 2014.#Lukoyl Neftohim Burgas AD gegen Nachalnik na Mitnicheski punkt Pristanishte Burgas Tsentar pri Mitnitsa Burgas.#Vorabentscheidungsersuchen des Administrativen sad Burgas.#Vorabentscheidungsersuchen – Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung der Waren – Ware, die als ‚Schweröl, Schmieröl oder anderes Öl - zur Bearbeitung in begünstigten Verfahren‘ beschrieben wird – Positionen 2707 und 2710 – Aromatische und nicht aromatische Bestandteile – Verhältnis zwischen der Kombinierten Nomenklatur und dem Harmonisierten System.#Rechtssache C‑330/13.
62013CJ0330
ECLI:EU:C:2014:1757
2014-06-12T00:00:00
Gerichtshof, Wahl
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0330 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer) 12. Juni 2014 (*1) „Vorabentscheidungsersuchen — Gemeinsamer Zolltarif — Kombinierte Nomenklatur — Tarifierung der Waren — Ware, die als ‚Schweröl, Schmieröl oder anderes Öl — zur Bearbeitung in begünstigten Verfahren‘ beschrieben wird — Positionen 2707 und 2710 — Aromatische und nicht aromatische Bestandteile — Verhältnis zwischen der Kombinierten Nomenklatur und dem Harmonisierten System“ In der Rechtssache C‑330/13 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Аdministrativen sad Burgas (Bulgarien) mit Entscheidung vom 28. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2013, in dem Verfahren Lukoyl Neftohim Burgas AD gegen Nachalnik na Mitnicheski punkt Pristanishte Burgas Tsentar pri Mitnitsa Burgas erlässt DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Borg Barthet sowie der Richter S. Rodin und F. Biltgen (Berichterstatter), Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Lukoyl Neftohim Burgas AD, vertreten durch S. Andronov, Rechtsbeistand, — der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und J. Atanasov als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Mihaylova und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Positionen 2707 und 2710 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. L 282, S. 1) geänderten Fassung. 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lukoyl Neftohim Burgas AD (im Folgenden: Lukoyl) und dem Nachalnik na Mitnicheski punkt Pristanishte Burgas Tsentar pri Mitnitsa Burgas (Leiter der Zollstelle „Hafen Burgas Zentrum“, im Folgenden: Nachalnik) über die Tarifierung einer Ware, die als „Schweröl, Schmieröl oder anderes Öl – zur Bearbeitung in begünstigten Verfahren“ beschrieben wird. Rechtlicher Rahmen Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren 3 Das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) sowie das dazugehörige Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 wurden im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) angenommen. 4 Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (jetzt Weltzollorganisation – WZO), der durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel unterzeichnete Abkommen über seine Gründung errichtet worden war, genehmigt nach Maßgabe des Art. 8 des in der vorherigen Randnummer genannten HS‑Übereinkommens die vom HS‑Ausschuss ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise. 5 In den HS-Erläuterungen zu Kapitel 27 (Allgemeines) heißt es: „… Der Ausdruck ‚aromatische Bestandteile‘, wie er in der Anmerkung 2 zu diesem Kapitel und im Wortlaut der Position 2707 verwendet wird, bezieht sich auf vollständige Moleküle, die einen aromatischen Bestandteil enthalten – ohne Rücksicht auf die Anzahl und die Länge der Seitenketten –, und nicht nur auf die aromatischen Bestandteile dieser Moleküle. …“ 6 Anmerkung 2 zu Kapitel 27 des HS lautet folgendermaßen: „Unter der Bezeichnung ‚Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien‘ in der Position 2710 sind neben Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien auch ähnliche Öle sowie vorwiegend aus Mischungen ungesättigter Kohlenwasserstoffe bestehende Öle ohne Rücksicht auf das Herstellungsverfahren zu verstehen, in denen die nicht aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen Bestandteilen überwiegen. …“ 7 In den HS-Erläuterungen zu Position 2707 heißt es: „Zu dieser Position gehören: … 2) Den vorstehend genannten Waren ähnliche Öle und andere Erzeugnisse, in denen die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen überwiegen und die durch die Destillation von Steinkohlenschwelteer oder anderen Mineralteeren, durch Cyclisierung von Erdöl, beim Waschen von Leuchtgas oder in irgend einem anderen Verfahren gewonnen werden. …“ 8 Die HS-Erläuterungen zu Position 2710 legen in Titel I Buchst. B näher fest: „… Hierzu gehören: … B) Den vorstehend genannten Waren ähnliche Öle, in denen die nichtaromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen überwiegen. Sie können aus der Schwelung von Steinkohlen, aus der Hydrierung oder irgend einem anderen Verfahren (Crackverfahren, Reformingverfahren usw.) stammen. Hierher gehören auch Alkylengemische, z. B. Tripropylen, Tetrapropylen, Diisobutylen, Triisobutylen usw. Dies sind Gemische aus ungesättigten acyclischen Kohlenwasserstoffen (z. B. Octylen, Nonylen, ihrer Homologen und Isomere) und gesättigten acyclischen Kohlenwasserstoffen. Sie werden durch Polymerisation (mit sehr niedrigem Polymerisationsgrad) von Propylen, Isobutylen oder anderen Olefinen oder durch Trennung (z. B. durch fraktionierte Destillation) bestimmter Crackprodukte gewonnen. … Ebenfalls ausgenommen von dieser Position sind Öle, in denen die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen überwiegen, gleichgültig, ob sie durch Cyclisierung von Erdöl oder auf irgend eine andere Weise gewonnen worden sind (Pos. 2707).“ Die KN 9 Die Tarifierung von Waren, die in die Europäische Union eingeführt werden, richtet sich nach der KN, die auf dem HS aufbaut. Die zu dem für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitpunkt geltende Fassung der KN ergibt sich aus der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung. 10 Teil I der KN enthält eine Reihe einführender Vorschriften. In Teil I Titel I der KN, der die Allgemeinen Vorschriften enthält, sieht Buchst. A allgemeine Vorschriften für die Auslegung dieser Nomenklatur vor, nach denen die Waren in die KN einzureihen sind. Danach ist u. a. für die Einreihung der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend, während die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise sind. 11 Kapitel 27 in Teil II („Zolltarif“) der KN betrifft „Mineralische Brennstoffe, Mineralöle und Erzeugnisse ihrer Destillation; bituminöse Stoffe; Mineralwachse“. 12 Die unter dieses Kapitel fallende KN-Position 2707 umfasst: „2707 Öle und andere Erzeugnisse der Destillation des Hochtemperatur-Steinkohlenteers; ähnliche Erzeugnisse, in denen die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen“. 13 Die KN-Position 2710 umfasst: „2710 Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien, ausgenommen rohe Öle; Zubereitungen mit einem Gehalt an Erdöl oder Öl aus bituminösen Mineralien von 70 GHT oder mehr, in denen diese Öle der Grundbestandteil sind, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Ölabfälle“. 14 Die Erläuterungen zur KN sehen in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (ABl. 2011, C 137, S. 1) hinsichtlich der Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN („andere“) vor: „Hierher gehören z. B. Erzeugnisse aus Gemischen von Kohlenwasserstoffen. Von diesen Erzeugnissen sind z. B. zu nennen: 1. Schweröle (ausgenommen rohe Öle) der Destillation von Hochtemperatur-Steinkohlenteer sowie diesen Ölen ähnliche Erzeugnisse, sofern: a) bei ihrer Destillation nach ASTM D 86‑67 (Reapproved 1972) weniger als 65 RHT bis 250 °C übergehen und b) die Dichte bei 15 °C größer als 1,000 g/cm3 und c) die Nadelpenetration (ASTM D 5) bei 25 °C 400 oder mehr beträgt und d) sie andere Merkmale als die Erzeugnisse der Position 2715 00 00 aufweisen. Erzeugnisse, die eine der Bedingungen der vorstehenden Buchstaben a bis d nicht erfüllen, sind entsprechend ihrer Beschaffenheitsmerkmale einzureihen, z. B. in die Unterpositionen 2707 10 10 bis 2707 30 90, 2707 50 10, 2707 50 90, die Position 2708, die Unterpositionen 2710 19 31 bis 2710 19 99, 2713 20 00 oder die Position 2715 00 00; …“ 15 In den KN-Erläuterungen zu Position 2707 heißt es: „Wegen der Bestimmung der aromatischen Bestandteile siehe die Erläuterungen zu Anmerkung 2 zu Kapitel 27.“ 16 Die Anmerkung 2 unter „Allgemeines“ der KN-Erläuterungen zu Kapitel 27 lautet folgendermaßen: „Für die Bestimmung des Gehalts an aromatischen Bestandteilen sind folgende Methoden anzuwenden: — Erzeugnisse, deren Destillationsendpunkt nicht über 315 °C liegt: ASTM D 1319-70; — Erzeugnisse, deren Destillationsendpunkt über 315 °C liegt: siehe Anhang A der Erläuterungen zu Kapitel 27.“ 17 Anhang A der KN-Erläuterungen zu Kapitel 27 („Methode zur Bestimmung des Gehalts an aromatischen Bestandteilen in Erzeugnissen, deren Destillationsendpunkt über 315 °C liegt“) hat folgenden Wortlaut: „Verfahrensprinzip Die zuvor in normal-Pentan gelöste Probe wird auf eine besondere, mit Kieselgel gefüllte chromatografische Säule aufgegeben. Die nicht aromatischen Kohlenwasserstoffe werden mit normal-Pentan eluiert, nacheinander aufgefangen und nach Verdampfung des Lösemittels durch Wiegen quantitativ bestimmt. … Verfahren … Der Anteil an nicht aromatischen Kohlenwasserstoffen in GHT (A) ergibt sich aus der Formel wobei G1 das Gewicht der eingesetzten Probe darstellt. Die Differenz zu 100 ergibt den Anteil an aromatischen Bestandteilen, die bei der Chromatografie vom Kieselgel absorbiert werden. …“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 18 Mit vereinfachter Zollanmeldung vom 2. Mai 2012 meldete Lukoyl eine Ware zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr und für den Endverbrauch an, die als „Schweröle, Schmieröle; andere Öle – zur Bearbeitung in begünstigten Verfahren“ beschrieben wurde. Die Ware wurde unter der Tarifposition 2710 19 71 der KN angemeldet. 19 Die Zollanmeldung weist einen Preis von 24269509 US-Dollar (USD) aus. Am 10. Mai 2012 zahlte Lukoyl 7250758,54 Leva (BGN) Mehrwertsteuer, wobei ihrer Ansicht nach weder Zölle noch Verbrauchsteuern zu entrichten waren. 20 Daraufhin führten die zuständigen Zollbehörden eine Prüfung der Begleitunterlagen und der Anmeldung für die in Rede stehende Ware durch. Sie stellten fest, dass eine Tarifierung dieser Ware anhand der vorliegenden Zertifikate und Unterlagen nicht möglich war, und entnahmen daher Proben, um den anwendbaren KN-Code zu bestimmen. 21 Die Proben wurden durch das Zolllabor in Ruse (Bulgarien) untersucht, das in seinem Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass es sich bei der untersuchten Ware um Heizöl, genauer gesagt um ein direkt destilliertes Erdöl, handelt, das ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen enthält, in dem die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen. Dieses Öl besteht nicht aus Benzol, Toluol, Xylol, Naphtalin, anderen Mischungen aromatischer Kohlenwasserstoffe, Kreosotölen oder rohen Ölen und auch nicht aus schwefelhaltigen Kopfprodukten, basischen Erzeugnissen, Anthracen oder Phenolen. Die Untersuchung erfolgte nach dem in Anhang A der KN-Erläuterungen zu Kapitel 27 genannten Methode (im Folgenden: Anhang-A-Methode). 22 Mit Schreiben vom 28. September 2012 teilte der stellvertretende Leiter des Zollamts Sofia (Bulgarien) dem Nachalnik mit, dass die in Rede stehende Ware aufgrund des Ergebnisses des Zolllabors in Ruse und der Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der KN sowie des Wortlauts der KN-Position 2707 und der Erläuterungen zum HS zu dieser Position in die Unterposition 2707 99 99 der KN eingereiht werden müsse. 23 Daher erließ der Nachalnik am 26. Oktober 2012 eine Entscheidung, nach der Lukoyl die Tarifposition durch Einreihung der in Rede stehenden Ware in die KN-Position 2707 99 99, die einen Zoll von 1,7 % vorsieht, berichtigen und an den Staat Zoll in Höhe von 616314,48 BGN zuzüglich 123262,90 BGN Mehrwertsteuer zahlen musste. 24 Gegen diese Entscheidung legte Lukoyl Beschwerde beim Administrativen sad Burgas ein. 25 Dieses Gericht holte ein chemisches Gerichtsgutachten ein, dessen Schlussfolgerungen im Wesentlichen das Ergebnis des Gutachtens des Zolllabors in Ruse bestätigten. Der Gutachter vertrat jedoch die Ansicht, dass die vom Zolllabor in Ruse angewandte Anhang-A-Methode nicht geeignet sei, um das Verhältnis des Gewichts der aromatischen Bestandteile zum Gewicht der nicht aromatischen Bestandteile in Erzeugnissen wie denen des Ausgangsverfahrens zu bestimmen. 26 Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Burgas beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Steht die in Anhang A der Erläuterungen zu Kapitel 27 der KN genannte Methode zur Bestimmung des Gehalts an aromatischen Bestandteilen in Erzeugnissen nach Kapitel 27 der KN in Widerspruch zu der Definition von aromatischen Bestandteilen, die in den Allgemeinen Vorschriften zu Kapitel 27 des HS enthalten ist? Falls ein solcher Widerspruch besteht: Wie sind diese Bestandteile zu bestimmen, und ist die Methode ASTM B 2007 dafür geeignet und zulässig? 2. Welche Bedeutung hat der in den Erläuterungen zu Kapitel 27 der KN und in den Erläuterungen zu Kapitel 27 des HS sowie in der Anmerkung 2 zu Kapitel 27 des HS verwendete Begriff „nicht aromatische Bestandteile“? Deckt sich diese Bedeutung mit der Bedeutung des Begriffs „nicht aromatische Kohlenwasserstoffe“, oder ist sie weiter? Sollte sie weiter als die Bedeutung des letztgenannten Begriffs sein: Umfasst sie alle Bestandteile, die in Bezug auf das Gewicht vom Begriff „aromatische Bestandteile“ nicht gedeckt sind, oder handelt es sich um Bestandteile eines Erzeugnisses wie des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens, die in Bezug auf das Gewicht unter keine der beiden Kategorien – „aromatische Bestandteile“ und „nicht aromatische Bestandteile“ – fallen? 3. Ist ein und dieselbe Methode zur Bestimmung sowohl der aromatischen als auch der nicht aromatischen Bestandteile im Sinne von Kapitel 27 der KN und Kapitel 27 des HS zulässig, und falls ja, welches ist diese Methode? Falls dies nicht zulässig ist: Welche Methode ist jeweils zur Bestimmung der aromatischen Bestandteile und welche zur Bestimmung der nicht aromatischen Bestandteile anzuwenden? 4. Welche der beiden Positionen 2707 und 2710 des Kapitels 27 der KN bezeichnet ein Erzeugnis mit Beschaffenheitsmerkmalen wie denen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens am genauesten? 5. Für den Fall, dass beide Positionen ein Erzeugnis mit Beschaffenheitsmerkmalen wie denen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens gleichermaßen genau bezeichnen: Ist das Überwiegen der aromatischen Bestandteile im Gewicht das Merkmal, das ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht? 6. Welche der beiden Positionen 2707 und 2710 bezieht sich auf Erzeugnisse mit Eigenschaften, die den Beschaffenheitsmerkmalen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens am ähnlichsten sind? 7. Liegt ein Widerspruch zwischen einem Teil der Erläuterungen zur KN zu den Positionen 2707 99 91 und 2707 99 99 und der Anmerkung 2 zu Kapitel 27 des HS vor oder ist letztere Anmerkung nicht erschöpfend, sondern hat nur exemplarischen Charakter? Nach den Erläuterungen zur KN zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 sind „Schweröle (ausgenommen rohe Öle) der Destillation von Hochtemperatur-Steinkohlenteer“ – wenn sie die vier kumulativen Voraussetzungen, die in den Erläuterungen zur KN zu diesen Unterpositionen genannt sind, nicht erfüllen – entsprechend ihren Beschaffenheitsmerkmalen unter die Unterpositionen „2710 19 31 bis 2710 19 99“ einzureihen. Gemäß Anmerkung 2 zu Kapitel 27 des HS sind unter der Bezeichnung „Erdöle und Öle aus bituminösen Mineralien“ in der Position 2710 auch ähnliche Öle sowie vorwiegend aus Mischungen ungesättigter Kohlenwasserstoffe bestehende Öle ohne Rücksicht auf das Herstellungsverfahren zu verstehen, in denen die nicht aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen Bestandteilen überwiegen. 8. Besteht ein Widerspruch zwischen den Erläuterungen zur KN zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 und den Erläuterungen zu Position 2710 des HS, Teil I Buchst. B, auf die die Erläuterungen zu Kapitel 27 der KN verweisen? 9. Welches ist der authentische Text, und welche authentische Bedeutung hat Satz 2 der Erläuterungen zur KN zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99, der in Bulgarisch „Между тези продукти могат да се упоменат“ [wörtlich übersetzt: „Von diesen Erzeugnissen können genannt werden“, in der deutschen Fassung: „Von diesen Erzeugnissen sind … zu nennen“] und in Englisch „These products are“ lautet? 10. Wie ist ein Erzeugnis mit Beschaffenheitsmerkmalen wie denen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens für den Fall einzureihen, dass in diesem Erzeugnis die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen, das Erzeugnis jedoch nicht alle vier kumulativen Voraussetzungen von Nr. 1 der Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN erfüllt? Zu den Vorlagefragen 27 Vorab ist festzustellen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren richtig in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal er nicht immer über die hierfür erforderlichen Angaben verfügt. Somit ist das nationale Gericht hierzu jedenfalls offensichtlich besser in der Lage (Urteile Lohmann und Medi Bayreuth, C‑260/00 bis C‑263/00, EU:C:2002:637, Rn. 26, Lecson Elektromobile, C‑12/10, EU:C:2010:823, Rn. 15, sowie Digitalnet u. a., C‑320/11, C‑330/11, C‑382/11 und C‑383/11, EU:C:2012:745, Rn. 61). 28 Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse anhand der Antworten einzureihen, die der Gerichtshof auf die ihm vorgelegten Fragen gibt. 29 Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteile Krüger, C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23, sowie Byankov, C‑249/11, EU:C:2012:608, Rn. 57). 30 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das nationale Gericht mit seinen zehn Fragen in Wirklichkeit wissen möchte, wie die Positionen 2707 und 2710 der KN zwecks Tarifierung eines Erzeugnisses mit den Merkmalen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens, das als „Schweröl, Schmieröl oder anderes Öl – zur Bearbeitung in begünstigten Verfahren“ beschrieben wird, auszulegen sind. 31 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, sind diese Fragen in der Weise umzuformulieren und umzugruppieren, dass die zweite Frage nach der vierten bis sechsten Frage geprüft wird und danach die erste und die dritte Frage, gefolgt von der siebten bis zehnten Frage, behandelt werden. Zur vierten bis sechsten Frage 32 Mit seiner vierten bis sechsten Frage, die zusammen zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht, nach welchem Kriterium ein Erzeugnis mit den Merkmalen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens in die Position 2707 oder in die Position 2710 der KN einzureihen ist. 33 In Hinblick auf die Beantwortung dieser Frage ist zum einen anzumerken, dass nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN für die Einreihung der Waren der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend ist, während die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel nur Hinweise sind. 34 Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichteren Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Einreihung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Tarifposition der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe u. a. Urteile Peacock, C‑339/98, EU:C:2000:573, Rn. 9, Intermodal Transports, C‑495/03, EU:C:2005:552, Rn. 47, Kamino International Logistics, C‑376/07, EU:C:2009:105, Rn. 31, sowie British Sky Broadcasting Group und Pace, C‑288/09 und C‑289/09, EU:C:2011:248, Rn. 60). 35 Hinsichtlich der Erläuterungen zum HS ist hinzuzufügen, dass sie, auch wenn sie nicht verbindlich sind, wichtige Hilfsmittel darstellen, um eine einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs zu gewährleisten, und als solche wertvolle Quellen für die Auslegung des Tarifs sind (Urteile Kloosterboer Services, C‑173/08, EU:C:2009:382, Rn. 25, und Agroferm, C‑568/11, EU:C:2013:407, Rn. 28). Gleiches gilt für die Erläuterungen zur KN (vgl. Urteile Develop Dr. Eisbein, C‑35/93, EU:C:1994:252, Rn. 21, und British Sky Broadcasting Group und Pace, EU:C:2011:248, Rn. 92). 36 Aus dem Wortlaut der Position 2707 der KN ergibt sich, dass diese Position „Öle und andere Erzeugnisse …; ähnliche Erzeugnisse, in denen die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen“ umfasst. 37 Außerdem stellt die Anmerkung 2 zu Kapitel 27 der KN mit identischem Wortlaut wie die HS-Erläuterungen zu Position 2710 klar, dass unter der Bezeichnung „Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien“ in der Position 2710 auch „vorwiegend aus Mischungen ungesättigter Kohlenwasserstoffe bestehende Öle zu verstehen sind, in denen die nicht aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen Bestandteilen überwiegen“. In diesen Anmerkungen wird außerdem darauf hingewiesen, dass „Öle, in denen die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen“ nicht von der Position 2710 erfasst sind. 38 Daher ergibt sich, wie die bulgarische Regierung und die Europäische Kommission zu Recht anmerken, aus den Positionen 2707 und 2710 der KN, ausgelegt im Licht der Anmerkung 2 zu Kapitel 27 der KN und der HS-Erläuterungen zu Position 2710, dass das entscheidende Kriterium für die Einreihung eines Erzeugnisses in die Position 2707 der KN das Überwiegen der aromatischen Bestandteile im Gewicht ist. Umgekehrt ist das entscheidende Kriterium für Erzeugnisse, die unter die Position 2710 der KN fallen, das Überwiegen von nicht aromatischen Bestandteilen im Gewicht. 39 Daher ist auf die vierte bis sechste Frage zu antworten, dass als Kriterium für die Einreihung eines Erzeugnisses mit Merkmalen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens in die Position 2707 oder in die Position 2710 der KN der gewichtsmäßige Gehalt an aromatischen Bestandteilen im Verhältnis zu dem von nicht aromatischen Bestandteilen heranzuziehen ist. Zur zweiten Frage 40 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der in Kapitel 27 der KN sowie in den diesbezüglichen Erläuterungen zur KN und zum HS verwendete Ausdruck „aromatische Bestandteile“ die gleiche Bedeutung hat wie der Ausdruck „aromatische Kohlenwasserstoffe“. 41 Auch wenn die KN den Ausdruck „aromatische Bestandteile“ nicht definiert, lässt sich die Antwort auf diese Frage eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschriften des Kapitels 27 der KN und der diesbezüglichen Erläuterungen zur KN und zum HS ableiten. 42 Nach dem Wortlaut der Position 2707 der KN umfasst diese Position die Erzeugnisse, „in denen die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen“. Aus dem Wortlaut der Unterpositionen 2707 10 bis 2707 99 der KN geht hervor, dass zu diesen Erzeugnissen u. a. Benzol, Toluol, Xylol, Naphtalin, andere Mischungen von aromatischen Kohlenwasserstoffen, Kreosotöle oder auch rohe Öle gehören. 43 Wie sich im Übrigen aus dem in den verschiedenen Sprachfassungen der Überschrift der Unterposition 2707 50 der KN verwendeten Ausdruck, insbesondere dem in der bulgarischen („Drugi smesi na aromatni vuglevodorodi“), dem in der spanischen („Las demás mezclas de hidrocarburos aromáticos“), dem in der deutschen („andere Mischungen aromatischer Kohlenwasserstoffe“), dem in der englischen („Other aromatic hydrocarbon mixtures“), dem in der französischen („autres mélanges d’hydrocarbures aromatiques“) und dem in der italienischen Fassung („altre miscele d’idrocarburi aromatici“), ergibt, trifft die KN, wie die bulgarische Regierung zutreffend bemerkt, eine Unterscheidung zwischen den Ausdrücken „aromatische Bestandteile“ und „aromatische Kohlenwasserstoffe“. 44 Dieselbe Unterscheidung findet sich in den Erläuterungen der KN zu den Unterpositionen 2707 99 11 und 2707 99 19 der KN, denen zufolge zu diesen Unterpositionen „ähnliche Erzeugnisse, in denen die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen“, gehören und die klarstellen, dass diese Erzeugnisse einen „geringeren Anteil mehrkerniger aromatischer Kohlenwasserstoffe“ enthalten können. Ebenso heißt es in den KN-Erläuterungen zu der KN-Position 2707 99 30, dass „[a]ls schwefelhaltige Kopfprodukte im Sinne dieser Unterposition … nur … Erzeugnisse [gelten], die schwefelhaltige Verbindungen … sowie Kohlenwasserstoffe mit überwiegendem Anteil an Nichtaromaten enthalten“. 45 Diese Unterscheidung taucht auch in den HS-Erläuterungen zur Position 2707 auf, wonach unter diese Position „Öle und andere Erzeugnisse [fallen, die] hauptsächlich aus Mischungen von aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen aromatischen Verbindungen [bestehen]“. 46 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass diese Bestimmungen ihrem Wortlaut nach klar zwischen den Ausdrücken „aromatische Bestandteile“ und „aromatische Kohlenwasserstoffe“ unterscheiden und somit der Ausdruck „aromatische Bestandteile“ dahin auszulegen ist, dass er weiter ist als der Ausdruck „aromatische Kohlenwasserstoffe“. 47 Diese Auslegung wird durch den Wortlaut der HS-Erläuterungen zu Kapitel 27 (Allgemeines) untermauert, wonach sich „der Ausdruck ‚aromatische Bestandteile‘, wie er in der Anmerkung 2 zu diesem Kapitel und im Wortlaut der Position 2707 verwendet wird, … auf vollständige Moleküle, die einen aromatischen Bestandteil enthalten – ohne Rücksicht auf die Anzahl und die Länge der Seitenketten – und nicht nur auf die aromatischen Bestandteile dieser Moleküle [bezieht]“. 48 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der Ausdruck „aromatische Bestandteile“ in Kapitel 27 der KN dahin auszulegen ist, dass er weiter ist als der Ausdruck „aromatische Kohlenwasserstoffe“. Zur ersten und zur dritten Frage 49 Mit seiner ersten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der Gehalt an aromatischen Bestandteilen in einem bestimmten Erzeugnis im Hinblick auf seine Einreihung in die Position 2707 oder in die Position 2710 der KN zu bestimmen ist. 50 Anmerkung 2 sieht unter „Allgemeines“ der KN-Erläuterungen zu Kapitel 27 vor, dass die Anhang-A-Methode auf Erzeugnisse anzuwenden ist, deren Destillationsendpunkt über 315 °C liegt. 51 Die Erläuterungen der KN sind jedoch, worauf in Rn. 35 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, nicht rechtsverbindlich (vgl. Urteile Develop Dr. Eisbein, EU:C:1994:252, Rn. 21, und British Sky Broadcasting Group und Pace, EU:C:2011:248, Rn. 92). Daher ist die Anhang-A-Methode, wie die Kommission anmerkt, nicht die einzige, um den Gehalt an aromatischen Bestandteilen in einem bestimmten Erzeugnis zu bestimmen. 52 Außerdem sind die Erläuterungen zur KN nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht zu berücksichtigen, wenn sich herausstellt, dass sie dem Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln zuwiderlaufen (vgl. in diesem Sinne Urteile Sunshine Deutschland Handelsgesellschaft, C‑229/06, EU:C:2007:239, Rn. 31, JVC France, C‑312/07, EU:C:2008:324, Rn. 34, und Kamino International Logistics, EU:C:2009:105, Rn. 49 und 50). 53 Daher müssen die Zollbehörden eines Mitgliedstaats oder ein Wirtschaftsteilnehmer, wenn sie es mit einem Fall zu tun haben, in dem die Anwendung der KN-Erläuterungen zu einem mit der KN unvereinbaren Ergebnis führt, die Möglichkeit haben, bei der zuständigen Stelle dagegen vorzugehen. 54 Folglich können, wie die Kommission anmerkt, die Zollbehörden eines Mitgliedstaats oder ein Wirtschaftsteilnehmer, wenn nach ihrer Auffassung die Anhang-A-Methode nicht zu einem Ergebnis führt, das mit der KN vereinbar ist, bei der zuständigen Behörde dagegen vorgehen. 55 Dann wird es Sache des angerufenen Gerichts sein, zu entscheiden, welche Methode sich am ehesten eignet, um den Gehalt an aromatischen Bestandteilen in dem fraglichen Erzeugnis zu bestimmen. 56 Daher ist auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte ist, festzustellen, welche Methode sich am ehesten eignet, um den Gehalt an aromatischen Bestandteilen in einem bestimmten Erzeugnis im Hinblick auf seine Einreihung in die Position 2707 oder in die Position 2710 der KN zu bestimmen. Zur siebten bis zehnten Frage 57 Mit seiner siebten bis zehnten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, wie Nr. 1 der KN-Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN auszulegen ist. 58 Hierzu ist vorab darauf hinzuweisen, dass es in der englischen Sprachfassung von Abs. 2 der KN-Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts „these products include“ und nicht „these products are“ heißt. 59 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, sind bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl deren Wortlaut und deren Ziel als auch deren Kontext sowie der Kontext der Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile TNT Express Nederland, C‑533/08, EU:C:2010:243, Rn. 44, sowie Urteil Brain Products, C‑219/11, EU:C:2012:742, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung). 60 Im Übrigen verbietet es die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Unionsverordnungen jedoch, im Fall von Zweifeln eine Bestimmung für sich allein zu betrachten, sondern zwingt vielmehr dazu, sie unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Eschig, C‑199/08, EU:C:2009:538, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 61 Im vorliegenden Fall ergibt der Vergleich zwischen den Sprachfassungen von Abs. 2 der KN-Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN, dass diese Bestimmung sowohl in der bulgarischen („mezdu tezi produkti mogat da se upomenat“) und englischen Fassung („these products include“) als auch in der spanischen („Entre esos productos se pueden citar“), der deutschen („Von diesen Erzeugnissen sind z. B. zu nennen“), der französischen („Parmi ces produits, on peut citer“) und der italienischen Fassung („Fra questi prodotti si possono citare“) denselben Sinn hat und daher als nicht erschöpfend zu verstehen ist. 62 Für diese Auslegung spricht der Wortlaut des letzten Absatzes von Nr. 1 der KN-Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN. Durch die Verwendung des Ausdrucks „z. B.“ am Ende dieses Absatzes wird nämlich ausdrücklich klargestellt, dass die darin enthaltene Liste der Positionen und Unterpositionen der KN, in die die Erzeugnisse eingereiht werden können, bei denen die aromatischen Bestandteile im Gewicht überwiegen und die somit zur Position 2707 der KN gehören, aber nicht die in Nr. 1 Buchst. a bis d dieser Erläuterungen aufgestellten Bedingungen erfüllen, nicht erschöpfend ist. 63 Außerdem sind die KN-Erläuterungen, die die Auslegung der KN im Hinblick auf die Einreihung erleichtern sollen, so auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit der Unterpositionen der KN gewährleistet ist. 64 Würde Nr. 1 der KN-Erläuterungen zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN dahin ausgelegt, dass die in ihrem letzten Absatz enthaltene Liste erschöpfend wäre, würden diese Erläuterungen diesem Ziel zuwiderlaufen, was zur Folge hätte, dass ein Erzeugnis wie das des Ausgangsverfahrens, in dem die aromatischen Bestandteile in Bezug auf das Gewicht gegenüber den nicht aromatischen Bestandteilen überwiegen und das daher zur Position 2707 der KN gehört, in keine Unterposition dieser Position eingereiht werden könnte. 65 Im Übrigen wird, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, die Auslegung, wonach zur Unterposition 2707 99 99 der KN jene Erzeugnisse gehören, die die Bedingungen für die Einreihung in die Position 2707 der KN erfüllen, aber unter keine andere Unterposition dieser Position fallen, dadurch untermauert, dass die Unterposition 2707 99 99 der KN die Überschrift „andere“ trägt und die letzte Unterposition der Position 2707 ist. 66 Nach alledem ist auf die siebte bis zehnte Frage zu antworten, dass Nr. 1 der Erläuterungen der KN zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 der KN als nicht erschöpfend zu verstehen ist, so dass ein Erzeugnis, das unter die Position 2707 der KN fällt, aber nicht in eine spezifische Unterposition eingereiht werden kann, in die Unterposition 2707 99 99 der KN einzureihen ist. Kosten 67 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt: 1. Als Kriterium für die Einreihung eines Erzeugnisses mit Merkmalen des Erzeugnisses des Ausgangsverfahrens in die Position 2707 oder in die Position 2710 der Kombinierten Nomenklatur im Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 geänderten Fassung ist der gewichtsmäßige Gehalt an aromatischen Bestandteilen im Verhältnis zu dem von nicht aromatischen Bestandteilen heranzuziehen. 2. Der Ausdruck „aromatische Bestandteile“ in Kapitel 27 der Kombinierten Nomenklatur im Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er weiter ist als der Ausdruck „aromatische Kohlenwasserstoffe“. 3. Es ist grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, festzustellen, welche Methode sich am ehesten eignet, um den Gehalt an aromatischen Bestandteilen in einem bestimmten Erzeugnis im Hinblick auf seine Einreihung in die Position 2707 oder in die Position 2710 der Kombinierten Nomenklatur im Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung zu bestimmen. 4. Nr. 1 der Erläuterungen der Kombinierten Nomenklatur im Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung Nr. 1006/2011 geänderten Fassung zu den Unterpositionen 2707 99 91 und 2707 99 99 dieser Kombinierten Nomenklatur ist als nicht erschöpfend zu verstehen, so dass ein Erzeugnis, das unter die Position 2707 dieser Kombinierten Nomenklatur fällt, aber nicht in eine spezifische Unterposition eingereiht werden kann, in die Unterposition 2707 99 99 dieser Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Bulgarisch.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 21. Mai 2014. # Research and Production Company "Melt Water" UAB gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). # Gemeinschaftsmarke - Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke NUEVA - Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Nichteinhaltung der Verpflichtung zur fristgerechten Zahlung der Beschwerdegebühr - Mehrdeutigkeit in einer Sprachfassung - Einheitliche Auslegung - Zufall oder höhere Gewalt - Entschuldbarer Irrtum - Pflicht zu Wachsamkeit und Sorgfalt. # Rechtssache T-61/13.
62013TJ0061
ECLI:EU:T:2014:265
2014-05-21T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
Parteien Entscheidungsgründe Tenor Parteien In der Rechtssache T‑61/13 Research and Production Company „Melt Water“ UAB mit Sitz in Klaipėda (Litauen), Prozessbevollmächtigte: V. Viešūnaitė und J. Stucka, advokatais, Klägerin, gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch V. Melgar und J. Ivanauskas als Bevollmächtigte, Beklagter, betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 3. Dezember 2012 (Sache R 1794/2012‑4) über die Anmeldung des Bildzeichens NUEVA als Gemeinschaftsmarke erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, des Richters D. Gratsias und der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin), Kanzlerin: J. Weychert, Verwaltungsrätin, aufgrund der am 6. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift, aufgrund der am 22. April 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung, auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2014 folgendes Urteil Entscheidungsgründe Vorgeschichte des Rechtsstreits 1. Am 19. Januar 2012 meldete die Klägerin, die Research and Production Company „Melt Water“ UAB, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an. 2. Dabei handelte es sich um folgendes Bildzeichen: >image>3 3. Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Mineralwasser (für nicht medizinische Zwecke); Mineralwässer, Mineralwasser; Wasser in Flaschen, Wasser; Quellwasser; (Trink‑)Wasser (in Flaschen); Trinkwasser (in Flaschen); kohlensäurehaltige Wässer; isotonische Wässer (nicht medizinische Getränke), Sodawässer, Tafelwässer; Mineralwasser (für nicht medizinische Zwecke), Wässer ohne Kohlensäure; Mineralwässer“. 4. Mit Entscheidung vom 18. Juli 2012 wies der Prüfer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung für alle in der vorstehenden Rn. 3 genannten Waren auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c sowie Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zurück, da das in Rede stehende Zeichen beschreibend und nicht unterscheidungskräftig sei. 5. Im letzten Absatz seiner zurückweisenden Entscheidung führte der Prüfer in litauischer Sprache Folgendes aus: „Sie haben das Recht, eine Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚apeliacija‘] nach Art. 59 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen diese Entscheidung einzulegen. Nach Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ist die Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚pranešimas apie apeliacija‘] innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim HABM einzulegen sowie innerhalb von vier Monaten ab demselben Datum ein Schriftsatz [in litauischer Sprache: ‚rašytinis‘] zur Begründung der Beschwerde einzureichen. Der Schriftsatz [in litauischer Sprache: ‚prašymas‘] gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 800 Euro entrichtet worden ist.“ 6. Am 28. Juli 2012 wurde der Klägerin die Entscheidung des Prüfers zugestellt. 7. Am 25. September 2012 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein. 8. Am 4. Oktober 2012 kontaktierte das HABM die Klägerin telefonisch und wies darauf hin, dass die Beschwerdegebühr nicht entrichtet worden sei. In Beantwortung dieses Hinweises teilte die Klägerin dem HABM mit Schreiben vom selben Tag mit, dass sich aus der Entscheidung des Prüfers und aus Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebe, dass diese Gebühr bis zum Datum der Vorlage der Beschwerdebegründung bezahlt werden könne, mithin innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung. 9. Am 5. Oktober 2012 stellte das HABM der Klägerin eine Mitteilung darüber zu, dass die Beschwerdegebühr nicht innerhalb der vorgesehenen Frist entrichtet worden war, die seiner Auffassung nach am 28. September 2012 abgelaufen war. Die zur Stellungnahme aufgeforderte Klägerin berief sich auf ihr Schreiben vom 4. Oktober 2012. 10. Am 9. Oktober 2012 reichte die Klägerin ihre Beschwerdebegründung ein. Am 10. Oktober 2012 ging die am Vortag von der Klägerin entrichtete Beschwerdegebühr beim HABM ein. 11. Mit Entscheidung vom 3. Dezember 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erklärte die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde der Klägerin für nicht eingelegt. Sie war der Ansicht, dass der Wortlaut des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 in der Entscheidung des Prüfers korrekt wiedergegeben worden war. Dazu führte sie aus, dass sich der Satz „[d]ie Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist“ in diesem Artikel nur auf den vorhergehenden Satz über die Einlegung der Beschwerde beziehen könne, der eine Frist von zwei Monaten vorsehe, und nicht auf den folgenden Satz über die Einreichung der Beschwerdebegründung, der eine Frist von vier Monaten vorsehe. Weiter verwies sie darauf, dass Regel 49 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) bei Zahlung der Beschwerdegebühr nach Ablauf der in Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 für die Einlegung der Beschwerde vorgesehenen Frist bestimme, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelte und die Gebühr dem Beschwerdeführer erstattet werde. Im vorliegenden Fall stellte sie fest, dass die Klägerin die Beschwerdegebühr am 10. Oktober 2012 entrichtet hatte und damit nach Ablauf der für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten am 28. September 2012. Daher erklärte sie die Beschwerde nach Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 für nicht eingelegt und ordnete die Erstattung der Gebühr nach Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 an. Anträge der Parteien 12. Die Klägerin beantragt, – die angefochtene Entscheidung aufzuheben; – ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer für eingelegt zu erklären; – dem HABM die Kosten aufzuerlegen. 13. Das HABM beantragt, – die Klage abzuweisen; – der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin 14. Mit ihrem zweiten Antrag begehrt die Klägerin, dass ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer für eingelegt erklärt wird, und somit der Sache nach, dass das Gericht der Beschwerdekammer aufgibt, diese Beschwerde für eingelegt zu erklären. 15. Insoweit genügt der Hinweis, dass das HABM nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer beim Richter der Europäischen Union eingereichten Klage gegen die Entscheidung einer seiner Beschwerdekammern nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 die Maßnahmen zu ergreifen hat, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergeben. Das Gericht kann somit dem HABM keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Unionsrichters zu ziehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T‑443/05, Slg. 2007, II‑2579, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). 16. Daher ist der zweite Antrag der Klägerin, das Gericht möge dem HABM aufgeben, die Beschwerde für eingelegt zu erklären, unzulässig. Zur Begründetheit 17. Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer eingelegt worden sei, da sie die Beschwerdegebühr innerhalb der Frist entrichtet habe, die dieser Artikel in seiner litauischen Sprachfassung vorschreibe. Diese Fassung sei verbindlich. Tatsächlich lege der Wortlaut dieses Artikels in der litauischen Fassung klar und unmissverständlich fest, dass die Entrichtung der Beschwerdegebühr an die Vorlage der Beschwerdebegründung gekoppelt und hierfür eine Frist von vier Monaten vorgesehen sei, nicht aber von zwei Monaten wie für die Einlegung der Beschwerde. 18. Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 19. Art. 60 („Frist und Form“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt: „Die Beschwerde [gegen die in Art. 58 dieser Verordnung bezeichneten Entscheidungen des HABM, insbesondere die des Prüfers; in litauischer Sprache: ‚pranešimas apie apeliacija‘] ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim [HABM] einzulegen. Die Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚prašymas‘] gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich [in der litauischen Fassung: mit einem Schriftsatz, in litauischer Sprache: ‚rašytinis prašymas‘] zu begründen.“ 20. Nach einer ständigen Rechtsprechung, die auf Art. 314 EG und Art. 55 EU beruht, sind alle Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts gleichermaßen verbindlich und ist ihnen grundsätzlich der gleiche Wert beizumessen, der nicht je nach der Größe der Bevölkerung der Mitgliedstaaten, die die betreffende Sprache gebraucht, schwanken kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, EMU Tabac u. a., C‑296/95, Slg. 1998, I‑1605, Rn. 36, und vom 20. November 2003, Kyocera, C‑152/01, Slg. 2003, I‑13821, Rn. 32, sowie Urteil des Gerichts vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑407/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 39). 21. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die litauische Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ebenso verbindlich ist wie die Fassungen dieser Bestimmung in den anderen Amtssprachen der Union. 22. Zum Wortlaut der litauischen Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ist festzustellen, dass im ersten Satz, um die beim HABM einzureichende Beschwerde zu bezeichnen, der Begriff „pranešimas“ verwendet wird, der wörtlich übersetzt „Erklärung“ bedeutet, und im dritten Satz, um den Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde zu bezeichnen, der Begriff „prašymas“, der wörtlich übersetzt „Antrag“ bedeutet. Dem Wortlaut des zweiten Satzes nach gilt der Schriftsatz („prašymas“) erst nach Entrichtung der Beschwerdegebühr als eingelegt. 23. Der Begriff „prašymas“ im zweiten Satz des Art. 60 der Verordnung Nr. 2007/2009 erscheint dabei zweideutig. Auf der einen Seite scheint er sich, wie es die Klägerin geltend macht, nicht auf den anderen Begriff zu beziehen, der im ersten Satz zur Bezeichnung der beim HABM einzureichenden Beschwerde verwendet wird, sondern auf denselben Begriff, der im dritten Satz zur Bezeichnung des Schriftsatzes mit der Beschwerdebegründung verwendet wird, was darauf hindeutet, dass die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr, wie für die Einreichung der Beschwerdebegründung, vier Monate beträgt. Auf der anderen Seite legt, wie das HABM vorträgt, seine Stellung im zweiten Satz nahe, dass er sich auf den vorhergehenden Satz über die beim HABM innerhalb einer Frist von zwei Monaten einzureichende Beschwerde bezieht und nicht auf den nachfolgenden Satz, der den Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung betrifft. 24. Daraus folgt, dass entgegen der von den Parteien in ihren Schriftsätzen geäußerten Meinung, diese Sprachfassung sei eindeutig – woraus sie freilich gegensätzliche Schlüsse ziehen –, die litauische Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht frei von Zweideutigkeit ist und Zweifel hinsichtlich ihrer Auslegung und Anwendung aufkommen lässt. 25. Daher ist eine richtige und einheitliche Auslegung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 zu finden und zu prüfen, welche Rechtsfolgen sich aus der Anwendung dieses Artikels durch das HABM im vorliegenden Fall ergeben. 26. Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer unionsrechtlichen Vorschrift verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Ein solcher Ansatz wäre nämlich mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts unvereinbar (Urteile des Gerichtshofs vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C‑149/97, Slg. 1998, I‑7053, Rn. 16, vom 3. April 2008, Endendijk, C‑187/07, Slg. 2008, I‑2115, Rn. 23, und vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, Slg. 2008, I‑7523, Rn. 38). 27. Einerseits darf der Text einer Vorschrift wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss vielmehr im Fall von Zweifeln unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in anderen Amtssprachen ausgelegt und angewandt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 1979, Koschniske, 9/79, Slg. 1979, 2717, Rn. 6, siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1996, Lubella, C‑64/95, Slg. 1996, I‑5105, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil des Gerichts vom 15. September 2011, Prinz Sobieski zu Schwarzenberg/HABM – British-American Tobacco Polska [Romuald Prinz Sobieski zu Schwarzenberg], T‑271/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). 28. Andererseits gebietet die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts im Fall von Abweichungen zwischen verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift, dass diese nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt wird, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, 30/77, Slg. 1977, 1999, Rn. 14, Kyocera, oben in Rn. 20 angeführt, Rn. 33, und vom 22. März 2012, Génesis, C‑190/10, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). 29. Hinsichtlich der Sprachfassungen des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 in den anderen Amtssprachen der Union, insbesondere in den fünf Arbeitssprachen des HABM, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die in der französischen, englischen, deutschen, italienischen und spanischen Fassung im zweiten Satz dieses Artikels verwendeten Begriffe „recours“, „notice“, „Beschwerde“, „ricorso“ und „recurso“ eindeutig auf den im ersten Satz verwendeten identischen Begriff verweisen, um die Beschwerde zu bezeichnen, die beim HABM innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung einzulegen ist, und nicht auf den im dritten Satz verwendeten anderen Begriff, der in diesem Satz den innerhalb einer Frist von vier Monaten einzureichenden Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde bezeichnet. 30. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Zusammenhang und Zweck des zweiten Satzes des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 darin bestehen, der Einlegung bloß formeller Beschwerden vorzubeugen, der später nicht die Einreichung eines Schriftsatzes zur Begründung der Beschwerde folgt, oder von einer gar mutwilligen Beschwerdeeinlegung abzuhalten. 31. Demzufolge ist Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 einheitlich dahin auszulegen, dass die Entrichtung der Beschwerdegebühr Voraussetzung dafür ist, dass die Beschwerde als eingelegt gilt, so dass die Zahlung an die Einlegung der Beschwerde gebunden ist und ebenso wie diese innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung vorzunehmen ist. Die Frist von vier Monaten ab Zustellung der Entscheidung findet lediglich auf die Einreichung der Beschwerdebegründung Anwendung, nicht aber auf die Entrichtung der Beschwerdegebühr. 32. Des Weiteren ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beschwerdekammer in Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung darauf hinzuweisen, dass diese einheitliche Auslegung durch Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 gestützt wird. Diese Regel, deren Wortlaut sowohl im Litauischen als auch in den anderen oben in Rn. 29 genannten Sprachen klar und unmissverständlich ist, bestimmt, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt und dem Beschwerdeführer die Beschwerdegebühr erstattet wird, wenn diese nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde gemäß Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 entrichtet wurde. Der Ausdruck „Frist für die Einlegung der Beschwerde“ bezieht sich hier auf die Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde und nicht auf die Frist von vier Monaten für die Einreichung der Beschwerdebegründung. 33. Hinsichtlich der von der Klägerin in ihren Schriftsätzen aufgestellten Behauptung, Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 sei zur Gewährleistung der Rechtssicherheit in der Weise auszulegen, die ihre Interessen am besten wahre, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass dieses Vorbringen keine eigenständige Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellt, sondern lediglich zur Unterstützung ihres einzigen Klagegrundes, des Verstoßes gegen den genannten Artikel, geltend gemacht worden ist. Dies ist in das Protokoll der Sitzung aufgenommen worden. 34. Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit selbst in Verbindung mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung ist, der die Beschwerdekammer dazu verpflichtete, in Übereinstimmung mit der oben in Rn. 31 dargelegten Auslegung Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 einheitlich auszulegen, und es ihr verwehrte, hiervon zugunsten der Klägerin abzuweichen. Die genannte einheitliche Auslegung ist, da sie auf den Fassungen dieses Artikels in den anderen Amtssprachen der Union sowie seinem Zusammenhang und Zweck beruht, die einzige, die mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang steht. Die Einhaltung von Verfahrensfristen, insbesondere solchen zur Einlegung von Rechtsbehelfen, gehört nämlich zum zwingenden Recht, und jede andere als diese einheitliche Auslegung könnte der Rechtssicherheit schaden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 19. September 2012, Video Research USA/HABM [VR], T‑267/11, Rn. 35, und Beschluss des Gerichts vom 24. Oktober 2013, Stromberg Menswear/HABM – Leketoy Stormberg Inter [STORMBERG], T‑451/12, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 38). 35. Die Beschwerdekammer hat Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 damit in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung zu Recht dahin ausgelegt, dass er die Entrichtung der Beschwerdegebühr, damit die Beschwerde als eingelegt gilt, innerhalb der für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten verlangt. 36. Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin, der Prüfer des HABM habe in seiner Entscheidung ausdrücklich die litauische Sprachversion des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 wiederholt, ohne weiter gehende Erläuterungen zu geben, ist zunächst zu konstatieren, dass der Prüfer des HABM in der Mitteilung seiner die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung (siehe oben, Rn. 5) die oben festgestellte Zweideutigkeit der litauischen Sprachfassung dieses Artikels in Bezug auf die Frist zur Entrichtung der Beschwerdegebühr (vgl. oben, Rn. 22 bis 24) übernommen hat, ohne die Klägerin auf diese Zweideutigkeit oder die Abweichung dieser Sprachfassung von den anderen verbindlichen Sprachfassungen aufmerksam zu machen. Im Übrigen hat das HABM in der mündlichen Verhandlung das Vorliegen dieser Zweideutigkeit und dieser Abweichung anerkannt, die ihm bis zu der vorliegenden Rechtssache nicht bekannt gewesen seien, aber unterstrichen, dass dies an der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung dieser Vorschrift jedenfalls nichts ändere. 37. Es ist daher zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Vorbringen der Klägerin, der Prüfer des HABM habe die die Rechtsgültigkeit der litauischen Fassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 berührende Mehrdeutigkeit seinerseits übernommen, zur Folge haben kann, dass von einer einheitlichen Auslegung dieses Artikels abzusehen und die Nichtentrichtung der Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist als gerechtfertigt anzusehen ist. 38. Nach ständiger Rechtsprechung kann von den unionsrechtlichen Vorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen abgewichen werden, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern (Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1985, Cockerill-Sambre/Kommission, 42/85, Slg. 1985, 3749, Rn. 10). Unabhängig davon, ob solche Umstände als Zufall, höhere Gewalt oder entschuldbarer Irrtum anzusehen sind, enthalten sie in jedem Fall ein subjektives Merkmal, das mit der Verpflichtung des gutgläubigen Rechtsbürgers zusammenhängt, die höchste Wachsamkeit und Sorgfalt walten zu lassen, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden kann, um den Ablauf des Verfahrens zu überwachen und die vorgesehenen Fristen zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1994, Bayer/Kommission, C‑195/91 P, Slg. 1994, I‑5619, Rn. 31 und 32, vom 22. September 2011, Bell & Ross/HABM, C‑426/10 P, Slg. 2011, I‑8849, Rn. 47 und 48, und Beschluss des Gerichts vom 1. April 2011, Doherty/Kommission, T‑468/10, Slg. 2011, II‑1497, Rn. 18, 19, 27 und 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 39. Vorliegend muss jedoch festgestellt werden, dass die Klägerin die erforderliche Wachsamkeit und Sorgfalt zur Überwachung und Wahrung der vorgeschriebenen Frist zur Entrichtung der Beschwerdegebühr nicht aufgewandt hat. 40. Zunächst ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine in normalem Maße wachsame und sorgfältige Anmelderin einer Gemeinschaftsmarke eine Gegenüberstellung von Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 mit Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgenommen hätte (siehe oben, Rn. 32), deren Wortlaut sowohl auf Litauisch als auch in den anderen, oben in Rn. 29 genannten Sprachen klar und unmissverständlich ist. Diese Regel macht jedoch die Einlegung der Beschwerde von der Entrichtung der dazugehörigen Gebühr innerhalb der für die Einlegung der Beschwerde selbst geltenden Frist abhängig, und zwar unabhängig von der in Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 für die spätere Einreichung der Beschwerdebegründung vorgesehenen Frist. Im Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie von der genannten Regel bei Einlegung ihrer Beschwerde Kenntnis hatte. 41. Des Weiteren hätte eine in normalem Maße wachsame und sorgfältige Anmelderin einer Gemeinschaftsmarke, die, wie die Klägerin, Englisch als zweite Sprache in ihrer Gemeinschaftsmarkenanmeldung gewählt hatte, den Wortlaut des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 zumindest in seiner englischen Sprachfassung überprüfen können, nach dem „die Beschwerde erst als eingelegt gilt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist“ („[t]he notice shall be deemed to have been filed only when the fee for appeal has been paid“). Dieser englische Wortlaut verknüpft die Entrichtung der Beschwerdegebühr (fee for appeal) eindeutig mit der Einlegung der Beschwerde (notice of appeal), für die eine zweimonatige Frist gilt, und nicht mit der Einreichung der Beschwerdebegründung (statement setting out the grounds of appeal), für die eine viermonatige Frist gilt. 42. Dieser Mangel an Wachsamkeit und Sorgfalt seitens der Klägerin hat zur Folge, dass sie sich nicht mit Erfolg auf einen Fall des Zufalls, höherer Gewalt oder eines entschuldbaren Irrtums berufen kann, um ihr Versäumnis zu rechtfertigen, die Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu entrichten (vgl. entsprechend Beschluss des Gerichts vom 15. April 2011, Longevity Health Products/HABM – Biofarma [VITACHRON female], T‑96/11, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 19). Im Übrigen hat die Klägerin keine Rüge erhoben, die ausdrücklich auf den zufälligen oder entschuldbaren Charakter dieses Versäumnisses abhebt. 43. Überdies wäre der Klägerin, nachdem sie vom HABM über die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist und das Risiko, dass ihre Beschwerde demzufolge für nicht eingelegt erklärt werde, informiert worden war, auch die Einlegung eines Rechtsbehelfs beim HABM selbst möglich gewesen. Selbst unter der Annahme, die Klägerin habe sich darauf berufen wollen, dass sie trotz Beachtung der den Umständen entsprechenden Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr zu wahren, hätte ihr nämlich ein Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vor dem HABM zur Verfügung gestanden, so dass sie einen Antrag nach Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte stellen können (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 11. Mai 2011, Flaco-Geräte/HABM – Delgado Sánchez [FLACO], T‑74/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 26). 44. Unter diesen Umständen kann der Beschwerdekammer nicht vorgeworfen werden, gegen Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen zu haben, als sie in Anwendung dieses Artikels in Verbindung mit Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 feststellte, dass die Beschwerdegebühr von der Klägerin nach Ablauf der für ihre Zahlung vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten entrichtet wurde, und daraus folgerte, dass aufgrund des Fristversäumnisses die Beschwerde der Klägerin als nicht eingelegt angesehen werden müsse und die Beschwerdegebühr der Klägerin zu erstatten sei. 45. Nach alledem ist der einzige Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen. Kosten 46. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Art. 87 § 3 Abs. 1 sieht jedoch vor, dass das Gericht die Kosten teilen kann, wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist. 47. Im vorliegenden Fall sind einerseits die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie die der Klägerin obliegende Wachsamkeits- und Sorgfaltspflicht und andererseits die Zweideutigkeit der litauischen Sprachfassung dieses Artikels, die vom Prüfer des HABM in der Mitteilung seiner die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung übernommen wurde, gegeneinander abzuwägen. 48. In Anbetracht dieser außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung gebietet es die Billigkeit, dem HABM neben seinen eigenen Kosten auch die der Klägerin entstandenen Kosten aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 23. November 2011, Jones u. a./Kommission, T‑320/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 158, und Beschluss des Gerichts vom 13. November 2012, ClientEarth u. a./Kommission, T‑278/11, Rn. 51). Tenor Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Research and Production Company „Melt Water“ UAB. URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer) 21. Mai 2014 (*1) „Gemeinschaftsmarke — Anmeldung der Gemeinschaftsbildmarke NUEVA — Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Nichteinhaltung der Verpflichtung zur fristgerechten Zahlung der Beschwerdegebühr — Mehrdeutigkeit in einer Sprachfassung — Einheitliche Auslegung — Zufall oder höhere Gewalt — Entschuldbarer Irrtum — Pflicht zu Wachsamkeit und Sorgfalt“ In der Rechtssache T‑61/13 Research and Production Company „Melt Water“ UAB mit Sitz in Klaipėda (Litauen), Prozessbevollmächtigte: V. Viešūnaitė und J. Stucka, advokatais, Klägerin, gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch V. Melgar und J. Ivanauskas als Bevollmächtigte, Beklagter, betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 3. Dezember 2012 (Sache R 1794/2012‑4) über die Anmeldung des Bildzeichens NUEVA als Gemeinschaftsmarke erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, des Richters D. Gratsias und der Richterin M. Kancheva (Berichterstatterin), Kanzlerin: J. Weychert, Verwaltungsrätin, aufgrund der am 6. Februar 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift, aufgrund der am 22. April 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung, auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2014 folgendes Urteil Vorgeschichte des Rechtsstreits 1 Am 19. Januar 2012 meldete die Klägerin, die Research and Production Company „Melt Water“ UAB, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an. 2 Dabei handelte es sich um folgendes Bildzeichen: 3 Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 32 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: „Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Mineralwasser (für nicht medizinische Zwecke); Mineralwässer, Mineralwasser; Wasser in Flaschen, Wasser; Quellwasser; (Trink‑)Wasser (in Flaschen); Trinkwasser (in Flaschen); kohlensäurehaltige Wässer; isotonische Wässer (nicht medizinische Getränke), Sodawässer, Tafelwässer; Mineralwasser (für nicht medizinische Zwecke), Wässer ohne Kohlensäure; Mineralwässer“. 4 Mit Entscheidung vom 18. Juli 2012 wies der Prüfer die Gemeinschaftsmarkenanmeldung für alle in der vorstehenden Rn. 3 genannten Waren auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c sowie Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 zurück, da das in Rede stehende Zeichen beschreibend und nicht unterscheidungskräftig sei. 5 Im letzten Absatz seiner zurückweisenden Entscheidung führte der Prüfer in litauischer Sprache Folgendes aus: „Sie haben das Recht, eine Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚apeliacija‘] nach Art. 59 der Verordnung Nr. 207/2009 gegen diese Entscheidung einzulegen. Nach Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ist die Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚pranešimas apie apeliacija‘] innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim HABM einzulegen sowie innerhalb von vier Monaten ab demselben Datum ein Schriftsatz [in litauischer Sprache: ‚rašytinis‘] zur Begründung der Beschwerde einzureichen. Der Schriftsatz [in litauischer Sprache: ‚prašymas‘] gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr von 800 Euro entrichtet worden ist.“ 6 Am 28. Juli 2012 wurde der Klägerin die Entscheidung des Prüfers zugestellt. 7 Am 25. September 2012 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein. 8 Am 4. Oktober 2012 kontaktierte das HABM die Klägerin telefonisch und wies darauf hin, dass die Beschwerdegebühr nicht entrichtet worden sei. In Beantwortung dieses Hinweises teilte die Klägerin dem HABM mit Schreiben vom selben Tag mit, dass sich aus der Entscheidung des Prüfers und aus Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ergebe, dass diese Gebühr bis zum Datum der Vorlage der Beschwerdebegründung bezahlt werden könne, mithin innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung. 9 Am 5. Oktober 2012 stellte das HABM der Klägerin eine Mitteilung darüber zu, dass die Beschwerdegebühr nicht innerhalb der vorgesehenen Frist entrichtet worden war, die seiner Auffassung nach am 28. September 2012 abgelaufen war. Die zur Stellungnahme aufgeforderte Klägerin berief sich auf ihr Schreiben vom 4. Oktober 2012. 10 Am 9. Oktober 2012 reichte die Klägerin ihre Beschwerdebegründung ein. Am 10. Oktober 2012 ging die am Vortag von der Klägerin entrichtete Beschwerdegebühr beim HABM ein. 11 Mit Entscheidung vom 3. Dezember 2012 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erklärte die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde der Klägerin für nicht eingelegt. Sie war der Ansicht, dass der Wortlaut des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 in der Entscheidung des Prüfers korrekt wiedergegeben worden war. Dazu führte sie aus, dass sich der Satz „[d]ie Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist“ in diesem Artikel nur auf den vorhergehenden Satz über die Einlegung der Beschwerde beziehen könne, der eine Frist von zwei Monaten vorsehe, und nicht auf den folgenden Satz über die Einreichung der Beschwerdebegründung, der eine Frist von vier Monaten vorsehe. Weiter verwies sie darauf, dass Regel 49 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) bei Zahlung der Beschwerdegebühr nach Ablauf der in Art. 60 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 für die Einlegung der Beschwerde vorgesehenen Frist bestimme, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelte und die Gebühr dem Beschwerdeführer erstattet werde. Im vorliegenden Fall stellte sie fest, dass die Klägerin die Beschwerdegebühr am 10. Oktober 2012 entrichtet hatte und damit nach Ablauf der für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten am 28. September 2012. Daher erklärte sie die Beschwerde nach Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 für nicht eingelegt und ordnete die Erstattung der Gebühr nach Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 an. Anträge der Parteien 12 Die Klägerin beantragt, — die angefochtene Entscheidung aufzuheben; — ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer für eingelegt zu erklären; — dem HABM die Kosten aufzuerlegen. 13 Das HABM beantragt, — die Klage abzuweisen; — der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung Zur Zulässigkeit des zweiten Antrags der Klägerin 14 Mit ihrem zweiten Antrag begehrt die Klägerin, dass ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer für eingelegt erklärt wird, und somit der Sache nach, dass das Gericht der Beschwerdekammer aufgibt, diese Beschwerde für eingelegt zu erklären. 15 Insoweit genügt der Hinweis, dass das HABM nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer beim Richter der Europäischen Union eingereichten Klage gegen die Entscheidung einer seiner Beschwerdekammern nach Art. 65 Abs. 6 der Verordnung Nr. 207/2009 die Maßnahmen zu ergreifen hat, die sich aus dem Urteil des Unionsrichters ergeben. Das Gericht kann somit dem HABM keine Anordnungen erteilen. Dieses hat die Konsequenzen aus dem Tenor und den Gründen der Urteile des Unionsrichters zu ziehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, El Corte Inglés/HABM – Bolaños Sabri [PiraÑAM diseño original Juan Bolaños], T-443/05, Slg. 2007, II-2579, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). 16 Daher ist der zweite Antrag der Klägerin, das Gericht möge dem HABM aufgeben, die Beschwerde für eingelegt zu erklären, unzulässig. Zur Begründetheit 17 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend. Sie geht grundsätzlich davon aus, dass ihre Beschwerde vor der Beschwerdekammer eingelegt worden sei, da sie die Beschwerdegebühr innerhalb der Frist entrichtet habe, die dieser Artikel in seiner litauischen Sprachfassung vorschreibe. Diese Fassung sei verbindlich. Tatsächlich lege der Wortlaut dieses Artikels in der litauischen Fassung klar und unmissverständlich fest, dass die Entrichtung der Beschwerdegebühr an die Vorlage der Beschwerdebegründung gekoppelt und hierfür eine Frist von vier Monaten vorgesehen sei, nicht aber von zwei Monaten wie für die Einlegung der Beschwerde. 18 Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 19 Art. 60 („Frist und Form“) der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt: „Die Beschwerde [gegen die in Art. 58 dieser Verordnung bezeichneten Entscheidungen des HABM, insbesondere die des Prüfers; in litauischer Sprache: ‚pranešimas apie apeliacija‘] ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim [HABM] einzulegen. Die Beschwerde [in litauischer Sprache: ‚prašymas‘] gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich [in der litauischen Fassung: mit einem Schriftsatz, in litauischer Sprache: ‚rašytinis prašymas‘] zu begründen.“ 20 Nach einer ständigen Rechtsprechung, die auf Art. 314 EG und Art. 55 EU beruht, sind alle Sprachfassungen einer Bestimmung des Unionsrechts gleichermaßen verbindlich und ist ihnen grundsätzlich der gleiche Wert beizumessen, der nicht je nach der Größe der Bevölkerung der Mitgliedstaaten, die die betreffende Sprache gebraucht, schwanken kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998, EMU Tabac u. a., C-296/95, Slg. 1998, I-1605, Rn. 36, und vom 20. November 2003, Kyocera, C-152/01, Slg. 2003, I-13821, Rn. 32, sowie Urteil des Gerichts vom 20. September 2012, Ungarn/Kommission, T‑407/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 39). 21 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die litauische Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ebenso verbindlich ist wie die Fassungen dieser Bestimmung in den anderen Amtssprachen der Union. 22 Zum Wortlaut der litauischen Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 ist festzustellen, dass im ersten Satz, um die beim HABM einzureichende Beschwerde zu bezeichnen, der Begriff „pranešimas“ verwendet wird, der wörtlich übersetzt „Erklärung“ bedeutet, und im dritten Satz, um den Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde zu bezeichnen, der Begriff „prašymas“, der wörtlich übersetzt „Antrag“ bedeutet. Dem Wortlaut des zweiten Satzes nach gilt der Schriftsatz („prašymas“) erst nach Entrichtung der Beschwerdegebühr als eingelegt. 23 Der Begriff „prašymas“ im zweiten Satz des Art. 60 der Verordnung Nr. 2007/2009 erscheint dabei zweideutig. Auf der einen Seite scheint er sich, wie es die Klägerin geltend macht, nicht auf den anderen Begriff zu beziehen, der im ersten Satz zur Bezeichnung der beim HABM einzureichenden Beschwerde verwendet wird, sondern auf denselben Begriff, der im dritten Satz zur Bezeichnung des Schriftsatzes mit der Beschwerdebegründung verwendet wird, was darauf hindeutet, dass die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr, wie für die Einreichung der Beschwerdebegründung, vier Monate beträgt. Auf der anderen Seite legt, wie das HABM vorträgt, seine Stellung im zweiten Satz nahe, dass er sich auf den vorhergehenden Satz über die beim HABM innerhalb einer Frist von zwei Monaten einzureichende Beschwerde bezieht und nicht auf den nachfolgenden Satz, der den Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung betrifft. 24 Daraus folgt, dass entgegen der von den Parteien in ihren Schriftsätzen geäußerten Meinung, diese Sprachfassung sei eindeutig – woraus sie freilich gegensätzliche Schlüsse ziehen –, die litauische Sprachfassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht frei von Zweideutigkeit ist und Zweifel hinsichtlich ihrer Auslegung und Anwendung aufkommen lässt. 25 Daher ist eine richtige und einheitliche Auslegung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 zu finden und zu prüfen, welche Rechtsfolgen sich aus der Anwendung dieses Artikels durch das HABM im vorliegenden Fall ergeben. 26 Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer unionsrechtlichen Vorschrift verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Ein solcher Ansatz wäre nämlich mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts unvereinbar (Urteile des Gerichtshofs vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C-149/97, Slg. 1998, I-7053, Rn. 16, vom 3. April 2008, Endendijk, C-187/07, Slg. 2008, I-2115, Rn. 23, und vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C-239/07, Slg. 2008, I-7523, Rn. 38). 27 Einerseits darf der Text einer Vorschrift wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss vielmehr im Fall von Zweifeln unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in anderen Amtssprachen ausgelegt und angewandt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 1979, Koschniske, 9/79, Slg. 1979, 2717, Rn. 6, siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1996, Lubella, C-64/95, Slg. 1996, I-5105, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil des Gerichts vom 15. September 2011, Prinz Sobieski zu Schwarzenberg/HABM – British-American Tobacco Polska [Romuald Prinz Sobieski zu Schwarzenberg], T‑271/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). 28 Andererseits gebietet die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts im Fall von Abweichungen zwischen verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift, dass diese nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt wird, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, 30/77, Slg. 1977, 1999, Rn. 14, Kyocera, oben in Rn. 20 angeführt, Rn. 33, und vom 22. März 2012, Génesis, C‑190/10, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). 29 Hinsichtlich der Sprachfassungen des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 in den anderen Amtssprachen der Union, insbesondere in den fünf Arbeitssprachen des HABM, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die in der französischen, englischen, deutschen, italienischen und spanischen Fassung im zweiten Satz dieses Artikels verwendeten Begriffe „recours“, „notice“, „Beschwerde“, „ricorso“ und „recurso“ eindeutig auf den im ersten Satz verwendeten identischen Begriff verweisen, um die Beschwerde zu bezeichnen, die beim HABM innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung einzulegen ist, und nicht auf den im dritten Satz verwendeten anderen Begriff, der in diesem Satz den innerhalb einer Frist von vier Monaten einzureichenden Schriftsatz zur Begründung der Beschwerde bezeichnet. 30 Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Zusammenhang und Zweck des zweiten Satzes des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 darin bestehen, der Einlegung bloß formeller Beschwerden vorzubeugen, der später nicht die Einreichung eines Schriftsatzes zur Begründung der Beschwerde folgt, oder von einer gar mutwilligen Beschwerdeeinlegung abzuhalten. 31 Demzufolge ist Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 einheitlich dahin auszulegen, dass die Entrichtung der Beschwerdegebühr Voraussetzung dafür ist, dass die Beschwerde als eingelegt gilt, so dass die Zahlung an die Einlegung der Beschwerde gebunden ist und ebenso wie diese innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Zustellung der mit der Beschwerde angefochtenen Entscheidung vorzunehmen ist. Die Frist von vier Monaten ab Zustellung der Entscheidung findet lediglich auf die Einreichung der Beschwerdebegründung Anwendung, nicht aber auf die Entrichtung der Beschwerdegebühr. 32 Des Weiteren ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Beschwerdekammer in Rn. 13 der angefochtenen Entscheidung darauf hinzuweisen, dass diese einheitliche Auslegung durch Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 gestützt wird. Diese Regel, deren Wortlaut sowohl im Litauischen als auch in den anderen oben in Rn. 29 genannten Sprachen klar und unmissverständlich ist, bestimmt, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt und dem Beschwerdeführer die Beschwerdegebühr erstattet wird, wenn diese nach Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde gemäß Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 entrichtet wurde. Der Ausdruck „Frist für die Einlegung der Beschwerde“ bezieht sich hier auf die Frist von zwei Monaten für die Einlegung der Beschwerde und nicht auf die Frist von vier Monaten für die Einreichung der Beschwerdebegründung. 33 Hinsichtlich der von der Klägerin in ihren Schriftsätzen aufgestellten Behauptung, Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 sei zur Gewährleistung der Rechtssicherheit in der Weise auszulegen, die ihre Interessen am besten wahre, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass dieses Vorbringen keine eigenständige Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellt, sondern lediglich zur Unterstützung ihres einzigen Klagegrundes, des Verstoßes gegen den genannten Artikel, geltend gemacht worden ist. Dies ist in das Protokoll der Sitzung aufgenommen worden. 34 Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit selbst in Verbindung mit dem Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung ist, der die Beschwerdekammer dazu verpflichtete, in Übereinstimmung mit der oben in Rn. 31 dargelegten Auslegung Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 einheitlich auszulegen, und es ihr verwehrte, hiervon zugunsten der Klägerin abzuweichen. Die genannte einheitliche Auslegung ist, da sie auf den Fassungen dieses Artikels in den anderen Amtssprachen der Union sowie seinem Zusammenhang und Zweck beruht, die einzige, die mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit in Einklang steht. Die Einhaltung von Verfahrensfristen, insbesondere solchen zur Einlegung von Rechtsbehelfen, gehört nämlich zum zwingenden Recht, und jede andere als diese einheitliche Auslegung könnte der Rechtssicherheit schaden (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 19. September 2012, Video Research USA/HABM [VR], T‑267/11, Rn. 35, und Beschluss des Gerichts vom 24. Oktober 2013, Stromberg Menswear/HABM – Leketoy Stormberg Inter [STORMBERG], T‑451/12, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 38). 35 Die Beschwerdekammer hat Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 damit in Rn. 12 der angefochtenen Entscheidung zu Recht dahin ausgelegt, dass er die Entrichtung der Beschwerdegebühr, damit die Beschwerde als eingelegt gilt, innerhalb der für die Einlegung der Beschwerde vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten verlangt. 36 Hinsichtlich des Vortrags der Klägerin, der Prüfer des HABM habe in seiner Entscheidung ausdrücklich die litauische Sprachversion des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 wiederholt, ohne weiter gehende Erläuterungen zu geben, ist zunächst zu konstatieren, dass der Prüfer des HABM in der Mitteilung seiner die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung (siehe oben, Rn. 5) die oben festgestellte Zweideutigkeit der litauischen Sprachfassung dieses Artikels in Bezug auf die Frist zur Entrichtung der Beschwerdegebühr (vgl. oben, Rn. 22 bis 24) übernommen hat, ohne die Klägerin auf diese Zweideutigkeit oder die Abweichung dieser Sprachfassung von den anderen verbindlichen Sprachfassungen aufmerksam zu machen. Im Übrigen hat das HABM in der mündlichen Verhandlung das Vorliegen dieser Zweideutigkeit und dieser Abweichung anerkannt, die ihm bis zu der vorliegenden Rechtssache nicht bekannt gewesen seien, aber unterstrichen, dass dies an der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung dieser Vorschrift jedenfalls nichts ändere. 37 Es ist daher zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Vorbringen der Klägerin, der Prüfer des HABM habe die die Rechtsgültigkeit der litauischen Fassung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 berührende Mehrdeutigkeit seinerseits übernommen, zur Folge haben kann, dass von einer einheitlichen Auslegung dieses Artikels abzusehen und die Nichtentrichtung der Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist als gerechtfertigt anzusehen ist. 38 Nach ständiger Rechtsprechung kann von den unionsrechtlichen Vorschriften über die Verfahrensfristen nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen abgewichen werden, da die strikte Anwendung dieser Vorschriften dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit entspricht, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu verhindern (Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1985, Cockerill-Sambre/Kommission, 42/85, Slg. 1985, 3749, Rn. 10). Unabhängig davon, ob solche Umstände als Zufall, höhere Gewalt oder entschuldbarer Irrtum anzusehen sind, enthalten sie in jedem Fall ein subjektives Merkmal, das mit der Verpflichtung des gutgläubigen Rechtsbürgers zusammenhängt, die höchste Wachsamkeit und Sorgfalt walten zu lassen, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand verlangt werden kann, um den Ablauf des Verfahrens zu überwachen und die vorgesehenen Fristen zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1994, Bayer/Kommission, C-195/91 P, Slg. 1994, I-5619, Rn. 31 und 32, vom 22. September 2011, Bell & Ross/HABM, C-426/10 P, Slg. 2011, I-8849, Rn. 47 und 48, und Beschluss des Gerichts vom 1. April 2011, Doherty/Kommission, T-468/10, Slg. 2011, II-1497, Rn. 18, 19, 27 und 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 39 Vorliegend muss jedoch festgestellt werden, dass die Klägerin die erforderliche Wachsamkeit und Sorgfalt zur Überwachung und Wahrung der vorgeschriebenen Frist zur Entrichtung der Beschwerdegebühr nicht aufgewandt hat. 40 Zunächst ist nämlich zu berücksichtigen, dass eine in normalem Maße wachsame und sorgfältige Anmelderin einer Gemeinschaftsmarke eine Gegenüberstellung von Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 mit Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 vorgenommen hätte (siehe oben, Rn. 32), deren Wortlaut sowohl auf Litauisch als auch in den anderen, oben in Rn. 29 genannten Sprachen klar und unmissverständlich ist. Diese Regel macht jedoch die Einlegung der Beschwerde von der Entrichtung der dazugehörigen Gebühr innerhalb der für die Einlegung der Beschwerde selbst geltenden Frist abhängig, und zwar unabhängig von der in Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 für die spätere Einreichung der Beschwerdebegründung vorgesehenen Frist. Im Übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie von der genannten Regel bei Einlegung ihrer Beschwerde Kenntnis hatte. 41 Des Weiteren hätte eine in normalem Maße wachsame und sorgfältige Anmelderin einer Gemeinschaftsmarke, die, wie die Klägerin, Englisch als zweite Sprache in ihrer Gemeinschaftsmarkenanmeldung gewählt hatte, den Wortlaut des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 zumindest in seiner englischen Sprachfassung überprüfen können, nach dem „die Beschwerde erst als eingelegt gilt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist“ („[t]he notice shall be deemed to have been filed only when the fee for appeal has been paid“). Dieser englische Wortlaut verknüpft die Entrichtung der Beschwerdegebühr (fee for appeal) eindeutig mit der Einlegung der Beschwerde (notice of appeal), für die eine zweimonatige Frist gilt, und nicht mit der Einreichung der Beschwerdebegründung (statement setting out the grounds of appeal), für die eine viermonatige Frist gilt. 42 Dieser Mangel an Wachsamkeit und Sorgfalt seitens der Klägerin hat zur Folge, dass sie sich nicht mit Erfolg auf einen Fall des Zufalls, höherer Gewalt oder eines entschuldbaren Irrtums berufen kann, um ihr Versäumnis zu rechtfertigen, die Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist zu entrichten (vgl. entsprechend Beschluss des Gerichts vom 15. April 2011, Longevity Health Products/HABM – Biofarma [VITACHRON female], T‑96/11, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 19). Im Übrigen hat die Klägerin keine Rüge erhoben, die ausdrücklich auf den zufälligen oder entschuldbaren Charakter dieses Versäumnisses abhebt. 43 Überdies wäre der Klägerin, nachdem sie vom HABM über die Nichtzahlung der Beschwerdegebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist und das Risiko, dass ihre Beschwerde demzufolge für nicht eingelegt erklärt werde, informiert worden war, auch die Einlegung eines Rechtsbehelfs beim HABM selbst möglich gewesen. Selbst unter der Annahme, die Klägerin habe sich darauf berufen wollen, dass sie trotz Beachtung der den Umständen entsprechenden Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr zu wahren, hätte ihr nämlich ein Verfahren zur Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vor dem HABM zur Verfügung gestanden, so dass sie einen Antrag nach Art. 81 der Verordnung Nr. 207/2009 hätte stellen können (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 11. Mai 2011, Flaco-Geräte/HABM – Delgado Sánchez [FLACO], T‑74/10, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 26). 44 Unter diesen Umständen kann der Beschwerdekammer nicht vorgeworfen werden, gegen Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen zu haben, als sie in Anwendung dieses Artikels in Verbindung mit Regel 49 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 feststellte, dass die Beschwerdegebühr von der Klägerin nach Ablauf der für ihre Zahlung vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten entrichtet wurde, und daraus folgerte, dass aufgrund des Fristversäumnisses die Beschwerde der Klägerin als nicht eingelegt angesehen werden müsse und die Beschwerdegebühr der Klägerin zu erstatten sei. 45 Nach alledem ist der einzige Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen. Kosten 46 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Art. 87 § 3 Abs. 1 sieht jedoch vor, dass das Gericht die Kosten teilen kann, wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist. 47 Im vorliegenden Fall sind einerseits die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Art. 60 der Verordnung Nr. 207/2009 sowie die der Klägerin obliegende Wachsamkeits- und Sorgfaltspflicht und andererseits die Zweideutigkeit der litauischen Sprachfassung dieses Artikels, die vom Prüfer des HABM in der Mitteilung seiner die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung übernommen wurde, gegeneinander abzuwägen. 48 In Anbetracht dieser außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung gebietet es die Billigkeit, dem HABM neben seinen eigenen Kosten auch die der Klägerin entstandenen Kosten aufzuerlegen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichts vom 23. November 2011, Jones u. a./Kommission, T‑320/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 158, und Beschluss des Gerichts vom 13. November 2012, ClientEarth u. a./Kommission, T‑278/11, Rn. 51). Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Research and Production Company „Melt Water“ UAB. Jaeger Gratsias Kancheva Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Mai 2014. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Litauisch.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 8. Mai 2014.#Bolloré gegen Europäische Kommission.#Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Markt für Selbstdurchschreibepapier – Zurechenbarkeit der von einer Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an ihre Muttergesellschaft – Unmittelbare Beteiligung der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung – Gleichbehandlung – Dauer des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens – Angemessene Frist – Verteidigungsrechte.#Rechtssache C‑414/12 P.
62012CJ0414
ECLI:EU:C:2014:301
2014-05-08T00:00:00
Wathelet, Gerichtshof
EUR-Lex - CELEX:62012CJ0414 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012CJ0414 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012CJ0414 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Beschluss des Gerichts (Erste Kammer) vom 14. April 2014. # Manufacturing Support & Procurement Kala Naft Co., Tehran gegen Rat der Europäischen Union. # Rechtssache T-263/12.
62012TO0263
ECLI:EU:T:2014:228
2014-04-14T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62012TO0263 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012TO0263 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012TO0263 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 30. April 2014.#Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland gegen Rat der Europäischen Union.#Gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem – Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 329 Abs. 1 AEUV – Beschluss 2013/52/EU – Klage auf Nichtigerklärung wegen Verstoßes gegen die Art. 327 AEUV und 332 AEUV sowie gegen Völkergewohnheitsrecht.#Rechtssache C‑209/13.
62013CJ0209
ECLI:EU:C:2014:283
2014-04-30T00:00:00
Wahl, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CJ0209 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) 30. April 2014 (*1) „Gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem — Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 329 Abs. 1 AEUV — Beschluss 2013/52/EU — Klage auf Nichtigerklärung wegen Verstoßes gegen die Art. 327 AEUV und 332 AEUV sowie gegen Völkergewohnheitsrecht“ In der Rechtssache C‑209/13 betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 18. April 2013, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. Jenkinson und S. Behzadi Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von M. Hoskins, QC, P. Baker, QC, und V. Wakefield, Barrister, Kläger, gegen Rat der Europäischen Union, vertreten durch A.‑M. Colaert, F. Florindo Gijón und A. de Gregorio Merino als Bevollmächtigte, Beklagter, unterstützt durch Königreich Belgien, vertreten durch J.‑C. Halleux und M. Jacobs als Bevollmächtigte, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte, Französische Republik, vertreten durch D. Colas und J.‑S. Pilczer als Bevollmächtigte, Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. Menezes Leitão und A. Cunha als Bevollmächtigte, Europäisches Parlament, vertreten durch A. Neergaard und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal, B. Smulders und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Streithelfer, erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts (Berichterstatter) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis und J.‑C. Bonichot, Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Mit seiner Klage beantragt das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Nichtigerklärung des Beschlusses 2013/52/EU des Rates vom 22. Januar 2013 über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer (ABl. L 22, S. 11, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Am 28. September 2011 nahm die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersystem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG (KOM[2011] 594 endgültig, im Folgenden: Vorschlag von 2011) an. 3 Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) dieses Vorschlags von 2011 bestimmte in Abs. 2: „Diese Richtlinie findet auf alle Finanztransaktionen Anwendung, sofern zumindest eine an der Transaktion beteiligte Partei in einem Mitgliedstaat ansässig ist und ein im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässiges Finanzinstitut eine Transaktionspartei darstellt, wobei diese entweder für eigene oder fremde Rechnung oder im Namen einer Transaktionspartei handelt.“ 4 Art. 3 („Ansässigkeit“) des Vorschlags von 2011 sah in Abs. 1 vor: „Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt ein Finanzinstitut als im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ansässig, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: … (e) es ist eine für eigene oder fremde Rechnung oder im Namen einer Transaktionspartei handelnde Partei einer Finanztransaktion mit einem anderen gemäß den Buchstaben a, b, c oder d in diesem Mitgliedstaat ansässigen Finanzinstitut oder mit einer im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates ansässigen Partei, die kein Finanzinstitut ist.“ 5 Nach drei Tagungen des Rates der Europäischen Union, die am 22. und 29. Juni sowie am 10. Juli 2012 stattgefunden hatten, wurde deutlich, dass der Grundsatz eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems in absehbarer Zeit im Rat keine einstimmige Unterstützung finden wird und das Ziel, ein solches gemeinsames Finanztransaktionssteuersystem einzuführen, daher von der Europäischen Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines realistischen Zeitraums verwirklicht werden kann. 6 Unter diesen Umständen teilten elf Mitgliedstaaten der Kommission zwischen dem 28. September und dem 23. Oktober 2012 mit, dass sie untereinander im Bereich der Finanztransaktionssteuer eine Verstärkte Zusammenarbeit begründen möchten. 7 Am 22. Januar 2013 erließ der Rat auf Vorschlag der Kommission den angefochtenen Beschluss. 8 Der sechste Erwägungsgrund dieses Beschlusses lautet: „… elf Mitgliedstaaten (Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei) [richteten] … förmliche Anträge an die Kommission, in denen sie den Wunsch äußerten, im Bereich der Finanztransaktionssteuer eine Verstärkte Zusammenarbeit zu begründen. Diese Mitgliedstaaten beantragten, dass sich der Geltungsbereich und die Ziele der Verstärkten Zusammenarbeit auf den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie vom 28. September 2011 stützen sollten. Außerdem wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass Steuerumgehungsmaßnahmen, Wettbewerbsverzerrungen und Verlagerungen in andere Steuergebiete vermieden werden müssen.“ 9 Der angefochtene Beschluss enthält zwei Artikel. Sein Art. 1 ermächtigt die elf in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Mitgliedstaaten (im Folgenden: teilnehmende Mitgliedstaaten), auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen der Verträge untereinander eine Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems zu begründen. Nach seinem Art. 2 tritt dieser Beschluss am Tag seiner Annahme in Kraft. 10 Am 14. Februar 2013 nahm die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer (im Folgenden: Vorschlag von 2013) an. 11 Art. 3 („Anwendungsbereich“) dieses Vorschlags von 2013 bestimmt in Abs. 1: „Diese Richtlinie findet auf alle Finanztransaktionen Anwendung, sofern zumindest eine an der Transaktion beteiligte Partei im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ansässig ist und ein im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ansässiges Finanzinstitut eine Transaktionspartei ist, die entweder für eigene oder fremde Rechnung oder im Namen einer Transaktionspartei handelt.“ 12 Art. 4 („Ansässigkeit“) des Vorschlags von 2013 sieht in den Abs. 1 und 2 vor: „1.   Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt ein Finanzinstitut als im Hoheitsgebiet eines teilnehmenden Mitgliedstaates ansässig, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: … g) es ist eine für eigene oder fremde Rechnung oder im Namen einer Transaktionspartei handelnde Partei einer Finanztransaktion mit einem strukturierten Produkt oder einem der Finanzinstrumente im Sinne von Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG, das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausgegeben wurde, mit Ausnahme der in den Nummern 4 bis 10 dieses Abschnitts genannten Instrumente, die nicht auf einer organisierten Plattform gehandelt werden. 2.   Eine Person, die kein Finanzinstitut ist, gilt als in einem teilnehmenden Mitgliedstaat ansässig, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: … c) sie ist Partei einer Finanztransaktion mit einem strukturierten Produkt oder einem der Finanzinstrumente im Sinne von Anhang I Abschnitt C der Richtlinie 2004/39/EG, das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ausgegeben wurde, mit Ausnahme der in den Nummern 4 bis 10 dieses Abschnitts genannten Instrumente, die nicht auf einer organisierten Plattform gehandelt werden.“ Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof 13 Das Vereinigte Königreich beantragt, den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären und dem Rat die Kosten aufzuerlegen. 14 Der Rat beantragt, die Klage abzuweisen und dem Vereinigten Königreich die Kosten aufzuerlegen. 15 Das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, das Europäische Parlament und die Kommission sind als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden. Zur Klage 16 Wohl wissend, dass seine Klage, die vorsorglich erhoben wird, als verfrüht angesehen werden könnte, macht das Vereinigte Königreich zwei Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 327 AEUV und gegen Völkergewohnheitsrecht gerügt, soweit der angefochtene Beschluss zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit extraterritorialer Wirkung ermächtige. Der zweite – hilfsweise vorgetragene – Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Art. 332 AEUV, soweit dieser Beschluss zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer ermächtige, die Kosten für Mitgliedstaaten entstehen lasse, die nicht an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnähmen (im Folgenden: nicht teilnehmende Mitgliedstaaten). Vorbringen der Parteien 17 Der erste Klagegrund besteht aus zwei Teilen; sie betreffen einen Verstoß gegen Art. 327 AEUV und gegen Völkergewohnheitsrecht. 18 Im ersten Teil dieses Klagegrundes macht das Vereinigte Königreich geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen Art. 327 AEUV, indem er zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer ermächtige, die aufgrund des „Gegenparteiprinzips“ gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. e des Vorschlags von 2011 und des „Ausgabeortprinzips“ gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. g und Abs. 2 Buchst. c des Vorschlags von 2013 extraterritoriale Wirkung habe. 19 Dieser Beschluss erlaube nämlich die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die aufgrund der beiden vorstehend genannten Besteuerungsgrundsätze auf Einrichtungen, Personen oder Vorgänge im Gebiet nicht teilnehmender Mitgliedstaaten anwendbar wäre; damit würde in deren Zuständigkeiten und Rechte eingegriffen. 20 Im zweiten Teil seines ersten Klagegrundes führt das Vereinigte Königreich aus, dass nach Völkergewohnheitsrecht eine Regelung extraterritoriale Wirkungen nur erzeugen dürfe, wenn zwischen dem betroffenen Sachverhalt oder Gegenstand und dem Staat, der insoweit seine Zuständigkeit ausübe, hinreichend enge Berührungspunkte bestünden, um einen Eingriff in die souveräne Zuständigkeit eines anderen Staates zu rechtfertigen. 21 Im vorliegenden Fall seien die extraterritorialen Wirkungen der zukünftigen Finanztransaktionssteuer, die sich aus dem „Gegenparteiprinzip“ und dem „Ausgabeortprinzip“ ergäben, durch keine völkerrechtlich anerkannte Regelung der Steuerhoheit gerechtfertigt. 22 Mit seinem zweiten Klagegrund macht das Vereinigte Königreich geltend, dass die Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Finanztransaktionssteuer, obwohl die sich daraus ergebenden Ausgaben gemäß Art. 332 AEUV grundsätzlich allein von den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu tragen seien, aufgrund der Richtlinien 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. L 84, S. 1) und 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. L 64, S. 1) Kosten für nicht teilnehmende Mitgliedstaaten entstehen lasse. 23 Diese beiden Richtlinien begründeten nämlich keinen Anspruch der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten auf Erstattung der mit der Anwendung dieser Richtlinien auf die zukünftige Finanztransaktionssteuer zusammenhängenden Kosten für die Amtshilfe und die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden. 24 Das Vereinigte Königreich ergänzt dazu, dass der Begriff der „sich aus der Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit ergebenden Ausgaben“ im Sinne von Art. 332 AEUV die Ausgaben in Verbindung mit Amtshilfeersuchen oder Ersuchen um Zusammenarbeit nach Maßgabe nationaler Vorschriften zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer erfasse. 25 Der Rat, alle Mitgliedstaaten, die zu seiner Unterstützung dem Rechtsstreit beigetreten sind, mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland, das Europäische Parlament und die Kommission gehen ausdrücklich oder stillschweigend von der Zulässigkeit der Klage und der ihr zugrunde liegenden Klagegründe aus. Allerdings seien diese Klagegründe unbegründet. 26 Zum ersten Klagegrund weisen die genannten Parteien im Wesentlichen darauf hin, dass die Besteuerungsgrundsätze, gegen die sich das Vereinigte Königreich im Rahmen dieses Klagegrundes wende, in diesem Stadium rein hypothetische Elemente einer Regelung seien, die noch erlassen werden müsse. Das Vorbringen des Vereinigten Königreichs in Bezug auf die vermeintlich extraterritorialen Wirkungen der zukünftigen Finanztransaktionssteuer sei folglich verfrüht und spekulativ. Im Rahmen der vorliegenden Klage gehe es daher ins Leere. 27 Zum zweiten Klagegrund machen diese Parteien im Wesentlichen geltend, dass die Klage eine verfrühte Diskussion darüber auslöse, wie der Unionsgesetzgeber die Frage der Verteilung der Kosten für die Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit, zu der der angefochtene Beschluss ermächtige, regeln werde. Im Übrigen regle dieser Beschluss nicht die Fragen der Amtshilfe zum Zweck der Anwendung der zukünftigen Finanztransaktionssteuer. 28 Der Rat, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik und die Kommission fügen hinzu, dass der zweite Klagegrund auf einer unzutreffenden Auslegung von Art. 332 AEUV beruhe. Diese Vorschrift betreffe nämlich nur aus dem Haushalt der Europäischen Union zu finanzierende operative Ausgaben für die Rechtsakte zur Begründung der Verstärkten Zusammenarbeit, nicht aber die vom Vereinigten Königreich angefochtenen Ausgaben, die den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinien 2010/24 und 2011/16 entstehen könnten. 29 Mit einer ähnlichen Argumentation wie der in den Rn. 26 und 27 des vorliegenden Urteils dargelegten vertritt die Bundesrepublik Deutschland die Auffassung, dass die Klage wegen Verkennung des Erfordernisses gemäß Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs unzulässig – und zwar offensichtlich unzulässig – sei, da sich die Klagegründe des Vereinigten Königreichs nicht auf den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bezögen. Hilfsweise macht sie geltend, dass die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Würdigung durch den Gerichtshof 30 Erstens ist hinsichtlich der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Einrede der Unzulässigkeit darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift nach Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung und der dazu ergangenen Rechtsprechung den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen so klar und deutlich sein, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge in der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht (Urteile Kommission/Spanien, C‑360/11, EU:C:2013:17, Rn. 26, und Kommission/Tschechische Republik, C‑545/10, EU:C:2013:509, Rn. 108). 31 Im vorliegenden Fall genügt der Inhalt der Klageschrift diesen Anforderungen an die Klarheit und Deutlichkeit. Er hat den Rat und die zu seiner Unterstützung beigetretenen Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, ihre Argumentation zu den vom Vereinigten Königreich vorgetragenen Klagegründen vorzubereiten, und er ermöglicht dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner gerichtlichen Kontrolle über den angefochtenen Beschluss. 32 Die erhobene Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen. 33 Zweitens ist hervorzuheben, dass sich die Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses des Rates, der, wie der angefochtene Beschluss, die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit auf der Grundlage von Art. 329 AEUV betrifft, auf die Frage bezieht, ob dieser Beschluss insbesondere im Hinblick auf Art. 20 EUV und die Art. 326 AEUV bis 334 AEUV, in denen die materiellen und formellen Voraussetzungen für eine solche Ermächtigung festgelegt sind, als solcher gültig ist. 34 Diese Kontrolle darf nicht mit der Kontrolle verwechselt werden, die im Rahmen einer späteren Nichtigkeitsklage über einen Rechtsakt zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit, zu der ermächtigt wurde, ausgeübt werden kann. 35 In der vorliegenden Klage werden mit dem ersten Klagegrund die Wirkungen gerügt, die die Anwendung bestimmter Besteuerungsgrundsätze der zukünftigen Finanztransaktionssteuer gegenüber Einrichtungen, Personen oder Vorgängen im Hoheitsgebiet nicht teilnehmender Mitgliedstaaten haben könnte. 36 Zweck des angefochtenen Beschlusses ist es jedoch, elf Mitgliedstaaten zu ermächtigen, unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen der Verträge untereinander eine Verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines gemeinsamen Finanztransaktionssteuersystems zu begründen. Die vom Vereinigten Königreich gerügten Besteuerungsgrundsätze sind dagegen keine Bestandteile dieses Beschlusses. Zum einen gehört nämlich das „Gegenparteiprinzip“ zu dem Vorschlag von 2011, der im sechsten Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnt wird. Zum anderen wurde das „Ausgabeortprinzip“ erstmals in den Vorschlag von 2013 aufgenommen. 37 Zum zweiten Klagegrund, mit dem das Vereinigte Königreich im Wesentlichen geltend macht, dass die zukünftige Finanztransaktionssteuer aufgrund der Verpflichtungen zur Amtshilfe und zur Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Zuge der Anwendung der Richtlinien 2010/24 und 2011/16 auf diese Steuer Kosten für nicht teilnehmende Mitgliedstaaten entstehen lasse, was gegen Art. 332 AEUV verstoße, ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss keine Bestimmung zur Frage der Kosten für die Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit, zu der er ermächtigt, enthält. 38 Im Übrigen ist offenkundig, dass unabhängig davon, ob der Begriff der „sich aus der Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit ergebenden Auslagen“ im Sinne von Art. 332 AEUV die Kosten für die Amtshilfe und die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden erfasst, auf die das Vereinigte Königreich mit dem zweiten Klagegrund Bezug nimmt, die Frage möglicher Wirkungen der zukünftigen Finanztransaktionssteuer auf die Verwaltungskosten nicht teilnehmender Mitgliedstaaten nicht geprüft werden kann, solange die Besteuerungsgrundsätze für diese Steuer im Rahmen der Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit, zu der der angefochtene Beschluss ermächtigt, nicht endgültig festgelegt worden sind. 39 Diese Wirkungen hängen nämlich von der Einführung des „Gegenparteiprinzips“ und des „Ausgabeortprinzips“ ab, wobei diese Grundsätze aber, wie in Rn. 36 des vorliegenden Urteils festgestellt, keine Bestandteile des angefochtenen Beschlusses sind. 40 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die beiden Klagegründe des Vereinigten Königreichs zurückzuweisen sind und daher die Klage abzuweisen ist. Kosten 41 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat die Verurteilung des Vereinigten Königreichs beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, tragen das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, das Europäische Parlament und die Kommission ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten. 3. Das Königreich Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission tragen ihre eigenen Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 9. April 2014.#T‑Mobile Austria GmbH gegen Verein für Konsumenteninformation.#Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs.#Richtlinie 2007/64/EG – Zahlungsdienste – Art. 4 Nr. 23 – Begriff des Zahlungsinstruments – Im Onlinebanking oder mit Zahlschein erteilte Überweisungsaufträge – Art. 52 Abs. 3 – Recht des Zahlungsempfängers, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu erheben – Befugnis der Mitgliedstaaten, ein generelles Verbot zu erlassen – Vertrag zwischen einem Mobilfunkbetreiber und Privatpersonen.#Rechtssache C‑616/11.
62011CJ0616
ECLI:EU:C:2014:242
2014-04-09T00:00:00
Wathelet, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0616 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer) 9. April 2014 (*1) „Richtlinie 2007/64/EG — Zahlungsdienste — Art. 4 Nr. 23 — Begriff des Zahlungsinstruments — Im Onlinebanking oder mit Zahlschein erteilte Überweisungsaufträge — Art. 52 Abs. 3 — Recht des Zahlungsempfängers, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu erheben — Befugnis der Mitgliedstaaten, ein generelles Verbot zu erlassen — Vertrag zwischen einem Mobilfunkbetreiber und Privatpersonen“ In der Rechtssache C‑616/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 8. November 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2011, in dem Verfahren T‑Mobile Austria GmbH gegen Verein für Konsumenteninformation erlässt DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász, A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda (Berichterstatter), Generalanwalt: M. Wathelet, Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der T‑Mobile Austria GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Egger, — des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer, — der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und P. Cede als Bevollmächtigte, — der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und J. Kemper als Bevollmächtigte, — der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte, — der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato, — der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und L. Bigotte Chorão als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch K.‑P. Wojcik, J. Rius, M. Noll-Ehlers und C. Vrignon als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Oktober 2013 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG (ABl. L 319, S. 1). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: Verein) und der T‑Mobile Austria GmbH (im Folgenden: T‑Mobile Austria) über deren Tarifpraxis, die darin besteht, dass sie von ihren Kunden bei Zahlung im Onlinebanking oder mit Zahlschein ein zusätzliches Entgelt verlangt. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 In Titel I („Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2007/64 bestimmt Art. 1 („Gegenstand“): „(1)   In dieser Richtlinie werden die Regeln festgelegt, nach denen die Mitgliedstaaten die folgenden sechs Kategorien von Zahlungsdienstleistern unterscheiden: … (2)   Darüber hinaus werden in dieser Richtlinie die Transparenz der Vertragsbedingungen und die Informationspflichten für Zahlungsdienste sowie die jeweiligen Rechte und Pflichten von Zahlungsdienstnutzern und Zahlungsdienstleistern bei der hauptberuflichen oder gewerblichen Erbringung von Zahlungsdiensten geregelt.“ 4 Art. 4 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie sieht vor: „Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Begriff … 3. ‚Zahlungsdienst‘ jede im Anhang aufgeführte gewerbliche Tätigkeit; … 7. ‚Zahler‘ eine natürliche oder juristische Person, die Inhaber eines Zahlungskontos ist und die einen Zahlungsauftrag von diesem Zahlungskonto gestattet oder ‐ falls kein Zahlungskonto vorhanden ist ‐ eine natürliche oder juristische Person, die den Auftrag für einen Zahlungsvorgang erteilt; 8. ‚Zahlungsempfänger‘ eine natürliche oder juristische Person, die den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag als Empfänger erhalten soll; 9. ‚Zahlungsdienstleister‘ Rechtssubjekte im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 sowie natürliche und juristische Personen, für die gemäß Artikel 26 eine Ausnahmeregelung gilt; 10. ‚Zahlungsdienstnutzer‘ eine natürliche oder juristische Person, die einen Zahlungsdienst als Zahler oder Zahlungsempfänger oder in beiden Eigenschaften in Anspruch nimmt; … 16. ‚Zahlungsauftrag‘ jeden Auftrag, den ein Zahler oder Zahlungsempfänger seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs erteilt; … 19. ‚Authentifizierung‘ ein Verfahren, mit dessen Hilfe der Zahlungsdienstleister die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments, einschließlich seiner personalisierten Sicherheitsmerkmale, überprüfen kann; … 23. ‚Zahlungsinstrument‘ jedes personalisierte Instrument und/oder jeden personalisierten Verfahrensablauf, das bzw. der zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und das bzw. der vom Zahlungsdienstnutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen; …“ 5 In Titel IV der genannten Richtlinie, der sich auf die Rechte und Pflichten bei der Erbringung und Nutzung von Zahlungsdiensten bezieht, bestimmt Art. 52 („Entgelte“) in Abs. 3: „Der Zahlungsdienstleister darf dem Zahlungsempfänger nicht verwehren, vom Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen oder ihm eine Ermäßigung anzubieten. Die Mitgliedstaaten können jedoch das Recht auf Erhebung von Entgelten untersagen oder begrenzen, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern.“ 6 Der 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2007/64, der die Tragweite von Art. 52 Abs. 3 dieser Richtlinie betrifft, lautet: „Im Interesse der Transparenz und des Wettbewerbs sollte der Zahlungsdienstleister den Zahlungsempfänger nicht daran hindern, vom Zahler ein Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments zu verlangen. Zwar sollte es dem Zahlungsempfänger freistehen, Entgelte für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments zu erheben, doch können die Mitgliedstaaten beschließen, eine derartige Praxis zu untersagen oder einzuschränken, wenn dies ihrer Auffassung nach angesichts missbräuchlicher Preisgestaltung oder möglicher nachteiliger Auswirkungen der Preisgestaltung auf die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments gerechtfertigt ist, wobei der Notwendigkeit Rechnung zu tragen ist, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern.“ 7 Art. 53 der Richtlinie („Ausnahmeregelung für Kleinbetragszahlungsinstrumente und elektronisches Geld“) lautet: „(1)   Im Falle von Zahlungsinstrumenten, die gemäß dem Rahmenvertrag nur einzelne Zahlungsvorgänge bis höchstens 30 [Euro] betreffen oder die entweder eine Ausgabenobergrenze von 150 [Euro] haben oder Geldbeträge speichern, die zu keiner Zeit 150 [Euro] übersteigen, können die Zahlungsdienstleister mit ihren Zahlungsdienstnutzern vereinbaren, dass a) Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe b, Artikel 57 Absatz 1 Buchstaben c und d sowie Artikel 61 Absätze 4 und 5 keine Anwendung finden, wenn es das Zahlungsinstrument nicht ermöglicht, es zu sperren oder eine weitere Nutzung zu verhindern; b) die Artikel 59 und 60 sowie Artikel 61 Absätze 1 und 2 keine Anwendung finden, wenn das Zahlungsinstrument anonym genutzt wird oder der Zahlungsdienstleister aus anderen Gründen, die dem Zahlungsinstrument immanent sind, nicht nachweisen kann, dass ein Zahlungsvorgang autorisiert war; c) abweichend von Artikel 65 Absatz 1 der Zahlungsdienstleister nicht gehalten ist, den Zahlungsdienstnutzer von einer Ablehnung des Zahlungsauftrags zu unterrichten, wenn die Nichtausführung aus dem Zusammenhang hervorgeht; d) abweichend von Artikel 66 der Zahler den Zahlungsauftrag nach dessen Übermittlung bzw. nachdem er dem Zahlungsempfänger seine Zustimmung zum Zahlungsauftrag erteilt hat, nicht widerrufen kann; e) abweichend von den Artikeln 69 und 70 andere Ausführungsfristen gelten. (2)   Für innerstaatliche Zahlungsvorgänge können die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden die in Absatz 1 genannten Beträge verringern oder verdoppeln. Für Zahlungsinstrumente auf Guthabenbasis können diese Beträge auf bis zu 500 [Euro] erhöht werden. (3)   Die Artikel 60 und 61 gelten auch für elektronisches Geld im Sinne des Artikels 1 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 2000/46/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. September 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (ABl. L 275, S. 39)], außer in dem Fall, in dem der Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht die Möglichkeit hat, das Zahlungskonto oder das Zahlungsinstrument zu sperren. Die Mitgliedstaaten können diese Ausnahmeregelung auf Zahlungskonten oder Zahlungsinstrumente mit einem gewissen Wert beschränken.“ Österreichisches Recht 8 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts ist die Richtlinie 2007/64 mit dem am 1. November 2009 in Kraft getretenen Zahlungsdienstegesetz (BGBl. I 2009/66, im Folgenden: ZaDiG) in österreichisches Recht umgesetzt worden. 9 § 1 („Anwendungsbereich“) ZaDiG bestimmt in Abs. 1: „Dieses Bundesgesetz legt die Bedingungen fest, zu denen Personen Zahlungsdienste gewerblich in Österreich erbringen dürfen (Zahlungsdienstleister) und regelt die Rechte und Pflichten von Zahlungsdienstleistern und Zahlungsdienstnutzern im Zusammenhang mit Zahlungsdiensten, die an in Österreich ansässige Zahlungsdienstnutzer oder von in Österreich ansässigen Zahlungsdienstleistern erbracht werden, sowie den Zugang zu Zahlungssystemen.“ 10 § 27 („Entgelte“) ZaDiG sorgt in Abs. 6 für die Umsetzung von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 in österreichisches Recht. § 27 Abs. 6 ZaDiG sieht vor: „Der Zahlungsdienstleister darf dem Zahlungsempfänger nicht verwehren, dem Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments eine Ermäßigung anzubieten. Die Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger im Falle der Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ist unzulässig.“ Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen 11 T‑Mobile Austria ist einer der Mobilfunkanbieter in Österreich. In dieser Eigenschaft schließt sie mit Verbrauchern Telekommunikationsverträge ab, die von ihr stets aktualisierte Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalten. In der im November 2009 geltenden Fassung dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen fand sich folgende Klausel: „§ 23 … 1.2 Alle Zahlungsarten werden als schuldbefreiend anerkannt, jedoch verrechnen wir Ihnen bei Zahlungen über Zahlschein oder Telebanking ein Bearbeitungsentgelt – der Betrag richtet sich nach den für Sie geltenden Tarifbestimmungen.“ 12 In Anwendung dieser Klausel verrechnete T‑Mobile Austria den im Tarif „Call Europe“ angemeldeten Verbrauchern, die eine Zahlung ohne Bankeinzug oder Kreditkarte wählten, was insbesondere die Zahlung im Onlinebanking oder mit Zahlschein umfasst, ein zusätzliches Entgelt von 3 Euro pro Monat. 13 Der Verein rief das Erstgericht des Ausgangsverfahrens an und beantragte, T‑Mobile Austria zum einen zu untersagen, die genannte Klausel in die Verträge aufzunehmen, die sie mit ihren Kunden schließt, und zum anderen, sich im Rahmen bestehender Verträge darauf zu berufen. Der Verein führte zur Stützung seiner Klage aus, die Klausel verstoße gegen die zwingenden Bestimmungen des § 27 Abs. 6 Satz 2 ZaDiG. 14 T‑Mobile Austria beantragte die Abweisung der Klage und berief sich dabei zunächst darauf, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2007/64 und des ZaDiG falle, da sie kein Zahlungsdienstleister, sondern ein Mobilfunkbetreiber sei. Ein Zahlschein sei in Ermangelung personalisierter Sicherheitsmerkmale auch kein Zahlungsinstrument im Sinne von Art. 4 Nr. 23 dieser Richtlinie. Schließlich sei die Umsetzung von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie durch § 27 Abs. 6 Satz 2 ZaDiG nicht richtlinienkonform, da der österreichische Gesetzgeber die Untersagung der Erhebung von Entgelten für die Nutzung bestimmter Zahlungsinstrumente nicht begründet habe. 15 Das Erstgericht gab dem Klagebegehren des Vereins vollinhaltlich statt. Dieses Urteil wurde in der Berufung bestätigt. Das Berufungsgericht war der Ansicht, dass eine Überweisung mit Zahlschein kein Zahlungsinstrument im Sinne von Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 darstelle. Da in Art. 52 Abs. 3 dieser Richtlinie keine Vollharmonisierung der in Rede stehenden Regelung vorgesehen sei, könne der nationale Gesetzgeber jedoch ein generelles Verbot der Erhebung von zusätzlichen Entgelten, wie das in § 27 Abs. 6 ZaDiG erlassene Verbot, sowohl hinsichtlich der Zahlungsinstrumente im Sinne der Richtlinie als auch hinsichtlich weiterer Zahlungsvorgänge, wie Überweisungen mit Zahlschein, vorsehen. Außerdem diene dieses Verbot den in Art. 52 Abs. 3 zweiter Satz der Richtlinie genannten Zwecken der Förderung des Wettbewerbs und eines funktionierenden Preissystems. 16 T‑Mobile Austria erhob gegen dieses Urteil Revision beim vorlegenden Gericht, gegen dessen Entscheidungen im nationalen Recht kein Rechtsmittel gegeben ist. Dieses stellte fest, dass die im Ausgangsrechtsstreit aufgeworfenen Fragen eine Auslegung der Vorschriften der Richtlinie 2007/64 erforderten. 17 Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen, dass er auch auf das Vertragsverhältnis zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinen Privatkunden (Verbraucher) als Zahler Anwendung zu finden hat? 2. Sind ein vom Zahler eigenhändig unterschriebener Zahlschein bzw. das auf einem unterschriebenen Zahlschein beruhende Verfahren zur Erteilung von Überweisungsaufträgen sowie das zur Erteilung von Überweisungsaufträgen im Onlinebanking (Telebanking) vereinbarte Verfahren als „Zahlungsinstrumente“ im Sinne des Art. 4 Nr. 23 und des Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 anzusehen? 3. Ist Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen, dass er der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegensteht, die ein generelles und insbesondere nicht zwischen verschiedenen Zahlungsinstrumenten differenzierendes Verbot der Erhebung von Entgelten durch den Zahlungsempfänger vorsehen? Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 18 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet. Zur Zulässigkeit 19 Zunächst hat der Verein die Einrede der Unzulässigkeit gegen diese erste Frage erhoben, da deren Beantwortung für das vorlegende Gericht nicht im Sinne von Art. 267 AEUV „erforderlich“ sei, um über den Ausgangsrechtsstreit entscheiden zu können. 20 Nach ständiger Rechtsprechung spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen des nationalen Gerichts, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festgelegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteile PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 39, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, EU:C:2007:318, Rn. 22, sowie Betriu Montull, C‑5/12, EU:C:2013:571, Rn. 34). 21 Wie der Generalanwalt in den Nrn. 21 bis 23 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist nicht offensichtlich, dass die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung von Art. 52 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2007/64 im vorliegenden Fall zur Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits nicht erforderlich ist. 22 Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits beantragt der Verein nämlich, T‑Mobile Austria zu untersagen, eine Klausel, die bei Zahlung mit Zahlschein oder im Onlinebanking die Verrechnung eines Bearbeitungsentgelts vorsieht, in die Verträge aufzunehmen, die sie mit ihren Kunden schließt, und sich im Rahmen bestehender Verträge auf eine solche Klausel zu berufen. Aus der Vorlageentscheidung geht auch hervor, dass die Klage auf § 27 Abs. 6 Satz 2 ZaDiG gestützt wird, mit dem Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie in innerstaatliches Recht umgesetzt wird. 23 Deshalb ist die erste Frage zulässig. Zur Beantwortung der Fragen 24 Art. 52 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2007/64 bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsempfänger nicht verwehren darf, vom Zahler für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen oder ihm eine Ermäßigung anzubieten. Art. 52 Abs. 3 Satz 2 dieser Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten jedoch die Befugnis ein, das Recht des Zahlungsempfängers, vom Zahler ein Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments zu erheben, zu untersagen oder zu begrenzen, um der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern. 25 Hierzu ist festzustellen, dass ein Mobilfunkbetreiber als „Zahlungsempfänger“ im Sinne von Art. 4 Nr. 8 der Richtlinie 2007/64 eingestuft werden kann, wenn er den bei einem Zahlungsvorgang transferierten Geldbetrag erhält. Darüber hinaus kann der Kunde dieses Mobilfunkbetreibers als „Zahler“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 dieser Richtlinie eingestuft werden, wenn er einen Zahlungsauftrag von dem Zahlungskonto, dessen Inhaber er ist, gestattet oder wenn er einen Zahlungsauftrag erteilt. 26 Aus dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie, der das Recht des Zahlungsempfängers regelt, vom Zahler ein Entgelt für die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments zu erheben, ergibt sich bereits, dass diese Bestimmung das Verhältnis zwischen dem Zahlungsempfänger und dem Zahler betrifft. Daraus folgt, dass diese Bestimmung auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet, wie der Verein, die österreichische, die deutsche, die französische, die italienische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission geltend machen. 27 Außerdem wäre, wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die den Mitgliedstaaten in Art. 52 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2007/64 eingeräumte Befugnis ohne Wirkung, wenn sie auf die Beziehungen zwischen „Zahlungsempfänger“ und „Zahler“ keine Anwendung fände. 28 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet. Zur zweiten Frage 29 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass zum einen ein vom Zahler eigenhändig unterschriebener Zahlschein bzw. das auf einem solchen Zahlschein beruhende Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags und zum anderen das Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung darstellen. 30 Nach Art. 4 Nr. 23 dieser Richtlinie handelt es sich bei einem Zahlungsinstrument um „jedes personalisierte Instrument und/oder jeden personalisierten Verfahrensablauf, das bzw. der zwischen dem Zahlungsdienstnutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und das bzw. der vom Zahlungsdienstnutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen“. 31 Zunächst ist festzustellen, dass zwischen den verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung eine gewisse Divergenz besteht, wie der Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge ausführt. Das Attribut „personalisiert“ kennzeichnet zwar in allen Sprachfassungen das Syntagma „jedes Instrument“. Doch kennzeichnet das Attribut „personalisiert“ in der französischen Fassung („tout dispositif personnalisé et/ou ensemble de procédures“), die u. a. mit der spanischen, der italienischen, der ungarischen, der portugiesischen und der rumänischen Fassung übereinstimmt, nicht das Syntagma „Verfahrensablauf“. Umgekehrt kennzeichnet das Attribut „personalisiert“ in der deutschen Fassung („jedes personalisierte Instrument und/oder jeden personalisierten Verfahrensablauf“) das Syntagma „Verfahrensablauf“. In der englischen Fassung („any personalised device[s] and/or set of procedures“), die u. a. mit der dänischen, der griechischen, der niederländischen, der finnischen und der schwedischen Fassung übereinstimmt, sind beide Lesarten möglich. 32 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Vorschriften des Unionsrechts im Licht der Fassungen in allen Sprachen der Europäischen Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen eines Unionstexts voneinander ab, muss die fragliche Vorschrift nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteile Bark, C‑89/12, EU:C:2013:276, Rn. 40, und Kommission/Finnland, C‑309/11, EU:C:2013:610, Rn. 49). 33 In diesem Zusammenhang stellen der Verein, die österreichische, die deutsche und die französische Regierung sowie die Kommission zu Recht fest, dass ein Zahlungsinstrument nur dann als personalisiert angesehen werden kann, wenn es dem Zahlungsdienstleister ermöglicht, zu überprüfen, dass der Zahlungsauftrag von einem hierzu berechtigten Nutzer erteilt wurde. 34 Wie die französische Regierung ausführt, sind aber einige in Art. 53 der Richtlinie 2007/64 ausdrücklich genannte Zahlungsinstrumente nicht personalisiert. So ergibt sich z. B. aus Art. 53 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie, dass bestimmte Zahlungsinstrumente anonym genutzt werden und die Zahlungsdienstleister dann den Nachweis der Authentifizierung in dem in Art. 59 der Richtlinie geregelten Fall nicht zu erbringen brauchen. 35 Aus dem Vorhandensein solcher nicht personalisierter Zahlungsinstrumente folgt zwangsläufig, dass der in Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie definierte Begriff des Zahlungsinstruments einen nicht personalisierten Verfahrensablauf erfassen kann, der zwischen dem Nutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und der vom Nutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen. 36 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts ist anhand dieser Definition des Begriffs „Zahlungsinstrument“ im Sinne von Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 zu beantworten. 37 Das vorlegende Gericht möchte zum einen wissen, ob es sich bei einem vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein bzw. dem auf einem solchen Zahlschein beruhenden Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags um ein Zahlungsinstrument handelt. 38 Wie der Verein, die österreichische, die französische, die italienische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission zu Recht geltend machen, stellt die Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein einen Verfahrensablauf dar, der zwischen dem Nutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und der vom Nutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen, und ist deshalb ein Zahlungsinstrument im Sinne von Art. 4 Nr. 23 Fall 2 der Richtlinie 2007/64. 39 Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass die Erteilung eines solchen Überweisungsauftrags im Allgemeinen voraussetzt, dass der Zahler bei der Eröffnung des Zahlungskontos bei dem Kreditinstitut eine Probe seiner eigenhändigen Unterschrift hinterlegt, dass er bestimmte Zahlscheine verwendet und dass er diese eigenhändig unterschreibt. Das Kreditinstitut kann den Zahlungsauftrag gemäß Art. 4 Nr. 19 der Richtlinie authentifizieren, indem es die eigenhändige Unterschrift auf dem Zahlschein mit der vorab vom Zahler hinterlegten Probe der eigenhändigen Unterschrift vergleicht. 40 Zum anderen möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um ein Zahlungsinstrument handelt. 41 Wie der Verein, die österreichische, die deutsche, die französische, die italienische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission ausführen, stellt die Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking einen Verfahrensablauf dar, der zwischen dem Nutzer und dem Zahlungsdienstleister vereinbart wurde und der vom Nutzer eingesetzt werden kann, um einen Zahlungsauftrag zu erteilen, und ist deshalb ein Zahlungsinstrument im Sinne von Art. 4 Nr. 23 Fall 2 der Richtlinie 2007/64. 42 Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt sich nämlich, dass die Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking voraussetzt, dass der Zahler verschiedene personalisierte Nummern wie eine Identifikationsnummer, eine Geheimnummer und eine Transaktionsnummer eingibt, deren Verwendung zwischen dem Kreditinstitut und dem Zahler vereinbart ist. Die Verwendung dieser verschiedenen personalisierten Nummern durch den Zahler ermöglicht es dem Kreditinstitut, den Zahlungsauftrag gemäß Art. 4 Nr. 19 der Richtlinie zu authentifizieren. 43 Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob das Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein oder das Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking als „personalisiertes Instrument“ im Sinne von Art. 4 Nr. 23 Fall 1 der Richtlinie 2007/64 einzustufen sind, da es sich bei beiden um einen „Verfahrensablauf“ im Sinne von Fall 2 dieser Bestimmung handelt. 44 Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass es sich sowohl bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein als auch bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung handelt. Zur dritten Frage 45 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen. 46 Wie der Verein, die österreichische, die deutsche, die französische, die italienische und die portugiesische Regierung sowie die Kommission ausführen, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Befugnis, Zahlungsempfängern zu untersagen, für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, bezüglich eines Teils oder sämtlicher in ihrem Staatsgebiet genutzter Zahlungsinstrumente umgesetzt werden kann. In Art. 52 Abs. 3 Satz 2 wird diese Befugnis der Mitgliedstaaten nämlich nicht auf die Nutzung eines bestimmten Zahlungsinstruments begrenzt. 47 Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten zwar der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, wenn sie die Erhebung eines Entgelts für die Nutzung eines Zahlungsinstruments begrenzen oder untersagen, doch verfügen sie über einen weiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung der ihnen durch Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie eingeräumten Befugnis, wie sich insbesondere aus deren 42. Erwägungsgrund ergibt. 48 Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 dahin auszulegen ist, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des Urteils 49 T‑Mobile Austria beantragt die zeitliche Begrenzung der Wirkungen des zu erlassenden Urteils für den Fall, dass der Gerichtshof zum einen entscheiden sollte, dass es sich bei den Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags um Zahlungsinstrumente im Sinne von Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 handelt, und zum anderen, dass Art. 52 Abs. 3 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen. 50 Insoweit wird nach ständiger Rechtsprechung durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Art. 267 AEUV vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (vgl. u. a. Urteil RWE Vertrieb, C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). 51 Darüber hinaus ist eine Begrenzung der zeitlichen Wirkungen eines Urteils eine außergewöhnliche Maßnahme, die voraussetzt, dass eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen besteht, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhängen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen wurden; dabei müssen die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden sein, weil eine erhebliche objektive Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Bestimmungen des Unionsrechts bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte (vgl. u. a. Urteil Endress, C‑209/12, EU:C:2013:864, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). 52 Insoweit ist festzustellen, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden nicht zu einem mit dem Unionsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden sind, da die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie 2007/64 durch die im Ausgangsverfahren anwendbaren österreichischen Rechtsvorschriften ordnungsgemäß umgesetzt worden waren. 53 Außerdem weist T‑Mobile Austria lediglich auf „erhebliche finanzielle Folgen“ für die Unternehmen des Telekommunikationssektors innerhalb der Union hin, ohne hierzu Beweise vorzulegen oder nähere Angaben zu machen, wie der Generalanwalt in Nr. 98 seiner Schlussanträge ausführt. Deshalb ist nicht dargetan, dass eine Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Endress, EU:C:2013:864, Rn. 37). 54 Infolgedessen sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht in zeitlicher Hinsicht zu begrenzen. Kosten 55 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 97/7/EG, 2002/65/EG, 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/EG ist dahin auszulegen, dass er auf die Nutzung eines Zahlungsinstruments im Rahmen des Vertragsverhältnisses zwischen einem Mobilfunkbetreiber als Zahlungsempfänger und seinem Kunden als Zahler Anwendung findet. 2. Art. 4 Nr. 23 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass es sich sowohl bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags durch einen vom Zahler eigenhändig unterschriebenen Zahlschein als auch bei dem Verfahren zur Erteilung eines Überweisungsauftrags im Onlinebanking um Zahlungsinstrumente im Sinne dieser Bestimmung handelt. 3. Art. 52 Abs. 3 der Richtlinie 2007/64 ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, Zahlungsempfängern generell zu untersagen, vom Zahler für die Nutzung eines Zahlungsinstruments ein Entgelt zu verlangen, sofern die nationale Regelung insgesamt der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Wettbewerb und die Nutzung effizienter Zahlungsinstrumente zu fördern, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Deutsch.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 27. März 2014.#LCL Le Crédit Lyonnais SA gegen Fesih Kalhan.#Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal d’instance d’Orléans.#Verbraucherschutz – Verbraucherkreditverträge – Richtlinie 2008/48/EG – Art. 8 und 23 – Verpflichtung des Kreditgebers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Vertrags – Nationale Vorschrift, die zur Abfrage einer Datenbank verpflichtet – Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen im Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung – Wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Charakter der Sanktion.#Rechtssache C‑565/12.
62012CJ0565
ECLI:EU:C:2014:190
2014-03-27T00:00:00
Gerichtshof, Wahl
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62012CJ0565 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) 27. März 2014 (*1) „Verbraucherschutz — Verbraucherkreditverträge — Richtlinie 2008/48/EG — Art. 8 und 23 — Verpflichtung des Kreditgebers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Vertrags — Nationale Vorschrift, die zur Abfrage einer Datenbank verpflichtet — Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen im Fall einer Verletzung dieser Verpflichtung — Wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Charakter der Sanktion“ In der Rechtssache C‑565/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal d’instance d’Orléans (Frankreich) mit Entscheidung vom 30. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Dezember 2012, in dem Verfahren LCL Le Crédit Lyonnais SA gegen Fesih Kalhan erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter M. Safjan und J. Malenovský sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe, Generalanwalt: N. Wahl, Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der LCL Le Crédit Lyonnais SA, vertreten durch C. Vexliard, avocate, — der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und S. Menez als Bevollmächtigte, — der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L 133, S. 66, und Berichtigungen ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der LCL Le Crédit Lyonnais SA (im Folgenden: LCL) und Herrn Kalhan wegen einer Aufforderung zur Zahlung von Beträgen, die Herr Kalhan auf ein persönliches Darlehen schuldet, das LCL ihm gewährt hatte und in Bezug auf das er in Zahlungsverzug ist. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 In den Erwägungsgründen 7, 9, 26, 28 und 47 der Richtlinie 2008/48 heißt es: „(7) Um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern, muss in einigen Schlüsselbereichen ein harmonisierter gemeinschaftsrechtlicher Rahmen geschaffen werden. … … (9) Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. … … (26) Die Mitgliedstaaten sollten unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Kreditmarkts in ihrem jeweiligen Land geeignete Maßnahmen zur Förderung verantwortungsvoller Verfahren in allen Phasen der Kreditvergabe ergreifen. … Insbesondere auf dem expandierenden Kreditmarkt ist es wichtig, dass Kreditgeber nicht verantwortungslos in der Kreditvergabe tätig werden oder Kredite ohne vorherige Beurteilung der Kreditwürdigkeit vergeben, und die Mitgliedstaaten sollten die erforderlichen Kontrollen durchführen, um derartige Verhaltensweisen zu unterbinden[,] und sie sollten die erforderlichen Sanktionsmittel für jene Kreditgeber bestimmen, die sich so verhalten. … … (28) Zur Bewertung der Kreditsituation des Verbrauchers sollte der Kreditgeber auch die einschlägigen Datenbanken konsultieren; aufgrund der rechtlichen und sachlichen Umstände kann es erforderlich sein, dass sich derartige Konsultationen im Umfang unterscheiden. … … (47) Die Mitgliedstaaten sollten Regelungen über die Sanktionen festlegen, die bei Verstößen gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften zu verhängen sind, und für deren Anwendung sorgen. Die Wahl der Sanktionen bleibt zwar den Mitgliedstaaten überlassen, doch sollten die vorgesehenen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“ 4 Art. 8 („Verpflichtung zur Bewertung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers“) dieser Richtlinie sieht in Abs. 1 vor: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass vor Abschluss des Kreditvertrages der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers anhand ausreichender Informationen bewertet, die er gegebenenfalls beim Verbraucher einholt und erforderlichenfalls anhand von Auskünften aus der in Frage kommenden Datenbank. Diejenigen Mitgliedstaaten, die die Kreditgeber gesetzlich dazu verpflichten, die Kreditwürdigkeit aufgrund der Abfrage einer entsprechenden Datenbank zu beurteilen, können diese Anforderung beibehalten.“ 5 Art. 23 („Sanktionen“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.“ Französisches Recht 6 Das Gesetz Nr. 2010‑737 vom 1. Juli 2010 zur Neuregelung des Verbraucherkredits (JORF vom 2. Juli 2010, S. 12001), mit dem die Richtlinie 2008/48 in innerstaatliches französisches Recht umgesetzt werden sollte, wurde in die Art. L. 311‑1 ff. des Code de la consommation übernommen. 7 Art. L. 311-9 dieses Code bestimmt: „Vor Abschluss des Kreditvertrags prüft der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers anhand einer ausreichenden Menge an Informationen, einschließlich der Auskünfte, die dieser auf Verlangen des Kreditgebers erteilt. Der Kreditgeber fragt die in Art. L. 333‑4 vorgesehene Datenbank unter den Voraussetzungen ab, die in dem in Art. L. 333‑5 genannten Erlass vorgesehen sind.“ 8 Am 26. Oktober 2010 wurde der in Art. L. 333-5 des Code de la consommation vorgesehene Ministerialerlass über die nationale Datenbank über Unregelmäßigkeiten bei der Rückzahlung von Privatkrediten (im Folgenden: nationale Datenbank) erlassen. Dieser Erlass schreibt die Modalitäten vor, nach denen die Kreditgeber die Nachweise der Abfrage der nationalen Datenbank aufbewahren müssen, um sie im Fall eines Rechtsstreits oder einer Prüfung vorzulegen. 9 Art. L. 311-48 Abs. 2 und 3 des Code de la consommation sieht vor: „Ist der Kreditgeber den Verpflichtungen aus den Art. L. 311‑8 und L. 311‑9 nicht nachgekommen, verwirkt er seinen Zinsanspruch ganz oder zum vom Richter festgelegten Teil. … Der Kreditnehmer ist nur zur Rückzahlung des Hauptbetrags nach dem vorgesehenen Zeitplan sowie gegebenenfalls zur Zahlung der Zinsen verpflichtet, für die der Anspruch des Kreditgebers nicht verwirkt ist. Die als Zinsen gezahlten Beträge, die ab dem Tag ihrer Zahlung zum gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen sind, werden vom Kreditgeber zurückgezahlt oder auf den noch geschuldeten Kapitalbetrag angerechnet.“ 10 Art. L. 313-3 des Code monétaire et financier (Gesetzbuch über das Währungs- und Finanzwesen) bestimmt: „Im Falle einer Verurteilung zur Zahlung durch eine gerichtliche Entscheidung wird der Satz des gesetzlichen Zinses nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die gerichtliche Entscheidung – sei es auch nur vorläufig – vollstreckbar geworden ist, um fünf Punkte erhöht. … Gleichwohl kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers unter Berücksichtigung der Situation des Schuldners diesen von der Erhöhung befreien oder die Erhöhung herabsetzen.“ 11 Art. 1153 Abs. 1 und 3 des Code civil lautet wie folgt: „Bei Schulden, die sich auf die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags beschränken, besteht der Schadensersatz wegen Verzugs bei der Erfüllung stets nur in der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen zum gesetzlichen Satz, unbeschadet besonderer Bestimmungen für den Handel und die Bürgschaft. Dieser Schadensersatz kann verlangt werden, ohne dass der Gläubiger einen Verlust nachzuweisen braucht. Der Anspruch besteht erst ab dem Tag der Mahnung oder eines anderen gleichwertigen Schriftstücks wie zum Beispiel eines Schreibens, wenn daraus eine hinreichende Zahlungsaufforderung hervorgeht, außer in den Fällen, in denen der Beginn der Verzinsung gesetzlich angeordnet ist.“ 12 In Art. 1154 dieses Code heißt es: „Fällige Zinsen auf den Hauptbetrag können entweder aufgrund einer gerichtlichen Klage oder einer Sondervereinbarung Zinsen bringen, vorausgesetzt, dass es bei der Klage oder der Vereinbarung um Zinsen geht, die mindestens für ein ganzes Jahr geschuldet werden.“ 13 Art. 1254 des Code civil bestimmt: „Der Schuldner einer Schuld, die zu verzinsen ist oder bei der Zinsrückstände bestehen, kann nicht ohne Zustimmung des Gläubigers eine von ihm getätigte Zahlung auf den Hauptbetrag anstatt auf die rückständigen Zinsen oder die Zinsen anrechnen; eine Zahlung, die auf den Hauptbetrag und Zinsen geleistet wird, jedoch nicht vollständig ist, wird zunächst auf die Zinsen angerechnet.“ Ausgangsverfahren und Vorlagefrage 14 Am 4. Mai 2011 schloss Herr Kalhan mit LCL einen Vertrag über ein persönliches Darlehen in Höhe von 38000 Euro, rückzahlbar in 60 Monatsraten zu je 730,46 Euro zu einem festen jährlichen Sollzinssatz von 5,60 % und einem effektiven Jahreszins von 5,918 %. 15 Da die Rückzahlungen auf dieses Darlehen ab dem 12. Januar 2012 eingestellt wurden, berief sich LCL vor dem Tribunal d’instance d’Orléans auf die sofortige Fälligkeit des Darlehensbetrags. 16 Am 18. Oktober 2012 erhob LCL beim vorlegenden Gericht Klage gegen Herrn Kalhan und beantragte u. a. dessen Verurteilung zur Zahlung von 37611,23 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5,918 % pro Jahr ab dem 17. April 2012 sowie die Anordnung der jährlichen Kapitalisierung der Zinsen. 17 Das genannte Gericht griff von Amts wegen den Gesichtspunkt einer eventuellen Verwirkung des Zinsanspruchs auf, die gemäß Art. L. 311‑48 Abs. 2 des Code de la consommation einem Kreditgeber entgegengehalten werden kann, der im Rahmen der in Art. L. 311‑9 dieses Code vorgeschrieben Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers die in Art. L. 333‑4 dieses Code vorgesehene nationale Datenbank nicht abgefragt hat. LCL räumte ein, dass sie nicht nachweisen könne, dass sie diese Datenbank vor Abschluss des Kreditvertrags abgefragt habe. 18 Das vorlegende Gericht führt aus, dass die in Art. L. 311-48 Abs. 2 des Code de la consommation vorgesehene Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs von der Cour de cassation (Frankreich) so ausgelegt worden sei, dass sie nur die vertraglich vereinbarten Zinsen betreffe, die Zinsen zum gesetzlichen Satz gemäß Art. 1153 des Code civil jedoch weiter geschuldet würden. 19 Gemäß Art. L. 313-3 des Code monétaire et financier werde dieser gesetzliche Zinssatz um fünf Punkte erhöht, wenn der Kreditnehmer seine Schuld nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die gerichtliche Entscheidung vollstreckbar geworden sei, vollständig beglichen habe. 20 Die Zinsen zum gesetzlichen Satz sowie die Erhöhung von fünf Punkten gälten nach der Rechtsprechung der Cour de cassation außerdem kraft Gesetzes, d. h., die so erhöhten Zinsen würden automatisch geschuldet, auch wenn sie nicht eingefordert oder in der gerichtlichen Entscheidung nicht vorgesehen worden seien. 21 Im Übrigen betrage der Satz der vertraglich vereinbarten Zinsen im vorliegenden Fall 5,60 %, während LCL nach der Feststellung der Verwirkung des Anspruchs auf diese Zinsen dafür Zinsen zum gesetzlichen Satz verlangen könne, die sich, wenn sie zwei Monate nach Beginn der Vollstreckbarkeit des Urteils um fünf Punkte erhöht würden, für das Jahr 2012 auf 5,71 % belaufen würden. Die Anwendung der Verwirkung des Zinsanspruchs könne dem Kreditgeber somit einen Vorteil verschaffen. 22 Unter diesen Umständen fragt sich das vorlegende Gericht erstens, ob die Sanktion der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen im Fall eines festgestellten Verstoßes gegen die Verpflichtung des Kreditgebers, zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers die entsprechende nationale Datenbank abzufragen, Wirksamkeit besitzt. 23 Nach den Ausführungen dieses Gerichts könnte diese Sanktion wirksam sein, wenn der Verbraucher die gesamten fälligen Beträge innerhalb von zwei Monaten nach Beginn der Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Entscheidung begleiche. Dieser Fall sei in der Praxis jedoch illusorisch, da der Umstand, dass der Kreditgeber gezwungen gewesen sei, zu klagen, im Allgemeinen bedeute, dass die Situation des Verbrauchers es diesem nicht mehr erlaubt habe, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Außerdem könne das mit der Rechtssache befasste Gericht zwar eine Gnadenfrist von höchstens 24 Monaten gewähren, die gesetzlichen Zinsen würden jedoch nach wie vor fällig. Im Übrigen könne man auch der Ansicht sein, dass die vom Kreditgeber begangene Verletzung der Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers zu dessen exzessiver Verschuldung beigetragen haben könnte. 24 Ferner sehe Art. L. 313-3 des Code monétaire et financier für den Verbraucher die Möglichkeit vor, beim Gericht zu beantragen, ihn von der Erhöhung der Zinsen zum gesetzlichen Satz zu befreien oder diese herabzusetzen. In der Praxis seien die Fälle, in denen ein Verbraucher nach der Verwirkung des Zinsanspruchs von einer solchen Maßnahme habe profitieren können, jedoch extrem selten, u. a. weil der Verbraucher nicht über dieses Recht informiert werde oder weil die entsprechende Vergünstigung nicht im Hinblick auf die Schwere der Verfehlungen des Kreditgebers gewährt werde, sondern allein im Hinblick auf die finanzielle Situation des Verbrauchers. 25 Was zweitens die Verhältnismäßigkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sanktionsregelung betrifft, weist das vorlegende Gericht zunächst darauf hin, dass der Richter zwar die Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs im Hinblick auf die Schwere der Verletzung der fraglichen Verpflichtung durch den Kreditgeber anpassen könne. Selbst in diesem Fall stünden diesem jedoch noch die Zinsen zum gesetzlichen Satz auf die ausstehenden Beträge zu. 26 Da ferner die Zinsen zum gesetzlichen Satz gemäß Art. 1254 des Code civil aufgrund der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen fällig würden und Zahlungen vorrangig auf die geschuldeten Zinsen angerechnet würden, werde die Rückzahlung des Hauptbetrags zwangsläufig verzögert, so dass neue Zinsen zum gesetzlichen Satz fällig würden. 27 Schließlich werde die Wirkung der genannten Verwirkung auch durch die Kapitalisierung der Zinsen verringert, die der Kreditgeber nach dem in Art. 1154 des Code civil vorgesehenen Zinseszinsgrundsatz beantragen könne. 28 Drittens äußert das vorlegende Gericht Zweifel hinsichtlich des abschreckenden Charakters der im Code de la consommation vorgesehenen Regelung über die Verwirkung des Zinsanspruchs. Da die Kreditgeber sogar im Fall der Verwirkung ihres Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen auf die Fälligkeit von Zinsen zum erhöhten gesetzlichen Zinssatz zählen könnten, bestünde für sie kaum ein Anreiz, ihre Praktiken im Sinne einer strikten Erfüllung der Verpflichtungen zu ändern, die ihnen durch die Richtlinie 2008/48 und die Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie in das innerstaatliche Recht der Mitgliedstaaten auferlegt würden. 29 Unter diesen Umständen hat das Tribunal d’instance d’Orléans das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Steht das in Art. 23 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Erfordernis wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen im Fall von Verstößen gegen die in der Richtlinie genannten Verpflichtungen durch die Kreditgeber dem Bestehen von Vorschriften entgegen, die dem Kreditgeber, gegen den die Sanktion der Verwirkung seines Zinsanspruchs, wie sie die französischen Rechtsvorschriften vorsehen, verhängt wurde, ermöglichen, nach dem Verhängen der Sanktion Zinsen auf die vom Verbraucher noch geschuldeten Beträge zu erlangen, die kraft Gesetzes zu einem gesetzlichen Satz fällig werden, der zwei Monate nach einer vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidung um fünf Punkte erhöht wird? Zur Vorlagefrage 30 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 23 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer nationalen Sanktionsregelung entgegensteht, nach der ein Kreditgeber, der seiner vorvertraglichen Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durch Abfrage einer entsprechenden Datenbank nicht nachgekommen ist, seinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen verwirkt, jedoch kraft Gesetzes Zinsen zum gesetzlichen Satz verlangen kann, die ab der Verkündung der gerichtlichen Entscheidung fällig sind, mit der der betreffende Kreditnehmer zur Zahlung der ausstehenden Beträge verurteilt wurde, und außerdem um fünf Punkte erhöht werden, wenn der Kreditnehmer nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag der Verkündung dieser Entscheidung seine Schuld nicht beglichen hat. Zur Zulässigkeit 31 Die Europäische Kommission hat in zweifacher Hinsicht Zweifel an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens. 32 Sie macht erstens geltend, dass mit der im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Sanktionsregelung Verstöße gegen eine Verpflichtung unterbunden werden sollten, die nicht in der Richtlinie 2008/48, sondern in einer nationalen Regelung über die Verpflichtung des Kreditgebers zur Abfrage einer Datenbank vorgesehen sei, die die Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 dieser Richtlinie beibehalten könnten, selbst wenn diese Regelung auch für Verletzungen anderer Verpflichtungen gelte, die sich unmittelbar aus der genannten Richtlinie ergäben. Es sei daher nicht klar, ob eine solche Sanktionsregelung in den Geltungsbereich des Art. 23 dieser Richtlinie falle. 33 Zweitens müsse man sich angesichts der Tatsache, dass der Grundsatz der Anwendung von Zinsen zum gesetzlichen Satz und Erhöhung dieser Zinsen von Gesetzes wegen zu implizieren scheine, dass das nationale Gericht weder von den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorschriften über die Zahlung dieser Beträge abweichen noch diese im Licht des Unionsrechts auslegen könne, fragen, ob die Beantwortung der vom vorlegenden Gericht vorgelegten Frage durch den Gerichtshof sachdienlich sei. 34 Insoweit ist zum einen zur Anwendbarkeit von Art. 23 der Richtlinie 2008/48 auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Sanktionsregelung festzustellen, dass dieser Artikel seinem eigenen Wortlaut nach für „[Sanktionen] für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften“ gilt. 35 Mit der genannten Sanktionsregelung soll auch der Verstoß gegen eine im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2008/48 erlassene innerstaatliche Vorschrift geahndet werden. 36 Mit dieser in Art. L. 311-48 des Code de la consommation enthaltenen Regelung soll nämlich u. a. die Verletzung der in Art. L. 311-9 dieses Code vorgesehenen Verpflichtung des Kreditgebers geahndet werden, die Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durch Abfrage der entsprechenden nationalen Datenbank zu überprüfen. Art. 8 der Richtlinie 2008/48 sieht jedoch ausdrücklich vor, dass eine solche Verpflichtung zur Abfrage beibehalten werden kann. Außerdem findet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sanktionsregelung im Allgemeinen bei einer Verletzung der Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor Abschluss des Vertrags Anwendung, wie sie im genannten Art. L. 311-9 vorgesehen ist, mit dem Art. 8 dieser Richtlinie umgesetzt werden soll. Im Übrigen ergibt sich aus dem 28. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass eine solche Abfrage durchgeführt wird, wenn die rechtlichen und sachlichen Umstände es erfordern. 37 Was zum anderen die Zweifel der Kommission hinsichtlich der Sachdienlichkeit der Beantwortung der vorgelegten Frage für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen des nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof kann ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. insbesondere Urteil vom 19. Dezember 2013, Fish Legal und Shirley, C‑279/12, Rn. 30). 38 Insoweit ergibt sich aus dem Grundsatz, dass auf einen Betrag, der nicht innerhalb der vorgesehenen Frist gezahlt wurde, automatisch oder kraft Gesetzes Zinsen zum gesetzlichen Satz angewandt werden und dass diese Zinsen erhöht werden, nicht offensichtlich, dass das vorlegende Gericht nicht in der Lage wäre, die Antwort des Gerichtshofs auf die vorgelegte Frage in sachdienlicher Weise zu berücksichtigen, so insbesondere dadurch, dass es die innerstaatlichen Vorschriften, aus denen sich die Fälligkeit dieses Betrags ergibt, im Licht des Unionsrechts auslegt, falls dies in Anbetracht dieser Antwort erforderlich sein sollte. 39 Die von der Kommission angeführten Zweifel können daher die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens nicht in Frage stellen. Zur Beantwortung der Vorlagefrage 40 Aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, im Licht des 28. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie gesehen, ergibt sich, dass der Kreditgeber vor dem Abschluss eines Kreditvertrags die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers bewerten muss. Diese Verpflichtung kann gegebenenfalls die Konsultation der einschlägigen Datenbanken umfassen. 41 In diesem Zusammenhang heißt es im 26. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass es insbesondere auf dem expandierenden Kreditmarkt wichtig ist, dass Kreditgeber nicht verantwortungslos in der Kreditvergabe tätig werden oder Kredite ohne vorherige Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vergeben, und dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Kontrollen durchführen sollten, um derartige Verhaltensweisen zu unterbinden, und die erforderlichen Sanktionsmittel für die Kreditgeber bestimmen sollten, die sich so verhalten. 42 Die vorvertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers trägt insoweit, als sie den Schutz der Verbraucher vor der Gefahr der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit bezweckt, zur Verwirklichung des Ziels der Richtlinie 2008/48 bei, das, wie sich aus den Erwägungsgründen 7 bis 9 dieser Richtlinie ergibt, darin besteht, in Bezug auf Verbraucherkredite eine vollständige und obligatorische Harmonisierung in einigen Schlüsselbereichen vorzusehen, die als notwendig erachtet wird, um allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern. 43 Im Licht dieses Ziels, eine wirksamen Schutz der Verbraucher vor der unverantwortlichen Gewährung von Krediten, die ihre finanziellen Möglichkeiten überschreiten und zu ihrer Zahlungsunfähigkeit führen können, zu gewährleisten, sieht Art. 23 der Richtlinie 2008/48 zum einen vor, dass die Sanktionen für Verstöße gegen die nach Art. 8 dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften über die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Vertrags so festgelegt werden, dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind, und zum anderen, dass die Mitgliedstaaten die zur Anwendung dieser Sanktionen erforderlichen Maßnahmen treffen. Außerdem ergibt sich aus dem 47. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass die Wahl der betreffenden Sanktionsregelung innerhalb dieser Grenzen den Mitgliedstaaten überlassen bleibt. 44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV verankert ist, die Mitgliedstaaten, denen die Wahl der Maßregeln überlassen bleibt, namentlich darauf achten müssen, dass Verstöße gegen das Unionsrecht nach materiellen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen ähneln, die bei nach Art und Schwere gleichartigen Verstößen gegen das nationale Recht gelten, und jedenfalls der Sanktion einen wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Charakter verleihen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a., C-387/02, C-391/02 und C-403/02, Slg. 2005, I-3565, Rn. 64 und 65, sowie vom 26. September 2013, Texdata Software, C‑418/11, Rn. 50). 45 Der Gerichtshof hat u. a. entschieden, dass die Härte der Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen muss, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (Urteil Texdata Software, Rn. 51). 46 Im vorliegenden Fall ist die Sanktion für einen Verstoß gegen die in Art. L. 311‑9 des Code de la consommation – mit dem Art. 8 der Richtlinie 2008/48 umgesetzt werden soll – vorgesehene vorvertragliche Verpflichtung des Kreditgebers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers in Art. L. 311‑48 dieses Code – mit dem Art. 23 der genannten Richtlinie umgesetzt werden soll – vorgesehen, der grundsätzlich die vollständige Verwirkung des Anspruchs des Kreditgebers auf die Zinsen vorsieht. 47 Es stellt sich somit die Frage, ob die Härte dieser Sanktion der Schwere der mit ihr geahndeten Verstöße entspricht und insbesondere ob eine solche Sanktion eine wirklich abschreckende Wirkung aufweist. 48 Das vorlegende Gericht macht insoweit geltend, dass nach der nationalen Rechtsprechung die Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs nur die vertraglichen Zinsen betrifft, so dass die Kreditgeber von Gesetzes wegen Zinsen zum gesetzlichen Satz verlangen können, die in den allermeisten Fällen, ebenfalls kraft Gesetzes, um fünf Punkte erhöht werden. In Bezug auf das Ausgangsverfahren führt das vorlegende Gericht aus, dass der Zinssatz der vertraglich vereinbarten Zinsen im Jahr 2012 5,60 % betragen habe, während sich die Zinsen zum gesetzlichen Satz um fünf Punkte erhöht auf 5,71 % belaufen hätten. Der Unterschied zwischen diesen Zinssätzen wäre, so das vorlegende Gericht, für das Jahr 2013 noch größer gewesen. Die Anwendung der im nationalen Recht vorgesehenen Sanktion der Verwirkung könne dem Kreditgeber somit einen Vorteil verschaffen. 49 Die Kommission macht hingegen geltend, dass in Fällen wie dem des Ausgangsverfahrens, in denen der Kreditgeber infolge des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers die sofortige Rückzahlung des Kredits verlange, der wirksame und abschreckende Charakter der Sanktion gewährleistet zu sein scheine. Die mit der Abfrage der entsprechenden Datenbanken im Rahmen der Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers verbundenen Kosten seien nämlich relativ begrenzt, während die Sanktion der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen ein Risiko mit potenziell hohen wirtschaftlichen Kosten berge. Außerdem könne ein unsorgfältiger Kreditgeber zwar die gesetzlichen Zinsen, gegebenenfalls um fünf Punkte erhöht, verlangen. Anders jedoch als bei einem Kreditgeber, der seiner Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers vor Abschluss des Vertrags nachgekommen sei, umfasse die Grundlage, auf die diese Zinsen angewandt würden, weder die vertraglich vereinbarten Zinsen noch die auf diese geschuldeten gesetzlichen Zinsen. 50 Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das für die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts allein zuständig ist, zur Beurteilung des wirklich abschreckenden Charakters der Sanktion unter den Umständen der bei ihm anhängigen Rechtssache die Beträge, die der Kreditgeber als Vergütung für das Darlehen erhalten hätte, wenn er seiner vorvertraglichen Verpflichtung zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durch Abfrage einer entsprechenden Datenbank nachgekommen wäre, mit den Beträgen zu vergleichen, die er unter Anwendung der Sanktion für die Verletzung dieser vorvertraglichen Verpflichtung erhalten würde. Bei der Bestimmung der letztgenannten Beträge muss das genannte Gericht sämtliche Gesichtspunkte und insbesondere alle Folgen berücksichtigen, die sich aus seiner Feststellung einer Verletzung der genannten vorvertraglichen Verpflichtung durch den Kreditgeber ergeben können. 51 Sollte das vorlegende Gericht nach dem in der vorstehenden Randnummer genannten Vergleich feststellen, dass in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit die Anwendung der Sanktion der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen dem Kreditgeber einen Vorteil verschaffen kann, da die verwirkten Ansprüche geringer sind als diejenigen, die sich bei Anwendung der Zinsen zum erhöhten gesetzlichen Zinssatz ergeben, hieße dies, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sanktionsregelung offensichtlich nicht gewährleistet, dass die verhängte Sanktion wirklich abschreckende Wirkung hat. 52 Unter Berücksichtigung der in Rn. 43 des vorliegenden Urteils aufgezeigten Bedeutung des Ziels des Verbraucherschutzes, dem die Verpflichtung des Kreditgebers zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers dient, kann zudem in allgemeinerer Weise die Sanktion der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen nicht als wirklich abschreckend angesehen werden, wenn das vorlegende Gericht nach dem in Rn. 50 des vorliegenden Urteils genannten Vergleich in Anbetracht sämtlicher in dieser Randnummer genannten relevanten Umstände feststellen sollte, dass in einem Fall wie dem ihm vorliegenden, in dem der noch geschuldete Hauptbetrag aufgrund des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers sofort fällig geworden ist, die an den Kreditgeber infolge der Anwendung dieser Sanktion zu zahlenden Beträge nicht wesentlich geringer sind als diejenigen, die ihm zustünden, wenn er der genannten Verpflichtung nachgekommen wäre. 53 Sollte die Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs nämlich dadurch, dass die Anwendung von Zinsen zum erhöhten gesetzlichen Zinssatz ihre Wirkungen ausgleichen kann, abgeschwächt oder sogar ganz zunichtegemacht werden, hieße dies zwangsläufig, dass diese Sanktion nicht wirklich abschreckend ist (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Juni 1994, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-382/92, Slg. 1994, I-2435, Rn. 56 bis 58). 54 Für den Fall, dass das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die Sanktion der Verwirkung des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarten Zinsen nicht wirklich abschreckend im Sinne von Art. 23 der Richtlinie 2008/48 ist, ist insoweit darauf hinzuweisen, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit ausschließlich zwischen Privatpersonen anhängig ist, bei der Anwendung der Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts das gesamte nationale Recht berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand von Wortlaut und Zweck der einschlägigen Richtlinie auslegen muss, um zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel vereinbar ist (vgl. u. a. Urteil vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, Rn. 44). 55 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 23 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er der Anwendung einer nationalen Sanktionsregelung entgegensteht, nach der ein Kreditgeber, der seiner vorvertraglichen Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durch Abfrage einer entsprechenden Datenbank nicht nachgekommen ist, seinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen verwirkt, jedoch kraft Gesetzes Zinsen zum gesetzlichen Satz verlangen kann, die ab der Verkündung der gerichtlichen Entscheidung fällig sind, mit der der betreffende Kreditnehmer zur Zahlung der ausstehenden Beträge verurteilt wurde, und außerdem um fünf Punkte erhöht werden, wenn der Kreditnehmer nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag der Verkündung dieser Entscheidung seine Schuld nicht beglichen hat, sofern das vorlegende Gericht feststellt, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der noch geschuldete Hauptbetrag aufgrund des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers sofort fällig geworden ist, die an den Kreditgeber infolge der Anwendung der Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs tatsächlich zu zahlenden Beträge nicht wesentlich geringer sind als diejenigen, die ihm zustünden, wenn er seiner Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers nachgekommen wäre. Kosten 56 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: Art. 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Sanktionsregelung entgegensteht, nach der ein Kreditgeber, der seiner vorvertraglichen Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers durch Abfrage einer entsprechenden Datenbank nicht nachgekommen ist, seinen Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Zinsen verwirkt, jedoch kraft Gesetzes Zinsen zum gesetzlichen Satz verlangen kann, die ab der Verkündung der gerichtlichen Entscheidung fällig sind, mit der der betreffende Kreditnehmer zur Zahlung der ausstehenden Beträge verurteilt wurde, und außerdem um fünf Punkte erhöht werden, wenn der Kreditnehmer nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag der Verkündung dieser Entscheidung seine Schuld nicht beglichen hat, sofern das vorlegende Gericht feststellt, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der noch geschuldete Hauptbetrag aufgrund des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers sofort fällig geworden ist, die an den Kreditgeber infolge der Anwendung der Sanktion der Verwirkung des Zinsanspruchs tatsächlich zu zahlenden Beträge nicht wesentlich geringer sind als diejenigen, die ihm zustünden, wenn er seiner Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers nachgekommen wäre. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Französisch.
Beschluss des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 16. Januar 2014.#Dél-Zempléni Nektár Leader Nonprofit kft. gegen Vidékfejlesztési miniszter.#Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi közigazgatási és munkaügyi bíróság.#Landwirtschaft – Verordnung (EG) Nr.1698/2005 – ELER – Anforderungen an die Rechtsform lokaler Aktionsgruppen – Änderung dieser Anforderungen – Zuständigkeit der Mitgliedstaaten – Grenzen.#Rechtssache C‑24/13.
62013CO0024
ECLI:EU:C:2014:40
2014-01-16T00:00:00
Gerichtshof, Cruz Villalón
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62013CO0024 BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer) 16. Januar 2014 (*1) „Landwirtschaft — Verordnung (EG) Nr.1698/2005 — ELER — Anforderungen an die Rechtsform lokaler Aktionsgruppen — Änderung dieser Anforderungen — Zuständigkeit der Mitgliedstaaten — Grenzen“ In der Rechtssache C‑24/13 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 3. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2013, in dem Verfahren Dél-Zempléni Nektár Leader Nonprofit kft gegen Vidékfejlesztési Miniszter erlässt DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, des Richters J. Malenovský und der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), Generalanwalt: P. Cruz Villalón, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 und 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, folgenden Beschluss 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. L 277, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 (ABl. L 368, S. 15). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Dél-Zempléni Nektár Leader Nonprofit kft (im Folgenden: DZNLN) und dem Vidékfejlesztési Miniszter (Minister für die Entwicklung des ländlichen Raums) wegen dessen Entscheidung, mit der DZNLN die Zulassung als lokale Aktionsgruppe entzogen wurde. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Die Verordnung Nr. 1698/2005 legt die Regeln für Interventionen des ELER fest. 4 Art. 15 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmt: „Der ELER wirkt in den Mitgliedstaaten in Form von Entwicklungsprogrammen für den ländlichen Raum. Mit diesen Programmen wird eine Strategie der ländlichen Entwicklung über ein Bündel von Maßnahmen umgesetzt, die nach den in Titel IV definierten Schwerpunkten gruppiert werden. Jedes Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum erstreckt sich auf einen zwischen dem 1. Januar 2007 und dem 31. Dezember 2013 liegenden Zeitraum.“ 5 Zur Beihilferegelung des Schwerpunkts 4 („Leader“) sieht Art. 61 der Verordnung Nr. 1698/2005 vor: „Das Leader-Konzept umfasst mindestens folgende Elemente: a) gebietsbezogene lokale Entwicklungsstrategien, die auf subregionaler Ebene für genau umrissene ländliche Gebiete bestimmt sind, b) lokale öffentlich-private Partnerschaften (nachstehend ‚lokale Aktionsgruppen‘ genannt), c) ein Bottom-up-Konzept mit Entscheidungsbefugnis für die lokalen Aktionsgruppen bei der Ausarbeitung und Umsetzung lokaler Entwicklungsstrategien, d) eine multisektorale Konzeption und Umsetzung der Strategie, die auf dem Zusammenwirken der Akteure und Projekte aus den verschiedenen Bereichen der lokalen Wirtschaft beruhen, … g) die Vernetzung lokaler Partnerschaften.“ 6 Art. 62 („Lokale Aktionsgruppen“) der Verordnung Nr. 1698/2005 bestimmt: „(1)   Das Konzept der lokalen Entwicklungspartnerschaft wird durch lokale Aktionsgruppen umgesetzt, die folgende Voraussetzungen erfüllen: a) Sie sind Träger einer integrierten örtlichen Entwicklungsstrategie, die sich mindestens auf die Aspekte nach Artikel 61 Buchstaben a bis d und Buchstabe g stützt, und verantwortlich für deren Umsetzung. b) Sie stellen entweder eine Gruppierung dar, die bereits im Rahmen der Initiative Leader II … oder Leader+ … unterstützt wird, oder eine dem Leader-Konzept entsprechende Gruppierung oder eine neu gegründete repräsentative Gruppierung von Partnern aus unterschiedlichen sozioökonomischen Bereichen des jeweiligen Gebiets. Auf der Ebene der Entscheidungsfindung müssen die Wirtschafts- und Sozialpartner sowie andere Vertreter der Zivilgesellschaft, z. B. Landwirte, Landfrauen und Jugendliche sowie deren Verbände mindestens 50 % der lokalen Partnerschaft stellen. c) Sie müssen zeigen, dass sie imstande sind, eine Entwicklungsstrategie für ihr Gebiet auszuarbeiten und umzusetzen. (2)   Die Verwaltungsbehörde stellt sicher, dass die lokalen Aktionsgruppen entweder die Federführung für Verwaltung und Finanzmanagement einem Partner übertragen, der befähigt ist, öffentliche Fördermittel zu verwalten und das ordnungsgemäße Funktionieren der Partnerschaft sicherzustellen, oder sich in einer rechtlich konstituierten Organisationsform zusammenschließen, deren Satzung das ordnungsgemäße Funktionieren der Partnerschaft und die Befähigung zur Verwaltung öffentlicher Zuschüsse gewährleistet. … (4)   Die im Rahmen der Strategie finanzierten Projekte werden von den lokalen Aktionsgruppen ausgewählt. Diese können auch die Kooperationsprojekte auswählen.“ Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen 7 DZNLN, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ohne Gewinnerzielungsabsicht, erhielt mit Entscheidung der Új Magyarország Vidékfejlesztési Program Irányító Hatósága (Behörde für das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums „Neues Ungarn“) vom 26. September 2008 die Anerkennung als lokale Aktionsgruppe Leader. 8 Anschließend war DZNLN als lokale Aktionsgruppe Leader tätig und erfüllte dabei die Bestimmungen sowohl des Unionsrechts als auch des innerstaatlichen Rechts. 9 Die genannte Zulassung wurde DZNLN mit Entscheidung vom 26. April 2012 mit Wirkung vom 30. April 2012 mit der Begründung entzogen, dass gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 der Verordnung 54/2011 des Ministers für die Entwicklung des ländlichen Raums von diesem Zeitpunkt an nur Vereine den Status als lokale Aktionsgruppe Leader innehaben könnten, womit u. a. Einrichtungen ausgeschlossen seien, die wie DZNLN in der Form einer Handelsgesellschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht organisiert seien. 10 Das Fővárosi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Gericht für Sozial- und Verwaltungsstreitsachen Budapest), bei dem DZNLN gegen diese Entscheidung Anfechtungsklage erhoben hat, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Entscheidung mit den Verordnungen Nrn. 1698/2005 und 1974/2006. Daher hat dieses Gericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Sind die Verordnungen Nrn. 1698/2005 und 1974/2006 dahin auszulegen, dass im Zusammenhang mit Agrarbeihilfen gegründete lokale Aktionsgruppen nur eine in einem Mitgliedstaat gesetzlich vorgesehene Rechtsform aufweisen können? 2. Kann auf der Grundlage der genannten Verordnungen eine Unterscheidung in der Weise vorgenommen werden, dass der nationale Gesetzgeber nur lokale Aktionsgruppen anerkennt, die bestimmte Rechtsformen aufweisen, indem er andere oder engere Voraussetzungen aufstellt, als sie in Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 vorgesehen sind? 3. Reicht es gemäß den genannten Verordnungen aus, wenn lokale Aktionsgruppen in einem Mitgliedstaat nur die in Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen? Kann der Mitgliedstaat diese Vorschrift einschränken, indem er an die Einrichtungen, die die in Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, andere formelle oder gesetzliche Anforderungen stellt? 4. Sind die genannten Verordnungen dahin auszulegen, dass die Entscheidung, lokale Aktionsgruppen, die die von Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen und während des gesamten Zeitraums, in dem sie tätig waren, sämtliche einschlägigen nationalen und gemeinschaftlichen Vorschriften beachtet haben, abzuschaffen, und nur die Tätigkeit von lokalen Aktionsgruppen zuzulassen, die eine neue Rechtsform aufweisen, in das Ermessen eines Mitgliedstaats fällt? 5. Sind die genannten Verordnungen dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat in Bezug auf bereits laufende Hilfsprogramme oder während des Programmplanungszeitraums gegebenenfalls auch den Rechtsrahmen für die Tätigkeit der lokalen Aktionsgruppen ändern kann? 6. Wie sind die genannten Verordnungen auszulegen, wenn lokale Aktionsgruppen abgeschafft werden, die ihre Tätigkeit bislang effizient und rechtmäßig ausgeübt haben? Was geschieht in einem solchen Fall mit den von den lokalen Aktionsgruppen eingegangenen Verpflichtungen und erworbenen Rechten, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtheit der von der Abschaffung betroffenen Einrichtungen? 7. Ist Art. 62 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 dahin auszulegen, dass eine Vorschrift hinnehmbar und rechtmäßig ist, mit der ein Mitgliedstaat verlangt, dass die lokalen Aktionsgruppen Leader, die die Form einer Handelsgesellschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht aufweisen, binnen eines Jahres in Vereine umgewandelt werden müssen, weil nur die Rechtsform eines Vereins als Organisationsform die Einrichtung eines Netzes zwischen den lokalen Gesellschaften ordnungsgemäß gewährleisten könne, da eine Handelsgesellschaft nach geltendem ungarischen Recht im Wesentlichen auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei und die Verfolgung wirtschaftlicher Interessen die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel und den Beitritt neuer Gesellschafter ausschließe? Zu den Vorlagefragen 11 Vorab ist zum einen darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen kann, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. Diese Bestimmung ist, was die Fragen 1 bis 5 und 7 betrifft, in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden. 12 Zum anderen kann nach Art. 53 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung der Gerichtshof, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist, nach Anhörung des Generalanwalts, jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache in Bezug auf die sechste Frage anzuwenden. Zu den Fragen 1 bis 3 13 Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnungen Nrn. 1698/2005 und 1974/2006 dahin auszulegen sind, dass sie den Erlass von nationalen Vorschriften verlangen, verbieten oder gestatten, nach denen eine lokale Aktionsgruppe, die sämtliche in Art. 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005 aufgezählten Voraussetzungen erfüllt, darüber hinaus dazu verpflichtet ist, eine bestimmte Rechtsform anzunehmen, und anderen hiermit verbundenen Anforderungen unterliegt. 14 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen von Verordnungen zwar aufgrund ihrer Rechtsnatur und ihrer Funktion im Rechtsquellensystem des Unionsrechts im Allgemeinen unmittelbare Wirkung in den nationalen Rechtsordnungen haben, ohne dass nationale Durchführungsmaßnahmen erforderlich wären, es jedoch vorkommen kann, dass manche Verordnungsbestimmungen zu ihrer Durchführung des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten bedürfen (vgl. u. a. Urteil vom 25. Oktober 2012, Ketelä, C‑592/11, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). 15 Insoweit ergibt sich aus ständiger Rechtsprechung, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung erlassen können, wenn sie deren unmittelbare Anwendbarkeit nicht vereiteln, deren unionsrechtliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des ihnen durch die betreffende Verordnung verliehenen Ermessens innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren (Urteil Ketelä, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). 16 Daher ist unter Bezugnahme auf die einschlägigen, anhand objektiver Kriterien ausgelegten Bestimmungen der fraglichen Verordnung festzustellen, ob diese Bestimmungen es den Mitgliedstaaten verbieten, gebieten oder gestatten, bestimmte Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, und, insbesondere im letztgenannten Fall, ob sich die betreffende Maßnahme in den Rahmen des den einzelnen Mitgliedstaaten eingeräumten Wertungsspielraums einfügt (Urteil Ketelä, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). 17 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) deren Bestimmungen für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union gelten. Bei einer solchen Durchführung sind die Mitgliedstaaten zudem dazu verpflichtet, die Wahrung der allgemeinen Grundsätze dieses Rechts, wie u. a. der Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit, des Schutzes berechtigten Vertrauens und der Verhältnismäßigkeit, zu gewährleisten (vgl. u. a. Urteile vom 20. Juni 2002, Mulligan u. a., C-313/99, Slg. 2002, I-5719, Rn. 46, und vom 4. Juni 2009, JK Otsa Talu, C-241/07, Slg. 2009, I-4323, Rn. 46). 18 Im Licht der in den Rn. 15 und 16 des vorliegenden Beschlusses angeführten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 1698/2005 keine Bestimmungen enthält, nach denen die lokalen Aktionsgruppen eine bestimmte Rechtsform aufweisen müssten. In dieser Hinsicht heißt es in Art. 62 Abs. 2 dieser Verordnung lediglich, dass die Verwaltungsbehörde sicherstellt, dass die lokalen Aktionsgruppen entweder die Federführung für Verwaltung und Finanzmanagement einem Partner übertragen, der befähigt ist, öffentliche Fördermittel zu verwalten und das ordnungsgemäße Funktionieren der Partnerschaft sicherzustellen, oder sich in einer rechtlich konstituierten Organisationsform zusammenschließen, deren Satzung das ordnungsgemäße Funktionieren der Partnerschaft und die Befähigung zur Verwaltung öffentlicher Zuschüsse gewährleistet. 19 Unter diesen Umständen, insbesondere im Hinblick auf die der Verwaltungsbehörde in dieser Vorschrift eingeräumte Wahlmöglichkeit, kann die Verordnung Nr. 1698/2005 nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, festzulegen, dass die lokalen Aktionsgruppen eine bestimmte Rechtsform annehmen müssen. 20 Sodann ist festzustellen, dass Art. 62 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1698/2005 auch nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er es den Mitgliedstaaten verbietet, von den lokalen Aktionsgruppen die Wahl einer bestimmten Rechtsform zu verlangen und damit einer der beiden Modalitäten, auf die in dieser Vorschrift Bezug genommen wird, den Vorzug zu geben. 21 Wie aus dem Wortlaut dieser Vorschrift selbst hervorgeht, wird mit ihr nur bezweckt, das ordnungsgemäße Funktionieren der Partnerschaft und die Befähigung zur Verwaltung öffentlicher Zuschüsse zu gewährleisten. 22 Angesichts insbesondere der Angaben in den Art. 61 und 62 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1698/2005, aus denen hervorgeht, dass die lokale Aktionsgruppe eine öffentlich-private Partnerschaft darstellt, die eine breite Palette privater Partner umfasst, und die mit einer Entscheidungsbefugnis ausgestattet und imstande sein muss, eine lokale Entwicklungsstrategie auszuarbeiten und umzusetzen, für die sie verantwortlich ist, ist festzustellen, dass die Verpflichtung, zur Einrichtung einer solchen Gruppe auf eine bestimmte Rechtsform zurückzugreifen, in besonders wirksamer Weise zur Erreichung dieses Ziels beitragen kann. Insoweit fällt die Auferlegung einer solchen Verpflichtung grundsätzlich in das Ermessen, über das die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Verordnung Nr. 1698/2005 verfügen. 23 Was schließlich die Frage betrifft, ob die nationalen Behörden mit dem Erlass einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das ihnen bei der Durchführung der Verordnung Nr. 1698/2005 eingeräumte Ermessen nicht überschritten haben, ist darauf zu verweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es u. a. erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. u. a. Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C-380/05, Slg. 2008, I-349, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 24 Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die Vorlageentscheidung außer der Behauptung, dass sich aus § 2 Abs. 1 bis 3 der Verordnung 54/2011 ergebe, dass ab dem 30. April 2012 nur Einrichtungen in der Rechtsform eines Vereins den Status einer lokalen Aktionsgruppe Leader besitzen könnten, keinerlei Angaben zu den übrigen Voraussetzungen und Bestimmungen enthält, die den eingeführten neuen Rechtsrahmen kennzeichnen, und auch nicht die besonderen rechtlichen Merkmale darlegt, über die die „Vereine“ gemäß dem anwendbaren nationalen Recht verfügen müssen. Darüber hinaus enthält diese Entscheidung weder Erläuterungen in Bezug auf den früheren innerstaatlichen Rechtsrahmen noch klare Angaben, aus welchen Gründen die zuständige Behörde diesen durch einen neuen Rechtsrahmen ersetzt hat. 25 Dennoch erlaubt der Inhalt der Vorlageentscheidung es dem Gerichtshof nicht, dem vorlegenden Gericht Hinweise zu geben, die über die in den Rn. 15 bis 17 des vorliegenden Beschlusses bereits gegebenen allgemeinen Hinweise hinausgehen. 26 In diesem Zusammenhang ist insbesondere daran zu erinnern, dass die Angaben in den Vorlageentscheidungen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben sollen, gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs Erklärungen abzugeben. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gerichtshof aber darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. u. a. Beschluss vom 28. Juni 2000, Laguillaumie, C-116/00, Slg. 2000, I-4979, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). 27 Insoweit kann der Umstand, dass sich die ungarische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen bemüht hat, den innerstaatlichen Rechtsrahmen näher darzulegen, dessen Kenntnis allein es erlauben würde, gegebenenfalls genauere Antworten auf die in den Vorlagefragen aufgeworfenen Fragen zu geben, nicht die oben angesprochenen Lücken füllen, die die Vorlageentscheidung kennzeichnen. 28 Außerdem hat das vorlegende Gericht, auch wenn sich seine Fragen formell auf die Verordnung Nr. 1974/2006 beziehen, weder in diesen Fragen noch in der Vorlageentscheidung selbst eine Bestimmung dieser Verordnung genannt, um deren Auslegung es speziell ersuchte. Erst recht hat es keinerlei Erläuterung zu einem von ihm hergestellten Zusammenhang zwischen einer solchen Bestimmung und dem Ausgangsrechtsstreit oder dessen Gegenstand gegeben. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, die gestellten Fragen im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1974/2006 zu prüfen. 29 Nach alledem ist auf die ersten drei Fragen zu antworten, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1698/2005, insbesondere deren Art. 61 und 62, dahin auszulegen sind, dass sie den Erlass von nationalen Vorschriften, nach denen eine lokale Aktionsgruppe, die sämtliche in Art. 62 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllt, ihre Tätigkeit nur in einer bestimmten Rechtsform ausüben kann, weder verlangen noch grundsätzlich verbieten. Das vorlegende Gericht hat sich jedoch zu vergewissern, dass eine solche Regelung unter Berücksichtigung aller ihrer relevanten Merkmale nicht die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Verordnung beeinträchtigt, und dass sie die Ausübung des den Mitgliedstaaten durch diese Verordnung eingeräumten Ermessens innerhalb der Grenzen ihrer Vorschriften konkretisiert. Ferner hat es sich zu vergewissern, dass diese nationale Regelung die Bestimmungen der Charta und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts beachtet. Zu den Fragen 4, 5 und 7 30 Mit seinen Fragen 4, 5 und 7, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht es verbietet, dass eine nationale Regelung, nach der die lokalen Aktionsgruppen ihre Tätigkeit nur in einer bestimmten Rechtsform ausüben dürfen, nach einem Übergangszeitraum von einem Jahr auf lokale Aktionsgruppen angewandt wird, die unter der Geltung der früheren nationalen Regelung rechtsgültig in einer anderen Rechtsform gegründet worden sind, obgleich die Hilfsprogramme und der entsprechende Programmplanungszeitraum noch laufen. 31 Wie aus Rn. 17 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, sind die Mitgliedstaaten u. a. verpflichtet, zu gewährleisten, dass beim Erlass einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Charta und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt werden. 32 Zu diesen allgemeinen Grundsätzen gehört der Grundsatz der Rechtssicherheit, der gebietet, dass eine Regelung, die nachteilige Folgen für Einzelne hat, klar und bestimmt und ihre Anwendung für die Einzelnen voraussehbar sein muss (vgl. u. a. Urteil vom 7. Juni 2005, VEMW u. a., C-17/03, Slg. 2005, I-4983, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung). 33 Der Einzelne kann dabei jedoch nicht auf das völlige Ausbleiben von Gesetzesänderungen vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung beanstanden. Insoweit erfordert der Grundsatz der Rechtssicherheit insbesondere, dass der Gesetzgeber die besondere Situation der Wirtschaftsteilnehmer berücksichtigt und gegebenenfalls die Anwendung der neuen Rechtsvorschriften entsprechend anpasst (vgl. Urteil VEMW u. a., Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). 34 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass ein Übergangszeitraum von einem Jahr, der es den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern erlauben soll, sich an eine neue Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende anzupassen, sich grundsätzlich nicht als unvernünftig erweist. 35 Was die übrigen Aspekte betrifft, die diese Regelung kennzeichnen, hat das vorlegende Gericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen keine hinreichenden Angaben gemacht, die es dem Gericht erlaubten, ihm eine sachdienliche Antwort zu geben, die über den Hinweis auf die in den Rn. 15 bis 17 des vorliegenden Beschlusses und im Rahmen der Beantwortung der ersten drei Vorlagefragen bereits dargelegten Grundsätze hinausginge. 36 Abgesehen von der Klarstellung in Bezug auf die Dauer des Übergangszeitraums erweist sich nämlich die Beschreibung des relevanten innerstaatlichen Rechtsrahmens in der Vorlageentscheidung – wie bereits in Rn. 24 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt – als lückenhaft. Außerdem enthält diese Entscheidung keinerlei Informationen zu erstens den Voraussetzungen für die ursprüngliche Anerkennung als lokale Aktionsgruppe und zu den rechtlichen Verpflichtungen der Behörden, von denen DZNLN aufgrund dessen profitierte, sowie zweitens zu den konkreten Folgen, die für eine Einrichtung wie DZNLN mit dem Übergang zur Rechtsform eines Vereins im Rahmen der mit der Verordnung 54/2011 eingeführten neuen rechtlichen Regelung oder, im Fall des Unterbleibens einer Änderung der Rechtsform, mit dem Verlust des Status einer lokalen Aktionsgruppe verbunden sind. 37 Unter diesen Umständen ist auf die Fragen 4, 5 und 7 zu antworten, dass es das Unionsrecht grundsätzlich nicht verbietet, dass eine nationale Regelung, nach der die lokalen Aktionsgruppen ihre Tätigkeit nur in einer bestimmten Rechtsform ausüben dürfen, nach einem Übergangszeitraum von einem Jahr auf lokale Aktionsgruppen angewandt werden kann, die unter der Geltung der früheren nationalen Regelung in einer anderen Rechtsform gegründet worden sind, obgleich die Hilfsprogramme und der entsprechende Programmplanungszeitraum noch laufen. Dies gilt jedoch nur soweit, als die Anwendung der neuen Regelung auf solche lokale Aktionsgruppen im Hinblick u. a. auf die Merkmale dieser aufeinander folgenden nationalen Regelungen und auf deren konkrete Auswirkungen die Ausübung des den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1698/2005 eingeräumten Ermessens innerhalb der Grenzen ihrer Vorschriften konkretisiert und sie unter Beachtung der Bestimmungen der Charta und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts erfolgt, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Zur sechsten Frage 38 Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Auswirkungen die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 1698/2005 und 1974/2006 auf das Schicksal der von den lokalen Aktionsgruppen eingegangenen Verpflichtungen und erworbenen Rechte haben können, wenn diese Gruppen nicht mehr existieren. 39 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteil vom 24. April 2012, Kamberaj, C‑571/10, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 40 Allerdings hat der Gerichtshof zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird. Der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorlageverfahren durchzuführen ist, impliziert nämlich, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (vgl. Urteil Kamberaj, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). 41 Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteil Kamberaj, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). 42 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Ausgangsrechtsstreit zwischen dem Minister für die Entwicklung des ländlichen Raums und DZNLN die Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung betrifft, mit der der Erstgenannte DZNLN die Anerkennung als lokale Aktionsgruppe entzogen hat. 43 Dagegen geht aus dieser Entscheidung an keiner Stelle hervor, dass der vom vorlegenden Gericht zu entscheidende Rechtsstreit darüber hinaus das Schicksal der von einer solchen lokalen Aktionsgruppe eingegangenen Verpflichtungen oder erworbenen Rechte beträfe. Insoweit ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht nicht dargetan hat, inwiefern die dem Gerichtshof vorgelegte sechste Frage mit der Realität oder dem Gegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits im Zusammenhang stehen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Kamberaj, Rn. 57). 44 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich diese Frage nicht auf eine Auslegung des Unionsrechts bezieht, die für die vom vorlegenden Gericht zu erlassende Entscheidung objektiv erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. März 2011, Abt u. a., C‑194/10, Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). 45 Die sechste Frage ist daher offensichtlich unzulässig. Kosten 46 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), insbesondere deren Art. 61 und 62, sind dahin auszulegen, dass sie den Erlass von nationalen Vorschriften, nach denen eine lokale Aktionsgruppe, die sämtliche in Art. 62 Abs. 1 der Verordnung genannten Voraussetzungen erfüllt, ihre Tätigkeit nur in einer bestimmten Rechtsform ausüben kann, weder verlangen noch grundsätzlich verbieten. Das vorlegende Gericht hat sich jedoch zu vergewissern, dass eine solche Regelung unter Berücksichtigung aller ihrer relevanten Merkmale nicht die unmittelbare Anwendbarkeit dieser Verordnung beeinträchtigt, und dass sie die Ausübung des den Mitgliedstaaten durch diese Verordnung eingeräumten Ermessens innerhalb der Grenzen ihrer Vorschriften konkretisiert. Ferner hat es sich zu vergewissern, dass diese nationale Regelung die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts beachtet. 2. Das Unionsrecht verbietet grundsätzlich nicht, dass eine nationale Regelung, nach der die lokalen Aktionsgruppen ihre Tätigkeit nur in einer bestimmten Rechtsform ausüben dürfen, nach einem Übergangszeitraum von einem Jahr auf lokale Aktionsgruppen angewandt werden kann, die unter der Geltung der früheren nationalen Regelung in einer anderen Rechtsform gegründet worden sind, obgleich die Hilfsprogramme und der entsprechende Programmplanungszeitraum noch laufen. Dies gilt jedoch nur soweit, als die Anwendung der neuen Regelung auf solche lokale Aktionsgruppen im Hinblick u. a. auf die Merkmale dieser aufeinander folgenden nationalen Regelungen und auf deren konkrete Auswirkungen die Ausübung des den Mitgliedstaaten durch die Verordnung Nr. 1698/2005 eingeräumten Ermessens innerhalb der Grenzen ihrer Vorschriften konkretisiert und sie unter Beachtung der Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts erfolgt, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Ungarisch.
Beschluss des Gerichts (Erste Kammer) vom 10. Dezember 2013. # Sven A. von Storch und andere gegen Europäische Zentralbank (EZB). # Nichtigkeitsklage - Beschlüsse der EZB - Technische Merkmale der Outright-Geschäfte des Eurosystems an den Sekundärmärkten - Maßnahmen zur Gewährleistung der Verfügbarkeit von Sicherheiten - Zeitlich befristete Maßnahmen hinsichtlich der Refinanzierungsgeschäfte des Eurosystems und der Notenbankfähigkeit von Sicherheiten - Fehlende unmittelbare Betroffenheit - Unzulässigkeit. # Rechtssache T-492/12.
62012TO0492
ECLI:EU:T:2013:702
2013-12-10T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62012TO0492 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012TO0492 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012TO0492 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 19. Dezember 2013.#Telefónica SA gegen Europäische Kommission.#Rechtsmittel – Nichtigkeitsklage – Art. 263 Abs. 4 AEUV – Recht zur Erhebung einer Klage – Klagebefugnis – Natürliche oder juristische Personen – Handlung, die sie individuell betrifft – Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht – Entscheidung, mit der eine Beihilferegelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird − Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.#Rechtssache C‑274/12 P.
62012CJ0274
ECLI:EU:C:2013:852
2013-12-19T00:00:00
Gerichtshof, Kokott
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62012CJ0274 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 19. Dezember 2013 (*1) „Rechtsmittel — Nichtigkeitsklage — Art. 263 Abs. 4 AEUV — Recht zur Erhebung einer Klage — Klagebefugnis — Natürliche oder juristische Personen — Handlung, die sie individuell betrifft — Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht — Entscheidung, mit der eine Beihilferegelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wird — Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz“ In der Rechtssache C‑274/12 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 1. Juni 2012, Telefónica SA mit Sitz in Madrid (Spanien), Prozessbevollmächtigte: J. Ruiz Calzado und J. Domínguez Pérez, abogados, sowie Rechtsanwalt M. Núñez Müller, Rechtsmittelführerin, andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission, vertreten durch P. Němečková und C. Urraca Caviedes als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Beklagte im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, E. Juhász und A. Borg Barthet, der Richter G. Arestis, E. Levits, A. Arabadjiev, der Richterin A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und C. Vajda (Berichterstatter), Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2013, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. März 2013 folgendes Urteil 1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Telefónica SA (im Folgenden: Telefónica) die Nichtigerklärung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 21. März 2012, Telefónica/Kommission (T‑228/10, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem dieses ihre Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 1 der Entscheidung 2011/5/EG der Kommission vom 28. Oktober 2009 über die steuerliche Abschreibung des finanziellen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Erwerb von Beteiligungen an ausländischen Unternehmen C 45/07 (ex NN 51/07, ex CP 9/07) in Spanien (ABl. 2011, L 7, S. 48, im Folgenden: streitige Entscheidung) als unzulässig abgewiesen hat. Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Art. 12 Abs. 5 der Ley 43/1995 del Impuesto sobre Sociedades (Gesetz Nr. 43/1995 über die Körperschaftsteuer) vom 27. Dezember 1995 (BOE Nr. 310 vom 28. Dezember 1995, S. 37072) sah vor, dass unter bestimmten Bedingungen beim Erwerb einer Beteiligung an einem nicht in Spanien ansässigen Unternehmen ein sogenannter Geschäfts- oder Firmenwert gebildet und in dem anschließenden Zeitraum von bis zu 20 Jahren abgeschrieben werden kann, wodurch sich die steuerliche Belastung des Käufers verringerte (im Folgenden: fragliche Regelung). 3 Da die Europäische Kommission diese Regelung, die beim Erwerb einer Beteiligung an in Spanien ansässigen Unternehmen nicht anwendbar war, als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG einstufte, eröffnete sie mit Beschluss vom 10. Oktober 2007 das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG und forderte das Königreich Spanien und etwaige durch diese Regelung Begünstigte zur Stellungnahme auf. 4 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die streitige Entscheidung. 5 In Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung wird festgestellt, dass die fragliche Regelung unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 EG angewendet worden und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. 6 Die Kommission räumte allerdings ein, dass sie vor Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens und auf die Erklärungen hin, die zwei Mitglieder der Kommission vor dem Europäischen Parlament abgegeben hatten, konkrete, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen gemacht habe, die bei den Begünstigten der genannten Regelung begründete Erwartungen hätten wecken können, dass diese Regelung in dem Sinne rechtmäßig sei, dass sie aufgrund ihrer fehlenden Selektivität nicht in den Anwendungsbereich der Vorschriften über staatliche Beihilfen falle. Demzufolge hätten die Begünstigten davon ausgehen können, dass die Beihilfe nicht zurückgefordert würde. Die Kommission beschloss daher, es unter bestimmten Voraussetzungen bei den Vergünstigungen zu belassen, die vor dem 21. Dezember 2007 ‐ dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Entscheidung der Kommission über die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union – gewährt worden waren. 7 Deshalb heißt es in Art. 1 Abs. 2 der streitigen Entscheidung, dass die fragliche Regelung unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes auf vor dem genannten Zeitpunkt eingegangene Beteiligungen weiter geltend gemacht werden könne. 8 Das Königreich Spanien hat gemäß Art. 4 Abs. 1 der streitigen Entscheidung die in deren Art. 1 Abs. 1 bezeichneten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern, es sei denn, die Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, die diese Begünstigten im Rahmen innergemeinschaftlicher Erwerbe eingegangen sind, erfüllen die in Art. 1 Abs. 2 dieser Entscheidung genannten Voraussetzungen. 9 Art. 5 der streitigen Entscheidung sieht vor, dass die Beihilfen unverzüglich und tatsächlich zurückgefordert werden und dass das Königreich Spanien sicherstellt, dass diese Entscheidung binnen vier Monaten nach ihrer Bekanntgabe umgesetzt wird. 10 Art. 6 der streitigen Entscheidung schließlich bestimmt, dass das Königreich Spanien der Kommission eine Reihe von Informationen zu übermitteln und sie über den Fortgang seiner Maßnahmen zur Umsetzung dieser Entscheidung zu unterrichten hat. Insbesondere ist das Königreich Spanien gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Entscheidung verpflichtet, der Kommission eine Liste der Begünstigten zu übermitteln, die aufgrund der fraglichen Regelung eine Beihilfe erhalten haben. Es steht fest, dass Telefónica auf dieser Liste stand. 11 Telefónica hatte in den Jahren 2005 und 2006 nach der fraglichen Regelung zwei Beteiligungen erworben, eine an einer Gesellschaft mit Sitz in der Tschechischen Republik, die andere an einer Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich. In beiden Fällen waren diese Beteiligungen vor dem in Art. 1 Abs. 2 der streitigen Entscheidung festgelegten Zeitpunkt eingegangen worden. Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss 12 Mit Klageschrift, die am 21. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, wandte sich Telefónica gegen die fragliche Entscheidung und beantragte, deren Art. 1 Abs. 1 für nichtig zu erklären. 13 Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts. Sie trug vor, die Klage sei unzulässig, weil Telefónica weder ein Rechtsschutzinteresse nachgewiesen habe, noch, dass sie von der streitigen Entscheidung individuell betroffen sei. Telefónica reichte auf diese Unzulässigkeitseinrede hin schriftliche Erklärungen ein. 14 Das Gericht wies die von Telefónica erhobene Klage aufgrund der zweiten der beiden von der Kommission geltend gemachten Einreden der Unzulässigkeit als unzulässig ab. Es stellte in Randnr. 41 des angefochtenen Beschlusses fest, dass Telefónica von der streitigen Entscheidung nicht individuell betroffen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV sei, und in Randnr. 45 desselben Beschlusses, dass diese Entscheidung nicht als ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, im Sinne des letzten Satzteils dieser Bestimmung anzusehen sei. Folglich wies das Gericht die Klage von Telefónica ab, ohne die erste Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen, die auf die fehlende Klagebefugnis gestützt war. Vorbringen der Parteien 15 Telefónica beantragt, — den angefochtenen Beschluss aufzuheben; — die Nichtigkeitsklage in der Rechtssache T‑228/10 für zulässig zu erklären und den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Begründetheit der Klage an das Gericht zurückzuverweisen; — der Kommission sämtliche Kosten der Verfahren über die Zulässigkeit in beiden Rechtszügen aufzuerlegen. 16 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Telefónica die Kosten aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel 17 Telefónica stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe. Erstens wirft sie dem Gericht vor, ihren Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz missachtet zu haben. Zweitens habe das Gericht Art. 263 Abs. 4 AEUV fehlerhaft ausgelegt, als es festgestellt habe, dass sie von der streitigen Entscheidung nicht individuell betroffen sei. Drittens habe das Gericht den in derselben Vorschrift (am Ende) enthaltenen Begriff „Rechtsakt, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht“ fehlerhaft ausgelegt. 18 Die Frage, ob der Anspruch von Telefónica auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz durch den angefochtenen Beschluss in Frage gestellt wird, stellt sich lediglich dann, wenn das Gericht die von Telefónica erhobene Klage in zutreffender Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV für unzulässig erklärt hat. Deshalb ist der erste Rechtsmittelgrund von Telefónica erst nach ihren beiden anderen Rechtsmittelgründen zu prüfen, mit denen sie eine rechtsfehlerhafte Auslegung der genannten Vorschrift durch das Gericht rügt. 19 Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass Art. 263 Abs. 4 AEUV zwei Fälle anführt, in denen einer natürlichen oder juristischen Person die Befugnis zuerkannt wird, gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung Klage zu erheben. Zum einen kann eine derartige Klage erhoben werden, wenn diese Handlung die Person unmittelbar und individuell betrifft. Zum anderen kann eine solche Person gegen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, klagen, sofern dieser Rechtsakt sie unmittelbar betrifft. 20 Handelt es sich bei der streitigen Entscheidung um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, wie Telefónica mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund geltend macht, braucht sie nicht nachzuweisen, dass sie durch diese Entscheidung individuell betroffen ist, wie sie im Rahmen ihres zweiten Rechtsmittelgrundes geltend macht. Als Erstes ist daher der dritte Rechtsmittelgrund zu prüfen. Zum dritten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 21 Telefónica macht geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, Entscheidungen über staatliche Beihilfen wie die streitige Entscheidung zögen Durchführungsmaßnahmen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil nach sich. 22 Sie vertritt die Auffassung, eine Entscheidung, mit der festgestellt werde, dass eine Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei, habe unmittelbare Wirkung und bedürfe keiner Durchführungsmaßnahmen, da sie sofort zur Rechtswidrigkeit der gewährten Beihilfen führe und gewöhnlich mit der Verpflichtung des betroffenen Mitgliedstaats einhergehe, diese zurückzufordern. Maßnahmen, die nach einer derartigen Entscheidung getroffen würden und notwendig sein könnten, um der Verpflichtung nachzukommen, die Beihilfen von bestimmten Begünstigten zurückzufordern – wie die Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 der streitigen Entscheidung, auf die das Gericht in Randnr. 43 des angefochtenen Beschlusses abgestellt habe –, beträfen lediglich eine Nebenverpflichtung, die die unmittelbare Wirkung der Artikel des verfügenden Teils dieser Entscheidung nicht in Frage stellen könne. Wenn jede beliebige Maßnahme ‐ so geringfügig sie auch sein möge ‐, die ein Mitgliedstaat zur Durchführung eines Rechtsakts der Union ergreifen müsse, eine Durchführungsmaßnahme im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil sein könnte, wie das Gericht meine, wäre eine Vielzahl von Rechtsakten mit Verordnungscharakter automatisch vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift ausgeschlossen. Dies würde dem vom Unionsgesetzgeber angestrebten Ziel zuwiderlaufen, Einzelpersonen, deren Interessen durch Maßnahmen nichtlegislativer Art der Unionsorgane beeinträchtigt seien, den Zugang zum Gericht zu erleichtern. 23 Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht keinen Rechtsfehler mit seiner Feststellung begangen, die streitige Entscheidung sei nicht als Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, einzustufen. 24 Da der Begriff „Durchführungsmaßnahmen“ in den Verträgen nicht definiert sei, sei es sinnvoll, ihn wörtlich auszulegen, d. h., davon auszugehen, dass er sich auf jeden Rechtsakt beziehe, der zur Durchführung eines anderen Rechtsakts erforderlich sei. Die wörtliche Bedeutung dieses Begriffs entspreche der, für die sich Generalanwalt Jacobs in Nr. 43 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores/Rat (Urteil vom 25. Juli 2002, C-50/00 P, Slg. 2002, I-6677) ausgesprochen habe, als er auf eine mögliche Lücke im Rechtssystem der Union hingewiesen habe. Aus den Unterlagen über die Arbeiten des Europäischen Konvents, der mit der Erarbeitung des Vertrags über eine Verfassung für Europa (ABl. 2004, C 310, S. 1) beauftragt gewesen sei, ergebe sich, dass der verfassungsgebende Gesetzgeber zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Vorschrift, die in der Folge zu Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil geworden sei, diese mögliche Lücke im Rechtssystem der Europäischen Union habe schließen wollen. Die Kommission sei daher der Auffassung, dass die Ausweitung der Bedingungen für die Klagebefugnis dem Wunsch entspreche, Einzelpersonen gegen Maßnahmen von allgemeiner Tragweite einen unmittelbaren Rechtsbehelf zu gewähren, allerdings begrenzt auf die Fälle, in denen es diesen Einzelpersonen nicht möglich sei, die Gültigkeit einer Durchführungshandlung anzufechten. 25 Wenn ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter einer Durchführungsmaßnahme bedürfe, sei es eine nationale Maßnahme oder eine Maßnahme auf Unionsebene, sei der gerichtliche Rechtsschutz des Einzelnen dadurch gewährleistet, dass er die Rechtmäßigkeit der Durchführungsmaßnahme anfechten könne, gegebenenfalls dadurch, dass er die Rechtswidrigkeit des zugrunde liegenden Basisrechtsakts, auf dem eine derartige Maßnahme beruhe, geltend mache. Es sei daher nicht erforderlich, dass der Einzelne klagebefugt sei, um den Basisrechtsakt unmittelbar anfechten zu können. 26 Was die streitige Entscheidung angehe, stehe außer Frage, dass eine Entscheidung, mit der ein Mitgliedstaat verpflichtet werde, Beihilfen zurückzufordern, die für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden seien, Durchführungsmaßnahmen erfordere. Eine derartige Entscheidung sei ausschließlich an den betroffenen Mitgliedstaat gerichtet und könne auf Seiten der Begünstigten keine unmittelbare Zahlungsverpflichtung begründen. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass Beschlüsse gemäß Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV, wenn sie an bestimmte Adressaten gerichtet seien, nur für diese verbindlich seien. Um eine Verpflichtung auf Seiten der Begünstigten zu begründen, müsse der Mitgliedstaat Durchführungsmaßnahmen erlassen, durch die die Begünstigten zur Rückzahlung der zu Unrecht empfangenen Beihilfen aufgefordert würden. Im Übrigen verpflichte die streitige Entscheidung das Königreich Spanien neben der Verpflichtung zur Rückforderung zu weiteren Durchführungsmaßnahmen, z. B. dazu, die fragliche Regelung zu beenden. Würdigung durch den Gerichtshof 27 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 40 und 41 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist der Begriff „Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die … keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen“ im Sinne von Art. 263 Abs. 4 (am Ende) AEUV vor dem Hintergrund des Ziels dieser Vorschrift zu sehen, das, wie sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, darin besteht, zu verhindern, dass ein Einzelner gezwungen ist, gegen das Recht zu verstoßen, um Zugang zu den Gerichten zu erlangen. Wenn sich daher ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter auf die Rechtsstellung einer natürlichen oder einer juristischen Person unmittelbar auswirkt, ohne dass Durchführungsmaßnahmen erforderlich sind, bestünde die Gefahr, dass diese Person, wenn sie vor dem Unionsrichter keinen unmittelbaren Rechtsbehelf einlegen könnte, um die Rechtmäßigkeit dieses Rechtsakts mit Verordnungscharakter anfechten zu können, keinen wirksamen Rechtsschutz hätte. In Ermangelung von Durchführungsmaßnahmen könnte nämlich eine natürliche oder juristische Person ‐ obwohl sie von dem fraglichen Rechtsakt unmittelbar betroffen ist ‐ eine gerichtliche Überprüfung desselben erst, nachdem sie gegen die Bestimmungen dieses Rechtsakts verstoßen hat, erwirken, indem sie im Rahmen der gegen sie vor den nationalen Gerichten eingeleiteten Verfahren die Rechtswidrigkeit dieser Bestimmungen geltend macht. 28 Dazu ist erstens klarzustellen, dass die gerichtliche Kontrolle der Beachtung des Unionsrechts, wenn ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, unabhängig davon gewährleistet ist, ob die genannten Maßnahmen von der Union oder den Mitgliedstaaten erlassen wurden. Natürliche oder juristische Personen, die aufgrund der nach Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter der Union nicht unmittelbar vor dem Unionsrichter anfechten können, sind durch die Möglichkeit, die Durchführungsmaßnahmen anzufechten, die dieser Rechtsakt nach sich zieht, davor geschützt, dass ein derartiger Rechtsakt ihnen gegenüber angewendet wird. 29 Obliegt die Durchführung dieser Maßnahmen den Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, können natürliche oder juristische Personen unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV festgelegten Voraussetzungen vor den Unionsgerichten unmittelbar gegen die Durchführungsmaßnahmen klagen und sich zur Begründung dieser Klage nach Art. 277 AEUV auf die Rechtswidrigkeit des fraglichen Basisrechtsakts berufen. Obliegt diese Durchführung den Mitgliedstaaten, können diese Personen die Ungültigkeit des betreffenden Basisrechtsakts der Union vor den nationalen Gerichten geltend machen und diese veranlassen, sich gemäß Art. 267 AEUV mit Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof zu wenden (Urteil vom 3. Oktober 2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, C‑583/11 P, Randnr. 93). 30 Zweitens ist, wie die Generalanwältin in Nr. 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, für die Beurteilung, ob ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, auf die Stellung der Person abzustellen, die sich auf ihre Klageberechtigung nach Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil beruft. Die Frage, ob der fragliche Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf andere Personen nach sich zieht, spielt deshalb keine Rolle. 31 Drittens muss sich die Prüfung, ob der angegriffene Rechtsakt Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, ausschließlich am Klagegegenstand orientieren. Falls ein Kläger lediglich die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts begehrt, sind nur diejenigen Durchführungsmaßnahmen gegebenenfalls zu berücksichtigen, die dieser Teil des Rechtsakts möglicherweise nach sich zieht. 32 Im Licht dieser Feststellungen ist der dritte von Telefónica geltend gemachte Rechtsmittelgrund zu prüfen. 33 Wie die Generalanwältin in Nr. 33 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, war die von Telefónica erhobene Klage allein darauf gerichtet, die in Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung festgestellte teilweise Unvereinbarkeit der Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt anzufechten, nicht jedoch, die in Art. 4 Abs. 1 dieser Entscheidung angeordnete Rückforderung der Beihilfen und die dem Königreich Spanien in Art. 6 Abs. 2 der Entscheidung erteilten Auflagen in Frage zu stellen. 34 Erstens ist den Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 48 ihrer Schlussanträge folgend festzustellen, dass die in Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung getroffene Feststellung der teilweisen Unvereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt lediglich an den Mitgliedstaat ‐ im vorliegenden Fall das Königreich Spanien ‐ gerichtet ist, der Adressat der Entscheidung ist, so dass diese gemäß Art. 288 Abs. 4 AEUV für andere Personen nicht verbindlich ist. 35 Zweitens dient Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung ausschließlich dazu, die Unvereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt festzustellen. Er nennt nicht die spezifischen Folgen, die diese Feststellung für jeden Steuerpflichtigen hat und die sich in Form eines Verwaltungsakts, z. B. eines Steuerbescheids, konkretisieren werden, der als solcher eine Durchführungsmaßnahme darstellt, die Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil „nach sich zieht“. 36 Demzufolge hat das Gericht in Randnr. 44 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass es sich bei den Maßnahmen, mit denen die Unvereinbarkeitsentscheidung umgesetzt werden soll ‐ insbesondere der Ablehnung eines Antrags auf Gewährung der fraglichen steuerlichen Vorteile, die die Rechtsmittelführerin ebenfalls vor dem nationalen Gericht anfechten kann ‐, um Maßnahmen zur Durchführung der streitigen Entscheidung handelt. 37 Schon allein diese Feststellung rechtfertigt es, das Vorbringen von Telefónica vor dem Gericht, dass die angefochtene Entscheidung keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehe, zurückzuweisen. 38 Folglich hat das Gericht in Randnr. 45 des angefochtenen Beschlusses zu Recht entschieden, dass im vorliegenden Fall ‐ unabhängig davon, ob die angefochtene Entscheidung einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter darstellt ‐ die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV letzter Satzteil nicht erfüllt sind. 39 Nach alledem ist der dritte von Telefónica geltend gemachte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Zum zweiten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 40 Nach Ansicht von Telefónica hat das Gericht den Begriff des tatsächlich Begünstigten einer Beihilferegelung, die Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sei, rechtsfehlerhaft zu eng ausgelegt, wie sich insbesondere aus dem Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission (C-71/09 P, C-73/09 P und C-76/09 P, Slg. 2011, I-4727), ergebe. Entgegen den Feststellungen, die das Gericht in den Randnrn. 24 und 25 des angefochtenen Beschlusses getroffen habe, komme es nicht darauf an, ob eine Partei, die die fragliche Beihilfe tatsächlich erhalten habe, zu denjenigen gehöre, die diese Beihilfe mit Sicherheit zurückzahlen müssten. Es genüge vielmehr, dass die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Interessen bestehe, was z. B. der Fall wäre, wenn sie diese Beihilfe zurückzahlen müsste. 41 Nach Ansicht von Telefónica besteht für sie in zweifacher Hinsicht die Gefahr, die erhaltenen Beihilfen zurückzahlen zu müssen, obwohl die Kommission ein berechtigtes Vertrauen von Telefónica anerkannt habe. Zum einen sei die in Art. 1 Abs. 2 und 3 der streitigen Entscheidung vorgesehene Ausnahme von der Verpflichtung zur Rückzahlung Gegenstand einer Nichtigkeitsklage, die derzeit vor dem Gericht in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (T‑207/10) anhängig sei. Sollte diese Klage Erfolg haben, könnte Telefónica zur Rückzahlung der erhaltenen Beihilfen verpflichtet sein. Zum anderen sei es aufgrund der in derselben Entscheidung getroffenen Feststellung, dass die Regeln über die Abschreibung des Geschäfts‑ oder Firmenwerts eine rechtswidrige Beihilfe darstellten, möglich, dass mit den Beihilfeempfängern in Wettbewerb stehende Dritte vor den nationalen Gerichten auf Schadensersatz klagten. 42 Die Kommission vertritt demgegenüber die Ansicht, dass nach der Rechtsprechung zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit ein Kläger unter Umständen wie den vorliegenden individuell betroffen sei. Erstens müsse er tatsächlich Empfänger einer im Rahmen einer Beihilferegelung gewährten Einzelbeihilfe sein. Zweitens müsse er zur Rückzahlung der fraglichen Beihilfe verpflichtet oder zumindest der Gefahr ausgesetzt sein, sie zurückzahlen zu müssen. Es reiche jedoch entgegen dem Vorbringen von Telefónica nicht aus, dass für den Kläger allgemein die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung seiner Interessen bestehe. Die Ansicht, ein Kläger sei bereits dadurch individuell betroffen, dass er Begünstigter einer Beihilferegelung sei, habe der Gerichtshof in den Urteilen vom 2. Februar 1988, Kwekerij van der Kooy u. a./Kommission (67/85, 68/85 und 70/85, Slg. 1988, 219, Randnr. 15), und vom 7. Dezember 1993, Federmineraria u. a./Kommission (C-6/92, Slg. 1993, I-6357, Randnrn. 11 bis 16), zurückgewiesen. 43 Im vorliegenden Fall bestehe jedenfalls keine Gefahr, dass Telefónica die ihr gezahlten Beihilfen zurückzahlen müsse, und nicht einmal die Gefahr einer schweren Beeinträchtigung ihrer Interessen, denn es sei offensichtlich, dass sie sich seit dem Erlass der streitigen Entscheidung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes stützen könne. Würdigung durch den Gerichtshof 44 Es ist daran zu erinnern, dass Telefónica nicht Adressat der streitigen Entscheidung ist, die ‐ wie sich aus den Randnrn. 34 bis 36 des vorliegenden Urteils ergibt ‐ Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. 45 Eine natürliche oder juristische Person kann gemäß Art. 263 Abs. 4 AEUV gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung, die Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, nur klagen, wenn diese Handlung sie unmittelbar und individuell betrifft. 46 Hinsichtlich der zweiten dieser Voraussetzungen, d. h. des individuellen Betroffenseins, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung, dass eine Person, die nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen kann, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann u. a./Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238, Comitato „Venezia vuole vivere“ u. a./Kommission, Randnr. 52, sowie Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, Randnr. 72). 47 Wie das Gericht in Randnr. 28 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung auch, dass der Umstand, dass die Rechtssubjekte, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, keineswegs bedeutet, dass sie als von der Maßnahme individuell betroffen anzusehen sind, sofern diese Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2001, Antillean Rice Mills/Rat, C-451/98, Slg. 2001, I-8949, Randnr. 52). 48 Dies trifft auf Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung zu, dessen Nichtigerklärung Telefónica begehrt und in Bezug auf den folglich ihre Klagebefugnis zu prüfen ist. Art. 1 Abs. 1 ist auf objektiv bestimmte Tatbestände anwendbar und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen. Deshalb kann Telefónica nicht behaupten, von dieser Vorschrift individuell betroffen zu sein. 49 Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung bewirkt lediglich, dass sich künftig niemand auf die fragliche Regelung berufen kann. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Unternehmen eine Entscheidung der Kommission, mit der eine Beihilferegelung verboten wird, grundsätzlich nicht anfechten, wenn es von ihr nur wegen seiner Zugehörigkeit zu dem fraglichen Sektor und seiner Eigenschaft als durch diese Regelung potenziell Begünstigter betroffen ist (Urteil vom 19. Oktober 2000, Italien und Sardegna Lines/Kommission, C-15/98 und C-105/99, Slg. 2000, I-8855, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung) 50 Folglich hat das Gericht in Randnr. 41 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass Telefónica von Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung nicht individuell betroffen im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist. 51 Nach alledem ist auch der zweite von Telefónica vorgebrachte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Zum ersten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Parteien 52 Telefónica macht geltend, das Gericht habe dadurch, dass es ihre Klage als unzulässig abgewiesen habe, ihren Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzt, der sich aus den Art. 6 und 13 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe. 53 Insbesondere sei es ihr nicht möglich, im Wege einer Einrede eine gerichtliche Kontrolle von Art. 1 Abs. 1 der streitigen Entscheidung dadurch zu erwirken, dass sie es zu einem Rechtsstreit mit der Steuerverwaltung kommen lasse und sich auf die fragliche Regelung ‐ obwohl sie nicht mehr geltendes spanisches Recht sei ‐ berufe, damit das zuständige nationale Gericht dem Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV eine Frage nach der Gültigkeit zur Vorabentscheidung vorlege. Dies würde nämlich voraussetzen, dass sie einen Rechtsverstoß beginge, d. h., dass sie bewusst den geltenden Rechtsvorschriften zuwiderhandele. Dadurch würde sie jedoch nicht nur gegen Verhaltenskodexe verstoßen, die einzuhalten sie sich verpflichtet habe, sondern sich auch in gewisser Weise der Gefahr aussetzen, dass die spanische Steuerverwaltung, gestützt auf eine Reihe einschlägiger Steuerrechtsvorschriften, ihre Sanktionsbefugnis ausübe. 54 Die Kommission erinnert daran, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der AEU-Vertrag mit seinen Art. 263 und 277 einerseits und mit seinem Art. 267 andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen habe, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe gewährleisten solle, und mit dieser Aufgabe den Unionsrichter betraut habe. 55 Die Ansicht von Telefónica, wonach das Gericht hätte prüfen müssen, unter welchen Voraussetzungen es tatsächlich möglich gewesen wäre, den nationalen Rechtsweg zu beschreiten, sei im Übrigen zurückzuweisen. Es könne keine Auslegung des Rechtsschutzsystems zugelassen werden, nach der eine Direktklage mit dem Ziel der Nichtigerklärung beim Unionsrichter eröffnet sei, wenn nach einer konkreten Prüfung der nationalen Verfahrensvorschriften durch diesen Richter nachgewiesen sei, dass diese Vorschriften es dem Einzelnen nicht gestatteten, eine Klage zu erheben, mit der er die Gültigkeit der streitigen Unionshandlung in Frage stellen könne. Eine solche Regelung würde nämlich erfordern, dass der Unionsrichter das nationale Verfahrensrecht prüfte und auslegte, was seine Zuständigkeit im Rahmen der Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane überschreiten würde. Es sei einem Einzelnen jedenfalls nicht möglich, vor dem Unionsrichter eine Nichtigkeitsklage zu erheben, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die nationalen Verfahrensvorschriften ihm erst dann das Recht einräumten, die Gültigkeit des beanstandeten Rechtsakts der Union in Frage zu stellen, wenn er gegen diesen verstoßen habe. Würdigung durch den Gerichtshof 56 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Union eine Rechtsunion ist, in der ihre Organe der Kontrolle daraufhin unterliegen, ob ihre Handlungen insbesondere mit den Verträgen, den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und den Grundrechten im Einklang stehen (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, Randnr. 91). 57 Die gerichtliche Kontrolle der Wahrung der Rechtsordnung der Union wird, wie sich aus Art. 19 Abs. 1 EUV ergibt, durch den Gerichtshof und die Gerichte der Mitgliedstaaten gewährleistet. Zu diesem Zweck hat der AEU-Vertrag mit seinen Art. 263 und 277 einerseits und mit seinem Art. 267 andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen, das die Rechtmäßigkeitskontrolle der Unionshandlungen gewährleisten soll, mit der der Unionsrichter betraut ist (Urteil Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, Randnrn. 90 und 92). 58 Wie sich aus den Randnrn. 34 bis 36 des vorliegenden Urteils ergibt, zieht die streitige Entscheidung im betroffenen Mitgliedstaat Durchführungsmaßnahmen in Bezug auf Telefónica nach sich. 59 Deshalb kann Telefónica, auch wenn sie die streitige Entscheidung aufgrund der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht unmittelbar vor dem Unionsrichter anfechten kann, die Ungültigkeit dieser Entscheidung vor den nationalen Gerichten geltend machen und diese veranlassen, dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, insbesondere wenn sie vor diesen Gerichten den Verwaltungsakt anficht, durch den ihr der Vorteil einer Abschreibung im Rahmen der fraglichen Regelung verweigert wird. 60 Demzufolge ist der erste von Telefónica geltend gemachte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. 61 Da keiner der drei von ihr geltend gemachten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist ihr Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. Kosten 62 Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. 63 Da Telefónica mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2. Die Telefónica SA trägt die Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Spanisch.
Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 27. November 2013. # Athanassios Oikonomopoulos gegen Europäische Kommission. # Rechtssache T-483/13 R.
62013TO0483
ECLI:EU:T:2013:614
2013-11-27T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62013TO0483 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62013TO0483 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62013TO0483 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Beschluss des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 14. November 2013.#Banco Popular Español SA gegen Maria Teodolinda Rivas Quichimbo und Wilmar Edgar Cun Pérez (C‑537/12) und Banco de Valencia SA gegen Joaquín Valldeperas Tortosa und María Ángeles Miret Jaume (C‑116/13).#Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia e Instrucción nº 1 de Catarroja und des Juzgado de Primera Instancia n° 17 de Palma de Mallorca.#Richtlinie 93/13/EWG – Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs − Verbraucherverträge − Hypothekendarlehensvertrag − Hypothekenvollstreckungsverfahren − Befugnisse des nationalen Vollstreckungsrichters − Missbräuchliche Klauseln − Beurteilungskriterien.#Verbundene Rechtssachen C‑537/12 und C‑116/13.
62012CO0537
ECLI:EU:C:2013:759
2013-11-14T00:00:00
Gerichtshof, Kokott
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62012CO0537 BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 14. November 2013 (*1) „Richtlinie 93/13/EWG — Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs — Verbraucherverträge — Hypothekendarlehensvertrag — Hypothekenvollstreckungsverfahren — Befugnisse des nationalen Vollstreckungsrichters — Missbräuchliche Klauseln — Beurteilungskriterien“ In den verbundenen Rechtssachen C‑537/12 und C‑116/13 betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 1 de Catarroja (Spanien) und vom Juzgado de Primera Instancia no 17 de Palma de Mallorca (Spanien) mit Entscheidungen vom 15. November 2012 und vom 26. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 26. November 2012 bzw. am 11. März 2013, in den Verfahren Banco Popular Español SA gegen Maria Teodolinda Rivas Quichimbo, Wilmar Edgar Cun Pérez (C‑537/12) und Banco de Valencia SA gegen Joaquín Valldeperas Tortosa, María Ángeles Miret Jaume (C‑116/13) erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger sowie des Richters S. Rodin, Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, folgenden Beschluss 1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29). 2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Banco Popular Español SA (im Folgenden: Banco Popular) und Frau Rivas Quichimbo und Herrn Cun Pérez einerseits und zwischen der Banco de Valencia SA (im Folgenden: Banco de Valencia) und Herrn Valldeperas Tortosa und Frau Miret Jaume andererseits über die Beitreibung von Schulden aus zwischen diesen Parteien geschlossenen Hypothekendarlehensverträgen. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Im 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 heißt es: „… Dem Gebot von Treu und Glauben kann durch den Gewerbetreibenden Genüge getan werden, indem er sich gegenüber der anderen Partei, deren berechtigten Interessen er Rechnung tragen muss, loyal und billig verhält.“ 4 Art. 3 dieser Richtlinie sieht vor: „(1)   Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. (2)   Eine Vertragsklausel ist immer dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte. … (3)   Der Anhang enthält eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“ 5 Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet: „Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt.“ 6 Art. 6 Abs. 1 derselben Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“ 7 Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet: „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“ 8 Im Anhang der Richtlinie 93/13 sind in Nr. 1 die in ihrem Art. 3 Abs. 3 angesprochenen Klauseln aufgeführt. In diesem Anhang heißt es: „1.   Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass … e) dem Verbraucher, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ein unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag auferlegt wird; … g) es dem Gewerbetreibenden ‐ außer bei Vorliegen schwerwiegender Gründe ‐ gestattet ist, einen unbefristeten Vertrag ohne angemessene Frist zu kündigen. 2.   Tragweite der Buchstaben g), j) und l) a) Buchstabe g) steht Klauseln nicht entgegen, durch die sich der Erbringer von Finanzdienstleistungen das Recht vorbehält, einen unbefristeten Vertrag einseitig und ‐ bei Vorliegen eines triftigen Grundes ‐ fristlos zu kündigen, sofern der Gewerbetreibende die Pflicht hat, die andere Vertragspartei oder die anderen Vertragsparteien alsbald davon zu unterrichten. …“ Spanisches Recht 9 Im spanischen Recht waren Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauseln zunächst durch das Allgemeine Gesetz 26/1984 über den Schutz der Verbraucher und Benutzer (Ley General 26/1984 para la Defensa de los Consumidores y Usuarios) vom 19. Juli 1984 (BOE Nr. 176 vom 24. Juli 1984, S. 21686) geschützt. 10 Dieses Gesetz wurde sodann durch das Gesetz 7/1998 über allgemeine Geschäftsbedingungen (Ley 7/1998 sobre condiciones generales de la contratación) vom 13. April 1998 (BOE Nr. 89 vom 14. April 1998, S. 12304) geändert, mit dem die Richtlinie 93/13 in das innerstaatliche spanische Recht umgesetzt wurde. 11 Schließlich wurde das Allgemeine Gesetz 26/1984 in der durch das Gesetz 7/1998 geänderten Fassung durch das Real Decreto Legislativo 1/2007, mit der die Neufassung des Allgemeinen Gesetzes über den Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen angenommen wurde (Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias) vom 16. November 2007 (BOE Nr. 287 vom 30. November 2007, S. 49181) kodifiziert. 12 Art. 82 dieses Real Decreto Legislativo sieht vor: „(1)   Als missbräuchlich anzusehen sind alle nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklauseln und alle sich nicht aus einer ausdrücklichen Vereinbarung ergebenden Praktiken, die entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers und Nutzers ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen. … (3)   Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrags oder eines anderen Vertrags, von dem er abhängt, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses beurteilt. (4)   Ungeachtet dessen sind in jedem Fall Klauseln missbräuchlich, die gemäß den Art. 85 bis 90 einschließlich a) den Vertrag dem Willen des Gewerbetreibenden unterwerfen, b) die Rechte des Verbrauchers und des Nutzers beschränken, c) dem Vertrag seine Gegenseitigkeit nehmen, d) dem Verbraucher oder Nutzer unverhältnismäßige Sicherheiten abverlangen oder ihm ungebührlich die Beweislast aufbürden, e) im Hinblick auf den Abschluss und die Durchführung des Vertrags unverhältnismäßig sind oder f) den Regeln über die Zuständigkeit und über das anwendbare Recht widersprechen.“ 13 Das Hypothekenvollstreckungsverfahren ist im Zivilprozessgesetz (Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil) vom 7. Januar 2000 in seiner zum Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung (im Folgenden: Zivilprozessgesetz) in Buch III Titel IV Kapitel V („Besonderheiten der Zwangsvollstreckung bei hypothekarisch belasteten oder verpfändeten Sachen“) geregelt, insbesondere in den Art. 681 bis 698 dieses Gesetzes. 14 Art. 695 des Zivilprozessgesetzes bestimmt: „1.   In den im vorliegenden Kapitel genannten Verfahren kann der Vollstreckungsschuldner nur Einspruch erheben, wenn sich dieser auf folgende Gründe stützt: (1) Erlöschen der Sicherheit oder der gesicherten Forderung, sofern eine Registerbescheinigung, aus der sich der Wegfall der Hypothek oder gegebenenfalls des besitzlosen Pfandrechts (Registerpfandrechts) ergibt, oder eine notarielle Urkunde über den Eingang der Zahlung oder den Wegfall der Sicherheit vorgelegt wird; (2) Fehler bei der Bestimmung des fälligen Betrags, wenn es sich bei der gesicherten Forderung um den Abschlusssaldo eines Kontos zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner handelt. Der Vollstreckungsschuldner hat sein Exemplar des Kontoauszugs vorzulegen, und der Einwand ist nur zulässig, wenn der dort ausgewiesene Saldo von demjenigen abweicht, der sich aus dem vom Vollstreckungsgläubiger vorgelegten Kontoauszug ergibt. ... (3) Vorhandensein einer anderen, gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Recht voreingetragenen Sicherheit oder Hypothek … belegt durch eine entsprechende Registerbescheinigung. 2.   Im Fall des Einspruchs gemäß Abs. 1 setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckung aus und lädt die Parteien zu einem Termin vor dem Gericht, das den Vollstreckungsbefehl erlassen hat, wobei zwischen der Vorladung und dem fraglichen Termin mindestens vier Tage liegen müssen; bei diesem Termin hört das Gericht die Parteien an, lässt die Schriftstücke, die vorgelegt werden, zu, und erlässt binnen zwei Tagen in Form eines Beschlusses die von ihm als angemessen erachtete Entscheidung. …“ 15 Art. 698 des Zivilprozessgesetzes bestimmt: „(1)   Über jeden nicht von den vorstehenden Artikeln erfassten Einwand des Schuldners, des Drittbesitzers oder sonstiger Beteiligter, einschließlich der Einwände, die die Nichtigkeit des Titels sowie die Fälligkeit, die Gewissheit, das Erlöschen oder die Höhe der Forderung betreffen, wird in dem entsprechenden Verfahren entschieden, ohne dass dies zur Aussetzung oder einer Verzögerung des im vorliegenden Kapitel vorgesehenen Verfahrens führt. … (2)   Mit Erhebung eines Einwands nach Abs. 1 oder im Laufe des sich daran anschließenden Verfahrens kann beantragt werden, dass die Wirksamkeit des in diesem Verfahren ergehenden Urteils durch Zurückbehaltung des ganzen oder eines Teils des Betrags sichergestellt wird, der nach dem im vorliegenden Kapitel geregelten Verfahren an den Gläubiger zu zahlen ist. Das Gericht ordnet durch eine Verfügung auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen die genannte Zurückbehaltung an, wenn es die geltend gemachten Gründe für hinreichend hält. Ist der Antragsteller nicht offenkundig hinreichend zahlungsfähig, muss das Gericht von ihm vorab eine ausreichende Sicherheit für Verzugszinsen und etwaige anderweitige Schadensersatzansprüche des Gläubigers verlangen. (3)   Leistet der Gläubiger für den Betrag, dessen Zurückbehaltung infolge des in Abs. 1 genannten Verfahrens angeordnet wurde, Sicherheit, die das Gericht für ausreichend hält, wird die Zurückbehaltung aufgehoben.“ 16 Art. 131 des zur Zeit des Ausgangsverfahrens geltenden Hypothekengesetzes (Ley Hipotecaria), dessen kodifizierte Fassung mit Dekret vom 8. Februar 1946 (BOE Nr. 58 vom 27. Februar 1946, S. 1518) angenommen wurde, sieht vor: „Vormerkungen für Anträge auf Nichtigerklärung der Hypothek oder weitere Eintragungen, die nicht auf einem der Fälle beruhen, in denen die Vollstreckung ausgesetzt werden kann, werden gemäß dem in Art. 133 genannten Aufhebungsbeschluss aufgehoben, sofern sie nach dem Randvermerk über die Ausstellung der Belastungsbescheinigung datieren. Die Urkunde zur Bescheinigung der Zahlung auf die Hypothek darf so lange nicht eingetragen werden, bis der genannte Randvermerk durch diesbezüglichen Gerichtsbeschluss aufgehoben worden ist.“ 17 Art. 153bis des Hypothekengesetzes bestimmt: „… Es kann im Titel vereinbart werden, dass der fällige Betrag bei der Zwangsvollstreckung derjenige ist, dessen Höhe das Kreditinstitut in der vertraglich vorgesehenen Weise bestimmt hat … Die Hypothekenvollstreckung kann zum vereinbarten Fälligkeitstermin oder nach Ablauf von Nachfristen jedweder Art gemäß Art. 129 und 153 des vorliegenden Gesetzes und den entsprechenden Bestimmungen des [Zivilprozessgesetzes] erfolgen.“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen Rechtssache C‑537/12 18 Am 28. Mai 2005 unterzeichneten Herr Cun Pérez und Frau Rivas Quichimbo einen Vertrag über ein Hypothekendarlehen in Höhe von 107300 Euro, das durch eine Hypothek auf die Wohnung der Familie gesichert war. 19 Seit dem 31. Oktober 2009 zahlten die Schuldner nicht mehr ihre Darlehensraten. 20 Das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 1 de Catarroja ordnete auf Antrag der Banco Popular vom 20. Januar 2012 mit Beschluss vom 8. Februar 2012 die Vollstreckung aus der Hypothek in die als Sicherheit gestellte Immobilie an und forderte die Vollstreckungsschuldner zur Zahlung von 97667,49 Euro als Hauptforderung nebst Zinsen und Kosten in Höhe von 17962,02 Euro auf. 21 Am 18. Mai 2012 erhob Frau Rivas Quichimbo, vertreten durch den aufgrund ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe bestellten Anwalt, Einspruch gegen den Vollstreckungsbeschluss und machte insbesondere die Missbräuchlichkeit der sogenannten „Mindestzinssatzklausel“ des Darlehensvertrags geltend, die dem Kreditinstitut einen Mindestzinssatz für den Fall garantiert, dass der Referenzsatz unter einen bestimmten Wert sinkt, wodurch praktisch aus einem Darlehen mit variablem ein Darlehen mit festem Zinssatz wird. 22 In der mündlichen Verhandlung vom 10. Juli 2012 wiederholte der Anwalt der Schuldnerin das Argument, dass die fragliche Vertragsklausel missbräuchlich sei. Die Banco Popular entgegnete, dieser Einwand sei nicht in der abschließenden Liste der Einwendungen nach Art. 695 des Zivilprozessgesetzes aufgeführt. Die Vollstreckungsschuldnerin müsse daher das entsprechende Erkenntnisverfahren durchführen. 23 In diesem Zusammenhang teilte das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 1 de Catarroja mit Entscheidung vom 15. Oktober 2012 den Parteien seine Zweifel an der Vereinbarkeit des spanischen Verfahrensrechts mit dem rechtlichen Rahmen der Richtlinie 93/13 zum Zweck einer Stellungnahme mit. 24 Insbesondere wies das Gericht darauf hin, dass, falls der Gläubiger zum Zweck der Zwangsvollstreckung das Hypothekenvollstreckungsverfahren wähle, die Missbräuchlichkeit einer der Klauseln des der Forderung zugrunde liegenden Darlehensvertrags nur in einem Erkenntnisverfahren, das keine aufschiebende Wirkung habe, vor dem zuständigen Gericht geltend gemacht werde könne. Da im Rahmen der Vollstreckung eine derartige Missbräuchlichkeit nicht von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei beurteilt werden könne, sei es für ein spanisches Gericht somit äußerst schwierig, dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden im Hypothekenvollstreckungsverfahren abzuhelfen. 25 Die für dieses Verfahren geltenden spanischen Rechtsvorschriften beeinträchtigten daher die Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Verbraucherschutzes. 26 Diese Feststellung ergebe sich auch aus Randnr. 53 des Urteils vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito (C‑618/10), in dem der Gerichtshof in einem Mahnverfahren wie dem in Spanien geltenden zu demselben Ergebnis gekommen sei, weil dieses Mahnverfahren „es einem Gericht, das mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasst ist, unmöglich macht, a limine oder in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens, obwohl es bereits über sämtliche hierzu erforderlichen rechtlichen und sachlichen Grundlagen verfügt, von Amts wegen zu prüfen, ob die Klauseln in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlich sind“. 27 Unter diesen Umständen hat das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 1 de Catarroja beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es einem Gericht, das mit einem Hypothekenvollstreckungsverfahren wie dem in den Art. 681 bis 695 des spanischen Zivilprozessgesetzes geregelten befasst ist, verwehrt, die Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher sei es von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei zu prüfen, unabhängig davon, ob der Verbraucher Einspruch erhoben hat oder nicht? 2. Ist die Richtlinie 93/13 unbeschadet der Antwort auf die vorstehende Frage dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es einem Gericht, das mit einem Hypothekenvollstreckungsverfahren wie dem in den Art. 681 bis 695 des spanischen Zivilprozessgesetzes geregelten befasst ist, verwehrt, dieses Verfahren auszusetzen, falls später ein Erkenntnisverfahren eingeleitet wird, in dem beantragt wird, festzustellen, dass eine in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher enthaltene Klausel missbräuchlich ist, und die Einleitung des genannten Vollstreckungsverfahrens auf diesen Vertrag gestützt wurde? Rechtssache C‑116/13 28 Herr Valldeperas Tortosa und Frau Miret Jaume hatten mit der Banco de Valencia mit notarieller Urkunde vom 26. Juli 2007 einen Hypothekendarlehensvertrag über einen Betrag in Höhe von 300000 Euro geschlossen, um den Kauf ihres Familienwohnsitzes zu finanzieren. Mit derselben Urkunde nahmen die Darlehensnehmer als Garantie für die Rückzahlung des Darlehens eine Hypothek auf die Immobilie auf. 29 Der genannte Vertrag sah in einer speziellen Klausel („Vorzeitige Fälligstellung des Hypothekendarlehens“) für das Kreditinstitut für den Fall der Nichterfüllung irgendeiner Zahlungsverpflichtung die Möglichkeit vor, den Darlehensvertrag einseitig und ohne vorherige Mitteilung zu kündigen und die Rückzahlung der geschuldeten Beträge nebst Zinsen und Kosten zu verlangen. Nach dieser Klausel konnte die Bank den Vertrag u. a. kündigen, sobald eine erste Monatsrate nicht bezahlt wurde, und zwar ohne die bisherige Einhaltung der Vertragsbedingungen durch die Schuldner berücksichtigen zu müssen. 30 Da die Schuldner vier fällig gewordene Darlehensraten für die Monate März bis Juni 2012 nicht gezahlt hatten, stellte die Banco de Valencia das Darlehen vorzeitig fällig und leitete am 5. Juni 2012 das Verfahren der Hypothekenvollstreckung ein, um die Zahlung der Hauptforderung in Höhe von 279540,58 Euro und, vorläufig, von 83862,17 Euro als Verzugszinsen ‐ gemäß der dem Antrag beigefügten notariellen Abrechnung ‐ und Kosten zu erwirken. 31 Das im Rahmen dieses Verfahrens angerufene Juzgado de Primera Instancia no 17 de Palma de Mallorca äußerte genauso wie das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción no 1 de Catarroja Zweifel an der Vereinbarkeit des spanischen Hypothekenvollstreckungsverfahrens mit der Richtlinie 93/13. Nach diesem Verfahren könne das zuständige Gericht weder von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer in einem Hypothekendarlehensvertrag enthaltenen Klausel beurteilen, bevor es die Vollstreckung anordne, da sich seine Aufgabe auf die rein formale Prüfung des Vollstreckungstitels und der ihm beigefügten Unterlagen beschränke, noch das Verfahren der Hypothekenvollstreckung aussetzen, wenn der Schuldner ein entsprechendes Erkenntnisverfahren einleite, um diese Missbräuchlichkeit feststellen zu lassen. 32 Das Juzgado de Primera Instancia no 17 de Palma de Mallorca gibt unter Hinweis auf die Ausführungen von Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Aziz (Urteil vom 14. März 2013, C‑415/11) zu bedenken, dass diese Verfahrensregelung dem durch die Richtlinie 93/13 festgelegten System in seiner Auslegung durch die entsprechende ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs zuwiderlaufen könnte (vgl. Urteile vom 27. Juni 2000, Océano Grupo Editorial und Salvat Editores, C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941, vom 26. Oktober 2006, Mostaza Claro, C-168/05, Slg. 2006, I-10421, vom 4. Juni 2009, Pannon GSM, C-243/08, Slg. 2009, I-4713, und Banco Español de Crédito). Nach dieser Rechtsprechung sei das nationale Gericht nämlich stets verpflichtet, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle, zu prüfen, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfüge. 33 Außerdem werfe die Behandlung des Ausgangsverfahrens weitere Fragen auf, namentlich in Bezug auf die Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Klausel“ in Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13 und in deren Anhang Nr. 1 Buchst. e und g sowie Nr. 2 Buchst. a. Die Vereinbarkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klausel über die vorzeitige Fälligstellung von Hypothekendarlehen mit diesen Vorschriften sei nämlich nicht eindeutig zu erkennen. 34 Unter diesen Umständen hat das Juzgado de Primera Instancia no 17 de Palma de Mallorca beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Steht das spanische Hypothekenvollstreckungsverfahren im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 93/13, soweit es dem Gericht nicht die Möglichkeit bietet, im Hinblick auf die Anordnung der Zwangsvollstreckung eine Klausel von Amts wegen zu überprüfen, die die vorzeitige Fälligstellung eines Darlehens allein auf Initiative der Bank vorsieht und als solche und in ihrer Anwendung im konkreten Einzelfall als missbräuchlich beurteilt wird und unerlässlich dafür ist, der gewerbsmäßig tätigen Darlehensgeberin diesen privilegierten Verfahrensweg der Zwangsvollstreckung zu eröffnen? 2. Wie weit darf der richterliche Eingriff, ebenfalls unter dem Blickwinkel des Art. 7 der Richtlinie 93/13, bei einer solchen Klausel gehen, wenn er im Verfahren der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek über die Anordnung der Vollstreckung zu entscheiden hat? 3. Kann eine vertragliche Klausel als solche und im konkreten Einzelfall im Licht des Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13 sowie ihres Anhangs Nr. 1 Buchst. e und g und Nr. 2 Buchst. a als missbräuchlich angesehen werden, die das Kreditinstitut berechtigt, den Darlehensvertrag aus Gründen rein objektiver Art ‐ von denen einige mit dem Vertrag selbst in keinem Zusammenhang stehen – und, im hier zu entscheidenden Fall, wegen der Nichtzahlung von vier Monatsraten des Hypothekendarlehens einseitig aufzulösen? 35 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 20. Juni 2013 sind die Rechtssachen C‑537/12 und C‑116/13 zu gemeinsamem schriftlichem und mündlichem Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. Zu den Vorlagefragen 36 Nach Art. 99 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage übereinstimmt, über die er bereits entschieden hat, wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. 37 Der genannte Artikel ist in den vorliegenden verbundenen Rechtssachen anzuwenden. Zu den beiden Vorlagefragen in der Rechtssache C‑537/12 und zu den ersten beiden Vorlagefragen in der Rechtssache C‑116/13 38 Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel des der Forderung und dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Vertrags zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen zu treffen, die die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens gewährleisten, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist. 39 Nach ständiger Rechtsprechung geht das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem davon aus, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt (Urteil Aziz, Randnr. 44). 40 In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, handelt es sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichheit wiederherzustellen (Urteil Aziz, Randnr. 45). 41 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt, prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (Urteil Aziz, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). 42 Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach ein mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstes Gericht, sofern der Verbraucher keinen Widerspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eine Verzugszinsklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlich ist, obwohl es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt (Urteil Banco Español de Crédito, Randnr. 57). 43 Ferner hat der Gerichtshof in Randnr. 64 des Urteils Aziz festgestellt, dass diese Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens keine Einwendungen in Bezug auf die Missbräuchlichkeit einer dem vollstreckbaren Titel zugrunde liegenden Vertragsklausel zulässt, dem für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel zuständigen Gericht des Erkenntnisverfahrens aber auch nicht erlaubt, vorläufige Maßnahmen – wie insbesondere die Aussetzung des genannten Vollstreckungsverfahrens – zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit seiner Endentscheidung zu gewährleisten. 44 Somit kann die Antwort auf die Vorlagefragen klar aus dieser Rechtsprechung abgeleitet werden, soweit sie sich auf die Bestimmung der Aufgaben beziehen, die das Gericht, das für die Durchführung der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek zuständig ist, nach der genannten Richtlinie im Rahmen der gleichen verfahrensrechtlichen Regelung wie der vom Gerichtshof im Urteil Aziz untersuchten hat. 45 Da die nationalen Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vereinheitlicht worden sind, unterfallen die Modalitäten sowohl für die Geltendmachung der im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zulässigen Einwendungen als auch für die Wahrnehmung der Befugnisse, die in diesem Stadium dem Vollstreckungsgericht für die Rechtmäßigkeitsprüfung von Klauseln in Verbraucherverträgen eingeräumt sind, nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), und dass sie die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl. entsprechend Urteil Aziz, Randnr. 50). 46 Hinsichtlich des Äquivalenzprinzips ist festzustellen, dass der Gerichtshof über keinerlei Anhaltspunkte verfügt, die einen Zweifel an der Vereinbarkeit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung mit diesem Prinzip hervorrufen könnten. 47 Den Akten ist nämlich zu entnehmen, dass es nach der verfahrensrechtlichen Regelung in Spanien einem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens verwehrt ist, von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei den der geltend gemachten Forderung zugrunde liegenden Vertrag im Hinblick auf andere als die ausdrücklich vorgesehenen Einwendungen zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen zu treffen, die die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des Erkenntnisverfahrens gewährleisten, was nicht nur gilt, wenn das letztgenannte Gericht prüft, ob eine Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher im Hinblick auf Art. 6 der Richtlinie missbräuchlich ist, sondern auch dann, wenn es prüft, ob eine solche Klausel gegen zwingendes nationales Recht verstößt, was allerdings vom betreffenden Gericht festzustellen ist. 48 Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, so ist nach ständiger Rechtsprechung jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen (Urteil Aziz, Randnr. 53). 49 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte, dass im Sinne von Art. 695 des Zivilprozessgesetzes der Vollstreckungsschuldner in Hypothekenvollstreckungsverfahren nur Einspruch erheben kann, wenn er sich auf das Erlöschen der Sicherheit oder der gesicherten Forderung, auf Fehler bei der Bestimmung des fälligen Betrags, wenn es sich bei der gesicherten Forderung um den Abschlusssaldo eines Kontos zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner handelt, oder auf das Vorhandensein einer anderen gegenüber dem verfahrensgegenständlichen Recht voreingetragenen Sicherheit oder Hypothek beruft. 50 Nach Art. 698 des Zivilprozessgesetzes wird über jeden anderen Einwand des Schuldners einschließlich der Einwände, die die Nichtigkeit des Titels, die Fälligkeit, die Gewissheit, das Erlöschen oder die Höhe der Forderung betreffen, in dem entsprechenden Verfahren entschieden, ohne dass dies zur Aussetzung oder einer Verzögerung des im fraglichen Kapitel vorgesehenen Verfahrens führt. 51 Nach Art. 131 des Hypothekengesetzes werden Vormerkungen für Anträge auf Nichtigerklärung der Hypothek oder der übrigen Eintragungen, die nicht auf einem der Fälle beruhen, in denen die Vollstreckung ausgesetzt werden kann, gemäß dem in Art. 133 dieses Gesetzes genannten Aufhebungsbeschluss aufgehoben, sofern sie nach dem Randvermerk über die Ausstellung der Belastungsbescheinigung datieren. 52 Hieraus folgt, dass nach der verfahrensrechtlichen Regelung in Spanien der endgültige Zuschlag eines mit einer Hypothek belasteten Gegenstands zugunsten eines Dritten nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, selbst wenn die Missbräuchlichkeit der vom Verbraucher im Erkenntnisverfahren angefochtenen Klausel zur Nichtigkeit des Hypothekenvollstreckungsverfahrens führt, es sei denn, der Verbraucher hat vor dem genannten Randvermerk eine Vormerkung für den Antrag auf Nichtigerklärung der Hypothek eintragen lassen (Urteil Aziz, Randnr. 57). 53 Allerdings ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung des Ablaufs und der Besonderheiten des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Hypothekenvollstreckungsverfahrens dieser Fall als sehr unwahrscheinlich angesehen werden muss, da die nicht zu vernachlässigende Gefahr besteht, dass der betroffene Verbraucher die genannte Vormerkung nicht innerhalb der hierzu vorgesehenen Frist eintragen lässt, sei es wegen des extrem schnellen Ablaufs des fraglichen Vollstreckungsverfahrens, sei es, weil er den Umfang seiner Rechte nicht kennt oder nicht richtig erfasst (vgl. Urteil Aziz, Randnr. 58). 54 Wie der Gerichtshof bereits in Randnr. 59 des Urteils Aziz ausgeführt hat, kann eine derartige verfahrensrechtliche Regelung ‐ die es dem Gericht des Erkenntnisverfahrens, das der Verbraucher angerufen hat und bei dem er die Missbräuchlichkeit einer dem vollstreckbaren Titel zugrunde liegenden Vertragsklausel rügt, unmöglich macht, vorläufige Maßnahmen zur Aussetzung oder Verzögerung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu treffen ‐ die Wirksamkeit des mit der Richtlinie beabsichtigten Schutzes beeinträchtigen, wenn der Erlass solcher Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung zu gewährleisten. 55 Eine derartige verfahrensrechtliche Regelung, die es dem Vollstreckungsgericht unmöglich macht, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel zu prüfen, die in dem der geltend gemachten Forderung und, im vorliegenden Fall, dem vollstreckbaren Titel zugrunde liegenden Vertrag enthalten ist, oder vorläufige Maßnahmen zur Aussetzung oder Verzögerung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu treffen, kann die Wirksamkeit des mit der Richtlinie 93/13 beabsichtigten Schutzes beeinträchtigen, wenn der Erlass solcher Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des Erkenntnisverfahrens zu gewährleisten, vor dem der Verbraucher einen derartigen Missbrauch geltend macht. 56 Wie der Gerichtshof entschieden hat, könnte nämlich ohne diese Möglichkeit in allen Fällen, in denen wie in den Ausgangsverfahren die Immobiliarzwangsvollstreckung in den mit der Hypothek belasteten Gegenstand vor Verkündung der Entscheidung des Gerichts des Erkenntnisverfahrens, mit dem die der Hypothek zugrunde liegende Vertragsklausel für missbräuchlich und somit das Vollstreckungsverfahren für nichtig erklärt werden, durchgeführt worden ist, diese Entscheidung für den Verbraucher nur einen nachgelagerten, lediglich in Schadensersatz bestehenden Schutz sicherstellen, was sich als unvollständig und unzureichend erweisen würde und entgegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 weder ein angemessenes noch ein wirksames Mittel wäre, um der Verwendung dieser Klausel ein Ende zu setzen (Urteil Aziz, Randnr. 60). 57 Dies gilt umso mehr, wenn der Gegenstand, der mit der hypothekarischen Sicherheit belastet ist, wie in den Ausgangsverfahren die Wohnung des geschädigten Verbrauchers und seiner Familie ist, weil diese Verbraucherschutzregelung, die auf die Zahlung von Schadensersatz beschränkt ist, den endgültigen und nicht rückgängig zu machenden Verlust der genannten Wohnung nicht verhindern kann (Urteil Aziz, Randnr. 61). 58 Demnach könnten die Gewerbetreibenden den Verbrauchern, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, den mit der Richtlinie beabsichtigten Schutz im Wesentlichen schon dadurch entziehen, dass sie ein solches Hypothekenvollstreckungsverfahren betreiben, was sich auch als nicht vereinbar mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs erweist, wonach die spezifischen Merkmale der nach nationalem Recht zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern geführten gerichtlichen Verfahren kein Faktor sind, der den Rechtsschutz beeinträchtigen könnte, der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zu gewähren ist (Urteil Aziz, Randnr. 62). 59 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende spanische Regelung nicht mit dem Effektivitätsprinzip vereinbar ist, soweit sie in den Hypothekenvollstreckungsverfahren, die von Gewerbetreibenden gegen Verbraucher betrieben werden, die Sicherstellung des Schutzes, der den Verbrauchern mit der Richtlinie gewährt werden soll, unmöglich macht oder übermäßig erschwert (Urteil Aziz, Randnr. 63). 60 Angesichts dieser Erwägungen ist auf die beiden Fragen in der Rechtssache C‑537/12 und auf die ersten beiden Fragen in der Rechtssache C‑116/13 zu antworten, dass die Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel des der Forderung und dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Vertrags zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen, insbesondere solche zur Aussetzung der Vollstreckung zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des entsprechenden Erkenntnisverfahrens, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist, zu gewährleisten. Zur dritten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑116/13 61 Mit dieser Frage ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13 und deren Anhang Nr. 1 Buchst. e und g sowie Nr. 2 Buchst. a, um beurteilen zu können, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Klausel über die „vorzeitige Fälligstellung des Hypothekendarlehens“ missbräuchlich ist. 62 Der Gerichtshof hatte im Urteil Aziz auf eine ähnliche Frage zu antworten, um das nationale Gericht in die Lage zu versetzen, insbesondere die Missbräuchlichkeit einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung von langfristigen Hypothekendarlehensverträgen prüfen zu können. Deshalb kann die Antwort auf die jetzige Frage klar aus den Ausführungen in jenem Urteil abgeleitet werden. 63 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs erstreckt sich seine Zuständigkeit auf die Auslegung des Begriffs „missbräuchliche Klausel“ in Art. 3 Abs. 1 und im Anhang der Richtlinie 93/13 sowie auf die Kriterien, die das nationale Gericht bei der Prüfung einer Vertragsklausel im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie anwenden darf oder muss, wobei es Sache des nationalen Gerichts ist, unter Berücksichtigung dieser Kriterien über die konkrete Bewertung einer bestimmten Vertragsklausel anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Infolgedessen muss sich der Gerichtshof darauf beschränken, dem vorlegenden Gericht Hinweise an die Hand zu geben, die dieses bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der betreffenden Klausel zu beachten hat (vgl. Urteile vom 26. April 2012, Invitel, C‑472/10, Randnr. 22, und Aziz, Randnr. 66). 64 Gleichzeitig ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie mit der Bezugnahme auf die Begriffe von Treu und Glauben und des erheblichen und ungerechtfertigten Missverhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragspartner nur abstrakt die Faktoren definiert, die einer nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklausel missbräuchlichen Charakter verleihen (Urteil Aziz, Randnr. 67). 65 Wie der Gerichtshof bereits klargestellt hat, sind bei der Frage, ob eine Klausel ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zulasten des Verbrauchers verursacht, insbesondere diejenigen Vorschriften zu berücksichtigen, die im nationalen Recht anwendbar sind, wenn die Parteien in diesem Punkt keine Vereinbarung getroffen haben. Anhand einer solchen vergleichenden Betrachtung kann das nationale Gericht bewerten, ob – und gegebenenfalls inwieweit – der Vertrag für den Verbraucher eine weniger günstige Rechtslage schafft, als sie das geltende nationale Recht vorsieht. Hierbei ist außerdem von Bedeutung, dass die Rechtslage des Verbrauchers vor dem Hintergrund der Mittel untersucht wird, die ihm das nationale Recht zur Verfügung stellt, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen (Urteil Aziz, Randnr. 68). 66 Zur Frage, unter welchen Umständen ein solches Missverhältnis „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben“ verursacht wird, ist festzustellen, dass das nationale Gericht gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs prüfen muss, ob der Gewerbetreibende bei loyalem und billigem Verhalten gegenüber dem Verbraucher vernünftigerweise erwarten durfte, dass der Verbraucher sich nach individuellen Verhandlungen auf eine solche Klausel einlässt (Urteil Aziz, Randnr. 69). 67 In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass der Anhang, auf den Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 93/13 verweist, lediglich eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste von Klauseln enthält, die für missbräuchlich erklärt werden können (Urteil Aziz, Randnr. 70). 68 Insbesondere werden in Anhang Nr. 1 Buchst. e und g die Klauseln genannt, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass zum einen dem Verbraucher, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ein unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag auferlegt wird und zum anderen dem Gewerbetreibenden ‐ außer bei Vorliegen schwerwiegender Gründe ‐ gestattet ist, einen unbefristeten Vertrag ohne angemessene Frist zu kündigen. Außerdem wird in Anhang Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie klargestellt, dass Nr. 1 Buchst. g Klauseln nicht entgegensteht, durch die sich der Erbringer von Finanzdienstleistungen das Recht vorbehält, einen unbefristeten Vertrag einseitig und ‐ bei Vorliegen eines triftigen Grundes ‐ fristlos zu kündigen, sofern der Gewerbetreibende die Pflicht hat, die andere Vertragspartei oder die anderen Vertragsparteien alsbald davon zu unterrichten. 69 Das Juzgado de Primera Instancia no 17 de Palma de Mallorca muss im Licht dieser Kriterien die Missbräuchlichkeit der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Klausel über die vorzeitige Fälligstellung des Hypothekendarlehens beurteilen, nach der das Kreditinstitut Darlehensverträge mit einer bestimmten Laufzeit einseitig kündigen und die Rückzahlung der geschuldeten Beträge nebst Zinsen und Kosten verlangen kann, wenn der Schuldner seinen vertraglichen Pflichten vorübergehend nicht nachgekommen ist. 70 In diesem Zusammenhang muss das vorlegende Gericht insbesondere prüfen, ob die dem Gewerbetreibenden eingeräumte Möglichkeit, den Vertrag einseitig zu kündigen, davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehungen wesentlich ist, ob diese Möglichkeit für Konstellationen vorgesehen ist, in denen eine solche Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, ob die genannte Möglichkeit von den Vorschriften abweicht, die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen den Parteien anwendbar wären, und dadurch für den Verbraucher vor dem Hintergrund der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel der Zugang zum Gericht und die Ausübung der Verteidigungsrechte erschwert wird, und ob das nationale Recht angemessene und wirksame Mittel vorsieht, die es dem Verbraucher, dem gegenüber eine derartige Klausel zur Anwendung kommt, ermöglichen, die Wirkungen der einseitigen Kündigung des Darlehensvertrags wieder zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Aziz, Randnrn. 73 und 75). 71 Nach alledem ist auf die dritte Frage in der Rechtssache C‑116/13 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13 und deren Anhang Nr. 1 Buchst. e und g sowie Nr. 2 Buchst. a dahin auszulegen sind, dass es für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung eines Hypothekendarlehens wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden insbesondere darauf ankommt, — ob die Möglichkeit für den Gewerbetreibenden, den Vertrag einseitig zu kündigen, davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehungen wesentlich ist, — ob diese Möglichkeit für Konstellationen vorgesehen ist, in denen eine solche Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, — ob die genannte Möglichkeit von den Vorschriften abweicht, die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen den Parteien anwendbar wären, und dadurch für den Verbraucher vor dem Hintergrund der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel der Zugang zum Gericht und die Ausübung der Verteidigungsrechte erschwert wird, und — ob das nationale Recht angemessene und wirksame Mittel vorsieht, die es dem Verbraucher, dem gegenüber eine derartige Klausel zur Anwendung kommt, ermöglichen, die Wirkungen der einseitigen Kündigung des Darlehensvertrags wieder zu beseitigen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Falles zu beurteilen. Kosten 72 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die dem Vollstreckungsgericht im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens nicht erlaubt, von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers die Missbräuchlichkeit einer Klausel des der Forderung und dem Vollstreckungstitel zugrunde liegenden Vertrags zu prüfen oder vorläufige Maßnahmen, insbesondere solche zur Aussetzung der Vollstreckung zu treffen, wenn der Erlass dieser Maßnahmen erforderlich ist, um die volle Wirksamkeit der Endentscheidung des Gerichts des Erkenntnisverfahrens, das für die Prüfung der Missbräuchlichkeit dieser Klausel zuständig ist, zu gewährleisten. 2. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 93/13 und deren Anhang Nr. 1 Buchst. e und g sowie Nr. 2 Buchst. a sind dahin auszulegen, dass es für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel über die vorzeitige Fälligstellung eines Hypothekendarlehens wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden insbesondere darauf ankommt, — ob die Möglichkeit für den Gewerbetreibenden, den Vertrag einseitig zu kündigen, davon abhängt, dass der Verbraucher eine Verpflichtung nicht erfüllt hat, die im Rahmen der fraglichen vertraglichen Beziehungen wesentlich ist, — ob diese Möglichkeit für Konstellationen vorgesehen ist, in denen eine solche Nichterfüllung im Verhältnis zur Laufzeit und zur Höhe des Darlehens hinreichend schwerwiegend ist, — ob die genannte Möglichkeit von den Vorschriften abweicht, die in Ermangelung einer Vereinbarung zwischen den Parteien anwendbar wären, und dadurch für den Verbraucher vor dem Hintergrund der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel der Zugang zum Gericht und die Ausübung der Verteidigungsrechte erschwert wird, und — ob das nationale Recht angemessene und wirksame Mittel vorsieht, die es dem Verbraucher, dem gegenüber eine derartige Klausel zur Anwendung kommt, ermöglichen, die Wirkungen der einseitigen Kündigung des Darlehensvertrags wieder zu beseitigen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Falls zu beurteilen. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Spanisch.
Beschluss des Gerichts (Erste Kammer) vom 12. September 2013.#European Dynamics Luxembourg SA u. a. gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).#Nichtigkeits- und Schadensersatzklage – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Einrede der Unzulässigkeit – Antrag auf Nichtigerklärung – Art. 263 Abs. 1 und 5 AEUV – Art. 122 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Keine Verfrühtheit der Klage – Beklagteneigenschaft – Zuständigkeit des Gerichts – Antrag auf Schadensersatz – Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts – Zulässigkeit.#Rechtssache T‑556/11.
62011TO0556
ECLI:EU:T:2013:514
2013-09-12T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011TO0556 BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer) 12. September 2013 (*1) „Nichtigkeits- und Schadensersatzklage — Öffentliche Dienstleistungsaufträge — Einrede der Unzulässigkeit — Antrag auf Nichtigerklärung — Art. 263 Abs. 1 und 5 AEUV — Art. 122 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Keine Verfrühtheit der Klage — Beklagteneigenschaft — Zuständigkeit des Gerichts — Antrag auf Schadensersatz — Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts — Zulässigkeit“ In der Rechtssache T‑556/11 European Dynamics Luxembourg SA mit Sitz in Ettelbrück (Luxemburg), European Dynamics Belgium SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Korogiannakis, M. Dermitzakis und N. Theologou, Klägerinnen, gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch N. Bambara und M. Paolacci als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt P. Wytinck, Beklagter, wegen Nichtigerklärung der im Rahmen des offenen Ausschreibungsverfahrens AO/029/10 („Softwareentwicklung und ‑pflege“) ergangenen und den Klägerinnen mit Schreiben vom 11. August 2011 mitgeteilten Entscheidung des HABM, den Zuschlag für den fraglichen Auftrag anderen Bietern zu erteilen und das Angebot der Klägerin zu 1) abzulehnen, und wegen Schadensersatzes, erlässt DAS GERICHT (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter), des Richters S. Frimodt Nielsen und der Richterin M. Kancheva, Kanzler: E. Coulon, folgenden Beschluss Rechtlicher Rahmen A – Allgemeine Bestimmungen 1 Nach Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV „überwacht [der Gerichtshof der Europäischen Union] ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten“. 2 Nach Art. 263 Abs. 5 AEUV „[können] [i]n den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden, die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben“. 3 Die Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) (im Folgenden: Markenverordnung Nr. 207/2009), durch die das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eingerichtet wird, bestimmt in Art. 122 („Rechtsaufsicht“) Folgendes: „(1)   Die Kommission überwacht die Rechtmäßigkeit derjenigen Handlungen des Präsidenten des [HABM], über die im Gemeinschaftsrecht keine Rechtsaufsicht durch ein anderes Organ vorgesehen ist, sowie der Handlungen des nach Artikel 138 beim [HABM] eingesetzten Haushaltsausschusses. (2)   Sie verlangt die Änderung oder Aufhebung von Handlungen nach Absatz 1, die das Recht verletzen. (3)   Jede ausdrückliche oder stillschweigende Handlung nach Absatz 1 kann von jedem Mitgliedstaat oder jeder dritten Person, die hiervon unmittelbar und individuell betroffen ist, zur Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit vor die Kommission gebracht werden. Die Kommission muss innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte von der betreffenden Handlung erstmals Kenntnis erlangt hat, damit befasst werden. Die Kommission trifft innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung. Wird innerhalb dieser Frist keine Entscheidung getroffen, so gilt dies als Ablehnung.“ 4 Art. 124 („Befugnisse des Präsidenten“) der Markenverordnung Nr. 207/2009 bestimmt u. a.: „(1)   Das [HABM] wird von einem Präsidenten geleitet. (2)   Zu diesem Zweck hat der Präsident insbesondere folgende Aufgaben und Befugnisse: … c) er stellt den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des [HABM] auf und führt den Haushaltsplan des [HABM] aus; … f) er kann seine Befugnisse übertragen. (3)   Der Präsident wird von einem oder mehreren Vizepräsidenten unterstützt. …“ 5 In Art. 143 („Finanzvorschriften) der Markenverordnung Nr. 207/2009 heißt es: „Der Haushaltsausschuss erlässt nach Stellungnahme der Kommission und des Rechnungshofs … die internen Finanzvorschriften, in denen insbesondere die Einzelheiten der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans des [HABM] festgelegt werden. Die Finanzvorschriften lehnen sich, soweit dies mit der Besonderheit des [HABM] vereinbar ist, an die Haushaltsordnungen anderer von der [Union] geschaffener Einrichtungen an.“ 6 Art. 185 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) lautet: „Die Kommission erlässt eine Rahmenfinanzregelung für die von den Gemeinschaften geschaffenen Einrichtungen, die mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet sind und wirklich Zuschüsse zulasten des Haushalts erhalten. Die Finanzregelung dieser Einrichtungen darf von der Rahmenregelung nur abweichen, wenn dies wegen besonderer Merkmale ihrer Funktionsweise erforderlich ist und sofern die Kommission dem zustimmt.“ 7 Nach Art. 74 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2343/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 betreffend die Rahmenfinanzregelung für Einrichtungen gemäß Artikel 185 der Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 72, Berichtigung in ABl. 2003, L 2, S. 39) in der durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 652/2008 der Kommission vom 9. Juli 2008 (ABl. L 181, S. 23) geänderten Fassung „[gelten] [f]ür die Vergabe öffentlicher Aufträge … die Bestimmungen der Haushaltsordnung und der Verordnung … Nr. 2342/2002 vorbehaltlich der Absätze 4 bis 7 dieses Artikels“. B – Verordnung CB‑3‑09 des HABM 8 Nach Art. 33 Abs. 1 der Verordnung CB‑3‑09 des Haushaltsausschusses des HABM vom 17. Juli 2009 über die Finanzvorschriften des Amtes „[übt] [d]er Präsident des [HABM] die Rolle des Anweisungsbefugten aus“ und „[führt] den Haushaltsplan der Gemeinschaftseinrichtung in Einnahmen und Ausgaben nach Maßgabe der Finanzregelung des [HABM] eigenverantwortlich“. 9 Art. 34 Abs. 1 der Verordnung CB‑3‑09 bestimmt u. a., dass „[d]er Präsident des [HABM] seine Haushaltsvollzugsbefugnis Bediensteten des [HABM], die dem ‚Statut‘ unterliegen, nach Maßgabe der von ihm festgesetzten Kriterien und innerhalb der in der Übertragungsverfügung festgelegten Grenzen übertragen [kann]“. 10 Art. 74 Abs. 1 der Verordnung CB‑3‑09 lautet: „Für die Vergabe öffentlicher Aufträge gelten die einschlägigen Bestimmungen der Haushaltsordnung … und der Verordnung … Nr. 2342/2002 vorbehaltlich der Absätze 4 bis 7 dieses Artikels.“ Vorgeschichte des Rechtsstreits 11 Die Klägerinnen, die European Dynamics Luxembourg SA, die European Dynamics Belgium SA und die Evropaïki Dynamiki – Proigmena Systimata Tilepikoinonion Pliroforikis kai Tilematikis AE, sind im Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien tätig und geben in von verschiedenen Organen und Einrichtungen der Union, darunter dem HABM, durchgeführten Ausschreibungsverfahren regelmäßig Angebote ab. 12 Mit Bekanntmachung vom 15. Januar 2011 veröffentlichte das HABM im Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe S (ABl. 2011/S 10‑013995), unter der Referenznummer AO/029/10 eine Ausschreibung mit dem Titel „Softwareentwicklung und -pflege“. Der zu vergebende Auftrag hatte zum Gegenstand, dem HABM EDV-Dienste im Hinblick auf die Konzipierung von Prototypen, Analyse, Entwurf, Grafikdesign, Entwicklung, Erprobung und Installation von Informationssystemen zu erbringen sowie technische Dokumentation, Schulungen und Wartungsdienste für diese Systeme bereitzustellen. 13 Nach Punkt II.1.4 der Bekanntmachung betraf der Auftrag die Vergabe von Rahmenverträgen mit einer maximalen Laufzeit von sieben Jahren und drei verschiedenen Erbringern von EDV-Diensten. Hierzu wird in Punkt 14.2 der Leistungsbeschreibung (Anhang I der Ausschreibungsunterlagen) ausgeführt, dass die Rahmenverträge getrennt voneinander und im „Kaskadenverfahren“ geschlossen werden müssen. Dieses Verfahren bedeutet, dass sich das HABM, wenn der an erster Stelle gereihte Bieter nicht in der Lage ist, die geforderten Dienstleistungen zu erbringen, an den zweiten Bieter wendet usw. 14 Nach Punkt IV.2.1 der Bekanntmachung ist der Zuschlag dem Bieter des wirtschaftlich günstigsten Angebots zu erteilen. Punkt VI.4.1 sieht vor, dass die zuständige Stelle für Nachprüfungsverfahren die Europäische Kommission und jene für Schlichtungsverfahren der Europäische Bürgerbeauftragte ist. In Punkt VI.4.2 wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsgrundlage für Rechtsbehelfe Art. 118 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) (jetzt Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009) ist und dass die Kommission innerhalb von 15 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte von der betreffenden Handlung erstmals Kenntnis erlangt hat, damit befasst werden muss. 15 Mit an das HABM gerichteten Schreiben vom 19. und 24. Januar und 1. Februar 2011 beschwerten sich die Klägerinnen über einige Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Bedingungen und Modalitäten des Ausschreibungsverfahrens AO/029/10. Das HABM antwortete darauf mit Schreiben vom 28. Januar und 4. Februar 2011, mit denen es ihre Behauptungen zurückwies und sie auf die Möglichkeit hinwies, nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eine Beschwerde bei der Kommission einzulegen. 16 Mit an das HABM gerichtetem Schreiben vom 16. Februar 2011 wiederholten die Klägerinnen ihre Kritik, dass einige der in den Ausschreibungsunterlagen dargestellten technischen Kriterien unklar und mehrdeutig seien, und ersuchten es, diese Kriterien zu ändern. 17 Mit Schreiben vom 4. März 2011 legten die Klägerinnen bei den Generaldirektionen (GD) „Binnenmarkt“ und „Wettbewerb“ der Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie sie aufforderten, das Verhalten des HABM als öffentlicher Auftraggeber zu untersuchen, insbesondere hinsichtlich der geltend gemachten Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens AO/029/10 und den vorhergehenden Wartungsrahmenverträgen Nr. 4020070018, die das HABM im Mai 2007 im Kaskadenverfahren an drei Gesellschaften, darunter die Klägerin zu 3), vergeben habe. 18 Mit an das HABM gerichteten Schreiben vom 8. und 9. März 2011 stellten die Klägerinnen erneut die Bedingungen und Modalitäten des Ausschreibungsverfahrens AO/029/10 in Frage. 19 Am 11. März 2011 gab die Klägerin zu 1) auf die Bekanntmachung vom 15. Januar 2011 hin ein Angebot ab. 20 Mit Schreiben vom 30. Mai 2011 teilte die Kommission den Klägerinnen zum einen mit, dass sie die Beschwerde als verspätet erachte und daher nicht prüfen könne, und zum anderen, dass sie einige Behauptungen an das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) weitergeleitet habe, da sie unter seine Zuständigkeit fielen. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2011 teilte das OLAF dem HABM mit, dass es die Sache einstelle, soweit sie eine andere, ebenfalls in der Reihe S des Amtsblatts der Europäischen Union (ABl. 2011/S 55‑089144) veröffentlichte Bekanntmachung betreffe. 21 Mit an die Kommission gerichtetem Schreiben vom 31. Mai 2011 traten die Klägerinnen der Zurückweisung ihrer Beschwerde als verspätet entgegen und ersuchten die Kommission erneut, diese zu prüfen. 22 Mit Schreiben vom 11. August 2011 (im Folgenden: streitiges Schreiben) teilte das HABM den Klägerinnen das Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens AO/029/10 (im Folgenden: Vergabeentscheidung) mit und wies sie darauf hin, dass sie das Angebot der Klägerin zu 1) nicht berücksichtigt habe, da es sich nicht als das wirtschaftlich günstigste herausgestellt habe. Dieses Schreiben enthielt außerdem eine Vergleichstabelle, in der die Anzahl der Punkte aufgeführt war, die an dieses Angebot und jeweils an die Angebote der drei Bieter mit der höchsten Punktzahl vergeben wurden. 23 Mit Schreiben vom 12. August 2011 ersuchten die Klägerinnen das HABM um Mitteilung erstens der genauen Zusammenstellung des Konsortiums erfolgreicher Bieter sowie der Namen deren eventueller Partner oder Subunternehmer und jeweils des prozentualen Anteils, zu dem ihnen der Auftrag erteilt worden sei, zweitens der an ihr Angebot und an die Angebote der erfolgreichen Bieter für jedes der technischen Zuschlagskriterien vergebenen Noten zusammen mit einer detaillierten vergleichenden Untersuchung der Stärken und Schwächen dieser Angebote für jedes Unterkriterium sowie einer Erläuterung der relativen Vorzüge und der Zusatzdienste oder der besseren Qualität, die die erfolgreichen Bieter im Verhältnis zum Angebot der Klägerinnen böten, drittens einer detaillierten Abschrift des Bewertungsberichts, viertens der finanziellen Angebote der erfolgreichen Bieter im Vergleich zum Angebot der Klägerinnen und fünftens der Namen der Mitglieder des Bewertungsausschusses, um das Vorliegen eines potenziellen Interessenkonflikts überprüfen zu können. Außerdem behaupteten die Klägerinnen das Vorliegen von Interessenkonflikten bei zwei der drei erfolgreichen Bieter sowie gewisse Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der finanziellen Kriterien für die Bewertung der finanziellen Angebote durch das HABM. Schließlich forderten sie das HABM auf, so lange keinen Vertrag mit den erfolgreichen Bietern zu schließen, bis sie die Antworten des HABM erhalten und geprüft hätten. 24 Mit Schreiben vom 26. August 2011 übermittelte das HABM den Klägerinnen einen Auszug des Bewertungsberichts, der die qualitative Bewertung ihres Angebots anhand von drei Kriterien enthielt, und zwar die Qualität der Softwarepflegedienstleistungen, der geschäftliche Teil und die Qualität des Kundendienstes. Des Weiteren übermittelte es ihnen die Namen der erfolgreichen Bieter und zwei Tabellen mit den Punkten, die die erfolgreichen Bieter und die Klägerin zu 1) für ihre technischen und finanziellen Angebote erhalten hatten. 25 Mit an die Kommission gerichtetem Schreiben vom 29. August 2011 beschwerten sich die Klägerinnen darüber, dass die Kommission die Gesichtspunkte, auf die sie sie in ihren Schreiben vom 4. März und 31. Mai 2011 hingewiesen hätten, immer noch nicht untersucht habe. Außerdem bestritten sie die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidung angesichts „neuer Unregelmäßigkeiten“, die im Laufe des Vergabeverfahrens AO/029/10 aufgetreten seien. So hätten die an zweiter und dritter Stelle gereihten erfolgreichen Bieter vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssen, da zum einen ein Interessenkonflikt bestanden habe und zum anderen das Konsortium des dritten Bieters einen Unternehmer umfasst habe, der für die Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagen verantwortlich gewesen sei. Daher ersuchten die Klägerinnen die Kommission, „das vom HABM durchgeführte Bewertungsverfahren betreffend die Ausschreibung AO/029/10“ zu untersuchen und „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dessen Übereinstimmung mit den anwendbaren Rechtsvorschriften der Europäischen Union sicherzustellen“. 26 Mit an das HABM gerichtetem Schreiben vom 2. September 2011 beschwerten sich die Klägerinnen darüber, dass die Informationen über die Ergebnisse des Ausschreibungsverfahrens unzureichend seien. Insbesondere seien diejenigen Teile des Berichts, die sich auf die Bewertung der Angebote der erfolgreichen Bieter bezögen, und die genaue Zusammensetzung der genannten Bieter nicht veröffentlicht worden. Außerdem machten sie geltend, das HABM habe die „Formel für die finanzielle Bewertung“ manipuliert, die es für die Bewertung der finanziellen Angebote verwendet habe, und wiederholten ihre in ihren vorhergehenden Schreiben aufgestellten Behauptungen. 27 In einem an die Klägerinnen gerichteten Schreiben vom 15. September 2011 nahm das HABM auf die Begründung im streitigen Schreiben und im Schreiben vom 26. August 2011 Bezug und beurteilte diese als ausreichend. Dennoch erklärte es sich bereit, zusätzliche Details zu den finanziellen Kriterien zu liefern, und übermittelte eine vergleichende Tabelle. Hinsichtlich der von ihm verwendeten „Formel für die finanzielle Bewertung“ wies es die Klägerinnen darauf hin, dass sich diese Formel auf eine Arbeitshypothese gegründet habe, deren Gewichtungsfaktoren von der Situation abhingen, die bei ihm zum Zeitpunkt der Ausarbeitung der Vergabekriterien vorgelegen habe. 28 Mit an das HABM gerichtetem Schreiben vom 16. September 2011 wiederholten die Klägerinnen ihre Kritikpunkte, stellten die Erläuterung in Frage, wonach die „Formel für die finanzielle Bewertung“ aufgrund einer Arbeitshypothese verwendet worden sei, griffen die Ergebnisse des Ausschreibungsverfahrens AO/029/10 an und forderten das HABM auf, seine Position zu überdenken. Verfahren und Anträge der Parteien 29 Mit Klageschrift, die am 21. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben. 30 Die Klägerinnen beantragen, — die mit dem streitigen Schreiben mitgeteilte Vergabeentscheidung insofern für nichtig zu erklären, als mit ihr das Angebot der Klägerin zu 1) abgelehnt wird; — alle damit verbundenen Entscheidungen des HABM einschließlich der Entscheidungen, die betreffenden Zuschläge dem ersten, dem zweiten und dem dritten Bieter in der Kaskade zu erteilen, für nichtig zu erklären; — das HABM zu verurteilen, den den Klägerinnen durch das fragliche Vergabeverfahren entstandenen Schaden in Höhe von 67500000 Euro zu ersetzen; — das HABM zu verurteilen, den den Klägerinnen durch den Verlust einer Chance und die Schädigung ihres guten Rufs und ihrer Glaubwürdigkeit entstandenen Schaden in Höhe von 6750000 Euro zu ersetzen; — dem HABM die Kosten aufzuerlegen. 31 Die Klägerinnen stützen ihre Anträge auf drei Klagegründe, die zum Teil in mehrere Rügen untergliedert sind. Mit dem ersten Klagegrund machen sie geltend, das HABM habe gegen seine Begründungspflicht nach Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung verstoßen, da es den Klägerinnen Informationen und Erläuterungen geliefert habe, die hinsichtlich der Überlegungen, die den öffentlichen Auftraggeber zum Erlass der Vergabeentscheidung bewegt hätten, unzureichend seien. Mit dem zweiten Klagegrund rügen sie mehrere offenkundige Beurteilungsfehler, die insbesondere die Verwendung neuer oder unbekannter Vergabekriterien, die den Ausschreibungsunterlagen widersprächen und nicht hinreichend erläutert worden seien (erster Teil), die Verwendung einer fehlerhaften Formel für die finanzielle Bewertung, die zu Verfälschungen geführt habe (zweiter Teil) und von den erfolgreichen Bietern manipuliert worden sei (dritter Teil), sowie die Änderung des Gegenstands des Auftrags (vierter Teil) beträfen. Mit dem dritten Klagegrund rügen sie einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – insbesondere weil die erfolgreichen Bieter, bei denen ein Interessenkonflikt vorgelegen habe, nicht ausgeschlossen worden seien –, gegen die Art. 93 Abs. 1 Buchst. f, 94 und 96 der Haushaltsordnung, gegen die Art. 133a und 134b der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 1) sowie gegen den Grundsatz der „ordnungsgemäßen Verwaltung“. 32 Mit besonderem Schriftsatz, der am 31. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das HABM gemäß Art. 114 der Verfahrensordnung des Gerichts gegenüber den Anträgen auf Nichtigerklärung und Schadensersatz die Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Klägerinnen haben ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 26. April 2012 eingereicht. 33 Das HABM beantragt in seiner Einrede der Unzulässigkeit, — die Anträge auf Nichtigerklärung und Schadensersatz als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen; — den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen. 34 In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit wiederholen die Klägerinnen ihre in der Klageschrift vorgebrachten Anträge und beantragen, die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Begründetheit der Klage zu prüfen. Rechtliche Würdigung A – Vorbemerkungen 35 Nach Art. 114 § 1 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Einrede der Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Art. 114 § 3 wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. 36 Nach Art. 114 § 4 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht über die Einrede der Unzulässigkeit oder behält die Entscheidung dem Endurteil vor. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, anhand des Akteninhalts über die Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden. Von der Anordnung einer mündlichen Verhandlung ist daher abzusehen. B – Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung 1. Vorbringen der Parteien 37 Im Rahmen seiner Einrede der Unzulässigkeit bringt das HABM drei Gründe für eine Unzulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung vor. Erstens sei die Klage verfrüht erhoben worden. Bevor der Unionsrichter angerufen werden könne, müsse das Verwaltungsverfahren bei der Kommission gemäß Art. 122 Abs. 3 der Markenverordnung Nr. 207/2009 durchgeführt werden. Da im vorliegenden Fall die Klage vor Ablauf der in Art. 122 festgelegten Frist erhoben worden sei, sei sie verfrüht und daher unzulässig. Das würde auch gelten, wenn die verwaltungsmäßige Kontrolle durch die Kommission als fakultativ angesehen würde, da die Klägerinnen im vorliegenden Fall tatsächlich eine Beschwerde nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eingelegt hätten. Zweitens vertritt das HABM hilfsweise die Ansicht, dass es nicht passivlegitimiert sei, da nach dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 die Klage gegen die Kommission hätte erhoben werden müssen. Drittens macht das HABM äußerst hilfsweise geltend, dass das Gericht für die Klage nicht zuständig sei. Selbst unter der Annahme, dass die Aufsicht, die von der Kommission nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 durchgeführt werden müsse, nur fakultativ sei, seien die Beschwerde bei der Kommission und die Klage beim Gericht auf denselben Sachverhalt gestützt und verfolgten dieselben Ziele, so dass die Beschwerde, die vorher eingelegt worden sei, der Klage vorgehe. Daher müsse die Klage aus zeitlichen Gründen für unzulässig erklärt werden. 38 Einleitend macht das HABM geltend, dass Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 im Licht von Art. 263 Abs. 2 AEUV ausgelegt werden müsse. Nach den relevanten Haushaltsbestimmungen sei die angefochtene Vergabeentscheidung eine Handlung des Präsidenten des HABM. Im vorliegenden Fall habe dieser seine Verwaltungsbefugnis an den Vizepräsidenten des HABM, Herrn Archambeau, übertragen, der die Vergabeentscheidung unterzeichnet habe. Außerdem müsse die Verweisung in Punkt VI.4.1 der Bekanntmachung auf Art. 118 der Verordnung Nr. 40/94 als eine Verweisung auf Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 verstanden werden. 39 Hinsichtlich des ersten Unzulässigkeitsgrundes, mit dem geltend gemacht wird, die Anträge auf Nichtigerklärung seien verfrüht, trägt das HABM erstens vor, dass die Durchführung des Verwaltungsverfahrens bei der Kommission nach Art. 122 Abs. 3 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eine zwingende Vorbedingung für die Erhebung einer Klage sei. Daher müsse diese Klage, um zulässig zu sein, nach dem Ende dieses Verwaltungsverfahrens erhoben werden. Das HABM bringt zweitens vor, dass selbst unter der Annahme, dass das Verwaltungsverfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 fakultativ sei, die Klage dennoch verfrüht sei, da die Klägerinnen das Verwaltungsverfahren nach dieser Bestimmung bewusst in Gang gesetzt hätten. 40 Das HABM weist darauf hin, dass die Klägerinnen am 29. August 2011 bei der Kommission eine Beschwerde gegen die am Ende des Vergabeverfahrens AO/029/10 ergangene Vergabeentscheidung eingelegt hätten und dass die Kommission gemäß Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 bis zum 29. November 2011 eine Entscheidung hierzu hätte erlassen können. Das Fehlen einer förmlichen Entscheidung der Kommission habe nach Art. 122 Abs. 3 der genannten Verordnung als Zurückweisung der Beschwerde gegolten (Beschlüsse des Gerichts vom 9. Juli 2009, infeurope/Kommission, T‑176/08 und T‑188/08, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 38 und 39 bzw. 34 und 35), so dass die Frist nach Art. 263 Abs. 6 AEUV für eine Klage gegen diese stillschweigende Zurückweisung der Beschwerde am 29. November 2011 zu laufen begonnen habe. 41 Das HABM vertritt die Ansicht, dass Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 auch im Licht von Art. 263 Abs. 5 AEUV ausgelegt werden müsse, der für die Einrichtungen der Union eine Ausnahme bezüglich der unmittelbaren Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen durch die Unionsgerichte vorsehe. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts müssten die besonderen Bedingungen im Sinne von Art. 263 Abs. 5 AEUV dahin verstanden werden, dass sie Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit erfassten, die hinsichtlich ihrer für die Erhebung einer Klage bei den Unionsgerichten vorgesehenen Abschnitte zwingend oder fakultativ seien. Wenn diese besonderen Bedingungen, wie die in Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 vorgesehenen, zwingend seien, müssten sie vom Rechtssuchenden eingehalten werden, bevor dieser eine solche Klage erhebe. 42 Nach Ansicht des HABM ist das Verwaltungsverfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 zwingend, so dass kein Gerichtsverfahren eingeleitet werden könne, solange dieses erste Verfahren laufe. Diese zwingende Natur sei durch die Grundsätze der Verfahrensökonomie und des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gerechtfertigt, die verlangten, dass die Kommission innerhalb einer kurzen Frist und ohne Kosten für die Parteien „entschlossen“ vorgehe. Das Gericht habe zum einen anerkannt, dass die verwaltungsmäßige Kontrolle durch die Kommission im Sinne dieser Bestimmung eine Vorbedingung für die Erhebung einer Klage beim Unionsrichter sei (vgl. Beschlüsse infeurope/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 38 bzw. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zum anderen, dass die genannte Bestimmung einen Mechanismus zur Überwachung der Rechtmäßigkeit derjenigen Handlungen des Präsidenten des HABM – insbesondere im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge – schaffe, für die im Unionsrecht keine Rechtsaufsicht durch ein anderes Organ vorgesehen sei (vgl. Beschlüsse infeurope/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 37 bzw. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das HABM macht im Wesentlichen geltend, es sei irrelevant, dass diese Rechtsprechung aus einer Zeit stamme, zu der Art. 230 EG noch in Kraft gewesen sei, der keinen besonderen Bezug auf Klagen auf Nichtigerklärung von Entscheidungen von Einrichtungen nehme, deren Zulässigkeit gerade von der in Art. 263 AEUV kodifizierten Rechtsprechung anerkannt worden sei. 43 Aus den vorstehenden Erwägungen zieht das HABM den Schluss, dass die nach Art. 263 AEUV erhobene Nichtigkeitsklage unzulässig sei, da sie eine Umgehung der in Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 festgesetzten besonderen und zwingenden Bedingungen bedeute, die ausdrücklich in Punkt VI.4.2 der Bekanntmachung erwähnt worden seien und von denen die Klägerinnen Gebrauch gemacht hätten, indem sie ihre Beschwerde vom 29. August 2011 eingereicht hätten. Die vorliegende Klage sei nämlich am 21. Oktober 2011 erhoben worden, d. h. vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens bei der Kommission, das bis zum 29. November 2011 hätte dauern können. 44 Selbst wenn das Verwaltungsverfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 als fakultativ eingestuft werden müsste, was nicht der Fall sei, wären die Anträge auf Nichtigerklärung dennoch unzulässig, da sie verfrüht erhoben worden seien. Im vorliegenden Fall sei nämlich die angeblich fakultative Natur irrelevant, da sich die Klägerinnen bewusst dazu entschieden hätten, diesen Rechtsbehelf zu nutzen und außerdem nicht die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung der Kommission abzuwarten, bevor sie ihre Klage erhoben hätten. Folglich seien die Anträge auf Nichtigerklärung unabhängig davon, ob die Verwaltungskontrolle durch die Kommission zwingend oder fakultativ sei, unzulässig, da in beiden Fällen die Klage vor dem Ende des zu diesem Zweck vorgesehenen Verwaltungsverfahrens erhoben worden sei. 45 Hinsichtlich des zweiten Unzulässigkeitsgrundes, mit dem das HABM geltend macht, es sei nicht passivlegitimiert, weist es darauf hin, dass die Klägerinnen nach der Rechtsprechung des Gerichts (vgl. Beschlüsse infeurope/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 39 bzw. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung) eine Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV gegen die stillschweigende Zurückweisung der Beschwerde durch die Kommission hätten erheben müssen und nicht gegen die Vergabeentscheidung des HABM, so dass die Anträge auf Nichtigkeitserklärung auf jeden Fall für unzulässig erklärt werden müssten. 46 Hinsichtlich des dritten Unzulässigkeitsgrundes, mit dem das HABM die Unzuständigkeit des Gerichts rügt, trägt es im Wesentlichen vor, dass sich die verwaltungsmäßige Kontrolle der Rechtmäßigkeit durch die Kommission nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 auf denselben Sachverhalt stütze, wie er den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens vor dem Gericht nach Art. 263 AEUV bilde, und dieselben Ziele wie dieses gerichtliche Verfahren verfolge. Außerdem habe das Gericht entschieden, dass der Unionsgesetzgeber das Verwaltungsverfahren nach Art. 122 dieser Verordnung nicht so konzipiert habe, dass es dem Einzelnen zum Schutz seiner Interessen einen im Verhältnis zu den Klagen bei den Unionsgerichten alternativen Rechtsbehelf eröffne (vgl. Beschlüsse infeurope/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 38 bzw. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). 47 Das HABM schließt daraus, dass das in Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 vorgesehene Verfahren, auch wenn es nicht zwingender Natur sei, das Verfahren vor den Unionsgerichten „ersetze“. Anders als beim Verfahren vor dem Europäischen Bürgerbeauftragten stehe es dem Rechtsuchenden nämlich frei, von den beiden verfügbaren Rechtsbehelfen jenen zu wählen, der am besten seinen Interessen diene. Wenn jedoch einer dieser beiden Rechtsbehelfe mit dem Erlass einer Entscheidung ende, sei der zweite ausgeschlossen. Da die Klägerinnen im vorliegenden Fall eine Beschwerde bei der Kommission nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eingelegt hätten, bevor sie die Klage nach Art. 263 AEUV erhoben hätten, stehe der letztgenannte Rechtsbehelf nicht mehr zur Verfügung und sei für unzulässig zu erklären, weil das Gericht aus zeitlichen Gründen dafür nicht zuständig sei. 48 Die Klägerinnen beantragen, die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen. Sie stellen zum einen die Anwendbarkeit von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 auf den vorliegenden Fall in Abrede und zum anderen die Vorzeitigkeit ihrer Klage, die zwingende Natur eines Vorverfahrens bei der Kommission, die mangelnde Legitimation des HABM sowie die Unzuständigkeit des Gerichts. 2. Zur Zuständigkeit des Unionsrichters für Klagen gegen Handlungen des HABM 49 Das Gericht hält es für angebracht, zuerst den dritten Unzulässigkeitsgrund zu prüfen, d. h. die Frage, ob – unabhängig von der Bedeutung der Bestimmungen von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 – der Unionsrichter für Klagen gegen die Handlungen des HABM zuständig ist. 50 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV, wie er durch den Vertrag von Lissabon eingeführt worden und am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, eine neue Bestimmung des Primärrechts festschreibt, wonach der Unionsrichter „ebenfalls die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union mit Rechtswirkung gegenüber Dritten [überwacht]“. Diese Bestimmung soll eine bedeutende Lücke in der vorigen Fassung dieses Artikels, d. h. Art. 230 Abs. 1 EG, und folglich im kodifizierten System der Rechtsbehelfe des Vertrags schließen, indem sie ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, neben den Handlungen der Organe der Europäischen Union im Sinne von Art. 13 EUV auch die rechtsverbindlichen Handlungen ihrer Einrichtungen oder sonstigen Stellen mit einer Klage beim Unionsrichter anzugreifen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Sogelma/AER, T-411/06, Slg. 2008, II-2771, Randnrn. 33 ff. insbesondere Randnr. 36, das auf das Urteil des Gerichtshofs vom 23. April 1986, Les Verts/Parlament, 294/83, Slg. 1986, 1339, Bezug nimmt). 51 Nach Art. 115 Abs. 1 der Markenverordnung Nr. 207/2009 ist das HABM eine Einrichtung der Union im Sinne von Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV. 52 Daher ist das Gericht für Klagen gegen Handlungen des HABM zuständig, darunter Handlungen seines Präsidenten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, die Rechtswirkung gegenüber Dritten haben. 3. Zur Bedeutung von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 53 In einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob und gegebenenfalls inwieweit diese gerichtliche Zuständigkeit durch Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 beschränkt oder abgeändert wird. 54 Hierzu ist festzustellen, dass Art. 122 („Rechtsaufsicht“) der genannten Verordnung bestimmt, dass „[d]ie Kommission … die Rechtmäßigkeit derjenigen Handlungen des Präsidenten des [HABM überwacht], über die im Gemeinschaftsrecht keine Rechtsaufsicht durch ein anderes Organ vorgesehen ist …“. Somit ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausdrücklich durch das Fehlen einer Überwachung der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Präsidenten des HABM durch ein anderes Organ bedingt. Das Gericht als Rechtsprechungsorgan des Gerichtshofs nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 EUV stellt aber ein solches „anderes Organ“ dar, da es gemäß Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV eine solche Rechtsaufsicht durchführt. 55 Daraus folgt, dass der vorliegende Fall entgegen dem Vorbringen des HABM nicht in den Anwendungsbereich von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 fällt und daher insbesondere Art. 122 Abs. 3 Satz 2, wonach „[d]ie Kommission … innerhalb eines Monats nach dem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte von der betreffenden Handlung erstmals Kenntnis erlangt hat, damit befasst werden [muss]“, nicht anwendbar ist. Folglich kann das HABM nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Befassung der Kommission mit einer Beschwerde gegen eine Handlung des Präsidenten des HABM, die Durchführung eines entsprechenden Verwaltungsverfahrens oder eine etwaige ausdrückliche oder stillschweigende Entscheidung der Kommission über die Beschwerde in irgendeiner Weise eine zwingende Vorbedingung oder gar eine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer nach Art. 263 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 AEUV beim Unionsrichter erhobenen Klage gegen eine solche Handlung sei. 56 Diese Feststellung wird durch eine teleologische Auslegung von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 bestätigt. Als der Wortlaut der primärrechtlichen Vorschriften über das gerichtliche Rechtsschutzsystem des Vertrags noch die oben in Randnr. 50 erwähnte Lücke aufwies, entsprach die Übertragung einer Aufgabe der Rechtsaufsicht wie der in Art. 122 vorgesehenen auf die Kommission der vom Unionsgesetzgeber erkannten Notwendigkeit, eine Entscheidung der Kommission zu veranlassen, damit die Handlungen von Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union zumindest indirekt mit einer Klage beim Unionsrichter angreifbar waren. So bestätigt die Formulierung „Handlungen …, über die im Gemeinschaftsrecht keine Rechtsaufsicht durch ein anderes Organ vorgesehen ist“, dass es darum ging, der Kommission eine residuale und subsidiäre Überwachungsbefugnis einzuräumen, um den Zugang zum Unionsrichter zumindest mittels einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Entscheidung der Kommission im Sinne von Art. 122 Abs. 3 Sätze 3 und 4 der Markenverordnung Nr. 207/2009 zu gewährleisten. Dieses Ziel hat jedoch spätestens seit dem Inkrafttreten von Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV seine Daseinsberechtigung verloren und kann keine angeblich zwingende Natur des Verfahrens nach Art. 122 der genannten Verordnung als ein der Anrufung des Unionsrichters vorgeschalteter Abschnitt rechtfertigen. 57 Das HABM stützt seine Einrede der Unzulässigkeit jedoch darauf, dass Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon auch im Licht von Art. 263 Abs. 5 AEUV ausgelegt werden müsse, wonach „[i]n den Rechtsakten zur Gründung von Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union … besondere Bedingungen und Einzelheiten für die Erhebung von Klagen von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen dieser Einrichtungen und sonstigen Stellen vorgesehen werden [können], die eine Rechtswirkung gegenüber diesen Personen haben“. 58 Im vorliegenden Fall ist aber Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 aus den oben in Randnr. 55 dargestellten Gründen unanwendbar, so dass die darin vorgesehenen Kriterien nicht als „besondere Bedingungen und Einzelheiten“ im Sinne von Art. 263 Abs. 5 AEUV eingestuft werden können. 59 Auf jeden Fall ist Art. 263 Abs. 5 AEUV nicht geeignet, die gerichtliche Zuständigkeit des Gerichts in Frage zu stellen, die in Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV festgeschrieben ist (siehe oben, Randnrn. 49 und 52). Jede gegenteilige Auslegung könnte nämlich die den Art. 13 EUV und 19 EUV zugrunde liegende klare Trennung zwischen der Legislative und der Exekutive auf der einen Seite und der Judikative auf der anderen Seite sowie die allein dem Unionsrichter übertragene Pflicht beeinträchtigen, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge“ zu sichern, wie dies in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV verlangt wird. Dies gilt umso mehr, als der Wortlaut von Art. 122 Abs. 2 der Markenverordnung Nr. 207/2009, wonach die Kommission „die Änderung oder Aufhebung von Handlungen nach Absatz 1, die das Recht verletzen, [verlangt]“, eine Feststellung der Rechtswidrigkeit durch dieses Organ und folglich eine echte Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Präsidenten des HABM voraussetzt, wie sie ein Richter vornimmt. Ebenso zeigt Art. 122 Abs. 3 Satz 1, wonach „[j]ede … Handlung … von jedem Mitgliedstaat oder jeder dritten Person, die hiervon unmittelbar und individuell betroffen ist, zur Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit vor die Kommission gebracht werden [kann]“, dass der Unionsgesetzgeber geplant hatte, der Kommission eine Aufsichtsbefugnis zu übertragen, die der Aufgabe des Richters nach Art. 230 Abs. 2 und 4 EG ähnelt. Auch wenn zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 aus Sicht des Unionsgesetzgebers eine solche auf die Kommission übertragene Befugnis zur Rechtsaufsicht noch bezwecken konnte, eine etwaige Lücke im gerichtlichen Rechtsschutzsystem des Vertrags zu schließen, hat die genannte Befugnis ihre Daseinsberechtigung aber auf jeden Fall mit dem Inkrafttreten von Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV verloren (siehe oben, Randnr. 56). 60 Außerdem geht aus den vorstehenden Erwägungen hervor, dass Art. 263 Abs. 5 AEUV nicht auf einen Fall wie den nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 abzielt, der eine Befugnis zur Überwachung der Rechtmäßigkeit der Handlungen einer Einrichtung oder sonstigen Stelle der Union einer externen Einrichtung einräumt. Vielmehr sind die Kriterien „besondere Bedingungen und Einzelheiten“ im Sinne von Art. 263 Abs. 5 AEUV dahin auszulegen, dass sie sich auf die Festlegung rein interner Bedingungen und Einzelheiten durch die genannte Einrichtung oder sonstige Stelle beziehen, die der Erhebung einer Klage vorgeschaltet sind und insbesondere die Funktionsweise eines Mechanismus der Selbstüberwachung oder den Ablauf eines Verfahrens zur gütlichen Einigung regeln, um ein Verfahren vor den Unionsgerichten vorzubereiten oder zu vermeiden. So sehen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens die Art. 33 und 34 des Beschlusses 2007/497/EG der Europäischen Zentralbank vom 3. Juli 2007 über die Festlegung der Vergaberegeln (ABl. L 184, S. 34) eine interne, vorgeschaltete Beschwerde bei einer Nachprüfungsstelle der EZB für Vergabeverfahren (Procurement Review Body) vor, wobei die ausschließliche und autonome Zuständigkeit des Gerichtshofs für Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Zentralbank (EZB) und einem Bieter anerkannt wird. 61 Soweit schließlich das HABM seine Unzulässigkeitseinrede auf die Beschlüsse infeurope/Kommission (oben in Randnr. 40 angeführt, Randnrn. 37 und 38 bzw. 33 und 34) stützt, in denen im Wesentlichen entschieden wurde, dass die Tatsache, dass Art. 118 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 122 Abs. 3 der Markenverordnung Nr. 207/2009) eine Frist für die Befassung der Kommission mit einem Verwaltungsrechtsbehelf vorsieht, die zwingende Natur eines solchen, der Erhebung einer Klage beim Unionsrichter nach Art. 230 EG vorgeschalteten Verwaltungsverfahrens belegt, genügt die Feststellung, dass diese frühere Rechtsprechung mit dem Inkrafttreten von Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV obsolet geworden ist (siehe oben, Randnrn. 49 und 52). 62 Unter diesen Umständen ist auch das Hauptargument des HABM zurückzuweisen, wonach die Durchführung des Verwaltungsverfahrens nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eine zwingende Vorbedingung für die Erhebung einer Klage beim Gericht und folglich eine Zulässigkeitsvoraussetzung für diese Klage darstelle. 4. Zur Relevanz der Tatsache, dass die Klägerinnen das Verfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 angestrengt haben 63 Das HABM trägt im Wesentlichen vor, die Klägerinnen hätten, da sie bewusst das Verwaltungsverfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 angestrengt hätten, indem sie mit ihrem Schreiben vom 29. August 2011 eine Beschwerde bei der Kommission eingelegt hätten, das Ergebnis dieses Verfahrens abwarten müssen, bevor sie eine Klage hätten erheben können, die zudem gegen die abschließende Entscheidung der Kommission gerichtet hätte sein müssen. Die Klägerinnen bestreiten hingegen, eine solche Beschwerde nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 eingelegt zu haben. 64 Im vorliegenden Fall braucht die Frage, ob das Schreiben der Klägerinnen vom 29. August 2011 eine Beschwerde im Sinne von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 darstellte, nicht entschieden zu werden. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, geht aus den Ausführungen oben in den Randnrn. 49 bis 62 hervor, dass die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens bei der Kommission nicht dazu führen kann, dass die Klägerinnen daran gehindert sind, innerhalb der in Art. 263 Abs. 6 AEUV festgelegten Fristen eine Klage gegen die durch das streitige Schreiben mitgeteilte Vergabeentscheidung zu erheben. Abgesehen von der Berufung auf den Wortlaut von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009, der im vorliegenden Fall unanwendbar ist (siehe oben, Randnr. 55), und die obsolete Rechtsprechung der Beschlüsse infeurope/Kommission (oben in Randnr. 40 angeführt) nennt das HABM nämlich keine Rechtsgrundlage für eine solche Beschränkung des Rechts der Klägerinnen auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2010, C 83, S. 389). Angesichts der Ausführungen oben in den Randnrn. 49 bis 62 hätten sich die Klägerinnen vielmehr einer erheblichen Gefahr des Ausschlusses eines solchen Rechtsbehelfs gegen diese Entscheidung des HABM ausgesetzt, wenn sie sich darauf beschränkt hätten, ihren Widerspruch vor der Kommission zu verfolgen. 65 Folglich kann die bloße Tatsache, dass die Klägerinnen in ihrem Schreiben vom 29. August 2011 versucht haben, auf die Bearbeitung ihrer Beschwerde vom 4. März 2011 durch die Kommission zu drängen, nicht dazu führen, dass die Anträge auf Nichtigerklärung, die sie beim Gericht gemäß Art. 263 AEUV gestellt haben, unzulässig sind. 5. Folgen für die Beurteilung der geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe 66 Angesichts der Ausführungen oben in den Randnrn. 49 bis 62 stellt das Gericht fest, dass die Klage der Klägerinnen, soweit sie Anträge auf Nichtigerklärung enthält, weder verfrüht noch unzulässig war und dass der erste Unzulässigkeitsgrund zurückzuweisen ist. Gleiches gilt für den zweiten und den dritten Unzulässigkeitsgrund, da sich die Zuständigkeit des Gerichts in sachlicher wie in zeitlicher Hinsicht unmittelbar aus Art. 263 Abs. 1 Satz 2 AEUV ergibt und nicht bloß indirekt aus Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009, der wegen seiner Unanwendbarkeit nicht geeignet ist, die genannte Zuständigkeit zu beschränken. Daraus ergibt sich auch, dass das HABM im vorliegenden Rechtsstreit passivlegitimiert ist und die Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung nicht von einem vorgeschalteten Verwaltungsrechtsbehelf bei der Kommission nach Art. 122 der genannten Verordnung abhängt. 67 Folglich ist die Einrede der Unzulässigkeit insoweit zurückzuweisen, als sie auf die Anträge auf Nichtigerklärung gerichtet ist. C – Zur Zulässigkeit der Anträge auf Schadensersatz 68 Das HABM geht davon aus, dass aufgrund der Unzulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung auch die Anträge auf Schadensersatz für unzulässig erklärt werden müssten. Hilfsweise beantragt das HABM, dass die Anträge auf Schadensersatz wegen Verkennung der Erfordernisse von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung nach Art. 111 der Verfahrensordnung für unzulässig oder offensichtlich jeder rechtlichen Grundlage entbehrend erklärt werden. Da in der Klageschrift nicht einmal kurz die Klagegründe oder die rechtlichen Gesichtspunkte, auf die die Anträge auf Schadensersatz gestützt seien, beschrieben würden, erfülle sie nämlich nicht das Erfordernis, wonach sie hinreichend genau die Art und den Umfang des Schadens angeben müsse. Insbesondere hätten die Klägerinnen im Rahmen der Klageschrift keinen Beweis für das behauptete rechtswidrige Verhalten erbracht und nicht hinreichend genau den Zusammenhang zwischen dem genannten Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden erläutert. 69 Die Klägerinnen widersprechen der Auffassung, dass ihre Anträge auf Schadensersatz unzulässig seien. 70 Erstens genügt es, festzustellen, dass angesichts der Ausführungen oben in den Randnrn. 49 bis 68 das Hauptargument des HABM, wonach sich die Unzulässigkeit der Anträge auf Schadensersatz unmittelbar aus der Unzulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung ergebe, zurückzuweisen ist. 71 Zweitens ist hinsichtlich des hilfsweise angeführten Arguments, die Erfordernisse von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung würden verkannt, darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen hinreichend klar und genau sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage daher erforderlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Insbesondere genügt eine Klage auf Ersatz von Schäden, die ein Unionsorgan verursacht haben soll, diesen Erfordernissen nur, wenn sie Angaben enthält, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angibt, aus denen nach Auffassung des Klägers ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnet (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat, T-16/04, Slg. 2010, II-211, Randnr. 132 und die dort angeführte Rechtsprechung). 72 Im vorliegenden Fall kann das HABM aber nicht geltend machen, die Klägerinnen hätten diese Formerfordernisse in ihrer Klageschrift verkannt, da diese genug Informationen enthält, anhand deren sich das dem HABM vorgeworfene angeblich rechtswidrige Verhalten, die Gründe, aus denen nach Auffassung der Klägerinnen ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und den geltend gemachten Schäden besteht, sowie Art und Umfang dieser Schäden bestimmen lassen. Ohne die Beurteilung der Begründetheit der Anträge auf Schadensersatz vorwegzunehmen, ist nämlich festzustellen, dass die Klägerinnen diese verschiedenen Informationen ausführlich in den Randnrn. 126 bis 155 ihrer Klageschrift unter einem eigenen Titel („Schadensersatz“) darstellen, indem sie sich auf die im Zusammenhang mit ihren Anträgen auf Nichtigerklärung angeführten Rechtswidrigkeitsgründe stützen (Randnrn. 126, 133 bis 136 und 140), das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs erörtern (Randnr. 137) und Art und Umfang des behaupteten Schadens, der sich aus rechtswidrigen Verhaltensweisen ergebe, näher ausführen (Randnrn. 139 und 141 bis 148 betreffend den Verlust des Auftrags und Randnrn. 150 bis 155). Folglich geht es im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des HABM für das Gericht nicht darum, aus den verschiedenen zur Begründung der Anträge auf Nichtigerklärung erhobenen Rügen diejenige oder diejenigen herauszusuchen, die die Klägerinnen als Grundlage für die Anträge auf Schadensersatz heranziehen möchten, oder gar darum, einen eventuell vorhandenen Kausalzusammenhang zwischen dem gerügten Verhalten und den angeblichen Schäden zu ermitteln und zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 11. Januar 2012, Ben Ali/Rat, T‑301/11, Randnrn. 72 ff.), was eine Zurückweisung der genannten Anträge auf Schadensersatz als unzulässig nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung rechtfertigen könnte. 73 Drittens hat das HABM die Gründe, aus denen es annimmt, dass die Anträge auf Schadensersatz offensichtlich unbegründet nach Art. 111 der Verfahrensordnung seien, nicht genauer angegeben, so dass auch dieses Vorbringen zurückgewiesen werden muss. Da sich das HABM in diesem Punkt nicht verteidigt hat, auch nicht hinsichtlich seines angeblich rechtswidrigen Verhaltens, ist das Gericht zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, endgültig über die Begründetheit der verschiedenen von den Klägerinnen vorgebrachten Rechtswidrigkeitsgründe zu entscheiden (siehe oben, Randnr. 31). 74 Daher sind die vom HABM hinsichtlich der Anträge auf Schadensersatz geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe insgesamt zurückzuweisen. 75 Nach alledem sind die Anträge auf Nichtigerklärung und auf Schadensersatz zulässig und ist die vom HABM erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen. Kosten 76 Die Kostenentscheidung ist vorzubehalten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Erste Kammer) beschlossen: Luxemburg, den 12. September 2013 1. Die Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen. 2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten. Luxemburg, den 12. September 2013 Der Kanzler E. Coulon Der Präsident J. Azizi Inhaltsverzeichnis Rechtlicher Rahmen A – Allgemeine Bestimmungen B – Verordnung CB‑3‑09 des HABM Vorgeschichte des Rechtsstreits Verfahren und Anträge der Parteien Rechtliche Würdigung A – Vorbemerkungen B – Zur Zulässigkeit der Anträge auf Nichtigerklärung 1. Vorbringen der Parteien 2. Zur Zuständigkeit des Unionsrichters für Klagen gegen Handlungen des HABM 3. Zur Bedeutung von Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 4. Zur Relevanz der Tatsache, dass die Klägerinnen das Verfahren nach Art. 122 der Markenverordnung Nr. 207/2009 angestrengt haben 5. Folgen für die Beurteilung der geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe C – Zur Zulässigkeit der Anträge auf Schadensersatz Kosten (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichtshofes (Siebte Kammer) vom 10. Oktober 2013. # Europäische Kommission gegen Italienische Republik. # Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Staatliche Beihilfen - Beihilfe zugunsten der Ixfin SpA - Rechtswidrige und mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe - Rückforderung - Nichtdurchführung. # Rechtssache C-353/12.
62012CJ0353
ECLI:EU:C:2013:651
2013-10-10T00:00:00
Sharpston, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62012CJ0353 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012CJ0353 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012CJ0353 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 13. September 2013. # Berliner Institut für Vergleichende Sozialforschung eV gegen Europäische Kommission. # Finanzielle Beteiligung im Rahmen des Daphne-II-Programms - Bestimmung des endgültigen Betrags der Finanzhilfe - Lastschriftanzeige - Anfechtbare Handlung - Begründungspflicht - Faires Verfahren - Beurteilungsfehler. # Rechtssache T-73/08.
62008TJ0073
ECLI:EU:T:2013:433
2013-09-13T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62008TJ0073 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62008TJ0073 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62008TJ0073 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 17. Juli 2013. # Mario Borghezio gegen Europäisches Parlament. # Rechtssache T-336/13 R.
62013TO0336
ECLI:EU:T:2013:385
2013-07-17T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62013TO0336 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62013TO0336 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62013TO0336 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 13. Juni 2013. # Promociones y Construcciones BJ 200 SL. # Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de lo Mercantil nº 1 de Granada - Spanien. # Mehrwertsteuer - Richtlinie 2006/112/EG - Art. 199 Abs. 1 Buchst. g - Freiwilliges Insolvenzverfahren - Steuerschuldner - Empfänger bestimmter Umsätze als Steuerpflichtiger - Begriff ‚Zwangsversteigerungsverfahren‘. # Rechtssache C-125/12.
62012CJ0125
ECLI:EU:C:2013:392
2013-06-13T00:00:00
Wathelet, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer) 13. Juni 2013 (*1) „Mehrwertsteuer — Richtlinie 2006/112/EG — Art. 199 Abs. 1 Buchst. g — Freiwilliges Insolvenzverfahren — Steuerschuldner — Empfänger bestimmter Umsätze als Steuerpflichtiger — Begriff ‚Zwangsversteigerungsverfahren‘“ In der Rechtssache C-125/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil No 1 de Granada (Spanien) mit Entscheidung vom 24. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2012, in dem Verfahren Promociones y Construcciones BJ 200 SL erlässt DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits, Generalanwalt: M. Wathelet, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Promociones y Construcciones BJ 200 SL, vertreten durch B. S. Sánchez Pozo, procuradora, im Beistand von E. Osuna Martínez, abogado, — von Herrn I. Alba Muñoz, abogado, als Insolvenzverwalter der Promociones y Construcciones BJ 200 SL, — der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, — der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines freiwilligen Insolvenzverfahrens der Promociones y Construcciones BJ 200 SL (im Folgenden: Promociones y Construcciones), in dessen Verlauf der Verkauf zweier dieser Gesellschaft gehörender Grundstücke zu einer Mehrwertbesteuerung führte. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Der 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112 lautet: „Die Mitgliedstaaten sollten in die Lage versetzt werden, in bestimmten Fällen den Erwerber von Gegenständen oder den Dienstleistungsempfänger als Steuerschuldner zu bestimmen. Dies würde es den Mitgliedstaaten erlauben, die Vorschriften zu vereinfachen und die Steuerhinterziehung und -umgehung in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von Umsätzen zu bekämpfen.“ 4 Nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den ein Umsatz bewirkt wird, der in der Lieferung von Grundstücken besteht, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden. Spanisches Recht 5 In Art. 84 Abs. 1 des Gesetzes 37/1992 vom 28. Dezember 1992 über die Mehrwertsteuer (Ley 37/1992 del Impuesto sobre el Valor Añadido, BOE Nr. 312 vom 29. Dezember 1992, S. 44247) in der durch das Gesetz 38/2011 vom 10. Oktober 2011 zur Änderung des Gesetzes 22/2003 vom 9. Juli 2003 über das Insolvenzverfahren (Ley 38/2011 de reforma de la Ley 22/2003, de 9 de julio 2003, Concursal, BOE Nr. 245 vom 11. Oktober 2011, S. 106745) geänderten Fassung heißt es: „Steuerpflichtig sind 1.   natürliche oder juristische Personen, die Unternehmer oder Freiberufler sind und Gegenstände liefern oder Dienstleistungen erbringen, die der Steuer unterliegen, unbeschadet der in den folgenden Nummern getroffenen Bestimmungen; 2.   Unternehmer oder Freiberufler, für die die steuerpflichtigen Umsätze erbracht werden, in den folgenden Fällen: … e) bei der Lieferung von Grundstücken im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. …“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 6 Mit Beschluss vom 22. Februar 2010 wurde Promociones y Construcciones für insolvent erklärt und über ihr Vermögen das freiwillige Insolvenzverfahren („proceso concursal voluntario“) eröffnet. 7 Im Rahmen des allgemeinen Abschnitts dieses Verfahrens erstattete der Insolvenzverwalter dem vorlegenden Gericht und den Gläubigern über die Aktiva und Passiva von Promociones y Construcciones Bericht. 8 Sodann bot sich die Gelegenheit zum Verkauf zweier dieser Gesellschaft gehörender Grundstücke. Am 31. Januar 2012 beantragte die Gesellschaft aufgrund einer befürwortenden Stellungnahme des Insolvenzverwalters und mit Zustimmung der Käuferin, der Banesto SA, gemäß dem Gesetz 22/2003 vom 9. Juli 2003 über das Insolvenzverfahren (Ley 22/2003, Concursal, BOE Nr. 164 vom 10. Juli 2003, S. 26905) die Genehmigung zur Durchführung dieses Verkaufs. 9 Mit rechtskräftigem, nicht angefochtenem Beschluss vom 1. Februar 2012 hat der Juzgado de lo Mercantil No 1 de Granada festgestellt, dass dieser Verkauf zweckmäßig sei und im Interesse des Insolvenzverfahrens liege, und ihn infolgedessen genehmigt. 10 Mit der Genehmigung des Kaufvertrags, der zur wirtschaftlichen Tätigkeit von Promociones y Construcciones gehört, ist der Steuertatbestand der Mehrwertsteuer eingetreten und folglich die Verpflichtung entstanden, die entsprechende Mehrwertsteuer an die Agencia Estatal de Administración Tributaria (Staatliches Amt für Steuerverwaltung) abzuführen. 11 Das vorlegende Gericht ist im Zweifel, wem diese steuerliche Verpflichtung obliegt, d. h. Promociones y Construcciones oder der Erwerberin der Grundstücke. Seiner Ansicht nach ist dies für die genaue Festlegung der Bedingungen, nach denen der genehmigte Verkauf durchzuführen ist, von Bedeutung. 12 Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Mercantil No 1 de Granada beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112, der bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … vorsehen [können], dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden: … g) Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden“, bei einem gerichtlichen Insolvenzverfahren, das eröffnet wird, nachdem die Insolvenz des Schuldners festgestellt wurde, dahin auszulegen, dass er sich nur auf Lieferungen bezieht, die aufgrund der auf die Liquidation gerichteten Natur des Verfahrens oder des Liquidationsabschnitts, in dem sich das Verfahren befindet, erfolgen, so dass die Veräußerung der Grundstücke im Rahmen der abschließenden Liquidation seines Vermögens stattfinden muss, oder bezieht er sich, wenn neben der Liquidation des insolventen Unternehmens auch andere Möglichkeiten zum Abschluss des Verfahrens in Betracht kommen, auch auf Lieferungen von Grundstücken durch den insolventen Schuldner während eines Insolvenzverfahrens? 2. Ist Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass das „Zwangsversteigerungsverfahren“, auf das er Bezug nimmt, ein kollektives gerichtliches Insolvenzverfahren umfasst, in dem außerhalb einer vorgeschriebenen Phase der Liquidation des Vermögens und allein aus Gründen der Opportunität ein freiwilliger Verkauf von Vermögensgegenständen vorgenommen wurde, oder bezieht er sich nur auf gerichtliche Zwangsversteigerungen zur Liquidation des Schuldnervermögens? 3. Sollte sich im letztgenannten Fall Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 ausschließlich auf Zwangsversteigerungen zur Liquidation des Schuldnervermögens beziehen: Kann diese Vorschrift dahin ausgelegt werden, dass sie die Verlagerung der Mehrwertsteuerschuld bei einer Übertragung eines Grundstücks durch den insolventen Schuldner aus Gründen der Opportunität und im Interesse des Insolvenzverfahrens unabhängig von der vollständigen Liquidation seines Vermögens ausschließt und infolgedessen eine nationale Vorschrift, die den Tatbestand des Art. 199 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 auf Fälle erstreckt, die diese Bestimmung nicht regelt, nicht angewendet werden kann? Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen 13 Die spanische Regierung bestreitet die Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfragen in mehrfacher Hinsicht. Erstens fehle dem vorlegenden Gericht die Zuständigkeit, dem Gerichtshof Fragen hinsichtlich einer Vorschrift vorzulegen, deren Auslegung ausschließlich Sache der Verwaltungsgerichte sei. Zweitens seien die Fragen hypothetisch und stünden in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, da sie ein Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und der Steuerverwaltung beträfen, und hätten daher mit dem Insolvenzverfahren nichts zu tun. Drittens sei die Vorlageentscheidung mit einem Begründungsmangel behaftet, was die Gründe anbelange, weshalb die Beantwortung dieser Fragen erforderlich sei, damit das vorlegende Gericht ein Urteil erlassen könne. 14 Was das erste Argument betrifft, das auf eine fehlende Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts gestützt wird, ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, zu prüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Verfahren entspricht (vgl. Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C-39/94, Slg. 1996, I-3547, Randnr. 24, und vom 1. Dezember 2005, Burtscher, C-213/04, Slg. 2005, I-10309, Randnr. 30). 15 Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit es sein Urteil erlassen kann, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteil vom 19. Juli 2012, Garkalns, C-470/11, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht (Urteil Garkalns, Randnr. 18). 16 Zum zweiten Argument, die Vorlagefragen seien hypothetisch, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen unerheblich ist. Denn zum einen beruht es auf der Prämisse, dass es dem Erwerber der Grundstücke obliege, die Mehrwertsteuer abzuführen. Dabei geht es bei diesen Fragen aber gerade darum, festzustellen, wer die Mehrwertsteuer im Rahmen eines Insolvenzverfahrens schuldet: die insolvente Gesellschaft, die die Grundstücke verkauft, oder der Käufer. Zum anderen sind die Vorlagefragen, worauf das vorlegende Gericht im Übrigen in seiner Vorlageentscheidung hinweist, für die genaue Festlegung der Bedingungen, nach denen der genehmigte Verkauf durchzuführen ist, von Bedeutung. 17 Auch das dritte Argument, das auf einen Begründungsmangel der Vorlageentscheidung gestützt wird, ist zurückzuweisen. Aus dieser Entscheidung geht nämlich hervor, dass mit der Genehmigung des Verkaufs der Grundstücke durch das vorlegende Gericht der Steuertatbestand der Mehrwertsteuer eingetreten und folglich die Verpflichtung entstanden ist, den entsprechenden Betrag an die Steuerbehörden abzuführen. Da das vorlegende Gericht im Zweifel ist, wer diese Steuer schuldet, hat es beschlossen, die erteilte Genehmigung auszusetzen und dem Gerichtshof die vorliegenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. 18 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorlagefragen zulässig sind. Zu den Vorlagefragen 19 Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff „Zwangsversteigerungsverfahren“ jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner im gesamten Verlauf eines Insolvenzverfahrens tätigt, einschließlich des ersten Abschnitts, der nicht auf eine Liquidation gerichtet ist und in dem der Verkauf auf der Grundlage einer freiwilligen Übereinkunft der Beteiligten erfolgt. 20 Gemäß Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den ein Umsatz bewirkt wird, der in der Lieferung von Grundstücken besteht, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden. 21 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die spanische Sprachfassung dieser Richtlinie zwar den Begriff „Liquidation“ („liquidación“) verwendet, die Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen aber zeigt, dass der meistverwendete Ausdruck „Zwangsversteigerungsverfahren“ ist (nämlich „řízení o nuceném prodeji“ in der tschechischen Sprachfassung, „Zwangsversteigerungsverfahren“ in der deutschen Sprachfassung, „compulsory sale procedure“ in der englischen Sprachfassung, „priverstinio pardavimo“ in der litauischen Sprachfassung, „procedura ta’ bejgh obbligatorju“ in der maltesischen Sprachfassung, „um processo de venda coerciva“ in der portugiesischen Sprachfassung und „konanie o nútenom predaji“ in der slowakischen Sprachfassung). Dieser Begriff hat einen weiteren Anwendungsbereich als die eigentliche Liquidation. 22 Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Ein solcher Ansatz wäre nämlich mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts unvereinbar. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen voneinander ab, muss die fragliche Bestimmung daher nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C-149/97, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 16, und vom 25. März 2010, Helmut Müller, C-451/08, Slg. 2010, I-2673, Randnr. 38). 23 Was erstens die allgemeine Systematik des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift eine Ausnahme von dem Grundsatz nach Art. 193 der Richtlinie darstellt, wonach der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer schuldet, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt. Der genannte Art. 199 ermöglicht es nämlich den Mitgliedstaaten, in den in seinem Abs. 1 Buchst. a bis g angeführten Situationen das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, wonach der steuerpflichtige Empfänger, an den die mehrwertsteuerpflichtigen Umsätze bewirkt werden, die Mehrwertsteuer schuldet. 24 Wie die Europäische Kommission und die ungarische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Stellungnahmen aufgezeigt haben, wurde die Bestimmung des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 erstmals durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (ABl. L 221, S. 9) in die Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) eingefügt. 25 Wie aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/69 hervorgeht, bestand deren Zweck darin, allen Mitgliedstaaten die Anwendung der Ausnahmeregelungen zu ermöglichen, die bestimmten Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Steuerhinterziehung gewährt worden waren. 26 Die Ausnahmen, die als Vorbild für die Fassung des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dienten, waren dadurch gerechtfertigt, dass der Steuerschuldner in den von diesen Ausnahmen erfassten Fällen aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten, in denen er sich befand, zumeist nicht in der Lage war, die Steuer zu entrichten. 27 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 21 Abs. 2 – in der Fassung von Art. 28g – Buchst. c Ziff. vii der Richtlinie 77/388 in der Fassung der Richtlinie 2006/69 zwar auf ein „Zwangsversteigerungsverfahren“ Bezug nimmt, im Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer, zur Unterstützung der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung und zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (KOM[2005] 89 endgültig) jedoch ein engerer Begriff, nämlich der des „gerichtlichen Insolvenzverfahrens“, verwendet wurde. Die Absicht des Gesetzgebers bestand folglich nicht darin, die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Verfahren zur Liquidation der Aktiva des Schuldners im engeren Sinne zu beschränken, sondern vielmehr darin, seinen Anwendungsbereich zu erweitern. 28 Was zweitens den mit Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 verfolgten Zweck betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem 42. Erwägungsgrund dieser Richtlinie in die Lage versetzt werden sollten, in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von Umsätzen das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, um die Vorschriften zu vereinfachen und die Steuerhinterziehung und -umgehung zu bekämpfen. Diese Vorschrift ermöglicht somit den Steuerbehörden, die Mehrwertsteuer auf die in Rede stehenden Umsätze zu erheben, wenn die Fähigkeit des Schuldners, diese Steuer zu entrichten, gefährdet ist. 29 Da die Fähigkeit des Schuldners, die für den Verkauf eines Grundstücks in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden abzuführen, durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Frage gestellt wird, da dieses mit der Feststellung der Insolvenz dieses Schuldners eingeleitet wird, kann die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht auf die im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation des Vermögens des insolventen Schuldners erfolgende Übertragung von Grundstücken beschränkt werden. Der Umstand, dass Letzterer gezwungen ist, die Grundstücke im Rahmen eines nicht auf eine Liquidation gerichteten Insolvenzverfahrens – wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende – zu verkaufen, um die Gläubiger zu befriedigen oder sich die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen, genügt für die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft. 30 Folglich kann das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Verkauf eines Grundstücks durch den Schuldner einer vollstreckbaren Forderung im Rahmen jedes Insolvenzverfahrens, unabhängig davon, ob es auf eine Liquidation gerichtet ist, angewandt werden, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. 31 Zwar stellt Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 eine Ausnahme vom allgemeinen Verfahren nach dieser Richtlinie dar und ist daher nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Gleichwohl ist aber darauf hinzuweisen, dass diese enge Auslegung nicht dazu führen darf, dass dieser Vorschrift ihre Wirksamkeit genommen wird (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012, BLV Wohn- und Gewerbebau, C-395/11, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Beschränkung der Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Verkauf von Grundstücken in Verfahren zur Liquidation der Aktiva des Schuldners würde nicht zur vollen Verwirklichung der verfolgten Ziele beitragen, da die Gefahr einer Steuerumgehung oder -hinterziehung besteht, sobald der Schuldner für insolvent erklärt wurde. 32 Somit ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff des Zwangsversteigerungsverfahrens jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner einer vollstreckbaren Forderung, sei es im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation seines Vermögens, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, das einem solchen Liquidationsverfahren vorausgeht, tätigt, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. 33 In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden. Kosten 34 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt: Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff des Zwangsversteigerungsverfahrens jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner einer vollstreckbaren Forderung, sei es im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation seines Vermögens, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, das einem solchen Liquidationsverfahren vorausgeht, tätigt, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Spanisch. Parteien Entscheidungsgründe Tenor Parteien In der Rechtssache C-125/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil N° 1 de Granada (Spanien) mit Entscheidung vom 24. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2012, in dem Verfahren Promociones y Construcciones BJ 200 SL erlässt DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer) unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits, Generalanwalt: M. Wathelet, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen – der Promociones y Construcciones BJ 200 SL, vertreten durch B. S. Sánchez Pozo, procuradora, im Beistand von E. Osuna Martínez, abogado, – von Herrn I. Alba Muñoz, abogado, als Insolvenzverwalter der Promociones y Construcciones BJ 200 SL, – der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, – der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte, – der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil Entscheidungsgründe 1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1). 2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines freiwilligen Insolvenzverfahrens der Promociones y Construcciones BJ 200 SL (im Folgenden: Promociones y Construcciones), in dessen Verlauf der Verkauf zweier dieser Gesellschaft gehörender Grundstücke zu einer Mehrwertbesteuerung führte. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3. Der 42. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112 lautet: „Die Mitgliedstaaten sollten in die Lage versetzt werden, in bestimmten Fällen den Erwerber von Gegenständen oder den Dienstleistungsempfänger als Steuerschuldner zu bestimmen. Dies würde es den Mitgliedstaaten erlauben, die Vorschriften zu vereinfachen und die Steuerhinterziehung und -umgehung in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von Umsätzen zu bekämpfen.“ 4. Nach Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den ein Umsatz bewirkt wird, der in der Lieferung von Grundstücken besteht, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden. Spanisches Recht 5. In Art. 84 Abs. 1 des Gesetzes 37/1992 vom 28. Dezember 1992 über die Mehrwertsteuer (Ley 37/1992 del Impuesto sobre el Valor Añadido, BOE Nr. 312 vom 29. Dezember 1992, S. 44247) in der durch das Gesetz 38/2011 vom 10. Oktober 2011 zur Änderung des Gesetzes 22/2003 vom 9. Juli 2003 über das Insolvenzverfahren (Ley 38/2011 de reforma de la Ley 22/2003, de 9 de julio 2003, Concursal, BOE Nr. 245 vom 11. Oktober 2011, S. 106745) geänderten Fassung heißt es: „Steuerpflichtig sind 1. natürliche oder juristische Personen, die Unternehmer oder Freiberufler sind und Gegenstände liefern oder Dienstleistungen erbringen, die der Steuer unterliegen, unbeschadet der in den folgenden Nummern getroffenen Bestimmungen; 2. Unternehmer oder Freiberufler, für die die steuerpflichtigen Umsätze erbracht werden, in den folgenden Fällen: … e) bei der Lieferung von Grundstücken im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. …“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 6. Mit Beschluss vom 22. Februar 2010 wurde Promociones y Construcciones für insolvent erklärt und über ihr Vermögen das freiwillige Insolvenzverfahren („proceso concursal voluntario“) eröffnet. 7. Im Rahmen des allgemeinen Abschnitts dieses Verfahrens erstattete der Insolvenzverwalter dem vorlegenden Gericht und den Gläubigern über die Aktiva und Passiva von Promociones y Construcciones Bericht. 8. Sodann bot sich die Gelegenheit zum Verkauf zweier dieser Gesellschaft gehörender Grundstücke. Am 31. Januar 2012 beantragte die Gesellschaft aufgrund einer befürwortenden Stellungnahme des Insolvenzverwalters und mit Zustimmung der Käuferin, der Banesto SA, gemäß dem Gesetz 22/2003 vom 9. Juli 2003 über das Insolvenzverfahren (Ley 22/2003, Concursal, BOE Nr. 164 vom 10. Juli 2003, S. 26905) die Genehmigung zur Durchführung dieses Verkaufs. 9. Mit rechtskräftigem, nicht angefochtenem Beschluss vom 1. Februar 2012 hat der Juzgado de lo Mercantil Nº 1 de Granada festgestellt, dass dieser Verkauf zweckmäßig sei und im Interesse des Insolvenzverfahrens liege, und ihn infolgedessen genehmigt. 10. Mit der Genehmigung des Kaufvertrags, der zur wirtschaftlichen Tätigkeit von Promociones y Construcciones gehört, ist der Steuertatbestand der Mehrwertsteuer eingetreten und folglich die Verpflichtung entstanden, die entsprechende Mehrwertsteuer an die Agencia Estatal de Administración Tributaria (Staatliches Amt für Steuerverwaltung) abzuführen. 11. Das vorlegende Gericht ist im Zweifel, wem diese steuerliche Verpflichtung obliegt, d. h. Promociones y Construcciones oder der Erwerberin der Grundstücke. Seiner Ansicht nach ist dies für die genaue Festlegung der Bedingungen, nach denen der genehmigte Verkauf durchzuführen ist, von Bedeutung. 12. Unter diesen Umständen hat der Juzgado de lo Mercantil N° 1 de Granada beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112, der bestimmt, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … vorsehen [können], dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den folgende Umsätze bewirkt werden: … g) Lieferung von Grundstücken, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden“, bei einem gerichtlichen Insolvenzverfahren, das eröffnet wird, nachdem die Insolvenz des Schuldners festgestellt wurde, dahin auszulegen, dass er sich nur auf Lieferungen bezieht, die aufgrund der auf die Liquidation gerichteten Natur des Verfahrens oder des Liquidationsabschnitts, in dem sich das Verfahren befindet, erfolgen, so dass die Veräußerung der Grundstücke im Rahmen der abschließenden Liquidation seines Vermögens stattfinden muss, oder bezieht er sich, wenn neben der Liquidation des insolventen Unternehmens auch andere Möglichkeiten zum Abschluss des Verfahrens in Betracht kommen, auch auf Lieferungen von Grundstücken durch den insolventen Schuldner während eines Insolvenzverfahrens? 2. Ist Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass das „Zwangsversteigerungsverfahren“, auf das er Bezug nimmt, ein kollektives gerichtliches Insolvenzverfahren umfasst, in dem außerhalb einer vorgeschriebenen Phase der Liquidation des Vermögens und allein aus Gründen der Opportunität ein freiwilliger Verkauf von Vermögensgegenständen vorgenommen wurde, oder bezieht er sich nur auf gerichtliche Zwangsversteigerungen zur Liquidation des Schuldnervermögens? 3. Sollte sich im letztgenannten Fall Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 ausschließlich auf Zwangsversteigerungen zur Liquidation des Schuldnervermögens beziehen: Kann diese Vorschrift dahin ausgelegt werden, dass sie die Verlagerung der Mehrwertsteuerschuld bei einer Übertragung eines Grundstücks durch den insolventen Schuldner aus Gründen der Opportunität und im Interesse des Insolvenzverfahrens unabhängig von der vollständigen Liquidation seines Vermögens ausschließt und infolgedessen eine nationale Vorschrift, die den Tatbestand des Art. 199 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 auf Fälle erstreckt, die diese Bestimmung nicht regelt, nicht angewendet werden kann? Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen 13. Die spanische Regierung bestreitet die Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfragen in mehrfacher Hinsicht. Erstens fehle dem vorlegenden Gericht die Zuständigkeit, dem Gerichtshof Fragen hinsichtlich einer Vorschrift vorzulegen, deren Auslegung ausschließlich Sache der Verwaltungsgerichte sei. Zweitens seien die Fragen hypothetisch und stünden in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits, da sie ein Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Erwerber des Grundstücks und der Steuerverwaltung beträfen, und hätten daher mit dem Insolvenzverfahren nichts zu tun. Drittens sei die Vorlageentscheidung mit einem Begründungsmangel behaftet, was die Gründe anbelange, weshalb die Beantwortung dieser Fragen erforderlich sei, damit das vorlegende Gericht ein Urteil erlassen könne. 14. Was das erste Argument betrifft, das auf eine fehlende Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts gestützt wird, ist darauf hinzuweisen, dass es nicht Sache des Gerichtshofs ist, zu prüfen, ob die Vorlageentscheidung den nationalen Vorschriften über die Gerichtsorganisation und das Verfahren entspricht (vgl. Urteile vom 11. Juli 1996, SFEI u. a., C-39/94, Slg. 1996, I-3547, Randnr. 24, und vom 1. Dezember 2005, Burtscher, C-213/04, Slg. 2005, I-10309, Randnr. 30). 15. Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit es sein Urteil erlassen kann, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteil vom 19. Juli 2012, Garkalns, C-470/11, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht (Urteil Garkalns, Randnr. 18). 16. Zum zweiten Argument, die Vorlagefragen seien hypothetisch, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen unerheblich ist. Denn zum einen beruht es auf der Prämisse, dass es dem Erwerber der Grundstücke obliege, die Mehrwertsteuer abzuführen. Dabei geht es bei diesen Fragen aber gerade darum, festzustellen, wer die Mehrwertsteuer im Rahmen eines Insolvenzverfahrens schuldet: die insolvente Gesellschaft, die die Grundstücke verkauft, oder der Käufer. Zum anderen sind die Vorlagefragen, worauf das vorlegende Gericht im Übrigen in seiner Vorlageentscheidung hinweist, für die genaue Festlegung der Bedingungen, nach denen der genehmigte Verkauf durchzuführen ist, von Bedeutung. 17. Auch das dritte Argument, das auf einen Begründungsmangel der Vorlageentscheidung gestützt wird, ist zurückzuweisen. Aus dieser Entscheidung geht nämlich hervor, dass mit der Genehmigung des Verkaufs der Grundstücke durch das vorlegende Gericht der Steuertatbestand der Mehrwertsteuer eingetreten und folglich die Verpflichtung entstanden ist, den entsprechenden Betrag an die Steuerbehörden abzuführen. Da das vorlegende Gericht im Zweifel ist, wer diese Steuer schuldet, hat es beschlossen, die erteilte Genehmigung auszusetzen und dem Gerichtshof die vorliegenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. 18. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorlagefragen zulässig sind. Zu den Vorlagefragen 19. Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff „Zwangsversteigerungsverfahren“ jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner im gesamten Verlauf eines Insolvenzverfahrens tätigt, einschließlich des ersten Abschnitts, der nicht auf eine Liquidation gerichtet ist und in dem der Verkauf auf der Grundlage einer freiwilligen Übereinkunft der Beteiligten erfolgt. 20. Gemäß Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger die Mehrwertsteuer schuldet, an den ein Umsatz bewirkt wird, der in der Lieferung von Grundstücken besteht, die vom Schuldner im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens verkauft werden. 21. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die spanische Sprachfassung dieser Richtlinie zwar den Begriff „Liquidation“ („liquidación“) verwendet, die Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen aber zeigt, dass der meistverwendete Ausdruck „Zwangsversteigerungsverfahren“ ist (nämlich „řízení o nuceném prodeji“ in der tschechischen Sprachfassung, „Zwangsversteigerungsverfahren“ in der deutschen Sprachfassung, „compulsory sale procedure“ in der englischen Sprachfassung, „priverstinio pardavimo“ in der litauischen Sprachfassung, „procedura ta’ bejgh obbligatorju“ in der maltesischen Sprachfassung, „um processo de venda coerciva“ in der portugiesischen Sprachfassung und „konanie o nútenom predaji“ in der slowakischen Sprachfassung). Dieser Begriff hat einen weiteren Anwendungsbereich als die eigentliche Liquidation. 22. Nach ständiger Rechtsprechung kann die in einer der Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts verwendete Formulierung nicht als alleinige Grundlage für die Auslegung dieser Vorschrift herangezogen werden oder insoweit Vorrang vor den anderen sprachlichen Fassungen beanspruchen. Ein solcher Ansatz wäre nämlich mit dem Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts unvereinbar. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen voneinander ab, muss die fragliche Bestimmung daher nach der allgemeinen Systematik und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteile vom 12. November 1998, Institute of the Motor Industry, C-149/97, Slg. 1998, I-7053, Randnr. 16, und vom 25. März 2010, Helmut Müller, C-451/08, Slg. 2010, I-2673, Randnr. 38). 23. Was erstens die allgemeine Systematik des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift eine Ausnahme von dem Grundsatz nach Art. 193 der Richtlinie darstellt, wonach der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer schuldet, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt. Der genannte Art. 199 ermöglicht es nämlich den Mitgliedstaaten, in den in seinem Abs. 1 Buchst. a bis g angeführten Situationen das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, wonach der steuerpflichtige Empfänger, an den die mehrwertsteuerpflichtigen Umsätze bewirkt werden, die Mehrwertsteuer schuldet. 24. Wie die Europäische Kommission und die ungarische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Stellungnahmen aufgezeigt haben, wurde die Bestimmung des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 erstmals durch die Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (ABl. L 221, S. 9) in die Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) eingefügt. 25. Wie aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/69 hervorgeht, bestand deren Zweck darin, allen Mitgliedstaaten die Anwendung der Ausnahmeregelungen zu ermöglichen, die bestimmten Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Steuerhinterziehung gewährt worden waren. 26. Die Ausnahmen, die als Vorbild für die Fassung des Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dienten, waren dadurch gerechtfertigt, dass der Steuerschuldner in den von diesen Ausnahmen erfassten Fällen aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten, in denen er sich befand, zumeist nicht in der Lage war, die Steuer zu entrichten. 27. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 21 Abs. 2 – in der Fassung von Art. 28g – Buchst. c Ziff. vii der Richtlinie 77/388 in der Fassung der Richtlinie 2006/69 zwar auf ein „Zwangsversteigerungsverfahren“ Bezug nimmt, im Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer, zur Unterstützung der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung und zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (KOM[2005] 89 endgültig) jedoch ein engerer Begriff, nämlich der des „gerichtlichen Insolvenzverfahrens“, verwendet wurde. Die Absicht des Gesetzgebers bestand folglich nicht darin, die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Verfahren zur Liquidation der Aktiva des Schuldners im engeren Sinne zu beschränken, sondern vielmehr darin, seinen Anwendungsbereich zu erweitern. 28. Was zweitens den mit Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 verfolgten Zweck betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem 42. Erwägungsgrund dieser Richtlinie in die Lage versetzt werden sollten, in bestimmten Sektoren oder bei bestimmten Arten von Umsätzen das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft anzuwenden, um die Vorschriften zu vereinfachen und die Steuerhinterziehung und -umgehung zu bekämpfen. Diese Vorschrift ermöglicht somit den Steuerbehörden, die Mehrwertsteuer auf die in Rede stehenden Umsätze zu erheben, wenn die Fähigkeit des Schuldners, diese Steuer zu entrichten, gefährdet ist. 29. Da die Fähigkeit des Schuldners, die für den Verkauf eines Grundstücks in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden abzuführen, durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Frage gestellt wird, da dieses mit der Feststellung der Insolvenz dieses Schuldners eingeleitet wird, kann die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft nicht auf die im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation des Vermögens des insolventen Schuldners erfolgende Übertragung von Grundstücken beschränkt werden. Der Umstand, dass Letzterer gezwungen ist, die Grundstücke im Rahmen eines nicht auf eine Liquidation gerichteten Insolvenzverfahrens – wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende – zu verkaufen, um die Gläubiger zu befriedigen oder sich die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen, genügt für die Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft. 30. Folglich kann das Verfahren der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Verkauf eines Grundstücks durch den Schuldner einer vollstreckbaren Forderung im Rahmen jedes Insolvenzverfahrens, unabhängig davon, ob es auf eine Liquidation gerichtet ist, angewandt werden, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. 31. Zwar stellt Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 eine Ausnahme vom allgemeinen Verfahren nach dieser Richtlinie dar und ist daher nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen. Gleichwohl ist aber darauf hinzuweisen, dass diese enge Auslegung nicht dazu führen darf, dass dieser Vorschrift ihre Wirksamkeit genommen wird (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012, BLV Wohn- und Gewerbebau, C-395/11, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Beschränkung der Anwendung des Verfahrens der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Verkauf von Grundstücken in Verfahren zur Liquidation der Aktiva des Schuldners würde nicht zur vollen Verwirklichung der verfolgten Ziele beitragen, da die Gefahr einer Steuerumgehung oder -hinterziehung besteht, sobald der Schuldner für insolvent erklärt wurde. 32. Somit ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass unter den Begriff des Zwangsversteigerungsverfahrens jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner einer vollstreckbaren Forderung, sei es im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation seines Vermögens, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, das einem solchen Liquidationsverfahren vorausgeht, tätigt, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. 33. In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht beantwortet zu werden. Kosten 34. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Tenor Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt: Art. 199 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass unter den Begriff des Zwangsversteigerungsverfahrens jeder Verkauf eines Grundstücks fällt, den der Schuldner einer vollstreckbaren Forderung, sei es im Rahmen eines Verfahrens zur Liquidation seines Vermögens, sei es im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, das einem solchen Liquidationsverfahren vorausgeht, tätigt, wenn dieser Verkauf geboten ist, um die Gläubiger zu befriedigen oder dem Schuldner die Wiederaufnahme seiner wirtschaftlichen oder beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 13. Juni 2013.#Office national d’allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS) gegen Radia Hadj Ahmed.#Vorabentscheidungsersuchen der Cour du travail de Bruxelles.#Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Persönlicher Geltungsbereich – Gewährung von Familienleistungen an eine Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat – Verordnung (EG) Nr. 859/2003 – Richtlinie 2004/38/EG – Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 – Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes.#Rechtssache C‑45/12.
62012CJ0045
ECLI:EU:C:2013:390
2013-06-13T00:00:00
Bot, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) 13. Juni 2013 (*1) „Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen — Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 — Persönlicher Geltungsbereich — Gewährung von Familienleistungen an eine Drittstaatsangehörige mit einem Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat — Verordnung (EG) Nr. 859/2003 — Richtlinie 2004/38/EG — Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 — Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes“ In der Rechtssache C-45/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 19. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Januar 2012, in dem Verfahren Office national d’allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS) gegen Radia Hadj Ahmed erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen — von Frau Hadj Ahmed, vertreten durch I. de Viron und M. Hernandez Dispaux, avocates, — der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und T. Materne als Bevollmächtigte im Beistand von J. Vanden Eynde, avocat, — der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten, — der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), von Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, und – Berichtigung – ABl. L 229, S. 35) in Verbindung mit Art. 18 AEUV sowie der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Office national d’allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS) (Zentralanstalt für Familienbeihilfen für Arbeitnehmer) und Frau Hadj Ahmed über die Gewährung von garantierten Familienleistungen. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2), aufgehoben durch die Richtlinie 2004/38, bestimmte Folgendes: „(1)   Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen: a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird; …“ 4 Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141, S. 1), dessen Wortlaut in Art. 10 der letztgenannten Verordnung übernommen wurde, sah in seinem Abs. 1 Folgendes vor: „Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.“ 5 Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor: „Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert: … f) i) ‚Familienangehöriger‘: jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. … …“ 6 Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt in seinem Abs. 1: „Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer … sowie für deren Familienangehörige …“ 7 Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen (ABl. L 124, S. 1) sieht vor: „… [D]ie Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 … [finden] auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, sowie auf ihre Familienangehörigen und ihre Hinterbliebenen Anwendung, wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist.“ 8 Art. 13 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft“) der Richtlinie 2004/38 sieht in seinem Abs. 2 vor, dass die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt. 9 Art. 14 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“) derselben Richtlinie sieht in seinem Abs. 2 vor: „Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach [Artikel] 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. …“ Belgisches Recht 10 Art. 1 der Loi du 20 juillet 1971 instituant des prestations familiales garanties (Gesetz vom 20. Juli 1971 zur Einführung garantierter Familienleistungen) (Moniteur belge vom 7. August 1971, S. 9302, und – deutsche konsolidierte Fassung – vom 19. August 2009, S. 54697) bestimmte in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung: „… Familienleistungen [werden] unter den durch oder aufgrund des vorliegenden Gesetzes festgelegten Bedingungen zugunsten von Kindern gewährt, die ausschließlich oder hauptsächlich einer in Belgien wohnhaften natürlichen Person zu Lasten sind. … In Absatz 1 erwähnte natürliche Personen müssen mindestens während der letzten fünf Jahre vor Einreichung eines Antrags auf garantierte Familienleistungen ununterbrochen tatsächlich in Belgien gewohnt haben. Von der Erfüllung dieser Bedingung sind befreit: 1. Personen, auf die die Verordnung … Nr. 1408/71 … anwendbar ist, 2. Staatenlose, 3. Flüchtlinge im Sinne des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern [Moniteur belge vom 31. Dezember 1980, S. 14584, im Folgenden: Gesetz vom 15. Dezember 1980], 4. Personen, die nicht in Nr. 1 erwähnt sind und die Staatsangehörige eines Staates sind, der die Europäische Sozialcharta beziehungsweise die Revidierte Europäische Sozialcharta ratifiziert hat. Handelt es sich bei einer in Absatz 1 erwähnten natürlichen Person um einen Ausländer, muss ihr der Aufenthalt oder die Niederlassung in Belgien gemäß den Bestimmungen des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 … gestattet oder erlaubt sein …“ 11 Im für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum wurde die Befreiung von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes durch die Loi du 30 décembre 2009 portant des dispositions diverses (Gesetz vom 30. Dezember 2009 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen) (Moniteur belge vom 31. Dezember 2009, S. 82925) erweitert, indem Art. 1 Abs. 7 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen um eine Nr. 5 mit folgendem Wortlaut ergänzt wurde: „Personen, die garantierte Familienleistungen zugunsten eines Kindes beantragen, a) das Staatsangehöriger eines Staates ist, auf den die Verordnung … Nr. 1408/71 … anwendbar ist, oder, wenn dies nicht der Fall ist, das Staatsangehöriger eines Staates ist, der die Europäische Sozialcharta beziehungsweise die (Revidierte) Europäische Sozialcharta ratifiziert hat, b) oder das Staatenloser oder Flüchtling im Sinne des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 … ist“. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 12 Frau Hadj Ahmed, eine algerische Staatsangehörige, ist in Belgien seit dem 18. Januar 2006 im Bevölkerungsregister eingetragen und seither Inhaberin eines Aufenthaltstitels für das belgische Hoheitsgebiet. Dieser Aufenthaltstitel wurde ihr erteilt, weil sie in Belgien mit einem Lebensgefährten französischer Staatsangehörigkeit zusammengezogen war. Frau Hadj Ahmed hat mit diesem ein gemeinsames Kind, das am 18. Dezember 2003 geboren wurde und ebenfalls die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Im Jahr 2006, nachdem sie ihren Aufenthaltstitel bekommen hatte, holte sie ihre am 28. Januar 1993 geborene Tochter, die die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, nach Belgien. 13 Frau Hadj Ahmed, die nie Arbeitnehmerin in Belgien war, erhielt während der Zeit, in der sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebte, für ihre beiden Kinder Familienleistungen zum normalen Satz auf der Grundlage der von ihrem Lebensgefährten in Belgien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. 14 Frau Hadj Ahmed und ihr Lebensgefährte trennten sich im Juni 2007. Seit dem 15. Mai 2007 ist Frau Hadj Ahmed, die von ihrem ehemaligen Lebensgefährten keinen Unterhalt erhält, auf Sozialhilfe angewiesen. 15 Seit dem 1. Oktober 2007 erhält Frau Hadj Ahmed keine Familienbeihilfe mehr für ihre Tochter, während sie diese für ihr anderes Kind weiterhin erhält. Sie beantragte beim ONAFTS garantierte Familienleistungen für ihre Tochter ab diesem Tag. Am 7. April 2008 lehnte der ONAFTS den Antrag mit der Begründung ab, dass die Betroffene die Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes nach Art. 1 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen nicht erfülle. 16 Mit Klageschrift vom 3. Juli 2008 erhob Frau Hadj Ahmed beim Tribunal du travail de Bruxelles Klage gegen den ablehnenden Bescheid des ONAFTS und berief sich dabei auf die Verordnung Nr. 1408/71. Gleichzeitig kam sie einer Aufforderung des ONAFTS nach und beantragte bei den zuständigen Behörden eine Befreiung von der Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes in Belgien. Infolge dieses Verfahrens erhielt Frau Hadj Ahmed nach Ablauf von vier Wohnsitzjahren, d. h. seit dem 18. Januar 2010, garantierte Familienleistungen für ihre Tochter. Daher werden diese Leistungen im Rahmen des Ausgangsverfahrens für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 18. Januar 2010 beansprucht. 17 Mit Urteil vom 23. August 2010 gab das Tribunal du travail de Bruxelles der Klage von Frau Hadj Ahmed statt. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 7. September 2004, Trojani (C-456/02, Slg. 2004, I-7573) ging es davon aus, dass die Betroffene, da sie berechtigt gewesen sei, sich als Familienangehörige eines Unionsbürgers in Belgien niederzulassen, einem Unionsbürger gleichgestellt sei und einen Anspruch darauf habe, in gleicher Weise behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. 18 Der ONAFTS legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem vorlegenden Gericht ein. Seiner Ansicht nach wird die Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens nicht vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst. Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob sich aus der Richtlinie 2004/38 herleiten lässt, dass ein Nichtunionsbürger, der mit einem Unionsbürger zusammenzieht, einem Unionsbürger gleichgestellt werden kann. Außerdem betreffe das Urteil Trojani einen Fall eines Unionsbürgers und einer Leistung der sozialen Sicherheit, also einen anderen Fall als den der Berufungsbeklagten des Ausgangsverfahrens. 19 Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts hat Frau Hadj Ahmed ein Interesse daran, sich auf die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 zu berufen, um zu erreichen, dass die in Art. 1 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen vorgesehene Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes nicht angewandt wird. 20 Unter diesen Umständen hat die Cour du travail de Bruxelles beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Fällt eine Staatsangehörige eines Drittstaats unter Umständen, unter denen dieser (hier algerischen) Staatsangehörigen weniger als fünf Jahre zuvor in einem Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Belgien) ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist, um zu einem Bürger eines anderen Mitgliedstaats (hier einem französischen Staatsangehörigen) zu ziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind hat (das die französische Staatsangehörigkeit besitzt), für die Zwecke der Gewährung garantierter Familienleistungen an sie zugunsten eines weiteren Kindes, das die Staatsangehörigkeit eines Drittlands (im vorliegenden Fall die algerische) besitzt, als Familienangehörige eines Arbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71, obwohl ihre Lebensgemeinschaft mit dem Vater des Kindes, das die französische Staatsangehörigkeit besitzt, inzwischen beendet ist? 2. Falls die erste Frage verneint wird: Fällt diese Drittstaatsangehörige oder ihr Kind, das die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, unter den in der ersten Frage genannten Umständen und aufgrund der Tatsache, dass zu ihrem Haushalt das Kind gehört, das die französische Staatsangehörigkeit besitzt, für die Zwecke der Gewährung garantierter Familienleistungen an das Kind, das die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, als Familienangehörige eines Arbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71? 3. Falls die vorstehenden Fragen verneint werden: Hat diese Drittstaatsangehörige unter den in der ersten Frage genannten Umständen aufgrund von Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) einen Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie Inländer, solange ihr das Aufenthaltsrecht nicht entzogen worden ist, so dass es ausgeschlossen ist, dass der belgische Staat die Gewährung garantierter Familienleistungen von einer Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes abhängig macht, während von inländischen Empfängern die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt wird? 4. Falls die vorstehenden Fragen verneint werden: Kann sich diese Drittstaatsangehörige unter den in der ersten Frage genannten Umständen und als Mutter eines Unionsbürgers aufgrund von Art. 20 und Art. 21 der Charta auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen, so dass es ausgeschlossen ist, dass der belgische Staat die Gewährung garantierter Familienleistungen an ein anderes ihrer Kinder, das die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzt, von einer Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes abhängig macht, während diese Voraussetzung für ein Kind, das die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, nicht verlangt wird? Zu den Vorlagefragen Zur ersten und zur zweiten Frage 21 Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ihr persönlicher Geltungsbereich eine Drittstaatsangehörige (im Folgenden: Mutter) oder ihre Tochter, die ebenfalls Drittstaatsangehörige ist (im Folgenden: Tochter), erfasst, soweit sich diese in folgender Situation befinden: — Die Mutter hat vor weniger als fünf Jahren einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat erhalten, um mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zusammenzuziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind mit der Staatsangehörigkeit des letztgenannten Mitgliedstaats (im Folgenden: gemeinsames Kind) hat; — nur der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats hat den Status eines Arbeitnehmers; — die Mutter und der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats wohnen inzwischen nicht mehr zusammen und — die Tochter und das gemeinsame Kind leben im Haushalt der Mutter. 22 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Familienangehöriger“ eines Arbeitnehmers im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 in deren Art. 1 Buchst. f Ziff. i definiert ist als „jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen … in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird“. 23 Somit verweist diese Bestimmung in einem ersten Schritt ausdrücklich auf die nationalen Rechtsvorschriften und definiert als „Familienangehörigen“„jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist“ (Urteil vom 26. November 2009, Slanina, C-363/08, Slg. 2009, I-11111, Randnr. 25). 24 In einem zweiten Schritt führt Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 folgendes Korrektiv ein: „[W]ird nach diesen [nationalen] Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen … in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird“ (Urteil Slanina, Randnr. 26). 25 Wie die tschechische Regierung und die Europäische Kommission zu Recht ausführen, wäre die in Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 aufgestellte Voraussetzung demnach erfüllt, wenn unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Mutter oder die Tochter im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden kann und, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“ (vgl. in diesem Sinne Urteil Slanina, Randnr. 27). 26 Die dem Gerichtshof vorliegende Akte enthält zwar Hinweise darauf, dass diese Voraussetzung im Ausgangsverfahren nicht erfüllt ist, doch ist es Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen. 27 Dagegen geht, worauf die belgische Regierung zu Recht hinweist, aus Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 in seiner in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Auslegung hervor, dass der bloße Umstand, dass das gemeinsame Kind im Haushalt der Mutter lebt, als solches nicht entscheidend für die Qualifizierung der Mutter oder der Tochter als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Sinne dieser Vorschrift ist. 28 In Bezug auf eine etwaige Anwendung der Verordnung Nr. 859/2003, auf die das vorlegende Gericht ebenfalls Bezug nimmt, ist festzustellen, dass gemäß Art. 1 dieser Verordnung der persönliche Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt wird, soweit diese ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits in den persönlichen Geltungsbereich der letztgenannten Verordnung fallen. 29 Die etwaige Nichtanwendung der Verordnung Nr. 1408/71 auf die Mutter oder die Tochter hängt indessen nicht von deren Staatsangehörigkeit ab, sondern davon, dass sie gegebenenfalls nicht als Familienangehörige des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Sinne von Art. 1 Buchst. f Ziff. i dieser Verordnung angesehen werden können. 30 Überdies muss nach Art. 1 der Verordnung Nr. 859/2003 ein Drittstaatsangehöriger zwei Voraussetzungen erfüllen, damit die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 auf ihn und seine Familienangehörigen anwendbar sind. Zum einen muss er einen rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, und zum anderen darf er sich nicht in einer Situation befinden, die mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. November 2010, Xhymshiti, C-247/09, Slg. 2010, I-11845, Randnr. 28). 31 Zu der ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass angesichts der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Angaben sowohl die Mutter als auch die Tochter während des für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Belgien hatten. 32 In Bezug auf die zweite Voraussetzung weisen die Situation der Mutter und die der Tochter, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat auf, nämlich zur Demokratischen Volksrepublik Algerien und zum Königreich Belgien. 33 Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verordnung Nr. 859/2003 den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 auf Personen wie die Mutter oder die Tochter ausdehnt. 34 Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ihr persönlicher Geltungsbereich die Mutter oder die Tochter, soweit sich diese in der oben in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befinden, nur dann erfasst, wenn sie im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden können oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“. Zur dritten Frage 35 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 18 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Mutter, die sich in der in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt. 36 Hierzu geht, worauf die belgische und die tschechische Regierung sowie die Kommission zu Recht hinweisen, aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich hervor, dass das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, gemäß dieser Bestimmung und unter bestimmten Voraussetzungen nur bei Scheidung oder Aufhebung einer Ehe oder bei Beendigung einer eingetragenen Partnerschaft bestehen bleibt. 37 Wie der Wortlaut der ersten Frage bestätigt, geht aus den maßgeblichen Umständen des Ausgangsverfahrens nicht hervor, dass zwischen der Mutter und dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft bestanden hätte. Unter diesen Umständen kann sich die Mutter weder nach Art. 13 Abs. 2 noch nach Art. 14 der Richtlinie 2004/38 auf ein Aufenthaltsrecht berufen, wobei sich Art. 14 in seinem Abs. 2 darauf beschränkt, auf das Erfordernis hinzuweisen, dass die Betroffenen für die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsrechts die – insbesondere in Art. 13 der Richtlinie – aufgestellten Voraussetzungen erfüllen müssen. 38 Die Berücksichtigung von Art. 18 AEUV, auf den das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage Bezug nimmt, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. 39 Der Umstand, dass eine Person wie die Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens während des für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums im Besitz eines Aufenthaltstitels für Belgien war, hat nämlich nicht zur Folge, dass ihr gemäß Art. 18 AEUV der Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zugutekäme. 40 Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 46 seines Urteils Trojani entschieden, dass sich ein Unionsbürger, sobald er in einem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, auf Art. 18 AEUV berufen kann, um eine Sozialleistung unter denselben Voraussetzungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats zu erhalten. 41 Diese Auslegung von Art. 18 AEUV, der die Unionsbürgerschaft betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnrn. 37 und 39), kann jedoch nicht ohne Weiteres auf eine Situation übertragen werden, in der ein Drittstaatsangehöriger in einem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. 42 Ferner ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Auch wenn das vorlegende Gericht seine dritte Frage der Form nach auf die Auslegung der Richtlinie 2004/38 beschränkt hat, hindert dies demnach den Gerichtshof nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die diesem bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Fuß, C-243/09, Slg. 2010, I-9849, Randnrn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 43 Die Kommission macht geltend, die Mutter könne sich, um dem zu entgehen, dass sie bei der Gewährung garantierter Familienleistungen der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes unterliege, auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit berufen und sich dabei auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 stützen. 44 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es die Verwirklichung der von der Verordnung Nr. 1612/68 bezweckten Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Wahrung der Freiheit und Menschenwürde erforderlich macht, die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen (vgl. Urteile vom 13. November 1990, di Leo, C-308/89, Slg. 1990, I-4185, Randnr. 13, und vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, Slg. 2002, I-7091, Randnr. 50). 45 Diese Integration kann nur gelingen, wenn das Kind eines Wanderarbeitnehmers die Möglichkeit hat, im Aufnahmemitgliedstaat die Schule zu besuchen und ein Studium zu absolvieren, wie dies in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ausdrücklich vorgesehen ist, um seine Ausbildung erfolgreich abschließen zu können (Urteile vom 15. März 1989, Echternach und Moritz, 389/87 und 390/87, Slg. 1989, 723, Randnr. 21, sowie Baumbast und R, Randnr. 51). 46 Nach der Rechtsprechung impliziert dieses Recht auf Zugang zum Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Kindes eines Wanderarbeitnehmers oder ehemaligen Wanderarbeitnehmers, wenn es seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzen möchte, sowie ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich ausübt (vgl. Urteil vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, Slg. 2010, I-1107, Randnrn. 36 und 53). 47 Nach Ansicht der Kommission können sowohl die Tochter als auch das gemeinsame Kind und folglich auch die Mutter, da sie die elterliche Sorge für diese Kinder tatsächlich ausübt, ein solches auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gestütztes Aufenthaltsrecht für sich beanspruchen. 48 Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann dieser Auslegung jedoch in Bezug auf die Tochter nicht gefolgt werden. 49 Zum einen ist nämlich unstreitig, dass die Tochter nicht das Kind des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ist. Im Verhältnis zu diesem ist sie also nicht das Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68. 50 Zum anderen ist zwar, wie die Kommission geltend macht, das gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1612/68 bestehende Recht des „Ehegatte[n] sowie [der] Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird“, auf Wohnungnahme bei dem Wanderarbeitnehmer dahin auszulegen, dass es sowohl den Abkömmlingen des Arbeitnehmers als auch denen seines Ehegatten zusteht (Urteil Baumbast und R, Randnr. 57). 51 Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Mutter nicht die Ehegattin des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ist und war, da der Lebensgefährte im Rahmen eines bloße Zusammenlebens nicht als „Ehegatte“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1612/68 angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 1986, Reed, 59/85, Slg. 1986, 1283, Randnr. 16). Folglich kann die Tochter nicht als Kind eines Wanderarbeitnehmers oder ehemaligen Wanderarbeitnehmers angesehen werden. 52 Dagegen ist das gemeinsame Kind gemäß der dem Gerichtshof vorliegenden Akte tatsächlich das Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68. Damit jedoch der Mutter als dem Elternteil, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich ausübt, ein auf diese Vorschrift gestütztes Aufenthaltsrecht zukommen kann, muss das gemeinsame Kind im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert worden sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, Czop und Punakova, C-147/11 und C-148/11, Randnr. 29). 53 Dem Gerichtshof liegen zur Situation des gemeinsamen Kindes, insbesondere zu dessen Beschulung, keine hinreichenden Informationen vor, so dass in diesem Verfahrensstadium vor dem Gerichtshof eine Interpretation der Folgen, die ein auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gestütztes Aufenthaltsrecht der Mutter für das Ausgangsverfahren haben könnte, rein hypothetisch wäre. 54 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 18 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Mutter, die sich in der in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt. Zur vierten Frage 55 Angesichts der Antworten auf die vorstehenden Fragen ist die vierte Frage nicht zu beantworten. 56 Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die in der Unionsrechtsordnung – einschließlich der Charta – garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C-617/10, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). 57 Wie aus den Antworten auf die vorstehenden Fragen hervorgeht, liegen dem Gerichtshof keine Angaben vor, aus denen geschlossen werden könnte, dass eine Situation wie die im Ausgangsverfahren fragliche tatsächlich unionsrechtlich geregelt wäre. Kosten 58 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ihr persönlicher Geltungsbereich eine Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter, die ebenfalls Drittstaatsangehörige ist, unter den unten beschriebenen Umständen nur dann erfasst, wenn die Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden kann oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“: — Diese Drittstaatsangehörige hat vor weniger als fünf Jahren einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat erhalten, um mit dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zusammenzuziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind mit der Staatsangehörigkeit des letztgenannten Mitgliedstaats hat; — nur dieser Staatsangehörige des anderen Mitgliedstaats hat den Status eines Arbeitnehmers; — diese Drittstaatsangehörige und der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats wohnen inzwischen nicht mehr zusammen und — beide Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter. 2. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in Verbindung mit Art. 18 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Drittstaatsangehörigen, die sich in der in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Französisch. Parteien Entscheidungsgründe Tenor Parteien In der Rechtssache C-45/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour du travail de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 19. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Januar 2012, in dem Verfahren Office national d’allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS) gegen Radia Hadj Ahmed erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan sowie der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen – von Frau Hadj Ahmed, vertreten durch I. de Viron und M. Hernandez Dispaux, avocates, – der belgischen Regierung, vertreten durch C. Pochet und T. Materne als Bevollmächtigte im Beistand von J. Vanden Eynde, avocat, – der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten, – der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Van Hoof und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil Entscheidungsgründe 1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), von Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, und – Berichtigung – ABl. L 229, S. 35) in Verbindung mit Art. 18 AEUV sowie der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta). 2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Office national d’allocations familiales pour travailleurs salariés (ONAFTS) (Zentralanstalt für Familienbeihilfen für Arbeitnehmer) und Frau Hadj Ahmed über die Gewährung von garantierten Familienleistungen. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3. Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2), aufgehoben durch die Richtlinie 2004/38, bestimmte Folgendes: „(1) Bei dem Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt und im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist, dürfen folgende Personen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Wohnung nehmen: a) sein Ehegatte sowie die Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird; …“ 4. Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, aufgehoben durch die Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141, S. 1), dessen Wortlaut in Art. 10 der letztgenannten Verordnung übernommen wurde, sah in seinem Abs. 1 Folgendes vor: „Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.“ 5. Art. 1 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor: „Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert: … f) i) ‚Familienangehöriger‘: jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen oder dem Studierenden in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird. … …“ 6. Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt in seinem Abs. 1: „Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer … sowie für deren Familienangehörige …“ 7. Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 859/2003 des Rates vom 14. Mai 2003 zur Ausdehnung der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen (ABl. L 124, S. 1) sieht vor: „… [D]ie Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 … [finden] auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter diese Bestimmungen fallen, sowie auf ihre Familienangehörigen und ihre Hinterbliebenen Anwendung, wenn sie ihren rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben und ihre Situation mit einem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist.“ 8. Art. 13 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft“) der Richtlinie 2004/38 sieht in seinem Abs. 2 vor, dass die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt. 9. Art. 14 („Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“) derselben Richtlinie sieht in seinem Abs. 2 vor: „Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach [Artikel] 13 zu, solange sie die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. …“ Belgisches Recht 10. Art. 1 der Loi du 20 juillet 1971 instituant des prestations familiales garanties (Gesetz vom 20. Juli 1971 zur Einführung garantierter Familienleistungen) ( Moniteur belge vom 7. August 1971, S. 9302, und – deutsche konsolidierte Fassung – vom 19. August 2009, S. 54697) bestimmte in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung: „… Familienleistungen [werden] unter den durch oder aufgrund des vorliegenden Gesetzes festgelegten Bedingungen zugunsten von Kindern gewährt, die ausschließlich oder hauptsächlich einer in Belgien wohnhaften natürlichen Person zu Lasten sind. … In Absatz 1 erwähnte natürliche Personen müssen mindestens während der letzten fünf Jahre vor Einreichung eines Antrags auf garantierte Familienleistungen ununterbrochen tatsächlich in Belgien gewohnt haben. Von der Erfüllung dieser Bedingung sind befreit: 1. Personen, auf die die Verordnung … Nr. 1408/71 … anwendbar ist, 2. Staatenlose, 3. Flüchtlinge im Sinne des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 über die Einreise ins Staatsgebiet, den Aufenthalt, die Niederlassung und das Entfernen von Ausländern [ Moniteur belge vom 31. Dezember 1980, S. 14584, im Folgenden: Gesetz vom 15. Dezember 1980], 4. Personen, die nicht in Nr. 1 erwähnt sind und die Staatsangehörige eines Staates sind, der die Europäische Sozialcharta beziehungsweise die Revidierte Europäische Sozialcharta ratifiziert hat. Handelt es sich bei einer in Absatz 1 erwähnten natürlichen Person um einen Ausländer, muss ihr der Aufenthalt oder die Niederlassung in Belgien gemäß den Bestimmungen des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 … gestattet oder erlaubt sein …“ 11. Im für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum wurde die Befreiung von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes durch die Loi du 30 décembre 2009 portant des dispositions diverses (Gesetz vom 30. Dezember 2009 zur Festlegung verschiedener Bestimmungen) ( Moniteur belge vom 31. Dezember 2009, S. 82925) erweitert, indem Art. 1 Abs. 7 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen um eine Nr. 5 mit folgendem Wortlaut ergänzt wurde: „Personen, die garantierte Familienleistungen zugunsten eines Kindes beantragen, a) das Staatsangehöriger eines Staates ist, auf den die Verordnung … Nr. 1408/71 … anwendbar ist, oder, wenn dies nicht der Fall ist, das Staatsangehöriger eines Staates ist, der die Europäische Sozialcharta beziehungsweise die (Revidierte) Europäische Sozialcharta ratifiziert hat, b) oder das Staatenloser oder Flüchtling im Sinne des Gesetzes vom 15. Dezember 1980 … ist“. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 12. Frau Hadj Ahmed, eine algerische Staatsangehörige, ist in Belgien seit dem 18. Januar 2006 im Bevölkerungsregister eingetragen und seither Inhaberin eines Aufenthaltstitels für das belgische Hoheitsgebiet. Dieser Aufenthaltstitel wurde ihr erteilt, weil sie in Belgien mit einem Lebensgefährten französischer Staatsangehörigkeit zusammengezogen war. Frau Hadj Ahmed hat mit diesem ein gemeinsames Kind, das am 18. Dezember 2003 geboren wurde und ebenfalls die französische Staatsangehörigkeit besitzt. Im Jahr 2006, nachdem sie ihren Aufenthaltstitel bekommen hatte, holte sie ihre am 28. Januar 1993 geborene Tochter, die die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, nach Belgien. 13. Frau Hadj Ahmed, die nie Arbeitnehmerin in Belgien war, erhielt während der Zeit, in der sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebte, für ihre beiden Kinder Familienleistungen zum normalen Satz auf der Grundlage der von ihrem Lebensgefährten in Belgien zurückgelegten Beschäftigungszeiten. 14. Frau Hadj Ahmed und ihr Lebensgefährte trennten sich im Juni 2007. Seit dem 15. Mai 2007 ist Frau Hadj Ahmed, die von ihrem ehemaligen Lebensgefährten keinen Unterhalt erhält, auf Sozialhilfe angewiesen. 15. Seit dem 1. Oktober 2007 erhält Frau Hadj Ahmed keine Familienbeihilfe mehr für ihre Tochter, während sie diese für ihr anderes Kind weiterhin erhält. Sie beantragte beim ONAFTS garantierte Familienleistungen für ihre Tochter ab diesem Tag. Am 7. April 2008 lehnte der ONAFTS den Antrag mit der Begründung ab, dass die Betroffene die Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes nach Art. 1 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen nicht erfülle. 16. Mit Klageschrift vom 3. Juli 2008 erhob Frau Hadj Ahmed beim Tribunal du travail de Bruxelles Klage gegen den ablehnenden Bescheid des ONAFTS und berief sich dabei auf die Verordnung Nr. 1408/71. Gleichzeitig kam sie einer Aufforderung des ONAFTS nach und beantragte bei den zuständigen Behörden eine Befreiung von der Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes in Belgien. Infolge dieses Verfahrens erhielt Frau Hadj Ahmed nach Ablauf von vier Wohnsitzjahren, d. h. seit dem 18. Januar 2010, garantierte Familienleistungen für ihre Tochter. Daher werden diese Leistungen im Rahmen des Ausgangsverfahrens für den Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 18. Januar 2010 beansprucht. 17. Mit Urteil vom 23. August 2010 gab das Tribunal du travail de Bruxelles der Klage von Frau Hadj Ahmed statt. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 7. September 2004, Trojani (C-456/02, Slg. 2004, I-7573) ging es davon aus, dass die Betroffene, da sie berechtigt gewesen sei, sich als Familienangehörige eines Unionsbürgers in Belgien niederzulassen, einem Unionsbürger gleichgestellt sei und einen Anspruch darauf habe, in gleicher Weise behandelt zu werden wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. 18. Der ONAFTS legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem vorlegenden Gericht ein. Seiner Ansicht nach wird die Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens nicht vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 erfasst. Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob sich aus der Richtlinie 2004/38 herleiten lässt, dass ein Nichtunionsbürger, der mit einem Unionsbürger zusammenzieht, einem Unionsbürger gleichgestellt werden kann. Außerdem betreffe das Urteil Trojani einen Fall eines Unionsbürgers und einer Leistung der sozialen Sicherheit, also einen anderen Fall als den der Berufungsbeklagten des Ausgangsverfahrens. 19. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts hat Frau Hadj Ahmed ein Interesse daran, sich auf die Anwendung der Verordnung Nr. 1408/71 zu berufen, um zu erreichen, dass die in Art. 1 des Gesetzes zur Einführung garantierter Familienleistungen vorgesehene Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes nicht angewandt wird. 20. Unter diesen Umständen hat die Cour du travail de Bruxelles beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Fällt eine Staatsangehörige eines Drittstaats unter Umständen, unter denen dieser (hier algerischen) Staatsangehörigen weniger als fünf Jahre zuvor in einem Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Belgien) ein Aufenthaltstitel erteilt worden ist, um zu einem Bürger eines anderen Mitgliedstaats (hier einem französischen Staatsangehörigen) zu ziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind hat (das die französische Staatsangehörigkeit besitzt), für die Zwecke der Gewährung garantierter Familienleistungen an sie zugunsten eines weiteren Kindes, das die Staatsangehörigkeit eines Drittlands (im vorliegenden Fall die algerische) besitzt, als Familienangehörige eines Arbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71, obwohl ihre Lebensgemeinschaft mit dem Vater des Kindes, das die französische Staatsangehörigkeit besitzt, inzwischen beendet ist? 2. Falls die erste Frage verneint wird: Fällt diese Drittstaatsangehörige oder ihr Kind, das die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, unter den in der ersten Frage genannten Umständen und aufgrund der Tatsache, dass zu ihrem Haushalt das Kind gehört, das die französische Staatsangehörigkeit besitzt, für die Zwecke der Gewährung garantierter Familienleistungen an das Kind, das die algerische Staatsangehörigkeit besitzt, als Familienangehörige eines Arbeitnehmers, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71? 3. Falls die vorstehenden Fragen verneint werden: Hat diese Dritt staatsangehörige unter den in der ersten Frage genannten Umständen aufgrund von Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) einen Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie Inländer, solange ihr das Aufenthaltsrecht nicht entzogen worden ist, so dass es ausgeschlossen ist, dass der belgische Staat die Gewährung garantierter Familienleistungen von einer Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes abhängig macht, während von inländischen Empfängern die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt wird? 4. Falls die vorstehenden Fragen verneint werden: Kann sich diese Drittstaatsangehörige unter den in der ersten Frage genannten Umständen und als Mutter eines Unionsbürgers aufgrund von Art. 20 und Art. 21 der Charta auf den Grundsatz der Gleichbehandlung berufen, so dass es ausgeschlossen ist, dass der belgische Staat die Gewährung garantierter Familienleistungen an ein anderes ihrer Kinder, das die Staatsangehörigkeit eines Drittlands besitzt, von einer Voraussetzung hinsichtlich der Dauer des Wohnsitzes abhängig macht, während diese Voraussetzung für ein Kind, das die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats besitzt, nicht verlangt wird? Zu den Vorlagefragen Zur ersten und zur zweiten Frage 21. Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ihr persönlicher Geltungsbereich eine Drittstaatsangehörige (im Folgenden: Mutter) oder ihre Tochter, die ebenfalls Drittstaatsangehörige ist (im Folgenden: Tochter), erfasst, soweit sich diese in folgender Situation befinden: – Die Mutter hat vor weniger als fünf Jahren einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat erhalten, um mit einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zusammenzuziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind mit der Staatsangehörigkeit des letztgenannten Mitgliedstaats (im Folgenden: gemeinsames Kind) hat; – nur der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats hat den Status eines Arbeitnehmers; – die Mutter und der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats wohnen inzwischen nicht mehr zusammen und – die Tochter und das gemeinsame Kind leben im Haushalt der Mutter. 22. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Familienangehöriger“ eines Arbeitnehmers im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 in deren Art. 1 Buchst. f Ziff. i definiert ist als „jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist; wird nach diesen Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen … in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird“. 23. Somit verweist diese Bestimmung in einem ersten Schritt ausdrücklich auf die nationalen Rechtsvorschriften und definiert als „Familienangehörigen“ „jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, … als Familienangehöriger bestimmt, anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet ist“ (Urteil vom 26. November 2009, Slanina, C-363/08, Slg. 2009, I-11111, Randnr. 25). 24. In einem zweiten Schritt führt Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 folgendes Korrektiv ein: „[W]ird nach diesen [nationalen] Rechtsvorschriften eine Person jedoch nur dann als Familienangehöriger oder Haushaltsangehöriger angesehen, wenn sie mit dem Arbeitnehmer oder dem Selbständigen … in häuslicher Gemeinschaft lebt, so gilt diese Voraussetzung als erfüllt, wenn der Unterhalt der betreffenden Person überwiegend von diesem bestritten wird“ (Urteil Slanina, Randnr. 26). 25. Wie die tschechische Regierung und die Europäische Kommission zu Recht ausführen, wäre die in Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 aufgestellte Voraussetzung demnach erfüllt, wenn unter den Umständen des Ausgangsverfahrens die Mutter oder die Tochter im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden kann und, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“ (vgl. in diesem Sinne Urteil Slanina, Randnr. 27). 26. Die dem Gerichtshof vorliegende Akte enthält zwar Hinweise darauf, dass diese Voraussetzung im Ausgangsverfahren nicht erfüllt ist, doch ist es Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu prüfen. 27. Dagegen geht, worauf die belgische Regierung zu Recht hinweist, aus Art. 1 Buchst. f Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 in seiner in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils vorgenommenen Auslegung hervor, dass der bloße Umstand, dass das gemeinsame Kind im Haushalt der Mutter lebt, als solches nicht entscheidend für die Qualifizierung der Mutter oder der Tochter als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Sinne dieser Vorschrift ist. 28. In Bezug auf eine etwaige Anwendung der Verordnung Nr. 859/2003, auf die das vorlegende Gericht ebenfalls Bezug nimmt, ist festzustellen, dass gemäß Art. 1 dieser Verordnung der persönliche Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 auf Drittstaatsangehörige ausgedehnt wird, soweit diese ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits in den persönlichen Geltungsbereich der letztgenannten Verordnung fallen. 29. Die etwaige Nichtanwendung der Verordnung Nr. 1408/71 auf die Mutter oder die Tochter hängt indessen nicht von deren Staatsangehörigkeit ab, sondern davon, dass sie gegebenenfalls nicht als Familienangehörige des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Sinne von Art. 1 Buchst. f Ziff. i dieser Verordnung angesehen werden können. 30. Überdies muss nach Art. 1 der Verordnung Nr. 859/2003 ein Drittstaatsangehöriger zwei Voraussetzungen erfüllen, damit die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 auf ihn und seine Familienangehörigen anwendbar sind. Zum einen muss er einen rechtmäßigen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, und zum anderen darf er sich nicht in einer Situation befinden, die mit keinem Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Situation eines Drittstaatsangehörigen ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. November 2010, Xhymshiti, C-247/09, Slg. 2010, I-11845, Randnr. 28). 31. Zu der ersten Voraussetzung ist festzustellen, dass angesichts der in der Vorlageentscheidung enthaltenen Angaben sowohl die Mutter als auch die Tochter während des für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums ihren rechtmäßigen Wohnsitz in Belgien hatten. 32. In Bezug auf die zweite Voraussetzung weisen die Situation der Mutter und die der Tochter, wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, ausschließlich Verbindungen zu einem Drittstaat und einem einzigen Mitgliedstaat auf, nämlich zur Demokratischen Volksrepublik Algerien und zum Königreich Belgien. 33. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verordnung Nr. 859/2003 den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 auf Personen wie die Mutter oder die Tochter ausdehnt. 34. Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass ihr persönlicher Geltungsbereich die Mutter oder die Tochter, soweit sich diese in der oben in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befinden, nur dann erfasst, wenn sie im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden können oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“. Zur dritten Frage 35. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 18 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Mutter, die sich in der in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt. 36. Hierzu geht, worauf die belgische und die tschechische Regierung sowie die Kommission zu Recht hinweisen, aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ausdrücklich hervor, dass das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, gemäß dieser Bestimmung und unter bestimmten Voraussetzungen nur bei Scheidung oder Aufhebung einer Ehe oder bei Beendigung einer eingetragenen Partnerschaft bestehen bleibt. 37. Wie der Wortlaut der ersten Frage bestätigt, geht aus den maßgeblichen Umständen des Ausgangsverfahrens nicht hervor, dass zwischen der Mutter und dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats eine Ehe oder eine eingetragene Partnerschaft bestanden hätte. Unter diesen Umständen kann sich die Mutter weder nach Art. 13 Abs. 2 noch nach Art. 14 der Richtlinie 2004/38 auf ein Aufenthaltsrecht berufen, wobei sich Art. 14 in seinem Abs. 2 darauf beschränkt, auf das Erfordernis hinzuweisen, dass die Betroffenen für die Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsrechts die – insbesondere in Art. 13 der Richtlinie – aufgestellten Voraussetzungen erfüllen müssen. 38. Die Berücksichtigung von Art. 18 AEUV, auf den das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage Bezug nimmt, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. 39. Der Umstand, dass eine Person wie die Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens während des für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraums im Besitz eines Aufenthaltstitels für Belgien war, hat nämlich nicht zur Folge, dass ihr gemäß Art. 18 AEUV der Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zugutekäme. 40. Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 46 seines Urteils Trojani entschieden, dass sich ein Unionsbürger, sobald er in einem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, auf Art. 18 AEUV berufen kann, um eine Sozialleistung unter denselben Voraussetzungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats zu erhalten. 41. Diese Auslegung von Art. 18 AEUV, der die Unionsbürgerschaft betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnrn. 37 und 39), kann jedoch nicht ohne Weiteres auf eine Situation übertragen werden, in der ein Drittstaatsangehöriger in einem Mitgliedstaat eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. 42. Ferner ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Auch wenn das vorlegende Gericht seine dritte Frage der Form nach auf die Auslegung der Richtlinie 2004/38 beschränkt hat, hindert dies demnach den Gerichtshof nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die diesem bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Fuß, C-243/09, Slg. 2010, I-9849, Randnrn. 39 und 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 43. Die Kommission macht geltend, die Mutter könne sich, um dem zu entgehen, dass sie bei der Gewährung garantierter Familienleistungen der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes unterliege, auf den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit berufen und sich dabei auf ein Aufenthaltsrecht nach Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 stützen. 44. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es die Verwirklichung der von der Verordnung Nr. 1612/68 bezweckten Freizügigkeit der Arbeitnehmer unter Wahrung der Freiheit und Menschenwürde erforderlich macht, die bestmöglichen Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen (vgl. Urteile vom 13. November 1990, di Leo, C-308/89, Slg. 1990, I-4185, Randnr. 13, und vom 17. September 2002, Baumbast und R, C-413/99, Slg. 2002, I-7091, Randnr. 50). 45. Diese Integration kann nur gelingen, wenn das Kind eines Wanderarbeitnehmers die Möglichkeit hat, im Aufnahmemitgliedstaat die Schule zu besuchen und ein Studium zu absolvieren, wie dies in Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 ausdrücklich vorgesehen ist, um seine Ausbildung erfolgreich abschließen zu können (Urteile vom 15. März 1989, Echternach und Moritz, 389/87 und 390/87, Slg. 1989, 723, Randnr. 21, sowie Baumbast und R, Randnr. 51). 46. Nach der Rechtsprechung impliziert dieses Recht auf Zugang zum Unterricht ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Kindes eines Wanderarbeitnehmers oder ehemaligen Wanderarbeitnehmers, wenn es seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzen möchte, sowie ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich ausübt (vgl. Urteil vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, Slg. 2010, I-1107, Randnrn. 36 und 53). 47. Nach Ansicht der Kommission können sowohl die Tochter als auch das gemeinsame Kind und folglich auch die Mutter, da sie die elterliche Sorge für diese Kinder tatsächlich ausübt, ein solches auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gestütztes Aufenthaltsrecht für sich beanspruchen. 48. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens kann dieser Auslegung jedoch in Bezug auf die Tochter nicht gefolgt werden. 49. Zum einen ist nämlich unstreitig, dass die Tochter nicht das Kind des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ist. Im Verhältnis zu diesem ist sie also nicht das Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68. 50. Zum anderen ist zwar, wie die Kommission geltend macht, das gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1612/68 bestehende Recht des „Ehegatte[n] sowie [der] Verwandten in absteigender Linie, die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen Unterhalt gewährt wird“, auf Wohnungnahme bei dem Wanderarbeitnehmer dahin auszulegen, dass es sowohl den Abkömmlingen des Arbeitnehmers als auch denen seines Ehegatten zusteht (Urteil Baumbast und R, Randnr. 57). 51. Insoweit genügt jedoch der Hinweis, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Mutter nicht die Ehegattin des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats ist und war, da der Lebensgefährte im Rahmen eines bloße Zusammenlebens nicht als „Ehegatte“ im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1612/68 angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. April 1986, Reed, 59/85, Slg. 1986, 1283, Randnr. 16). Folglich kann die Tochter nicht als Kind eines Wanderarbeitnehmers oder ehemaligen Wanderarbeitnehmers angesehen werden. 52. Dagegen ist das gemeinsame Kind gemäß der dem Gerichtshof vorliegenden Akte tatsächlich das Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, im Sinne von Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68. Damit jedoch der Mutter als dem Elternteil, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich ausübt, ein auf diese Vorschrift gestütztes Aufenthaltsrecht zukommen kann, muss das gemeinsame Kind im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert worden sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2012, Czop und Punakova, C-147/11 und C-148/11, Randnr. 29). 53. Dem Gerichtshof liegen zur Situation des gemeinsamen Kindes, insbesondere zu dessen Beschulung, keine hinreichenden Informationen vor, so dass in diesem Verfahrensstadium vor dem Gerichtshof eine Interpretation der Folgen, die ein auf Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gestütztes Aufenthaltsrecht der Mutter für das Ausgangsverfahren haben könnte, rein hypothetisch wäre. 54. Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit Art. 18 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Mutter, die sich in der in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt. Zur vierten Frage 55. Angesichts der Antworten auf die vorstehenden Fragen ist die vierte Frage nicht zu beantworten. 56. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die in der Unionsrechtsordnung – einschließlich der Charta – garantierten Grundrechte in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung finden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson, C-617/10, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). 57. Wie aus den Antworten auf die vorstehenden Fragen hervorgeht, liegen dem Gerichtshof keine Angaben vor, aus denen geschlossen werden könnte, dass eine Situation wie die im Ausgangsverfahren fragliche tatsächlich unionsrechtlich geregelt wäre. Kosten 58. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Tenor Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: 1. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass ihr persönlicher Geltungsbereich eine Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter, die ebenfalls Drittstaatsangehörige ist, unter den unten beschriebenen Umständen nur dann erfasst, wenn die Drittstaatsangehörige oder ihre Tochter im Sinne des nationalen Gesetzes und für dessen Anwendung als „Familienangehörige“ des Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats angesehen werden kann oder, sofern dies nicht der Fall ist, wenn ihr „Unterhalt … überwiegend von diesem bestritten wird“: – Diese Drittstaatsangehörige hat vor weniger als fünf Jahren einen Aufenthaltstitel in einem Mitgliedstaat erhalten, um mit dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zusammenzuziehen, mit dem sie weder verheiratet noch eine eingetragene Partnerschaft eingegangen ist und von dem sie ein Kind mit der Staatsangehörigkeit des letztgenannten Mitgliedstaats hat; – nur dieser Staatsangehörige des anderen Mitgliedstaats hat den Status eines Arbeitnehmers; – diese Drittstaatsangehörige und der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats wohnen inzwischen nicht mehr zusammen und – beide Kinder leben im Haushalt ihrer Mutter. 2. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG in Verbindung mit Art. 18 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, mit der dieser die Gewährung garantierter Familienleistungen bei einer Drittstaatsangehörigen, die sich in der in Nr. 1 des Tenors des vorliegenden Urteils beschriebenen Situation befindet, von der Voraussetzung eines seit fünf Jahren bestehenden Wohnsitzes abhängig macht, während er von seinen eigenen Staatsangehörigen die Erfüllung dieser Voraussetzung nicht verlangt.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 19. April 2013. # Associação de Empresas de Construção e Obras Públicas e Serviços (Aecops) gegen Europäische Kommission. # ESF - Fortbildungsmaßnahme - Kürzung des ursprünglich gewährten Zuschusses - Verordnung [EG, Euratom] Nr. 2988/95 - Verjährung - Rechtssicherheit - Verteidigungsrechte - Angemessene Frist - Begründungspflicht. # Rechtssache T-52/11.
62011TJ0052
ECLI:EU:T:2013:204
2013-04-19T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62011TJ0052 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011TJ0052 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011TJ0052 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 19. April 2013. # Associação de Empresas de Construção e Obras Públicas e Serviços (Aecops) gegen Europäische Kommission. # ESF - Fortbildungsmaßnahme - Kürzung des ursprünglich gewährten Zuschusses - Verordnung [EG, Euratom] Nr. 2988/95 - Verjährung - Rechtssicherheit - Verteidigungsrechte - Angemessene Frist - Begründungspflicht. # Rechtssache T-51/11.
62011TJ0051
ECLI:EU:T:2013:203
2013-04-19T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62011TJ0051 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011TJ0051 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011TJ0051 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofes (Zehnte Kammer) vom 14. März 2013. # Viega GmbH & Co. KG gegen Europäische Kommission. # Rechtsmittel - Wettbewerb - Kartell - Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen - Löt- und Pressfittings - Beweisverfahren und -würdigung - Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht - Begründungspflicht - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. # Rechtssache C-276/11 P.
62011CJ0276
ECLI:EU:C:2013:163
2013-03-14T00:00:00
Mengozzi, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer) 14. März 2013(*) „Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartell – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Löt- und Pressfittings – Beweisverfahren und ‑würdigung – Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht – Begründungspflicht – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ In der Rechtssache C‑276/11 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Juni 2011, Viega GmbH & Co. KG mit Sitz in Attendorn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Burrichter, T. Mäger und M. Röhrig, Rechtsmittelführerin, andere Partei des Verfahrens: Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und R. Sauer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Böhlke, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Beklagte im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2013, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Viega GmbH & Co. KG (im Folgenden: Viega), das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 24. März 2011, Viega/Kommission (T‑375/06, im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.121 – Fittings) (im Folgenden: streitige Entscheidung) sowie, hilfsweise, auf Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße abgewiesen wurde. Vorgeschichte des Rechtsstreits 2        Das Gericht hat in den Randnrn. 1 bis 3, 7, 8, 11 und 12 des angefochtenen Urteils Folgendes festgestellt: „1      Mit der [streitigen Entscheidung] stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass mehrere Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) [im Folgenden: EWR-Abkommen] verstoßen hätten, indem sie sich während unterschiedlicher Zeiträume zwischen dem 31. Dezember 1988 und dem 1. April 2004 an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Form eines Bündels wettbewerbswidriger Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen auf dem Markt für Rohrverbindungen (Fittings) aus Kupfer und Kupferlegierungen, die das gesamte EWR-Gebiet abdeckten, beteiligt hätten. Die Zuwiderhandlung habe in der Festsetzung der Preise, der Vereinbarung von Preislisten, Preisnachlässen und Rückvergütungen sowie von Mechanismen zur Durchführung von Preiserhöhungen, in der Aufteilung der nationalen Märkte und der Kunden, im Austausch anderer geschäftlicher Informationen sowie in der Teilnahme an regelmäßigen Treffen und im Unterhalten anderer Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern, bestanden. 2      [Viega], eine Herstellerin von Kupferfittings, ist eine der Adressatinnen der [streitigen] Entscheidung. 3      Am 9. Januar 2001 informierte die Mueller Industries Inc., eine andere Herstellerin von Kupferfittings, die Kommission über das Bestehen eines Kartells in der Fitting-Branche und in anderen verwandten Branchen auf dem Kupferrohrmarkt und erklärte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gemäß der Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) … … 7      Ab Februar/März 2002 sandte die Kommission an die betroffenen Unternehmen mehrere Auskunftsverlangen, zunächst nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 und später nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) … 8      Im September 2003 beantragte die IMI plc [im Folgenden: IMI] die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996. Diesem Antrag folgten die Anträge der Delta-Gruppe (März 2004) und der FRA.BO SpA (Juli 2004). Der letzte Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung wurde im Mai 2005 von der Advanced Fluid Connections plc gestellt … … 11      In Art. 1 der [streitigen] Entscheidung stellte die Kommission fest, dass [Viega] vom 12. Dezember 1991 bis zum 22. März 2001 gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen habe. 12      Für diese Zuwiderhandlung setzte die Kommission gegen [Viega] in Art. 2 Buchst. j der [streitigen] Entscheidung eine Geldbuße von 54,29 Millionen Euro fest.“ 3        Bei Viega wurde der Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 60 Mio. Euro festgesetzt. Aufgrund der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung, nämlich neun Jahre und drei Monate, erhöhte die Kommission zunächst die Geldbuße um 90 %, so dass ihr Grundbetrag auf 114 Mio. Euro festgesetzt wurde. Sodann setzte die Kommission in Anwendung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 für Geldbußen geltenden Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes den Grundbetrag der gegen Viega verhängten Geldbuße auf 54,29 Mio. Euro herab. Vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und angefochtenes Urteil 4        Viega stützte ihre Klage vor dem Gericht im Wesentlichen auf vier Gründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch fehlerhafte Berechnung des maßgeblichen Umsatzes, zweitens auf einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung ihrer Beteiligung am Kartell, hilfsweise durch unrichtige Bestimmung der Dauer dieser Beteiligung, drittens auf einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 253 EG durch unrichtige Feststellung des räumlichen Umfangs ihrer Beteiligung am Kartell und viertens auf einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 durch Nichtberücksichtigung mildernder Umstände. 5        Das Gericht hat zunächst den zweiten und den dritten Klagegrund geprüft, mit denen Viega ihre Beteiligung an dem Kartell bestritt. Sodann hat es den ersten und den letzten Klagegrund geprüft, mit denen eine Herabsetzung der verhängten Geldbuße angestrebt wurde. Da es keinem der von Viega zur Stützung ihrer Klage vorgetragenen Gründe gefolgt ist, hat es ihre Klage insgesamt abgewiesen. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien 6        Viega beantragt mit ihrem Rechtsmittel, –        das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als sie dadurch beschwert ist, und die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie von ihr betroffen ist; –        hilfsweise, die in Art. 2 Buchst. j dieser Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder herabzusetzen; –        weiter hilfsweise, den Rechtsstreit zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen; –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 7        Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Viega die Kosten aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel 8        Viega stützt ihr Rechtsmittel auf drei Gründe. Zunächst habe das Gericht gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, die Grundsätze des Beweisverfahrens und die Begründungspflicht verstoßen. Ferner habe das Gericht Art. 81 EG und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verletzt. Schließlich habe das Gericht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. 9        Die Kommission ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Rechtsmittelgründe als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen seien. Sie fügt hinzu, da Viega nichts zur Stützung ihres Hilfsantrags auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße vorgetragen habe, sei dieser Antrag unzulässig. 10      Da sich die ersten beiden Rechtsmittelgründe weitgehend überschneiden, sind sie zusammen zu prüfen. Zum ersten und zum zweiten Rechtsmittelgrund, mit denen zum einen ein Verstoß gegen die Grundsätze des Beweisverfahrens, den Anspruch auf rechtliches Gehör und die Begründungspflicht und zum anderen eine Verletzung von Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gerügt wird Vorbringen der Parteien –       Erster Rechtsmittelgrund 11      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht Viega geltend, das Gericht stütze sich zum Nachweis ihrer Beteiligung am streitigen Kartell vorrangig auf die handschriftlichen Notizen von Herrn P. (Beschäftigter von IMI) und die Erklärung von IMI vom 17. Dezember 2003, ohne auf ihr Vorbringen zu diesen Dokumenten und den Umstand, dass sie die Beweiskraft dieser Beweise in Zweifel gezogen habe, einzugehen. Das Gericht habe im angefochtenen Urteil dieses Vorbringen und ihre ernstzunehmenden Einwände gegen die genannten Beweise nicht berücksichtigt. 12      Die Notizen von Herrn P. seien – teils zusammen mit der Erklärung von IMI – als Hauptbeweis für ihre Beteiligung am Kartell, den Grad ihrer Beteiligung sowie die Reichweite des Kartells herangezogen worden. Die Erklärung sei indessen im Rahmen eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung abgegeben worden, und das Gericht räume in Randnr. 35 des angefochtenen Urteils in Bezug auf den Beweiswert der in einem solchen Zusammenhang abgegebenen Erklärungen selbst ein, dass die Erklärung eines der Beteiligung an einem Kartell beschuldigten Unternehmens, deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten werde, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch Letztere angesehen werden könne, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert werde. Da die Erklärungen eines Mitarbeiters eines Unternehmens und die Erläuterungen des Unternehmens hierzu ein einziges Beweismittel darstellten, hätte das Gericht andere, die Feststellungen in den Notizen von Herrn P. und die Erklärung von IMI stützende Beweise heranziehen müssen. Das einzige vom Gericht insoweit in Randnr. 41 des angefochtenen Urteils angeführte Beweismittel sei jedoch unzureichend. 13      Was speziell das Beweisverfahren und die Beweiswürdigung anbelange, liege nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Beweislast für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln bei der Kommission als der Behörde, die diesen Vorwurf erhebe. Zwar müsse in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen könnten, doch dürften Erklärungen im Rahmen eines Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung nicht ungeprüft zugrunde gelegt werden, obwohl ihre Richtigkeit bestritten worden sei. 14      Das Gericht hätte von Amts wegen eine Beweisaufnahme über die inhaltliche Richtigkeit sowie das Datum und die Umstände der Entstehung der Behauptungen anordnen müssen. Viega sei nicht verpflichtet gewesen, insoweit im erstinstanzlichen Verfahren einen Beweisantrag zu stellen, da die subjektive Beweislast bezüglich der Richtigkeit der Behauptungen von Herrn P. und von IMI nicht bei ihr, sondern bei der Kommission gelegen habe. Jedenfalls habe sie Inhalt und Verlässlichkeit der fraglichen Behauptungen ausdrücklich in Frage gestellt. 15      Insbesondere habe das Gericht durch die Außerachtlassung ihres Vorbringens den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da die Beachtung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu Sanktionen führen könne, einen fundamentalen Grundsatz darstelle. Die Verteidigungsrechte umfassten nicht nur das Recht zur Stellungnahme, sondern auch den Anspruch auf Berücksichtigung entscheidungserheblichen Vorbringens, das vom Gericht geprüft werden müsse. 16      Durch die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens habe das Gericht auch gegen die Begründungspflicht verstoßen. Zum einen müssten bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Rahmen der Prüfung, ob die Begründungspflicht eingehalten worden sei, notwendigerweise die Tatsachen berücksichtigt werden, aufgrund deren das Gericht zu dem Schluss gelangt sei, dass die Begründung ausreichend oder nicht ausreichend sei. Zum anderen habe jedes Gericht die Pflicht, seine Entscheidungen zu begründen, indem es die Erwägungen anführe, die es dazu veranlasst hätten, einem förmlich geltend gemachten Klagegrund nicht stattzugeben. Das angefochtene Urteil, in dem die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens zur Richtigkeit der Hauptbeweismittel nicht begründet werde, genüge diesem Begründungsmaßstab offensichtlich nicht. 17      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. –       Zweiter Rechtsmittelgrund 18      Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht Viega geltend, das angefochtene Urteil verletze insofern Art. 81 Abs. 1 EG, als das Gericht festgestellt habe, dass sie am 30. April 1999 an einem Treffen mit „wettbewerbswidrigem Charakter“ teilgenommen habe. Das Urteil verletze auch insofern Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, als die Teilnahme an diesem Treffen bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße berücksichtigt worden sei. Da das Gericht weder die Einbeziehung von Pressfittings in das angebliche Kartell noch ihre Beteiligung an einem Pressfittingskartell dargetan habe, hätte ihr Umsatz in diesem Bereich bei der Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden dürfen. Dann hätte der von der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße auf 60 Mio. Euro festgesetzte Ausgangsbetrag nur 5,5 Mio. Euro betragen. 19      Das Gericht habe in Randnr. 32 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kommission für den Nachweis einer Verletzung von Art. 81 Abs. 1 EG eindeutige und übereinstimmende Beweise beibringen müsse, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen worden sei, und dass ein Zweifel des Gerichts dem Adressaten der Entscheidung zugutekommen müsse, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt werde. Das Gericht habe jedoch dieses Kriterium, das eine „feste Überzeugung“ verlange, nicht beachtet und somit im Ergebnis Art. 81 Abs. 1 EG verletzt, indem es vom Vorliegen einer rechtlich nicht hinreichend nachgewiesenen Zuwiderhandlung ausgegangen sei. 20      Das Gericht habe einen Fehler begangen, als es nach der Prüfung, ob bei dem Treffen vom 30. April 1999 in wettbewerbswidriger Weise die Frage der Preise auf dem Markt für Pressfittings erörtert worden sei, in Randnr. 47 des angefochtenen Urteils zu dem Schluss gelangt sei, dass die von Herrn P. während dieses Treffens angefertigten handschriftlichen Notizen eher auf ein Treffen mit wettbewerbswidrigem Charakter hinwiesen als auf ein Treffen, bei dem es lediglich um die Liefermöglichkeit gegangen sei. 21      Das Gericht habe sich im vorliegenden Fall nicht auf ungenaue Indizien stützen dürfen, die nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Zuwiderhandlung nahelegten; weder in der streitigen Entscheidung noch im angefochtenen Urteil sei nachgewiesen worden, dass die Pressfittings von einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften betroffen gewesen seien. Der Nachweis der Beteiligung an einem bestimmten Treffen und/oder der Nachweis des wettbewerbswidrigen Charakters dieses Treffens seien entscheidungserheblich, und wenn eine wettbewerbswidrige Absprache nur im Bereich der Lötfittings nachgewiesen worden wäre, wäre nur der Umsatz in diesem Bereich bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt worden. 22      Da Viega im Bereich der Pressfittings innovativ sei und in diesem Bereich eine Monopolstellung besitze, habe sie nicht an Absprachen über Pressfittings interessiert sein können. Überdies habe das angebliche Lötfittingskartell – anders als in den Randnrn. 81 bis 88 des angefochtenen Urteils ausgeführt – nicht die Pressfittings umfasst, denn diese seien wesentlich teurer als Lötfittings. 23      An den Treffen vom 17. Dezember 1999 und vom 27. Juni 2000 habe sie nicht teilgenommen. Diese Treffen hätten die Entwicklung einer gerade gegen sie gerichteten Strategie bezweckt, da sie Marktführer auf dem Pressfittingsmarkt gewesen sei. Was das Treffen vom 6. November 2000 anbelange, so werde weder mit den im angefochtenen Urteil herangezogenen Tatsachen noch durch Randnr. 41 dieses Urteils der Nachweis erbracht, dass es sich auch auf Pressfittings bezogen habe. 24      In Bezug auf das Treffen vom 30. April 1999 bestehe ein Widerspruch zwischen dem Umstand, dass das Gericht es anführe, um ihre Beteiligung an einem Pressfittingskartell nachzuweisen, und der Feststellung in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils, dass die Wettbewerber bis Juni 2000 über die Notwendigkeit eines Pressfittingskartells debattiert hätten. 25      Daraus sei zum einen zu schließen, dass das Gericht angesichts der unklaren Beweislage und ihres mangelnden Interesses an der Erstreckung des Kartells auf Pressfittings die Grundsätze der Beweiserhebung fehlerhaft angewandt und somit einen Rechtsirrtum begangen habe, als es ihr Vorbringen unberücksichtigt gelassen habe. Zum anderen stelle die Verurteilung zu einer Geldbuße von mehr als 50 Mio. Euro, die letztlich auf zwei Treffen beruhe, deren Bezug zu den Pressfittings in zwei Halbsätzen behandelt und unabhängig von jeder Beweiswürdigung festgestellt werde, einen eklatanten Begründungsmangel dar. 26      Zudem habe die fehlerhafte Anwendung des Beweismaßstabs in Bezug auf den wettbewerbswidrigen Zweck des Treffens vom 30. April 1999 ganz erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der verhängten Geldbuße und verletze deshalb Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003. 27      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. Würdigung durch den Gerichtshof 28      Erstens ist vorab festzustellen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, dass allein das Gericht dafür zuständig ist, die Tatsachen festzustellen – sofern sich nicht aus den ihm vorgelegten Akten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind – und sie zu würdigen. Hat das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt, so ist der Gerichtshof gemäß Art. 256 AEUV zur Kontrolle der rechtlichen Qualifizierung dieser Tatsachen und der Rechtsfolgen, die das Gericht aus ihnen gezogen hat, befugt (Urteile vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, Slg. 2008, I‑10515, Randnr. 96, und vom 27. Oktober 2011, Österreich/Scheucher-Fleisch u. a., C‑47/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 57). 29      Der Gerichtshof ist jedoch weder für die Feststellung der Tatsachen noch, grundsätzlich, für die Prüfung der Beweise zuständig, die das Gericht als Beleg für diese Tatsachen berücksichtigt hat. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und die Beweisaufnahme eingehalten worden, ist es allein Sache des Gerichts, den Beweiswert der ihm vorgelegten Beweismittel zu beurteilen. Diese Beurteilung stellt somit, sofern die Beweismittel nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt (Urteile British Aggregates/Kommission, Randnr. 97, und Österreich/Scheucher-Fleisch u. a., Randnr. 58). 30      Eine Verfälschung der Tatsachen muss sich in offensichtlicher Weise aus den Akten ergeben, ohne dass es einer neuen Tatsachen- und Beweiswürdigung bedarf (Urteil vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, Slg. 2006, I‑3173, Randnr. 54, und vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, Slg. 2010, I‑7989, Randnr. 50). 31      Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorbringen in der Rechtsmittelschrift, aber auch aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass die Rechtsmittelführerin mit ihrer Rüge einer Verletzung der Regeln des Beweisverfahrens in Wirklichkeit eine neue Würdigung der Tatsachen und Beweismittel anstrebt, zu der der Gerichtshof nicht befugt ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie sich gegen die Würdigung der Notizen von Herrn P., der Erklärung von IMI, ihrer Teilnahme an verschiedenen Treffen oder auch dem von ihr in Abrede gestellten Interesse, sich an dem Pressfittingskartell zu beteiligen, durch das Gericht wendet. 32      Folglich sind die Rechtsmittelgründe und ‑argumente, mit denen Tatsachenfeststellungen und ‑würdigungen des Gerichts in Frage gestellt werden sollen, als unzulässig zurückzuweisen. 33      Zweitens macht Viega geltend, das Gericht habe durch die ungerechtfertigte Zurückweisung ihrer Stellungnahme zum mangelnden Beweiswert bestimmter Beweise ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. 34      Dazu ist zunächst festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Anspruch auf rechtliches Gehör in einem gerichtlichen Verfahren nicht bedeutet, dass der Richter in seiner Entscheidung auf das gesamte Vorbringen sämtlicher Parteien umfassend eingehen muss. Der Richter hat nach Anhörung der Parteien und Würdigung der Beweise über den Klageantrag zu entscheiden und seine Entscheidung zu begründen (Urteil vom 10. Dezember 1998, Schröder u. a./Kommission, C‑221/97 P, Slg. 1998, I‑8255, Randnr. 24, Beschluss vom 28. Februar 2005, Becker/Rechnungshof, C‑260/02 P, Randnr. 25, und Urteil vom 11. Januar 2007, Technische Glaswerke Ilmenau/Kommission, C‑404/04 P, Randnr. 125). 35      Daraus folgt, dass bei der Kontrolle, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens vornimmt, zu prüfen ist, ob die Parteien tatsächlich in der Lage waren, im schriftlichen Verfahren ihr Vorbringen und die von ihnen angeführten Gründe sowie gegebenenfalls in der mündlichen Verhandlung die Einzelheiten ihres Vorbringens und ihre Antworten auf das Vorbringen der anderen Parteien des Verfahrens darzulegen. 36      Das Gericht ist jedoch nicht verpflichtet, in seiner erstinstanzlichen Entscheidung das gesamte schriftliche oder mündliche Vorbringen der Parteien wiederzugeben, und muss auch nicht zu jedem vorgebrachten Argument Stellung nehmen. 37      Im vorliegenden Fall sind die Zweifel von Viega am Beweiswert bestimmter in der streitigen Entscheidung herangezogener Beweise in Randnr. 38 des Sitzungsberichts des Gerichts ausführlich wiedergegeben worden, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass Viega in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht am 20. Januar 2010 keine Gelegenheit hatte, ihr Vorbringen im Einzelnen zu erläutern oder auf das Vorbringen der Kommission zu antworten. 38      Viega kann daher nicht geltend machen, das Gericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Dieses Vorbringen ist folglich unbegründet. 39      Drittens ist zu dem gerügten Versäumnis des Gerichts im Beweisverfahren festzustellen, dass im Hinblick auf Art. 66 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts grundsätzlich allein das Gericht für die Prüfung zuständig ist, ob Beweiserhebungen für die Entscheidung des Rechtsstreits zweckdienlich sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2001, Ismeri Europa/Rechnungshof, C‑315/99 P, Slg. 2001, I‑5281, Randnr. 19, und vom 7. November 2002, Glencore und Compagnie Continentale/Kommission, C‑24/01 P und C‑25/01 P, Slg. 2002, I‑10119, Randnr. 77). 40      Dagegen hat der Gerichtshof zu klären, ob das Gericht, insbesondere durch die Weigerung, die beantragten Maßnahmen anzuordnen, keinen Rechtsirrtum begangen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, ICI/Kommission, C‑200/92 P, Slg. 1999, I‑4399, Randnr. 59, und Beschluss vom 4. Oktober 2007, Olsen/Kommission, C‑320/05 P, Randnr. 64). 41      Viega macht nicht geltend, dass sie im ersten Rechtszug Beweiserhebungen mit dem Ziel der Widerlegung von Feststellungen in der streitigen Entscheidung beantragt habe. 42      In Anbetracht dessen hat das Gericht dadurch, dass es keine Beweiserhebung angeordnet hat, keinen Rechtsfehler begangen. 43      Folglich entbehrt das Vorbringen von Viega, das Gericht habe im Beweisverfahren einen Fehler begangen, der Grundlage. 44      Viertens schließlich ist zu dem Vorbringen von Viega, dem angefochtenen Urteil lasse sich nicht entnehmen, aus welchem Grund ihre Argumente, mit denen der Beweiswert bestimmter Beweise in Frage gestellt worden sei, zurückgewiesen worden seien, darauf hinzuweisen, dass die Begründungspflicht des Gerichts es den Beteiligten ermöglichen soll, die Gründe zu erfahren, aus denen das betreffende Urteil ergangen ist, und dem Gerichtshof ausreichende Angaben an die Hand geben soll, damit er seine Kontrolle wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnr. 60, und vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Randnr. 46). 45      Diese Pflicht bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht in seiner Entscheidung das gesamte Vorbringen der Parteien wiedergeben und zu jedem vorgebrachten Argument Stellung nehmen muss. 46      Im vorliegenden Fall hat das Gericht zunächst in den Randnrn. 41 bis 52 des angefochtenen Urteils auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien zur Beteiligung von Viega am streitigen Kartell die verschiedenen von den Parteien zu einer Reihe von Treffen angeführten Beweise geprüft. In Randnr. 53 des angefochtenen Urteils ist es zu dem Schluss gelangt, die Beteiligung von Viega am Kartell sei rechtlich hinreichend erwiesen, auch wenn sie nicht an all diesen Treffen teilgenommen habe. Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 55 und 58 bis 63 des angefochtenen Urteils die von der Kommission zur Dauer dieser Beteiligung angeführten Beweise geprüft und ist in den Randnrn. 57 und 64 des Urteils zu dem Schluss gelangt, dass sie zusammen genommen die Beteiligung von Viega am Kartell ab dem 12. Dezember 1991 belegten. 47      Der Inhalt dieser Randnummern lässt die Feststellung zu, dass sich aus dem angefochtenen Urteil zum einen die Gründe ergeben, aus denen das Gericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass und für welche Dauer Viega am streitigen Kartell beteiligt gewesen sei, und zum anderen die Beweise, die der Gerichtshof zur Ausübung seiner gerichtlichen Kontrolle benötigt. 48      Folglich entbehrt das Vorbringen von Viega, das Gericht habe seine Begründungspflicht verletzt, der Grundlage. 49      Der erste und der zweite Rechtsmittelgrund sind daher als teils unzulässig und teils unbegründet zurückzuweisen. Zum dritten Rechtsmittelgrund, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch die formalistische Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen und das Fehlen einer Gesamtabwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls gerügt werden Vorbringen der Parteien 50      Nach Ansicht von Viega ergibt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aus der formalistischen Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 65 § 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), sowie dem Fehlen einer Gesamtabwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls. 51      Dieser Grundsatz verlange, dass die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschritten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sei; folglich dürften in Kartellverfahren die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. Daher sei die verhängte Geldbuße so zu bemessen, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung in angemessenem Verhältnis zur Dauer und zu den anderen Faktoren stehe, die – wie der Einfluss, den das Unternehmen auf dem Markt habe ausüben können, der Gewinn, den es aus seinem Verhalten habe ziehen können, das Volumen und der Wert der betreffenden Leistungen sowie die Gefahr, die die Zuwiderhandlung für die Ziele der Union bedeute – für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Rolle spielen könnten. 52      Der Gerichtshof dürfe bei seiner Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht seine eigene Würdigung aus Gründen der Billigkeit an die Stelle der Würdigung des Gerichts setzen, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der verhängten Geldbußen entscheide, und ein Rechtsmittelgrund, der auf eine generelle Überprüfung von Geldbußen abziele, sei unzulässig. Vom Gerichtshof werde indessen lediglich die Feststellung begehrt, dass das Gericht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, als es im Rahmen der Festsetzung der Geldbuße die Schwere der Zuwiderhandlung ermittelt habe. 53      Viega habe nach den Feststellungen des Gerichts nur an sehr wenigen Treffen im Zusammenhang mit dem streitigen Kartell teilgenommen, und das Gericht habe in Randnr. 73 seines Urteils vom 24. März 2011, Kaimer u. a./Kommission (T‑379/06, Randnr. 73), als „Hauptbeteiligte“ nur die Unternehmen IMI, Delta/IBP und Comap SA genannt. Ferner habe das Gericht in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass sich die fehlende Teilnahme an einer Reihe von Treffen nicht auf ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung als solche auswirke, sondern allenfalls der Grad der Beteiligung geringer sein könne. Im Rahmen der Überprüfung der Höhe der Geldbuße sei dieser Aspekt jedoch nicht berücksichtigt worden. 54      Die von der Kommission verhängte und vom Gericht gebilligte Geldbuße sei nicht im Einklang mit den oben genannten Leitlinien und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berechnet worden. Da Viega bereits im ersten Rechtszug die Bemessung der Geldbuße, insbesondere die Einbeziehung der Umsätze bei Pressfittings, gerügt habe, sei nicht nachvollziehbar, wie das Gericht in Randnr. 86 des angefochtenen Urteils feststellen könne, dass sie die Wahl des Jahres 2000 als Referenzjahr für die Bemessung der Geldbuße nicht in Zweifel gezogen habe. Sie habe zwar nicht die Wahl des Jahres 2000 als Referenzjahr für die Gewichtung der Marktposition in Bezug auf Lötfittings beanstandet, doch von Anfang an der Einbeziehung der Umsätze bei Pressfittings widersprochen. 55      Sollten der erste und der zweite Rechtsmittelgrund zurückgewiesen werden, wäre daher die Geldbuße gleichwohl deutlich auf ein dem Grad der Kartellbeteiligung angemessenes Niveau herabzusetzen. 56      Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen. Würdigung durch den Gerichtshof 57      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die mögliche Unverhältnismäßigkeit einer durch eine Entscheidung der Kommission verhängten Geldbuße, da sie keinen Gesichtspunkt zwingenden Rechts darstellen kann, vom Gericht nicht von Amts wegen zu prüfen ist und dass das Gericht daher über einen auf eine solche Unverhältnismäßigkeit gestützten Klagegrund nur entscheidet, wenn er vom Kläger geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 64 bis 67 und 70). 58      Aus Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Rechtsmittelgründe auf Argumente gestützt sein müssen, die im Verfahren vor dem Gericht vorgebracht wurden. Zudem kann das Rechtsmittel gemäß Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs daher auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt. Eine Partei kann folglich den Gegenstand dieses Rechtsstreits nicht dadurch verändern, dass sie vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringt, das sie vor dem Gericht hätte vorbringen können, aber nicht vorgebracht hat, da ihr damit erlaubt würde, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit zu befassen, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35, und vom 3. Mai 2012, Legris Industries/Kommission, C‑289/11 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 33.) 59      Viega hat aber vor dem Gericht mit ihrer Forderung nach einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht konkret einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt. 60      Unter diesen Umständen ist der dritte Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen. 61      Da keiner der Rechtsmittelgründe von Viega durchgreift, ist das Rechtsmittel als teils unzulässig und teils unbegründet insgesamt zurückzuweisen. 62      Der Hilfsantrag von Viega auf Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße ist als unzulässig zurückzuweisen, da Viega außer den nicht durchgreifenden Rechtsmittelgründen kein Argument zur Stützung dieses Antrags vorgebracht hat. Kosten 63      Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Viega mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2.      Die Viega GmbH & Co. KG trägt die Kosten. Unterschriften * Verfahrenssprache: Deutsch.
Beschluss des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 21. Februar 2013.#Agim Ajdini gegen État belge, Service des Allocations aux Handicapés.#Verfahrensordnung – Art. 53 Abs. 2, 93 Buchst. a und 99 – Vorabentscheidungsersuchen – Prüfung der Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsnorm sowohl mit dem Unionsrecht als auch mit der nationalen Verfassung – Nationale Regelung, nach der ein Zwischenverfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit Vorrang hat – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Keine Umsetzung des Unionsrechts – Offensichtliche Unzuständigkeit des Gerichtshofs.#Rechtssache C‑312/12.
62012CO0312
ECLI:EU:C:2013:103
2013-02-21T00:00:00
Kokott, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2013 -00000
EUR-Lex - CELEX:62012CO0312 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012CO0312 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012CO0312 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst (Erste Kammer) vom 11. Dezember 2012. # Philippe Vienne gegen Europäisches Parlament. # Öffentlicher Dienst - Familienbeihilfen - Allocation de foyer. # Rechtssache F-97/11.
62011FJ0097
ECLI:EU:F:2012:181
2012-12-11T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62011FJ0097 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011FJ0097 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011FJ0097 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst (Dritte Kammer) vom 12. Dezember 2012. # BS gegen Europäische Kommission. # Öffentlicher Dienst - Soziale Sicherheit. # Rechtssache F-90/11.
62011FJ0090
ECLI:EU:F:2012:188
2012-12-12T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62011FJ0090 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011FJ0090 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011FJ0090 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 15. November 2012.#Bericap Záródástechnikai Bt. gegen Plastinnova 2000 Kft.#Vorabentscheidungsersuchen des Fővárosi Bíróság.#Richtlinie 2004/48/EG – Vorschriften für die Beweiswürdigung im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem nationalen Gericht, das mit einem Antrag auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusters befasst ist – Befugnisse des nationalen Gerichts – Pariser Verbandsübereinkunft – TRIPS-Übereinkommen.#Rechtssache C‑180/11.
62011CJ0180
ECLI:EU:C:2012:717
2012-11-15T00:00:00
Gerichtshof, Trstenjak
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0180 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) 15. November 2012 (*1) „Richtlinie 2004/48/EG — Vorschriften für die Beweiswürdigung im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem nationalen Gericht, das mit einem Antrag auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusters befasst ist — Befugnisse des nationalen Gerichts — Pariser Verbandsübereinkunft — TRIPS-Übereinkommen“ In der Rechtssache C-180/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Fővárosi Bíróság (Ungarn) mit Entscheidung vom 29. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2011, in dem Verfahren Bericap Záródástechnikai bt gegen Plastinnova 2000 kft, Beteiligte: Magyar Szabadalmi Hivatal, erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, J. Malenovský (Berichterstatter) und D. Šváby, Generalanwältin: V. Trstenjak, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Bericap Záródástechnikai bt, vertreten durch Zs. Kacsuk, ügyvéd, — der Plastinnova 2000 kft, vertreten durch J. Hergár, ügyvéd, — der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und B. Béres als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157, S. 45 und Berichtigungen ABl. 2004, L 195, S. 16, und ABl. 2007, L 204, S. 27) sowie des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen) in Anhang 1 C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), gebilligt mit Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) und der am 20. März 1883 in Paris unterzeichneten Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Band 828, Nr. 11851, S. 305, im Folgenden: Pariser Verbandsübereinkunft). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bericap Záródástechnikai bt (im Folgenden: Bericap) und der Plastinnova 2000 kft (im Folgenden: Plastinnova) über das angebliche Fehlen der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit bei einem Gebrauchsmuster. Rechtlicher Rahmen Völkerrecht Das TRIPS-Übereinkommen 3 Der erste Absatz der Präambel des TRIPS-Übereinkommens lautet: „Von dem Wunsch geleitet, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden …“ 4 In Art. 1 Abs. 1 und 2 von Teil I („Allgemeine Bestimmungen und Grundprinzipien“) des TRIPS-Übereinkommens heißt es: „(1)   Die Mitglieder wenden die Bestimmungen dieses Übereinkommens an. Die Mitglieder dürfen in ihr Recht einen umfassenderen Schutz als den durch dieses Übereinkommen geforderten aufnehmen, vorausgesetzt, dieser Schutz läuft diesem Übereinkommen nicht zuwider, sie sind dazu aber nicht verpflichtet. Es steht den Mitgliedern frei, die für die Umsetzung dieses Übereinkommens in ihrem eigenen Rechtssystem und in ihrer Rechtspraxis geeignete Methode festzulegen. (2)   Der Begriff ‚geistiges Eigentum‘ im Sinne dieses Übereinkommens umfasst alle Arten des geistigen Eigentums, die Gegenstand der Abschnitte 1 bis 7 des Teils II sind.“ 5 Art. 2 („Übereinkünfte über geistiges Eigentum“) dieses Übereinkommens sieht vor: „(1)   In Bezug auf die Teile II, III und IV dieses Übereinkommens befolgen die Mitglieder die Artikel 1 bis 12 sowie Artikel 19 der Pariser Verbandsübereinkunft (1967). (2)   Die in den Teilen I bis IV dieses Übereinkommens enthaltenen Bestimmungen setzen die nach der Pariser Verbandsübereinkunft, der Berner Übereinkunft, dem Rom-Abkommen und dem Vertrag über den Schutz des geistigen Eigentums im Hinblick auf integrierte Schaltkreise bestehenden Verpflichtungen der Mitglieder untereinander nicht außer Kraft.“ 6 Art. 41 Abs. 1 bis 3 des TRIPS-Übereinkommens, der in Teil III („Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums“) dieses Übereinkommens enthalten ist, bestimmt: „(1)   Die Mitglieder stellen sicher, dass die in diesem Teil aufgeführten Durchsetzungsverfahren in ihrem Recht vorgesehen werden, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung von unter dieses Übereinkommen fallenden Rechten des geistigen Eigentums einschließlich Eilverfahren zur Verhinderung von Verletzungshandlungen und Rechtsbehelfe zur Abschreckung von weiteren Verletzungshandlungen zu ermöglichen. Diese Verfahren sind so anzuwenden, dass die Errichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist. (2)   Die Verfahren zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums müssen fair und gerecht sein. Sie dürfen nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen. (3)   Sachentscheidungen sind vorzugsweise schriftlich abzufassen und mit Gründen zu versehen. Sie müssen zumindest den Verfahrensparteien ohne ungebührliche Verzögerung zur Verfügung gestellt werden. Sachentscheidungen dürfen sich nur auf Beweise stützen, zu denen die Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.“ Pariser Verbandsübereinkunft 7 Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind der Pariser Verbandsübereinkunft beigetreten. 8 Art. 1 Abs. 2 dieser Übereinkunft bestimmt: „Der Schutz des gewerblichen Eigentums hat zum Gegenstand die Erfindungspatente, die Gebrauchsmuster, die gewerblichen Muster oder Modelle, die Fabrik- oder Handelsmarken, die Dienstleistungsmarken, den Handelsnamen und die Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen sowie die Unterdrückung des unlauteren Wettbewerbs.“ 9 Art. 2 Abs. 1 der Übereinkunft sieht vor: „Die Angehörigen eines jeden der Verbandsländer genießen in allen übrigen Ländern des Verbandes in Bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile, welche die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, und zwar unbeschadet der durch diese Übereinkunft besonders vorgesehenen Rechte. Demgemäß haben sie den gleichen Schutz wie diese und die gleichen Rechtsbehelfe gegen jeden Eingriff in ihre Rechte, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden.“ Unionsrecht 10 Die Erwägungsgründe 4 bis 6 der Richtlinie 2004/48 lauten: „(4) Auf internationaler Ebene sind alle Mitgliedstaaten – wie auch die Gemeinschaft selbst in Fragen, die in ihre Zuständigkeit fallen, – an das [TRIPS-Übereinkommen] gebunden. (5) Das TRIPS-Übereinkommen enthält vornehmlich Bestimmungen über die Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, die gemeinsame, international gültige Normen sind und in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wurden. Diese Richtlinie sollte die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen aufgrund des TRIPS-Übereinkommens unberührt lassen. (6) Es bestehen weitere internationale Übereinkünfte, denen alle Mitgliedstaaten beigetreten sind und die ebenfalls Vorschriften über Instrumente zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums enthalten. Dazu zählen in erster Linie die Pariser Verbandsübereinkunft …, die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst und das Rom-Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen.“ 11 Im 27. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es: „Die Entscheidungen in Verfahren wegen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums sollten veröffentlicht werden, um künftige Verletzer abzuschrecken und zur Sensibilisierung der breiten Öffentlichkeit beizutragen.“ 12 Der 32. Erwägungsgrund der Richtlinie sieht vor: „Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. In besonderer Weise soll diese Richtlinie im Einklang mit Art. 17 Abs. 2 der Charta die uneingeschränkte Achtung geistigen Eigentums sicherstellen …“ 13 Der Gegenstand der Richtlinie 2004/48 ist in deren Art. 1 wie folgt festgelegt: „Diese Richtlinie betrifft die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ‚Rechte des geistigen Eigentums‘ auch die gewerblichen Schutzrechte.“ 14 Art. 2 dieser Richtlinie, der deren Anwendungsbereich betrifft, bestimmt in Abs. 1: „Unbeschadet etwaiger Instrumente in den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten, die für die Rechtsinhaber günstiger sind, finden die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Artikel 3 auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung.“ 15 Gemäß Art. 2 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/48 berührt diese nicht „die sich aus internationalen Übereinkünften für die Mitgliedstaaten ergebenden Verpflichtungen, insbesondere solche aus dem TRIPS-Übereinkommen, einschließlich solcher betreffend strafrechtliche Verfahren und Strafen“. 16 Art. 3 der Richtlinie bestimmt: „(1)   Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, auf die diese Richtlinie abstellt, erforderlich sind. Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen. (2)   Diese Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe müssen darüber hinaus wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein und so angewendet werden, dass die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird und die Gewähr gegen ihren Missbrauch gegeben ist.“ Ungarisches Recht Gesetz über den Gebrauchsmusterschutz 17 § 1 Abs. 1 des Gesetzes Nr. XXXVIII von 1991 über den Gebrauchsmusterschutz (A használati minták oltalmáról szóló 1991. évi XXXVIII. törvény) sieht vor: „Als Gebrauchsmuster wird jede technische Lösung im Hinblick auf die Gestaltung, Struktur oder Anordnung der Teile eines Gegenstands (im Folgenden: Muster) geschützt, sofern sie neu ist, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und gewerblich anwendbar ist.“ 18 § 2 Abs. 2 des Gesetzes über den Gebrauchsmusterschutz bestimmt: „Der Stand der Technik umfasst alles, was vor dem Tag der Anmeldung durch Veröffentlichung oder durch praktische Anwendung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.“ 19 § 3 Abs. 1 des Gesetzes bestimmt: „Ein Gebrauchsmuster impliziert eine erfinderische Tätigkeit, sofern es sich nicht für einen Sachkundigen offensichtlich aus dem Stand der Technik ergibt.“ 20 § 5 des Gesetzes bestimmt: „1.   Der Anmelder kommt in den Genuss des Gebrauchsmusterschutzes, wenn das Muster a) die Voraussetzungen der §§ 1 bis 4 dieses Gesetzes erfüllt und nicht nach Absatz 2 oder nach § 1 Absatz 2 vom Schutz ausgeschlossen ist.“ 21 § 24 des Gesetzes über den Gebrauchsmusterschutz sieht vor: „1.   Der Schutz eines Musters wird für ungültig erklärt, wenn a) der Gegenstand des Schutzes die in § 5 Abs. 1 Buchst. a geregelten Voraussetzungen nicht erfüllt. …“ 22 § 26 des Gesetzes bestimmt: „In die Zuständigkeit des ungarischen Patentamts fallen folgende Angelegenheiten: … c) die Ungültigerklärung des Musterschutzes.“ 23 § 27 des Gesetzes sieht vor: „… 3.   Die Entscheidungen des ungarischen Patentamts in Musterschutzangelegenheiten unterliegen nach Maßgabe des § 37 der richterlichen Kontrolle. 4.   Das ungarische Patentamt kann eine das Verfahren abschließende Entscheidung nur auf der Grundlage eines Antrags auf Abänderung und nur vor der Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs abändern oder widerrufen, sofern die Entscheidung folgenden Gegenstand hat: … c) die Ungültigerklärung des Musterschutzes.“ 24 § 36 Abs. 3 des Gesetzes über Gebrauchsmusterschutz bestimmt: „Die Bestimmungen des Patentgesetzes sind auf die Ungültigerklärung … eines Musterschutzes entsprechend anwendbar.“ 25 § 37 des Gesetzes sieht vor: „1.   Auf Antrag einer Partei kann das Gericht folgende Entscheidungen des ungarischen Patentamts abändern: a) Entscheidungen gemäß § 27 Abs. 4. … 13. Im Übrigen sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Überprüfung von Entscheidungen des ungarischen Patentamts im Bereich des Musterschutzes die Vorschriften über das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Überprüfung der Entscheidungen des ungarischen Patentamts im Bereich des Patentschutzes entsprechend anzuwenden.“ Das Patentgesetz 26 § 42 des Gesetzes XXXIII von 1995 über die Patentierbarkeit von Erfindungen (im Folgenden: Patentgesetz) bestimmt: „… 3. Die rechtskräftige Entscheidung über die Zurückweisung eines Ungültigkeitsantrags steht der Aufnahme eines neuen Verfahrens, das auf der Grundlage derselben Tatsachen auf die Ungültigerklärung desselben Patents gerichtet ist, entgegen.“ 27 § 80 des Patentgesetzes sieht vor: „1.   Vorbehaltlich des Absatzes 2 kann jedermann gemäß § 42 die Ungültigerklärung eines Patents gegenüber dessen Inhaber beantragen. 2.   Die Ungültigerklärung eines Patents gemäß § 42 Absatz 1 Buchstabe d kann beantragen, wer sein rechtmäßiger Inhaber ist.“ 28 § 81 dieses Gesetzes bestimmt: „… 3. Im Fall der Rücknahme des Ungültigkeitsantrags kann das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden. …“ 29 § 86 dieses Gesetzes lautet: „1.   Für Entscheidungen in Verfahren zur Abänderung von Entscheidungen des ungarischen Patentamts ist der Fővárosi Bíróság ausschließlich zuständig. …“ 30 § 88 des Gesetzes sieht vor: „Unbeschadet der in diesem Gesetz vorgesehenen Besonderheiten entscheidet das Gericht über Klagen auf Abänderung von Entscheidungen des ungarischen Patentamts auf der Grundlage der Bestimmungen über das nichtstreitige Verfahren. Sofern dieses Gesetz oder das nichtstreitige Verfahren nicht etwas anderes vorsehen, sind auf das Verfahren die allgemeinen Bestimmungen des Polgári perrendtartásról szóló 1952. évi III. törvény (Gesetz III aus dem Jahr 1952 über den Zivilprozess) entsprechend anwendbar.“ Das Zivilprozessgesetz 31 Die §§ 3 und 4 des Zivilprozessgesetzes stehen in Teil I („Allgemeine Bestimmungen“) in dem Kapitel mit der Überschrift „Grundsätze“ und dem Abschnitt mit der Überschrift „Aufgaben des Gerichts im Zivilprozess“. 32 § 3 Abs. 2 des Gesetzes bestimmt: „2.   Das Gericht ist, sofern nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, an die Anträge und sonstigen rechtserheblichen Erklärungen der Parteien gebunden. …“ 33 § 4 Abs. 1 des Gesetzes sieht vor: „1.   Beim Erlass seiner Entscheidung ist das Gericht weder an die Entscheidungen anderer Behörden noch an Disziplinarentscheidungen oder an den in diesen Entscheidungen festgestellten Sachverhalt gebunden.“ Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 34 Am 17. Mai 1991 stellte Plastinnova beim ungarischen Patentamt einen Antrag auf Schutz von gewerblichen Mustern oder Modellen unter der Nr. 2252-320/91 und reichte am 1. September 1992 einen Antrag auf Gebrauchsmusterschutz ein. Mit der Begründung, es handele sich um eine Änderung der Modalität, beanspruchte Plastinnova für den zweiten Antrag die Priorität des ursprünglichen Antrags. Das ungarische Patentamt gab dem Antrag auf Änderung der Modalität statt und gewährte den Schutz des Gebrauchsmusters mit der Priorität des Antrags auf Schutz des gewerblichen Musters oder Modells. 35 Bericap beantragte am 6. Mai 1998 die Ungültigerklärung des Schutzes des Gebrauchsmusters, da es weder neu sei noch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. 36 Mit der Entscheidung Nr. U9200215/35 vom 1. Juni 2004 bestätigte das ungarische Patentamt die Wirksamkeit des Gebrauchsmusterschutzes, wobei es dessen Schutzumfang begrenzte. 37 Plastinnova beantragte als Inhaberin des Gebrauchsmusters beim Fővárosi Bíróság die Abänderung der Entscheidung des ungarischen Patentamts. Dieser wies den Antrag in erster Instanz zurück und erklärte unter Abänderung der Entscheidung Nr. U9200215/35 den Schutz des streitigen Gebrauchsmusters für ungültig. 38 Auf das Rechtsmittel von Plastinnova änderte der Fővárosi Ítélőtábla (Regionalgericht Budapest) durch Beschluss die erstinstanzliche Entscheidung ab und hob den die Ungültigerklärung des Gebrauchsmusterschutzes betreffenden Teil auf, während er die Entscheidung im Übrigen bestätigte. 39 Bericap legte beim Legfelsőbb Bíróság (Oberster Gerichtshof von Ungarn) ein Rechtsmittel ein, der den in der zweiten Instanz ergangenen Beschluss bestätigte. 40 Das vorliegende Verfahren (Verwaltungsverfahren) nahm seinen Ausgang am 31. Januar 2007, als Bericap erneut beim ungarischen Patentamt die Ungültigerklärung des streitigen Gebrauchsmusters beantragte. Als Ungültigkeitsgründe machte sie geltend, dass das Gebrauchsmuster weder neu sei noch auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Ihrem Antrag fügte sie neben anderen Dokumenten Patentbeschreibungen als Anlagen K4 bis K10, K19 bis K25, K29 und K30 bei. 41 Plastinnova beantragte, den neuen Ungültigkeitsantrag wegen des vorhergegangenen Ungültigkeitsverfahrens ohne Sachprüfung zurückzuweisen. 42 Mit seiner Entscheidung Nr. U9200215/58 wies das ungarische Patentamt den Antrag auf Ungültigerklärung unter Hinweis auf § 42 Abs. 3 des Patentgesetzes zurück. Es ließ unter Anwendung dieser Bestimmung in dem neuen Ungültigkeitsverfahren die Patentbeschreibungen K4 bis K8, K10, K19, K21 und K22, die sich unter den zuvor erwähnten Dokumenten befanden, unberücksichtigt. Es war nämlich der Auffassung, dass diese Dokumente „die Grundlage der in dem vorhergegangenen Ungültigkeitsverfahren ergangenen Entscheidung darstellten“. Es fügte hinzu, dass „[j]edes dieser Dokumente … unabhängig davon geprüft [wurde], welches von ihnen für das Gebrauchsmuster relevante Informationen enthielt“, und dass „[i]n Anbetracht dessen, dass die frühere Entscheidung auf sämtliche dieser geprüften Dokumente gestützt wurde, [diese] im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben [mussten]“. Das ungarische Patentamt führte ferner aus, dass „jedes einzelne Merkmal des Hauptgegenstands des Gebrauchsmusterschutzes anhand der Fotografien identifiziert werden kann, so dass dem Gebrauchsmusterschutz die Priorität zuzuerkennen ist.“ Zudem sei „in der in dem vorhergegangenen Verfahren ergangenen Entscheidung … ebenfalls zur Frage der Priorität Stellung genommen und gleichfalls festgestellt [worden], dass, da es um eine Änderung der Modalität ging, dem Gebrauchsmusterschutz die dem Schutz von gewerblichen Mustern und Modellen entsprechende Priorität zuzuerkennen ist“. Dabei wies das ungarische Patentamt darauf hin, dass die Patentbeschreibungen K20 und K23 nicht dem Stand der Technik entsprächen. 43 Schließlich prüfte das ungarische Patentamt das Fehlen der Neuheit und des erfinderischen Schritts lediglich auf der Grundlage der Patentbeschreibungen K9, K24, K25, K29 und K30 und stellte fest, dass die geltend gemachten Ungültigkeitsgründe nicht nachgewiesen worden seien. 44 Bericap beantragte bei dem vorlegenden Gericht die Abänderung der Entscheidung Nr. U9200215/58 und die Ungültigerklärung des Gebrauchsmusters. Sie beantragte, sämtliche vorgelegten Beweismittel zu berücksichtigen, und machte geltend, ähnlich wie bei den Patenten begründe der Gebrauchsmusterschutz ausschließliche Rechte für seinen Inhaber. Folglich liege es im öffentlichen Interesse, zu gewährleisten, dass nur der den gesetzlichen Anforderungen genügende Gebrauchsmusterschutz ausschließliche Rechte begründe. Der Gesetzgeber gewährleiste die Berücksichtigung des öffentlichen Interesses durch das Rechtsinstitut der Ungültigkeit. § 80 Abs. 1 des Patentgesetzes zeige, dass – vorbehaltlich § 80 Abs. 2 – das Ungültigkeitsverfahren im Allgemeininteresse liege, da es vorsehe, dass jede Person nach Maßgabe von § 42 dieses Gesetzes gegenüber dem Inhaber eines Patents dessen Ungültigkeit geltend machen könne. Das Allgemeininteresse komme auch in § 81 Abs. 3 des Patentgesetzes zum Ausdruck, wonach im Fall der Rücknahme des Antrags auf Ungültigerklärung das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden könne. 45 Plastinnova beantragte, die Entscheidung Nr. U9200215/58 aufrechtzuerhalten, da sie sachlich begründet sei. 46 Das vorlegende Gericht hob die Entscheidung Nr. U9200215/58 des ungarischen Patentamts auf und verpflichtete es zur Durchführung eines neuen Verfahrens. Es wies darauf hin, dass bei der Entscheidung über den neuen Ungültigkeitsantrag neue Beweismittel nicht allein deshalb, weil sie bereits im Ungültigkeitsverfahren vorgelegt worden seien, unberücksichtigt bleiben dürften. 47 Der Fővárosi Ítélőtábla hob den in erster Instanz ergangenen Beschluss auf und verwies die Rechtssache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an den Fővárosi Bíróság zurück, nachdem er festgestellt hatte, dass das ungarische Patentamt bei der Entscheidung über den neuen Ungültigkeitsantrag den zu prüfenden Sachverhalt zutreffend eingegrenzt habe. 48 In der Vorlageentscheidung führt der Fővárosi Bíróság aus, dass sich für ihn im Hinblick auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/48, insbesondere Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2, die Frage stelle, wie die Vorschriften des nationalen Rechts in Bezug auf Verfahren zur Ungültigerklärung von Gebrauchsmustern anzuwenden seien. 49 Er führt ferner aus, dass die Fragen, um deren Beantwortung der Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren ersucht wird, auf einem Vergleich der Bestimmungen der Pariser Verbandsübereinkunft und des TRIPS-Übereinkommens mit der Art und Weise beruhten, in der die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts angewandt würden. Er stellt insoweit fest, dass die Pariser Verbandsübereinkunft in Ungarn durch das Gesetzesdekret Nr. 18 aus dem Jahr 1970 und das TRIPS-Übereinkommen durch das Gesetz Nr. IX aus dem Jahr 1998 verkündet wurde. 50 Unter diesen Umständen hat der Fővárosi Bíróság entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Steht es mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang, wenn in einem Abänderungsverfahren, das einen Antrag auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusterschutzes betrifft, die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe derart ausgestaltet sind, dass das nationale Gericht nicht an die Anträge und sonstigen rechtserheblichen Erklärungen der Parteien gebunden ist, konkret, dass es von Amts wegen die seiner Ansicht nach erforderlichen Beweiserhebungen vornehmen kann? 2. Steht es mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang, wenn in einem Abänderungsverfahren, das einen Antrag auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusterschutzes betrifft, die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe derart ausgestaltet sind, dass das nationale Gericht beim Erlass einer Entscheidung weder an die Verwaltungsentscheidung über einen Antrag auf Ungültigerklärung noch an den in der Verwaltungsentscheidung festgestellten Sachverhalt, noch – konkret – an die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemachten Ungültigkeitsgründe oder die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens erfolgten Erklärungen, Beurteilungen und Beweiserhebungen gebunden ist? 3. Steht es mit dem Recht der Europäischen Union im Einklang, wenn in einem Abänderungsverfahren, das einen neuen Antrag auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusterschutzes betrifft, die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe derart ausgestaltet sind, dass das nationale Gericht von der Erhebung der sich auf den neuen Antrag beziehenden Beweismittel – einschließlich der Beweismittel zum Stand der Technik – diejenigen ausnimmt, die bereits im Rahmen eines früheren Antrags auf Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusterschutzes vorgelegt wurden? Zu den Vorlagefragen Zur Zulässigkeit 51 Plastinnova und die ungarische Regierung halten das Vorabentscheidungsersuchen unter verschiedenen Gesichtspunkten für unzulässig. 52 Erstens beantragt Plastinnova, das Ersuchen ohne Sachprüfung zurückzuweisen, weil der Fővárosi Bíróság nach der Zivilprozessordnung nicht zu einer solchen Vorlage befugt gewesen sei; außerdem sei, da gegen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung die Kassationsbeschwerde gegeben sei, nur der Oberste Gerichtshof zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens befugt. 53 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nationalen Gerichte gemäß Art. 267 AEUV ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den Gerichtshof haben, wenn eine bei ihnen anhängige Rechtssache Fragen nach der Auslegung oder der Gültigkeit der unionsrechtlichen Bestimmungen aufwirft und sie eine Entscheidung darüber zur Entscheidung des ihnen unterbreiteten Rechtsstreits für erforderlich halten. Den nationalen Gerichten steht es zudem frei, diese Möglichkeit in jedem Moment des Verfahrens, den sie für geeignet halten, wahrzunehmen (vgl. Urteil vom 5. Oktober 2010, Elchinov, C-173/09, Slg. 2010, I-8889, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung). 54 Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass eine nationale Verfahrensvorschrift nicht die Befugnis der nicht in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichte in Frage stellen kann, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen, wenn sie, wie im Ausgangsverfahren, Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts haben (Urteile Elchinov, Randnr. 25, und vom 20. Oktober 2011, Interedil, C-396/09, Slg. 2011, I-9915, Randnr. 35). 55 Der Gerichtshof hat ferner festgestellt, dass es einem Gericht, das nicht in letzter Instanz entscheidet, freistehen muss, dem Gerichtshof die Fragen vorzulegen, bei denen es Zweifel hat, wenn es der Ansicht ist, dass es aufgrund der rechtlichen Beurteilung des übergeordneten Gerichts zu einem unionsrechtswidrigen Urteil gelangen könnte (vgl. Urteil Elchinov, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56 Unter diesen Umständen ist die von Plastinnova erhobene Unzulässigkeitseinrede in diesem Punkt zurückzuweisen. 57 Zweitens macht die ungarische Regierung geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei als unzulässig zurückzuweisen, weil das vorlegende Gericht nicht die Gründe darlege, aus denen es eine Auslegung der Richtlinie 2004/48 für unerlässlich halte. 58 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Gerichtshof das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C-379/98, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 39, vom 15. Juni 2006, Acereda Herrera, C-466/04, Slg. 2006, I-5341, Randnr. 48, und vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, Slg. 2006, I-11421, Randnr. 25). 59 Es ist jedoch festzustellen, dass weder die vom vorlegenden Gericht erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich jedes Zusammenhangs mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits entbehrt noch die Fragen nach der Auslegung dieser Vorschriften offensichtlich hypothetisch sind. Auch wenn die vorgelegten Fragen sehr allgemein auf das Unionsrecht Bezug nehmen, ergibt sich doch aus der Vorlageentscheidung, dass das mit dem Ausgangsrechtsstreit befasste Gericht tatsächlich um die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48 sowie von Art. 2 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft und Art. 41 Abs. 1 und 2 des TRIPS-Übereinkommens bittet, um ihm die Beurteilung der Frage zu ermöglichen, ob die bei einem Antrag auf Ungültigerklärung des Schutzes eines Gebrauchsmusters anzuwendenden nationalen Verfahrensvorschriften mit diesen Bestimmungen vereinbar sind. 60 Damit ist die für Vorlagefragen geltende Vermutung der Entscheidungserheblichkeit nicht widerlegt. 61 Demnach ist auch diese zweite Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen. 62 Drittens zieht die ungarische Regierung die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Zweifel, indem sie geltend macht, dass die Richtlinie 2004/48 für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits offensichtlich irrelevant sei, da sie lediglich darauf abziele, die im Fall von Verstößen gegen Rechte des geistigen Eigentums anwendbaren zivil- und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu harmonisieren. Gegenstand des laufenden Verfahrens in der vorliegenden Rechtssache sei jedoch die Gültigkeit eines Gebrauchsmusters und kein Verstoß gegen Rechte des geistigen Eigentums. 63 Hierzu genügt die Feststellung, dass die Frage, ob ein Verfahren zur Ungültigerklärung eines Gebrauchsmusters ein Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung von Rechten des geistigen Eigentums darstellt, nicht die Zulässigkeit der Vorlagefragen betrifft, sondern deren Kern (vgl. entsprechend Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Randnr. 30, und vom 21. Oktober 2010, Padawan, C-467/08, Slg. 2010, I-10055, Randnr. 27). Folglich kann eine solche Feststellung nicht zur Zurückweisung des Vorabentscheidungsersuchens bereits im Stadium der Zulässigkeitsprüfung führen. 64 Da auch diese dritte Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen ist, ist nach alledem das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig zu erklären. Zur Begründetheit 65 Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, dass das Gericht in einem gerichtlichen Verfahren, das einen Antrag auf Ungültigerklärung des Schutzes eines Gebrauchmusters betrifft, — nicht an die Anträge und sonstigen Erklärungen der Parteien gebunden ist und von Amts wegen die seiner Ansicht nach erforderlichen Beweiserhebungen vornehmen kann, — weder an eine Verwaltungsentscheidung über einen Antrag auf Ungültigerklärung noch an den in dieser Entscheidung festgestellten Sachverhalt gebunden ist und — Beweise, die bereits im Rahmen eines früheren Antrags auf Ungültigerklärung vorgelegt worden sind, nicht erneut prüfen kann. 66 Insbesondere geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die Richtlinie 2004/48 auf das im Ausgangsrechtsstreit durchgeführte Verfahren anwendbar ist und das Gericht Zweifel in Bezug auf die Auslegung dieser Richtlinie, und zwar der Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2, im Licht der in Randnr. 59 des vorliegenden Urteils genannten Artikel der Pariser Verbandsübereinkunft und des TRIPS-Übereinkommens hat. 67 Hierzu ist vorab festzustellen, dass das Übereinkommen zur Errichtung der WTO, zu dem das TRIPS-Übereinkommen gehört, von der Union unterzeichnet und sodann mit dem Beschluss 94/800 gebilligt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind deshalb die Vorschriften des TRIPS-Übereinkommens fortan integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung, und in deren Rahmen ist der Gerichtshof zuständig, im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung dieses Übereinkommens zu befinden (vgl. Urteil vom 11. September 2007, Merck Genéricos – Produtos Farmacêuticos, C-431/05, Slg. 2007, I-7001, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). 68 Insbesondere geht aus den Bestimmungen von Art. 41 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 des TRIPS-Übereinkommens hervor, dass die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens sicherstellen, dass Durchsetzungsverfahren mit genau bestimmten Merkmalen in ihrem Recht vorgesehen werden, um ein wirksames Vorgehen gegen jede Verletzung von unter dieses Übereinkommen fallenden Rechten des geistigen Eigentums zu ermöglichen. 69 Gemäß diesen Bestimmungen sind die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens, darunter die Union, somit verpflichtet, im Wege der Rechtsetzung Maßnahmen zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, die mit dem in diesen Bestimmungen näher Dargelegten in Einklang stehen, in ihr innerstaatliches Recht aufzunehmen. 70 Außerdem müssen, da das TRIPS-Übereinkommen in seinem Art. 2 Abs. 1 vorsieht, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf die Teile II, III und IV dieses Übereinkommens die Art. 1 bis 12 sowie 19 der Pariser Verbandsübereinkunft befolgen, die nach Art. 41 Abs. 1 und 2 des TRIPS-Übereinkommens erforderlichen Rechtsvorschriften u. a. mit Art. 2 Abs. 1 dieser Übereinkunft vereinbar sein. 71 Nach Art. 2 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft genießen die Angehörigen eines jeden der Länder, in denen diese Übereinkunft gilt, in allen übrigen Ländern, in denen diese Übereinkunft gilt, in Bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile, die die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden, und zwar unbeschadet der in dieser Übereinkunft besonders vorgesehenen Rechte. Demgemäß haben sie denselben Schutz wie diese und dieselben Rechtsbehelfe gegen jeden Eingriff in ihre Rechte, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden. 72 Das wesentliche Element, das allen genannten Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens und der Pariser Verbandsübereinkunft gemein ist, stellt also die Verpflichtung der Parteien dieser Übereinkünfte dar, mit ihrem innerstaatlichen Recht die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen, indem sie wirksame Rechtsschutzmöglichkeiten gegen jede Handlung, die diese Rechte verletzen könnte, vorsehen. 73 Die Union ist dieser Rechtsetzungspflicht durch den Erlass der Richtlinie 2004/48 nachgekommen, die, wie aus ihrem Art. 1 hervorgeht, gerade die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch Einführung verschiedener Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe in den Mitgliedstaaten sicherstellen soll. 74 Insbesondere finden, wie sich aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 ergibt, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe gemäß Art. 3 dieser Richtlinie auf jede Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, die im Unionsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung. 75 Somit zielen alle diese Bestimmungen der genannten Übereinkünfte und der Richtlinie 2004/48 (im Folgenden: betreffende Bestimmungen) nicht darauf ab, alle Aspekte im Zusammenhang mit Rechten des geistigen Eigentums zu regeln, sondern nur diejenigen, die zum einen eng mit der Durchsetzung dieser Rechte verbunden sind und zum anderen Verletzungen dieser Rechte betreffen, indem sie das Vorhandensein wirksamer Rechtsbehelfe vorschreiben, die dazu bestimmt sind, jede Verletzung eines bestehenden Rechts des geistigen Eigentums zu verhüten, abzustellen oder zu beheben. 76 Wie aus Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union hervorgeht, setzt ein Verfahren, das die Durchsetzung eines Rechts des geistigen Eigentums sicherstellen soll, voraus, dass dieses Recht rechtmäßig erworben wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C-154/04 und C-155/04, Slg. 2005, I-6451, Randnr. 128). 77 Hieraus folgt, dass, wie sich im Übrigen auch aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 ergibt, die betreffenden Bestimmungen nur die Durchsetzung der verschiedenen Rechte sicherstellen, die Personen gehören, die Rechte des geistigen Eigentums erworben haben, d. h. den Inhabern solcher Rechte, und nicht dahin ausgelegt werden können, dass sie die verschiedenen Maßnahmen und Verfahren regeln sollen, die Personen zur Verfügung gestellt werden, die, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die von anderen erworbenen Rechte des geistigen Eigentums anfechten, ohne selbst Inhaber solcher Rechte zu sein. 78 Ein Verfahren zur Ungültigerklärung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende wird aber gerade einer Person zur Verfügung gestellt, die, ohne Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums zu sein, den dem Inhaber der entsprechenden Rechte gewährten Schutz eines Gebrauchsmusters anfechten. 79 Daher zielt ein solches Verfahren nicht auf die Sicherstellung des Schutzes von Inhabern von Rechten des geistigen Eigentums im Sinne der betreffenden Bestimmungen ab. 80 Dieses Verfahren schließt nämlich keine Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums mit ein, sei es bei der dieses Verfahren einleitenden Person, da diese kein Inhaber eines solchen Rechts ist und daher definitionsgemäß keine Verletzung dieses Rechts erleiden kann, sei es bei dem Inhaber eines Rechts, auf das dieses Verfahren abzielt, da ein gegen ihn eingelegter rechtmäßiger Rechtsbehelf, mit dem das Bestehen seines Rechts des geistigen Eigentums rechtlich angefochten wird, definitionsgemäß nicht als Verletzung qualifiziert werden kann. 81 Aus alledem ergibt sich, dass die betreffenden Bestimmungen nicht darauf abzielen, die verschiedenen Aspekte eines Verfahrens zur Ungültigerklärung wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu regeln. 82 Infolgedessen ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48, ausgelegt im Licht von Art. 2 Abs. 1 der Pariser Verbandsübereinkunft und Art. 41 Abs. 1 und 2 des TRIPS-Übereinkommens, da sie nicht auf ein Verfahren zur Ungültigerklärung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar sind, es nicht verbieten, dass das Gericht in einem solchen gerichtlichen Verfahren — nicht an die Anträge und sonstigen Erklärungen der Parteien gebunden ist und von Amts wegen die seiner Ansicht nach erforderlichen Beweiserhebungen vornehmen kann, — weder an eine Verwaltungsentscheidung über einen Antrag auf Ungültigerklärung noch an den in dieser Entscheidung festgestellten Sachverhalt gebunden ist und — Beweise, die bereits im Rahmen eines früheren Antrags auf Ungültigerklärung vorgelegt worden sind, nicht erneut prüfen kann. Kosten 83 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: Da die Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ausgelegt im Licht von Art. 2 Abs. 1 der am 20. März 1883 in Paris unterzeichneten Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979, und von Art. 41 Abs. 1 und 2 des Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1 C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), gebilligt mit Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986–1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche, nicht auf ein Verfahren zur Ungültigerklärung wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende anwendbar sind, verbieten sie es nicht, dass das Gericht in einem solchen gerichtlichen Verfahren — nicht an die Anträge und sonstigen Erklärungen der Parteien gebunden ist und von Amts wegen die seiner Ansicht nach erforderlichen Beweiserhebungen vornehmen kann, — weder an eine Verwaltungsentscheidung über einen Antrag auf Ungültigerklärung noch an den in dieser Entscheidung festgestellten Sachverhalt gebunden ist und — Beweise, die bereits im Rahmen eines früheren Antrags auf Ungültigerklärung vorgelegt worden sind, nicht erneut prüfen kann. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Ungarisch.
Beschluss des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 21. September 2012. # Noscira SA gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). # Rechtsmittel. # Rechtssache C-69/12 P.
62012CO0069
ECLI:EU:C:2012:589
2012-09-21T00:00:00
Mazák, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
EUR-Lex - CELEX:62012CO0069 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62012CO0069 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62012CO0069 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 18. Oktober 2012.#Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.#Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Umweltbelastungen – Behandlung von kommunalem Abwasser – Richtlinie 91/271/EWG – Art. 3, 4 und 10 – Anhang I Abschnitte A und B.#Rechtssache C-301/10.
62010CJ0301
ECLI:EU:C:2012:633
2012-10-18T00:00:00
Mengozzi, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62010CJ0301 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 18. Oktober 2012 (*1) „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Umweltbelastungen — Behandlung von kommunalem Abwasser — Richtlinie 91/271/EWG — Art. 3, 4 und 10 — Anhang I Abschnitte A und B“ In der Rechtssache C-301/10 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 16. Juni 2010, Europäische Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán, A.-A. Gilly und A. Demeneix als Bevollmächtigte, Klägerin, gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten im Beistand von D. Anderson, QC, S. Ford, Barrister, und B. McGurk, Barrister, Beklagter, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Richters A. Tizzano in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), M. Ilešič und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2011, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 2012 folgendes Urteil 1 Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den nachstehend genannten Bestimmungen der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40) verstoßen hat, dass es nicht dafür Sorge getragen hat, dass zum einen Whitburn und die Londoner Bezirke Beckton und Crossness über angemessene Kanalisationen nach Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Anhang I Abschnitt A der Richtlinie verfügen und zum anderen das Abwasser aus den Behandlungsanlagen der Londoner Bezirke Beckton, Crossness und Mogden einer geeigneten Behandlung nach Art. 4 Abs. 1 und 3 und Art. 10 sowie Anhang I Abschnitt B der Richtlinie unterzogen wird. Rechtlicher Rahmen 2 Die Richtlinie 91/271 betrifft gemäß ihrem Art. 1 das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser und das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen. Ihr Ziel ist, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen von Abwasser zu schützen. 3 Art. 2 der Richtlinie 91/271 bestimmt: „Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten: 1. ‚Kommunales Abwasser‘: häusliches Abwasser oder Gemisch aus häuslichem und industriellem Abwasser und/oder Niederschlagswasser. … 5. ‚Kanalisation‘: Leitungssystem, in dem kommunales Abwasser gesammelt und transportiert wird. 6. ‚1 EW (Einwohnerwert)‘: organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag. …“ 4 In Art. 3 der Richtlinie 91/271 heißt es: „(1)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass alle Gemeinden bis zu folgenden Zeitpunkten mit einer Kanalisation ausgestattet werden: — bis zum 31. Dezember 2000 in Gemeinden mit mehr als 15000 Einwohnerwerten (EW), … (2)   Die in Absatz 1 genannten Kanalisationen müssen den Anforderungen von Anhang I Abschnitt A entsprechen. …“ 5 Art. 4 dieser Richtlinie sieht vor: „(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer bis zu folgenden Zeitpunkten einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird: — bis zum 31. Dezember 2000 in Gemeinden mit mehr als 15000 EW; … (3)   Abwasser im Ablauf kommunaler Behandlungsanlagen gemäß den Absätzen 1 und 2 muss den einschlägigen Anforderungen des Anhangs I Abschnitt B entsprechen. … (4)   Die in EW ausgedrückte Belastung wird auf der Grundlage der höchsten wöchentlichen Durchschnittslast im Zulauf der Behandlungsanlage während eines Jahres berechnet; Ausnahmesituationen wie nach Starkniederschlägen bleiben dabei unberücksichtigt.“ 6 Art. 10 der Richtlinie 91/271 lautet: „Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass zur Erfüllung der Anforderungen der Artikel 4, 5, 6 und 7 Abwasserbehandlungsanlagen so geplant, ausgeführt, betrieben und gewartet werden, dass sie unter allen normalen örtlichen Klimabedingungen ordnungsgemäß arbeiten. Bei der Planung der Anlagen sind saisonale Schwankungen der Belastung zu berücksichtigen.“ 7 Anhang I („Anforderungen an kommunale Abwässer“) Abschnitt A („Kanalisation“) der Richtlinie 91/271 lautet: „Kanalisationen sollen den Anforderungen an die Abwasserbehandlung Rechnung tragen. Bei Entwurf, Bau und Unterhaltung der Kanalisation sind die optimalen technischen Kenntnisse zugrunde zu legen, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen; dies betrifft insbesondere: — Menge und Zusammensetzung der kommunalen Abwässer, — Verhinderung von Leckagen, — Begrenzung einer Verschmutzung der aufnehmenden Gewässer durch Regenüberläufe.“ 8 Fn. 1 zu Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271, die der Überschrift „Kanalisation“ angefügt ist, lautet: „Da es in der Praxis nicht möglich ist, Kanalisationen und Behandlungsanlagen so zu dimensionieren, dass in Extremsituationen, wie z. B. bei ungewöhnlich starken Niederschlägen, das gesamte Abwasser behandelt werden kann, beschließen die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Begrenzung der Verschmutzung aus Regenüberläufen. Solche Maßnahmen könnten vom Mischungsverhältnis, von der Leistungsfähigkeit bezogen auf den Trockenwetterabfluss oder von einer bestimmten tragbaren jährlichen Überlaufhäufigkeit ausgehen.“ 9 Anhang I Abschnitt B („Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Gewässer“) der Richtlinie 91/271 enthält die Anforderungen, denen Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Gewässer entsprechen müssen. Die in der vorstehenden Randnummer zitierte Fußnote zu Anhang I Abschnitt A der Richtlinie wird auch in Abschnitt B dieses Anhangs angeführt. Vorverfahren 10 Die Kommission erhielt eine Beschwerde über die Pumpstation in Whitburn Steel und weitere Beschwerden über Verschmutzungen durch Regenüberläufe in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs. 11 Am 3. April 2003 richtete die Kommission ein Mahnschreiben an das Vereinigte Königreich, in dem sie darauf hinwies, dass die Pumpstation in Whitburn Steel nicht den in Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 vorgesehenen Anforderungen an das Sammeln von kommunalem Abwasser entspreche. 12 In seiner Antwort vom 3. Juni 2003 trug das Vereinigte Königreich vor, dass die betroffene Gemeinde ihre das Sammeln von Abwasser betreffenden Verpflichtungen aus Art. 3 der Richtlinie 91/271 erfülle. Es räumte allerdings ein, dass sich, nachdem die Kanalisation dieses Gebiets weiteren Überprüfungen unterzogen worden sei, herausgestellt habe, dass ihre Abflussmenge verbessert werden müsse. Außerdem seien die Voraussetzungen für die Genehmigung von Einleitungen durch das Wasserwerk zum Betrieb der Abwasserpumpstation von Whitburn Steel geändert worden, wodurch sich die Zahl der Einleitungen verringern dürfte. Diese Verbesserungen dürften spätestens am 31. März 2004 abgeschlossen sein. 13 Am 21. März 2005 übermittelte die Kommission dem Vereinigten Königreich ein zweites Mahnschreiben, in dem sie feststellte, dass die Kanalisationen und die Behandlungsanlagen für kommunales Abwasser im Gebiet von London die in Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 10 sowie Anhang I Abschnitte A und B der Richtlinie 91/271 aufgestellten Voraussetzungen an das Sammeln und Behandeln von kommunalem Abwasser nicht erfüllten. Die Kommission wies darauf hin, dass auch in Zeiten mit mäßigen Niederschlägen nicht behandeltes Abwasser in die Themse eingeleitet werde und dass keine Sofortmaßnahme zur Lösung dieses Problems vorgesehen sei, das somit fortbestehen und sich sogar noch verschärfen werde. 14 In seiner Antwort vom 20. Mai 2005 erläuterte das Vereinigte Königreich, die Kanalisation von London sei ein Mischsystem, das sowohl häusliches und industrielles Abwasser als auch Niederschlagswasser aus einem Becken von 557 km2 sammle und vor Einleitung in die Themse einer Zweitbehandlung in den Behandlungsanlagen von Beckton, Mogden, Crossness, Long Reach und Riverside zuführe. Es räumte allerdings ein, dass es bei feuchtem Wetter Probleme mit der Menge und der Häufigkeit von Einleitungen aus Regenüberläufen sowie der Belastung durch diese Einleitungen gebe, und wies auf seinen Beschluss hin, die Thames Tideway Strategic Study (im Folgenden: TTSS) erstellen zu lassen, um die Umweltauswirkungen dieser Einleitungen zu beurteilen. 15 Bezüglich seiner Verpflichtung, für eine angemessene Behandlung von kommunalem Abwasser zu sorgen, führte das Vereinigte Königreich aus, dass die im Ballungsgebiet von London eingesetzten Behandlungsanlagen – auch wenn so bald wie möglich noch Verbesserungen durchgeführt würden – seit dem 31. Dezember 2000 den Anforderungen der Richtlinie 91/271 entsprächen. Außerdem seien die im August 2004 erfolgten Einleitungen auf ungewöhnlich starke Niederschläge zurückzuführen. 16 Da der Kommission die Antwort des Vereinigten Königreichs nicht zufriedenstellend erschien, übermittelte sie diesem Mitgliedstaat mit Schreiben vom 10. April 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihn darauf hinwies, dass er ihrer Ansicht nach in Bezug auf Whitburn gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 und hinsichtlich der neun Behandlungsanlagen für Greater London gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 3 und Art. 10 sowie Anhang I Abschnitte A und B der Richtlinie 91/271 verstoßen habe. 17 Auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme antwortete das Vereinigte Königreich mit Schreiben vom 15. Juni 2006, dass die gesamte Kanalisation und die Behandlungsanlagen für Whitburn und den Ballungsraum Sunderland im Einklang mit der Richtlinie 91/271 stünden. 18 Hierzu gab das Vereinigte Königreich, nachdem am 6. Juli 2007 eine Zusammenkunft von Vertretern dieses Mitgliedstaats mit Vertretern der Kommission stattgefunden hatte, mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 einige Erläuterungen. 19 Bezüglich der Situation von London antwortete das Vereinigte Königreich, dass die Behandlungsanlagen von Beckton, Crossness und Mogden zwar noch verbessert werden müssten, dies jedoch nicht bedeute, dass diese Anlagen gegen die Richtlinie 91/271 verstießen. Mit diesen Verbesserungen bringe das Vereinigte Königreich lediglich zum Ausdruck, dass es bestrebt sei, für ein höheres Umweltschutzniveau zu sorgen. 20 Am 26. Januar 2007 erörterten Vertreter der Kommission und des Vereinigten Königreichs im Rahmen einer Zusammenkunft die beiden für London in Betracht kommenden Optionen, die im TTSS-Bericht vorgeschlagen worden waren, und das Vereinigte Königreich entschied sich für einen einzelnen Tunnel mit einer Länge von 30 km entlang der Themse sowie für einen separaten Tunnel für deren Nebenfluss, die Lee. Das gesamte Projekt soll vor 2020 fertiggestellt sein. 21 Da die Kommission mit den Antworten des Vereinigten Königreichs auch nach dem Erhalt zweier weiterer Schreiben dieses Mitgliedstaats mit Datum vom 29. Juni 2007 und 4. Februar 2008 nicht zufrieden war, übermittelte sie ihm mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 eine mit Gründen versehene ergänzende Stellungnahme, in der sie ihre Auffassung zur Auslegung der Richtlinie 91/271 in Bezug auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten erläuterte, Einleitungen kommunalen Abwassers durch Regenüberläufe zu kontrollieren. Sie bekräftigte auch ihre Sorge, dass die in der Gegend von Whitburn eingerichtete Kanalisation, die Kanalisationen von Beckton und Crossness sowie die Behandlungsanlagen von Mogden, Beckton und Crossness unzureichend sein könnten. 22 Die Kommission beschloss jedoch, das Verfahren in Bezug auf die Kanalisationen und die Behandlungsanlagen von Beddington, Esher, Crawley, Deephams, Hogsmill, Long Reach und Riverside nicht fortzusetzen. Sie forderte das Vereinigte Königreich dementsprechend auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrem Zugang nachzukommen. 23 Trotz des anschließenden Austauschs mehrerer Schreiben und trotz mehrerer weiterer Zusammenkünfte kamen die Kommission und das Vereinigte Königreich zu keiner Einigung. 24 Da die Kommission die Antwort des Vereinigten Königreichs nach wie vor nicht für zufriedenstellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben. Zur Klage Vorbringen der Parteien 25 Die Hauptpunkte, in denen sich die Kommission und das Vereinigte Königreich nicht einig sind, betreffen die Auslegung der Richtlinie 91/271. 26 Nach Ansicht der Kommission sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Kanalisation so geplant und gebaut wird, dass alle kommunalen Abwässer aus den angeschlossenen Gemeinden gesammelt und einer Behandlung zugeführt werden. Die Aufnahmekapazität der Kanalisation müsse daher so ausgelegt sein, dass sie in der Lage sei, natürlichen Klimabedingungen (trockenes Wetter, feuchtes Wetter und sogar Gewitter) und saisonalen Schwankungen wie gebietsfremden Personen, Touristen und saisonalen wirtschaftlichen Tätigkeiten Rechnung zu tragen. 27 Die in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 genannten „Regenüberläufe“ seien fester Bestandteil der Kanalisationen und Abwasserbehandlungsanlagen. Diese Richtlinie sei dahin auszulegen, dass sie die absolute Verpflichtung vorsehe, Einleitungen aus Regenüberläufen zu verhindern, es sei denn, es träten außergewöhnliche Umstände ein. Dieser Gedanke komme in Fn. 1 zu Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 zum Ausdruck, wonach es in der Praxis nicht möglich sei, das gesamte Abwasser „in Extremsituationen, wie z. B. bei ungewöhnlich starken Niederschlägen“, zu sammeln und zu behandeln. 28 Die Kommission verweist auf Faktoren wie Häufigkeit und Menge der Einleitungen, um zu zeigen, dass ein Verstoß gegen die Richtlinie 91/271 vorliege. Entsprechend schlägt sie entgegen der vom Vereinigten Königreich geäußerten Sorge keine starre Regel von 20 Einleitungen vor, sondern macht geltend, je öfter ein Überlauf überfließe, insbesondere in Zeiten nur mäßiger Niederschläge, umso wahrscheinlicher sei es, dass dieser Überlauf nicht im Einklang mit der Richtlinie 91/271 betrieben werde. 29 Die Kommission und das Vereinigte Königreich sind auch in Bezug auf die Bedeutung uneins, die dem in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 enthaltenen Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ beizumessen ist. 30 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Begriff im Kontext der Richtlinie 91/271 und im Hinblick auf ihr Ziel zu verstehen, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen durch die Einleitung von Abwasser zu schützen. 31 Der Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ lasse den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen mehreren Lösungen, die der Einhaltung der Bestimmungen und des Ziels der Richtlinie 91/271 dienten, etwa die Schaffung neuer Infrastrukturen für die Speicherung von Abwasser, die Erweiterung bereits bestehender Infrastrukturen oder die Umleitung von Regenwasser, bevor es in die Kanalisation fließen könne. 32 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs ist die Richtlinie 91/271 dahin auszulegen, dass sie es den Mitgliedstaaten überlasse, wie sie die Kanalisation und die Behandlung des kommunalen Abwassers regelten, um das Ziel dieser Richtlinie zu erreichen, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen durch die Einleitung von Abwasser zu schützen. 33 Die Auslegung der Richtlinie 91/271 sei insbesondere unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen von Einleitungen in die aufnehmenden Gewässer vorzunehmen. 34 Was den Begriff „ungewöhnlich starke Niederschläge“ angehe, werde zwar in Fn. 1 zu Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 ausdrücklich anerkannt, dass es unter besonderen Umständen, insbesondere bei ungewöhnlich starken Niederschlägen, nicht möglich sei, Einleitungen zu verhindern, doch bedeute dies nicht, dass eine absolute Verpflichtung bestehe, in anderen Fällen Einleitungen zu verhindern. Die Frage, ob Einleitungen in anderen Fällen angemessen seien, sei unter Anwendung des Begriffs „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ und unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen der Einleitungen in die aufnehmenden Gewässer zu beurteilen. 35 Die Richtlinie 91/271 enthalte für die Umstände oder die Häufigkeit, mit der Einleitungen in die aufnehmenden Gewässer vorgenommen werden könnten, keine Regelung. Für die Beurteilung, ob Kanalisationen oder Behandlungsanlagen im Einklang mit der Richtlinie 91/271 stünden, bedürfe es einer eingehenden Untersuchung der Leistung der Kanalisation oder der betroffenen Behandlungsanlage, wobei die Umweltauswirkungen der Einleitungen in die aufnehmenden Gewässer zu prüfen seien. 36 Der in Art. 10 der Richtlinie 91/271 enthaltene Begriff „ordnungsgemäß arbeiten“ sei ebenfalls im Licht des in Art. 1 dieser Richtlinie festgelegten Umweltschutzziels und somit im Hinblick auf die Auswirkungen auf die aufnehmenden Gewässer zu beurteilen. 37 Die Kommission habe zwar die Methode, nach der das Vereinigte Königreich berechne, ob eine einzelne Einleitung vorliege, nicht in Frage gestellt, doch löse dies nicht das Problem im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Definition dessen, was unter einer Einleitung zu verstehen sei, von einem Mitgliedstaat zum anderen abweichen könne. Ein einheitliches Vorgehen der einzelnen Mitgliedstaaten wäre also nicht gewährleistet, wenn die Übereinstimmung mit der Richtlinie 91/271 nach der Durchführung und der Häufigkeit von Einleitungen zu bestimmen wäre. 38 Außerdem begehe die Kommission einen Fehler, wenn sie bei der Prüfung, ob die Kanalisationen und die Behandlungsanlagen im Einklang mit der Richtlinie 91/271 stünden, auf die Menge der Einleitungen abstelle. 39 Die Kommission wirft dem Vereinigten Königreich insbesondere hinsichtlich des Ballungsraums Sunderland (Whitburn) vor, dass es bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme gesetzt worden sei, noch immer Verschmutzungen durch Regenüberläufe aus dem in Whitburn gelegenen Teil der Kanalisation von Sunderland gegeben habe und dass diese somit gegen Art. 3 und Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 verstoße. 40 Zwar sei die Häufigkeit der Einleitungen zurückgegangen (in den Jahren 2002 bis 2004 zwischen 56 und 91 Einleitungen pro Jahr, bei einem Jahresvolumen von 359640 m3 bis 529 290 m3 unbehandelt eingeleiteten kommunalen Abwassers), doch entspreche die Kanalisation noch immer nicht den Anforderungen der Richtlinie 91/271, insbesondere in Anbetracht der Nähe der Badegewässer von Whitburn und Seaham sowie der zahlreichen Beschwerden, die die Kommission über Abfälle auf den Stränden in der Umgebung von Whitburn erhalten habe. 41 Nach Ansicht des Vereinigten Königreichs stehen diese Regenüberläufe im Einklang mit der Richtlinie 91/271. 42 Außerdem sei festgestellt worden, dass die Badegewässer in der Umgebung von Whitburn der Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (ABl. L 31, S. 1) entsprächen und daher im Einklang mit der Richtlinie 91/271 stünden. Darüber hinaus kämen die Abfälle wahrscheinlich nicht aus Whitburn, sondern eher von der Tyne, wo die Überlaufbecken erst Ende März 2010 mit Filternetzen ausgerüstet worden seien. 43 Die Kommission wirft dem Vereinigten Königreich hinsichtlich des Ballungsgebiets von London die Häufigkeit und die Menge der Einleitungen von unbehandeltem Abwasser aus den Kanalisationen von Beckton und Crossness sowie den Behandlungsanlagen von Beckton, Crossness und Mogden vor. Diese Einleitungen hätten ein derartiges Ausmaß, dass sie gegen die Art. 3 und 4 sowie gegen Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 verstießen, und zwar insbesondere, weil sie selbst in Zeiten mit mäßigen Niederschlägen erfolgten. 44 Außerdem schreibe Art. 10 der Richtlinie 91/271 vor, dass zur Erfüllung der Anforderungen des Art. 4 der Richtlinie Abwasserbehandlungsanlagen so geplant, ausgeführt, betrieben und gewartet würden, dass sie unter allen normalen örtlichen Klimabedingungen ordnungsgemäß arbeiteten. 45 Das Vereinigte Königreich ist der Ansicht, dass diese Behandlungsanlagen den Bestimmungen der Richtlinie 91/271 entsprechen. 46 Zudem sei die Kanalisation von London sehr alt und seit 1875 schrittweise modernisiert worden. Seit der Verabschiedung der Richtlinie 91/271 seien Verbesserungen geplant und durchgeführt worden. Im Übrigen erforderten der Umfang und die außergewöhnliche Art der Arbeiten, die an der Themse mit einem Kostenaufwand von 4,4 Mrd. GBP durchgeführt würden, viel Zeit. Die langfristige Verwirklichung einer ehrgeizigen Lösung dürfe für das Vereinigte Königreich nicht mit Nachteilen verbunden sein. Würdigung durch den Gerichtshof Zur Auslegung der Richtlinie 91/271 47 Die Richtlinie 91/271 hat gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 zum Ziel, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen von kommunalem Abwasser zu schützen (vgl. u. a. Urteil vom 23. September 2004, Kommission/Frankreich, C-280/02, Slg. 2004, I-8573, Randnr. 13). 48 Mit der Richtlinie 91/271 sollen über das Ziel des bloßen Schutzes der aquatischen Ökosysteme hinaus der Mensch, die Tier- und Pflanzenwelt, der Boden, die Gewässer, die Luft, das Klima und die Landschaft vor erheblichen schädlichen Auswirkungen des vermehrten Wachstums von Algen und höheren Formen des pflanzlichen Lebens aufgrund der Einleitung von kommunalem Abwasser geschützt werden (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 16). 49 Die Begriffe „ordnungsgemäß arbeiten“ in Art. 10 der Richtlinie 91/271, „ungewöhnlich starke Niederschläge“ in Fn. 1 zu Anhang I dieser Richtlinie und „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie sind unter Berücksichtigung dieses Ziels, aber auch des Art. 191 AEUV auszulegen. 50 Erstens wird der Begriff „ordnungsgemäß arbeiten“, der sich ausschließlich auf Behandlungsanlagen bezieht, durch keinerlei Zahlenangaben präzisiert, denn Art. 10 der Richtlinie 91/271 sieht lediglich vor, dass die Behandlungsanlagen „unter allen normalen örtlichen Klimabedingungen ordnungsgemäß arbeiten“ und dass bei der Planung der Anlagen saisonale Schwankungen der Belastung zu berücksichtigen sind. 51 Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits eine Vertragsverletzung in Fällen festgestellt, in denen kommunales Abwasser in einem Umfang von 80 % oder gar 90 % der bestehenden Belastung gesammelt oder behandelt wurde (Urteile vom 7. Mai 2009, Kommission/Portugal, C-530/07, Randnrn. 28 und 53, sowie vom 14. April 2011, Kommission/Spanien, C-343/10, Randnrn. 56 und 62). 52 Angesichts des mit der Richtlinie 91/271 angestrebten und in den Randnrn. 47 und 48 des vorliegenden Urteils erwähnten Ziels kann nämlich eine fehlende Behandlung von kommunalem Abwasser unter normalen klimatischen und saisonalen Bedingungen nicht zugelassen werden, da die Richtlinie andernfalls ihren Sinn verlöre. 53 Somit steht fest, dass der Begriff „ordnungsgemäß arbeiten“, auch wenn er nicht mit Zahlenangaben versehen ist, zur Erreichung des Ziels des Umweltschutzes in dem Sinne zu verstehen ist, dass unter normalen Klimabedingungen und unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen das gesamte kommunale Abwasser gesammelt und behandelt werden muss. 54 Demzufolge kann eine fehlende Behandlung von kommunalem Abwasser nur unter außergewöhnlichen Umständen hingenommen werden, und eine regelmäßige Einleitung unbehandelten kommunalen Abwassers würde gegen die Richtlinie 91/271 verstoßen. 55 Zweitens bezieht sich der Begriff „ungewöhnlich starke Niederschläge“ in Fn. 1 zu Anhang I der Richtlinie 91/271 sowohl auf Kanalisationen im Sinne von Art. 3 als auch auf Behandlungsanlagen im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie. 56 Der Unionsgesetzgeber hat mit der genannten Fußnote anerkannt, dass es Situationen gibt, in denen nicht das gesamte kommunale Abwasser gesammelt und behandelt werden kann. Er hat insbesondere festgestellt, dass es „in der Praxis nicht möglich ist, Kanalisationen und Behandlungsanlagen so zu dimensionieren, dass … das gesamte Abwasser behandelt werden kann“, und hat vorgesehen, dass es „z. B. bei ungewöhnlich starken Niederschlägen“ hingenommen werden kann, wenn das Abwasser nicht gesammelt und nicht behandelt wird. In diesen Fällen müssen die Mitgliedstaaten jedoch „Maßnahmen zur Begrenzung der Verschmutzung aus Regenüberläufen“ beschließen. 57 Der Begriff „ungewöhnlich starke Niederschläge“ in Fn. 1 zu Anhang I der Richtlinie 91/271 dient allerdings nur als Orientierung, denn ihm sind die Worte „z. B.“ vorangestellt. Es kann daher auch unter anderen Umständen zulässig sein, das Abwasser nicht zu sammeln oder nicht zu behandeln. 58 Das mit der Richtlinie 91/271 angestrebte Ziel schließt jedoch entgegen dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs die Annahme aus, dass es sich bei diesen anderen Umständen um normale und regelmäßig eintretende Umstände handelt, zumal der Begriff „ungewöhnlich“ klar zum Ausdruck bringt, dass unter normalen Umständen weder das Sammeln noch das Behandeln des Abwassers unterbleiben darf. 59 Deshalb kann dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs, dass Einleitungen selbst dann zulässig seien, wenn keine Extremsituation vorliege, nicht gefolgt werden. 60 Außerdem ist hervorzuheben, dass ein Mitgliedstaat, wenn er sich in einer Extremsituation befindet, in der er das Abwasser nicht sammeln oder behandeln kann, gemäß Fn. 1 zu Anhang I der Richtlinie 91/271 nach wie vor verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zur Begrenzung der Verschmutzung zu ergreifen. 61 Da im Übrigen der Begriff „ungewöhnlich starke Niederschläge“ in dieser Richtlinie nicht definiert ist, ist es berechtigt, dass die Kommission im Rahmen ihrer Überwachung der Wahrung des Unionsrechts Leitlinien festlegt, und da der Gerichtshof nicht dafür zuständig ist, die in der Richtlinie 91/271 vorgesehenen Verpflichtungen zu beziffern, ist der Begriff „ungewöhnlich starke Niederschläge“ folglich unter Berücksichtigung sämtlicher in dieser Richtlinie festgelegten Kriterien und Bedingungen, insbesondere des Begriffs „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ zu beurteilen. 62 Drittens ist der in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 genannte Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ genauso wie die verschiedenen vorstehend untersuchten Begriffe der Richtlinie 91/271 im Hinblick auf das Ziel des Umweltschutzes zu prüfen. Ferner müssen die in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen, wonach – außer im Fall außergewöhnlicher oder unvorhersehbarer Ereignisse – das gesamte Abwasser zu sammeln und zu behandeln ist, zu dem in der Richtlinie festgelegten Zeitpunkt eingehalten werden. 63 Der Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ ist in Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 zwar nur in Bezug auf Kanalisationen vorgesehen, liegt aber sämtlichen Bestimmungen der Richtlinie 91/271 zugrunde und soll gewährleisten, dass das Ziel der Richtlinie, der Umweltschutz, erreicht wird, ohne dass die aufgestellten Regeln zu streng angewandt werden. Somit ist dieser Begriff auch auf Behandlungsanlagen auszuweiten und lässt in bestimmten Fällen Einleitungen von unbehandeltem Abwasser zu, obwohl diese Einleitungen schädliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. 64 Mit dem Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ kann folglich für die Einhaltung der in der Richtlinie 91/271 vorgesehenen Anforderungen gesorgt werden, ohne dass den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt werden, die sie nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten erfüllen könnten. 65 Damit der in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils genannte Grundsatz, wonach das gesamte Abwasser gesammelt und behandelt werden muss, nicht verletzt wird, dürfen sich die Mitgliedstaaten allerdings nur ausnahmsweise auf derartige unverhältnismäßig hohe Kosten berufen. 66 Hierzu ist daran zu erinnern, dass sich ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung nicht auf praktische oder administrative Schwierigkeiten berufen kann, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen. Das Gleiche gilt für finanzielle Schwierigkeiten, die die Mitgliedstaaten mit geeigneten Maßnahmen zu überwinden haben (Urteil vom 30. November 2006, Kommission/Italien, C-293/05, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). 67 Der Begriff „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ ist zu prüfen, indem zwischen der fortschrittlichsten Technologie und den voraussichtlichen Kosten auf der einen und den Vorteilen, die ein leistungsfähigeres Sammel- oder Behandlungssystem für Abwasser auf der anderen Seite bietet, abgewogen wird. Dabei dürfen die anfallenden Kosten in keinem unangemessenen Verhältnis zu den erzielten Vorteilen stehen. 68 In diesem Kontext ist, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, zu berücksichtigen, welche Auswirkungen Einleitungen von unbehandeltem Abwasser auf die Umwelt und namentlich auf die aufnehmenden Gewässer haben. Somit könnte anhand der Folgen, die diese Einleitungen für die Umwelt haben, geprüft werden, ob die Kosten der Arbeiten, die durchgeführt werden müssten, um das gesamte kommunale Abwasser zu behandeln, im Verhältnis zu dem Vorteil, den dies für die Umwelt hätte, angemessen wären. 69 Sollte sich herausstellen, dass es unmöglich oder sehr schwierig ist, das gesamte Abwasser zu sammeln und zu behandeln, hat der betroffene Mitgliedstaat nachzuweisen, dass die Merkmale des Begriffs „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ erfüllt sind. 70 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs obliegt es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV zwar der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie ist es also, die dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern muss, die es diesem ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, und kann sich hierfür nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen (vgl. u. a. Urteile vom 26. April 2005, Kommission/Irland, C-494/01, Slg. 2005, I-3331, Randnr. 41, Kommission/Portugal, Randnr. 32, vom 6. Oktober 2009, Kommission/Finnland, C-335/07, Slg. 2009, I-9459, Randnr. 46, und vom 10. Dezember 2009, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-390/07, Slg. 2009, I-8917, Randnr. 43). 71 Die Mitgliedstaaten sind jedoch nach Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet, der Kommission die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern, zu denen es gemäß Art. 17 Abs. 1 EUV u. a. gehört, für die Anwendung des Vertrags sowie der von den Organen aufgrund des Vertrags erlassenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Insbesondere ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die nationalen Bestimmungen, mit denen die wirksame Durchführung einer Richtlinie sichergestellt werden soll, in der Praxis korrekt angewandt werden, die Kommission, die über keine eigenen Ermittlungsbefugnisse auf diesem Gebiet verfügt, weitgehend auf die Angaben etwaiger Beschwerdeführer und des betroffenen Mitgliedstaats angewiesen ist (vgl. u. a. Urteile Kommission/Irland, Randnrn. 42 und 43, sowie Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 44). 72 Das bedeutet insbesondere, dass es dann, wenn die Kommission genügend Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts im Gebiet des beklagten Mitgliedstaats beigebracht hat, diesem obliegt, diese Angaben und deren Folgen substantiiert zu bestreiten (vgl. Urteile Kommission/Irland, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 45). 73 Daraus folgt für die Prüfung der vorliegenden Klage, dass der Gerichtshof zunächst prüfen muss, ob die Einleitungen aus Kanalisationen oder Behandlungsanlagen der einzelnen Gemeinden des Vereinigten Königreichs auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen sind, und danach, falls das nicht der Fall ist, prüfen muss, ob das Vereinigte Königreich nachgewiesen hat, dass die Merkmale des Begriffs „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ erfüllt waren. Whitburn 74 Hinsichtlich der Verpflichtung, eine Kanalisation im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/271 zu besitzen, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 50, sowie Kommission/Spanien, Randnr. 54). 75 Hierzu ist festzustellen, dass dem Vereinigten Königreich in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme vom 1. Dezember 2008 eine Frist von zwei Monaten ab Zustellung dieser Stellungnahme gesetzt worden war, um seinen Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 nachzukommen. Zu dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgelegten Zeitpunkt kam es noch immer zu Einleitungen unbehandelten kommunalen Abwassers durch die Regenüberläufe. Die Zahl der Einleitungen und ihre Menge werden vom Vereinigten Königreich nicht bestritten. Dieses macht lediglich geltend, dass der auf den Stränden in der Gegend von Whitburn gefundene Abfall entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht aus der Kanalisation von Whitburn stammen könne, weil der unterseeische Auslass, der für das Einleiten von Abwasser verwendet werde, mit Filternetzen mit Öffnungen von 6 mm ausgerüstet sei. Wahrscheinlich kämen diese Abfälle von der Tyne, wo die Überläufe erst Ende März 2010 mit Filternetzen ausgestattet worden seien. 76 Um zu klären, ob das Vereinigte Königreich, wie die Kommission mit ihrer Rüge geltend macht, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 und Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 verstoßen hat, ist die in Randnr. 73 des vorliegenden Urteils dargestellte Prüfung durchzuführen. 77 Erstens ist festzustellen, dass es gemäß dem Schreiben des Vereinigten Königreichs vom 2. März 2005 an die Kommission im Jahr 2001 zu 310 Einleitungen von Abwasser mit einem Jahresvolumen von 561240 m3 kam und dass die Zahl der Einleitungen in den Jahren 2002 bis 2004 zwischen 56 und 91 variierte, bei einem Volumen von 359640 m3 bis 529290 m3. In der Zeit von 2006 bis 2008 kam es jährlich zu 25 bis 47 Einleitungen von Abwasser mit einem Volumen von 248130 m3 bis 732 150 m3 und im Jahr 2009 zu einem Volumen von 762300 m3. Die Kommission hat unter Hinweis auf die Häufigkeit und das Ausmaß dieser Einleitungen eindeutig nachgewiesen, dass diese sowohl vor als auch nach Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme gesetzt wurde, unter normalen Umständen erfolgten, denn derart häufige Einleitungen können nicht mit außergewöhnlichen Umständen zusammenhängen. Im Übrigen hat das Vereinigte Königreich in seinen Erklärungen nicht geltend gemacht, dass diese Einleitungen außergewöhnlicher Art wären. 78 Zweitens ist festzustellen, dass es gemäß einer im Jahr 2010 erstellten Studie technologisch möglich wäre, die Zahl der Einleitungen von Abwasser aus der Kanalisation von Whitburn durch eine Verbreiterung des bereits bestehenden Auffangtunnels zu verringern. Das Vereinigte Königreich hat dies nicht bestritten. 79 Hinsichtlich der aufzuwendenden Kosten und der entstehenden Vorteile ergibt sich aus der genannten Studie, dass die Verbreiterung des Auffangtunnels die Qualität der aufnehmenden Gewässer um 0,3 % verbessern könnte, wobei die Studie von 20 Einleitungen pro Jahr ausgeht. 80 Obwohl diese Verbesserung der Gewässerqualität gering wäre und die Richtlinie 76/160 entsprechend dem Vorbringen des Vereinigten Königreichs eingehalten wird, was bei der allgemeinen Prüfung der Erfüllung der Merkmale des Begriffs „optimale technische Kenntnisse, die keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursachen“ berücksichtigt werden kann, ist zu beachten, dass die Kosten einer derartigen Verbreiterung des Tunnels weder in den Erklärungen der Parteien noch in den erstellten Berichten oder Studien zu irgendeinem Zeitpunkt erwähnt worden sind. 81 Deshalb ist der Gerichtshof nicht in der Lage, zu prüfen, ob die Kosten solcher Arbeiten tatsächlich überhöht sind und außer Verhältnis zu dem für die Umwelt erzielten Vorteil stehen. 82 Daraus folgt, dass das Vereinigte Königreich rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Kosten der Arbeiten zur Ausweitung der Kapazität der Kanalisation außer Verhältnis zur Verbesserung der Umweltsituation stünden. 83 Demzufolge hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Einrichtung der Kanalisation von Whitburn nicht die Voraussetzungen nach Art. 3 und Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 erfüllt. London 84 Was das Ballungsgebiet von London angeht, ist nach den Angaben des Vereinigten Königreichs selbst unstreitig, dass es dort bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme gesetzt worden war, in Beckton, Crossness und Mogden keine Behandlungsanlagen für eine Zweitbehandlung des gesamten von der Kanalisation aufgenommenen kommunalen Abwassers gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 10 der Richtlinie 91/271 gab, die gewährleisteten, dass Einleitungen aus der Kanalisation den Anforderungen nach Anhang I Abschnitt B der Richtlinie entsprachen, und dass es in Beckton und Crossness keine Kanalisationen mit ausreichender Kapazität gemäß Art. 3 der Richtlinie gab. 85 Die Kommission weist gestützt auf einen TTSS-Bericht vom Februar 2005 darauf hin, dass es jährlich zu ungefähr 60 Einleitungen von Abwasser aus den Regenüberläufen von London komme, und zwar selbst in Zeiten mit mäßigen Niederschlägen. Somit würden jährlich mehrere Millionen Tonnen unbehandelten Wassers in die Themse geleitet. 86 Demselben Bericht zufolge ist die Kapazität der Behandlungsanlagen der Kanalisation von London bei trockener Wetterlage ausreichend, keinesfalls jedoch bei Niederschlägen. 87 Das Vereinigte Königreich bestreitet die von der Kommission vorgebrachten Tatsachen nicht und erinnert daran, dass ein Projekt für den Bau eines neuen Tunnels mit einer Länge von 30 km unter dem für die Fluss- bzw. Seeschifffahrt genutzten Teil der Themse im Gange sei, um Einleitungen aus den Überläufen der Kanalisation aufzunehmen und zur Behandlung in die Behandlungsanlage Beckton zu leiten. Außerdem sei der Bau eines weiteren Tunnels, des Lee Tunnel, geplant, um die Einleitungen aus den Überläufen der Kanalisationen von Beckton und Crossness zu verringern. Schließlich seien auch Verbesserungsarbeiten im Gange, um die Kapazität der Behandlungsanlagen von Beckton, Crossness und Mogden zu erhöhen. 88 Um zu klären, ob das Vereinigte Königreich, wie die Kommission mit ihrer Rüge geltend macht, gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 3, 4 und 10 sowie aus Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 verstoßen hat, ist ebenfalls die in Randnr. 73 des vorliegenden Urteils genannte Prüfung durchzuführen. 89 Die Kommission hat gestützt auf den in Randnr. 85 des vorliegenden Urteils erwähnten TTSS-Bericht, dem das Vereinigte Königreich nicht entgegengetreten ist und in dem darauf hingewiesen wird, dass die genannte Häufigkeit und der genannte Umfang der Einleitungen nicht nur im Fall außergewöhnlicher Ereignisse, sondern auch bei mäßigen Niederschlägen zu verzeichnen seien, eindeutig nachgewiesen, dass die Einleitungen von Abwasser in die Themse unter normalen Umständen erfolgt sind. 90 Hinsichtlich der technologischen Unmöglichkeit, die Zahl der Einleitungen von Abwasser in die Kanalisation von London zu verringern, und der Unangemessenheit der Kosten im Verhältnis zu dem Vorteil, den dies für die Umwelt hätte, ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich im April 2007 beschlossen hat, die im TTSS-Bericht vom November 2005 vorgeschlagenen Arbeiten durchzuführen, darunter u. a. den Bau eines neuen unterirdischen Tunnels. Es gibt also für das Problem der Kanalisation von London technologische Lösungen, und deren Kosten sind nicht als unverhältnismäßig anzusehen, da das Vereinigte Königreich bereits beschlossen hat, diese Lösungen zu verwirklichen. 91 Zum Vorbringen des Vereinigten Königreichs, dass ihm keine Vertragsverletzung vorgeworfen werden könne, weil gleich nach Inkrafttreten der Richtlinie 91/271 Projekte, die die Einhaltung der Richtlinie gewährleisten sollten, untersucht worden seien, und dass die beschlossenen Arbeiten kostspielig seien und nur über einen Zeitraum von mehreren Jahren verwirklicht werden könnten, ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen ergänzenden Stellungnahme gesetzt wurde, und dass ein Mitgliedstaat die Abweisung der Klage nicht allein deshalb erreichen kann, weil Arbeiten und Tätigkeiten im Gange sind, die in der Zukunft dazu führen, dass die Vertragsverletzung beendet wird. Die Mitgliedstaaten sind nämlich verpflichtet, die ursprünglich festgesetzten Fristen einzuhalten, wenn der Unionsgesetzgeber eine Richtlinie nicht zur Verlängerung der Frist für ihre Umsetzung ändert (vgl. Urteil vom 8. Juli 2004, Kommission/Belgien, C-27/03, Randnr. 39). 92 Das Vereinigte Königreich musste also die für die Umsetzung der Richtlinie 91/271 in die nationale Rechtsordnung erforderlichen Verfahren so rechtzeitig einleiten, dass sie innerhalb der in Art. 3 Abs. 1 erster Gedankenstrich und Art. 4 Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Richtlinie festgelegten Frist, d. h. bis zum 31. Dezember 2000, abgeschlossen waren. 93 Die Kommission hat somit zu Recht festgestellt, dass die Einrichtung der Kanalisation von London (Beckton und Crossness) nicht die Voraussetzungen nach Art. 3 und Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 erfüllt und dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 verstoßen hat, dass das kommunale Abwasser aus dem Ballungsgebiet von London (Beckton, Crossness und Mogden) nicht einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung gemäß Art. 4 dieser Richtlinie unterzogen wird. 94 Nach alledem ist die dem Vereinigten Königreich von der Kommission vorgeworfene Vertragsverletzung für alle in der Klageschrift genannten Gemeinden erwiesen. 95 Demzufolge ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 verstoßen hat, dass es nicht dafür Sorge getragen hat, dass — für das kommunale Abwasser der Gemeinden mit mehr als 15000 EW Sunderland (Whitburn) und London (Kanalisationen von Beckton und Crossness) eine angemessene Kanalisation nach Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 vorhanden ist und — das kommunale Abwasser in der Gemeinde mit mehr als 15000 EW London (Behandlungsanlagen von Beckton, Crossness und Mogden) einer geeigneten Behandlung nach Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 10 sowie Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 unterzogen wird. Kosten 96 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Vereinigte Königreich mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Das Vereinigte Königreich hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser verstoßen, dass es nicht dafür Sorge getragen hat, dass — für das kommunale Abwasser der Gemeinden mit mehr als 15000 Einwohnerwerten Sunderland (Whitburn) und London (Kanalisationen von Beckton und Crossness) eine angemessene Kanalisation nach Art. 3 Abs. 1 und 2 sowie Anhang I Abschnitt A der Richtlinie 91/271 vorhanden ist und — das kommunale Abwasser in der Gemeinde mit mehr als 15000 Einwohnerwerten London (Behandlungsanlagen von Beckton, Crossness und Mogden) einer geeigneten Behandlung nach Art. 4 Abs. 1 und 3, Art. 10 sowie Anhang I Abschnitt B der Richtlinie 91/271 unterzogen wird. 2. Das Vereinigte Königreich trägt die Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 10. Oktober 2012.#Gem-Year Industrial Co. Ltd und Jinn-Well Auto-Parts (Zhejiang) Co. Ltd gegen Rat der Europäischen Union.#Dumping – Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China – Unterstützung der Beschwerde durch den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft – Definition der betroffenen Ware – Schädigung – Status eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Unternehmens – Im Wesentlichen auf Marktwerten beruhende Kosten der wichtigsten Inputs – Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (jetzt Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c der Verordnung [EG] Nr. 1225/2009).#Rechtssache T‑172/09.
62009TJ0172
ECLI:EU:T:2012:532
2012-10-10T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 10. Oktober 2012 – Gem-Year und Jinn-Well Auto-Parts (Zhejiang)/Rat (Rechtssache T-172/09) „Dumping – Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China – Unterstützung der Beschwerde durch den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft – Definition der betroffenen Ware – Schädigung – Status eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Unternehmens – Im Wesentlichen auf Marktwerten beruhende Kosten der wichtigsten Inputs – Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (jetzt Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c der Verordnung [EG] Nr. 1225/2009)“ 1.                     Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Unterschiedliche Zölle, die einer Reihe von Unternehmen auferlegt werden – Zulässigkeit, die für jedes Unternehmen auf die Bestimmungen der Verordnung, die es betreffen, beschränkt ist (Art. 230 Abs. 4 EG) (vgl. Randnrn. 21-25) 2.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Ermessen der Kommission – Verpflichtung der Kommission, das Verfahren einzustellen, wenn die Unterstützung des Antrags nicht mindestens 25 % der Gemeinschaftsproduktion beträgt – Fehlen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 5 Abs. 4) (vgl. Randnr. 42) 3.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Einleitung einer Untersuchung durch einen Antrag, der von einem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft oder in seinem Namen gestellt wird – Repräsentativität des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft, der den Antrag unterstützt – Berechnung – Methode (Verordnungen des Rates Nr. 3924/91, Art. 3 Abs. 2, 3 und 4, und Nr. 384/96 in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 5 Abs. 4) (vgl. Randnrn. 44-53) 4.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Bestimmung der betroffenen Ware – Kriterien, die berücksichtigt werden können – Ermessen der Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 1 Abs. 4) (vgl. Randnrn. 58-62, 70) 5.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Zu berücksichtigende Kriterien – Vielzahl (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 3 Abs. 2 und 5) (vgl. Randnrn. 85, 91-102) 6.                     Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Grammatikalische, systematische, historische und teleologische Auslegung – Berücksichtigung der Gründe der betreffenden Handlung (vgl. Randnrn. 105-107) 7.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 – Anwendung der Regeln für Länder mit Marktwirtschaft – Enge Auslegung (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a und b) (vgl. Randnrn. 117-120, 125-127, 130-132) 8.                     Gerichtliches Verfahren – Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens – Voraussetzungen – Neues Vorbringen – Begriff (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c und 48 § 2) (vgl. Randnr. 139) 9.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Zuerkennung des Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens – Voraussetzungen – Beweislast der Hersteller – Beweiswürdigung durch die Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c) (vgl. Randnrn. 142-145) Gegenstand Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 29, S. 1) Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Gem-Year Industrial Co. Ltd und die Jinn-Well Auto-Parts (Zhejiang) Co. Ltd tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union und der European Industrial Fasteners Institute AISBL. 3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 10. Oktober 2012.#Shanghai Biaowu High-Tensile Fasteners Co. Ltd und Shanghai Prime Machinery Co. Ltd gegen Rat der Europäischen Union.#Dumping – Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China – Status eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Unternehmens – Frist für den Erlass der Entscheidung über diesen Status – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Beweislast – Begründungspflicht – Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c sowie Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (jetzt Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c sowie Abs. 10 der Verordnung [EG] Nr. 1225/2009).#Rechtssache T‑170/09.
62009TJ0170
ECLI:EU:T:2012:531
2012-10-10T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 10. Oktober 2012 – Shanghai Biaowu High-Tensile Fasteners und Shanghai Prime Machinery/Rat (Rechtssache T-170/09) „Dumping – Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China – Status eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätigen Unternehmens – Frist für den Erlass der Entscheidung über diesen Status – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Beweislast – Begründungspflicht – Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c sowie Abs. 10 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (jetzt Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c sowie Abs. 10 der Verordnung [EG] Nr. 1225/2009)“ 1.                     Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen – Unterschiedliche Zölle, die einer Reihe von Unternehmen auferlegt werden – Zulässigkeit, die für jedes Unternehmen auf die Bestimmungen der Verordnung, die es betreffen, beschränkt ist (Art. 230 Abs. 4 EG) (vgl. Randnrn. 42 und 43) 2.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 – Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen für die Verleihung des Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens an einen Hersteller – Überschreitung der in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung vorgesehenen Dreimonatsfrist durch die Kommission – Folgen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. c) (vgl. Randnrn. 45, 48-50, 52, 54, 59, 60, 62) 3.                     Recht der Europäischen Union – Auslegung – Methoden – Grammatikalische, systematische, historische und teleologische Auslegung – Berücksichtigung der Gründe der betreffenden Handlung (vgl. Randnrn. 68-70) 4.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 – Anwendung der Regeln für Länder mit Marktwirtschaft – Enge Auslegung (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a und b) (vgl. Randnrn. 74-78, 82-84, 87-89) 5.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Zuerkennung des Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens – Voraussetzungen – Beweislast der Hersteller – Beweiswürdigung durch die Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c) (vgl. Randnrn. 91, 92, 99, 100) 6.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Bestimmung des Normalwerts – Zuerkennung des Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens – Voraussetzungen – Beweislast der Hersteller – Unangemessenheit der Beweislast – Fehlen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. b und c) (vgl. Randnrn. 106-108) 7.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Dumpingspanne – Vergleich zwischen dem Normalwert und dem Ausfuhrpreis – Berichtigungen – Unterschiede zwischen den Rohstoffpreisen, die die Preise der betroffenen Waren beeinflussen – Preisunterschiede, die innerhalb eines einzigen Inlandsmarkts und nicht in Bezug auf andere Märkte nachzuweisen sind (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 2 Abs. 7 Buchst. a und Abs. 10 Buchst. k) (vgl. Randnrn. 122, 123) 8.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Verordnungen zur Einführung von Antidumpingzöllen (Art. 253 EG) (vgl. Randnr. 126) 9.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Wahrung der Verteidigungsrechte – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates in der durch die Verordnung Nr. 1225/2009 geänderten Fassung, Art. 6 Abs. 7 und 20 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 130-132, 135) Gegenstand Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 91/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Verbindungselemente aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 29, S. 1) Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Shanghai Biaowu High-Tensile Fastener Co. Ltd und die Shanghai Prime Machinery Co. Ltd tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates der Europäischen Union und der European Industrial Fasteners Institute AISBL. 3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 27. September 2012. # J gegen Europäisches Parlament. # Petitionsrecht - Petition an das Europäische Parlament - Entscheidung, die Petition ohne weitere Bearbeitung abzulegen - Nichtigkeitsklage - Begründungspflicht - Petition, die nicht den Tätigkeitsbereich der Union betrifft. # Rechtssache T-160/10.
62010TJ0160
ECLI:EU:T:2012:503
2012-09-27T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 27. September 2012 – J/Parlament (Rechtssache T-160/10) „Petitionsrecht – Petition an das Europäische Parlament – Entscheidung, die Petition ohne weitere Bearbeitung abzulegen – Nichtigkeitsklage – Begründungspflicht – Petition, die nicht den Tätigkeitsbereich der Union betrifft“ 1.                     Nichtigkeitsklage – Gründe – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Verletzung der Begründungspflicht – Gerichtliche Prüfung von Amts wegen (Art. 263 AEUV) (vgl. Randnrn. 17-18) 2.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Entscheidung des Petitionsausschusses des Parlaments, die Petition ohne weitere Bearbeitung abzulegen (Art. 227 AEUV und 296 AEUV) (vgl. Randnrn. 20-22, 26-28) 3.                     Handlungen der Organe – Entscheidung des Petitionsausschusses des Parlaments, die Petition ohne weitere Bearbeitung abzulegen – Petition, mit der geltend gemacht wird, dass ein Mitgliedstaat das in Art. 17 der Charta der Grundrechte verankerte Eigentumsrecht verletzt hat ‐ Begründetheit der Einstellungsentscheidung (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 17 und 51) (vgl. Randnrn. 30-32) Gegenstand Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments vom 2. März 2010, die Petition des Klägers vom 19. November 2009 (Petition Nr. 1673/2009) ohne weitere Bearbeitung abzulegen Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Herr J trägt die Kosten.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 18. September 2012.#Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd gegen Rat der Europäischen Union.#Dumping – Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in China – Einleitung eines Verfahrens gegen ein einziges Unternehmen – Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens – Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 – Beweislast – Feststellung der Schädigung.#Rechtssache T‑156/11.
62011TJ0156
ECLI:EU:T:2012:431
2012-09-18T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011TJ0156 URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer) 18. September 2012 (*1) „Dumping — Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in China — Einleitung eines Verfahrens gegen ein einziges Unternehmen — Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens — Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 — Beweislast — Feststellung der Schädigung“ In der Rechtssache T-156/11 Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd mit Sitz in Kanton (China), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte V. Akritidis und Y. Melin, Klägerin, gegen Rat der Europäischen Union, vertreten durch B. Driessen als Bevollmächtigten im Beistand von B. O’Connor, Solicitor, und S. Gubel, avocat, Beklagter, unterstützt durch Europäische Kommission, vertreten durch S. Thomas und H. van Vliet als Bevollmächtigte und Vale Mill (Rochdale) Ltd mit Sitz in Rochdale (Vereinigtes Königreich), Colombo New Scal SpA mit Sitz in Rovagnate (Italien), Prozessbevollmächtigte: G. Berrisch, avocat, und N. Chesaites, Barrister, Streithelferinnen, wegen Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1243/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd. hergestellt werden (ABl. L 338, S. 22) (im Folgenden: angefochtene Verordnung), erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten L. Truchot sowie der Richterin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) und des Richters A. Popescu, Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Mai 2012 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen Recht der WTO 1 Nach Art. VI Abs. 1 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994 (GATT) „[erkennen d]ie Vertragsparteien [an], dass das Dumping, also das Verbringen von Erzeugnissen eines Landes auf den Markt eines anderen Landes zu einem Preis unter ihrem Normalwert, zu verurteilen ist, wenn es einem Wirtschaftszweig eines Vertragspartners erheblichen Schaden zufügt oder zuzufügen droht oder wenn es die Schaffung eines inländischen Wirtschaftszweigs empfindlich verzögert“. 2 Das Übereinkommen zur Durchführung des Artikels VI des GATT (ABl. 1994, L 336, S. 103, im Folgenden: Antidumping-Übereinkommen) ist in Anhang 1 A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) (ABl. 1994, L 336, S. 1) aufgeführt. 3 In Art. 1 des Antidumping-Übereinkommens heißt es: „Eine Antidumpingmaßnahme darf nur unter den in Artikel VI des GATT … vorgesehenen Umständen und aufgrund von Untersuchungen angewendet werden, die gemäß diesem Übereinkommen eingeleitet und durchgeführt werden …“ 4 Nach Art. 3.1 des Antidumping-Übereinkommens „[stützt sich d]ie Feststellung, dass eine Schädigung im Sinne des Artikels VI des GATT … vorliegt, … auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung a) des Umfangs der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Inlandsmarkt und b) der Folgen dieser Einfuhren für die inländischen Hersteller dieser Waren“. 5 Art. 3.4 des Antidumping-Übereinkommens sieht vor, dass „[d]ie Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betroffenen inländischen Wirtschaftszweig … eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und -indizes [umfasst], die die Lage des Wirtschaftszweigs beeinflussen, so z. B. tatsächliche und potenzielle Verringerung des Absatzes, der Gewinne, der Produktion, des Marktanteils, der Produktivität, der Investitionserträge oder der Kapazitätsauslastung; Faktoren, die die Inlandspreise beeinflussen; die Höhe der Dumpingspanne; tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen und Cashflow, Lagerbestände, Beschäftigung, Löhne, Wachstum, Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmöglichkeiten[; d]iese Liste ist nicht erschöpfend, und weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise maßgeblich“. 6 Art. 5.2 des Antidumping-Übereinkommens lautet: „Ein Antrag nach Absatz 1 muss ausreichende Beweise für das Vorliegen a) von Dumping, b) einer Schädigung im Sinne des Artikels VI des GATT … in der Auslegung durch dieses Übereinkommen und c) eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthalten. … Der Antrag enthält die folgenden dem Antragsteller normalerweise zur Verfügung stehen[den] Informationen: … ii) eine vollständige Beschreibung der angeblich gedumpten Ware, die Namen des oder der fraglichen Ursprungs- oder Ausfuhrländer, die Namen aller bekannten Ausführer oder ausländischen Hersteller sowie eine Liste der bekannten Einführer der fraglichen Ware[;] …“ 7 Art. 5.8 des Antidumping-Übereinkommens hat folgenden Wortlaut: „Ein Antrag nach Absatz 1 wird zurückgewiesen und eine Untersuchung wird eingestellt, sobald die zuständigen Behörden festgestellt haben, dass weder die Beweise für das Dumping noch die Schädigung ausreichen, um eine weitere Untersuchung des Falls zu rechtfertigen. Die Untersuchung wird umgehend eingestellt, wenn die Behörden feststellen, dass die Dumpingspanne geringfügig oder das Volumen der tatsächlichen oder potenziellen gedumpten Einfuhren oder die Schädigung unerheblich ist. …“ 8 Art. 6.1.3 des Antidumping-Übereinkommens sieht Folgendes vor: „Unmittelbar nach der Einleitung einer Untersuchung übermitteln die Behörden den bekanntermaßen betroffenen Ausführern sowie den Behörden des Ausfuhrmitglieds den vollen Wortlaut des schriftlichen Antrags nach Artikel 5 Absatz 1 und stellen ihn auch den anderen interessierten Parteien auf Antrag zur Verfügung. Vertrauliche Informationen sind gemäß Absatz 5 gebührend zu schützen.“ 9 Art. 6.7 des Antidumping-Übereinkommens bestimmt: „Zur Nachprüfung oder Ergänzung der erhaltenen Informationen können die Behörden erforderlichenfalls im Gebiet anderer Mitglieder Untersuchungen durchführen, sofern sie dafür die Zustimmung der betroffenen Unternehmen erhalten, die Vertreter der Regierung des betroffenen Mitglieds offiziell unterrichten und dieses Mitglied keine Einwände gegen die Untersuchung erhebt. Für Untersuchungen im Gebiet anderer Mitglieder gelten die Verfahren nach Anhang I. Vorbehaltlich der erforderlichen Wahrung der Vertraulichkeit stellen die Behörden die Ergebnisse solcher Untersuchungen den betroffenen Unternehmen zur Verfügung oder teilen sie ihnen gemäß Absatz 9 mit und können sie den Antragstellern zur Verfügung stellen.“ 10 Nach Art. 6.10 des Antidumping-Übereinkommens „[ermitteln d]ie Behörden … in der Regel eine individuelle Dumpingspanne für jeden bekanntermaßen betroffenen Ausführer oder Hersteller der fraglichen Ware[; s]ollte dies aufgrund der großen Anzahl der betroffenen Ausführer, Hersteller, Einführer oder Warentypen nicht möglich sein, so können die Behörden ihre Untersuchung entweder auf eine vertretbare Anzahl interessierter Parteien oder Waren beschränken, indem sie nach den normalen statistischen Verfahren Stichproben auf der Grundlage der Informationen bilden, die ihnen zum Zeitpunkt der Stichprobenbildung zur Verfügung stehen, oder aber auf den höchsten Prozentsatz der Ausfuhren aus dem fraglichen Land, der in angemessener Weise untersucht werden kann“. 11 In Art. 9.2 des Antidumping-Übereinkommens heißt es: „Der für eine Ware festgesetzte Antidumpingzoll wird jeweils in der angemessenen Höhe ohne Diskriminierung auf alle Einfuhren dieser Ware gleich welcher Herkunft erhoben, sofern festgestellt wurde, dass sie gedumpt sind und eine Schädigung verursachen, ausgenommen Einfuhren aus solchen Quellen, von denen gemäß diesem Übereinkommen Preisverpflichtungen angenommen wurden. Die Behörden nennen den oder die Lieferanten der betreffenden Ware. Sind jedoch mehrere Lieferanten desselben Landes betroffen und ist es aus praktischen Gründen nicht möglich, alle Lieferanten zu nennen, so können die Behörden das Lieferland nennen. Sind mehrere Lieferanten aus mehr als einem Land betroffen, so können die Behörden entweder alle betroffenen Lieferanten oder, wenn dies aus praktischen Gründen nicht möglich ist, alle betroffenen Lieferländer nennen.“ Unionsrecht 12 Die Antidumping-Grundverordnung ist die Verordnung (EG) Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 343, S. 51, berichtigt in ABl. 2010, L 7, S. 22) (im Folgenden: Grundverordnung), die die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 56, S. 1) in geänderter Fassung ersetzt. 13 Aus Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Grundverordnung geht hervor, dass „[i]n Antidumpinguntersuchungen betreffend Einfuhren aus der Volksrepublik China, aus Vietnam und aus Kasachstan und aus Ländern ohne Marktwirtschaft, die zum Zeitpunkt der Einleitung der Untersuchung Mitglied der WTO sind, … der Normalwert gemäß den Absätzen 1 bis 6 ermittelt [wird], sofern auf der Grundlage ordnungsgemäß begründeter Anträge des oder der von der Untersuchung betroffenen Hersteller(s) und entsprechend den unter Buchstabe c) genannten Kriterien und Verfahren nachgewiesen wird, dass für diesen oder diese Hersteller bei der Fertigung und dem Verkauf der betreffenden gleichartigen Ware marktwirtschaftliche Bedingungen herrschen[; a]ndernfalls findet Buchstabe a) Anwendung“. 14 Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der genannten Verordnung bestimmt: „Ein Antrag im Sinne des Buchstabens b) muss schriftlich gestellt werden und ausreichendes Beweismaterial dahin gehend enthalten, dass der Hersteller unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig ist, d. h., wenn folgende Kriterien erfüllt sind: — Die Unternehmen treffen ihre Entscheidungen über die Preise, Kosten und Inputs, einschließlich beispielsweise der Rohstoffe, der Kosten von Technologie und Arbeitskräften, Produktion, Verkäufen und Investitionen auf der Grundlage von Marktsignalen, die Angebot und Nachfrage widerspiegeln, und ohne nennenswerte diesbezügliche Staatseingriffe; dabei müssen die Kosten der wichtigsten Inputs im Wesentlichen auf Marktwerten beruhen; — die Unternehmen verfügen über eine einzige klare Buchführung, die von unabhängigen Stellen nach internationalen Buchführungsgrundsätzen geprüft und in allen Bereichen angewendet wird; — … Eine Entscheidung darüber, ob der Hersteller den vorstehend aufgeführten Kriterien entspricht, erfolgt innerhalb von drei Monaten ab dem Beginn der Untersuchung, nach besonderer Anhörung des Beratenden Ausschusses und nach Ermöglichung der Stellungnahme seitens des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft. Diese Entscheidung bleibt sodann während der gesamten Untersuchung gültig.“ 15 Art. 3 der Grundverordnung lautet: „(1)   Sofern nichts anderes bestimmt ist, bedeutet der Begriff ‚Schädigung‘ im Sinne dieser Verordnung, dass ein Wirtschaftszweig der Gemeinschaft bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft erheblich verzögert wird; der Begriff ‚Schädigung‘ ist gemäß diesem Artikel auszulegen. (2)   Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung a) des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt und b) der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft. (3)   Im Zusammenhang mit dem Volumen der gedumpten Einfuhren ist zu berücksichtigen, ob diese Einfuhren entweder absolut oder im Verhältnis zu Produktion oder Verbrauch in der Gemeinschaft erheblich angestiegen sind. Im Zusammenhang mit den Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise ist in Betracht zu ziehen, ob im Vergleich zu dem Preis einer gleichartigen Ware des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft eine erhebliche Preisunterbietung durch die gedumpten Einfuhren stattgefunden hat oder ob diese Einfuhren auf andere Weise einen erheblichen Preisrückgang verursacht oder Preiserhöhungen, die andernfalls eingetreten wären, deutlich verhindert haben. Weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend. (4)   Sind die Einfuhren einer Ware aus mehr als einem Land gleichzeitig Gegenstand von Antidumpinguntersuchungen, so werden die Auswirkungen dieser Einfuhren nur dann kumulativ beurteilt, wenn festgestellt wird, dass a) die ermittelte Dumpingspanne für die Einfuhren aus jedem einzelnen Land den in Artikel 9 Absatz 3 genannten Mindestprozentsatz übersteigt und das Volumen der Einfuhren aus jedem einzelnen Land nicht unerheblich ist, und b) eine kumulative Beurteilung der Auswirkungen der Einfuhren angesichts des Wettbewerbs zwischen den eingeführten Waren sowie des Wettbewerbs zwischen den eingeführten Waren und der gleichartigen Ware der Gemeinschaft angemessen ist. (5)   Die Prüfung der Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf den betroffenen Wirtschaftszweig der Gemeinschaft umfasst eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und -indizes, die die Lage des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft beeinflussen, einschließlich der Tatsache, dass ein Wirtschaftszweig sich noch von den Auswirkungen früherer Dumpingpraktiken oder Subventionen erholen muss, der Höhe der tatsächlichen Dumpingspanne, des tatsächlichen und des potenziellen Rückgangs von Absatz, Gewinn, Produktion, Marktanteil, Produktivität, Rentabilität und Kapazitätsauslastung, der Faktoren, die die Preise der Gemeinschaft beeinflussen, der tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Cashflow, Lagerbestände, Beschäftigung, Löhne, Wachstum, Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmöglichkeiten. Diese Liste ist nicht erschöpfend, und weder eines noch mehrere dieser Kriterien sind notwendigerweise ausschlaggebend.“ 16 In Art. 5 („Einleitung des Verfahrens“) der Grundverordnung heißt es: „(1)   Vorbehaltlich von Absatz 6 wird eine Untersuchung zur Feststellung des Vorliegens, des Umfangs und der Auswirkungen angeblicher Dumpingpraktiken auf einen schriftlichen Antrag eingeleitet, der von einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Vereinigung ohne Rechtspersönlichkeit, die im Namen eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft handelt, gestellt wird … (2)   Ein Antrag nach Absatz 1 muss Beweise für das Vorliegen von Dumping und für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthalten. Der Antrag enthält die folgenden dem Antragsteller üblicherweise zur Verfügung stehenden Informationen: … b) vollständige Beschreibung der angeblich gedumpten Ware, Namen der fraglichen Ursprungs- oder Ausfuhrländer, Namen aller bekannten Ausführer oder ausländischen Hersteller sowie eine Liste der bekannten Einführer der betreffenden Ware; c) Informationen über die Preise, zu denen die betreffende Ware zum Verbrauch auf den Inlandsmärkten der Ursprungs- oder Ausfuhrländer verkauft wird …; … (7)   Die Beweise sowohl für das Dumping als auch für die Schädigung werden bei dem Beschluss über die Einleitung einer Untersuchung gleichzeitig berücksichtigt. Ein Antrag wird zurückgewiesen, wenn entweder die Beweise für das Dumping oder für die Schädigung nicht ausreichen, um eine Untersuchung des Falls zu rechtfertigen. Verfahren sind nicht gegen Länder einzuleiten, deren Einfuhren einen Marktanteil von weniger als 1 v. H. ausmachen, es sei denn, diese Länder erreichen zusammen 3 v. H. oder mehr des Gemeinschaftsverbrauchs. … (9)   Stellt sich nach Konsultationen heraus, dass genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung eines Verfahrens zu rechtfertigen, so eröffnet die Kommission innerhalb von 45 Tagen nach der Antragstellung ein Verfahren und veröffentlicht eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union. Reichen die Beweise nicht aus, so wird der Antragsteller hiervon nach Konsultationen innerhalb von 45 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag bei der Kommission gestellt worden ist, unterrichtet.“ 17 Art. 9 Abs. 3 bis 6 der Grundverordnung sieht Folgendes vor: „(3)   Bei Verfahren, die gemäß Artikel 5 Absatz 9 eingeleitet werden, wird die Schädigung normalerweise als unerheblich angesehen, wenn die betreffenden Einfuhren unter den in Artikel 5 Absatz 7 festgelegten Mengen liegen. Die gleichen Verfahren werden unverzüglich eingestellt, wenn festgestellt wird, dass die Dumpingspanne, ausgedrückt als Prozentsatz des Ausfuhrpreises, weniger als 2 v. H. beträgt, wobei jedoch nur die Untersuchung eingestellt wird, wenn die Dumpingspanne für einzelne Ausführer unter 2 v. H. liegt, diese Ausführer weiterhin vom Verfahren betroffen sind und im Fall einer späteren Überprüfung für das betreffende Land nach Maßgabe des Artikels 11 erneut untersucht werden können. (4)   Ergibt sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen gemäß Artikel 21 erforderlich ist, so führt der Rat auf einen nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss von der Kommission unterbreiteten Vorschlag einen endgültigen Antidumpingzoll ein. Der Vorschlag wird vom Rat angenommen, es sei denn, der Rat beschließt innerhalb eines Monats nach dessen Vorlage durch die Kommission mit einfacher Mehrheit, den Vorschlag abzulehnen. Sind vorläufige Zölle eingeführt worden, so wird spätestens einen Monat vor dem Außerkrafttreten dieser Zölle ein Vorschlag für endgültige Maßnahmen unterbreitet. Der Antidumpingzoll darf die festgestellte Dumpingspanne nicht übersteigen, sollte aber niedriger sein als die Dumpingspanne, wenn ein niedrigerer Zoll ausreicht, um die Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft zu beseitigen. (5)   Ein Antidumpingzoll wird jeweils in der angemessenen Höhe ohne Diskriminierung auf alle Einfuhren der Ware gleich welcher Herkunft eingeführt, sofern festgestellt wurde, dass sie gedumpt sind und eine Schädigung verursachen; ausgenommen sind die Einfuhren von Parteien, von denen gemäß dieser Verordnung Verpflichtungen angenommen wurden. In der Verordnung, mit der der Zoll festgesetzt wird, wird der Zoll für jeden einzelnen Lieferanten oder, wenn dies nicht praktikabel ist und generell in den Fällen des Artikels 2 Absatz 7 Buchstabe a), für das betroffene Lieferland festgesetzt. Findet Artikel 2 Absatz 7 Buchstabe a) Anwendung, so werden jedoch unternehmensspezifische Zölle für diejenigen Ausführer festgesetzt, die anhand ordnungsgemäß begründeter Anträge Folgendes nachweisen: a) Die Ausführer können, sofern es sich um ganz oder teilweise in ausländischem Eigentum befindliche Unternehmen oder Joint Ventures handelt, Kapital und Gewinne frei zurückführen; b) die Ausfuhrpreise und -mengen sowie die Verkaufsbedingungen werden frei festgelegt; c) Die Mehrheit der Anteile ist im Besitz von Privatpersonen; staatliche Vertreter, die im Leitungsgremium sitzen oder Schlüsselpositionen im Management bekleiden, sind entweder in der Minderheit, oder das Unternehmen ist dennoch nachweislich von staatlichen Eingriffen hinreichend unabhängig; d) Währungsumrechnungen erfolgen zu Marktkursen; und e) der Staat nimmt nicht in einem solchen Maße Einfluss, dass Maßnahmen umgangen werden können, wenn für einzelne Ausführer unterschiedliche Zollsätze festgesetzt werden. (6)   Wenn die Kommission ihre Untersuchung gemäß Artikel 17 beschränkt hat, dürfen die Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Ausführern oder Herstellern, die sich gemäß Artikel 17 selbst gemeldet haben, aber nicht in die Untersuchung einbezogen wurden, die gewogene durchschnittliche Dumpingspanne nicht übersteigen, die für die Stichprobenauswahl ermittelt wurde. Für die Zwecke dieses Absatzes lässt die Kommission Dumpingspannen, deren Höhe Null beträgt, geringfügig ist oder gemäß Artikel 18 ermittelt wurde, unberücksichtigt. Auf Einfuhren von Ausführern oder Herstellern, denen gemäß Artikel 17 eine individuelle Behandlung gewährt wird, werden individuelle Zölle angewandt.“ 18 Art. 17 („Stichprobe“) der genannten Verordnung lautet: „(1)   In den Fällen, in denen die Zahl der Antragsteller, der Ausführer oder der Einführer, der Warentypen oder der Geschäftsvorgänge sehr groß ist, kann die Untersuchung auf eine vertretbare Anzahl von Parteien, Waren oder Geschäftsvorgängen durch Stichproben, die nach den normalen statistischen Verfahren auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Auswahl zur Verfügung stehenden Informationen gebildet werden, oder auf das größte repräsentative Volumen von Produktion, Verkäufen oder Ausfuhren beschränkt werden, die in angemessener Weise in der zur Verfügung stehenden Zeit untersucht werden können. … (3)   In den Fällen, in denen die Untersuchung gemäß diesem Artikel beschränkt wurde, wird dennoch eine individuelle Dumpingspanne für jeden ursprünglich nicht ausgewählten Ausführer oder Hersteller berechnet, der die erforderlichen Informationen innerhalb der durch diese Verordnung gesetzten Frist vorlegt, außer wenn die Anzahl der Ausführer oder der Hersteller so groß ist, dass individuelle Ermittlungen eine zu große Belastung darstellen und den fristgerechten Abschluss der Untersuchung verhindern würden. (4)   Wird eine Stichprobenauswahl beschlossen und sind einige oder alle ausgewählten Parteien in einem Maße, das wahrscheinlich das Ergebnis der Untersuchung maßgeblich beeinflussen wird, nicht zur Mitarbeit bereit, so kann eine neue Auswahl getroffen werden. Mangelt es weiterhin in großem Maße an Bereitschaft zur Mitarbeit oder fehlt die Zeit zur Auswahl einer neuen Stichprobe, so finden die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 18 Anwendung.“ 19 Die Verordnung (EG) Nr. 1515/2001 des Rates vom 23. Juli 2001 über die möglichen Maßnahmen der Gemeinschaft aufgrund eines vom WTO-Streitbeilegungsgremium angenommenen Berichts über Antidumping- oder Antisubventionsmaßnahmen (ABl. L 201, S. 10) sieht in Art. 1 Abs. 1 vor, dass, „[n]immt das [Streitbeilegungsgremium] einen Bericht über eine aufgrund der Verordnung … Nr. 384/96 [jetzt: Grundverordnung], der Verordnung (EG) Nr. 2026/97 oder der vorliegenden Verordnung ergriffene Maßnahme der Gemeinschaft … an, … der Rat … eine oder mehrere der nachstehenden Maßnahmen ergreifen [kann], sofern er dies für angemessen erachtet: a) Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Maßnahme oder, b) andere besondere Maßnahmen, die unter den Umständen des Einzelfalls angemessen erscheinen“. 20 Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1515/2001 „[kann d]er Rat … auch Maßnahmen gemäß Artikel 1 Absatz 1 ergreifen, um den rechtlichen Auslegungen in einem vom [Streitbeilegungsgremium] angenommenen Bericht in Bezug auf eine nicht angefochtene Maßnahme Rechnung zu tragen, sofern er dies für angemessen erachtet“. Abs. 3 dieser Bestimmung sieht vor, dass, wenn „es angemessen [ist], vor oder gleichzeitig mit dem Ergreifen von Maßnahmen gemäß Absatz 1 eine Überprüfung durchzuführen, … die Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss eine solche Überprüfung ein[leitet]“. Vorgeschichte des Rechtsstreits 21 Die Klägerin, die Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd, ist eine Gesellschaft mit Sitz in Kanton (China), die Bügelbretter und -tische herstellt und ausführt. 22 Am 23. April 2007 erließ der Rat der Europäischen Union die Verordnung (EG) Nr. 452/2007 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in der Volksrepublik China und der Ukraine (ABl. L 109, S. 12). Mit dieser Verordnung führte der Rat für sämtliche Hersteller von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung u. a. in China endgültige Antidumpingmaßnahmen ein, ausgenommen die Klägerin, die einem Zollsatz von null unterlag (Erwägungsgründe 1 und 2 der angefochtenen Verordnung). 23 Am 20. August 2009 stellten drei Hersteller aus der Union, nämlich Columbo New Scal SpA, Pirolla SpA und Vale Mill (Rochdale) Ltd, auf die ein großer Teil der gesamten Produktion von Bügelbrettern und -tischen in der Union entfällt, einen Antidumpingantrag gegen die Klägerin (vierter Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 24 Am 2. Oktober 2009 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Bekanntmachung über die Einleitung einer auf einen chinesischen ausführenden Hersteller, die Klägerin, beschränkten Antidumpinguntersuchung nach Art. 5 der Verordnung Nr. 384/96 (jetzt Art. 5 der Grundverordnung) in Bezug auf die Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen aus China und leitete gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1515/2001 eine Überprüfung der mit der Verordnung Nr. 452/2007 (ABl. C 237, S. 5) eingeführten und die Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in China betreffenden Antidumpingmaßnahmen ein (dritter Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 25 In der Einleitungsbekanntmachung wies die Kommission zum einen darauf hin, dass sie nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Antrag von einem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft oder in seinem Namen eingereicht worden sei und ausreichende Beweise bestünden, um die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 5 der Verordnung Nr. 384/96 zu rechtfertigen (Nr. 5 der Einleitungsbekanntmachung). 26 Zum anderen führte die Kommission unter Bezugnahme auf die Tatsache, dass die Verordnung Nr. 452/2007 einen endgültigen Antidumpingzoll auf die in dieser Verordnung genannten Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen eingeführt habe und der auf die Klägerin angewandte Zoll mit 0 % festgelegt worden sei (Nr. 10 der Einleitungsbekanntmachung), aus, dass im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums („Mexiko – Endgültige Antidumpingmaßnahmen gegenüber Rindfleisch und Reis“) vom 29. November 2005 (AB-2005-6) (WT/DS295/AB/R) (im Folgenden: „Bericht des WTO-Berufungsgremiums“) die Aufrechterhaltung der mit der Verordnung Nr. 452/2007 eingeführten Maßnahmen gegenüber der Klägerin nicht mehr angemessen sei. 27 Die Kommission leitete daher gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1515/2001 eine Überprüfung der Verordnung Nr. 452/2007 ein, um die angesichts des Berichts des WTO-Berufungsgremiums gegebenenfalls erforderlichen Änderungen vornehmen zu können (Nr. 10 der Einleitungsbekanntmachung). 28 Am 26. Oktober 2009 beantragte die Klägerin, ihr nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Verordnung Nr. 384/96 (jetzt Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Grundverordnung) den Status eines in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmens (im Folgenden: MWB) zuzuerkennen (26. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 29 Am 19. November 2009 übermittelte die Klägerin der Kommission ihre Antworten auf den Antidumping-Fragebogen. Am 23. November 2009 reichte sie eine Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Verfahrens ein. 30 Am 25. November 2009 gab die Kommission der Klägerin in einem Schreiben, in dem sie zu deren Antrag auf MWB Stellung nahm, Gelegenheit, ihr weitere Informationen zu übermitteln. Die Klägerin antwortete auf dieses Schreiben am 7. Dezember 2009. 31 Am 18. Dezember 2009 übermittelten die oben in Randnr. 23 genannten Hersteller aus der Union ihre Antworten auf den Antidumping-Fragebogen der Kommission. Diese verlangte am 3. Februar 2010 von diesen Herstellern weitere Angaben, die diese Hersteller der Kommission mit Schreiben vom 19. und 24. Februar 2010 mitteilten. 32 Vom 4. bis 10. Februar 2010 führte die Kommission einen Kontrollbesuch bei der Klägerin durch, der die Angaben der Klägerin im Rahmen ihres Antrags auf MWB und in der Antwort auf den Antidumping-Fragebogen betraf. 33 Mit Schreiben vom 2. März 2010 teilte die Klägerin der Kommission statistische Daten über die Preise eines Bündels von Stahlerzeugnissen in China mit und wies darauf hin, dass diese mit internationalen Preisen vergleichbar seien. Sie legte auch Gründe dar, aus denen die genannten Preise für die Feststellung, ob ihr MWB zuerkannt werden müsse, nicht maßgebend seien. 34 Mit Schreiben vom 26. März 2010 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass Letztere ihres Erachtens nicht die Kriterien nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 1 erster und zweiter Gedankenstrich der Grundverordnung erfülle und sie daher beabsichtige, die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf MWB vorzuschlagen. 35 Die Klägerin nahm dazu mit Schreiben vom 13. April 2010 Stellung. In diesem Schreiben vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die Kommission durch die Einleitung eines Verfahrens gegen eine einzige Gesellschaft ihre Befugnisse überschritten habe, und machte ferner eine Verletzung von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c letzter Absatz der Grundverordnung sowie einen Verstoß gegen das erste und zweite Kriterium des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c dieser Verordnung geltend. 36 Eine Anhörung vor dem Anhörungsbeauftragten fand am 29. April 2010 statt. 37 Mit Schreiben vom 30. April 2010 antwortete die Kommission auf die Hauptargumente der Klägerin in deren Schreiben vom 13. April 2010 und bestätigte die in ihrem Schreiben vom 26. März 2010 enthaltenen Schlussfolgerungen zum Antrag der Klägerin auf MWB. 38 Die Klägerin nahm im Hinblick auf den Gegenstand der Erörterungen bei der Anhörung vom 29. April 2010 mit Schreiben vom 31. Mai 2010 ergänzend zur Einleitung des Verfahrens Stellung, insbesondere in Bezug auf den Bericht des WTO-Berufungsgremiums und auf die Einschätzung ihres Antrags auf MWB durch die Kommission. Die Kommission antwortete darauf mit Schreiben vom 22. Juni 2010. Die Klägerin übermittelte hierzu am 30. August 2010 eine weitere Stellungnahme an die Kommission. 39 Mit Schreiben vom 21. September 2010 übermittelte die Kommission der Klägerin ein allgemeines endgültiges Unterrichtungsschreiben, dem Unterlagen, die detaillierte Angaben zur Methodik der Berechnung der Dumping- und der Schädigungsspanne enthielten, sowie ein besonderes Unterrichtungsschreiben beigefügt waren, in dem auf die die Einleitung des Verfahrens betreffenden Argumente der Klägerin eingegangen wurde. Die Klägerin antwortete darauf mit Schreiben vom 6. Oktober 2010. 40 Eine weitere Anhörung vor dem Anhörungsbeauftragten fand am 11. Oktober 2010 statt; anschließend wurde der Klägerin am 27. Oktober 2010 ein Protokoll übermittelt. 41 Am 20. Dezember 2010 erließ der Rat die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1241/2010 zur Änderung der Verordnung Nr. 452/2007 (ABl. L 338, S. 8). Mit dieser Verordnung beschloss der Rat, die Klägerin von der endgültigen Antidumping-Maßnahme auszunehmen, die mit der Verordnung Nr. 452/2007 eingeführt worden war. 42 Am 20. Dezember 2010 erließ der Rat auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1243/2010 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in der Volksrepublik China, die von Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd hergestellt werden (ABl. L 338, S. 22) (im Folgenden: angefochtene Verordnung). Angefochtene Verordnung 43 In der angefochtenen Verordnung wies der Rat in erster Linie auf die mit der Verordnung Nr. 452/2007 eingeführten Maßnahmen sowie auf den Hintergrund hin, vor dem das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Verfahren eröffnet wurde. 44 Im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums sei eine neue Antidumpinguntersuchung nach Art. 5 der Grundverordnung und keine Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung gegen die Klägerin eingeleitet worden, da aus diesem Bericht (Randnrn. 305 und 306) hervorgehe, dass ein ausführender Hersteller, der in einer Ausgangsuntersuchung nicht des Dumpings überführt werde, aus dem Anwendungsbereich der aufgrund einer derartigen Untersuchung eingeführten endgültigen Maßnahme auszuschließen sei und keinen Überprüfungen aus administrativen Gründen oder aufgrund veränderter Umstände unterworfen werden dürfe (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 45 Der Rat erkannte an, dass Antidumpingverfahren in der Regel gegen Einfuhren eines Landes und nicht einzelner Unternehmen eingeleitet würden. Der vorliegende Fall stelle jedoch eine Ausnahme von dieser Regel dar, und zwar erstens im Hinblick auf die Schlussfolgerungen in den Randnrn. 216 bis 218 und 305 des Berichts des WTO-Berufungsgremiums, zweitens im Hinblick auf die Tatsache, dass keine der Bestimmungen der Grundverordnung der Einleitung einer neuen Antidumpinguntersuchung nach Art. 5 der Grundverordnung gegen ein einziges Unternehmen entgegenstehe und drittens im Hinblick darauf, dass die Rechtsvorschriften der Union soweit wie möglich dahin auszulegen seien, dass sie mit dem internationalen Recht in Einklang stünden, insbesondere in Fällen, in denen die betreffenden Bestimmungen dazu gedacht seien, einem von der Union geschlossenen internationalen Übereinkommen rechtliche Wirkung zu verleihen (Erwägungsgründe 7, 8 und 87 der angefochtenen Verordnung). 46 Ferner wies der Rat hinsichtlich der Feststellung eines Dumpings und insbesondere der MWB darauf hin, dass die Untersuchung ergeben habe, dass der Klägerin die beantragte MWB nicht gewährt werden könne, da sie die Kriterien des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c erster und zweiter Gedankenstrich der Grundverordnung nicht erfülle (Erwägungsgründe 26 und 27 der angefochtenen Verordnung). Betreffend das erste Kriterium, wonach Geschäftsentscheidungen auf Marktsignale hin getroffen würden, ohne dass der Staat nennenswert eingreife, und die Kosten Marktwerte widerspiegelten, habe die Klägerin angegeben, ihre wichtigsten Rohstoffe mittlerweile auf dem heimischen chinesischen Markt zu kaufen. Der Staat habe jedoch weiterhin entscheidend Einfluss auf den chinesischen Stahlmarkt genommen, d. h. die Stahlpreise in China richteten sich bei diesen Rohstoffen nicht frei nach den Trends auf dem Weltmarkt (Erwägungsgründe 28 bis 33 der angefochtenen Verordnung). Betreffend das zweite Kriterium wies der Rat darauf hin, dass das Unternehmen nicht habe nachweisen können, dass es über eine einzige klare Buchführung verfüge, die von unabhängigen Stellen nach IAS geprüft und in allen Bereichen angewandt werde, da in der Rechnungslegung und insbesondere im Überprüfungsbericht zum Kapitalkonto eine wichtige Transaktion, die während des Untersuchungszeitraums stattgefunden habe, überhaupt nicht aufscheine (34. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 47 Sodann wies der Rat in Bezug auf die Feststellung der Schädigung zunächst auf die Besonderheiten dieser Untersuchung hin, insbesondere auf die Tatsache, dass während des Untersuchungszeitraums Antidumpingzölle auf alle Einfuhren aus China und der Ukraine (ausgenommen die Einfuhren der Klägerin) gegolten hätten. Da der betreffende Wirtschaftszweig der Union während des Untersuchungszeitraums bereits gegen die schädigenden Wirkungen dieser Einfuhren geschützt gewesen sei, habe keine normale umfassende Untersuchung der Schädigung durchgeführt werden können. Folglich sei nach einem eigens konzipierten spezifischen Ansatz vorgegangen worden, der auf die Besonderheiten dieser Untersuchung zugeschnitten gewesen sei und bei dem sich die Organe auf bestimmte Schadensindikatoren konzentriert hätten. So habe die Kommission erstens die Entwicklung der gedumpten Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische, zweitens die Frage, ob diese Einfuhren zu Preisen erfolgt seien, mit denen die Absatzpreise des entsprechenden Wirtschaftszweigs in der Union unterboten worden seien, und wie rentabel die Preise des Wirtschaftszweigs der Union gewesen seien, sowie drittens anderweitige vom Wirtschaftszweig der Union vorgelegte Angaben geprüft, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass die Ausfuhren der Klägerin in die Union diesem Wirtschaftszweig eine Schädigung verursacht hätten, d. h. Angaben zum Verlust von Kunden und Aufträgen an die Klägerin und zur Rentabilität seiner Verkäufe in der Union im Untersuchungszeitraum (Erwägungsgründe 58 bis 61 der angefochtenen Verordnung). 48 Insbesondere betreffend die Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische stellte der Rat fest, erstens seien diese Einfuhren auf den Unionsmarkt gedumpt gewesen (66. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung), zweitens hätten sie während des Bezugszeitraums die Ausfuhren der Klägerin in die Union stark zugenommen, und zwar um 64 % (67. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung), drittens sei der Marktanteil der Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische deutlich gesteigert worden (Erwägungsgründe 68 und 69 der angefochtenen Verordnung), viertens habe der betreffende Wirtschaftszweig der Union in den letzten Jahren zahlreiche Kundenaufträge an die Klägerin verloren (Erwägungsgründe 70 bis 72), fünftens habe die für die Klägerin festgestellte Unterbietungsspanne, ausgedrückt in Prozent des Preises der Unionshersteller, 16,1 % betragen (Erwägungsgründe 73 und 74 der angefochtenen Verordnung) und sechstens hätten die Preise der Unionshersteller auf einem Niveau gelegen, das im Untersuchungszeitraum insgesamt zu Verlusten geführt habe (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). Verfahren und Anträge der Beteiligten 49 Mit Klageschrift, die am 15. März 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 50 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag eingegangen ist, hat die Klägerin beantragt, über diese Klage nach Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts im beschleunigten Verfahren zu entscheiden. Sie hat zu diesem Zweck auch eine Kurzfassung der Klageschrift eingereicht. Mit Fax vom 4. April 2011 hat sich der Rat gegen diesen Antrag ausgesprochen. Mit Entscheidung vom 19. April 2011 hat das Gericht (Achte Kammer) den Antrag zurückgewiesen. 51 Mit Schriftsatz, der am 3. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Die Parteien haben sich nicht gegen diesen Antrag ausgesprochen. 52 Mit Schriftsatz, der am 27. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben auch Vale Mill (Rochdale) und Colombo New Scal beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Die Parteien haben sich nicht gegen diesen Antrag ausgesprochen. 53 Mit Schriftsatz, der am 27. Juni 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt die Klägerin die vertrauliche Behandlung von einigen Anlagen zur Klage gegenüber Vale Mill (Rochdale) und Colombo New Scal. Letztere haben keine Einwände gegen diesen Antrag erhoben. 54 Der Präsident der Achten Kammer des Gerichts hat den Streithilfeanträgen mit Beschlüssen vom 30. August 2011 stattgegeben. 55 Vale Mill (Rochdale) und Colombo New Scal haben ihren Streithilfeschriftsatz am 5. Oktober 2011 eingereicht. Die Kommission hat ihren Streithilfeschriftsatz am 11. Oktober 2011 eingereicht. 56 Die Klägerin beantragt, — die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären; — dem Rat die Kosten aufzuerlegen. 57 Der Rat beantragt, — die Klage abzuweisen; — der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. 58 Die Kommission beantragt, — die Klage abzuweisen; — der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. 59 Vale Mill (Rochdale) und Colombo New Scal beantragen, — die Klage abzuweisen; — der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten von Vale Mill (Rochdale) und Colombo New Scal aufzulegen. 60 Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. In der Sitzung vom 2. Mai 2012 verhandelten die Beteiligten mündlich und beantworteten Fragen des Gerichts. Rechtliche Würdigung 61 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 9, Art. 9 Abs. 3 bis 6 und Art. 17 der Grundverordnung gerügt, da die Einleitung eines Verfahrens nicht gegen eine einzelne Gesellschaft gerichtet sein könne, sondern sich gegen ein oder mehrere Länder und die Gesamtheit der dort ansässigen Hersteller richten müsse. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 der Grundverordnung gerügt, da der Klägerin Antidumpingzölle auferlegt worden seien, ohne dass nachgewiesen worden sei, dass Wirtschaftszweige der Union im Untersuchungszeitraum eine Schädigung erlitten hätten. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung gerügt, da zum einen die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens darum getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke, und zum anderen die Kommission der Klägerin in dieser Hinsicht eine übermäßige Beweislast auferlegt habe. Mit diesem Klagegrund macht die Klägerin auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 9, Art. 9 Abs. 3 bis 6 und Art. 17 der Grundverordnung, da die Einleitung eines Verfahrens nicht gegen eine einzelne Gesellschaft gerichtet sein könne, sondern sich gegen ein oder mehrere Länder und die Gesamtheit der dort ansässigen Hersteller richten müsse 62 Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung in Verbindung mit Art. 17 dieser Verordnung, ausgelegt im Einklang mit dem WTO-Recht, gerügt. Im zweiten Teil rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung, ausgelegt im Einklang mit dem WTO-Recht. Mit dem dritten Teil dieses Klagegrundes wird geltend gemacht, es liege ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung vor. Zum ersten Teil: Verletzung von Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung in Verbindung mit Art. 17 der Grundverordnung in WTO-rechtskonformer Auslegung 63 Im Rahmen des vorliegenden Teils des ersten Klagegrundes führt die Klägerin zum einen aus, die Analyse der Kommission in den Erwägungsgründen 7, 8 und 87 der angefochtenen Verordnung (vgl. oben, Randnr. 45) stütze sich auf die unrichtige Annahme, dass keine Bestimmung der Grundverordnung oder des Antidumping-Übereinkommens die Eröffnung eines Verfahrens gegen eine einzige Gesellschaft verbiete. Nach der Systematik der Grundverordnung und des Antidumping-Übereinkommens betreffe ein Antidumpingverfahren eindeutig ein oder mehrere Länder sowie alle Hersteller dieses oder dieser Länder. Um dem Bericht des WTO-Berufungsgremiums zu entsprechen, der den Mitgliedern der WTO untersage, Unternehmen, deren Dumpingspanne bei der ursprünglichen Untersuchung geringfügig gewesen sei, zu überprüfen, hätte es zum anderen genügt, dass die Organe sie vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 452/2007 ausnähmen und keiner Überprüfung unterzögen. 64 Der Rat erkannte im siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung und in seinen Schriftsätzen an, dass das fragliche Verfahren eine Ausnahme zu den üblichen Untersuchungen der Organe der Union darstelle. Die Grundverordnung enthalte jedoch keine Bestimmung, die die Organe daran hindere, unter den gegebenen Umständen eine Untersuchung gegen einen einzigen Hersteller einzuleiten. 65 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Antidumpingverfahren grundsätzlich alle Einfuhren einer bestimmten Warengruppe aus einem Drittland und nicht die Einfuhren der Waren bestimmter Unternehmen betreffen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Dezember 1993, Rima Eletrometalurgia/Rat, C-216/91, Slg. 1993, I-6303, Randnr. 17). 66 Zuvor ist jedoch zu prüfen, ob, wie die Klägerin behauptet, Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung und Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c sowie Abs. 7 dieser Bestimmung, die die Klägerin ebenfalls angeführt hat, in Verbindung mit Art. 17 dieser Verordnung und im Einklang mit ihrer Systematik, mit Art. VI.1 GATT, mit Art. 1, Art. 5.2 Buchst. ii sowie mit den Art. 6.1.3, 6.7, 6.10 und 9.2 des Antidumping-Übereinkommens niemals die Einleitung eines Antidumpingverfahrens gegen einen einzigen, namentlich unter Ausschluss jedes anderen bezeichneten, Herstellers zulassen und Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung daher im vorliegenden Fall nicht als Rechtsgrundlage für die Einleitung des Verfahrens herangezogen werden kann. 67 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen sind, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1995, Leifer u. a., C-83/94, Slg. 1995, I-3231, Randnr. 22, und vom 30. Juli 1996, Bosphorus, C-84/95, Slg. 1996, I-3953, Randnr. 11; Urteile des Gerichts vom 24. September 2008, Reliance Industries/Rat und Kommission, T-45/06, Slg. 2008, II-2399, Randnr. 101, und vom 19. Juni 2009, Spanien/Kommission, T-369/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 50). 68 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann die Behauptung, ein Antidumping-Verfahren könne niemals gegen einen einzelnen Hersteller eröffnet werden, nicht auf den Wortlaut der von ihr genannten Bestimmungen der Grundverordnung gestützt werden. 69 Nach Art. 5 Abs. 1 der Grundverordnung wird eine Untersuchung über das Vorliegen, den Umfang und die Auswirkungen angeblicher Dumpingpraktiken grundsätzlich auf schriftlichen Antrag einer natürlichen oder juristischen Person oder einer Vereinigung ohne Rechtspersönlichkeit, die im Namen eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft handelt, eingeleitet. Ein solcher Antrag muss nach Abs. 2 dieser Bestimmung Beweise für das Vorliegen von Dumping und für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthalten. Nach Abs. 9 dieser Bestimmung wird ein Verfahren nur eingeleitet, wenn nach Konsultationen genügend Beweise vorliegen. 70 Die einschlägigen Absätze von Art. 5 stellen somit nach ihrem Wortlaut die Anforderungen für die Stellung eines Antrags im Namen eines Wirtschaftszweigs der Union und für die dem Antrag beizufügenden Beweise für das Vorliegen von Dumping, für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung auf. Sie lassen daher nicht den Schluss zu, dass, wie die Klägerin behauptet, ein Antidumpingverfahren niemals gegen einen einzelnen Hersteller eingeleitet werden könne, insbesondere unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles, in dem behauptet wird, dass ein solcher Hersteller, von dem in einem früheren Verfahren, in dem weiterhin in Kraft stehende Antidumpingzölle verhängt worden seien, festgestellt worden sei, dass er kein Dumping betrieben habe, nunmehr Dumping betreibe, das den betreffenden Wirtschaftszweig der Union schädige. Insbesondere ist Art. 5 Abs. 2 Buchst. b und c der Grundverordnung, auf den sich die Klägerin ausdrücklich beruft, nicht einschlägig, da in ihm die Angaben aufgeführt sind, die der vom betreffenden Wirtschaftszweig der Union eingereichte Antrag enthalten muss, darunter insbesondere der Name des Ursprungs- oder Ausfuhrlandes. Aus der Verfahrensakte geht jedoch hervor, dass im das gegenständliche Verfahren einleitenden Antrag der Name dieses Landes genannt wurde. 71 Insoweit ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Klägerin zwar das Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 5 der Grundverordnung und insbesondere ihren Abs. 9 geltend macht, in ihren Schriftsätzen jedoch zum Nachweis, dass die in dieser Bestimmung ausdrücklich vorgesehenen Bedingungen für die Einleitung des Verfahrens missachtet worden seien, nichts ausführt. Insbesondere bestreitet sie nicht, dass die Hersteller aus der Union bei den Organen einen wirksamen Antrag stellten, der Beweise für das Vorliegen von Dumping, für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Einfuhren der Klägerin und der angeblichen Schädigung enthielt. 72 Auch dem Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission nach Art. 5 Abs. 7 der Grundverordnung die Einfuhren des Landes, das Gegenstand des Antrags sei, ermitteln und feststellen müsse, dass diese mehr als 1 % des Verbrauchs der Union ausmachten, kann nicht gefolgt werden. Nach dieser Bestimmung sind nämlich „Verfahren … nicht gegen Länder einzuleiten, deren Einfuhren einen Marktanteil von weniger als 1 v. H. ausmachen, es sei denn, diese Länder erreichen zusammen 3 v. H. oder mehr des Gemeinschaftsverbrauchs“. Zum einen bewirkt diese Bestimmung keinerlei Beschränkung in Bezug auf die Zahl der Hersteller, gegen die ein von der Kommission eingeleitetes Verfahren gerichtet sein kann. Zum anderen ist jedenfalls festzustellen, dass die Klägerin nicht behauptet, die im 20. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung genannten Einfuhren des betreffenden Produkts stellten nicht mehr als 1 % des Verbrauchs der Union dar. 73 Auch das Argument der Klägerin, dass Art. 17 der Grundverordnung in Verbindung mit Art. 6.10 des Antidumping-Übereinkommens nur in dem Fall eine Stichprobenauswahl erlaubten, in dem die Anzahl der Hersteller sehr groß sei, und es in allen anderen Fällen allen Herstellern des betreffenden Landes ermöglicht werden müsse, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und eine individuelle Dumpingspanne zu erhalten, greift nicht durch, da auch diese Bestimmung keinerlei Ausführungen zur Einleitung eines Verfahrens durch die Kommission gegen einen einzigen Hersteller enthält. Die Kommission musste außerdem im vorliegenden Fall keinerlei Stichprobenauswahl unter den ausführenden Herstellern treffen, da das Verfahren nur gegenüber den Einfuhren der Klägerin eingeleitet wurde. 74 Darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass nach Art. VI.1 GATT oder Art. 1 des Antidumping-Übereinkommens niemals ein Verfahren gegen einen einzelnen Hersteller eingeleitet werden kann. Art. VI.1 GATT betrifft weder die Einleitung der Verfahren noch die Zahl der Hersteller, gegen die solche Verfahren gerichtet sein können. Auch Art. 5.2 Punkt ii und die Art. 6.1.3, 6.7, 6.10 und 9.2 des Antidumping-Übereinkommens enthalten keine Beschränkung in Bezug auf die Zahl der Hersteller, die von der Einleitung eines Verfahrens betroffen sein können. 75 Daraus folgt, dass entgegen der Auffassung der Klägerin aus dem Wortlaut der von ihr angeführten Bestimmungen der Grundverordnung und des Antidumping-Übereinkommens oder aus Art. IV.1 GATT nicht abzuleiten ist, dass ein Verfahren niemals gegen einen einzelnen Hersteller eingeleitet werden kann. 76 Was den Zusammenhang, in den sich Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung einfügt, und dessen Zweck betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Bestimmung zur Grundregelung über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Union gehörenden Ländern und insbesondere zu Art. 5 gehört, der die Voraussetzungen regelt, unter denen Verfahren mit dem Ziel eingeleitet werden können, die Union gegen solche sie schädigende Einfuhren zu verteidigen. Mit dieser Bestimmung soll insbesondere die Kommission dazu verpflichtet werden, innerhalb von 45 Tagen nach der Antragstellung ein Verfahren zu eröffnen und eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen, wenn nach Konsultationen genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung dieses Verfahrens zu rechtfertigen. 77 Folglich kann Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung nicht so verstanden werden, dass er es den Organen der Union, soweit sie mit einem wirksamen Antrag befasst wurden, der Beweise für das Vorliegen von Dumping und für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthält, verbietet, ein Verfahren gegen einen einzigen Hersteller einzuleiten, wenn unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles bei einer früheren Untersuchung festgestellt wurde, dass dieser Hersteller eine Dumpingspanne von null oder eine geringfügige Dumpingspanne hatte und Antidumpingmaßnahmen gegen die anderen Hersteller dieser Ware in Kraft sind. 78 Des Weiteren macht die Klägerin geltend, dass der Bericht des WTO-Berufungsgremiums den Mitgliedern der WTO untersage, Unternehmen, deren Dumpingspanne bei der ursprünglichen Untersuchung geringfügig gewesen sei, wie dies bei ihr der Fall sei, zu überprüfen. Die Organe der Union hätten sich folglich darauf beschränken müssen, sie vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 452/2007 auszunehmen, und hätten sie keiner Überprüfung unterziehen dürfen. Ein Unternehmen, das vor der Verhängung von Antidumpingmaßnahmen kein Dumping betrieben habe, könne auch dann kein Dumping betreiben, wenn es als Einziges von Zöllen ausgenommen werde. 79 In dieser Hinsicht ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin keiner formellen Überprüfung unterzogen wurde. 80 Im siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung führte der Rat aus, dass der Bericht des WTO-Berufungsgremiums in seinen Randnrn. 216 bis 218 klarstelle, dass nach Art. 5 Abs. 8 des WTO-Antidumping-Übereinkommens eine Untersuchungsbehörde die Untersuchung gegenüber einem Ausführer einzustellen habe, bei dem festgestellt worden sei, dass er in einer Ausgangsuntersuchung keine Spanne über der Geringfügigkeitsschwelle aufgewiesen habe; dieser Ausführer sei folglich von endgültigen Antidumpingmaßnahmen auszuschließen (Randnr. 305 des Berichts des WTO-Berufungsgremiums) und dürfe auch nicht Überprüfungen aus administrativen Gründen oder aufgrund veränderter Umstände unterworfen werden. 81 In Randnr. 305 des Berichts des WTO-Berufungsgremiums präzisierte dieses insoweit, dass „[d]ie untersuchende Behörde selbstverständlich keine Zölle – einschließlich solcher zu einem Satz von 0 % – gegenüber den Ausführern festsetzt, die von endgültigen Antidumpingmaßnahmen ausgeschlossen sind“ und dass das WTO-Berufungsgremium „daher der Meinung des Panels [folgt], nach der die ‚logische Folge‘ dieses Ansatzes ist, dass diese Ausführer keinen Überprüfungen aus administrativen Gründen oder aufgrund veränderter Umstände unterworfen werden dürfen, da diese Überprüfungen‚den Zollbetrag‘ und die ‚Notwendigkeit der weiteren Erhebung des Zolls‘ betreffen[; w]enn die untersuchende Behörde eine Überprüfung für die Ausführer durchführen muss, die vom Anwendungsbereich der Antidumpingmaßnahme aufgrund ihrer geringfügigen Dumpingspanne ausgeschlossen sind, würden diese Ausführer in mit Art. 5.8 unvereinbarer Weise de facto der Antidumpingmaßnahme unterliegen“. 82 Folglich können bei den betreffenden Herstellern aufgrund der Tatsache, dass sie vom Anwendungsbereich der endgültigen Antidumpingmaßnahme ausgeschlossen und ihre Ausfuhren von Zöllen befreit sind, keine Überprüfungen durchgeführt werden, da diese den Zollbetrag oder die Notwendigkeit der weiteren Erhebung des Zolls betreffen und sich daher nicht auf Hersteller beziehen können, deren Spanne geringfügig ist. 83 Diese Ausführungen, die nur die Gründe erläutern, aus denen das WTO-Berufungsgremium die Möglichkeit einer Überprüfung zurückweist, können nicht bewirken, dass die Organe der Union aufgrund der Schlussfolgerungen des Berichts dieses Organs daran gehindert wären, ein neues Verfahren gegen ein Unternehmen für den Fall zu eröffnen, dass sie mit einem wirksamen Antrag befasst wurden, der Beweise für das Vorliegen von Dumping und für eine Schädigung sowie für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den angeblich gedumpten Einfuhren und der angeblichen Schädigung enthält. 84 Diese Schlussfolgerung wird durch die Argumentation der Klägerin nicht in Frage gestellt, nach der der Bericht des WTO-Berufungsgremiums den Organen vorschreibe, sich darauf zu beschränken, die Klägerin vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 452/2007 auszuschließen. Tatsächlich liefe dieser Ansatz darauf hinaus, dass die Organe behauptete Dumpingpraktiken, die eine Schädigung eines Wirtschaftszweigs der Union verursachten, allein deshalb nicht untersuchen dürften, weil im Rahmen einer früheren Untersuchung festgestellt wurde, dass der betreffende ausführende Hersteller keine Dumpingspanne über der Geringfügigkeitsschwelle hatte, obwohl die Organe der Union mit einem diesen Hersteller betreffenden wirksamen Antrag befasst wurden. Wie jedoch der Rat zu Recht im achten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ausführt (siehe auch oben, Randnr. 45), ist die Grundverordnung dahin auszulegen, dass die Unionsorgane in Fällen wie dem vorliegenden ein Verfahren nach Art. 5 der Grundverordnung einleiten können, da das WTO-Antidumping-Übereinkommen einerseits den WTO-Mitgliedern die Möglichkeit an die Hand gibt, Zölle gegen schädigendes Dumping zu verhängen, andererseits jedoch im Bericht des WTO-Berufungsgremiums dahin ausgelegt wurde, dass Unternehmen, bei denen in einer Ausgangsuntersuchung kein Dumping festgestellt wurde, keinen weiteren Überprüfungen unterworfen werden dürfen. 85 In diesem Zusammenhang kann auch dem Vorbringen der Klägerin, wonach ein Unternehmen, das vor der Verhängung von Antidumpingmaßnahmen kein Dumping betrieben habe, kein Dumping betreiben könne, wenn es als Einziges von Zöllen ausgenommen sei, nicht gefolgt werden, da es auf der unzutreffenden Prämisse beruht, dass ein Unternehmen, das einmal unter die Geringfügigkeitsregelung gefallen ist, niemals Dumping betreiben könne, nachdem ihm gegenüber ein Zollsatz von null festgelegt worden sei. 86 Im vorliegenden Fall widerspricht einer solchen Behauptung im Übrigen die Tatsache, dass es sich im Rahmen der fraglichen Untersuchung erwies, dass die Ausfuhren der Klägerin gedumpt gewesen waren, ohne dass die Klägerin dieses Dumping an sich im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bestritten hätte, obwohl im Rahmen der Untersuchung, die zum Erlass der Verordnung Nr. 452/2007 (im Folgenden: erste Untersuchung) führte, die Organe kein Dumping durch die Klägerin festgestellt hatten. 87 Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Zum zweiten Teil: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung in WTO-rechtskonformer Auslegung 88 Die Klägerin macht geltend, dass Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung bei WTO-rechtskonformer Auslegung nicht gestatte, Antidumpingzölle auf die Einfuhren von einem einzigen Unternehmen zu verhängen, sondern die Festsetzung von Zöllen auf die Einfuhren aller Unternehmen verlange, die sich im Gebiet eines oder mehrerer Länder befänden. 89 In der mündlichen Verhandlung zur Tragweite dieses Teils des ersten Klagegrundes befragt, hat die Klägerin zu einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 5 der Grundverordnung vorgetragen, dass nur ein Verstoß gegen Unterabs. 1 Satz 2 dieser Bestimmung geltend gemacht werde. 90 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerin in ihren Schriftsätzen auf das Vorbringen beschränkt, dass die angefochtene Verordnung gegen Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung verstoße, da sie einen Antidumpingzoll auf die Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische und nicht unternehmensspezifische Zölle gegen jeden chinesischen Hersteller von Bügelbrettern und -tischen oder einen residualen Antidumpingzoll gegen manche von ihnen festsetze. 91 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und im Hinblick auf die oben in Randnr. 67 angeführte Rechtsprechung ist festzuhalten, dass aus den von der Klägerin geltend gemachten Bestimmungen nicht hervorgeht, dass der Rat keine Antidumpingzölle auf die Einfuhren der Waren eines einzigen Unternehmens festsetzen kann. 92 Zunächst enthält Art. 9 Abs. 4 der Grundverordnung, nach dem ein Antidumpingzoll eingeführt wird, wenn sich aus der endgültigen Feststellung des Sachverhalts ergibt, dass Dumping und eine dadurch verursachte Schädigung vorliegen und im Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen erforderlich ist, keine Anforderung betreffend die Zahl der Unternehmen, gegenüber denen eine solche Feststellung getroffen werden muss und ein Antidumpingzoll verhängt werden kann. 93 Sodann ist im Hinblick auf die Verpflichtung nach Art. 9 Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 2 der Grundverordnung, in der Verordnung zur Festsetzung des Zolls diesen für jeden einzelnen Lieferanten oder, wenn dies nicht praktikabel ist, für das betroffene Lieferland festzusetzen, davon auszugehen, dass der Begriff „jeden einzelnen Lieferanten“ dahin auszulegen ist, dass damit jeder einzelne Lieferant gemeint ist, der vom Verfahren betroffen ist. Diese Bestimmung verlangt daher nicht, dass, wie die Klägerin behauptet, Zölle gegenüber allen Lieferanten des betreffenden Drittlands festgesetzt werden. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass eine solche Auslegung im Wortlaut von Art. 9.2 des Antidumping-Übereinkommens eine Stütze findet, der ausdrücklich festhält, dass „[d]ie Behörden … den oder die Lieferanten der betreffenden Ware [nennen]“. 94 Schließlich bestimmt Art. 9 Abs. 6 der Grundverordnung, dass die Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Ausführern oder Herstellern, die sich gemäß Art. 17 dieser Verordnung selbst gemeldet haben, aber nicht in die Untersuchung einbezogen wurden, die durchschnittliche Dumpingspanne nicht übersteigen dürfen, die für die Stichprobenauswahl ermittelt wurde, wenn die Kommission ihre Untersuchung gemäß Art. 17 beschränkt hat. Diese Bestimmung wurde im gegenständlichen Fall jedoch nicht angewandt und ist folglich auch nicht relevant, da das durch die Kommission eingeleitete Verfahren nur die Einfuhren durch die Klägerin betraf und kein residualer Antidumpingzoll festgesetzt wurde. Jedenfalls verpflichtet diese Bestimmung die Organe der Union nicht, Antidumpingzölle nur für die Einfuhren der von allen Herstellern eines Landes hergestellten Waren festzusetzen. 95 Nach alledem kann keine Verletzung von Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung festgestellt werden, und der zweite Teil des vorliegenden Klagegrundes ist daher zurückzuweisen. Zum dritten Teil: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung – Vorbemerkungen 96 Im Rahmen des vorliegenden Teils weist die Klägerin auf die ständige unionsrichterliche Rechtsprechung hin, wonach WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Vorschriften gehörten, an denen der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Unionsorgane messe. Nur wenn die Union eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene, Verpflichtung erfüllen wolle oder die Unionshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen der WTO-Übereinkünfte verweise, sei es Sache des Unionsrichters, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Handlung an den Vorschriften der WTO zu messen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. September 2003, Biret International/Rat, C-93/02 P, Slg. 2003, I-10497, Randnrn. 52 und 53, vom 1. März 2005, Van Parys, C-377/02, Slg. 2005, I-1465, Randnrn. 39 und 40, und vom 27. September 2007, Ikea Wholesale, C-351/04, Slg. 2007, I-7723, Randnrn. 29 und 30). 97 Das Hauptargument der Klägerin besteht darin, dass mit Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung nicht eine Bestimmung des Antidumping-Übereinkommens in Unionsrecht umgesetzt werden solle. Folglich sei der Bericht des WTO-Berufungsgremiums nicht unmittelbar anwendbar und könne nicht rechtfertigen, dass die Kommission in dem Fall, dass ein zulässiger Antrag vom betreffenden Wirtschaftszweig der Union gestellt werde, Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung deshalb unangewandt lasse, weil er mit diesem Bericht unvereinbar sei, und die Überprüfung eines Zollsatzes von null nach dieser Bestimmung verweigere. 98 Mit diesem Vorgehen hätten die Organe der Union gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs verstoßen, aus der sich zu ergeben scheine, dass „die unmittelbare Anwendbarkeit der internationalen Übereinkommen, bei denen die Union Vertragspartei ist, nicht erlaubt, eine Bestimmung des sekundären Unionsrechts unangewandt zu lassen, wenn es unmöglich ist, diese Bestimmung im Einklang mit den Bestimmungen des Übereinkommens auszulegen“. 99 Im Rahmen eines Hilfsvorbringens vertritt die Klägerin auch die Auffassung, dass der letzte Satz von Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung weder eine bestimmte, im Rahmen der WTO übernommene, Verpflichtung umsetze noch auf eine spezielle Bestimmung der WTO-Übereinkünfte verweise, und daher im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung habe. 100 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin, zur Relevanz der oben in Randnr. 96 genannten Rechtsprechung im vorliegenden Fall befragt, angegeben, dass sie diese Rechtsprechung zur Stützung ihrer Argumentation herangezogen habe, wonach der Unionsrichter überprüfen müsse, ob eine Auslegung der Grundverordnung durch die Organe mit den Verpflichtungen der Union nach dem WTO-Recht im Einklang stehe. 101 Die Klägerin hat somit klargestellt, dass sie sich im Rahmen des vorliegenden Teils auf die Rechtsprechung des Unionsrichters stützt, nach der der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen vor den Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts es gebiete, diese Bestimmungen nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Übereinkommen auszulegen. 102 In der vorliegenden Rechtssache ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich die Organe bei ihrer Entscheidung, die Klägerin im vorliegenden Fall keiner Überprüfung nach Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung zu unterziehen, weder auf eine unmittelbare Wirkung der WTO-Regeln noch des Berichts des WTO-Berufungsgremiums gestützt haben. So geht aus Nr. 10 der Einleitungsbekanntmachung, aus den Bezugsvermerken der Verordnung Nr. 1241/2010 und aus den Erwägungsgründen 3 und 7 der angefochtenen Verordnung hervor, dass die Organe die notwendigen Änderungen der Verordnung Nr. 452/2007 im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums und gestützt auf die Verordnung Nr. 1515/2001 vorgenommen haben. 103 Die Argumente der Klägerin zum vorliegenden Teil des vorliegenden Klagegrundes sind im Licht der Erwägungen in den Randnrn. 96 bis 102 oben zu beantworten. – Zum Hauptvorbringen: Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung schreibe den Organen vor, Zollsätze von null von Herstellern, deren Dumpingspanne geringfügig ist, nach Art. 11 Abs. 3 dieser Verordnung zu überprüfen 104 Die Klägerin macht geltend, dass Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung den Organen „vorschreibt“, Zollsätze von null von Herstellern, deren Dumpingspanne geringfügig sei, nach Art. 11 Abs. 3 dieser Verordnung zu überprüfen. 105 Es ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie ausdrücklich aus der Einleitungsbekanntmachung hervorgeht, das Verfahren im gegenständlichen Fall gemäß Art. 5 der Grundverordnung einleitete, nachdem sie nach Konsultation im Beratenden Ausschuss zu dem Ergebnis gekommen war, dass der am 20. August 2009 von drei Herstellern aus der Union gestellte Antrag durch einen Wirtschaftszweig der Gemeinschaft oder in seinem Namen gestellt worden sei und ausreichende Beweise vorlägen, um die Einleitung eines Verfahrens zu rechtfertigen (Nrn. 1 und 5 der Einleitungsbekanntmachung). 106 Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1515/2001 beschloss darüber hinaus die Kommission, im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums eine Überprüfung der Verordnung Nr. 452/2007 einzuleiten (Nr. 10 der Einleitungsbekanntmachung), und der Rat erließ die Verordnung Nr. 1241/2010, die die Klägerin vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 452/2007 ausschloss. 107 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wenn das Streitbeilegungsgremium einen Bericht über eine nicht angefochtene Maßnahme annimmt, der Rat, sofern er dies für angemessen erachtet, die angefochtene Maßnahme nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1515/2001 aufheben oder ändern kann oder andere besondere Maßnahmen, die unter den Umständen angemessen erscheinen, annehmen kann, um den rechtlichen Auslegungen in dem Bericht Rechnung zu tragen. Nach dem fünften Erwägungsgrund der genannten Verordnung können die Organe der Union es für angemessen erachten, aufgrund der Grundverordnung ergriffene Maßnahmen einschließlich solcher, die nicht Gegenstand eines Verfahrens auf der Grundlage der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten waren, aufzuheben oder zu ändern oder diesbezüglich andere besondere Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtlichen Auslegungen in einem vom Streitbeilegungsgremium angenommenen Bericht Rechnung zu tragen. 108 Als Zweites sind die Bestimmungen der Union, wie die Klägerin zutreffend ausführt, nach Möglichkeit im Licht des Völkerrechts auszulegen, insbesondere wenn mit ihnen ein von der Gemeinschaft geschlossener völkerrechtlicher Vertrag durchgeführt werden soll, wie dies hinsichtlich der Grundverordnung der Fall ist, die erlassen wurde, um den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Antidumping-Übereinkommen nachzukommen (siehe den dritten Erwägungsgrund der Grundverordnung). 109 Der Vorrang der von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkommen vor den Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts gebietet es, diese Bestimmungen nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesen Übereinkommen auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland, C-61/94, Slg. 1996, I-3989, Randnr. 52, vom 14. Juli 1998, Bettati, C-341/95, Slg. 1998, I-4355, Randnr. 20, vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C-149/96, Slg. 1999, I-8395, Randnr. 49, vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica, C-76/00 P, Slg. 2003, I-79, Randnrn. 56 und 57, sowie Urteil des Gerichts vom 28. Oktober 2004, Shanghai Teraoka Electronic/Rat, T-35/01, Slg. 2004, II-3663, Randnr. 138). 110 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Auslegung von Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung durch die Organe mit den Schlussfolgerungen des Berichts des WTO-Berufungsgremiums im Einklang stand. Insoweit ist anzumerken, dass Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung bloß die Möglichkeit und keine Verpflichtung der Organe vorsieht, eine Überprüfung in dem Fall durchzuführen, dass festgestellt wurde, dass ein Ausführer eine geringfügige Dumpingspanne hat. 111 Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung werden die Verfahren nämlich unverzüglich gegenüber einzelnen Ausführern eingestellt, von denen bei der Untersuchung festgestellt wird, dass ihre Dumpingspanne geringfügig ist, „wobei jedoch nur die Untersuchung eingestellt wird, … diese Ausführer weiterhin vom Verfahren betroffen sind und im Fall einer späteren Überprüfung … erneut untersucht werden können“. 112 Insoweit folgt aus der Verwendung des Verbs „können“, dass die Organe bei einer Überprüfung die Möglichkeit haben – und nicht verpflichtet sind –, einen Hersteller, dessen Dumpingspanne geringfügig war, einer erneuten Untersuchung zu unterziehen. Daher ist davon auszugehen, dass diese Bestimmung den Organen bei der Entscheidung, ob gegen einzelne Ausführer, deren Dumpingspanne bei einer Überprüfung weniger als 2 v. H. beträgt, eine erneute Untersuchung durchgeführt wird, ein Ermessen einräumt. Die Klägerin kann daher nicht behaupten, die Organe hätten Art. 9 Abs. 3 letzter Satz der Grundverordnung „bewusst nicht berücksichtigt“, da diese Bestimmung die Organe nicht verpflichtet, eine Überprüfung in dem Fall durchzuführen, dass einem Ausführer eine geringfügige Dumpingspanne gewährt wurde. 113 Nach alledem und nach der Schlussfolgerung in Randnr. 305 des Berichts des WTO-Berufungsgremiums, wonach Ausführer, die keine Dumpingspanne über der Geringfügigkeitsschwelle haben, keinen Überprüfungen aus administrativen Gründen oder aufgrund veränderter Umstände unterworfen werden können, ist davon auszugehen, dass die Organe nicht gegen die Grundverordnung verstoßen haben, als sie im vorliegenden Fall von der ihnen von Art. 9 Abs. 3 letzter Satz zuerkannten Möglichkeit Gebrauch machten, die Klägerin keinem Überprüfungsverfahren nach Art. 11 dieser Verordnung zu unterziehen, und sie einer neuen Untersuchung nach Art. 5 der genannten Verordnung unterzogen. 114 Es ist daher festzustellen, dass die Organe nach Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung befugt waren, die Klägerin nicht dem Überprüfungsverfahren zu unterziehen. 115 Als Drittes, im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin, ein neues Verfahren anstelle einer Überprüfung habe für sie erhebliche Folgen, genügt die Feststellung, dass selbst dann, wenn man diese Folgen als gegeben annähme, die Klägerin keine Rechtswidrigkeit der Handlungen der Organe nachgewiesen hat, so dass diesem Argument nicht gefolgt werden kann. 116 Nach alledem ist das Hauptvorbringen der Klägerin zurückzuweisen. – Zum Hilfsvorbringen: die Kommission habe entgegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung, ausgelegt im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums, de facto den Zollsatz von null der Klägerin einer Überprüfung unterzogen 117 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission entgegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung, ausgelegt im Einklang mit dem Bericht des WTO-Berufungsgremiums, de facto ihren Zollsatz von null einer Überprüfung unterzogen habe. Die Organe der Union hätten somit in Wahrheit die Wirkungen dieses Berichts negiert. 118 Zum Nachweis, dass die Kommission tatsächlich eine solche Überprüfung durchgeführt habe, macht die Klägerin in erster Linie unter Bezugnahme auf ihren zweiten Klagegrund geltend, dass die Kommission zwar in Punkt 5.1 der Einleitungsbekanntmachung darauf hingewiesen habe, dass die Untersuchung ergeben werde, ob die betreffende aus China stammende und von der Klägerin hergestellte Ware Gegenstand von Dumpingpraktiken sei und ob diese zur Schädigung beitrügen, eine solche Analyse jedoch nicht durchgeführt habe. Während sich nämlich der Untersuchungszeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 erstreckt habe, habe die Kommission den vom betreffenden Wirtschaftszweig der Gemeinschaft in diesem Zeitraum erlittenen Schaden nicht geprüft, sondern habe sich darauf beschränkt, ihre Schlussfolgerungen aus der ersten Untersuchung zu übernehmen, in deren Rahmen für das Jahr 2007 eine Schädigung festgestellt worden sei, und zu prüfen, ob die Einfuhren der betreffenden, von der Klägerin hergestellten, Ware zu dieser Schädigung hätten beitragen können. 119 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung einer Schädigung nach Einleitung eines Verfahrens nach Art. 3 Abs. 1 der Grundverordnung den Nachweis voraussetzt, dass „ein Wirtschaftszweig der Gemeinschaft bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft erheblich verzögert wird“, während Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung, der die Interimsüberprüfung betrifft, vorsieht, dass bei einer solchen Überprüfung „… die Kommission unter anderem prüfen [kann], ob sich die Umstände hinsichtlich des Dumpings und der Schädigung wesentlich verändert haben oder ob die geltenden Maßnahmen zum angestrebten Ergebnis führen und die Beseitigung der … festgestellten Schädigung ermöglichen“. 120 Im vorliegenden Fall wies der Rat in den Erwägungsgründen 58 bis 61 der angefochtenen Verordnung auf die Besonderheiten dieser Untersuchung hin, aufgrund derer es im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen sei, eine normale umfassende Untersuchung der Schädigung durchzuführen. Erstens sei im Rahmen der ersten Untersuchung eine umfassende Analyse des Schadens vorgenommen worden. Zweitens habe die Kommission im Zuge dieser Untersuchung bereits festgestellt, dass die gedumpten Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung u. a. in China, ausgenommen einzig die Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische, dem betreffenden Wirtschaftszweig der Union eine bedeutende Schädigung verursacht hätten. Drittens hätten während des Untersuchungszeitraums Antidumpingzölle auf diese Einfuhren gegolten (ausgenommen die Einfuhren der Klägerin), und der betreffende Wirtschaftszweig der Union sei folglich gegen die schädigenden Wirkungen dieser Einfuhren geschützt gewesen. Infolgedessen sei nach einem eigens konzipierten spezifischen Ansatz vorgegangen worden, der auf die Besonderheiten der Untersuchung zugeschnitten gewesen sei und bei dem sich die Organe auf bestimmte Schadensindikatoren gestützt hätten. 121 Zu diesen Schadensindikatoren gehörten der Status der Einfuhren der Klägerin, das Volumen der gedumpten Einfuhren, der Marktanteil der gedumpten Einfuhren, die Preisunterbietung, die Tatsache, dass die Preise der Unionshersteller auf einem Niveau gelegen hätten, das im Untersuchungszeitraum insgesamt zu Verlusten geführt habe, und anderweitige vom betreffenden Wirtschaftszweig der Union vorgelegte Angaben, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass die Ausfuhren der Klägerin in die Union eine Schädigung dieses Wirtschaftszweigs der Union verursacht hätten (Erwägungsgründe 71 bis 76 der angefochtenen Verordnung). 122 Ohne dass im Rahmen des vorliegenden Teils zur Relevanz der von den Organen berücksichtigten Schadensindikatoren Stellung zu nehmen wäre, ist hinsichtlich der oben in den Randnrn. 120 und 121 angestellten Erwägungen festzuhalten, dass sich die Kommission in der vorliegenden Untersuchung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht darauf beschränkte, zu prüfen, ob sich die Umstände hinsichtlich des Dumpings und der Schädigung wesentlich verändert hatten oder ob die geltenden Maßnahmen zum angestrebten Ergebnis geführt und die zuvor festgestellte Schädigung beseitigt hatten. Hingegen geht aus dem 76. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung hervor, dass der Rat tatsächlich zu dem Schluss kam, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union durch die von der Klägerin auf dem Unionsmarkt zu Dumpingpreisen abgesetzten Waren geschädigt werde. 123 Somit wies der Rat im 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu Recht darauf hin, dass sich die durchgeführte Schadensanalyse nicht darauf beschränkt habe, zu bestätigen, dass die erste Untersuchung eine Schädigung ergeben habe. Die Schadensanalyse konzentrierte sich vielmehr auf die tatsächlichen, den betreffenden Wirtschaftszweig der Union schädigenden Auswirkungen der Einfuhren der Klägerin zu Dumpingpreisen nach der Untersuchung, wobei berücksichtigt wurde, dass eine normale Schadensanalyse in diesem Fall nicht möglich war. 124 Sodann macht die Klägerin geltend, dass der mit der angefochtenen Verordnung verhängte Zoll gleichzeitig mit den von der Verordnung Nr. 452/2007 gegen die anderen chinesischen Hersteller festgesetzten Zöllen außer Kraft trete, während der in Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung vorgesehene Zeitraum von fünf Jahren zwingend zu sein scheine. Auch dieses Argument ist jedoch zurückzuweisen. 125 Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 der Grundverordnung eine Antidumpingmaßnahme nur so lange und in dem Umfang in Kraft bleibt, wie dies notwendig ist, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen. Nach Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung „[tritt e]ine endgültige Antidumpingmaßnahme … fünf Jahre nach ihrer Einführung … außer Kraft“. Insoweit ist davon auszugehen, dass es im Ermessen des Rates steht, die Geltungsdauer endgültiger Antidumpingzölle auf weniger als fünf Jahre festzusetzen, wenn angesichts besonderer Umstände eine solche Beschränkung am besten geeignet ist, den divergierenden Interessen der Verfahrensbeteiligten Rechnung zu tragen und den von der Grundverordnung angestrebten Ausgleich zwischen diesen Interessen herzustellen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 8. Juli 1998, Cecom/Rat, T-232/95, Slg. 1998, II-2679, Randnr. 46). 126 Die Organe konnten somit im 90. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu Recht davon ausgehen, dass die Klägerin zwar einerseits keine Vorteile daraus ziehen solle, dass das Unternehmen nach der ersten Untersuchung mit dem Dumping begonnen habe, dass ihm andererseits aber auch keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen sollten. Nach Ansicht des Rates wirkte es diskriminierend, den Zoll gegen die Klägerin nach dem Außerkrafttreten der Verordnung weiterhin anzuwenden, wenn z. B. für die Verordnung Nr. 452/2007 keine Auslaufüberprüfung beantragt werde. 127 In Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere der Tatsache, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union durch die Festsetzung von Antidumpingzöllen nach der Verordnung Nr. 452/2007 bereits teilweise geschützt war und die von der angefochtenen Verordnung festgesetzten Maßnahmen zeitlich bis zum Auslaufen der mit der Verordnung Nr. 452/2007 verhängten Antidumpingzölle zu begrenzen waren, um jegliche Ungleichbehandlung der Klägerin und der dieser Verordnung unterliegenden Hersteller zu verhindern und um gegebenenfalls eine gleichzeitige Überprüfung der durch die Verordnung Nr. 452/2007 und durch die angefochtene Verordnung festgesetzten Maßnahmen zu ermöglichen, ist festzustellen, dass das auf die Dauer der mit der angefochtenen Verordnung eingeführten Antidumpingmaßnahmen gestützte Vorbringen der Klägerin nicht zum Nachweis geeignet ist, dass im vorliegenden Fall de facto eine erneute Überprüfung des Antidumpingzollsatzes von null der Klägerin durchgeführt wurde. 128 Schließlich behauptet die Klägerin, die Organe seien „verbissen“ gegen sie vorgegangen, mit dem offensichtlichen Ziel, dem Zollsatz von null, der für die Klägerin auf der Grundlage der im Rahmen der ersten Untersuchung vorgelegten Informationen, die niemals in Frage gestellt worden seien, festgesetzt worden sei, ein Ende zu bereiten. 129 Es ist davon auszugehen, dass das Vorbringen der Klägerin auf den Nachweis eines Ermessensmissbrauchs seitens der Organe gerichtet ist. 130 Dieses Vorbringen ist jedoch zurückzuweisen. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung oder Rechtshandlung der Union nur dann ermessensmissbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 1990, Sermes, C-323/88, Slg. 1990, I-3027, Randnr. 33; Urteile des Gerichts vom 18. September 1995, Nölle/Rat und Kommission, T-167/94, Slg. 1995, II-2589, Randnr. 66, sowie vom 15. Oktober 1998, Industrie des poudres sphériques/Rat, T-2/95, Slg. 1998, II-3939, Randnr. 376). Die Klägerin hat jedoch keine solchen Indizien vorgelegt. 131 Nach alledem ist dieser Teil sowie der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 der Grundverordnung, da der Klägerin die Antidumpingzölle ohne den Nachweis auferlegt worden seien, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union im Untersuchungszeitraum eine Schädigung erlitten habe 132 Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass in der vorliegenden Rechtssache die Antidumpingzölle entgegen Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 der Grundverordnung auferlegt worden seien, ohne dass nachgewiesen worden sei, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union im Untersuchungszeitraum eine Schädigung erlitten habe. 133 Die Klägerin macht dazu geltend, dass nach Art. 3 der Grundverordnung in Verbindung mit den Art. 3.1 und 3.4 des Antidumping-Übereinkommens, in ihrer Auslegung durch das Berufungsgremium des WTO-Streitbeilegungsgremiums und den Gerichtshof, bei jeder Untersuchung eine Beurteilung aller relevanten Wirtschaftsfaktoren und -indizes durchzuführen sei. So schreibe diese Bestimmung den Organen vor, zumindest die Auswirkungen der in Art. 3.4 des Antidumping-Übereinkommens der WTO aufgeführten 16 Faktoren und Indizes zu prüfen, zu denen noch der in Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung genannte besondere Faktor hinzutrete. Im vorliegenden Fall habe sich jedoch die Analyse der Schädigung auf bestimmte Indizes beschränkt, die ausschließlich die Entwicklung der Waren der Klägerin in Bezug auf Marktanteil und Preise betroffen hätten, ohne jegliche Prüfung der für die Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union relevanten Faktoren und Indizes, zu denen der Rat zur Gänze auf die Schlussfolgerungen der ersten Untersuchung verwiesen habe. 134 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, insbesondere im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen verfügen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 4. Oktober 1983, Fediol/Kommission, 191/82, Slg. 1983, 2913, Randnr. 26, Ikea Wholesale, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 40, und vom 3. September 2009, Moser Baer India/Rat, C-535/06 P, Slg. 2009, I-7051, Randnr. 85). 135 Außerdem setzt nach ständiger Rechtsprechung die Feststellung einer Schädigung die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Fragen voraus. Die Unionsorgane verfügen dabei über einen weiten Wertungsspielraum (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat, C-69/89, Slg. 1991, I-2069, Randnr. 86; Urteile des Gerichts vom 28. September 1995, Ferchimex/Rat, T-164/94, Slg. 1995, II-2681, Randnr. 131, und vom 14. März 2007, Aluminium Silicon Mill Products/Rat, T-107/04, Slg. 2007, II-669, Randnr. 43). 136 Der Unionsrichter hat seine Nachprüfung daher auf die Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen Auswahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile Ferchimex/Rat, oben in Randnr. 135 angeführt, Randnr. 67, vom 28. Oktober 1999, EFMA/Rat, T-210/95, Slg. 1999, II-3291, Randnr. 57, und Aluminium Silicon Mill Products/Rat, oben in Randnr. 135 angeführt, Randnr. 43). 137 Es obliegt außerdem der Klägerin, Beweise vorzulegen, die dem Gericht die Feststellung ermöglichen, dass dem Rat bei der Bewertung der Schädigung ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist (vgl. Urteile Shanghai Teraoka Electronic/Rat, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 119, und vom 4. Oktober 2006, Moser Baer India/Rat, T-300/03, Slg. 2006, II-3911, Randnr. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung). 138 Wie der Gerichtshof im Urteil Ikea Wholesale, oben in Randnr. 96 angeführt (Randnrn. 61 und 62), festgestellt hat, räumt Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung den Behörden der Union bei der Prüfung und Beurteilung der verschiedenen Faktoren, die in dieser Bestimmung genannt sind, einen Ermessensspielraum ein. Außerdem verlangt diese Bestimmung nur die Prüfung der „relevanten“ Wirtschaftsfaktoren und -indizes, „die die Lage des Wirtschaftszweigs der [Union] beeinflussen“. 139 Die Gemeinschaftsorgane haben daher in Ausübung ihres Ermessens die genannten Kriterien zu prüfen und aus den in der angeführten Vorschrift aufgezählten Beurteilungsmerkmalen diejenigen auszuwählen, die sie im jeweiligen Einzelfall für sachdienlich erachten (Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 1992, Sharp Corporation/Rat, C-179/87, Slg. 1992, I-1635, Randnr. 46). 140 Da feststeht, dass in der angefochtenen Verordnung die Organe nicht alle Faktoren, die in Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung aufgeführt sind, geprüft haben, ist zu klären, ob im gegenständlichen Fall, wie die Klägerin behauptet, den Organen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, indem sie nur die Wirtschaftsfaktoren und -indizes, die sie im gegenständlichen Fall für relevant gehalten haben und die die Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union beeinflussen, geprüft haben. 141 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes weder die Relevanz der Wirtschaftsfaktoren und -indizes, die von den Organen bei der Beurteilung der Schädigung des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union berücksichtigt wurden, noch ihre Analyse durch die Kommission in den Erwägungsgründen 58 bis 75 der angefochtenen Verordnung bestreitet. Sie bestreitet auch die Schlussfolgerung der Organe im 76. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung nicht, nach der der betreffende Wirtschaftszweig der Union durch die von der Klägerin zu Dumpingpreisen auf dem Unionsmarkt abgesetzten Mengen geschädigt worden sei, da diese Mengen ansonsten vom betreffenden Wirtschaftszweig der Union hätten geliefert werden können. 142 Die Klägerin beschränkt sich nämlich auf das Vorbringen, dass zum einen die Organe der Union nicht alle Faktoren und Indizes, die in Art. 3.4 des Antidumping-Übereinkommens und in Art. 3 Abs. 5 der Grundverordnung aufgeführt würden, analysiert hätten, und zum anderen der Rat bei seiner Prüfung der die Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union betreffenden Faktoren und Indizes zur Gänze auf die Schlussfolgerungen der ersten Untersuchung verwiesen habe, obwohl im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt worden sei, dass die Klägerin kein Dumping betreibe. 143 Es steht zwar fest, dass die Kommission im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, anders als im Rahmen der ersten Untersuchung, nicht alle die Situation des fraglichen Wirtschaftszweigs der Union betreffenden Faktoren und Indizes prüfte (Erwägungsgründe 94 bis 107 der Verordnung [EG] Nr. 1620/2006 der Kommission vom 30. Oktober 2006 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Bügelbrettern und Bügeltischen mit Ursprung in der Volksrepublik China und der Ukraine [ABl. L 300, S. 13] sowie Erwägungsgründe 44 bis 47 der Verordnung Nr. 452/2007), doch kann daraus nicht geschlossen werden, dass in der vorliegenden Rechtssache die Organe die nach der oben in den Randnrn. 138 und 139 genannten Rechtsprechung allein relevanten Elemente nicht geprüft hätten. 144 Laut dem 61. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung prüfte die Kommission im vorliegenden Fall erstens die Entwicklung der gedumpten Einfuhren der von der Klägerin hergestellten Bügelbretter und -tische, zweitens ob diese Einfuhren zu Preisen erfolgten, mit denen die Absatzpreise des entsprechenden Wirtschaftszweigs in der Union unterboten wurden, und wie rentabel die Preise des Wirtschaftszweigs der Union waren, sowie drittens anderweitige vom betreffenden Wirtschaftszweig der Union vorgelegte Angaben, aus denen ersichtlich war, dass ihm die Ausfuhren der Klägerin in die Union eine Schädigung verursacht haben, d. h. Angaben zum Verlust von Kunden und Aufträgen an die Klägerin und zur Rentabilität seiner Verkäufe in der Union im Untersuchungszeitraum. 145 Insbesondere zur Prüfung der Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union durch die Kommission ging der Rat in den Erwägungsgründen 70 bis 72 der angefochtenen Verordnung davon aus, dass zum einen der fragliche Wirtschaftszweig in den letzten Jahren zahlreiche Kundenaufträge an die Klägerin verloren habe und zum anderen die Verkäufe mehrerer Unionshersteller an Kunden in der Union im Vergleich zum Bezugszeitraum der ersten Untersuchung deutlich zurückgegangen seien, während die Verkäufe der Klägerin an diese Kunden im aktuellen Untersuchungszeitraum deutlich gestiegen seien. Die Klägerin bestreitet die Relevanz dieser Faktoren und Indizes nicht. 146 Entgegen der Auffassung der Klägerin gingen die Organe nicht über die Tatsache hinweg, dass sie im Rahmen der ersten Untersuchung kein Dumping von Seiten der Klägerin festgestellt hatten. Vielmehr berücksichtigten sie ordnungsgemäß die Schlussfolgerungen und die Auswirkungen der Verordnung Nr. 452/2007 und prüften nur die im Rahmen der vorliegenden Rechtssache relevanten Schadensindikatoren. 147 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie bereits zum ersten Klagegrund ausgeführt (siehe oben, Randnr. 120), aus den Erwägungsgründen 58 bis 61 der angefochtenen Verordnung hervorgeht, dass der Rat auf die Schlussfolgerungen der ersten Untersuchung Bezug nahm, um darzulegen, dass im vorliegenden Fall keine normale umfassende Untersuchung der Schädigung habe durchgeführt werden können, da der Wirtschaftszweig der Union während des Untersuchungszeitraums bereits gegen die schädigenden Wirkungen aller Einfuhren von Bügelbrettern und -tischen mit Ursprung in China und der Ukraine, ausgenommen die Bügelbretter und -tische der Klägerin, geschützt gewesen sei, so dass nach einem eigens konzipierten spezifischen Ansatz vorgegangen worden sei, der auf die Besonderheiten dieser Untersuchung zugeschnitten gewesen sei und bei dem sich die Organe auf bestimmte Schadensindikatoren konzentriert hätten. Darüber hinaus stützte sich der Rat auf in der ersten Untersuchung erhobene Daten, um nachzuweisen, dass bestimmte wichtige Kunden des betreffenden Wirtschaftszweigs der Union ihre Bezugsquellen geändert hätten und mehr Waren als zuvor von der Klägerin und weniger von den Herstellern in der Union bezögen (Erwägungsgründe 70 bis 72 der angefochtenen Verordnung). 148 Der Rat stellte somit ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler im 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung fest, dass eine erneute Untersuchung aller dieser Schadensfaktoren nutzlos gewesen wäre, da selbst unter der Annahme, dass diese Faktoren nun positiv bewertet worden wären, dies (zumindest teilweise) darauf zurückzuführen sei, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union nun gegen alle gedumpten Ausfuhren aus China und der Ukraine (ausgenommen die Ausfuhren der Klägerin) geschützt sei. 149 Da nach alledem der Rat zu Recht die allein relevanten Elemente im Sinne der oben in den Randnrn. 138 und 139 genannten Rechtsprechung geprüft hat, ist das Argument der Klägerin, wonach die Ausführungen im 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung (siehe oben, Randnr. 148) „ein Eingeständnis der Tatsache [seien], dass, wenn die Kommission alle Faktoren und Indizes analysiert hätte, alle diese Faktoren positiv gewesen wären, da der Wirtschaftszweig der Union bereits durch die bestehenden Zölle geschützt war“, als ins Leere gehend zurückzuweisen. 150 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung, da die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke; Verstoß gegen die für die Beweislast geltenden Grundsätze sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung 151 Im Rahmen ihres dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass die Entscheidung, ihr keine MWB zu gewähren, dem Unionsrecht widerspreche. In einem ersten Teil vertritt sie die Auffassung, die Kommission habe die Entscheidung, ihr keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens getroffen, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke. In einem zweiten Teil vertritt die Klägerin die Auffassung, die ihr auferlegte Beweislast sei übermäßig und verstoße gegen Grundsätze des Unionsrechts. Zum ersten Teil: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung, da die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke 152 Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Kommission habe die Entscheidung, ihr keine MWB zu gewähren, unter Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung in seiner Auslegung durch das Gericht in den Urteilen vom 14. November 2006, Nanjing Metalink/Rat (T-138/02, Slg. 2006, II-4347, Randnrn. 43 und 44), und vom 18. März 2009, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat (T-299/05, Slg. 2009, II-565, Randnrn. 128 und 138), aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke. Sie behauptet auch, dass die Organe „insgesamt ihre Verteidigungsrechte verletzt“ hätten. 153 Zunächst ist in Bezug auf die behauptete Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin darauf hinzuweisen, dass nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und nach Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Klageschrift eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Die betreffenden Angaben müssen so klar und genau sein, dass der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloße abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht (Urteile des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T-102/92, Slg. 1995, II-17, Randnr. 68, vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T-352/94, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 333, und vom 12. Oktober 2011, Association belge des consommateurs test-achats/Kommission, T-224/10, Slg. 2011, II-7177, Randnr. 71). Da die Klägerin ihren Klagegrund einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte nicht näher ausgeführt hat, ist dieser als unzulässig zu erklären. 154 In Bezug auf einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung vertritt die Klägerin die Auffassung, dass nach den Urteilen Nanjing Metalink/Rat sowie Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt, gegen die Frist nach dieser Bestimmung immer dann verstoßen werde, wenn die Kommission ihre Entscheidung, keine MWB zu gewähren, zu einem Zeitpunkt treffe, zu dem sie bereits über die Elemente verfüge, die ihr die Berechnung der Dumpingspanne des betreffenden Herstellers ermöglichten, einerlei, ob die MWB gewährt werde oder nicht. 155 In der mündlichen Verhandlung zu diesem Vorbringen befragt, hat die Klägerin präzisiert, dass Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung in der Auslegung des Gerichts in den oben in Randnr. 152 angeführten Urteilen sowie im Urteil vom 8. November 2011, Zhejiang Harmonic Hardware Products/Rat (T-274/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37), Schutz gegen Willkür der Kommission biete, die über den Antrag eines Unternehmens auf MWB nicht je nach ihrem Wissen um die Wirkung einer solchen Ablehnung auf die Dumpingspanne dieses Unternehmens entscheiden dürfe. 156 Diese Bedingungen seien in der Praxis erfüllt, wenn die Kommission von Seiten des betreffenden Herstellers Antworten auf die Abschnitte des Antidumping-Fragebogens verlangt habe, die seine Absatzzahlen für den chinesischen Inlandsmarkt und seine Kosten beträfen, und diese Informationen auch von Seiten des oder der Unternehmen im Vergleichsland erhalten habe, oder wenn die Kommission auf andere Weise erfahren habe, dass der Normalwert auf dem Vergleichsmarkt höher gewesen sei als in China. 157 Im vorliegenden Fall habe die Kommission jedoch die Dumpingspanne der Klägerin am 18. Dezember 2009 ermitteln können, zu welchem Zeitpunkt die Kommission die Antworten der Unionshersteller auf den Antidumping-Fragebogen erhalten habe, so dass die angefochtene Verordnung für nichtig erklärt werden müsse, da die Entscheidung über die Frage, ob der Klägerin MWB gewährt werden könne, anders hätte ausfallen können, wenn die Kommission nicht über diese Angaben verfügt hätte. 158 Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. b der Grundverordnung in Antidumpinguntersuchungen, die Einfuhren aus China betreffen, der Normalwert gemäß den Abs. 1 bis 6 dieser Bestimmung ermittelt wird, sofern auf der Grundlage ordnungsgemäß begründeter Anträge des oder der von der Untersuchung betroffenen Hersteller(s) und entsprechend den unter Buchst. c genannten Kriterien und Verfahren nachgewiesen wird, dass für diesen oder diese Hersteller bei der Fertigung und dem Verkauf der betreffenden gleichartigen Ware marktwirtschaftliche Bedingungen herrschen. 159 Nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung „[erfolgt e]ine Entscheidung darüber, ob der Hersteller den vorstehend aufgeführten Kriterien entspricht, … innerhalb von drei Monaten ab dem Beginn der Untersuchung, nach besonderer Anhörung des Beratenden Ausschusses und nach Ermöglichung der Stellungnahme seitens des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft[; d]iese Entscheidung bleibt sodann während der gesamten Untersuchung gültig“. 160 Im Licht der oben in den Randnrn. 152 und 155 angeführten Urteile, auf die sich die Klägerin beruft, kann zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass jede Überschreitung der Frist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung automatisch zur Nichtigerklärung der Ratsverordnung zur Einführung endgültiger Antidumpingzölle führt, bei deren Erlass diese Frist in Anspruch genommen worden sei. Wie nämlich das Gericht in seinem Urteil Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt (Randnrn. 138 und 139) entschieden hat, kann die Überschreitung der Frist in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung nur unter der Bedingung zu einer solchen Nichtigerklärung führen, wenn die Klägerin nachweist, dass der Rat ohne eine solche Überschreitung eine für sie günstigere Verordnung als die angefochtene Verordnung hätte erlassen können. 161 Sodann kann sich die Klägerin für ihre Behauptung, gegen die in dieser Bestimmung vorgesehene Frist werde immer dann verstoßen, wenn die Kommission ihre Entscheidung, keine MWB zu gewähren, zu einem Zeitpunkt treffe, zu dem sie bereits über die Elemente verfüge, die die Berechnung der Dumpingspanne des betreffenden Herstellers ermögliche, und zwar entgegen dem Wortlaut dieser Bestimmung, wonach die Kommission über eine Frist von drei Monaten verfügt, um über an sie gerichtete Anträge auf MWB zu entscheiden, anders als das Gericht in den oben in den Randnrn. 152 und 155 genannten Urteilen, nicht auf den Zweck von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung stützen. 162 Dazu ist zunächst zu bemerken, dass das Gericht im Urteil Nanjing Metalink/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt (Randnr. 44), in Beantwortung des konkreten Vorbringens der Klägerin in der fraglichen Rechtssache, wonach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c letzter Satz der Grundverordnung vorsehe, dass die Entscheidung betreffend die MWB ausnahmslos während der gesamten Untersuchung gültig bleibe, festgestellt hat, dass Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung den Organen verwehrt, die Informationen, über die sie bereits bei der ursprünglichen Festsetzung der MWB verfügten, neu zu bewerten, und dass mit dieser Bestimmung insbesondere sichergestellt werden soll, dass die Entscheidung über die Frage, ob der in Rede stehende Hersteller unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig ist, nicht danach getroffen wird, wie sie sich auf die Berechnung der Dumpingspanne auswirkt. Das Argument der Klägerin ist dennoch zurückgewiesen worden, wobei in der Begründung des Gerichts der Umstand den Ausschlag gegeben hat, dass eine die MWB gewährende Entscheidung, die nicht mehr die Situation des fraglichen Herstellers widerspiegelt, nicht aufrechterhalten werden muss (Urteil Nanjing Metalink/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt, Randnrn. 45 bis 47). 163 Sodann hat sich im Urteil Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt (Randnr. 128), das Gericht auf den Normzweck der vorgenannten Bestimmung nur bezogen, um festzustellen, dass die praktische Wirksamkeit der genannten Frist nicht in Frage gestellt würde, wenn sich für die Zeit zwischen dem Ende der Dreimonatsfrist und der Entscheidung über die MWB unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ergäbe, dass die Kommission aufgrund des Verhaltens der Unternehmen, die die Zuerkennung der MWB beantragt hatten, unmöglich wissen konnte, wie sich ihre Entscheidung über die MWB auf die Berechnung der Dumpingspanne auswirkt. 164 Schließlich hat das Gericht im Urteil Zhejiang Harmonic Hardware Products/Rat, oben in Randnr. 155 angeführt (Randnr. 37), auf den Normzweck von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung und zugleich darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung nicht ausschließt, dass die Gewährung der MWB nicht aufrechterhalten wird, wenn infolge einer Änderung der tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage die MWB gewährt wurde, nicht länger davon ausgegangen werden kann, dass der fragliche Hersteller unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig ist, oder wenn die Kommission dem Rat endgültige Maßnahmen vorschlagen müsste, die zulasten des betroffenen Unternehmens einen bei der ersten Beurteilung der materiellen Kriterien des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 1 dieser Verordnung begangenen Fehler aufrechterhielten. 165 Folglich hat das Gericht entgegen den Behauptungen der Klägerin in den Urteilen Nanjing Metalink/Rat, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt, und Zhejiang Harmonic Hardware Products/Rat, oben in Randnr. 155 angeführt, nicht entschieden, dass der Normzweck von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung es rechtfertige, eine Verordnung, mit der endgültige Antidumpingzölle eingeführt würden, jedes Mal in Bezug auf ein Unternehmen für nichtig zu erklären, wenn der Kommission möglicherweise bekannt gewesen sei, wie sich eine Entscheidung über die MWB auf die Berechnung der Dumpingspanne auswirke, und allein deshalb, weil dies zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die MWB bekannt gewesen sei. Es ist mit dem Rat festzustellen, dass es keine unmittelbare Verbindung zwischen der Dreimonatsfrist des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung und der möglichen Kenntnis der Kommission gibt, wie sich eine Entscheidung über die MWB auf die Dumpingspanne eines Unternehmens auswirkt. Außerdem schreibt die Grundverordnung nicht vor, dass die Entscheidung über die MWB zu einem Zeitpunkt erlassen wird, zu dem die Kommission keine Kenntnis von Umständen hat, die ihr einen Einblick ermöglichen, wie sich eine Entscheidung über die MWB auf die Dumpingspanne eines Unternehmens auswirkt. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch ohne jegliche Überschreitung dieser Frist beim Erlass der Entscheidung über die MWB die Kommission eine solche Entscheidung trifft, obwohl sie schon Informationen besitzt, die es ihr ermöglichen, ihre Auswirkung auf die Dumpingspanne des betroffenen Unternehmens zu berechnen. 166 Jedenfalls geht aus dem Urteil vom 1. Oktober 2009, Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat (C-141/08 P, Slg. 2009, I-9147), hervor, dass der Gerichtshof, gestützt auf die Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie vorbehaltlich der Beachtung der nach der Grundverordnung vorgesehenen Verfahrensgarantien, der korrekten Anwendung der materiellen Kriterien des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung gegenüber dem Erfordernis einer unveränderlichen Entscheidung über die MWB oder dem fehlenden Wissen, wie sich eine solche Entscheidung bei ihrem Erlass auf die Dumpingspanne eines Unternehmens auswirkt, den Vorzug gibt. Wie vom Gericht im Urteil Zhejiang Harmonic Hardware Products/Rat, oben in Randnr. 155 angeführt (Randnr. 39), festgestellt, hat nämlich der Gerichtshof im genannten Urteil entschieden, dass Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung in Anbetracht der Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht so ausgelegt werden darf, dass die Kommission verpflichtet wäre, dem Rat endgültige Maßnahmen vorzuschlagen, die zulasten des betroffenen Unternehmens einen bei der Beurteilung der materiellen Kriterien dieser Bestimmung begangenen Fehler aufrechterhalten würden. Stellt also die Kommission im Lauf der Untersuchung fest, dass ein Unternehmen entgegen ihrer ersten Beurteilung die in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 1 der Grundverordnung festgelegten Kriterien erfüllt, so hat sie daraus die angemessenen Schlussfolgerungen zu ziehen und dabei dafür zu sorgen, dass die nach der Grundverordnung vorgesehenen Verfahrensgarantien beachtet werden (Urteil Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat, Randnrn. 111 und 112). 167 Nach alledem ist davon auszugehen, dass zwar nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung grundsätzlich jede Entscheidung über die MWB innerhalb von drei Monaten ab dem Beginn der Untersuchung erfolgen und diese Entscheidung während der gesamten Untersuchung gültig bleiben muss, jedoch führt beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nach der oben in den Randnrn. 152 und 155 erwähnten Auslegung dieser Bestimmung durch den Unionsrichter zum einen der Erlass einer Entscheidung außerhalb dieser Frist nicht allein aus diesem Grund zur Nichtigerklärung der Verordnung, mit der ein Antidumpingzoll verhängt wird, und zum anderen könnte eine solche Entscheidung im Lauf des Verfahrens abgeändert werden, wenn sie sich als fehlerhaft erweisen sollte. 168 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die endgültige Entscheidung, den Antrag der Klägerin auf MWB abzulehnen, nicht innerhalb der Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung erlassen wurde. Tatsächlich wurde die Einleitungsbekanntmachung am 2. Oktober 2009 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die endgültige Entscheidung, keine MWB zu gewähren, wurde jedoch am 26. März 2010 vorgeschlagen und am 30. April 2010 bestätigt. 169 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Antworten der Klägerin auf den Antidumping-Fragebogen am 19. November 2009 erhielt, darunter auch die Abschnitte dieses Fragebogens über die Absatzzahlen für den Inlandsmarkt und die mit dem Inlandsabsatz verbundenen Kosten (siehe oben, Randnr. 29). Nach Ansicht der Klägerin ermöglichten diese Informationen der Kommission, die Dumpingspanne der Klägerin für den Fall der Gewährung der MWB zu berechnen. Darüber hinaus habe die Kommission am 18. Dezember 2009 die Antworten auf die Antidumping-Fragebögen der oben in Randnr. 23 genannten Hersteller aus der Union erhalten und von diesem Zeitpunkt an berechnen können, wie sich eine ablehnende Entscheidung über die Gewährung der MWB auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke. 170 Selbst wenn man unterstellt, dass die Tatsache relevant sein könnte, dass die Kommission aufgrund der Nichteinhaltung der Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung wissen konnte, wie sich eine Entscheidung über die MWB der Klägerin auf deren Dumpingspanne auswirkt, und soweit man davon ausgeht, dass diese Kenntnis die Kommission beim Erlass einer solchen Entscheidung hätte beeinflussen können, ist aufgrund der vorstehenden Erwägungen festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass ohne den behaupteten Verfahrensverstoß beim Erlass der Entscheidung über die MWB die angefochtene Verordnung einen anderen Inhalt hätte haben können. 171 Zunächst kann dem Argument der Klägerin, wonach die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, „aufgrund ihres Wissens getroffen hat, wie sich diese Entscheidung auf ihre Dumpingspanne auswirkt, und dass diese Entscheidung möglicherweise anders ausgefallen wäre, wenn die Kommission nicht über diese Information verfügt hätte“, nicht gefolgt werden. Das bloße Wissen um die Auswirkung einer Entscheidung über die MWB auf die Dumpingspanne eines Unternehmens impliziert nicht zwingend, dass eine solche Entscheidung, und damit die angefochtene Verordnung, einen anderen Inhalt hätte haben können, wenn diese Entscheidung innerhalb der Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung erlassen worden wäre. Zum einen konnte nach dem Vorbringen der Klägerin selbst die Kommission schon am 18. Dezember 2009, also vor Ablauf der genannten Frist, darüber Bescheid wissen, wie sich eine Entscheidung über die MWB der Klägerin auf deren Dumpingspanne auswirkt. Zum anderen ist davon auszugehen, dass selbst in dem Fall, dass die Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung über die MWB eines Herstellers über Informationen verfügt, die es ihr ermöglichen, die Dumpingspanne dieses Herstellers zu ermitteln, immer noch die Möglichkeit bleibt, dass diese Entscheidung und die Verordnung, mit der endgültige Antidumpingzölle verhängt werden, nicht anders ausgefallen wären. Dies könnte der Fall sein, wenn einem solchen Hersteller offensichtlich keine MWB gewährt werden kann, da die Kommission zu Recht zu dem Schluss gekommen ist, dass der betreffende Hersteller die Kriterien für die Gewährung der MWB nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung nicht erfüllte und die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung von Antidumpingzöllen vorlagen. 172 Zudem ist das Vorbringen der Klägerin in keiner Weise untermauert. Die Klägerin beschränkt sich nämlich zum einen auf die durch keine Beweise gestützte Behauptung, „dass das Ziel der Kommission war, dem für [sie] festgesetzten Zollsatz von null ein Ende zu bereiten … und dass alle Mittel recht waren, um dieses Ziel zu erreichen“. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Klägerin, einmal unterstellt, dass sie damit einen Ermessensmissbrauch durch die Kommission nachweisen wollte, aus den oben in Randnr. 130 angeführten Gründen zurückzuweisen. 173 Zum anderen macht die Klägerin keine Angaben dazu, welche Elemente der Entscheidung über die MWB hätten anders beurteilt werden können, wenn insoweit die Entscheidung der Kommission innerhalb der Dreimonatsfrist oder in völliger Unkenntnis der Auswirkung dieser Entscheidung auf die Dumpingspanne der Klägerin getroffen worden wäre. 174 Die Klägerin hat zwar beiläufig einige Bemerkungen zum Preis der wichtigsten Inputs auf dem heimischen Markt gemacht. So behauptet die Klägerin, die Kommission habe keinen Einfluss des chinesischen Staates auf ihre Entscheidungen in Bezug auf den Einkauf von Rohstoffen festgestellt. Der einzige behauptete Einfluss sei insoweit makroökonomischer Natur gewesen und habe sich auf behauptete Eingriffe der chinesischen Behörden zur Regulierung des Marktpreises insgesamt bezogen. Solche Eingriffe stellten jedoch keinen nennenswerten staatlichen Eingriff in die unternehmerischen Entscheidungen betreffend die Preise und Kosten der Vorleistungen dar, der verhindern könnte, dass diese Entscheidungen auf der Grundlage von Marktsignalen getroffen würden, die sich nach Angebot und Nachfrage richteten. 175 Diese Bemerkungen zielen allerdings eher darauf ab, der Anwendung des in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c erster Gedankenstrich der Grundverordnung genannten Kriteriums entgegenzutreten, als auf den Nachweis, dass die Kommission die Entscheidung über die MWB aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich diese Entscheidung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke, was jedoch den Vorwurf bildet, auf dem der vorliegende Klagegrund beruht. 176 Jedenfalls wäre selbst unter der Annahme, dass die Klägerin, wenn sie der Anwendung des genannten Kriteriums durch die Kommission entgegentritt, auf den Nachweis abzielt, dass die Entscheidung über die MWB unabhängig von der Überschreitung der Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung fehlerhaft gewesen sei, festzustellen, dass die Untersuchung laut den Erwägungsgründen 27 bis 34 der angefochtenen Verordnung ergab, dass die Klägerin weder das die Kosten der Rohstoffe betreffende Kriterium in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c erster Gedankenstrich der Grundverordnung noch das die Qualität ihrer Buchführung betreffende Kriterium in Art. 2 Abs. 7 Buchst. c zweiter Gedankenstrich der Grundverordnung erfüllt. 177 Da der betreffende Hersteller alle Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung erfüllen muss, um in den Genuss der MWB zu kommen, und, wenn er eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, sein Antrag abzulehnen ist (Urteil Shanghai Teraoka Electronic/Rat, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 54), kann das Vorbringen der Klägerin die Entscheidung der Kommission über den Antrag der Klägerin auf MWB nicht in Frage stellen, da diese nicht bestreitet, die Voraussetzung des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c zweiter Gedankenstrich der Grundverordnung nicht zu erfüllen. 178 Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass die angefochtene Verordnung einen anderen Inhalt hätte haben können, wenn die Entscheidung der Kommission über ihren Antrag auf MWB innerhalb der Dreimonatsfrist nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung oder in Unkenntnis der Informationen erlassen worden wäre, die eine Berechnung der Dumpingspanne der Klägerin ermöglichen. 179 Daher ist der vorliegende Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen. Zum zweiten Teil: die Kommission erlege der Klägerin eine übermäßige Beweislast auf und verstoße gegen Grundsätze des Unionsrechts, wenn sie von ihr den Nachweis verlange, dass sie in einer Marktwirtschaft tätig sei 180 Im Rahmen des vorliegenden Teils vertritt die Klägerin die Auffassung, dass ihr die Kommission eine übermäßige Beweislast auferlege und gegen Grundsätze des Unionsrechts, insbesondere den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, verstoßen habe, indem sie von ihr den Nachweis verlange, dass sie in einer Marktwirtschaft tätig sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs könnten die Organe von einem chinesischen Hersteller nicht verlangen, dass er, um in den Genuss eines in der Grundverordnung vorgesehenen Rechts zu kommen, den Beweis einer Tatsache erbringe, die von ihm nicht nachgewiesen werden könne. 181 Im vorliegenden Fall habe die Kommission von der Klägerin verlangt, nachzuweisen, dass der Stahlmarkt in China von nennenswerten Eingriffen von Seiten der chinesischen Behörden frei sei, was einen Beweis darstelle, den die Klägerin nicht erbringen könne. Die Kommission müsse deutlich die Informationen bezeichnen, die sie von den chinesischen Herstellern zu erhalten wünsche, und sicherstellen, dass die verlangte Information im Hinblick auf den Gegenstand des Antrags und die Möglichkeiten der betreffenden Ausführer nicht überzogen sei. 182 Wie oben in Randnr. 134 ausgeführt, verfügen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Unionsorgane im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik, besonders im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen, wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Sachverhalte über ein weites Ermessen. Die gerichtliche Kontrolle einer solchen Beurteilung ist daher auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob der Sachverhalt, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile des Gerichtshofs Ikea Wholesale, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnrn. 40 und 41, und vom 16. Februar 2012, Rat und Kommission/Interpipe Niko Tube und Interpipe NTRP, C-191/09 P und C-200/09 P, Randnr. 63). 183 Gleiches muss für die tatsächliche, rechtliche und politische Lage in dem betreffenden Land gelten, die die Unionsorgane bei der Entscheidung beurteilen müssen, um festzustellen, ob ein Ausführer unter marktwirtschaftlichen Bedingungen und ohne nennenswerte Staatseingriffe handelt und ihm deshalb MWB gewährt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 18. September 1996, Climax Paper/Rat, T-155/94, Slg. 1996, II-873, Randnr. 98, Shanghai Teraoka Electronics/Rat, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 49, und Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt, Randnr. 81). 184 Dabei darf der Unionsrichter auf dem Gebiet der handelspolitischen Schutzmaßnahmen und insbesondere der Antidumpingmaßnahmen zwar nicht in die den Unionsbehörden vorbehaltene Beurteilung eingreifen, doch hat er sich zu vergewissern, ob die Unionsorgane alle relevanten Umstände berücksichtigt und den Akteninhalt sorgfältig geprüft haben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2006, Shandong Reipu Biochemicals/Rat, T-413/03, Slg. 2006, II-2243, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 185 Nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung obliegt außerdem die Beweislast dem Hersteller, der die Gewährung der MWB beantragt. Nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung muss nämlich der Antrag eines solchen Herstellers nach Buchst. b dieser Bestimmung schriftlich gestellt werden und ausreichendes Beweismaterial dafür enthalten, dass der Hersteller unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig ist. Daher brauchen die Unionsorgane nicht nachzuweisen, dass der Hersteller die Voraussetzungen für die Gewährung der MWB nicht erfüllt. Hingegen haben sie zu beurteilen, ob die vom Hersteller vorgelegten Nachweise als Beleg dafür ausreichen, dass die Bedingungen des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung erfüllt sind, und der Unionsrichter hat zu prüfen, ob diese Beurteilung offensichtlich fehlerhaft ist (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Februar 2012, Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat, C-249/10 P, Randnr. 32; vgl. in diesem Sinne auch Urteile Shanghai Teraoka Electronic/Rat, oben in Randnr. 109 angeführt, Randnr. 53, und Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, oben in Randnr. 152 angeführt, Randnr. 83). 186 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin haben die Organe die Beweislast im gegenständlichen Verfahren nicht verkannt. 187 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Klägerin in der Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung auf die oben in Randnr. 184 angeführte Rechtsprechung bezogen hat, jedoch ohne die Begründetheit der Ausführungen der Organe zum Antrag der Klägerin auf MWB in den Erwägungsgründen 28 bis 33 der angefochtenen Verordnung zu bestreiten. Die Klägerin hat auch die in den Erwägungsgründen 37 bis 44 der angefochtenen Verordnung enthaltene Bewertung der Umstände, die sie u. a. in ihren Schreiben vom 2. März 2010 und vom 13. April 2010 zum Nachweis dafür ins Treffen führte, dass sie die Bedingungen von Art. 2 Abs. 7 Buchst. c der Grundverordnung erfülle, durch die Kommission nicht in Frage gestellt, und auch nicht behauptet, dass der Kommission insoweit ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei. 188 In erster Linie trägt die Klägerin, gestützt auf das Urteil des Gerichts vom 17. Juni 2009, Zhejiang Xinan Chemical Industrial Group/Rat (T-498/04, Slg. 2009, II-1969, Randnrn. 99 und 100) vor, der die MWB beantragende ausführende Hersteller komme seiner Beweislast nach, wenn er der Kommission verschiedene Beweise dafür vorgelegt habe, dass er die Voraussetzung des Art. 2 Abs. 7 Buchst. c erfülle, die von der Kommission selbst in ihrem Fragebogen für Hersteller, die die MWB beantragten, gefordert und von ihr überprüft worden seien, ohne dass ihre Echtheit in Frage gestellt worden sei. 189 Die Klägerin macht jedoch, wie oben in Randnr. 187 ausgeführt, nicht geltend, die Beweismittel, die sie zur Stützung ihres Antrags auf MWB im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegt habe, zeigten, dass die Voraussetzung nach Art. 2 Abs. 7 Buchst. c erster Gedankenstrich der Grundverordnung erfüllt gewesen sei, und stellt insoweit die Begründetheit der Beurteilung durch die Organe nicht in Abrede. Ihr Vorbringen kann daher nicht durchgreifen. 190 Ferner behauptet die Klägerin, die Kommission habe von ihr verlangt, nachzuweisen, „dass der Stahlmarkt in China von nennenswerten Eingriffen von Seiten der chinesischen Behörden frei war“, was einen Nachweis darstelle, den sie nicht erbringen könne. Sie legt jedoch für ein solches Verlangen von Seiten der Organe, das der Rat im Übrigen in seiner Klagebeantwortung bestritten hat, keinen Beweis vor. 191 Insoweit ist es, wie der Rat zutreffend ausgeführt hat, Sache der Klägerin, anhand ausreichender Belege nachzuweisen, dass sie unter marktwirtschaftlichen Bedingungen tätig war und insbesondere die Kosten ihrer Inputs Marktwerten entsprachen. 192 Da die Kommission nachgewiesen hat, dass die Klägerin ihre Rohstoffe im Untersuchungszeitraum auf dem chinesischen Inlandsmarkt kaufte, auf diese Weise von den künstlich niedrigen und verzerrten Stahlpreisen in diesem Zeitraum profitierte (Erwägungsgründe 32 und 33 der angefochtenen Verordnung) und die Kosten der Inputs nicht auf Marktwerten beruhten, oblag es der Klägerin, der Kommission Nachweise vorzulegen, die diese Annahmen hätten widerlegen können. Die Rüge der Klägerin kann daher nicht durchgreifen. 193 Da der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ausschließlich auf eine Missachtung der Grundsätze der Beweislast gestützt ist, ist dieser ebenfalls zurückzuweisen. 194 Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen und damit die Klage insgesamt abzuweisen. Kosten 195 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Organe, wenn sie einem Rechtsstreit beitreten, ihre eigenen Kosten. 196 Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates, von Vale Mill (Rochdale) und von Colombo New Scal aufzuerlegen. 197 Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Since Hardware (Guangzhou) Co., Ltd trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union, der Vale Mill (Rochdale) Ltd und der Colombo New Scal SpA. 3. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten. Truchot Martins Ribeiro Popescu Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. September 2012. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Rechtlicher Rahmen Recht der WTO Unionsrecht Vorgeschichte des Rechtsstreits Angefochtene Verordnung Verfahren und Anträge der Beteiligten Rechtliche Würdigung Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 5 Abs. 9, Art. 9 Abs. 3 bis 6 und Art. 17 der Grundverordnung, da die Einleitung eines Verfahrens nicht gegen eine einzelne Gesellschaft gerichtet sein könne, sondern sich gegen ein oder mehrere Länder und die Gesamtheit der dort ansässigen Hersteller richten müsse Zum ersten Teil: Verletzung von Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung in Verbindung mit Art. 17 der Grundverordnung in WTO-rechtskonformer Auslegung Zum zweiten Teil: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 bis 6 der Grundverordnung in WTO-rechtskonformer Auslegung Zum dritten Teil: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung – Vorbemerkungen – Zum Hauptvorbringen: Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung schreibe den Organen vor, Zollsätze von null von Herstellern, deren Dumpingspanne geringfügig ist, nach Art. 11 Abs. 3 dieser Verordnung zu überprüfen – Zum Hilfsvorbringen: die Kommission habe entgegen Art. 9 Abs. 3 der Grundverordnung, ausgelegt im Licht des Berichts des WTO-Berufungsgremiums, de facto den Zollsatz von null der Klägerin einer Überprüfung unterzogen Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 der Grundverordnung, da der Klägerin die Antidumpingzölle ohne den Nachweis auferlegt worden seien, dass der betreffende Wirtschaftszweig der Union im Untersuchungszeitraum eine Schädigung erlitten habe Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung, da die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke; Verstoß gegen die für die Beweislast geltenden Grundsätze sowie gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung Zum ersten Teil: Verstoß gegen Art. 2 Abs. 7 Buchst. c Unterabs. 2 der Grundverordnung, da die Kommission die Entscheidung, der Klägerin keine MWB zu gewähren, aufgrund ihres Wissens getroffen habe, wie sich eine solche Ablehnung auf die Dumpingspanne der Klägerin auswirke Zum zweiten Teil: die Kommission erlege der Klägerin eine übermäßige Beweislast auf und verstoße gegen Grundsätze des Unionsrechts, wenn sie von ihr den Nachweis verlange, dass sie in einer Marktwirtschaft tätig sei Kosten (*1) Verfahrenssprache: Französisch.
Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 19. September 2012.#Europäische Kommission gegen Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) und Commune de Millau.#Schiedsklausel – Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung, bestehend in der Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale in Millau (Frankreich) – Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse – Zulässigkeit einer Klage gegen eine aus dem Handelsregister gelöschte Gesellschaft französischen Rechts – Anwendung des französischen Rechts – Öffentlich-rechtlicher Vertrag – Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge – Verjährung – Möglichkeit, sich auf eine Schiedsklausel zu berufen – Schuldübernahme – Grundsatz der Akzessorietät – Vertragsklausel zugunsten Dritter.#Rechtssachen T‑168/10 und T‑572/10.
62010TJ0168
ECLI:EU:T:2012:435
2012-09-19T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62010TJ0168 URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer) 19. September 2012 (*1) „Schiedsklausel — Subventionsvertrag über eine Maßnahme zur lokalen Entwicklung, bestehend in der Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale in Millau (Frankreich) — Erstattung eines Teils der gezahlten Vorschüsse — Zulässigkeit einer Klage gegen eine aus dem Handelsregister gelöschte Gesellschaft französischen Rechts — Anwendung des französischen Rechts — Öffentlich-rechtlicher Vertrag — Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beträge — Verjährung — Möglichkeit, sich auf eine Schiedsklausel zu berufen — Schuldübernahme — Grundsatz der Akzessorietät — Vertragsklausel zugunsten Dritter“ In den Rechtssachen T-168/10 und T-572/10 Europäische Kommission, vertreten durch S. Petrova als Bevollmächtigte im Beistand von E. Bouttier, avocat, Klägerin, gegen Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA), mit Sitz in Millau (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: L. Hincker und F. Bleykasten, avocats, Beklagte in der Rechtssache T-168/10, Commune de Millau (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: L. Hincker und F. Bleykasten, avocats, Beklagte in der Rechtssache T-572/10, wegen Erstattung des von der Kommission im Rahmen der Finanzierung der SEMEA gezahlten Betrags von 41 012 Euro zuzüglich der angefallenen und noch anfallenden Zinsen sowie aller weiteren zum Ausgleich des ihr entstandenen Schadens erforderlichen Beträge erlässt DAS GERICHT (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias, Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2012 folgendes Urteil Sachverhalt 1 Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, vertreten durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, schloss am 6. Juli 1990 mit der Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA), an der die Commune de Millau (Frankreich) mit 50 % des Kapitals beteiligt war, einen Subventionsvertrag. 2 Der Vertrag betraf eine örtliche Entwicklungsmaßnahme, bestehend aus der Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale (Europäisches Zentrum für örtliche Unternehmen) in Millau (im Folgenden: Vertrag). 3 Art. 2 des Vertrags bestimmte: „Die Arbeiten sind innerhalb von 18 Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags auszuführen.“ 4 Nach Art. 4 des Vertrags verpflichtete sich SEMEA, verschiedene Leistungen zu erbringen und gegenüber der Kommission durch die Vorlage von Berichten in regelmäßigen Abständen darüber Rechenschaft abzulegen, während sich die Kommission ihrerseits verpflichtete, zur Durchführung dieser Arbeiten einen finanziellen Beitrag bis zu einer Höhe von maximal 135000 ECU und bis zu 50 % der gerechtfertigten Kosten der Arbeiten zu leisten. 5 Art. 6 des Vertrags sah vor: „Der vorliegende Vertrag unterliegt französischem Recht.“ 6 Art. 10 des Vertrags lautete wie folgt: „Sind keine Mittel oder nur Mittel verfügbar, die für die Durchführung des vorliegenden Vertrags unzureichend sind, ist die Kommission berechtigt, von dem Vertrag ohne gerichtliches Verfahren zurückzutreten oder den Vertrag an die neue Finanzlage anzupassen.“ 7 Art. 9 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags lautete: „Kommt der Vertragspartner seinen Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nach, kann die Kommission – unabhängig von den Folgen nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht – den Vertrag ohne weiteres kündigen oder von ihm zurücktreten, nachdem sie den Vertragspartner durch Einschreiben zur Leistung aufgefordert hat und dieser der Aufforderung innerhalb eines Monats nicht nachgekommen ist.“ 8 Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags sah vor: „Für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, die den Vertrag betreffen und nicht gütlich beigelegt werden können, ist ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig.“ 9 Mit Schreiben vom 16. Mai 1991 bat SEMEA die Kommission, den Vertrag durch eine andere Einrichtung, das Centre européen d’entreprise et d’innovation (im Folgenden: Verein CEI 12), durchführen zu können, was die Kommission mit Schreiben vom 2. Juli 1991 akzeptierte, wobei sie klarstellte, dass diese Vereinbarung SEMEA nicht von ihren Verpflichtungen entbinde. SEMEA bestätigte mit Schreiben vom 22. Oktober 1991, dass sie für die ordnungsgemäße Durchführung der im Vertrag vorgesehenen Leistungen hafte. 10 In den Monaten Juni und Juli 1992 führten die Dienststellen der Kommission eine Kontrolle durch, die den Fortschritt der Arbeiten zum Gegenstand hatte und die zum Ergebnis kam, dass sich die Summe der berücksichtigungsfähigen Ausgaben auf 187977 ECU belaufe und der Beitrag der Kommission daher auf 50 % dieses Betrags, also auf 93988 ECU, festzusetzen sei. 11 Da SEMEA aufgrund des Vertrags bereits 135000 ECU erhalten hatte, forderte die Kommission SEMEA mit Schreiben vom 27. April 1993 auf, den Betrag von 41012 ECU zurückzuzahlen (im Folgenden: streitige Forderung). SEMEA ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. 12 Am 17. Februar 1997 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der Aktionäre von SEMEA die vorzeitige einvernehmliche Auflösung von SEMEA zum 31. März 1997 und die Bestellung eines Liquidators. 13 Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 18. November 2005 forderte die Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu begleichen. 14 Am 11. Januar 2006 richtete die Kommission eine Einziehungsanordnung über einen Betrag von 41012 Euro an SEMEA. 15 Mit Antwortschreiben vom 31. Januar 2006 teilte der Liquidator von SEMEA mit, dass die finanzielle Lage der Gesellschaft die Zahlung eines Betrags in dieser Höhe nicht zulasse, dass er sich gezwungen sehe, Insolvenz anzumelden, und dass die streitige Forderung nach französischem Recht als verjährt angesehen werden müsse, da das französische Recht die Beitreibung von Forderungen, die länger als vier Jahre nicht geltend gemacht worden seien, nicht zulasse und die letzte Geltendmachung der Kommission am 27. April 1993 erfolgt sei, also vor mehr als zwölf Jahren. 16 Mit Einschreiben gegen Rückschein vom 16. Februar 2006 beantragte die Kommission förmlich die Berücksichtigung der streitigen Forderung im Insolvenzverfahren und die Eintragung dieser Forderung in die Insolvenztabelle. 17 Mit Schreiben vom 20. September 2006 teilte SEMEA der Kommission mit, dass die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft beschlossen habe, die Stellung des Insolvenzantrags aufzuschieben; sie bezog sich auf ein Protokoll des Vereins CEI 12, aus dem sich ergebe, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung letztlich verzichtet habe. 18 Mit Schreiben vom 29. November 2006 forderte die Kommission durch ihren Anwalt SEMEA in Form einer Mahnung zur Begleichung der Forderung auf. Sie stellte in diesem Schreiben klar, dass sie nie die Absicht gehabt habe, auf diese Forderung zu verzichten. 19 Mit Mahnschreiben vom 30. Januar 2007 forderte der Anwalt der Kommission SEMEA erneut auf, die streitige Forderung zu bezahlen, und zog aus der Untätigkeit von SEMEA den Schluss, dass diese ihre Zahlungen eingestellt habe. 20 Mit Schreiben vom 5. Februar 2007 erklärte SEMEA, dass sie die Zahlungen nicht eingestellt habe. 21 Mit Schreiben vom 12. Februar 2007 übersandte SEMEA eine Kopie des Beschlusses des Vereins CEI 12, in dem festgestellt wurde, dass die Kommission auf die Geltendmachung der streitigen Forderung verzichtet habe. 22 Am 26. Oktober 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung durch den Gerichtsvollzieher am Wohnsitz des Liquidators von SEMEA zustellen. 23 Am 10. Dezember 2007 ließ die Kommission eine Zahlungsaufforderung am Sitz der Liquidationsgesellschaft durch den Gerichtsvollzieher zustellen. 24 Mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 an den Gerichtsvollzieher, der die Zahlungsaufforderung ausgehändigt hatte, bat der Liquidator von SEMEA erneut um Auskunft über die Entscheidung der Kommission, auf die Begleichung der streitigen Forderung zu verzichten. Er behauptete in seinem Schreiben, die neuen Aktionäre und der Liquidator seien über die Verbindlichkeiten, die SEMEA gegenüber dem Verein CEI 12 eingegangen sei, nicht informiert gewesen. 25 Mit Schreiben vom 7. Januar 2008 bestritt der Anwalt der Kommission die Behauptungen des Liquidators von SEMEA, forderte ihn erneut in Form einer Mahnung zur Bezahlung der streitigen Forderung auf und übersandte eine Kopie dieses Schreibens an den Staatsanwalt mit der Bitte, das Verhalten des Liquidators von SEMEA insbesondere im Hinblick auf den Straftatbestand des Betrugs zu überprüfen. 26 In Beantwortung dieses letztgenannten Mahnschreibens führte der Liquidator von SEMEA aus, dass die streitige Forderung möglicherweise verjährt sei. Er wies in diesem Schreiben darauf hin, dass er sich Anfang des Jahres 2007 in einem Gespräch mit dem Anwalt der Kommission verpflichtet habe, die streitige Forderung zu begleichen, sobald seine Fragen zur Verjährung der Forderung beantwortet seien. 27 Mit Schreiben vom 21. Februar 2008 forderte die Kommission SEMEA letztmalig zur Begleichung der streitigen Forderung auf. 28 Am 21. November 2008 nahm die außerordentliche Hauptversammlung von SEMEA die Entscheidung der Commune de Millau, ihrer Hauptaktionärin, die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu übernehmen, zur Kenntnis und beschloss, den Betrag von 82719,76 Euro, die verfügbaren Barmittel von SEMEA, an die Commune von Millau zahlen. Nach dem vom Liquidator vorgelegten Liquidationsbericht, der die streitige Forderung auswies, waren alle übernommenen Geschäfte abgewickelt. 29 Am 9. Dezember 2008 beendete der Liquidator von SEMEA die Liquidation und veranlasste die Löschung von SEMEA im Handelsregister. 30 Am 18. Dezember 2008 bestätigte der Gemeinderat der Commune de Millau die Übernahme des Gesellschaftsvermögens von SEMEA. Unter den Passiva der Gesellschaft war ausdrücklich der Rechtsstreit mit der Europäischen Kommission ausgewiesen. 31 Auf Antrag der Kommission bestellte das Tribunal de commerce Rodez am 12. Februar 2010 einen Ad-hoc-Bevollmächtigten als Vertreter von SEMEA. Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien A – Rechtssache T-168/10 32 Mit Klageschrift, die am 15. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, — die SEMEA in der Person ihres Ad-hoc-Verwalters zu verurteilen, an sie einen Betrag von 41012 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes seit 10. März 1992 oder, hilfsweise, seit 27. April 1993 zu zahlen; — die Berechnung von Zinseszinsen anzuordnen; — SEMEA zur Zahlung von 5000 Euro aufgrund missbräuchlichen Widerstands zu verurteilen; — SEMEA die Kosten aufzuerlegen. 33 Diese Klageschrift war an SEMEA „in der Person ihres Ad-hoc-Vertreters“, Herrn C. G., gerichtet. Da der Letztgenannte nicht der Ad-hoc-Vertreter, sondern der Präsident des Tribunal de commerce Rodez war, der den Ad-hoc-Vertreter bestellt hatte, teilte die Kanzlei des Gerichts der Kommission am 4. Mai 2010 mit, dass die Zustellung der Klageschrift an SEMEA erfolglos geblieben sei, und setzte für die Mitteilung einer neuen Zustellanschrift eine Frist. Die Kommission kam dieser Aufforderung nach und teilte den Namen und die Anschrift des Ad-hoc-Vertreters von SEMEA mit. Die Klageschrift konnte unter dieser Adresse zugestellt werden. 34 In ihrer Einrede der Unzulässigkeit, die am 26. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat SEMEA beantragt, — die Klage für unzulässig zu erklären; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 35 In ihrer Stellungnahme zur Unzulässigkeitseinrede, die am 30. August 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, — die von SEMEA geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe zurückzuweisen und die Klage für zulässig zu erklären; — das Verfahren bis zur Klageerhebung gegen die Commune de Millau auszusetzen; — SEMEA die Kosten aufzuerlegen. 36 Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts haben die Kommission und SEMEA mit Schreiben, die am 8. bzw. 9. November 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, auf die Fragen und die Aufforderung des Gerichts zur Vorlage von Unterlagen geantwortet. 37 Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 29. November 2010 ist das Verfahren in der Rechtssache T-168/10 bis zum 31. Januar 2011 ausgesetzt worden. 38 Mit Beschluss der Dritten Kammer des Gerichts vom 24. Mai 2011 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten worden. 39 In Ihrer Klagebeantwortung, die am 8. Juli 2011 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat SEMEA im Wesentlichen beantragt, — die Klage der Kommission abzuweisen; — hilfsweise, sofern das Gericht dem Antrag der Kommission auf Erstattung stattgeben sollte, — die Kommission zu verurteilen, an SEMEA einen Betrag von 41012 Euro zuzüglich des Betrags zu zahlen, der den Zinsen und Kosten entspricht, die das Gericht der Kommission zuerkennt; — die Klage der Kommission bezüglich der Zinsen und Zinseszinsen für die Zeit vor dem 18. November 2005 abzuweisen; — alle entgegenstehenden Anträge zurückzuweisen; — in jedem Fall der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 40 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 29. Februar 2012 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. B – Rechtssache T-572/10 41 Nachdem die Kommission im Rahmen des Verfahrens in der Rechtssache T-168/10 erfahren hatte, dass die Commune de Millau beschlossen hatte, sämtliche Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von SEMEA zu übernehmen, hat die Kommission mit Klageschrift, die am 21. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage gegen die Commune de Millau erhoben. 42 Die Kommission beantragt im Wesentlichen, — die Commune de Millau zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin mit SEMEA an die Klägerin 41012 Euro zuzüglich der seit 10. März 1992, hilfsweise, seit 27. April 1993 angefallenen Zinsen zu zahlen; — Zinseszinsen zuzusprechen; — die Commune de Millau zu verurteilen, als Gesamtschuldnerin mit SEMEA 5000 Euro wegen missbräuchlichen Widerstands seitens SEMEA zu zahlen; — der Commune de Millau als Gesamtschuldnerin mit SEMEA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen; — die Rechtssache T-168/10 mit der Rechtssache T-572/10 zu verbinden. 43 Die Commune de Millau beantragt, — das Gericht möge sich für unzuständig erklären und die Kommission an die zuständigen französischen Gerichte verweisen; — hilfsweise, die Klage der Kommission als unbegründet abzuweisen; — sofern das Gericht dem Antrag der Kommission auf Erstattung stattgeben sollte, — die Kommission zu verurteilen, an sie einen Betrag von 41012 Euro zuzüglich des Betrags zu zahlen, der den Zinsen und Kosten entspricht, die das Gericht der Kommission zuerkennt; — die Klage der Kommission bezüglich der Zinsen und Zinseszinsen für die Zeit vor dem 18. November 2005 abzuweisen; — alle entgegenstehenden Anträge zurückzuweisen; — in jedem Fall der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 44 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 29. Februar 2012 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Rechtliche Würdigung 45 Nach Anhörung der Parteien sind die Rechtssachen T-168/10 und T-572/10 wegen ihres Zusammenhangs zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. A – Rechtssache T-168/10 46 Die Rechtssache T-168/10 betrifft die Klage der Kommission gegen SEMEA und die Widerklage von SEMEA. 1. Zur Klage der Kommission a) Zur Zulässigkeit der Klage 47 Gemäß Art. 272 AEUV und Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV ist das Gericht für Entscheidungen aufgrund einer Schiedsklausel zuständig, die in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrag enthalten ist. 48 Gemäß Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags ist für alle Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien, die den Vertrag betreffen, ausschließlich der Gerichtshof der Europäischen Union zuständig. 49 Nach den Art. 272 AEUV und 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV und Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags ist das Gericht somit für die Entscheidung über die Klage der Kommission zuständig. Art. 10 der allgemeinen Vertragsbedingungen ist so weit gefasst, dass er für alle Klagen der Kommission gilt, die den Vertrag betreffen, und zwar sowohl für solche, die unmittelbar auf die vertraglichen Vereinbarungen gestützt werden, als auch für solche, die auf die ergänzenden Vorschriften des anwendbaren Vertragsrechts, wie die Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung, gestützt werden. 50 Im Rahmen ihrer Unzulässigkeitseinrede hat sich SEMEA auf zwei Unzulässigkeitsgründe berufen, die zum einen auf die Löschung von SEMEA im Handelsregister und zum anderen auf die Vertretung von SEMEA gestützt werden. Nur der erste Grund wird im vorliegenden Urteil geprüft, da SEMEA in der mündlichen Verhandlung auf die Geltendmachung des zweiten Grundes verzichtet hat. 51 Der Vertreter von SEMEA ist der Auffassung, die Rechtspersönlichkeit von SEMEA sei infolge ihres Rechnungsabschlusses vom 21. November 2008 und ihrer am 9. Dezember 2008 erfolgten Löschung im Handelsregister erloschen. Die Klage der Kommission sei daher unzulässig. 52 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Klage gegen eine Gesellschaft unzulässig, wenn diese Gesellschaft bei Erhebung der Klage nicht rechts- und parteifähig war. Anwendbares Recht ist insoweit das Recht, das die Gründung der fraglichen Gesellschaft regelt (Urteil des Gerichtshofs vom 17. März 2005, Kommission/AMI Semiconductor Belgium u. a., C-294/02, Slg. 2005, I-2175, Randnr. 60). 53 Im vorliegenden Fall wurde SEMEA in der Form einer Société d’économie mixte locale (örtliche gemischtwirtschaftliche Gesellschaft) gegründet, die sich nach französischem Recht, insbesondere nach Art. L 1522-1 des Code général des collectivités territoriales (allgemeines Gesetzbuch der französischen Gebietskörperschaften) regelt, der bestimmt, dass die Société d’économie mixte locale die Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach Buch II des Code de commerce (Handelsgesetzbuch) hat. Somit ist nach diesem Recht zu prüfen, ob SEMEA bei Erhebung der Klage rechts- und parteifähig war. 54 Obwohl Art. L 237-2 Abs. 2 des Code de commerce, der auf Handelsgesellschaften wie SEMEA anwendbar ist, vorsieht, dass die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft nur für die Zwecke der Liquidation und nur so lange fortdauert, bis diese abgeschlossen ist, hat die französische Rechtsprechung für das französische Recht anerkannt, dass die Rechtspersönlichkeit unter bestimmten Voraussetzungen auch nach Beendigung der Liquidation und deren Bekanntmachung fortbestehen kann. 55 Die Cour de cassation hat entschieden, dass die Rechtspersönlichkeit einer Gesellschaft nach französischem Recht fortdauert, solange die Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht erloschen sind (Cass. Com., 12. April 1983, Nr. 81-14055, Bull. Com., Nr. 113; Cass. 3e Civ., 31. Mai 2000, Nr. 98-19435, Bull. 2000, III, Nr. 120, S. 80). So besteht eine aufgelöste Gesellschaft fort, wenn sie Partei eines noch anhängigen Verfahrens ist (Cass. Com., 26. Januar 1993, Nr. 91-11285, Bull. Civ. 1193, IV, Nr. 33) oder wenn ein Dritter gegenüber der Gesellschaft eine Forderung geltend macht, die ihre Grundlage in einer Tätigkeit der Gesellschaft hat (Cass. Com., 2. Mai 1985, Nr. 83-17409, Bull. Civ. 1985, IV, Nr. 139). Der Gläubiger, der meint, in seinen Rechten verletzt zu sein, und der die Liquidation wiedereröffnen will, muss daher gerichtlich beantragen, einen Ad-hoc-Bevollmächtigten zu bestellen, der die Gesellschaft in dem gegen sie eingeleiteten Klageverfahren vertritt. 56 Im vorliegenden Fall forderte die Kommission SEMEA mit Schreiben vom 27. April 1993, 18. November 2005, 16. Februar 2006, 29. November 2006, 30. Januar 2007, 26. Oktober 2007, 10. Dezember 2007, 7. Januar 2008 und 21. Februar 2008 auf, die streitige Forderung zu begleichen (vgl. oben, Randnrn. 11 bis 27). Die Kommission meldete sich somit bei der SEMEA mehrfach während des Liquidationsverfahrens und sogar schon vor diesem Verfahren. Dennoch wurde am 9. Dezember 2008 die Liquidation beendet und die SEMEA im Handelsregister gelöscht, ohne dass dem Erstattungsverlangen der Kommission nachgekommen worden war und ohne dass daher der Rechtsstreit mit der Kommission abgeschlossen worden war. Folglich können die Forderungen und Verbindlichkeiten der Gesellschaft SEMEA nicht als erloschen angesehen werden. 57 Infolgedessen besteht die Rechtspersönlichkeit von SEMEA für die Zwecke des vorliegenden Rechtsstreits fort. Der Unzulässigkeitsgrund, der auf die Löschung im Handelsregister gestützt wird, ist somit zurückzuweisen. 58 Die Klage der Kommission gegen SEMEA ist daher zulässig. b) Zur Begründetheit der Klage 59 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, SEMEA zur Erstattung des Hauptbetrags von 41012 Euro, zur Zahlung der Zinsen und zur Zahlung von 5000 Euro als Ersatz des erlittenen Schadens zu verurteilen. Zum Antrag auf Erstattung des Hauptbetrags 60 Mit ihrem ersten Antrag begehrt die Kommission erstens, SEMEA zur Erstattung eines Betrags von 41012 Euro zu verurteilen. Sie ist der Auffassung, dass ihr dieser Betrag geschuldet sei. – Zum anwendbaren Recht 61 Zunächst ist das anwendbare Recht zu bestimmen. 62 Aus Art. 6 des Vertrags ergibt sich, dass der Vertrag französischem Recht unterliegt. Das französische Recht regelt die Verträge unterschiedlich, je nachdem ob es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag oder um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. Da die Art. 272 AEUV und 340 AEUV es nicht verbieten, dass ein Vertrag mit der Union einer öffentlich-rechtlichen Regelung unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. April 2003, Parlament/SERS und Ville de Strasbourg, C-167/99, Slg. 2003, I-3269, Randnr. 113), ist zunächst zu bestimmen, ob der streitige Vertrag dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht angehört, damit die im vorliegenden Fall anwendbare rechtliche Regelung festgelegt werden kann. 63 Die Rechtsprechung des Tribunal des conflits (Kompetenzkonfliktgericht) und des Conseil d’État bindet das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags an das Zusammentreffen von zwei Voraussetzungen, nämlich einer persönlichen und einer sachlichen. Vorbehaltlich gesetzlicher Zuständigkeitszuweisungen ist ein Vertrag öffentlich-rechtlich, wenn zumindest eine öffentliche Person Vertragspartei ist und der Vertrag entweder eine vom allgemeinen Recht abweichende Klausel enthält (Conseil d’État, 31. Juli 1912, Nr. 30701, Slg. S. 909; Tribunal des conflits, 21. Mai 2011, Nr. 3228), die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betrifft (Conseil d’État, 20. April 1956, Nr. 98637, Slg. S. 167, und 20. April 1956, Nr. 33961, Slg. S. 168; Tribunal des conflits, 29. Dezember 2004, Nr. 3437) oder den Vertragspartner oder die Verwaltung an der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen beteiligt. 64 Eine abweichende Klausel ist eine Klausel, die der öffentlichen Person Rechte einräumt und dem Vertragspartner Pflichten auferlegt, die ihrer Art nach von denen abweichen, die von einer beliebigen Person im Rahmen bürgerlich- oder handelsrechtlicher Gesetze übernommen werden können (Conseil d’État, 20. Oktober 1950, Slg. S. 505; Tribunal des conflits, 15. November 1999, Nr. 03144). Abweichend sind daher solche Klauseln, die in privatrechtlichen Verträgen rechtlich undenkbar wären, weil sie die Ausübung hoheitlicher Befugnisse zu erkennen geben. 65 Im vorliegenden Fall wurde der streitige Vertrag zwischen der Gemeinschaft, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Person des öffentlichen Rechts im Sinne des französischen Rechts darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Parlament/SERS und Ville de Strasbourg, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnrn. 2 und 113), und SEMEA geschlossen, einer Person des französischen Privatrechts. 66 Im Hinblick auf das französische Verwaltungsrecht gehört überdies zu den gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen jede Handlung, die den Inhalt einer Politik, insbesondere einer Politik der Union wie die Regionalpolitik, verwirklichen soll. Aus Art. 1 des Vertrags ergibt sich, dass sich der Vertrag auf den finanziellen Beitrag bezieht, den die Gemeinschaft im Rahmen ihrer Regionalpolitik für die Durchführung von Arbeiten zur Vorbereitung und Eröffnung eines Centre européen d’entreprise locale in Millau leisten soll. Der Vertrag betrifft damit die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen, die Gegenstand der Regionalpolitik der Gemeinschaft sind. 67 Darüber hinaus sieht Art. 10 des Vertrags vor, dass vom Vertrag einseitig zurückgetreten werden kann, wenn keine oder nur unzureichende Mittel verfügbar sind. Zwar ist das einseitige Rücktrittsrecht nicht zwingend ein Merkmal für das Vorliegen einer vom allgemeinen Recht abweichenden Klausel (Tribunal des conflits, 20. Februar 2008, Nr. 3623). Es kommt auf die Merkmale und den Gegenstand des Vertrags an (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Rapporteur public vor dem Conseil d’État, 19. November 2010, Nr. 331837). Im vorliegenden Fall jedoch ist die Klausel angesichts des in der vorstehenden Randnummer erwähnten Vertragsgegenstands als eine vom allgemeinen Recht abweichende Klausel anzusehen, weil sie der Kommission das Recht auf Beendigung der Vertragsbeziehungen allein aus finanziellen Gründen einräumt. 68 Hieraus folgt, dass es sich vorliegend um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. – Zur Forderung der Union gegen SEMEA 69 Es ist sodann die Rechtsgrundlage zu bestimmen, auf die die Kommission ihren Erstattungsantrag stützen kann. 70 Gemäß Art. 4 des Vertrags darf der Beitrag der Kommission 50 % der gerechtfertigten Kosten der Arbeiten nicht übersteigen. Der Artikel regelt somit die von der Kommission zu leistende Zahlung. Der Vertrag enthält indessen keine Vereinbarung über die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beträge. Es sind somit die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung anzuwenden. 71 Die Bestimmungen des Art. 1376 des Code civil haben allgemeine Geltung und finden sowohl auf öffentliche Personen als auch auf Privatpersonen Anwendung (Conseil d’État, 1. Dezember 1961, Slg. S. 675). Nach dieser Vorschrift ist, wer irrtümlicherweise oder wissentlich von der Verwaltung etwas erhalten hat, was ihm nicht geschuldet war, verpflichtet, es ihr zurückzugeben. 72 Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Kommission hatte an SEMEA einen Betrag von insgesamt 135000 ECU gezahlt. Wie sich aus Art. 4 des Vertrags ergibt, durfte der Beitrag der Kommission 50 % der gerechtfertigten Kosten der Arbeiten nicht übersteigen. Aufgrund einer im Juni und Juli 1992 durchgeführten Kontrolle hatte die Kommission jedoch festgestellt, dass die Ausgaben nur 187977 ECU betrugen. Da diese Feststellung von SEMEA nicht bestritten wird, waren die Zahlungen der Union an SEMEA nur in Höhe von 93988 ECU gerechtfertigt. 73 Nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) schließlich wird jede Bezugnahme auf die Ecu durch eine Bezugnahme auf den Euro zum Kurs von 1 Euro für 1 Ecu ersetzt. 74 SEMEA war somit verpflichtet, der Union den ungerechtfertigt erhaltenen Betrag von 41012 Euro zurückzuzahlen. – Zu den Einwänden von SEMEA 75 SEMEA bestreitet nicht, dass die streitige Forderung entstanden ist, macht aber geltend, die Kommission könne sich auf sie nicht mehr berufen. Erstens ist sie der Auffassung, die streitige Forderung sei aufgrund eines Verzichts oder Erlasses seitens der Kommission erloschen. Zweitens sei SEMEA von der Verbindlichkeit infolge ihrer Übernahme durch die Commune de Millau befreit worden. Drittens sei die streitige Forderung verjährt. In jedem Fall könne die streitige Forderung sie nicht treffen, da sie im Handelsregister gelöscht worden sei. 76 Die Einwände sind unbegründet. 77 Was erstens den Einwand von SEMEA betrifft, es liege ein Verzicht oder ein Erlass seitens der Kommission vor, ist festzustellen, dass nach den Prozessakten das Vorliegen eines derartigen Rechtsakts nicht festgestellt werden kann. Allein der Umstand nämlich, dass sich aus dem Protokoll des Vereins CEI 12 von Februar 1995 ergibt, dass die Kommission auf die Geltendmachung ihrer Forderung letztlich verzichtet habe, genügt nicht, um festzustellen, dass ein Verzicht oder Erlass seitens der Kommission vorliegt. Aus dem festgestellten Sachverhalt geht vielmehr hervor, dass die Kommission dauernd die Bezahlung der streitigen Forderung verlangte (vgl. oben, insbesondere die Randnrn. 11, 13, 14, 16, 18, 19, 22, 23, 25 und 27). 78 Zweitens ist das Vorbringen von SEMEA zurückzuweisen, wonach die Übernahme ihrer Verbindlichkeit durch die Commune de Millau sie von dieser Verbindlichkeit befreit habe. Es ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 1165 des Code civil Verträge nur zwischen den Vertragsparteien Wirkung entfalten und dass sie zum Nachteil eines Dritten nicht und zu dessen Vorteil nur im Fall des Art. 1121 des Code civil gereichen. Ein Schuldner kann sich daher durch einen Vertrag, den er mit einem Dritten schließt, ohne die Zustimmung des Gläubigers nicht von der Verbindlichkeit befreien (vgl. Cass. 1re Civ., 2. Juni 1992, Nr. 90-17499, Bull. 1992, I, Nr. 168, S. 115; Cass. 1re Civ., 30. April 2009, Nr. 08-11093, Bull. 2009, I, Nr. 82). Unstreitig aber hat die Kommission der Übernahme der Verbindlichkeit durch die Commune de Millau nicht zugestimmt. 79 SEMEA kann sich ferner nicht auf Art. 1844-5 Abs. 3 des Code civil berufen, der bestimmt, dass, wenn „die Gesellschaft aufgelöst [wird], … das gesamte Gesellschaftsvermögen ohne Liquidation auf den Alleingesellschafter [übergeht]“, da die Voraussetzungen dieser Bestimmung vorliegend nicht erfüllt sind. Aus dem Protokoll der außerordentlichen Hauptversammlung von SEMEA vom 21. November 2008 ergibt sich nämlich, dass die Commune de Millau nicht Alleingesellschafter von SEMEA war. 80 Art. L 2131-1 des Code général des collectivités territoriales in Verbindung mit Art. L 2132-2 des genannten Code bestimmt, dass bestimmte abschließend aufgeführte Rechtsakte der kommunalen Behörden von Rechts wegen vollstreckbar sind, sobald sie veröffentlicht, durch Aushang bekannt gemacht oder den Betroffenen zugestellt worden sind sowie dem Vertreter des Staates im Departement oder dessen Bevollmächtigtem im Arrondissement vorgelegt worden sind. Die Commune de Millau legte den Beschluss vom 18. Dezember 2008, mit dem sie zum einen „die Liquidation von SEMEA bestätigte“ und zum anderen „die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gesellschaft übernahm“, zur Rechtmäßigkeitskontrolle vor. Sie kann damit jedoch SEMEA nicht von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Gemeinschaft befreit haben. Die bloße Vorlage eines Schriftstücks zur Rechtmäßigkeitskontrolle kann für eine Gebietskörperschaft keine Ermächtigung sein, von den Rechtsvorschriften abzuweichen, die vorstehend in Randnr. 78 angeführt sind und denen zufolge die Schuldübernahme durch einen Dritten mangels Zustimmung des Gläubigers den Schuldner im Verhältnis zum Gläubiger nicht befreit. 81 Drittens macht SEMEA geltend, die streitige Forderung sei verjährt. Die Forderung unterliege der zehnjährigen Verjährung nach Art. L 100-4 des Code de commerce in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 2008-561 vom 17. Juni 2008 zur Reform der Verjährung in Zivilsachen (JORF vom 18. Juni 2008, S. 9856), das am 19. Juni 2008 in Kraft trat (im Folgenden: Gesetz vom 17. Juni 2008). Die Kommission ist dagegen der Auffassung, dass die streitige Forderung einer 30-jährigen Frist unterliege und somit nicht verjährt sei. 82 In diesem Zusammenhang ist zunächst zu prüfen, ob die streitige Forderung nicht der zehnjährigen Verjährung unterliegt, die in Art. L 110-4 des Code de commerce in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. Juni 2008 vorgesehen ist. Nach dieser Vorschrift verjähren die Ansprüche, die im Handelsverkehr zwischen Kaufleuten oder zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten entstanden sind, in zehn Jahren, sofern sie nicht einer besonderen kürzeren Verjährung unterliegen. 83 Der Vertrag betraf die Zahlung einer Subvention durch die Kommission, deren Zweck die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Dienstleistungen als Teil der Regionalpolitik der Union war. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die sich insoweit ergebenden Verbindlichkeiten, zu denen die streitige Forderung zählt, im Handelsverkehr zwischen der Kommission und SEMEA entstanden sind. Hieraus folgt, dass die zehnjährige Verjährung nach Art. L 110-4 des Code de commerce in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. Juni 2008 die streitige Forderung nicht erfassen kann (Conseil d’État, 31. Juli 1992, Nr. 69661, RTD 1993, S. 87). 84 Sodann ist festzustellen, dass die streitige Forderung, die auch keiner anderen besonderen Verjährung unterliegt, nicht verjährt ist. 85 Zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitige Forderung entstand, nämlich spätestens im Juni 1992, als die Dienststellen der Kommission eine Kontrolle durchführten, die die Erbringung der im Vertrag vorgesehenen Leistungen zum Gegenstand hatte, unterlag die streitige Forderung der 30-jährigen Verjährung nach Maßgabe der Grundsätze, von denen sich Art. 2262 des Code civil in der damals geltenden Fassung leiten ließ (Conseil d’État, 8. Juli 2005, Nr. 247976, Slg. Dalloz 2005, S. 3075). Diese 30-jährige Frist war jedoch am Tag der Klageerhebung nicht abgelaufen. 86 Zwar hat das Gesetz vom 17. Juni 2008 die Bestimmungen des vorstehend genannten Art. 2262 des Code civil aufgehoben und den neuen Art. 2224 eingeführt, wonach die Ansprüche grundsätzlich in fünf Jahren beginnend mit dem Tag verjähren, an dem der Inhaber des Anspruchs von dem Sachverhalt Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, aufgrund dessen er den Anspruch geltend machen konnte. 87 Selbst wenn man jedoch annehmen wollte, dass diese fünfjährige Verjährung auf die streitige Forderung Anwendung findet, ist festzustellen, dass nach Art. 2222 Abs. 2 des Code civil in der Fassung nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. Juni 2008 die neue Frist an dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes vom 17. Juni 2008 zu laufen beginnt, d. h. am 19. Juni 2008, so dass im Zeitpunkt der Klageerhebung die Verjährung noch nicht eingetreten wäre. 88 Die streitige Forderung ist somit nicht verjährt. 89 Viertens ist der Einwand von SEMEA zurückzuweisen, die Beendigung ihrer Liquidation und ihre Löschung im Handelsregister habe zum Erlöschen der streitigen Forderung geführt. Wie oben dargelegt (vgl. oben, Randnr. 55), besteht die Rechtspersönlichkeit von SEMEA auch nach ihrer Löschung fort, da die streitige Forderung nicht getilgt wurde. 90 SEMEA ist somit zur Erstattung von 41012 Euro zu verurteilen. Zum Antrag auf Zahlung von Verzugszinsen 91 Mit ihrem ersten Antrag begehrt die Kommission zweitens, SEMEA zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes zu verurteilen. Sie beantragt, SEMEA zu verurteilen, Zinsen seit 10. März 1992 gemäß Art. 1378 des Code civil und, hilfsweise, seit 27. April 1993 nach Art. 1153 des Code civil zu zahlen. In ihrem zweiten Antrag beantragt die Kommission, anzuordnen, dass die Zinsen nach Art. 1154 des Code civil ihrerseits zu verzinsen sind. 92 Bezüglich der Aufforderung zur Zahlung von Zinsen seit 10. März 1992, d. h. seit dem Zeitpunkt der letzten Zahlung der Kommission, ist darauf hinzuweisen, dass Zinsen von diesem Zeitpunkt an nur zu zahlen sind, wenn der Empfänger der rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen bösgläubig war. In diesem Fall nämlich ist auf die Bestimmungen des Art. 1378 des Code civil zurückzugreifen, der bestimmt: „War der Empfänger bösgläubig, hat er das Kapital einschließlich Zinsen oder Nutzungen seit dem Tag der Zahlung herauszugeben.“ War der Empfänger nicht bösgläubig, findet die allgemeine Regelung gemäß Art. 1153 des Code civil Anwendung (Conseil d’État, 4. Februar 2000, Nr. 202981, Slg. S. 31). 93 Im vorliegenden Fall trägt die Kommission nichts vor, was die Feststellung erlaubt, dass SEMEA vor dem Erstattungsverlangen der Kommission bösgläubig war. Der Antrag der Kommission, SEMEA zur Zahlung von Verzugszinsen seit 10. März 1992 zu verurteilen, ist somit zurückzuweisen. 94 Bezüglich des Antrags auf Zahlung von Zinsen seit 27. April 1993 ist auf die Bestimmungen des Art. 1153 des Code civil hinzuweisen: „Bei Verpflichtungen zur Zahlung eines bestimmten Betrags entsteht ein Anspruch auf Zinsen wegen verspäteter Erfüllung nur in Höhe der gesetzlichen Zinsen …“ Werden Verzugszinsen verlangt, beginnt die Verzinsung nach Art. 1153 des Code civil unabhängig von dem Zeitpunkt des Verlangens mit dem Tag, an dem die Aufforderung zur Zahlung des Hauptbetrags dem Schuldner zugegangen ist oder, wenn vor der Anrufung des Gerichts eine solche Zahlungsaufforderung nicht erfolgt ist, an dem Tag der Anrufung des Gerichts (Conseil d’État, 13. Dezember 2002, Nr. 203429, Slg. S. 460). 95 Im vorliegenden Fall verlangte die Kommission die Begleichung der streitigen Forderung erstmals am 27. April 1993. Somit ist SEMEA zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes seit dem genannten Zeitpunkt zu verurteilen. 96 Gemäß Art. 1154 des Code civil „[können] [f]ällige Kapitalzinsen … aufgrund einer gerichtlichen Mahnung oder einer Sondervereinbarung Zinsen bringen, vorausgesetzt, dass es bei der Mahnung oder der Vereinbarung um Zinsen geht, die mindestens für ein ganzes Jahr geschuldet werden“. Für die Anwendung der vorstehend genannten Bestimmungen kann die Kapitalisierung der Zinsen jederzeit in der Tatsacheninstanz beantragt werden. Dieser Antrag wird jedoch frühestens zum Zeitpunkt seines Eingangs bei Gericht wirksam und nur, sofern zu diesem Zeitpunkt Zinsen für ein ganzes Jahr geschuldet sind. Die Kapitalisierung erfolgt gegebenenfalls erneut mit Ablauf jeder weiteren Jahresfrist, ohne dass hierfür ein erneuter Antrag erforderlich ist (Conseil d’État, 13. Dezember 2002, oben in Randnr. 94 angeführt). 97 Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Kapitalisierung der Zinsen in ihrer Klageschrift beantragt, die am 15. April 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren Zinsen für mindestens ein Jahr geschuldet. Somit ist anzuordnen, dass die bis zum 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Zinsen ihrerseits zu verzinsen sind. Zum Antrag auf Zahlung von Schadensersatz 98 Mit ihrem dritten Antrag beantragt die Kommission, SEMEA zur Zahlung eines Betrags von 5000 Euro als Ersatz des erlittenen Schadens zu verurteilen. Sie ist der Auffassung, ihr stehe dieser Betrag gemäß Art. 1147 des Code civil wegen des ihr aufgrund des missbräuchlichen Widerstands von SEMEA entstandenen Schadens zu. In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, sie habe, um SEMEA von der Richtigkeit ihrer Ausführungen zu überzeugen, für zahlreiche Schreiben, Mahnschreiben und sonstige Handlungen Personal in erheblichen Umfang einsetzen müssen. SEMEA habe demgegenüber ständig unzutreffende und wirkungslose Ausführungen gemacht, um sich ihrer Verpflichtungen zu entziehen oder deren Erfüllung zu verzögern. 99 Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs, der gemäß Art. 53 Abs. 1 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, und nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts muss die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen hinreichend klar und genau sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. 100 Im vorliegenden Fall beschränkt sich die Kommission jedoch auf die Beantragung eines Betrags von 5000 Euro, ohne darzulegen, inwiefern dieser den von ihr geltend gemachten einzelnen Schadensposten entspricht. Der Antrag ist somit als unsubstantiiert zurückzuweisen. c) Schlussfolgerungen für die Klage der Kommission 101 Den Anträgen der Kommission, SEMEA zur Erstattung des Hauptbetrags von 41012 Euro und zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes für die Zeit vom 27. April 1993 bis zur vollständigen Zahlung des genannten Betrags zu zahlen, ist somit stattzugeben. Ferner ist anzuordnen, dass die am 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Verzugszinsen ihrerseits zu verzinsen sind. 102 Im Übrigen ist die Klage der Kommission abzuweisen. 2. Zur Widerklage von SEMEA 103 Für den Fall, dass das Gericht dem Erstattungsantrag der Kommission stattgibt, hat SEMEA Widerklage erhoben. Die Widerklage wird auf Art. 340 AEUV und Art. 41 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2007, C 303, S. 1) gestützt. Sie ist somit eine Klage wegen außervertraglicher Haftung der Union. 104 SEMEA ist der Auffassung, die Kommission habe gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, indem sie nach ihrem Erstattungsverlangen vom 27. April 1993 zwölf Jahre gewartet habe, bevor sie sich bei SEMEA am 18. November 2005 wieder gemeldet habe. Die Kommission sei daher verpflichtet, ihr den Betrag zu erstatten, zu dem sie verurteilt werde. 105 Nach Auffassung des Gerichts ist zunächst die Begründetheit der Widerklage zu prüfen (Urteile des Gerichtshofs vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C-23/00 P, Slg. 2002, I-1873, Randnrn. 51 und 52, und vom 23. März 2004, Frankreich/Kommission, C-233/02, Slg. 2004, I-2759, Randnr. 26). 106 Nach ständiger Rechtsprechung ist die außervertragliche Haftung der Union an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Das den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Verhalten muss rechtswidrig sein, es muss ein tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden sein, und zwischen dem Verhalten des betreffenden Organs und dem angeblichen Schaden muss ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang bestehen (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1982, Oleifici Mediterranei/EWG, 26/81, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 1999, New Europe Consulting und Brown/Kommission, T-231/97, Slg. 1999, II-2403, Randnr. 29). 107 Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft zu prüfen wären (Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 1994, KYDEP/Rat und Kommission, C-146/91, Slg. 1994, I-4199, Randnr. 81, und Urteil des Gerichts vom 10. Dezember 2009, Antwerpse Bouwwerken/Kommission, T-195/08, Slg. 2009, II-4439, Randnr. 91). 108 Im vorliegenden Fall genügt somit die Feststellung, dass zwischen dem Verhalten der Kommission und dem angeblichen Schaden kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang besteht. 109 Bezüglich des Hauptbetrags von 41012 Euro, den SEMEA der Kommission zu erstatten hat, genügt es nämlich, festzuhalten, dass es um eine Forderung geht, der die Rückforderung zu viel gezahlter Beträge zugrunde liegt, und dass, da diese Forderung nicht verjährt ist, SEMEA die Forderung auf jeden Fall hätte bezahlen müssen, selbst wenn die Kommission nicht zwölf Jahre gewartet hätte, bis sie sich wieder bei ihr meldete. 110 Bezüglich der Zahlung von Verzugszinsen ist darauf hinzuweisen, dass die Kumulierung von Zinsen eine unmittelbare Folge des Verhaltens von SEMEA ist, die dem Erstattungsverlangen der Kommission nicht nachgekommen ist. Es besteht somit kein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Kommission und diesem Schaden. 111 Die Widerklage von SEMEA ist somit abzuweisen, ohne dass deren Zulässigkeit geprüft zu werden braucht. B – Rechtssache T-572/10 112 Die Rechtssache T-572/10 betrifft die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau und die Widerklage der Letzteren. 1. Zur Klage der Kommission 113 Die Kommission hat ihre Klage gegen die Commune de Millau erhoben, nachdem sie erfahren hatte, dass die Commune de Millau die Übernahme sämtlicher Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von SEMEA beschlossen hatte. a) Zur Zuständigkeit des Gerichts 114 Die Kommission ist der Ansicht, die Commune de Millau unterliege einer Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV. Ohne die Einrede der Unzuständigkeit mit besonderem Schriftsatz nach Art. 114 der Verfahrensordnung zu erheben, macht die Commune de Millau dagegen geltend, die Klage der Kommission sei abzuweisen, da sie vor einem unzuständigen Gericht erhoben worden sei. Die Kommission könne ihr nicht eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV entgegenhalten. 115 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Gericht im ersten Rechtszug nur für Rechtsstreitigkeiten aus Verträgen zuständig ist, die bei ihm aufgrund einer Schiedsklausel anhängig gemacht werden. Wäre das nicht so, würde das Gericht seine Zuständigkeit über die Rechtsstreitigkeiten hinaus ausdehnen, deren Entscheidung ihm durch Art. 272 AEUV abschließend vorbehalten ist (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 3. Oktober 1997, Mutual Aid Administration Services/Kommission, T-186/96, Slg. 1997, II-1633, Randnr. 47, und vom 12. Dezember 2005, Natexis Banques Populaires/Robobat, T-360/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 12). 116 Die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 272 AEUV stellt eine Abweichung vom allgemeinen Recht dar und ist daher eng auszulegen (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 1986, Kommission/Zoubek, 426/85, Slg. 1986, 4057, Randnr. 11). Das Gericht kann somit über eine Vertragsrechtsstreitigkeit nur entscheiden, wenn die Vertragsparteien den Willen erklärt haben, ihm diese Zuständigkeit zu übertragen (Beschluss Mutual Aid Administration Services/Kommission, oben in Randnr. 115 angeführt, Randnr. 46, und Urteil des Gerichts vom 16. Dezember 2010, Kommission/Arci Nuova associazione comitato di Cagliari und Gessa, T-259/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39). Nur die an einer Schiedsklausel Beteiligten können Parteien einer nach Art. 272 AEUV anhängig gemachten Klage sein (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Dezember 1976, Pellegrini/Kommission und Flexon-Italia, 23/76, Slg. 1976, 1807, Randnr. 31, und Urteil Kommission/Arci Nuova associazione comitato di Cagliari und Gessa, Randnr. 40). 117 Bezüglich des Rechts, nach dem zu prüfen ist, ob zwischen den Parteien des Rechtsstreits eine Schiedsklausel wirksam vereinbart wurde, ist sodann darauf hinzuweisen, dass sich die aufgrund einer Schiedsklausel gegebene Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung eines Rechtsstreits über einen Vertrag grundsätzlich allein nach den Bestimmungen des Art. 272 AEUV und den Regelungen der Schiedsklausel beurteilt. 118 Diese Auffassung entspricht dem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, dass jedes Gericht seine eigenen Verfahrensvorschriften anwendet, einschließlich der Zuständigkeitsvorschriften. Zu dem Verfahrensrecht des Gerichts gehören die Bestimmungen des Art. 272 AEUV, nicht die entsprechenden Verfahrensbestimmungen der innerstaatlichen Rechtsordnungen. Im Übrigen ist Art. 272 AEUV gleichermaßen für alle Gerichte als Sondervorschrift anzusehen, ausgestattet mit einem Vorrang gegenüber abweichendem innerstaatlichen Recht (Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Kommission/Feilhauer, C-209/90, Urteil des Gerichtshofs vom 8. April 1992, Slg. 1992, I-2613, I-2622, Nr. 18). 119 Diese Regel gilt auch in dem Fall, dass das Gericht bei der Prüfung der Begründetheit des Rechtsstreits das für den betreffenden Vertrag maßgebliche nationale Recht anzuwenden hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Zoubek, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 10, Kommission/Feilhauer, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 13, und Beschluss des Gerichts vom 17. Februar 2006, Kommission/Trends, T-449/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 29). 120 Anhand der vorstehend angeführten Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Zuständigkeit des Gerichts für die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau auf eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV gestützt werden kann. Zum Grundsatz der Akzessorietät 121 Die Kommission ist der Auffassung, die Commune de Millau sei durch die Schiedsklausel in Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags gebunden, weil sie die Verbindlichkeit von SEMEA übernommen habe und weil nach dem französischen Recht die Schiedsklausel als eine vom Bestehen der Verbindlichkeit abhängige Regelung kraft Gesetzes übertragen worden sei. Dagegen macht die Commune de Millau geltend, die Schiedsklausel sei nicht untrennbar mit der Forderung der Kommission verbunden. Außerdem sei im Zeitpunkt der Übernahme der Verbindlichkeit kein Verfahren anhängig gewesen. 122 Da die Ausführungen der Kommission auf das französische Recht gestützt werden, ist zunächst das anwendbare Recht zu bestimmen. 123 Wie dargelegt, bestimmt sich die aufgrund einer Schiedsklausel gegebene Zuständigkeit des Gerichts für die Entscheidung eines Rechtsstreits über einen Vertrag grundsätzlich allein nach den Bestimmungen des Art. 272 AEUV und den Regelungen der Schiedsklausel (vgl. oben, Randnr. 117). 124 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu erinnern an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne von Art. 17 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die aufeinanderfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen), die auch gilt für die Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne von Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass sich zwar die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung allein nach dem Unionsrecht bestimmt, d. h. nach Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001, dass sich jedoch die Frage, ob eine Gerichtsstandsklausel, die zwischen einem Verfrachter und einem Befrachter (Absender) vereinbart und in ein Konnossement eingefügt wurde, gegenüber einem Drittinhaber des Konnossements wirksam ist, der mit Erwerb des Konnossements in die Rechte und Pflichten des Befrachters eingetreten ist, nach dem anwendbaren nationalen Recht beurteilt (Urteile des Gerichtshofs vom 19. Juni 1984, Russ, 71/83, Slg. 1984, 2417, Randnr. 24, vom 16. März 1999, Castelletti, C-159/97, Slg. 1999, I-1597, Randnr. 41, und vom 9. November 2000, Coreck, C-387/98, Slg. 2000, I-9337, Randnrn. 22 bis 27). 125 Grundsätzlich wäre somit zu prüfen, ob diese Rechtsprechung, nach der das auf den Vertrag anwendbare nationale Recht für die Frage nach der Rechtsnachfolge in Rechte und Pflichten gilt, im vorliegenden Fall angewandt werden kann. Dies würde eine zweifache analoge Anwendung erfordern. Zum einen nämlich stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung nicht nur auf den Drittinhaber eines Konnossements angewandt werden kann, sondern auch auf einen Dritten, der wegen der Übernahme einer Schuld an die Stelle des ursprünglichen Schuldners tritt und kraft Gesetzes an die der Forderung zugeordneten Nebenrechte gebunden ist. Zum anderen stellt sich die Frage, ob diese Rechtsprechung zu den Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne von Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens und Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 auch auf eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV anwendbar ist. 126 Für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache brauchen diese Fragen jedoch nicht beantwortet zu werden. Selbst wenn nämlich das französische Recht anwendbar wäre, wäre die zwischen SEMEA und der Kommission vereinbarte Schiedsklausel nicht als Nebenrecht der gegenüber SEMEA bestehenden Forderung auf die Commune de Millau übertragen worden. 127 Wie dargelegt (vgl. oben, Randnr. 78), hätte eine etwaige Übernahme der Schuld von SEMEA durch die Commune de Millau mangels Zustimmung der Kommission nicht dazu geführt, dass SEMEA von ihrer Schuld gegenüber der Union befreit worden wäre und an ihre Stelle als Schuldnerin die Commune de Millau getreten wäre. Sofern die Übernahme der Schuld durch die Commune de Millau eine Schuld der Letzteren gegenüber der Union entstehen ließ, kann es sich nur um einen Vertrag zugunsten Dritter handeln. Eine solche Vereinbarung aber lässt eine neue Verbindlichkeit der Commune de Millau entstehen, die sich rechtlich von der Verbindlichkeit unterscheidet, die SEMEA bindet. Da die Schuld von SEMEA nicht auf die Commune de Millau übertragen wurde, kann folglich die Schiedsklausel, die SEMEA bindet, nicht als Nebenrecht der gegenüber SEMEA bestehenden Forderung übertragen worden sein. 128 Zwar hindert das französische Recht die Commune de Millau und SEMEA grundsätzlich nicht daran, in einem Vertrag zugunsten Dritter, den diese als Versprechende bzw. Versprechensempfängerin schließen, Inhalt und Art der Schuld von SEMEA gegenüber der Union als Vorbild für Inhalt und Art einer Schuld der Commune de Millau gegenüber der Union zu nehmen. In diesem Fall folgt jedoch die Übernahme der Schiedsklausel nicht aus der Rechtsnachfolge in Rechte und Pflichten im Sinne der vorstehend genannten Rechtsprechung, sondern entspricht dem Willen der Parteien. Die Frage bestimmt sich infolgedessen nicht nach dem französischen Recht, sondern unmittelbar nach Art. 272 AEUV (vgl. oben, Randnrn. 117 und 118). Zur Vereinbarung einer Schiedsklausel 129 Es ist sodann das Vorbringen der Kommission zu prüfen, wonach die Commune de Millau durch Übernahme der Schuld von SEMEA einer Schiedsklausel, wie sie in Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags vorgesehen ist, zugestimmt habe. 130 Zunächst ist festzustellen, dass die Commune de Millau und die Kommission keinen Vertrag geschlossen und somit keine Schiedsklausel vereinbart haben. 131 Sodann ist festzuhalten, dass nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung (vgl. oben, Randnrn. 115 bis 119) allein der Umstand, dass SEMEA und die Commune de Millau nach französischem Recht, das auf den Vertrag anwendbar ist, unter Umständen gesamtschuldnerisch haften, nicht geeignet ist, die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 272 AEUV zu begründen (Urteil des Gerichts vom 7. Juli 2010, Kommission/Hellenic Ventures u. a., T-44/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 54). 132 Angesichts der Umstände des vorliegenden Falls stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Commune de Millau durch einen mit SEMEA geschlossenen Vertrag zugunsten Dritter einer Schiedsklausel zugunsten der Union unterworfen hat. 133 Zwar sieht Art. 272 AEUV nur die Möglichkeit vor, dass eine Schiedsklausel in einen von der Union geschlossenen Vertrag aufgenommen wird. Der Artikel sieht somit nicht ausdrücklich vor, dass diese Klausel zugunsten Dritter vereinbart werden kann. Auch ist die Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 272 AEUV eng auszulegen (vgl. oben, Randnr. 116). 134 Da jedoch eine Schiedsklausel vertraglichen Charakter hat, bestehen keine Bedenken, das Vorliegen dieser Klausel unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts der Mitgliedstaaten zu prüfen. Selbst wenn nämlich einer dieser Grundsätze besagt, dass ein Vertrag nur die Vertragsparteien bindet, verwehrt es dieser Grundsatz nicht, dass zwei Parteien einem Dritten durch einen Vertrag zugunsten Dritter ein Recht einräumen. 135 Die Aufnahme einer Schiedsklausel, aufgrund deren die Union einen Rechtsstreit zwischen ihr und der Commune de Millau dem Gericht unterbreiten kann, in den Vertrag zwischen der Commune de Millau und SEMEA verstößt ferner nicht gegen das Erfordernis des Art. 272 AEUV, wonach eine solche Klausel in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen Vertrag enthalten sein muss. Zum einen nämlich kann ein Vertrag zugunsten Dritter als ein für Rechnung der Union abgeschlossener Vertrag angesehen werden. Zum anderen ist dieses Erfordernis des Art. 272 AEUV zwar dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit des Gerichts für Rechtsstreitigkeiten, die einen Vertrag betreffen, nicht gegen den Willen der Union begründet werden kann. Wird aber eine Schiedsklausel allein zugunsten der Union vereinbart, kann sie der Union nicht gegen ihren Willen entgegengehalten werden. 136 Die verfahrensrechtliche Natur einer Schiedsklausel spricht nicht dagegen, dass sie zugunsten Dritter vereinbart wird. Für die Gerichtsstandsvereinbarungen im Sinne von Art. 17 des Brüsseler Übereinkommens und Art. 23 der Verordnung Nr. 44/2001 hat der Gerichtshof eine derartige Klausel bereits akzeptiert (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1983, Gerling Konzern Speziale Kreditversicherung u. a., 201/82, Slg. 1983, 2503, Randnrn. 10 bis 20). 137 Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob SEMEA und die Commune de Millau sich darüber geeinigt haben, dass die Commune de Millau einer zugunsten der Union vereinbarten Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV unterliegen solle. 138 Aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts ergibt sich, dass sich das Vorliegen eines Vertrags zugunsten Dritter aus einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen dem Versprechensempfänger und dem Versprechenden ergeben kann, mit der einem Dritten ein Recht eingeräumt werden soll. Das Vorliegen eines solchen Vertrags zugunsten Dritter kann auch aus dem Zweck des Vertrags oder den Umständen des Falls abgeleitet werden. 139 Im vorliegenden Fall geht aus den Umständen des Falls, insbesondere aus den tatsächlichen und rechtlichen Angaben im Protokoll des Gemeinderats der Commune de Millau vom 18. Dezember 2010, hervor, dass die Commune de Millau und SEMEA eine Vereinbarung geschlossen haben, wonach die Commune de Millau die Verbindlichkeiten von SEMEA übernehmen sollte und als Gegenleistung deren Vermögenswerte erhalten sollte. Zum einen ergibt sich aus dem Protokoll, dass die Commune de Millau über den Rechtsstreit zwischen SEMEA und der Kommission informiert worden war und die Schuld von SEMEA „in voller Kenntnis der Sachlage“ übernehmen sollte. Zum anderen geht aus dem Protokoll hervor, dass SEMEA als Gegenleistung einen Betrag in Höhe von 82719,76 Euro, der ihren Vermögenswerten entsprach, auf die Commune de Millau übertragen sollte, damit diese das sich aus der Übernahme der Schuld ergebende Risiko eines Rechtsstreits abdecken konnte. 140 Zwar wird nicht durch jede Vereinbarung, nach der die Schuld der einen Partei durch die andere Partei bezahlt werden soll, zwangsläufig ein neues Recht zugunsten des Gläubigers begründet. Es kann sich um eine ausschließlich interne Übernahme oder um eine Benennung des Empfangsberechtigten handeln. Im vorliegenden Fall jedoch ergibt sich aus dem Zweck der zwischen SEMEA und der Commune de Millau geschlossenen Vereinbarung sowie aus den Umständen des Falls, dass die Parteien eine Forderung der Union gegenüber der Commune de Millau begründen wollten. Erstens nämlich ist festzuhalten, dass das von SEMEA und der Commune de Millau verfolgte Ziel darin bestand, die tatsächlichen oder potenziellen Gläubiger von SEMEA an die Commune de Millau zu verweisen. Zweitens ist daran zu erinnern, dass SEMEA als Gegenleistung für die Übernahme ihrer Schuld durch die Commune de Millau ihre gesamten Vermögenswerte, nämlich 82719,76 Euro, auf die Commune de Millau übertragen hat. Wie sich aus dem oben genannten Protokoll ergibt, sollte diese Zahlung der Commune de Millau die Möglichkeit geben, das Risiko eines sich aus der Übernahme der Schuld ergebenden Rechtsstreits abzudecken, was ebenfalls für die Begründung einer der Union gegenüber der Commune de Millau bestehenden Forderung spricht. Schließlich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Commune de Millau, die an den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten gebunden ist, sämtliche Vermögenswerte von SEMEA übernehmen und SEMEA damit zu einer völlig mittellosen Schuldnerin machen wollte, ohne selbst gegenüber der Union die Verpflichtung einzugehen, die Schuld von SEMEA zu begleichen. 141 In Bezug auf die Übernahme der Schiedsklausel macht die Commune de Millau geltend, sie habe einzig und allein die Schuld von SEMEA, nicht aber die Schiedsklausel übernommen. Aus dem Zweck der zwischen SEMEA und der Commune de Millau getroffenen Vereinbarung und den Umständen des Falls ergibt sich jedoch, dass die Commune de Millau im Zeitpunkt der Übernahme gewillt war, sich einer Schiedsklausel, wie sie in Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags enthalten ist, zu unterwerfen. Wie vorstehend dargelegt, übernahm die Commune de Millau die Schuld von SEMEA gegenüber der Union in voller Kenntnis der Sachlage, somit in Kenntnis des Rechtsstreits zwischen SEMEA und der Union bezüglich der streitigen Forderung. Sie verpflichtete sich damit, eine Schuld zu bezahlen, deren Inhalt und Art sich an der Schuld von SEMEA orientierte. Da SEMEA aufgrund der Schiedsklausel nach Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags in Bezug auf alle Rechtsstreitigkeiten, die den Vertrag betreffen, gebunden war, unterwarf sich auch die Commune de Millau dieser Klausel. Auch ist festzustellen, dass weder die Commune de Millau noch SEMEA Umstände vorgetragen haben, aus denen zu schließen wäre, dass die Commune de Millau oder SEMEA vor Erhebung der Klage gegen SEMEA Vorbehalte gegen die Übernahme der Schiedsklausel durch die Commune de Millau geltend gemacht haben. Dafür, dass sich die Commune de Millau einer Schiedsklausel unterwarf, sprich außerdem der Umstand, dass SEMEA und die Commune de Millau nicht darauf vertrauen durften, dass die tatsächlichen oder potenziellen Gläubiger bereit sein würden, sich an die Commune de Millau zu wenden, wenn Inhalt oder Art ihrer gegenüber der Commune de Millau bestehenden Forderung weniger günstig als ihre Forderung gegenüber SEMEA war. 142 Schließlich kann dieser Auslegung des Willens der Commune de Millau und von SEMEA nicht entgegengehalten werden, dass diese die Schuld von SEMEA auf die Commune de Millau mit befreiender Wirkung für SEMEA übertragen wollten und dass sich die Commune de Millau der Schiedsklausel ohne diese befreiende Wirkung nicht unterworfen hätte. Ein solcher Irrtum wäre unerheblich, da aus verständlichen Gründen des Gläubigerschutzes eine derartige Übertragung der Schuld nicht ohne Zustimmung der Union hätte erfolgen können. 143 Infolgedessen ist festzustellen, dass die Commune de Millau und SEMEA zugunsten der Union vereinbart haben, dass diese sich gegenüber der Commune de Millau auf eine Schiedsklausel berufen kann, wie sie in Art. 10 der allgemeinen Bedingungen des Vertrags vorgesehen ist. 144 Das Vorliegen dieser Schiedsklausel wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Commune de Millau deren Vorliegen nach Einreichung der Klageschrift der Kommission bestritten hat. Zwar können der Versprechensempfänger und der Versprechende eines Vertrags zugunsten Dritter die Klausel, mit der das betreffende Recht begründet wird, unter bestimmten Voraussetzungen aufheben oder ändern. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts ist dies jedoch nicht mehr möglich, nachdem der begünstigte Dritte dem Versprechenden oder dem Versprechensempfänger mitgeteilt hat, dass er von seinem Recht Gebrauch machen will. 145 Was die Form angeht, die für eine Schiedsklausel im Sinne von Art. 272 AEUV vorgeschrieben ist, ist festzustellen, dass diese Vorschrift keine besondere Form vorsieht. Jedoch bestimmt Art. 44 § 5a der Verfahrensordnung, dass mit einer Klageschrift nach Art. 272 AEUV eine Ausfertigung der Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Unionsgerichte einzureichen ist. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Schiedsklausel grundsätzlich schriftlich vereinbart sein muss. 146 Art. 44 § 5a der Verfahrensordnung dient jedoch Beweiszwecken, und die vorgeschriebene Förmlichkeit muss dann als gewahrt angesehen werden, wenn die von der Klägerin eingereichten Schriftstücke es dem Gericht ermöglichen, sich davon zu überzeugen, dass die Parteien des Rechtsstreits übereingekommen sind, die Streitigkeit über ihren Vertrag den nationalen Gerichten zu entziehen und den Gerichten der Union zu übertragen (Urteil des Gerichts vom 8. Mai 2007, Citymo/Kommission, T-271/04, Slg. 2007, II-1375, Randnr. 56). 147 Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihrer Klageschrift zum einen das Protokoll vom 18. Dezember 2008 beigefügt, aus dem sich ergibt, dass die Commune de Millau und SEMEA beschlossen hatten, dass die Commune de Millau die Verbindlichkeiten von SEMEA übernimmt, und zum anderen den Vertrag, aus dem sich der Inhalt der zwischen der Union und SEMEA vereinbarten Schiedsklausel ergibt. Die Kommission hat somit die Förmlichkeit nach Art. 44 § 5a der Verfahrensordnung erfüllt. 148 Was schließlich das Argument der Commune de Millau betrifft, wonach Art. 2060 des Code civil und Art. 48 des Code de procédure civile (Zivilprozessordnung) es verbieten würden, dass die Commune de Millau einer Schiedsklausel nach Art. 272 AEUV unterliege, genügt der Hinweis, dass, selbst wenn es einen Konflikt zwischen diesen Normen gäbe, Art. 272 AEUV gleichermaßen für alle Gerichte als Sondervorschrift anzusehen wäre, ausgestattet mit einem Vorrang gegenüber abweichendem innerstaatlichen Recht (vgl. oben, Randnrn. 117 und 118). 149 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass sich die Kommission gegenüber der Commune de Millau auf eine Schiedsklausel berufen kann und dass das Gericht daher für die Entscheidung über die Klage der Kommission gegen die Commune de Millau nach Maßgabe der Art. 272 AEUV und 256 Abs. 1 Unterabs. 1 AEUV zuständig ist. b) Zur Begründetheit der Klage 150 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission, die Commune de Millau zur Erstattung des Hauptbetrags von 41012 Euro, zur Zahlung der Zinsen und zur Zahlung von 5000 Euro als Ersatz des erlittenen Schadens zu verurteilen. Zum Antrag auf Erstattung des Hauptbetrags 151 Mit ihrem ersten Antrag begehrt die Kommission erstens, die Commune de Millau zur Zahlung von 41012 Euro zu verurteilen. 152 Da dieser Antrag gegenüber SEMEA begründet ist (vgl. oben, Randnrn. 60 bis 89), bleibt nur die Frage, ob nach französischem Recht auch die Commune de Millau für die Schuld von SEMEA haftet. 153 Da die Union der Übernahme der Schuld von SEMEA durch die Commune de Millau nicht zugestimmt hat, ist zu prüfen, ob die Commune de Millau im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter der Union versprochen hat, die Schuld von SEMEA zu bezahlen. 154 Art. 1165 des Code civil bestimmt zwar, dass Verträge nur zwischen den Vertragsparteien Wirkungen entfalten. Aus diesem Artikel geht jedoch auch hervor, dass Verträge einem Dritten zugutekommen können, wenn eine Vereinbarung zugunsten Dritter nach Art. 1121 des Code civil getroffen wird (Conseil d’État, 20. Dezember 1989, Nr. 50815; Conseil d’État, 20. Januar 1992, Nr. 46624; Conseil d’État, 19. Juli 2010, Nr. 318126, und Cour administrative d’appel de Marseille, 21. Oktober 2011, Nr. 09MA00782). 155 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich aus den vorstehenden Randnrn. 139 und 140 ergibt, dass die Commune de Millau und SEMEA übereingekommen waren, eine neue Forderung der Union gegenüber der Commune de Millau zu begründen. 156 Sodann ist festzustellen, dass die weiteren Voraussetzungen des Art. 1121 des Code civil für das Vorliegen einer Vereinbarung zugunsten Dritter erfüllt sind. Soweit nämlich darüber hinaus ein direktes und unmittelbares Interesse des Versprechensempfängers erforderlich ist, genügt ein einfaches Interesse, das auch ein moralisches Interesse sein kann (Cass. 1re Civ., 26. Februar 1962, Bull. Civ. I, Nr. 124, S. 119; Cass. Com., Cass. 1re Civ., 5. Juni 1984, Bull. Civ. I, Nr. 182). Im vorliegenden Fall besteht dieses Interesse darin, dass SEMEA von der Commune de Millau verlangen kann, dass diese ihre Schuld gegenüber der Union bezahlt. 157 Im Übrigen kann der Gültigkeit der Schuldübernahme seitens der Commune de Millau nicht entgegengehalten werden, dass, da die Schuldübernahme für SEMEA keine befreiende Wirkung hatte, der Zweck der Schuldübernahme nicht eingetreten ist. Der Wegfall des Vertragszwecks begründet lediglich eine relative Nichtigkeit, und die Commune de Millau hat nicht geltend gemacht, dass die Übernahme der Schuld von SEMEA nichtig sei. Zudem liegt der Zweck dieser Schuldübernahme darin, dass auch sämtliche Vermögenswerte von SEMEA auf die Commune de Millau übertragen wurden. 158 Folglich ist festzustellen, dass gemäß Art. 1121 des Code civil die Commune de Millau versprochen hat, die Schuld von SEMEA zu begleichen. Der Antrag der Union, die Commune de Millau zur Erstattung von 41012 Euro zu verurteilen, ist somit begründet. Zum Antrag auf Zahlung der Zinsen 159 Mit ihrem ersten Antrag begehrt die Kommission zweitens, die Commune de Millau zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes zu verurteilen. Sie beantragt, die Commune de Millau zu verurteilen, Zinsen seit 10. März 1992 gemäß Art. 1378 des Code civil und, hilfsweise, seit 27. April 1993 nach Art. 1153 des Code civil zu zahlen. In ihrem zweiten Antrag beantragt die Kommission, anzuordnen, dass die Zinsen nach Art. 1154 des Code civil ihrerseits zu verzinsen sind. 160 Aus den oben genannten Gründen (vgl. oben, Randnrn. 152 bis 158 und 92 bis 95) ist der Antrag auf Zahlung von Verzugszinsen seit 10. März 1992 zurückzuweisen und die Commune de Millau zur Zahlung von Verzugszinsen seit 27. April 1993 zu verurteilen. 161 Bezüglich des Antrags auf Kapitalisierung der Zinsen gemäß Art. 1154 des Code civil ist zunächst auf Randnr. 97 oben zu verweisen. Sodann ist festzustellen, dass im Hinblick auf die Commune de Millau der Antrag auf Anordnung der Berechnung von Zinseszinsen erst in der Klageschrift der Kommission gestellt worden ist, die bei der Kanzlei des Gerichts am 21. Dezember 2010 eingegangen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren Zinsen für mindestens ein Jahr geschuldet. Auf dieser Rechtsgrundlage kann die Kommission somit die Berechnung von Zinseszinsen erst seit 21. Dezember 2010 verlangen. 162 Aufgrund der Übernahme der Schuld von SEMEA durch die Commune de Millau kann die Kommission jedoch die Berechnung von Zinseszinsen seit dem Zeitpunkt verlangen, zu dem die Klage der Kommission gegen SEMEA beim Gericht eingegangen ist, d. h. seit 15. April 2010. Aus dem Zweck des zwischen der Commune de Millau und SEMEA geschlossenen Vertrags sowie aus den Umständen des Falls ergibt sich, dass die Commune de Millau verpflichtet ist, sämtliche von SEMEA geschuldeten Zinsen zu zahlen. Zum einen versprach die Commune de Millau der Union, die Schuld von SEMEA zu begleichen. Da zum anderen alle Vermögenswerte von SEMEA auf die Commune der Millau übertragen wurden, ist SEMEA nicht mehr in der Lage, dem Verlangen der Kommission nachzukommen. In Anbetracht dieser Umstände ist daher aus den oben genannten Gründen (vgl. oben, Randnrn. 139 und 140) festzustellen, dass nach dem übereinstimmenden Willen von SEMEA und der Commune de Millau Letztere verpflichtet sein sollte, sämtliche von SEMEA geschuldeten Zinsen und somit auch die Zinseszinsen seit Einreichung der Klage der Kommission gegen SEMEA zu zahlen. 163 Somit ist anzuordnen, dass die bis zum Eingang der Klage der Kommission gegen SEMEA, d. h. bis zum 15. April 2010, angefallenen und danach jährlich anfallenden Zinsen zu verzinsen sind. Zu dem Antrag auf Zahlung von Schadensersatz 164 Mit ihrem dritten Antrag beantragt die Kommission, die Commune de Millau zur Zahlung eines Betrags von 5000 Euro als Ersatz des Schadens zu verurteilen, der aufgrund des missbräuchlichen Widerstands von SEMEA entstanden ist. 165 Dieser Antrag ist aus den oben in den Randnrn. 98 bis 100 genannten Gründen zurückzuweisen. c) Schlussfolgerungen für die Klage der Kommission 166 Den Anträgen der Kommission, die Commune de Millau zur Erstattung des Hauptbetrags von 41012 Euro und zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes für die Zeit vom 27. April 1993 bis zur vollständigen Zahlung des genannten Betrags zu zahlen, ist somit stattzugeben. Ferner ist anzuordnen, dass die bis zum 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Verzugszinsen ihrerseits zu verzinsen sind. 167 Im Übrigen ist die Klage der Kommission abzuweisen. 2. Zur Widerklage der Commune de Millau 168 Für den Fall, dass das Gericht dem Erstattungsantrag der Kommission stattgibt, hat die Commune de Millau Widerklage erhoben. Die Widerklage wird auf Art. 340 AEUV und Art. 41 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gestützt. Sie ist somit eine Klage wegen außervertraglicher Haftung der Union. 169 Die Commune de Millau ist der Auffassung, die Kommission habe gegen ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung und den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, indem sie nach ihrem ursprünglichen Erstattungsverlangen vom 27. April 1993 zwölf Jahre gewartet habe, bevor sie sich bei SEMEA am 18. November 2005 wieder gemeldet habe. Die Kommission sei daher verpflichtet, ihr den Betrag zu erstatten, zu dem sie verurteilt werde. 170 Nach Auffassung des Gerichts ist zunächst die Begründetheit der Widerklage zu prüfen (Urteile Rat/Boehringer, oben in Randnr. 105 angeführt, Randnrn. 51 und 52, und Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 105 angeführt, Randnr. 26). 171 Aus denselben Gründen, wie sie vorstehend in den Randnrn. 106 bis 110 dargelegt worden sind, ist die Widerklage der Commune de Millau unbegründet. 172 Die Widerklage der Commune de Millau ist somit abzuweisen. C – Zur gesamtschuldnerischen Haftung 173 Da SEMEA und die Commune de Millau beide zur Erstattung des Hauptbetrags zuzüglich Verzugszinsen verpflichtet sind und die Kommission die Zahlung nur einmal verlangen kann, sind SEMEA und die Commune de Millau entsprechend dem Antrag der Kommission gesamtschuldnerisch zur Zahlung zu verurteilen. Kosten 174 Nach Art. 87 §§ 2 und 3 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen und kann der Gerichtshof über die Verteilung der Kosten entscheiden, wenn der unterliegende Teil aus mehreren Personen besteht. Da SEMEA und die Commune de Millau mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Rechtssachen T-168/10 und T-572/10 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. 2. Die Société d’économie mixte d’équipement de l’Aveyron (SEMEA) und die Commune de Millau (Frankreich) werden verurteilt, als Gesamtschuldner 41012 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe des in Frankreich geltenden gesetzlichen Jahreszinssatzes für die Zeit vom 27. April 1993 bis zur vollständigen Zahlung des genannten Betrags an die Europäische Kommission zu zahlen. Die bis zum 15. April 2010 angefallenen und danach jährlich anfallenden Zinsen werden der Hauptforderung zugeschlagen und ebenfalls verzinst. 3. Im Übrigen werden die Anträge der Kommission in den Rechtssachen T-168/10 und T-572/10 zurückgewiesen. 4. Die Widerklage der SEMEA in der Rechtssache T-168/10 und die Widerklage der Commune de Millau in der Rechtssache T-572/10 werden abgewiesen. 5. SEMEA trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission in der Rechtssache T-168/10. 6. Die Commune de Millau trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission in der Rechtssache T-572/10. Czúcz Labucka Gratsias Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. September 2012. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Sachverhalt Verfahren vor dem Gericht und Anträge der Parteien A – Rechtssache T-168/10 B – Rechtssache T-572/10 Rechtliche Würdigung A – Rechtssache T-168/10 1. Zur Klage der Kommission a) Zur Zulässigkeit der Klage b) Zur Begründetheit der Klage Zum Antrag auf Erstattung des Hauptbetrags – Zum anwendbaren Recht – Zur Forderung der Union gegen SEMEA – Zu den Einwänden von SEMEA Zum Antrag auf Zahlung von Verzugszinsen Zum Antrag auf Zahlung von Schadensersatz c) Schlussfolgerungen für die Klage der Kommission 2. Zur Widerklage von SEMEA B – Rechtssache T-572/10 1. Zur Klage der Kommission a) Zur Zuständigkeit des Gerichts Zum Grundsatz der Akzessorietät Zur Vereinbarung einer Schiedsklausel b) Zur Begründetheit der Klage Zum Antrag auf Erstattung des Hauptbetrags Zum Antrag auf Zahlung der Zinsen Zu dem Antrag auf Zahlung von Schadensersatz c) Schlussfolgerungen für die Klage der Kommission 2. Zur Widerklage der Commune de Millau C – Zur gesamtschuldnerischen Haftung Kosten (*1) Verfahrenssprache: Französisch.
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 12. September 2012.#Hellenische Republik gegen Europäische Kommission.#EAGFL – Abteilung Garantie – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Kulturpflanzen – Verhältnismäßigkeit – Erhöhung des Prozentsatzes der pauschalen Berichtigung aufgrund des erneuten Verstoßes.#Rechtssache T‑356/08.
62008TJ0356
ECLI:EU:T:2012:418
2012-09-12T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
EUR-Lex - CELEX:62008TJ0356 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62008TJ0356 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62008TJ0356 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 19. Juli 2012.#A Oy.#Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus.#Sechste Richtlinie – Befreiungen – Art. 15 Nr. 6 – Befreiung der Lieferungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind – Lieferung von Luftfahrzeugen an einen Wirtschaftsteilnehmer, der diese einer solchen Gesellschaft zur Verfügung stellt – Begriff ‚entgeltlicher internationaler Verkehr‘ – Charterflüge.#Rechtssache C-33/11.
62011CJ0033
ECLI:EU:C:2012:482
2012-07-19T00:00:00
Gerichtshof, Cruz Villalón
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0033 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) 19. Juli 2012 (*1) „Sechste Richtlinie — Befreiungen — Art. 15 Nr. 6 — Befreiung der Lieferungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind — Lieferung von Luftfahrzeugen an einen Wirtschaftsteilnehmer, der diese einer solchen Gesellschaft zur Verfügung stellt — Begriff ‚entgeltlicher internationaler Verkehr‘ — Charterflüge“ In der Rechtssache C-33/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 18. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2011, in dem Beschwerdeverfahren der A Oy erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: P. Cruz Villalón, Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2012, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der A Oy, vertreten durch P. Salomaa, — der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Koskinen und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. April 2012 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie). 2 Es ergeht im Rahmen eines von der A Oy (im Folgenden: A) eingeleiteten Verfahrens, in dem A an sie gerichtete Bescheide des Kaakkois-Suomen verovirasto (Finanzamt Südost-Finnland) anficht, mit denen Mehrwertsteuer auf den Erwerb von Luftfahrzeugen nacherhoben wird. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer. 4 Art. 15 („Steuerbefreiungen bei Ausfuhren nach einem Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“) dieser Richtlinie sieht vor: „Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer: … 4. Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die a) auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind, … 5. Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a) und b) bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei – oder der Gegenstände für ihren Betrieb; 6. Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Luftfahrzeugen, die von Luftfahrtgesellschaften verwendet werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Luftfahrzeuge eingebauten Gegenstände oder der Gegenstände für ihren Betrieb; 7. Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung der in Nummer 6 genannten Luftfahrzeuge; 8. andere Dienstleistungen als die nach Nummer 5, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Seeschiffe und ihrer Ladungen bestimmt sind; 9. andere Dienstleistungen als die nach Nummer 6, die für den unmittelbaren Bedarf der dort bezeichneten Luftfahrzeuge und ihrer Ladungen bestimmt sind; …“ 5 Der zu Abschnitt XVIa („Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“) der Sechsten Richtlinie gehörende Art. 28a bestimmt: „(1)   Der Mehrwertsteuer unterliegen auch a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt … Abweichend von Unterabsatz 1 unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der unter den Bedingungen von Absatz 1a durch einen Steuerpflichtigen oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, nicht der Mehrwertsteuer. … … (1a)   Unter die in Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 2 vorgesehene Ausnahmeregelung fällt a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, deren Lieferung im Inland nach Artikel 15 Nummern 4 bis 10 steuerfrei wäre; … (3)   Als innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird. …“ Finnisches Recht 6 Die Sechste Richtlinie wurde in Finnland durch das Arvonlisäverolaki (1501/1993) [Gesetz (1501/1993) über die Mehrwertsteuer] vom 30. Dezember 1993 (im Folgenden: AVL) umgesetzt. 7 Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AVL ist auf den in Finnland erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des § 26 a AVL Mehrwertsteuer zu entrichten. Innergemeinschaftlicher Erwerb wird in § 26 a AVL definiert als der entgeltliche Erwerb des Eigentums an einem beweglichen körperlichen Gegenstand, wenn der Verkäufer, der Erwerber oder ein für ihre Rechnung handelnder Dritter diesen Gegenstand von einem Mitgliedstaat in einen anderen befördert hat. Nach § 2 b AVL ist die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 3 AVL vom Erwerber zu entrichten. 8 Der im sechsten Kapitel des AVL über Steuerbefreiungen im internationalen Handel enthaltene § 70 Abs. 1 Nr. 6 sieht vor, dass auf den Verkauf von Luftfahrzeugen, ihrer Ersatzteile und Ausrüstungsgegenstände zur Verwendung durch einen Gewerbetreibenden, der hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätig ist, keine Steuer erhoben wird. 9 Nach § 72 f Nr. 1 AVL ist auf den innergemeinschaftlichen Erwerb eines Gegenstands keine Mehrwertsteuer zu entrichten, wenn auf die Einfuhr des Gegenstands keine Mehrwertsteuer zu entrichten wäre. Nach § 94 Abs. 1 Nr. 9 AVL ist die Einfuhr von Luftfahrzeugen, Ersatzteilen und Ausrüstungsgegenständen im Sinne des § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL von der Steuer befreit. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 10 Im Juli 2002 und im Oktober 2003 erwarb A von einem französischen Hersteller zwei neue Strahlflugzeuge. Der Verkäufer meldete einen innergemeinschaftlichen Verkauf an. A meldete den Erwerb der Flugzeuge nicht als in Finnland erfolgten innergemeinschaftlichen Erwerb an. 11 Die beiden Luftfahrzeuge wurden am 22. Juli 2002 bzw. 23. Juli 2004 in das finnische Luftfahrzeugregister eingetragen, während das „Air Operation Certificate“ (AOC) für sie am 19. November 2002 bzw. 24. Oktober 2004 erteilt wurde. A wurde als Eigentümer der beiden Luftfahrzeuge angegeben und die B Oy (im Folgenden: B) als deren Nutzer. Am 17. Dezember 2003 bzw. 1. April 2005 wurden die Luftfahrzeuge von A an ein in Zypern registriertes Unternehmen weiterverkauft. 12 Sämtliche Anteile an A stehen im Eigentum von X, einer natürlichen Person. A hält 25 % der Anteile an der C Oy (im Folgenden: C). B ist eine 78%ige Tochtergesellschaft von C. 13 B betreibt internationalen Charterflugverkehr und führt die Wartungsarbeiten sowie das operationelle Geschäft mit den Flugzeugen durch. Auf der Grundlage eines zwischen ihr und A geschlossenen Vertrags stellte sie A u. a. die Wartungskosten der Flugzeuge und Flüge in Rechnung. Nach diesem Vertrag war B außerdem berechtigt, die Flugzeuge für ihre eigenen geschäftlichen Zwecke zu dem in der Anlage zum Vertrag genannten Preis zu mieten. 14 Für die Bilanzzeiträume vom 1. Januar bis 31. Dezember 2002 und vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2004 resultierte der Umsatz von A in Höhe von 925606,32 Euro bzw. 2170503,84 Euro vollständig – mit Ausnahme der Rechnungen an das zyprische Unternehmen im Zusammenhang mit dem Weiterverkauf der Luftfahrzeuge – aus den Buchungen, die auf der Grundlage der X – dem Eigentümer von A – erteilten Verkaufsrechnungen vorgenommen wurden. Bei der Steuerprüfung wurde festgestellt, dass in der Buchhaltung von A keine Erträge aus der Vermietung der Flugzeuge verzeichnet waren. 15 Die mit den Flugzeugen zusammenhängenden Ausgabenbuchungen von A bezogen sich ihrerseits hauptsächlich auf die A von B für die Wartung der Flugzeuge und für Flüge in Rechnung gestellten Beträge. Bei der vorerwähnten Steuerprüfung wurde festgestellt, dass die genannten Beträge im Wesentlichen unverändert auf X abgewälzt worden waren. 16 A war seit 1. Juli 2002 als mehrwertsteuerpflichtig registriert. In ihrer Erklärung über die Beendigung ihrer Tätigkeit vom 14. Juni 2003 gab A an, dass sie keine der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit habe aufnehmen können. Das Finanzamt Südost-Finnland strich die Gesellschaft rückwirkend zum 1. Juli 2002 aus dem Register der Mehrwertsteuerpflichtigen. 17 Am 4. November 2005 erließ das genannte Finanzamt Bescheide, mit denen von A wegen des innergemeinschaftlichen Erwerbs der beiden Luftfahrzeuge Mehrwertsteuer nacherhoben wurde. Zugleich wurde festgestellt, dass A keinen Anspruch auf Abzug oder Erstattung des geschuldeten Betrags habe. 18 Die von A gegen die Nacherhebungsbescheide eingelegte Beschwerde wurde vom Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) mit Beschluss vom 26. Mai 2008 zurückgewiesen. Nach Ansicht dieses Gerichts handelte es sich bei dem Erwerb der beiden Luftfahrzeuge um mehrwertsteuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerbe, die A der Steuerbehörde nicht angezeigt habe. A sei nicht im entgeltlichen internationalen Flugverkehr im Sinne von § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL tätig gewesen, sondern habe praktisch als Eigentümerin von C, einer im internationalen Handel mit Mineralölerzeugnissen tätigen Gesellschaft, gehandelt. Zudem seien die betreffenden Flugzeuge auch nicht von B im entgeltlichen internationalen Flugverkehr im Sinne von § 70 Abs. 1 Nr. 6 AVL eingesetzt worden. Die getroffene Regelung habe lediglich dazu gedient, den Beförderungsbedarf von X, dem Hauptaktionär dieser Gesellschaften, zu decken. 19 A legte gegen diesen Beschluss Rechtsmittel beim Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) ein. Sie machte geltend, der Erwerb der Luftfahrzeuge müsse von der Mehrwertsteuer befreit werden, weil A sie erworben und ins Register habe eintragen lassen, um sie B zu überlassen, bei der es sich eindeutig um eine Luftfahrtgesellschaft handele, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätig sei. B sei nämlich entsprechend einer branchenüblichen Praxis von A gegen Zahlung eines Entgelts damit beauftragt worden, die Luftfahrzeuge stets flugbereit zu halten und ihre gewerbliche Nutzung auf der Grundlage spezieller Verträge zu fördern, während B tatsächlich Dritten Flugzeuge gegen Zahlung eines nach Flugstunden berechneten Entgelts angeboten habe. 20 Die andere Verfahrensbeteiligte räumt hingegen zwar ein, dass B als eine im entgeltlichen internationalen Flugverkehr tätige Luftfahrtgesellschaft anzusehen sei, auch wenn X die einzige entgeltlich beförderte Person sei; sie ist jedoch der Ansicht, dass die streitigen Erwerbe nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden könnten, da A die internationalen Flüge nicht selbst durchgeführt habe, sondern die Flugzeuge von Frankreich nach Finnland habe liefern lassen und sie B unentgeltlich zur Nutzung überlassen habe. 21 In diesem Kontext hat der Korkein hallinto-oikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, auch Geschäftsfluggesellschaften fallen, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Charterflugverkehr für den Bedarf von Unternehmen und Privatpersonen tätig sind? 2. Ist Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die darin vorgesehene Befreiung nur für Lieferungen von Luftfahrzeugen gilt, die unmittelbar an Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, bewirkt werden, oder gilt diese Befreiung auch für die Lieferung von Luftfahrzeugen an Wirtschaftsteilnehmer, die nicht selbst im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, aber ein Luftfahrzeug einem in diesem Bereich tätigen Wirtschaftsteilnehmer zur Nutzung überlassen? 3. Ist es für die Beantwortung der zweiten Frage von Bedeutung, dass die Eigentümerin der Luftfahrzeuge die Rechnung für die Benutzung der Luftfahrzeuge an eine Privatperson weitergibt, die Anteilseigner der Eigentümerin ist und die erworbenen Luftfahrzeuge hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wenn man berücksichtigt, dass die Fluggesellschaft die Luftfahrzeuge auch für andere Flüge einsetzen konnte? Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 22 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er allein den regelmäßigen Linienverkehr erfasst, oder dahin, dass er auch Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt. 23 Die Zweifel, die das vorlegende Gericht insoweit hat, sind offenbar auf gewisse Unterschiede zwischen den Sprachfassungen dieses Artikels zurückzuführen. In ihren Erklärungen weist A in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in einigen Sprachfassungen – wie der englischen oder der schwedischen – von „international routes“ oder „internationalen Linien“ die Rede sei und nicht von „internationalem Verkehr“, einem allgemeiner erscheinenden Ausdruck, der in den meisten anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift – u. a. in der finnischen – Verwendung finde. 24 Nach ständiger Rechtsprechung sind eventuelle Divergenzen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts bei deren Auslegung grundsätzlich zu berücksichtigen (vgl. u. a. Urteil vom 16. September 2004, Cimber Air, C-382/02, Slg. 2004, I-8379, Randnr. 38). 25 Vorliegend kann jedoch aus den in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils angeführten Nuancen in der Formulierung nicht der Schluss gezogen werden, dass der Unionsgesetzgeber die Absicht hatte, internationale Charterflüge vom Anwendungsbereich der durch Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen. 26 Beschränkt man sich zunächst auf den Wortlaut, so ist festzustellen, dass sich für die in einigen Sprachfassungen enthaltenen Bezeichnungen wie „international routes“ oder „internationale Linien“ nirgendwo in der Sechsten Richtlinie eine Definition findet und dass diese Bezeichnungen – worauf die Europäische Kommission und die finnische Regierung hingewiesen haben – mit keiner Klarstellung einhergehen, die darauf hindeuten würde, dass die betreffenden Flüge „regelmäßigen“ Charakter haben müssen. Unter diesen Umständen können die betreffenden Bezeichnungen – ebenso wie der in den übrigen Sprachfassungen verwendete Ausdruck „internationaler Verkehr“ – so verstanden werden, dass es sich dabei im Wesentlichen um Flüge handeln muss, die mittels eines Luftfahrzeugs zwischen zwei geografischen Punkten durchgeführt werden, die der betreffenden Beförderung eher internationalen als innerstaatlichen Charakter verleihen. Wie der Gerichtshof bereits hervorgehoben hat, bezieht sich Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen auf Luftfahrtgesellschaften, deren Tätigkeit hauptsächlich international ist (Urteil Cimber Air, Randnrn. 27 und 28). 27 Im Übrigen sind nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts wie der hier in Rede stehenden nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 26. Juni 1990, Velker International Oil Company, C-185/89, Slg. 1990, I-2561, Randnr. 17, und vom 22. Dezember 2010, Feltgen und Bacino Charter Company, C-116/10, Slg. 2010, I-14187, Randnr. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung). 28 Weder aufgrund des Zusammenhangs, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, noch aufgrund des Zwecks dieser Vorschrift ist es aber geboten, Luftfahrzeuge, die von Gesellschaften genutzt werden, die hauptsächlich internationale Charterflüge durchführen, vom Anwendungsbereich der mit dieser Vorschrift geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen. 29 Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, die Lieferung von Luftfahrzeugen von der Steuer zu befreien, wenn sie hauptsächlich für den internationalen Verkehr verwendet werden sollen, d. h. im Rahmen von Flügen, die den Luftraum mehrerer Staaten sowie gegebenenfalls den internationalen Luftraum berühren. 30 In Anbetracht eines solchen Ziels erscheint es nicht geboten, danach zu unterscheiden, ob die grenzüberschreitende Beförderung mit Luftfahrzeugen im Linien- oder im Charterverkehr erfolgt. 31 Hinsichtlich des Zusammenhangs, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, ist daran zu erinnern, dass die Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, die im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind (vgl. u. a. Urteil Cimber Air, Randnr. 23, und Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicon, C-97/06, Slg. 2007, I-8755, Randnr. 20). 32 Dieses System beruht insbesondere auf dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der es nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. u. a. Urteile Cimber Air, Randnr. 24, und Navicon, Randnr. 21). Hierbei muss es sich nicht um identische Umsätze handeln. Denn nach ständiger Rechtsprechung verbietet es der genannte Grundsatz, gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. u. a. Urteil vom 28. Juni 2007, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, C-363/05, Slg. 2007, I-5517, Randnr. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). 33 Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität schließt die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen ein, die sich aus einer unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer ergeben. Die Wettbewerbsverzerrung ist daher nachgewiesen, wenn feststeht, dass Dienstleistungen miteinander in Wettbewerb stehen und hinsichtlich der Mehrwertsteuer ungleich behandelt werden (vgl. Urteil JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust und The Association of Investment Trust Companies, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). 34 Beförderungsdienstleistungen, die von Wirtschaftsteilnehmern angeboten werden, die hauptsächlich internationale Flüge durchführen, sind – unabhängig davon, ob es sich um Linien- und/oder Charterflüge handelt – gleichartig und stehen offensichtlich miteinander in Wettbewerb, so dass eine Ungleichbehandlung in Bezug auf die Mehrwertsteuerbefreiung bei Lieferungen von Luftfahrzeugen, die davon abhinge, ob der Wirtschaftsteilnehmer hauptsächlich im internationalen Linienflugverkehr oder hauptsächlich im internationalen Charterflugverkehr tätig ist, die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern hervorrufen würde. 35 In Anbetracht dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er auch internationale Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt. Zur zweiten Frage 36 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Befreiung für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt. 37 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in der finnischen Sprachfassung von Art. 15 Nr. 6 von der Lieferung von Luftfahrzeugen „an“ Luftfahrtgesellschaften, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind, die Rede ist. 38 In den meisten anderen Sprachfassungen dieser Vorschrift ist jedoch von der Lieferung von Luftfahrzeugen die Rede, die „von“ solchen Gesellschaften verwendet werden. 39 Wie bereits in Randnr. 24 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind bei der Auslegung dieser Vorschrift grundsätzlich die herausgearbeiteten sprachlichen Unterschiede zu berücksichtigen. 40 Sodann ist festzustellen, dass der Wortlaut der meisten Sprachfassungen von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, in denen der Schwerpunkt nicht auf die Person des Empfängers der Lieferung oder des Eigentümers des Luftfahrzeugs gelegt wird, sondern darauf, dass die Luftfahrzeuge, die Gegenstand der Lieferung sind, „von“ einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Luftfahrtgesellschaft verwendet werden müssen, als solcher nicht dazu führt, Lieferungen von Luftfahrzeugen an einen Wirtschaftsteilnehmer, der sie ausschließlich zum Zweck ihrer Verwendung durch eine solche Gesellschaft – z. B. im Rahmen eines Leasinggeschäfts – erwirbt, von der mit der genannten Bestimmung geschaffenen Steuerbefreiung auszunehmen. 41 Schließlich sind – wie bereits in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt – bei der Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie nicht nur der Wortlaut dieser Vorschrift, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele, die sie verfolgt, zu berücksichtigen. 42 Was erstens das verfolgte Ziel betrifft, ist in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils bereits darauf hingewiesen worden, dass es darin besteht, die Lieferung von Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer zu befreien, sofern sie hauptsächlich dazu bestimmt sind, für die internationale Beförderung verwendet zu werden, d. h. im Rahmen von Flügen, die den Luftraum mehrerer Staaten sowie gegebenenfalls den internationalen Luftraum berühren. 43 Ein derartiges Ziel führt zu einer Auslegung von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, wonach die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung bei der Lieferung eines Luftfahrzeugs zur Voraussetzung hat, dass das betreffende Luftfahrzeug von einer Gesellschaft verwendet werden soll, deren Tätigkeiten in der Hauptsache im entgeltlichen internationalen Verkehr stattfinden, ohne dass es auf die Person des eigentlichen Erwerbers ankommt. 44 Hinsichtlich des letztgenannten Gesichtspunkts ist im Gegenteil zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung des Erwerbers eines Luftfahrzeugs, auf dessen Erwerb Mehrwertsteuer zu entrichten, obwohl er nur zu dem Zweck stattfindet, dass das Luftfahrzeug von einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätigen Gesellschaft verwendet wird, insbesondere eine Erhöhung des von der letztgenannten Gesellschaft für die Möglichkeit der Nutzung des Luftfahrzeuges zu zahlenden Preises nach sich ziehen und insofern dem erwähnten Ziel schaden könnte. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs, der auf dessen Kaufpreis Mehrwertsteuer entrichten muss, die durch das Erfordernis der Entrichtung von Mehrwertsteuer entstehenden Kosten im Allgemeinen ganz oder teilweise auf die Gesellschaft abwälzen wird, die das Luftfahrzeug verwendet. 45 In einem solchen Fall ändert nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, auch der Umstand, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Mehrwertsteuer gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt unter den in der Sechsten Richtlinie festgelegten Voraussetzungen abziehen oder erstattet bekommen kann, nichts daran, dass er zwischenzeitlich die Finanzierungskosten für den Liquiditätsabfluss infolge der Entrichtung der Mehrwertsteuer tragen muss, deren Betrag im konkreten Fall besonders hoch ausfallen kann. 46 Folglich treffen die fehlende Befreiung von der Mehrwertsteuer auf die Lieferung des Luftfahrzeugs und die Entrichtung dieser Steuer durch den Erwerber im dargelegten Umfang mittelbar die Gesellschaft, die das Luftfahrzeug verwendet. 47 Zweitens ist zu dem Zusammenhang, in dem Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie steht, in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils bereits darauf hingewiesen worden, dass die durch diese Vorschrift geschaffenen Steuerbefreiungen autonome Begriffe des Unionsrechts darstellen, die im Gesamtzusammenhang des mit der Sechsten Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind. 48 Dieses System beruht insbesondere auf zwei Grundsätzen. Zum einen wird die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt. Zum anderen steht der Grundsatz der steuerlichen Neutralität – wie in den Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt – insbesondere einer unterschiedlichen mehrwertsteuerlichen Behandlung gleichartiger Tätigkeiten, die folglich miteinander in Wettbewerb stehen, entgegen. 49 Zwar müssen die in Art. 15 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung in Anbetracht dieser Grundsätze eng ausgelegt werden, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass die Mehrwertsteuer auf jede Dienstleistung und jede Lieferung von Gegenständen erhoben wird, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt (vgl. u. a. Urteile Velker International Oil Company, Randnr. 19, Cimber Air, Randnr. 25, vom 14. September 2006, Elmeka, C-181/04 bis C-183/04, Slg. 2006, I-8167, Randnr. 15, Navicon, Randnr. 22, sowie Feltgen und Bacino Charter Company, Randnr. 19); diese Regel einer engen Auslegung bedeutet aber nicht, dass die zur Definition dieser Steuerbefreiungen verwendeten Begriffe in einer Weise auszulegen sind, die den Befreiungen ihre praktische Wirkung nähme (vgl. u. a. Urteil Navicon, Randnr. 22). 50 Vorliegend soll – wie bereits ausgeführt – durch Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, wie sich aus seinem Wortlaut im Licht der mit ihm verfolgten Ziele ergibt, zum einen der Erwerb von Luftfahrzeugen von der Mehrwertsteuer befreit werden, wenn sie dazu bestimmt sind, von einer Gesellschaft verwendet zu werden, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig ist. 51 Zum anderen ist nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich, dass die Auslegung, wonach die in Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung auch auf die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer anzuwenden ist, der nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das Luftfahrzeug allein zum Zweck seiner Verwendung durch eine solche Gesellschaft erwirbt, den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beeinträchtigen könnte. 52 Dagegen lässt sich – wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – nicht von vornherein ausschließen, dass die gegenteilige Auslegung unter bestimmten Umständen zu einer solchen Beeinträchtigung führen könnte. 53 Im Übrigen könnte zwar der Eindruck entstehen, dass die in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung in gewissem Umfang von der Auslegung der in Art. 15 Nrn. 4 und 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen der Umsätze im Zusammenhang mit der Versorgung von Seeschiffen und der für deren unmittelbaren Bedarf bestimmten Dienstleistungen durch den Gerichtshof (vgl. Urteile Velker International Oil Company, Randnrn. 21 und 22, und Elmeka, Randnrn. 22 und 24) abweicht, doch ist hierzu festzustellen, dass eine Übertragung der in den genannten Urteilen gewählten Lösung auf die Auslegung von Art 15 Nr. 6 nicht geboten ist. 54 Wie sich nämlich insbesondere aus den Randnrn. 23 bis 25 des Urteils Elmeka ergibt, hat der Gerichtshof in den erwähnten Urteilen eine Erstreckung der in Art. 15 Nrn. 4 und 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung auf die Stufen vor der Handelsstufe, auf der die abschließende Lieferung von Gegenständen oder die abschließende Erbringung von Dienstleistungen unmittelbar an den Betreiber des Schiffes erfolgt, namentlich aufgrund der Erwägung abgelehnt, dass eine solche Erstreckung von den Staaten verlangt hätte, Kontroll- und Überwachungsmechanismen einzuführen, um sich der endgültigen Bestimmung der fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen zu vergewissern. Solche Mechanismen hätten für diese Staaten und für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer Zwänge geschaffen, die mit der von Art. 15 Satz 1 der Sechsten Richtlinie geforderten „korrekten und einfachen Anwendung der … Befreiungen“ unvereinbar wären (vgl. auch Urteil Velker International Oil Company, Randnr. 24). 55 Solche Erwägungen lassen sich jedoch – wie der Generalanwalt in den Nrn. 44 bis 46 seiner Schlussanträge festgestellt hat – nicht auf die Befreiung der Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer übertragen, das dieser ausschließlich zur Verwendung durch eine hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätige Gesellschaft bestimmt hat. 56 Da in einem derartigen Fall die Steuerbefreiung davon abhängt, dass die fragliche Bestimmung ab dem Zeitpunkt des Erwerbs des Luftfahrzeugs bekannt und ordnungsgemäß belegt ist und dass die tatsächliche Verwendung des betreffenden Luftfahrzeugs durch eine solche Gesellschaft anschließend überprüft wird, können sich nämlich in Anbetracht der Art des hier in Rede stehenden Gegenstands und insbesondere der Registrierungs- und Zulassungsverfahren, denen seine Nutzung unterliegt, für die Staaten und die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer keine Zwänge ergeben, die mit der von der Sechsten Richtlinie geforderten korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen unvereinbar wären. 57 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Befreiung auch für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt. Zur dritten Frage 58 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Antwort auf die zweite Frage durch den Umstand beeinflusst werden kann, dass der Wirtschaftsteilnehmer, der das Luftfahrzeug erworben hat, die Kosten für dessen Verwendung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wenn berücksichtigt wird, dass die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, das Luftfahrzeug für andere Flüge einzusetzen. 59 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach der Antwort auf die zweite Frage das einzige Kriterium, anhand dessen sich bestimmen lässt, ob die in Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung anwendbar ist, in der Feststellung besteht, dass das betreffende Luftfahrzeug von einer hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Luftverkehr tätigen Luftfahrtgesellschaft verwendet wird, wobei dies vom nationalen Gericht zu prüfen ist. 60 In diesem Rahmen sind die vom vorlegenden Gericht in seiner dritten Frage erwähnten Umstände folglich für die Beantwortung der zweiten Frage von vornherein unerheblich, sofern der Erwerber nachweisen kann, dass das genannte Kriterium erfüllt ist. 61 Gelangt das nationale Gericht hingegen im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände des Ausgangsverfahrens zu der Ansicht, dass die Luftfahrzeuge nicht dazu bestimmt sind, von der Luftfahrtgesellschaft im internationalen Verkehr wirtschaftlich genutzt zu werden, könnte Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie keine Anwendung finden. 62 Zudem kann – wie insbesondere die finnische Regierung in ihren Erklärungen hervorgehoben hat – nach ständiger Rechtsprechung die Anwendung des Unionsrechts nicht so weit gehen, dass missbräuchliche Praktiken von Wirtschaftsteilnehmern, d. h. Umsätze, die nicht im Rahmen normaler Handelsgeschäfte, sondern nur zu dem Zweck getätigt werden, missbräuchlich in den Genuss im Unionsrecht vorgesehener Vorteile zu kommen, gedeckt werden, und ein solches grundsätzliches Verbot missbräuchlicher Praktiken gilt auch für den Bereich der Mehrwertsteuer (vgl. u. a. Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnrn. 69 und 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). 63 Nach diesem Grundsatz sind somit rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen verboten, die allein zu dem Zweck erfolgen, einen Steuervorteil zu erhalten (Urteil vom 22. Mai 2008, Ampliscientifica und Amplifin, C-162/07, Slg. 2008, I-4019, Randnr. 28). 64 Daher kann im Rahmen der Auslegung der Sechsten Richtlinie vom Vorliegen einer missbräuchlichen Praxis ausgegangen werden, wenn zum einen die fraglichen Umsätze trotz formaler Anwendung der Voraussetzungen der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und des zu ihrer Umsetzung ergangenen nationalen Rechts zur Erlangung eines Steuervorteils führen, dessen Gewährung dem mit diesen Bestimmungen verfolgten Ziel zuwiderliefe, und zum anderen aufgrund einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ersichtlich ist, dass das wesentliche Ziel der fraglichen Umsätze in der Erlangung eines solchen Steuervorteils besteht (vgl. Urteil Halifax u. a., Randnrn. 74 und 75, und Urteil vom 21. Februar 2008, Part Service, C-425/06, Slg. 2008, I-897, Randnr. 42). 65 Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand der Beweisregeln des nationalen Rechts – soweit dadurch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird – zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im Ausgangsverfahren möglicherweise erfüllt sind (vgl. Urteil Halifax u. a., Randnr. 76). 66 Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die vom vorlegenden Gericht genannten Umstände – die Tatsache, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Kosten für dessen Benutzung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wobei die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, es für andere Flüge einzusetzen – nicht geeignet sind, die Antwort auf die zweite Frage zu ändern. Kosten 67 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: 1. Der Begriff „entgeltlicher internationaler Verkehr“ im Sinne von Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er auch internationale Charterflüge zur Befriedigung der Nachfrage von Unternehmen oder Privatpersonen einschließt. 2. Art. 15 Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der durch die Richtlinie 92/111 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Befreiung auch für die Lieferung eines Luftfahrzeugs an einen Wirtschaftsteilnehmer gilt, der selbst nicht zu den „Luftfahrtgesellschaften …, die hauptsächlich im entgeltlichen internationalen Verkehr tätig sind“, im Sinne dieser Vorschrift gehört, sondern das betreffende Luftfahrzeug zum Zweck der ausschließlichen Nutzung durch eine solche Gesellschaft erwirbt. 3. Die vom vorlegenden Gericht genannten Umstände – die Tatsache, dass der Erwerber des Luftfahrzeugs die Kosten für dessen Benutzung auf eine Privatperson abwälzt, die sein Anteilseigner ist und die dieses Luftfahrzeug hauptsächlich für ihre eigenen geschäftlichen und/oder privaten Zwecke nutzt, wobei die Luftfahrtgesellschaft auch die Möglichkeit hat, es für andere Flüge einzusetzen – sind nicht geeignet, die Antwort auf die zweite Frage zu ändern. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Finnisch.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 19. Juli 2012.#Lietuvos geležinkeliai AB gegen Vilniaus teritorinė muitinė, Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos.#Vorabentscheidungsersuchen des Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos vyriausybės.#Zollfreie und von der Mehrwertsteuer befreite Einfuhr von Waren – Treibstoff in den Hauptbehältern von Landkraftfahrzeugen – Begriff ‚Straßenkraftfahrzeug‘ – Lokomotiven – Straßentransport und Eisenbahntransport – Grundsatz der Gleichbehandlung – Grundsatz der Neutralität.#Rechtssache C‑250/11.
62011CJ0250
ECLI:EU:C:2012:496
2012-07-19T00:00:00
Bot, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0250 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer) 19. Juli 2012 (*1) „Zollfreie und von der Mehrwertsteuer befreite Einfuhr von Waren — Treibstoff in den Hauptbehältern von Landkraftfahrzeugen — Begriff ‚Straßenkraftfahrzeug‘ — Lokomotiven — Straßentransport und Eisenbahntransport — Grundsatz der Gleichbehandlung — Grundsatz der Neutralität“ In der Rechtssache C-250/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos Vyriausybės (Litauen) mit Entscheidung vom 17. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Mai 2011, in dem Verfahren Lietuvos geležinkeliai AB gegen Vilniaus teritorinė muitinė, Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos erlässt DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richterin A. Prechal, des Richters K. Schiemann (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2012, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Lietuvos geležinkeliai AB, vertreten durch J. Sakalauskas und K. Švirinas, advokatai, — des Vilniaus teritorinė muitinė, vertreten durch L. Markevičienė als Bevollmächtigte, — der Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos, vertreten durch A. Šipavičius als Bevollmächtigten, — der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und D. Stepanienė als Bevollmächtigte, — der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papadaki und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und C. Soulay als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von — Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1315/88 des Rates vom 3. Mai 1988 (ABl. L 123, S. 2) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 918/83); — Art. 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 324, S. 23); — Art. 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181/EWG des Rates vom 28. März 1983 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d) der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen (ABl. L 105, S. 38) in der durch die Richtlinie 88/331/EWG des Rates vom 13. Juni 1988 (ABl. L 151, S. 79) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 83/181) und — Art. 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132/EG des Rates vom 19. Oktober 2009 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 143 Buchstaben b und c der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen (ABl. L 292, S. 5). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lietuvos geležinkeliai AB (litauische Eisenbahnaktiengesellschaft, im Folgenden: LG) und dem Vilniaus teritorinė muitinė (Zollamt Vilnius) über die Nacherhebung von Verbrauch- und Mehrwertsteuern sowie ein Bußgeld, die das Zollamt gegenüber LG festgesetzt hat. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Art. 112 der Verordnung Nr. 918/83 gehört zu deren Titel XXVII („Treib- und Schmierstoffe in Straßenkraftfahrzeugen und Spezialcontainern“). 4 Nach Art. 112 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung ist Treibstoff, der in den Hauptbehältern von in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Personenkraftfahrzeugen, Nutzfahrzeugen und Krafträdern enthalten ist, von den Eingangsabgaben befreit. 5 Nach Art. 112 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung wird der Begriff „Nutzfahrzeuge“ wie folgt definiert: „Straßenkraftfahrzeuge (einschließlich Zugmaschinen mit oder ohne Anhänger), die nach Bauart und Ausrüstung geeignet sind zur entgeltlichen oder unentgeltlichen Beförderung von — mehr als neun Personen einschließlich des Fahrers, — Waren, sowie alle besonderen Straßenfahrzeuge für andere als Beförderungszwecke im eigentlichen Sinne.“ 6 Gemäß der Definition in der bulgarischen, der spanischen, der tschechischen, der deutschen, der estnischen, der griechischen, der englischen, der französischen, der italienischen, der lettischen, der litauischen, der ungarischen, der maltesischen, der polnischen, der portugiesischen, der rumänischen, der slowakischen, der slowenischen und der finnischen Fassung von Art. 112 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung wird das fragliche Fahrzeug als „Straßenfahrzeug“ eingestuft, während in der bulgarischen, der dänischen, der niederländischen und der schwedischen Fassung eine solche Einstufung fehlt. 7 Art. 113 der Verordnung Nr. 918/83 ermächtigt die Mitgliedstaaten, die Befreiung von den Eingangsabgaben für Treibstoff in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen auf 200 Liter je Fahrzeug und Reise zu beschränken. 8 Die Verordnung Nr. 918/83 wurde durch die Verordnung Nr. 1186/2009 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 aufgehoben. Art. 107 Abs. 1 Buchst. a und 2 Buchst. a sowie Art. 108 der Verordnung Nr. 1186/2009 haben Art. 112 Abs. 1 Buchst. a und 2 Buchst. a sowie Art. 113 der Verordnung Nr. 918/83 jedoch wortgleich oder, was einige Sprachfassungen betrifft, im Wesentlichen gleichlautend übernommen. 9 Art. 82 der Richtlinie 83/181 gehört zu Kapitel VI („Treib- und Schmierstoffe in Straßenkraftfahrzeugen und Spezialcontainern“). 10 Art. 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 bestimmt im Wesentlichen wortgleich mit Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, dass Treibstoff in den Hauptbehältern von u. a. Nutzfahrzeugen von der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr befreit ist. 11 Art. 82 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 83/181 enthält eine Definition des Begriffs Nutzfahrzeug, die in allen Sprachfassungen mit Ausnahme der rumänischen und der schwedischen Fassung mit der Definition in Art. 112 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie Nr. 918/83 wörtlich oder im Wesentlichen übereinstimmt. 12 Gemäß der Definition in der bulgarischen, der spanischen, der tschechischen, der deutschen, der estnischen, der griechischen, der englischen, der französischen, der italienischen, der lettischen, der litauischen, der ungarischen, der maltesischen, der polnischen, der portugiesischen, der slowakischen, der slowenischen, der finnischen und der schwedischen Fassung von Art. 82 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 83/181 wird das fragliche Fahrzeug als „Straßenfahrzeug“ eingestuft, während in der bulgarischen, der dänischen, der niederländischen und der rumänischen Fassung eine solche Einstufung fehlt. 13 Art. 83 der Richtlinie 83/181 ermächtigt die Mitgliedstaaten, die Mehrwertsteuerbefreiung für Treibstoff in den Hauptbehältern von Nutzfahrzeugen auf 200 Liter je Fahrzeug und Reise zu beschränken. 14 Die Richtlinie 83/181 wurde durch die Richtlinie 2009/132 mit Wirkung vom 30. November 2009 aufgehoben. Art. 84 Abs. 1 Buchst. a und 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 hat Art. 82 Abs. 1 Buchst. a und 2 Buchst. a der Richtlinie 83/181 jedoch wortgleich oder, was einige Sprachfassungen betrifft, im Wesentlichen gleichlautend übernommen. Zudem enthält Art. 85 der Richtlinie 2009/132 Bestimmungen, die im Wesentlichen mit Art. 83 der Richtlinie 83/181 übereinstimmen. Litauisches Recht 15 Art. 40 („Sonderfälle der Befreiung eingeführter Waren von der Mehrwertsteuer“) des Gesetzes Nr. IX-751 der Republik Litauen über die Mehrwertsteuer (Lietuvos Respublikos pridėtinės vertės mokesčio įstatymas Nr. IX-751, Žin., 2002, Nr. 35-1271, 2002, Nr. 40, 2002, Nr. 46, 2002, Nr. 48) in der geänderten Fassung (Žin., 2004, Nr. 17-505) (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) sieht in Abs. 1 Nr. 21 vor, dass „Treib- und Schmierstoffe, die sich in Kraftfahrzeugen befinden und für den Betrieb dieser Fahrzeuge notwendig sind“, von der Einfuhrumsatzsteuer befreit sind. 16 Nach Nr. 18.1 des Regierungserlasses Nr. 438 vom 16. April 2004 betreffend die Befreiung eingeführter Waren von der Mehrwertsteuer (dėl importuojamų prekių neapmokestinimo pridėtinės vertės mokesčiu, Žin., 2004, Nr. 58-2048) ist Treibstoff gemäß Art. 40 Abs. 1 Nr. 21 des Mehrwertsteuergesetzes von der Einfuhrumsatzsteuer befreit, wenn „er in Nutz-Straßenkraftfahrzeugen für Personen und Waren, einschließlich Zugmaschinen und Lkw-Zugmaschinen, in fest angebrachten, in der technischen Dokumentation des Herstellers aufgeführten Treibstoffbehältern (einschließlich im Fahrzeug eingebauter Gaszylinder als Teil der Gasanlage) enthalten ist, aus denen er unmittelbar in eine fest angebrachte Treibstoffzuführungsanlage des Fahrzeugs gelangt oder für Kühlanlagen oder andere Anlagen verwendet wird“. 17 Art. 41 („Sonderfälle der Befreiung von Energieerzeugnissen von Verbrauchsteuern“) des Gesetzes Nr. IX-1987 der Republik Litauen über Verbrauchsteuern (Lietuvos Respublikos akcizų įstatymas, Žin., 2004, Nr. 26-802, im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) sieht in Abs. 1 Nr. 8 eine Verbrauchsteuerbefreiung vor für „in die Republik Litauen eingeführte Energieerzeugnisse, die in Fahrzeugen in fest angebrachten, in der technischen Dokumentation des Herstellers aufgeführten Motortreibstoff- oder -ölbehältern enthalten sind, aus denen dieser Treibstoff bzw. dieses Öl unmittelbar in die fest angebrachte Treibstoffzuführungsanlage bzw. ein Schmierstoffsystem des Fahrzeugs gelangt“. 18 Nach Art. 41 Abs. 2 des Verbrauchsteuergesetzes wird die Regelung über die Anwendung und Einschränkung der in Abs. 1 dieses Artikels genannten Befreiungstatbestände von der Regierung oder einer von dieser hierzu ermächtigten Stelle festgelegt. 19 Nach Nr. 12 der durch Regierungserlass Nr. 821 vom 4. Juni 2002 (Žin., 2002, Nr. 56-2264) gebilligten Durchführungsvorschriften für die Befreiungstatbestände u. a. in Art. 41 Abs. 1 Nrn. 3 bis 8 des Verbrauchsteuergesetzes werden Verbrauchsteuern auf nach Litauen eingeführte Energieerzeugnisse nicht erhoben, „wenn sie in Nutz-Straßenkraftfahrzeugen für Personen und Waren, einschließlich Zugmaschinen und Lkw-Zugmaschinen in fest angebrachten, in der technischen Dokumentation des Herstellers aufgeführten Treibstoffbehältern (einschließlich im Fahrzeug eingebauter Gaszylinder als Teil der Gasanlage) enthalten sind, aus denen sie unmittelbar in eine fest angebrachte Treibstoffzuführungsanlage des Fahrzeugs gelangen oder für Kühlanlagen oder andere Anlagen verwendet werden und wenn sie in demselben Fahrzeug verwendet werden, in dem sie eingeführt worden sind“. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen 20 Vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2010 erwarb LG regelmäßig auf den Bahnhöfen Nesterov und Sovetsk in der Enklave Kaliningrad (Russland) Dieselkraftstoff zur Betankung ihrer Lokomotiven. Der Treibstoff wurde in die Hauptbehälter der Lokomotiven gefüllt und dann in diesen Behältern ohne Zollanmeldung in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht. 21 Die litauischen Behörden hatten LG mitgeteilt, dass der von ihr in den Behältern der Lokomotiven aus einem Drittstaat eingeführte Treibstoff von den Eingangsabgaben befreit sei. In einem Schreiben vom 26. Februar 2002 hatte das Muitinės departamentas prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (Zollabteilung des Finanzministeriums der Republik Litauen) nämlich darauf hingewiesen, dass der Treibstoff in den Behältern der Lokomotiven, die die Grenze der Republik Litauen passierten, nicht getrennt angemeldet zu werden brauche, da er weder der Verbrauch- noch der Einfuhrumsatzsteuer unterliege. 22 Am 8. Juni 2007 ersuchte LG die Valstybinė mokesčių inspekcija prie Lietuvos Respublikos finansų ministerijos (Nationale Steuerinspektion des Finanzministeriums der Republik Litauen) zudem um Auskunft, ob nach dem Mehrwertsteuergesetz Lokomotiven mit Straßenkraftfahrzeugen gleichgestellt seien. In ihrer Antwort vom 27. Juni 2007 bestätigte die Behörde, dass Lokomotiven zu diesen Fahrzeugen gehörten. 23 In einem Schreiben vom 14. November 2008 an die Republik Litauen wies die Europäische Kommission darauf hin, dass Lokomotiven ihrer Ansicht nach nicht mit Straßenkraftfahrzeugen gleichgestellt werden könnten und die in den Art. 112 der Richtlinie Nr. 918/83 und 82 der Richtlinie 83/181 vorgesehenen Ermäßigungen und Befreiungen folglich nicht für den eingeführten Treibstoff in den Hauptbehältern von Lokomotiven gälten. 24 Mit Schreiben vom 20. November 2008 teilte das Finanzministerium LG mit, dass die Befreiungen von der Einfuhrumsatzsteuer gemäß dem Mehrwertsteuergesetz nicht auf Lokomotiven anwendbar seien. LG stellte daher die Betankung der Treibstoffbehälter ihrer Lokomotiven auf russischem Hoheitsgebiet ein. Mit Schreiben vom 27. November 2009 setzte das Ministerium LG davon in Kenntnis, dass seine Dienststellen die Beitreibung der Steuern veranlassen würden, die für den in den Hauptbehältern der Lokomotiven beförderten Treibstoff zu zahlen seien. 25 Das Vilniaus teritorinė muitinė führte sodann für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2010 eine Steuerprüfung durch, die den Treibstoff zum Gegenstand hatte, der in den Hauptbehältern der Lokomotiven in das Zollgebiet der Union verbracht worden war. Am 16. Dezember 2010 erließ es gegen LG den Nacherhebungsbescheid Nr. OVM320138M über 28860895 LTL für Verbrauch- und Einfuhrumsatzsteuern, Säumniszuschläge sowie ein Bußgeld wegen Nichtzahlung der Verbrauch- und Einfuhrumsatzsteuern. 26 Am 6. Januar 2011 legte LG gegen diesen Bescheid Einspruch bei der Zollabteilung des Finanzministeriums ein. Da diese Abteilung innerhalb der gesetzlichen Fristen keine Entscheidung getroffen hatte, reichte LG am 3. März 2011 beim vorlegenden Gericht eine Beschwerde ein, mit der sie die Aufhebung des Bescheids begehrte. 27 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich der Titel der Verordnung Nr. 918/83, der die einschlägigen Vorschriften enthalte, einfach auf Landkraftfahrzeuge [deutsche Sprachfassung aber: „Straßenkraftfahrzeuge“] beziehe und Lokomotiven zu dieser Kategorie gehörten. Es hat Zweifel, ob die Anwendung unterschiedlicher steuerlicher Regelungen auf verschiedene Arten von Landfahrzeugen zweckmäßig und rechtlich begründet sei. Es sei zu prüfen, ob sich eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Lokomotiven und Straßenfahrzeugen durch objektive Kriterien rechtfertigen lasse, wenn alle übrigen maßgeblichen Faktoren, nämlich der Fahrzeugzweck (im vorliegenden Fall gewerbliche Nutzung), die Einfuhr des Treibstoffs (in Hauptbehältern) und die Art seiner Verwendung (zum Antrieb des Fahrzeugs) die gleichen seien. 28 Aufgrund dieser Erwägungen hat die Mokestinių ginčų komisija prie Lietuvos Respublikos Vyriausybės (Kommission für Steuerstreitigkeiten bei der Regierung der Republik Litauen) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Ist die Befreiung von Eingangsabgaben nach den Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83 und 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009 dahin auszulegen, dass sie auf Kraftfahrzeuge Anwendung findet, die Lokomotiven sind? 2. Ist die Mehrwertsteuerbefreiung nach den Art. 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 dahin auszulegen, dass sie auf Kraftfahrzeuge Anwendung findet, die Lokomotiven sind? 3. Für den Fall der Bejahung der zweiten Frage: Sind Rechtsvorschriften wie diejenigen der Art. 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 dahin auszulegen, dass sie einem Mitgliedstaat verwehren, die Befreiungstatbestände für Einfuhrumsatzsteuer auf Treibstoff durch Bestimmungen zu beschränken, wonach eine solche Befreiung ausschließlich auf Treibstoff anwendbar ist, der in Hauptbehältern von automobilen Fahrzeugen in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführt wird und für den Betrieb dieser Fahrzeuge notwendig ist? Zu den Vorlagefragen 29 Mit der ersten und der zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009, 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 dahin auszulegen sind, dass sie auf Lokomotiven Anwendung finden. 30 Nach diesen Vorschriften ist u. a. der Treibstoff in den Hauptbehältern von „Nutzfahrzeugen“, die in das Hoheitsgebiet der Union verbracht werden, von den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer bei der Einfuhr befreit. 31 Der Begriff „Nutzfahrzeuge“ wird in den Art. 112 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, 107 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009, 82 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 als „Straßenkraftfahrzeuge“, die bestimmten besonderen Voraussetzungen entsprechen, definiert. Diese Voraussetzungen können sowohl von Lokomotiven als auch von anderen Landfahrzeugen erfüllt werden. 32 In diesem Punkt bestehen nach den Feststellungen in den Randnrn. 6, 8, 12 und 14 des vorliegenden Urteils Unterschiede in den verschiedenen Sprachfassungen der betreffenden Vorschriften. In der spanischen, der tschechischen, der deutschen, der estnischen, der griechischen, der englischen, der französischen, der italienischen, der lettischen, der litauischen, der ungarischen, der maltesischen, der polnischen, der portugiesischen, der slowakischen, der slowenischen und der finnischen Fassung wird das betreffende Fahrzeug ausdrücklich als „Straßenkraftfahrzeug“ eingestuft, während eine solche Einstufung in der bulgarischen, der dänischen, der niederländischen und der schwedischen Fassung fehlt. Diese Sprachfassungen verwenden einfach den Begriff „Kraftfahrzeug“. 33 In der rumänischen und in der schwedischen Fassung besteht in diesem Punkt ein Unterschied zwischen der Fassung der betreffenden Verordnungen und derjenigen der Richtlinien. Während sich in der rumänischen Fassung die Definition in den Verordnungen Nrn. 918/83 und 1186/2009 auf den Begriff „Straßenkraftfahrzeug“ bezieht, wird in der Definition in den Richtlinien 83/181 und 2009/132 der Begriff „Kraftfahrzeug“ verwendet. In der schwedischen Fassung bezieht sich umgekehrt die Definition in den Verordnungen Nrn. 918/83 und 1186/2009 auf den Begriff „Kraftfahrzeug“, während in der Definition in den Richtlinien 83/181 und 2009/132 der Begriff „Straßenkraftfahrzeug“ verwendet wird. 34 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die verschiedenen Sprachfassungen einer Unionsvorschrift einheitlich ausgelegt werden; falls die Fassungen voneinander abweichen, muss die Vorschrift anhand von Sinn und Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2004, Plato Plastik Robert Frank, C-341/01, Slg. 2004, I-4883, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 35 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Bereich der Mehrwertsteuer, die auch im Bereich des Zollrechts gilt, die Begriffe, mit denen Steuerbefreiungen bezeichnet sind, eng auszulegen sind, da diese Befreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Lieferung von Gegenständen und jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 2011, Skandinaviska Enskilda Banken, C-540/09, Slg. 2011, I-1509, Randnr. 20). 36 Zum Sinn und Zweck der betreffenden Vorschriften haben die litauische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die in diesen Vorschriften vorgesehene Befreiung von den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer zum einen für Privatpersonen das Überschreiten der Außengrenzen der Union vereinfachen und zum anderen die von den zuständigen Behörden durchzuführenden Zoll- und Steuerkontrollen erleichtern solle. Die systematische Prüfung des Tankinhalts sämtlicher Straßenfahrzeuge, die täglich in das Hoheitsgebiet der Union verbracht werden, wäre eine Aufgabe, die praktisch unmöglich und angesichts der Kosten und Nachteile für die Reisenden im Verhältnis zu den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer, die dadurch eingenommen werden könnten, jedenfalls unangemessen wäre. 37 Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass die genannten Vorschriften einen anderen Zweck verfolgten als den in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils genannten. Vielmehr wird dieser Zweck durch die den Mitgliedstaaten nach den Art. 113 der Verordnung Nr. 918/83, 108 der Verordnung Nr. 1186/2009, 83 der Richtlinie 83/181 und 85 der Richtlinie 2009/132 eingeräumte Möglichkeit bestätigt, die Anwendung der im Ausgangsverfahren streitigen Vorschriften auf 200 Liter Treibstoff je Fahrzeug und Reise zu beschränken. 38 Was dagegen Lokomotiven wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betrifft, ergibt sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten, dass zum einen ihre Behälter bis zu 7000 Liter fassen können. Nach Angaben der litauischen Regierung standen zum anderen LG 2008 nur 136 Lokomotiven mit Dieselmotor zur Verfügung, von denen lediglich ein Teil regelmäßig die Grenze zwischen der Republik Litauen und der Russischen Föderation überquerte. Nichts spricht dafür, dass die systematische Überprüfung der Behälter der Lokomotiven dieselben Nachteile aufweist, die in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils hinsichtlich der Straßenfahrzeuge genannt worden sind und die der Unionsgesetzgeber bei Erlass der betreffenden Vorschriften offensichtlich vermeiden wollte. 39 Folglich würde die Anwendung der in diesen Vorschriften vorgesehenen Befreiung von den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer auf Lokomotiven nicht dem Zweck entsprechen, den der Unionsgesetzgeber mit diesen Vorschriften verfolgt hat. 40 Allerdings ist eine Vorschrift des sekundären Unionsrechts möglichst so auszulegen, dass sie mit dem Vertrag und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist (vgl. u. a. Urteile vom 21. März 1991, Rauh, C-314/89, Slg. 1991, I-1647, Randnr. 17, und vom 1. April 2004, Borgmann, C-1/02, Slg. 2004, I-3219, Randnr. 30). 41 LG macht geltend, dass eine Auslegung der betreffenden Vorschriften in einer Weise, dass der Eisenbahnverkehr nicht in der gleichen Weise begünstigt werde wie der Straßenverkehr, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. 42 Der Eisenbahntransport stehe in unmittelbarem Wettbewerb zum Straßentransport und es gebe kein objektives Kriterium für eine steuerlich abweichende Behandlung der verschiedenen Arten von Landfahrzeugen. Im Steuerbereich könne ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung durch andere Arten der Diskriminierung zum Ausdruck kommen, die Wirtschaftsteilnehmer beträfen, die nicht zwangsläufig miteinander konkurrierten, aber sich trotzdem in einer in anderer Beziehung vergleichbaren Situation befänden (Urteil vom 10. April 2008, Marks & Spencer, C-309/06, Slg. 2008, I-2283, Randnr. 49). 43 Sowohl für den Fracht- als auch für den Personentransport stelle der Straßentransport eine Alternative zum Eisenbahntransport dar. Zudem seien diese Transportarten zumindest hinsichtlich der Verkehrslinien der Netze, der beförderten Frachtarten und ihres Ablaufs vergleichbar, da sie meist auf der Verwendung von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor beruhten, die sich mit gleicher Geschwindigkeit fortbewegten. 44 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C-344/04, Slg. 2006, I-403, Randnr. 95). 45 Zudem lässt es der Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt, nach gefestigter Rechtsprechung insbesondere nicht zu, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. u. a. Urteil vom 10. November 2011, Rank Group, C-259/10 und C-260/10, Slg. 2011, I-10947, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). 46 Der Gerichtshof hat jedoch in Randnr. 96 des Urteils IATA und ELFAA festgestellt, dass die einzelnen Beförderungsformen im Allgemeinen nicht austauschbar sind und die Lage der Unternehmen, die in den verschiedenen Beförderungssektoren tätig sind, daher nicht die gleiche ist. 47 Wie aus den Randnrn. 36 bis 38 des vorliegenden Urteils hervorgeht, befinden sich in Anbetracht des Zwecks, den der Unionsgesetzgeber mit Erlass dieser Vorschriften verfolgt hat, Lokomotiven nicht in der gleichen Lage wie Straßenfahrzeuge. 48 Daher folgt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine Verpflichtung, die betreffenden Vorschriften dahin auszulegen, dass sie auch auf Lokomotiven Anwendung finden. 49 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 918/83, 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1186/2009, 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181 und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132 dahin auszulegen sind, dass sie keine Anwendung auf Lokomotiven finden. 50 In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage braucht die dritte Frage nicht geprüft zu werden. Kosten 51 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: Die Art. 112 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1315/88 des Rates vom 3. Mai 1988 geänderten Fassung, 107 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 des Rates vom 16. November 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, 82 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 83/181/EWG des Rates vom 28. März 1983 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe d) der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen in der durch die Richtlinie 88/331/EWG des Rates vom 13. Juni 1988 geänderten Fassung und 84 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2009/132/EG des Rates vom 19. Oktober 2009 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 143 Buchstaben b und c der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen sind dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung auf Lokomotiven finden. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Litauisch.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 19. Juli 2012.#Ainārs Rēdlihs gegen Valsts ieņēmumu dienests.#Vorabentscheidungsersuchen des Augstākās tiesas Senāts.#Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Richtlinie 2006/112/EG – Begriff ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ – Holzlieferungen zur Abmilderung von Sturmschäden – System der Selbstveranlagung – Fehlende Eintragung im Register der Steuerpflichtigen – Geldbuße – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.#Rechtssache C‑263/11.
62011CJ0263
ECLI:EU:C:2012:497
2012-07-19T00:00:00
Sharpston, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0263 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer) 19. Juli 2012 (*1) „Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie — Richtlinie 2006/112/EG — Begriff ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ — Holzlieferungen zur Abmilderung von Sturmschäden — System der Selbstveranlagung — Fehlende Eintragung im Register der Steuerpflichtigen — Geldbuße — Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ In der Rechtssache C-263/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Augstākās tiesas Senāts (Lettland) mit Entscheidung vom 13. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 2011, in dem Verfahren Ainārs Rēdlihs gegen Valsts ieņēmumu dienests erlässt DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und C. G. Fernlund, Generalanwältin: E. Sharpston, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2012, unter Berücksichtigung der Erklärungen — des Valsts ieņēmumu dienests, vertreten durch N. Jezdakova, ģenerāldirektore, — der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und A. Nikolajeva als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Sauka und C. Soulay als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/98/EG des Rates vom 20. November 2006 (ABl. L 363, S. 129) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) sowie von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/138/EG des Rates vom 19. Dezember 2006 (ABl. L 384, S. 92) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Rēdlihs und dem Valsts ieņēmumu dienests (Lettische Finanzverwaltung, im Folgenden: VID) wegen fehlender Eintragung des Erstgenannten in das Register der Mehrwertsteuerpflichtigen. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Die Mehrwertsteuerrichtlinie hat gemäß ihren Art. 411 und 413 die Mehrwertsteuervorschriften der Union, insbesondere die Sechste Richtlinie, mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt. Nach den Erwägungsgründen 1 und 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie war eine Neufassung der Sechsten Richtlinie erforderlich, um die Bestimmungen zur Harmonisierung des Mehrwertsteuerrechts der Mitgliedstaaten im Rahmen einer umgestalteten Struktur und eines umgestalteten Wortlauts klar und wirtschaftlich darzustellen, wobei jedoch grundsätzlich keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen werden sollten. 4 Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie, der im Wesentlichen den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie aufgreift, „[unterliegen d]er Mehrwertsteuer … Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt“. 5 Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der im Wesentlichen den gleichen Wortlaut hat wie Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie, bestimmt: „Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“ 6 Art. 213 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie, der im Wesentlichen den Wortlaut von Art. 22 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie in seiner sich aus deren Art. 28h Abs. 1 ergebenden Fassung aufgreift, sieht u. a. vor, dass „[j]eder Steuerpflichtige … die Aufnahme, den Wechsel und die Beendigung seiner Tätigkeit als Steuerpflichtiger anzuzeigen [hat]“. 7 Gemäß dem einzigen Artikel der Entscheidung 2006/42/EG des Rates vom 24. Januar 2006 zur Ermächtigung Lettlands, die Anwendung einer von Artikel 21 der Sechsten Richtlinie 77/388 abweichenden Regelung zu verlängern (ABl. L 25, S. 31), wurde dieser Mitgliedstaat ermächtigt, vom 1. Mai 2005 bis 31. Dezember 2009 bei Umsätzen mit Holz weiterhin den Empfänger als Mehrwertsteuerschuldner zu bestimmen. Mit dem Durchführungsbeschluss des Rates vom 7. Dezember 2009 (ABl. L 347, S. 30) wurde Lettland ermächtigt, abweichend von Art. 193 der Mehrwertsteuerrichtlinie bis zum 31. Dezember 2012 bei Umsätzen mit Holz weiterhin den Empfänger als Mehrwertsteuerschuldner zu bestimmen. Lettisches Recht 8 Das Mehrwertsteuergesetz (Latvijas Vēstnesis Nr. 49 vom 30. März 1995) enthält die einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts in ihrer für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung. 9 Art. 1 Abs. 6 dieses Gesetzes lautet: „Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt jede planmäßige Tätigkeit, für die ein Entgelt gezahlt wird, mit Ausnahme der Zahlungen eines Unternehmers an einen Arbeitnehmer, gleich ob Lohnzahlungen oder sonstiges Entgelt, nach denen sich die Pflichtbeiträge zur sozialen Sicherheit sowie die Einkommensteuer bestimmen.“ 10 Art. 3 Abs. 3 und 5 dieses Gesetzes sieht vor: „(3)   Natürliche oder juristische Personen und aus solchen bestehende durch einen Vertrag oder eine Vereinbarung miteinander verbundene Gruppen oder deren Vertreter sind im vom [VID] geführten Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen. … (5)   Erreicht oder überschreitet der Gesamtwert der von einer natürlichen oder juristischen Person innerhalb der letzten zwölf Monate erbrachten steuerpflichtigen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen nicht den Betrag von 10000 LVL, so sind diese Personen, diese Gruppe oder ihre Vertreter berechtigt, von einer Anmeldung zu dem beim [VID] geführten Register der Mehrwertsteuerpflichtigen abzusehen. Dies gilt auch für die vom Staatshaushalt getragenen Einrichtungen. Wer von dem in diesem Absatz vorgesehenen Recht Gebrauch macht, ist verpflichtet, sich binnen dreißig Tagen ab dem Tag, an dem der vorgenannte Betrag erreicht oder überschritten ist, zu dem beim [VID] geführten Mehrwertsteuerregister anzumelden.“ 11 Art. 13.2 dieses Gesetzes bestimmt: „(1)   Bei den in Abs. 2 genannten Holzlieferungen zahlt, wenn sowohl der Lieferant als auch der Käufer beim [VID] als Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen sind, der Käufer die Mehrwertsteuer nach den vom Ministerkabinett vorgegebenen Modalitäten und unter Einhaltung folgender Voraussetzungen: 1. Die Geschäftsbeziehung zwischen dem Holzlieferanten und dem Käufer wird durch ein gemäß einem harmonisierten Muster erstelltes buchhalterisches Dokument – die Rechnung für den Holztransport – verbrieft, wobei die Nutzungs-, Vorlage- und Zahlungsmodalitäten vom Ministerkabinett bestimmt werden. 2. Der Steuerpflichtige zieht vom zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag als Vorsteuer für das gekaufte Holz nur den auf der Transportrechnung ausgewiesenen Betrag ab, wenn das gesamte im betreffenden Steuerjahr gekaufte Holz für die Ausübung seiner steuerpflichtigen Tätigkeit bestimmt war. In diesem Fall fällt auf das gekaufte Holz keine Mehrwertsteuer an. …“ 12 Art. 35 Abs. 3 des Gesetzes bestimmt: „Wer sich gemäß Art. 3 dieses Gesetzes nicht als Steuerpflichtiger beim [VID] angemeldet hat, aber dennoch steuerpflichtige Umsätze bewirkt, schuldet die Steuer von dem Tage an, an dem er sich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes hätte anmelden müssen, ohne dass er zum Abzug der Vorsteuer berechtigt ist. Nimmt der Betreffende steuerpflichtige Holzlieferungen vor, wird gegen ihn mit Wirkung von dem Tage an, an dem er sich nach diesem Gesetz hätte anmelden müssen, eine Geldbuße in Höhe von 18 % des Wertes der Holzlieferung verhängt.“ Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen 13 Bei einer Prüfung durch den VID wurde festgestellt, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens im April 2005 zwölf Holzlieferungen und in einem Zeitraum von Mai 2005 bis Dezember 2006 25 gleichartige Lieferungen durchgeführt hatte. Außerdem wurde festgestellt, dass er sich nicht im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen hatte eintragen lassen und beim VID keine wirtschaftliche Tätigkeit angemeldet hatte. 14 Mit Bescheid vom 21. Juni 2007 ahndete der VID u. a. die fehlende Eintragung und verhängte gegen Herrn Rēdlihs nach Art. 35 Abs. 3 des Mehrwertsteuergesetzes eine Geldbuße in Höhe von 11363,20 LVL, nämlich 18 % des Wertes der fraglichen Lieferungen, was dem seinerzeit geltenden Mehrwertsteuersatz entsprach. 15 Herr Rēdlihs erhob Klage auf Aufhebung dieses Bescheids. Er machte geltend, dass die von ihm vorgenommenen Holzlieferungen nicht als eine wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen seien, da sie weder planmäßig noch selbständig durchgeführt worden seien. Die Lieferungen hätten Ausnahmecharakter, da sie nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern mit dem Ziel getätigt worden seien, Sturmschäden abzumildern, so dass ein Fall höherer Gewalt vorliege. In einem Bericht des Forstamtes sei bestätigt worden, dass es sich um einen Jungwald gehandelt habe, dessen Bäume noch nicht geschlagen werden dürften. Zudem sei es infolge des Sturms nicht möglich gewesen, alle umgestürzten Bäume auf einmal zu verkaufen. 16 Hilfsweise trug er vor, dass er den fraglichen Wald zur Deckung des persönlichen Bedarfs erworben habe und dass die Veräußerung von aus diesem Wald stammendem Holz daher nicht mehrwertsteuerpflichtig sei. 17 Ferner sei die gegen ihn verhängte Geldbuße unverhältnismäßig hoch, da nach Art. 13.2 des Mehrwertsteuergesetzes selbst bei der Annahme, es habe sich bei den fraglichen Lieferungen um eine wirtschaftliche Tätigkeit gehandelt, nicht der Lieferant, sondern der Erwerber Mehrwertsteuerschuldner sei. 18 Die Klage wurde zunächst vom Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht) und dann vom Administratīvā apgabaltiesa (Oberverwaltungsgericht) abgewiesen. Die beiden mit der Klage befassten Gerichte führten aus, dass nach Art. 1 Abs. 6 des Mehrwertsteuergesetzes jede selbständige, planmäßige und entgeltliche Betätigung als „wirtschaftliche Tätigkeit“ gelte. Die fraglichen Lieferungen seien daher als im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht anzusehen, da sie mit Gewinnerzielungsabsicht im Namen und auf Rechnung des Klägers des Ausgangsverfahrens erfolgt seien, sich im Zeitraum zwischen April 2005 und Dezember 2006 wiederholt und keinen Ausnahmecharakter gehabt hätten. Unerheblich sei, dass das Holz zur Abmilderung von Sturmschäden verkauft worden sei. Für eine Herabsetzung der Geldbuße gebe es keine Rechtsgrundlage. 19 Der Kläger des Ausgangsverfahrens legte gegen das Urteil des Administratīvā apgabaltiesa Kassationsbeschwerde ein. 20 Unter diesen Umständen hat der Augstākās tiesas Senāts (Senat des Obersten Gerichtshofs) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Ist eine natürliche Person, die Gegenstände (einen Wald) für ihren persönlichen Bedarf erworben hat und Lieferungen von Gegenständen zur Abmilderung der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt (z. B. eines Sturms) tätigt, ein Steuerpflichtiger im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 und Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie, der Mehrwertsteuer zu entrichten hat? Mit anderen Worten, ist eine derartige Lieferung von Gegenständen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschriften des Rechts der Europäischen Union? 2. Ist eine Vorschrift, wonach einer Person wegen Nichtanmeldung zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eine Geldbuße in Höhe der nach Maßgabe des Wertes der gelieferten Gegenstände normalerweise geschuldeten Steuerschuld auferlegt werden kann, obwohl diese Person keine Steuer hätte entrichten müssen, wenn sie sich zu dem Register angemeldet hätte, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar? Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage 21 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die Holzlieferungen, die eine natürliche Person durchgeführt hat, um die Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt abzumildern, als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind. 22 Wie aus dem Wortlaut der ersten Vorlagefrage hervorgeht, betrifft sie die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen sowohl der Sechsten Richtlinie als auch der Mehrwertsteuerrichtlinie. Zur Beantwortung der Vorlagefragen braucht allerdings nicht zwischen den Bestimmungen dieser beiden Richtlinien unterschieden zu werden, da diese einen im Wesentlichen gleichen Inhalt haben, soweit es um die Auslegung geht, die der Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen vorzunehmen hat. 23 Wie in den Randnrn. 3 und 5 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, stimmt der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen mit dem des Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie überein. Außerdem ergibt sich aus den Erwägungsgründen 1 und 3 der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass diese grundsätzlich keine inhaltlichen Änderungen an der Sechsten Richtlinie vornehmen sollte. 24 In der Sache ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie genauso wie die Sechste Richtlinie der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zuerkennt, indem sie in Art. 2, der die steuerbaren Umsätze betrifft, außer der Einfuhr von Gegenständen auch Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen erfasst, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt (vgl. Urteil vom 10. Juni 2010, Future Health Technologies, C-86/09, Slg. 2010, I-5215, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). 25 Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt als „Steuerpflichtiger“, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt. 26 Erstens ist festzustellen, dass gemäß Art. 10 der Mehrwertsteuerrichtlinie die selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung ausschließt, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft. 27 Dies ist im Ausgangsverfahren aber nicht der Fall, da die fraglichen Lieferungen im Namen und auf Rechnung des Klägers des Ausgangsverfahrens erfolgt sind. Auch ist festzustellen, dass entgegen seinem Vorbringen vor den mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichten die Tatsache, dass die fraglichen Lieferungen durchgeführt wurden, um die Auswirkungen eines mutmaßlichen Ereignisses höherer Gewalt abzumildern, keineswegs bedeutet, dass diese Lieferungen nicht selbständig erfolgt seien. 28 Zweitens hat der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie nach ständiger Rechtsprechung einen objektiven Charakter, da die Tätigkeit an sich, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, betrachtet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2006, University of Huddersfield, C-223/03, Slg. 2006, I-1751, Randnrn. 47 und 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 29 Folglich wirkt sich die Tatsache, dass Lieferungen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden durchgeführt wurden, um die Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt abzumildern, da dieser Umstand somit den Zweck der getätigten Umsätze betrifft, nicht auf die Frage aus, ob diese Lieferungen als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu beurteilen sind. 30 Der Begriff „wirtschaftliche Tätigkeit“ ist in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie so definiert, dass er alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe umfasst. Als „wirtschaftliche Tätigkeit“ gilt u. a. die Nutzung von körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen. 31 Insoweit ist zu präzisieren, dass der Verkauf von Früchten eines körperlichen Gegenstands, etwa der Verkauf von Holz aus einem Privatforst, als „Nutzung“ dieses Gegenstands im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen ist. 32 Folglich sind Umsätze wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu beurteilen, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 1996, Enkler, C-230/94, Slg. 1996, I-4517, Randnr. 22). 33 Bei der Frage, ob die in Rede stehende Tätigkeit, nämlich die Nutzung eines Privatforstes, auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen gerichtet ist, handelt es sich um eine Tatsachenfrage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Einzelfalls, wozu u. a. die Art des betreffenden Gegenstands gehört, beurteilt werden muss (in diesem Sinne Urteil Enkler, Randnrn. 24 und 26). 34 Dieses Kriterium ermöglicht nämlich die Feststellung, ob eine Person einen Gegenstand so verwendet hat, dass ihre Tätigkeit als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen ist. Wird ein Gegenstand üblicherweise ausschließlich wirtschaftlich genutzt, so ist dies im Allgemeinen ein ausreichendes Indiz dafür, dass sein Eigentümer ihn für Zwecke wirtschaftlicher Tätigkeiten und folglich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen nutzt. Kann ein Gegenstand dagegen seiner Art nach sowohl zu wirtschaftlichen als auch zu privaten Zwecken verwendet werden, so sind alle Umstände seiner Nutzung zu prüfen, um festzustellen, ob er tatsächlich zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen verwendet wird (Urteil Enkler, Randnr. 27). 35 Im letztgenannten Fall kann der Vergleich zwischen den Umständen, unter denen der Betreffende den Gegenstand tatsächlich nutzt, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird, eine der Methoden darstellen, mit denen geprüft werden kann, ob die betreffende Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird (Urteil Enkler, Randnr. 28). 36 Wenn also der Betroffene aktive Schritte der Forstwirtschaft unternimmt, indem er sich ähnlicher Mittel wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleistender im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bedient, ist die fragliche Tätigkeit als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Vorschrift zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2011, Słaby u. a., C-180/10 und C-181/10, Slg. 2011, I-8461, Randnr. 39). 37 Außerdem kann allein der Umstand, dass die fraglichen Holzlieferungen zur Abmilderung der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt durchgeführt worden sein sollen, nicht zu dem Schluss führen, dass diese als gelegentliche Lieferungen und nicht im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie „zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen“ bewirkt worden seien. Insoweit ist festzustellen, dass solche Lieferungen die kontinuierliche Nutzung eines körperlichen Gegenstands darstellen können. Die Früchte eines körperlichen Gegenstands, etwa das Holz aus einem Wald, sind nämlich möglicherweise allein aufgrund ihrer Art und ihrer Eigenschaften, insbesondere ihres Alters, nicht zur sofortigen wirtschaftlichen Nutzung geeignet, weil bis zur wirtschaftlichen Nutzbarkeit dieser Früchte ein bestimmter Zeitraum objektiv erforderlich sein kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die zwischenzeitlich infolge eines mutmaßlichen Ereignisses höherer Gewalt erfolgten Holzlieferungen nicht zur Nutzung eines körperlichen Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie zu zählen wären. 38 Auch wenn allein anhand von Kriterien, die sich auf das Ergebnis der betreffenden Tätigkeit beziehen, nicht ermittelt werden kann, ob die Tätigkeit zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, sind die Dauer des Zeitraums, während dessen die im Ausgangsverfahren fraglichen Lieferungen erfolgten, die Zahl der Kunden und die Höhe der Einnahmen Gesichtspunkte, die zur Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls gehören und neben anderen Gesichtspunkten bei dieser Prüfung berücksichtigt werden können (Urteil Enkler, Randnr. 29). 39 Im Übrigen schließt die Tatsache, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens den betreffenden körperlichen Gegenstand für seinen persönlichen Bedarf erworben hat, nicht, wie es der Wortlaut der ersten Vorlagefrage nahe legt, aus, dass dieser Gegenstand im Anschluss zur Ausübung einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie genutzt wird. Die Frage, ob eine Person in einem bestimmten Fall einen Gegenstand für die Zwecke ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder für ihren persönlichen Bedarf erworben hat, stellt sich, wenn sie den Abzug der für den Erwerb dieses Gegenstands entrichteten Vorsteuer in Anspruch nimmt (vgl. entsprechend Urteil vom 8. März 2001, Bakcsi, C-415/98, Slg. 2001, I-1831, Randnr. 29). Eine solche Frage stellt sich im Ausgangsverfahren jedoch nicht. 40 Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Holzlieferungen, die von einer natürlichen Person zur Abmilderung der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt durchgeführt werden, zur Nutzung eines körperlichen Gegenstands zählen, die als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung zu beurteilen ist, sofern diese Lieferungen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgen. Das nationale Gericht hat bei der Feststellung, ob die Nutzung eines körperlichen Gegenstands, etwa eines Waldes, zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt, sämtliche Gegebenheiten des Einzelfalls zu würdigen. Zur zweiten Frage 41 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, wonach gegen eine Person, die es pflichtwidrig versäumt hat, sich zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen anzumelden, eine Geldbuße in Höhe des für den Wert der gelieferten Gegenstände geltenden normalen Mehrwertsteuersatzes verhängt werden darf, obwohl diese Person diese Steuer nicht schuldete, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist. 42 Gemäß Art. 213 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie hat jeder Steuerpflichtige die Aufnahme, den Wechsel und die Beendigung seiner Tätigkeit als Steuerpflichtiger anzuzeigen. 43 Eine nationale Maßnahme wie die des Art. 3 Abs. 3 und 5 des Mehrwertsteuergesetzes, wonach Steuerpflichtige verpflichtet sind, sich zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen anzumelden, wenn der Gesamtwert der von ihnen innerhalb der letzten zwölf Monate erbrachten mehrwertsteuerpflichtigen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen den Betrag von 10000 LVL überschreitet, setzt konkret die den Steuerpflichtigen nach Art. 213 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie obliegenden Verpflichtungen um. 44 Diese Richtlinie sieht nicht ausdrücklich ein System von Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtungen gemäß Art. 213 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie vor. Nach ständiger Rechtsprechung können die Mitgliedstaaten mangels einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, weiterhin die Sanktionen wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind jedoch verpflichtet, bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten (Urteile vom 21. September 1989, Kommission/Griechenland, 68/88, Slg. 1989, 2965, Randnr. 23, vom 16. Dezember 1992, Kommission/Griechenland, C-210/91, Slg. 1992, I-6735, Randnr. 19, und vom 26. Oktober 1995, Siesse, C-36/94, Slg. 1995, I-3573, Randnr. 21). 45 Die Mitgliedstaaten haben daher das Recht, um die genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, in ihren jeweiligen nationalen Rechtsordnungen geeignete Sanktionen dafür vorzusehen, die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Anmeldung zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen zu ahnden. 46 Solche Sanktionen dürfen jedoch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Mai 2008, Ecotrade, C-95/07 und C-96/07, Slg. 2008, I-3457, Randnrn. 65 bis 67, und vom 12. Juli 2012, EMS-Bulgaria Transport, C-284/11, Randnr. 67). 47 Bei der Beurteilung, ob die in Rede stehende Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, sind u. a. die Art und die Schwere des Verstoßes, der mit dieser Sanktion bestraft werden soll, sowie die Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion zu berücksichtigen. 48 Was erstens die Art und die Schwere des Verstoßes betrifft, der mit dieser Sanktion bestraft werden soll, ist darauf hinzuweisen, dass mit ihr nur die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Anmeldung zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen geahndet werden soll. Wie der Gerichtshof insoweit festgestellt hat, sind die Verpflichtungen aus Art. 213 der Mehrwertsteuerrichtlinie, zu denen auch die Verpflichtung des Steuerpflichtigen gehört, die Aufnahme seiner Tätigkeit als Steuerpflichtiger anzuzeigen, nur ein Kontrollzwecken dienendes Formerfordernis (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2010, Nidera Handelscompagnie, C-385/09, Slg. 2010, I-10385, Randnr. 50). 49 Die in Rede stehende Sanktion dient also nicht dazu, die Erhebung der Steuer bei demjenigen, der sie schuldet, sicherzustellen. Die zuständigen Behörden können diese Erhebung nämlich unabhängig davon vornehmen, ob wegen fehlender Eintragung eine Sanktion verhängt wird. 50 Zweitens ist in Bezug auf die Methoden für die Bestimmung der Höhe der in Rede stehenden Sanktion darauf hinzuweisen, dass dafür ein fester Prozentsatz vorgesehen ist, dessen Höhe dem der für die Lieferungen geschuldeten Steuer entspricht, obwohl die Sanktion, wie in der vorstehenden Randnummer ausgeführt worden ist, nicht auf die Erhebung der Steuer abzielt. 51 Ferner hat der lettische Gesetzgeber, wie aus den schriftlichen Erklärungen der lettischen Regierung hervorgeht, neue Vorschriften erlassen, die eine Abstufung der Sanktionen wegen fehlender Eintragung vorsehen. 52 Im vorliegenden Fall ist nicht ausgeschlossen, dass die Methode für die Bestimmung der Höhe der Sanktion über das hinausgehen könnte, was zur Erreichung der in Randnr. 45 des vorliegenden Urteils genannten Ziele erforderlich ist. 53 Somit kann sich eine solche Sanktion als unverhältnismäßig erweisen. 54 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob angesichts der Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere angesichts des konkret verhängten Betrags und einer etwa vorliegenden Steuerhinterziehung oder Umgehung der geltenden Gesetze, die dem Steuerpflichtigen, dessen Versäumnis der Anmeldung geahndet wird, anzulasten wären, die Höhe der Sanktion über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, die in der Sicherstellung der genauen Erhebung der Steuer und in der Vermeidung von Steuerhinterziehungen bestehen. 55 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass nicht ausgeschlossen ist, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, wonach gegen eine Person, die es pflichtwidrig versäumt hat, sich zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen anzumelden und die diese Steuer nicht schuldete, eine Geldbuße in Höhe des für den Wert der gelieferten Gegenstände geltenden normalen Mehrwertsteuersatzes verhängt werden darf, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob angesichts der Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere angesichts des konkret verhängten Betrags und einer etwa vorliegenden Steuerhinterziehung oder Umgehung der geltenden Gesetze, die dem Steuerpflichtigen, dessen Versäumnis der Anmeldung geahndet wird, anzulasten wären, die Höhe der Sanktion über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, die in der Sicherstellung der genauen Erhebung der Steuer und in der Vermeidung von Steuerhinterziehungen bestehen. Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen der Antwort des Gerichtshofs 56 In ihren schriftlichen Erklärungen hat die lettische Regierung den Gerichtshof ersucht, die Wirkungen des Urteils für den Fall zeitlich zu begrenzen, dass er zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass Holzlieferungen wie die, die Gegenstand der ersten Vorlagefrage seien, keine „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie seien oder dass eine Vorschrift des nationalen Rechts wie die, die Gegenstand der zweiten Vorlagefrage sei, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. 57 Angesichts der Antwort auf die erste Frage braucht über den Antrag der lettischen Regierung auf zeitliche Begrenzung der Wirkungen der Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage nicht entschieden zu werden. 58 In Bezug auf die zeitliche Begrenzung der Wirkungen der Antwort des Gerichtshofs auf die zweite Frage hat die lettische Regierung zur Begründung ihres Antrags geltend gemacht, dass sie in gutem Glauben gehandelt habe und ein solches Urteil des Gerichtshofs nachteilige finanzielle Auswirkungen auf die Staatskasse hätte, da sich die von den zuständigen Behörden im Zeitraum 2004–2008 verhängten Geldbußen auf 900000 LVL beliefen. 59 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung oder einem Grundsatz gegeben hat, zu berufen, um in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, nur ganz ausnahmsweise aufgrund des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit beschränken kann. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube der Betroffenen und die Gefahr schwerwiegender Störungen (vgl. u. a. Urteile vom 10. Januar 2006, Skov und Bilka, C-402/03, Slg. 2006, I-199, Randnr. 51, vom 18. Januar 2007, Brzeziński, C-313/05, Slg. 2007, I-513, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 3. Juni 2010, Kalinchev, C-2/09, Slg. 2010, I-4939, Randnr. 50). 60 Der Gerichtshof hat auf diese Lösung nur unter ganz bestimmten Umständen zurückgegriffen, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Unionsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der unionsrechtlichen Bestimmungen oder Grundsätze bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Europäischen Kommission beigetragen hatte (vgl. u. a. Urteil vom 27. April 2006, Richards, C-423/04, Slg. 2006, I-3585, Randnr. 42, und Urteile Brzeziński, Randnr. 57, und Kalinchev, Randnr. 51). 61 Ferner können nach ständiger Rechtsprechung die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben können, für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils rechtfertigen (Urteile vom 20. September 2001, Grzelczyk, C-184/99, Slg. 2001, I-6193, Randnr. 52, vom 15. März 2005, Bidar, C-209/03, Slg. 2005, I-2119, Randnr. 68, und Urteile Brzeziński, Randnr. 58, und Kalinchev, Randnr. 52). 62 Insoweit ist festzustellen, dass anhand des von der lettischen Regierung geltend gemachten Gesamtbetrags der durch die zuständigen nationalen Behörden im Zeitraum von 2004–2008 verhängten Geldbußen nicht beurteilt werden kann, ob sich dieser Betrag auf die Geldbußen bezieht, die Gegenstand der zweiten Vorlagefrage sind. Außerdem ist dem Gerichtshof nicht mitgeteilt worden, welcher Teil dieses Betrags möglicherweise zurückgezahlt werden müsste. Es sei insoweit darauf hingewiesen, dass aus dem Ergebnis, zu dem der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung dieser zweiten Vorlagefrage gelangt ist, hervorgeht, dass nur Beträge erstattet werden müssen, die über das hinausgehen, was zur Sicherstellung der genauen Erhebung der Steuer und zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen erforderlich ist. 63 Damit ist festzustellen, dass das Bestehen einer Gefahr von schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen im Sinne der oben in Randnr. 60 angeführten Rechtsprechung, die eine Begrenzung der zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils rechtfertigen könnte, nicht als nachgewiesen betrachtet werden kann. 64 Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob das Kriterium der Gutgläubigkeit der Betroffenen erfüllt ist. 65 Folglich besteht kein Anlass, die zeitlichen Wirkungen des vorliegenden Urteils zu begrenzen. Kosten 66 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2006/138/EG des Rates vom 19. Dezember 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Holzlieferungen, die von einer natürlichen Person zur Abmilderung der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt durchgeführt werden, zur Nutzung eines körperlichen Gegenstands zählen, die als „wirtschaftliche Tätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung zu beurteilen ist, sofern diese Lieferungen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgen. Das nationale Gericht hat bei der Feststellung, ob die Nutzung eines körperlichen Gegenstands, etwa eines Waldes, zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfolgt, sämtliche Gegebenheiten des Einzelfalls zu würdigen. 2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass nicht ausgeschlossen ist, dass eine Vorschrift des nationalen Rechts, wonach gegen eine Person, die es pflichtwidrig versäumt hat, sich zum Register der Mehrwertsteuerpflichtigen anzumelden und die diese Steuer nicht schuldete, eine Geldbuße in Höhe des für den Wert der gelieferten Gegenstände geltenden normalen Mehrwertsteuersatzes verhängt werden darf, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob angesichts der Umstände des vorliegenden Falles und insbesondere angesichts des konkret verhängten Betrags und einer etwa vorliegenden Steuerhinterziehung oder Umgehung der geltenden Gesetze, die dem Steuerpflichtigen, dessen Versäumnis der Anmeldung geahndet wird, anzulasten wären, die Höhe der Sanktion über das hinausgeht, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, die in der Sicherstellung der genauen Erhebung der Steuer und in der Vermeidung von Steuerhinterziehungen bestehen. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Lettisch.
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. Juli 2012.#Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö gegen A Oy.#Vorabentscheidungsersuchen des Korkein hallinto-oikeus.#Direkte Besteuerung – Niederlassungsfreiheit – Freier Kapitalverkehr – EWR‑Abkommen – Art. 31 und 40 – Richtlinie 2009/133/EG – Geltungsbereich – Austausch von Anteilen zwischen einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einer Gesellschaft mit Sitz in einem dem EWR angehörenden Drittstaat – Versagung eines Steuervorteils – Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen.#Rechtssache C‑48/11.
62011CJ0048
ECLI:EU:C:2012:485
2012-07-19T00:00:00
Mengozzi, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62011CJ0048 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer) 19. Juli 2012 (*1) „Direkte Besteuerung — Niederlassungsfreiheit — Freier Kapitalverkehr — EWR-Abkommen — Art. 31 und 40 — Richtlinie 2009/133/EG — Geltungsbereich — Austausch von Anteilen zwischen einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat und einer Gesellschaft mit Sitz in einem dem EWR angehörenden Drittstaat — Versagung eines Steuervorteils — Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen“ In der Rechtssache C-48/11 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 31. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2011, in dem Verfahren Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö gegen A Oy erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis (Berichterstatter) und D. Šváby, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2012, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der A Oy, vertreten durch M. Ohtonen, asianajaja, — der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte, — der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten, — der norwegischen Regierung, vertreten durch K. B. Moen und K. Moe Winther als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und I. Koskinen als Bevollmächtigte, — der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis und F. Simonetti als Bevollmächtigte, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 31 und 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö, der finnischen Finanzverwaltung, und der A Oy (im Folgenden: A), einer finnischen Gesellschaft, über einen Austausch von Anteilen. Rechtlicher Rahmen EWR-Abkommen 3 Art. 6 des EWR-Abkommens bestimmt: „Unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung werden die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sowie der aufgrund dieser beiden Verträge erlassenen Rechtsakte in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen ausgelegt, die der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens erlassen hat.“ 4 Art. 31 des Abkommens bestimmt: „(1)   Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines … Mitgliedstaats [der Europäischen Gemeinschaft] oder eines … Staates [der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA)] im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten keinen Beschränkungen. Das gilt gleichermaßen für die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines … Mitgliedstaats [der Europäischen Gemeinschaft] oder eines EFTA-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ansässig sind. Vorbehaltlich des Kapitels 4 umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften im Sinne des Artikels 34 Absatz 2, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen. (2)   Die besonderen Bestimmungen über das Niederlassungsrecht sind in den Anhängen VIII bis XI enthalten.“ 5 Art. 40 des Abkommens bestimmt: „Im Rahmen dieses Abkommens unterliegt der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den … Mitgliedstaaten [der Europäischen Gemeinschaft] oder den EFTA-Staaten ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes. Die Durchführungsbestimmungen zu diesem Artikel sind in Anhang XII enthalten.“ Unionsrecht 6 Der Austausch von Anteilen wird in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2009/133/EG des Rates vom 19. Oktober 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat (ABl. L 310, S. 34) wie folgt definiert: „… Vorgang, durch den eine Gesellschaft am Gesellschaftskapital einer anderen Gesellschaft eine Beteiligung, die ihr die Mehrheit der Stimmrechte verleiht, oder – sofern sie die Mehrheit der Stimmrechte bereits hält – eine weitere Beteiligung dadurch erwirbt, dass die Gesellschafter der anderen Gesellschaft im Austausch für ihre Anteile Anteile am Gesellschaftskapital der erwerbenden Gesellschaft und gegebenenfalls eine bare Zuzahlung erhalten; Letztere darf 10 % des Nennwerts oder – bei Fehlen eines Nennwerts – des rechnerischen Werts der im Zuge des Austauschs ausgegebenen Anteile nicht überschreiten“. Finnisches Recht 7 In § 52 und § 52 f Abs. 1 und 2 des Gesetzes 360/1968 über die Besteuerung gewerblicher Einkünfte (Laki elinkeinotulon verottamisesta [360/1968], im Folgenden: Gesetz über die Besteuerung von Gesellschaften) heißt es: „§ 52 Die Bestimmungen der nachfolgenden §§ 52 a bis 52 f finden Anwendung auf Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen inländischer Aktiengesellschaften. Die §§ 52 a bis 52 e dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen anderer Gesellschaften im Sinne von § 3 des Gesetzes über die Einkommensbesteuerung. Die Bestimmungen über Aktiengesellschaften, Anteile, Kapital und Anteilseigner finden zu diesem Zweck Anwendung auf die anderen Gesellschaften, ihre Kapitalanteile, ihren ihrem Kapital entsprechenden Anteilsbetrag und ihre Anteilseigner oder Mitglieder. Die Bestimmungen über Fusionen finden auch auf Fusionen inländischer Wirtschaftsvereinigungen Anwendung. Die Bestimmungen über Aktiengesellschaften, Anteile und Anteilseigner finden zu diesem Zweck Anwendung auf die Kapitalanteile der Vereinigungen sowie auf ihre Anteilseigner und die Vereinigungen selbst. Die §§ 52 a bis 52 f finden unter den nachfolgend genannten Beschränkungen Anwendung, wenn die Fusion, die Spaltung, die Unternehmensübertragung oder der Austausch von Anteilen der Körperschaftsteuer unterliegender Gesellschaften im Sinne von Art. 3 Buchst. a der Richtlinie 90/434/EWG des Rates [vom 23. Juli 1990] über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat betrifft. Die Gesellschaft wird als in einem Mitgliedstaat ansässig angesehen, wenn sie nach dem Recht dieses Mitgliedstaats als dort ansässig und nicht aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen dem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat als außerhalb der Union ansässig angesehen wird. … § 52 f Der Austausch von Anteilen ist ein Arrangement, bei dem eine Aktiengesellschaft so viele Anteile einer anderen Aktiengesellschaft erwirbt, dass die in ihrem Besitz befindlichen Anteile ihr mehr als die Hälfte der Stimmrechte verleihen, die sich aus sämtlichen Anteilen der anderen Aktiengesellschaft ergeben, oder – sofern sie bereits mehr als die Hälfte der Stimmrechte besitzt – weitere Anteile erwirbt und die Aktionäre der anderen Gesellschaft als Gegenleistung von ihr neu ausgegebene Anteile oder eigene Anteile aus ihrem Besitz erhalten. Die Gegenleistung darf auch in Geld bestehen, jedoch nicht mehr als zehn Prozent des Nennwerts der als Gegenleistung hingegebenen Aktien oder – bei Fehlen eines Nennwerts – des den Aktien entsprechenden Anteils des eingezahlten Aktienkapitals ausmachen. Der Austausch von Anteilen gilt bei der Besteuerung nicht als Veräußerung. Als Anschaffungskosten der durch den Tausch erhaltenen Anteile gilt der bei der Besteuerung nicht abgeschriebene Teil der Anschaffungskosten der übertragenen Anteile. Soweit als Gegenleistung Geld erlangt wird, gilt der Austausch als Veräußerung.“ Ausgangsverfahren und Vorlagefrage 8 A hält 4093 der insgesamt 20743 Anteile an der C Oy (im Folgenden: C), einer Gesellschaft finnischen Rechts, was einer Beteiligung von etwa 19,7 % entspricht. Zweite Eigentümerin von C ist die B AS (im Folgenden: B), eine norwegische Gesellschaft mit einer Beteiligung von etwa 80,3 %. Mit dem Arrangement, das Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, war beabsichtigt, Anteile im Sinne von § 52 f des Gesetzes über die Besteuerung von Gesellschaften auszutauschen, wobei A ihre Anteile am Kapital von C auf B übertragen und als Gegenleistung von B neu ausgegebene Anteile erhalten sollte, die einer Beteiligung von etwa 6 % an deren Kapital entsprachen. Im Anschluss daran wäre B folglich Inhaberin des gesamten Aktienkapitals von C. 9 A hatte beim Keskusverolautakunta (Zentraler Steuerausschuss) angefragt, ob § 52 f, wonach ein Austausch von Anteilen unter bestimmten Voraussetzungen nicht als steuerpflichtige Veräußerung gilt, auf den im Ausgangsverfahren fraglichen Austausch von Anteilen Anwendung findet. 10 Der Ausschuss erklärte in seiner Vorabentscheidung Nr. 55/2008 vom 1. Oktober 2008, dass die in § 52 f des Gesetzes über die Besteuerung von Gesellschaften aufgestellten Grundsätze auf den zwischen A und B beabsichtigten Austausch von Anteilen angewandt werden könnten. Nach dieser Entscheidung sind die Grundsätze, die sich aus § 52 f des Gesetzes über die Besteuerung von Gesellschaften ergeben, auf den vorliegenden Fall anwendbar, so dass dieser Austausch im Rahmen der Besteuerung von A nicht als Veräußerung von Anteilen anzusehen wäre. 11 Mit seiner Klage beim Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) begehrt der Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö die Aufhebung der Vorabentscheidung des Zentralen Steuerausschusses. 12 Der Korkein hallinto-oikeus hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen: Ist ein Austausch von Anteilen, bei dem eine finnische Aktiengesellschaft einer norwegischen Gesellschaft (in der Rechtsform einer aksjeselskap [AG]) die Anteile einer ihr gehörenden Gesellschaft überträgt und als Gegenleistung von der norwegischen Gesellschaft ausgegebene Anteile erhält, bei der Besteuerung unter Berücksichtigung der Art. 31 und 40 des EWR-Abkommens in gleicher Weise neutral zu behandeln, wie wenn dieser Austausch zwischen inländischen Aktiengesellschaften oder zwischen Gesellschaften stattfände, die in Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässig sind? Zur Vorlagefrage 13 Zunächst ist hervorzuheben, dass nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die Richtlinie 2009/133 durch das Gesetz über die Besteuerung von Gesellschaften in innerstaatliches Recht umgesetzt wird. 14 Nach ihrem Art. 1 gilt diese Richtlinie nur für den Austausch von Anteilen, wenn daran im Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beteiligt sind. Da eine der Gesellschaften, die an dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Austausch von Anteilen beteiligt sind, nicht in einem Mitgliedstaat ansässig ist, und zwar die in Norwegen ansässige B, fällt der Austausch nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/133. Unter diesen Umständen sind zur Beantwortung der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage die Bestimmungen des nationalen Steuerrechts anhand der Bestimmungen des EWR-Abkommens zu prüfen. 15 In Bezug auf das EWR-Abkommen ist darauf hinzuweisen, dass eines der Hauptziele dieses Abkommens die möglichst umfassende Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist, so dass der innerhalb des Unionsgebiets verwirklichte Binnenmarkt auf die EFTA-Staaten ausgeweitet wird. Im Hinblick darauf dienen mehrere Bestimmungen des EWR-Abkommens dazu, dessen möglichst einheitliche Auslegung im gesamten EWR sicherzustellen (vgl. Gutachten 1/92 vom 10. April 1992, Slg. 1992, I-2821). In diesem Rahmen ist es Sache des Gerichtshofs, darüber zu wachen, dass die Vorschriften des EWR-Abkommens, die im Wesentlichen mit denen des AEU-Vertrags identisch sind, innerhalb der Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegt werden (Urteile vom 19. November 2009, Kommission/Italien, C-540/07, Slg. 2009, I-10983, Randnr. 65, und vom 28. Oktober 2010, Établissements Rimbaud, C-72/09, Slg. 2010, I-10659, Randnr. 20). 16 Darüber hinaus fallen nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Unionsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile vom 7. September 2004, Manninen, C-319/02, Slg. 2004, I-7477, Randnr. 19, vom 6. März 2007, Meilicke u. a., C-292/04, Slg. 2007, I-1835, Randnr. 19, vom 24. Mai 2007, Holböck, C-157/05, Slg. 2007, I-4051, Randnr. 21, und vom 11. Oktober 2007, ELISA, C-451/05, Slg. 2007, I-8251, Randnr. 68). Desgleichen erlaubt diese Befugnis den Mitgliedstaaten nicht, Maßnahmen anzuwenden, die gegen die durch entsprechende Bestimmungen des EWR-Abkommens garantierten Verkehrsfreiheiten verstoßen (vgl. Urteil Établissements Rimbaud, Randnr. 23). 17 Hinsichtlich der Freiheit, an der die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften zu messen sind, ergibt sich aus einer ständigen Rechtsprechung, dass bei der Prüfung, ob nationale Rechtsvorschriften unter die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit oder über den freien Kapitalverkehr fallen, der Gegenstand der fraglichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen ist (Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec, C-492/04, Slg. 2007, I-3775, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). 18 So fallen nationale Vorschriften über eine Beteiligung, die es ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, in den sachlichen Geltungsbereich der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit (vgl. Beschluss Lasertec, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). 19 Aus dem Wortlaut von § 52 f des Gesetzes über die Besteuerung von Gesellschaften ergibt sich eindeutig, dass der betreffende Austausch von Anteilen nur dann nicht als steuerpflichtige Veräußerung gilt, wenn die erwerbende Gesellschaft Anteile der anderen Gesellschaft hält oder erwirbt, die ihr bei dieser Gesellschaft mehr als die Hälfte der Stimmrechte verschaffen. Solche nationalen Vorschriften, die auf Vorgänge Anwendung finden, durch die die Kontrolle über eine Gesellschaft ausgeübt oder übernommen wird, fallen unter die Niederlassungsfreiheit. 20 Somit ist die Vorlagefrage nur mit Blick auf Art. 31 des EWR-Abkommens zu beantworten. 21 Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Bestimmungen des Art. 31 des EWR-Abkommens, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit verbieten, mit denen des Art. 49 AEUV identisch sind (vgl. Urteile vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C-471/04, Slg. 2006, I-2107, Randnr. 49, und vom 23. Oktober 2008, Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, C-157/07, Slg. 2008, I-8061, Randnr. 24). 22 Darüber hinaus ist hervorzuheben, dass nach Art. 6 des EWR-Abkommens, unbeschadet der künftigen Entwicklungen der Rechtsprechung, die Bestimmungen dieses Abkommens, soweit sie mit den entsprechenden Bestimmungen der Unionsverträge in ihrem wesentlichen Gehalt identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Einklang mit den einschlägigen, zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens bereits vorliegenden Entscheidungen des Gerichtshofs ausgelegt werden. 23 Daher ist mit der Niederlassungsfreiheit für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats oder eines dem EWR angehörenden Drittlands gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union oder eines dem EWR angehörenden Drittlands haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in anderen Mitgliedstaaten oder anderen dem EWR angehörenden Drittländern durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 24 Der Gerichtshof hat außerdem hervorgehoben, dass der Begriff der Niederlassung im Sinne des AEU-Vertrags sehr weit gefasst ist und die Möglichkeit für einen Unionsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Union im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird (vgl. Urteil ELISA, Randnr. 63). Mit der Niederlassungsfreiheit soll somit die Inländerbehandlung der Tochtergesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt werden, indem jede noch so geringfügige Diskriminierung verboten ist, die auf den Ort des Sitzes der Muttergesellschaft abstellt (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2006, Denkavit Internationaal und Denkavit France, C-170/05, Slg. 2006, I-11949, Randnr. 22). 25 Nach ständiger Rechtsprechung sind als derartige Beschränkungen alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung dieser Freiheit verbieten, behindern oder weniger attraktiv machen (vgl. Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 30). 26 Nach den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften wird ein Austausch von Anteilen zwischen Gesellschaften bei der übertragenden Gesellschaft, die ihren Sitz in Finnland hat, nur dann steuerlich neutral behandelt, wenn sich der Sitz der erwerbenden Gesellschaft ebenfalls in Finnland oder in einem Mitgliedstaat der Union befindet und der Austausch der Anteile zur Folge hat, dass die erwerbende Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der erworbenen Gesellschaft erlangt. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, insbesondere wenn, wie im Ausgangsverfahren, die erwerbende Gesellschaft ihren Sitz in einem dem EWR angehörenden Drittland hat, wird der Austausch von Anteilen steuerlich wie eine steuerpflichtige Veräußerung von Anteilen behandelt. 27 Die somit festgestellte unterschiedliche Behandlung lässt sich nicht durch eine objektiv unterschiedliche Situation erklären. Denn die steuerliche Behandlung eines Austauschs von Anteilen, der eine inländische Gesellschaft unterliegt, wird in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens allein durch den Ort des Sitzes der erwerbenden Gesellschaft bestimmt. Art. 31 des EWR-Abkommens verbietet jedoch jede Diskriminierung, die auf den Ort des Sitzes der Gesellschaften abstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2008, Burda, C-284/06, Slg. 2008, I-4571, Randnr. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung). 28 Ferner ist hervorzuheben, dass entgegen den Ausführungen der finnischen Regierung die Anwendung von Art. 31 des EWR-Abkommens auf eine Regelung, wie sie Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, nicht zu einer Erweiterung des Geltungsbereichs der Richtlinie 2009/133 auf Gesellschaften führt, die in einem dem EWR angehörenden Drittland ansässig sind. Nach dem in Art. 31 des EWR-Abkommens verankerten Diskriminierungsverbot ist ein Mitgliedstaat nämlich verpflichtet, die dem Austausch von Anteilen zwischen inländischen Gesellschaften vorbehaltene steuerliche Behandlung auch auf Fälle des Austauschs von Anteilen anzuwenden, an denen eine Gesellschaft mit Sitz in einem dem EWR angehörenden Drittland beteiligt ist. 29 Im Ergebnis ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung zu einer Beeinträchtigung des Rechts aus Art. 31 des EWR-Abkommens führt. 30 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur statthaft, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In diesem Fall muss die Beschränkung außerdem geeignet sein, die Erreichung des in Rede stehenden Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt, Randnr. 40). 31 Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob die fragliche Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, die mit der Notwendigkeit zusammenhängen, die Steuerhinterziehung zu bekämpfen und die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu wahren. 32 Der bloße Umstand, dass im Rahmen eines Austauschs von Anteilen die erwerbende Gesellschaft ihren Sitz in einem dem EWR angehörenden Drittland hat, kann jedoch keine allgemeine Vermutung der Steuerhinterziehung begründen und keine Maßnahme rechtfertigen, die die Ausübung einer durch das EWR-Abkommen garantierten Grundfreiheit beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 2000, Kommission/Belgien, C-478/98, Slg. 2000, I-7587, Randnr. 45, vom 21. November 2002, X und Y, C-436/00, Slg. 2002, I-10829, Randnr. 62, vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich, C-334/02, Slg. 2004, I-2229, Randnr. 27, und vom 29. November 2011, National Grid Indus, C-371/10, Slg. 2011, I-12273, Randnr. 84). 33 Zur Notwendigkeit, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu wahren, hat der Gerichtshof festgestellt, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerpflichtige zur Vorlage von Belegen in der Lage ist, anhand deren die Steuerbehörden des Mitgliedstaats eindeutig und genau prüfen können, dass er keine Steuerhinterziehung oder -umgehung zu begehen versucht (Urteil vom 18. Dezember 2007, A, C-101/05, Slg. 2007, I-11531, Randnr. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). 34 Diese Rechtsprechung, die sich auf Beschränkungen der Ausübung der Verkehrsfreiheiten innerhalb der Union bezieht, kann aber nicht in vollem Umfang auf die vom EWR-Abkommen garantierten Freiheiten übertragen werden, da sich deren Ausübung in einen anderen rechtlichen Rahmen einfügt (vgl. in diesem Sinne Urteile A, Randnr. 60, und Établissements Rimbaud, Randnr. 40). 35 Hierzu ist festzustellen, dass der Rahmen der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, der durch die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) und die Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799 (ABl. L 64, S. 1) geschaffen wurde, zwischen ihnen und den zuständigen Behörden eines Drittstaats nicht besteht, wenn dieser keine Verpflichtung zur gegenseitigen Amtshilfe eingegangen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Établissements Rimbaud, Randnr. 41). 36 Insbesondere ist es in Bezug auf die dem EWR angehörenden Drittstaaten, wenn die Regelung eines Mitgliedstaats die Gewährung eines Steuervorteils von der Erfüllung von Bedingungen abhängig macht, deren Einhaltung nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass Auskünfte von den zuständigen Behörden eines dem EWR angehörenden Drittstaats eingeholt werden, grundsätzlich gerechtfertigt, dass dieser Mitgliedstaat die Gewährung des Vorteils verweigert, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung des Drittstaats zur Auskunftserteilung, als unmöglich erweist, die Auskünfte von diesem Staat zu erhalten (vgl. Urteil Établissements Rimbaud, Randnr. 44). 37 Zwischen der Republik Finnland und dem Königreich Norwegen besteht ein Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen, und zwar das Abkommen 37/1991, das am 7. Dezember 1989 in Kopenhagen unterzeichnet wurde. Auch wenn es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu beurteilen, ob dieses Abkommen ausreichende Mechanismen für den Informationsaustausch enthält, um den finnischen Behörden die Prüfung und Kontrolle zu ermöglichen, ob die nach den nationalen Rechtsvorschriften erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Regelung über die steuerliche Neutralität auf einen Austausch von Anteilen wie den im Ausgangsverfahren erfüllt sind, ist festzustellen, dass die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat, dass die Bestimmungen des genannten Abkommens einen ebenso wirksamen Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden vorsähen wie die Bestimmungen der Richtlinien 77/799 und 2011/16. 38 Unter diesen Umständen kann sich der betreffende Mitgliedstaat zur Rechtfertigung der in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils festgestellten unterschiedlichen Behandlung nicht auf die Notwendigkeit berufen, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen zu wahren (vgl. in diesem Sinne Urteil ELISA, Randnrn. 98 bis 101). 39 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 31 des EWR-Abkommens Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen ein Austausch von Anteilen zwischen einer im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft und einer Gesellschaft mit Sitz im Hoheitsgebiet eines dem EWR angehörenden Drittlands einer steuerpflichtigen Veräußerung von Anteilen gleichgestellt wird, während ein solcher Vorgang steuerlich neutral wäre, wenn daran nur inländische oder in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beteiligt wären, sofern zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Drittland ein Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen besteht, das einen ebenso wirksamen Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden vorsieht wie die Bestimmungen der Richtlinien 77/799 und 2011/16; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts. Kosten 40 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt: Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen ein Austausch von Anteilen zwischen einer im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Gesellschaft und einer Gesellschaft mit Sitz im Hoheitsgebiet eines dem EWR angehörenden Drittlands einer steuerpflichtigen Veräußerung von Anteilen gleichgestellt wird, während ein solcher Vorgang steuerlich neutral wäre, wenn daran nur inländische oder in anderen Mitgliedstaaten ansässige Gesellschaften beteiligt wären, entgegen, sofern zwischen dem betreffenden Mitgliedstaat und dem Drittland ein Abkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen besteht, das einen ebenso wirksamen Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden vorsieht wie die Bestimmungen der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern sowie der Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Finnisch.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 21. Juni 2012.#Königreich Spanien gegen Europäische Kommission.#Von Spanien betriebene operationelle Programme des Kohäsionsfonds und des EFRE – Zwischenzahlungsantrag – Vorliegen von Hinweisen auf erhebliche Mängel in der Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme – Maßnahmen zur Unterbrechung der Zahlungsfrist – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Prüfungsstrategie – Rechtssicherheit – Berechtigtes Vertrauen – Verhältnismäßigkeit.#Rechtssachen T‑178/10, T‑263/10 und T‑265/10.
62010TJ0178
ECLI:EU:T:2012:314
2012-06-21T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 21. Juni 2012 – Spanien/Kommission (Rechtssachen T-178/10, T-263/10 und T-265/10) „Von Spanien betriebene operationelle Programme des Kohäsionsfonds und des EFRE – Zwischenzahlungsantrag – Vorliegen von Hinweisen auf erhebliche Mängel in der Funktionsweise der Verwaltungs- und Kontrollsysteme – Maßnahmen zur Unterbrechung der Zahlungsfrist – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Prüfungsstrategie – Rechtssicherheit – Berechtigtes Vertrauen – Verhältnismäßigkeit“ 1.                     Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Entscheidung, die Frist für die Bearbeitung eines Zwischenzahlungsantrags zu unterbrechen ‐ Maßnahme, die ein besonderes Verfahren endgültig abschließt ‐ Einbeziehung (Art. 263 AEUV, Verordnung Nr. 1083/2006 des Rates) (vgl. Randnrn. 8-11, 18) 2.                     Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – EU-Finanzierung – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Verwaltungs- und Kontrollsysteme einzuführen – Nachweise, die auf einen erheblichen Mangel beim Funktionieren der Verwaltungs- und Kontrollsysteme schließen lassen – Bericht einer nationalen oder gemeinschaftlichen Prüfstelle, der die genannten Nachweise enthält – Vorliegen – Maßnahmen zur Unterbrechung der Zahlungsfrist (Art. 317 AEUV; Verordnung Nr. 1083/2006 des Rates, Art. 91 Abs. 1 Buchst. a; Verordnung Nr. 1828/2006 der Kommission) (vgl. Randnrn. 31-33) 3.                     Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – EU-Finanzierung – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Verwaltungs- und Kontrollsysteme einzuführen – Prüfung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme – Billigung der Prüfstrategien – Durchführung der Prüfungstätigkeiten unter der Voraussetzung, dass die Prüfstrategien gebilligt werden – Ausschluss (Verordnung Nr. 1083/2006 des Rates, Art. 62 Abs. 1 Buchst. a, b und c) (vgl. Randnrn. 72-74) 4.                     Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Regelung, die zum Unionsrecht gehört – Gebot der Klarheit und Vorhersehbarkeit – Ausdrückliche Angabe der Rechtsgrundlage – Einbeziehung (vgl. Randnrn. 86-88) 5.                     EU-Recht – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Klare Zusicherungen der Verwaltung – Fehlen (Verordnung Nr. 1083/2006 des Rates, Art. 62 Abs. 1 Buchst.  c und Abs. 2) (vgl. Randnrn. 92, 94) 6.                     Wirtschaftlicher, sozialer und territorialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – EU-Finanzierung – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Verwaltungs- und Kontrollsysteme einzuführen – Nachweise, die auf einen erheblichen Mangel beim Funktionieren der Verwaltungs- und Kontrollsysteme schließen lassen – Maßnahmen zur Unterbrechung der Zahlungsfrist – Einstweilige Anordnungen – Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Fehlen (Verordnung Nr. 1083/2006 des Rates, Art. 72 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 99-100, 103, 106) Gegenstand Klagen gegen die Entscheidungen der Kommission vom 12. Februar 2010 (T-178/10), vom 8. April 2010 (T-263/10) und vom 15. April 2010 (T-265/10), mit denen diese den spanischen Behörden die Unterbrechung der Frist zur Zahlung bestimmter vom Königreich Spanien beantragter Zwischenzahlungen mitgeteilt hat Tenor 1. Die Rechtssachen T-178/10, T-263/10 und T-265/10 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. 2. Die Klagen werden abgewiesen. 3. Das Königreich Spanien trägt die Kosten.
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 22. Mai 2012.#Republik Portugal gegen Europäische Kommission.#EAGFL – Abteilung Ausrichtung – Kürzung eines Zuschusses – Maßnahmen zur Förderung von Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben – Wirksamkeit der Kontrollen.#Rechtssache T‑345/10.
62010TJ0345
ECLI:EU:T:2012:248
2012-05-22T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 22. Mai 2012 – Portugal/Kommission (Rechtssache T‑345/10) „EAGFL – Abteilung Ausrichtung – Kürzung eines Zuschusses – Maßnahmen zur Förderung von Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben – Wirksamkeit der Kontrollen“ 1.                     Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Finanzierung durch den EAGFL – Entscheidung über den Rechnungsabschluss – Frist – Nichteinhaltung – Auswirkung auf die Verpflichtung der Kommission, die Übernahme der unter Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften getätigten Ausgaben abzulehnen – Fehlen (Verordnung Nr. 1260/1999 des Rates, Art. 38 und 39; Verordnung Nr. 448/2001 der Kommission, Art. 5 Abs. 3) (vgl. Randnr. 32) 2.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang –Entscheidung über den Rechnungsabschluss für die vom EAGFL finanzierten Ausgaben (Art. 296 AEUV) (vgl. Randnr. 65) 3.                     Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit – Anwendung der formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts – Voraussetzungen (Art. 4 Abs. 3 EUV) (vgl. Randnr. 74) 4.                     Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss – Ablehnung der Übernahme von Ausgaben, die durch Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der Gemeinschaftsregelung veranlasst wurden – Beanstandung durch den betroffenen Mitgliedstaat – Beweislast – Verteilung zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat (vgl. Randnrn. 75, 109) 5.                     Nichtigkeitsklage – Angefochtene Handlung – Beurteilung der Rechtmäßigkeit – Kriterien (Art. 263 AEUV) (vgl. Randnr. 86) Gegenstand Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C(2010) 4255 der Kommission vom 29. Juni 2010 über die Anwendung finanzieller Berichtigungen auf die Beteiligung des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, am operationellen Programm CCI 1999.PT.06.1.PO.007 (Portugal – Nationales Programm, Ziel 1) betreffend die Maßnahme „Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben“ Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 3. Mai 2012.#Legris Industries SA gegen Europäische Kommission.#Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Geldbußen – Mutter- und Tochtergesellschaft – Zurechenbarkeit des eine Zuwiderhandlung darstellenden Verhaltens.#Rechtssache C‑289/11 P.
62011CJ0289
ECLI:EU:C:2012:270
2012-05-03T00:00:00
Mengozzi, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 3. Mai 2012 – Legris Industries/Kommission (Rechtssache C‑289/11 P) „Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Geldbußen – Mutter- und Tochtergesellschaft – Zurechenbarkeit des eine Zuwiderhandlung darstellenden Verhaltens“ 1.                     Rechtsmittel – Gründe – Angriffs- oder Verteidigungsmittel, das erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht wird – Unzulässigkeit – Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon – Neue Tatsache, die die verspätete Geltendmachung einer auf einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren beruhenden Rüge rechtfertigt – Ausschluss (Art. 6 Abs. 2 EUV; Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 42 Abs. 2 und 113 Abs. 2) (vgl. Randnrn. 33, 35‑36) 2.                     Wettbewerb – Unionsregeln – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält – Widerlegbarkeit – Beweislast (Art. 101 AEUV; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) (vgl. Randnrn. 45‑47) 3.                     Rechtsmittel – Gründe – Fehlerhafte Tatsachenwürdigung – Unzulässigkeit – Überprüfung der Beweiswürdigung durch den Gerichtshof – Ausschluss außer bei Verfälschung (Art. 256 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1) (vgl. Randnrn. 51, 53) Gegenstand Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 24. März 2011, Legris Industries/Kommission (T‑376/06), mit dem das Gericht die Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung K(2006) 4180 endg. der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F‑1/38.121 – Rohrverbindungen) abgewiesen hat – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Verletzung des Rechts auf ein unabhängiges und unparteiisches Gericht – Zurechenbarkeit des eine Zuwiderhandlung darstellenden Verhaltens – Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung, der persönlichen Haftung und der individuellen Strafzumessung – Verfälschung von Beweisen Tenor 1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2. Die Legris Industries SA trägt die Kosten.
Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 3. Mai 2012.#Comap SA gegen Europäische Kommission.#Rechtsmittel – Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Geldbußen – Dauer der Zuwiderhandlung – Begriff ‚Fortgesetztheit‘.#Rechtssache C‑290/11 P.
62011CJ0290
ECLI:EU:C:2012:271
2012-05-03T00:00:00
Gerichtshof, Mengozzi
Sammlung der Rechtsprechung 2012 -00000
EUR-Lex - CELEX:62011CJ0290 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011CJ0290 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011CJ0290 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 21. März 2012.#Irland u.a. gegen Europäische Kommission.#Staatliche Beihilfen – Richtlinie 92/81/EWG – Verbrauchsteuer auf Mineralöle – Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden – Befreiung von der Verbrauchsteuer – Vereinbarkeit einer Befreiung mit einer Genehmigung des Rates gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 – Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union – Rechtssicherheit – Ordnungsgemäße Verwaltung.#Verbundene Rechtssachen T-50/06 RENV, T-56/06 RENV, T-60/06 RENV, T-62/06 RENV und T-69/06 RENV.
62006TJ0050(01)
ECLI:EU:T:2012:134
2012-03-21T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62006TJ0050(01) URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer) 21. März 2012 (*1) „Staatliche Beihilfen — Richtlinie 92/81/EWG — Verbrauchsteuer auf Mineralöle — Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden — Befreiung von der Verbrauchsteuer — Vereinbarkeit einer Befreiung mit einer Genehmigung des Rates gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 — Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union — Rechtssicherheit — Ordnungsgemäße Verwaltung“ In den verbundenen Rechtssachen T-50/06 RENV, T-56/06 RENV, T-60/06 RENV, T-62/06 RENV und T-69/06 RENV Irland, zunächst vertreten durch D. O’Hagan, dann durch E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von P. McGarry, Barrister, Kläger in der Rechtssache T-50/06 RENV, Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und J. Gstalter als Bevollmächtigte, Klägerin in der Rechtssache T-56/06 RENV, Italienische Republik, vertreten durch G. Aiello, G. De Bellis und S. Fiorentino, avvocati dello Stato, Klägerin in der Rechtssache T-60/06 RENV, Eurallumina SpA mit Sitz in Portoscuso (Italien), Prozessbevollmächtigte: R. Denton und L. Martin Alegi, Solicitors, Klägerin in der Rechtssache T-62/06 RENV, Aughinish Alumina Ltd mit Sitz in Askeaton (Irland), Prozessbevollmächtigte: J. Handoll und C. Waterson, Solicitors, Klägerin in der Rechtssache T-69/06 RENV, gegen Europäische Kommission, vertreten durch V. Di Bucci, N. Khan, D. Grespan und K. Walkerová als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2006/323/EG der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien (ABl. 2006, L 119, S. 12) erlässt DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin), des Richters V. Vadapalas, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter K. O’Higgins und M. van der Woude, Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2011 folgendes Urteil Vorgeschichte des Rechtsstreits Tonerde 1 Tonerde (Aluminiumoxid) ist ein weißes Pulver, das vor allem zur Aluminiumherstellung verwendet wird. Es wird aus Bauxit durch Raffinierung gewonnen, deren letzter Schritt die Kalzinierung ist. Über 90 % der kalzinierten Tonerde wird zu Aluminium verhüttet. Der Rest wird weiterverarbeitet und für chemische Zwecke verwendet. Es gibt zwei getrennte sachlich relevante Märkte: Schmelz-Aluminiumoxid und reines Aluminiumoxid. Mineralöle können bei der Tonerdegewinnung als Brennstoff verwendet werden. 2 In Irland, Italien und Frankreich gibt es jeweils nur einen Tonerdehersteller. Es handelt sich um die Aughinish Alumina Ltd (im Folgenden: AAL) in der Region Shannon, die Eurallumina SpA auf Sardinien und die Alcan Inc. in der Region Gardanne. Tonerdehersteller gibt es auch in Deutschland, in Spanien, in Griechenland, in Ungarn und im Vereinigten Königreich. Richtlinien über die Verbrauchsteuern auf Mineralöle 3 Die Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (ABl. L 316, S. 12) regelt die Verbrauchsteuern auf Mineralöle. 4 Nach Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 92/81 erheben die Mitgliedstaaten nach deren Maßgabe eine harmonisierte Verbrauchsteuer auf Mineralöle und setzen ihre Verbrauchsteuersätze nach Maßgabe der Richtlinie 92/82/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle (ABl. L 316, S. 19) fest. 5 Nach Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 kann der Rat einen Mitgliedstaat ermächtigen, andere als die ausdrücklich von dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von der Verbrauchsteuer zu gewähren. Die Bestimmung lautet: „Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig einen Mitgliedstaat ermächtigen, weitere Steuerbefreiungen oder Ermäßigungen aus besonderen politischen Erwägungen zu gewähren. Mitgliedstaaten, die eine solche Maßnahme einzuführen beabsichtigen, setzen die Kommission hiervon in Kenntnis und übermitteln ihr alle einschlägigen oder erforderlichen Informationen. Die Kommission unterrichtet die übrigen Mitgliedstaaten innerhalb eines Monats über die vorgeschlagene Maßnahme. Die vorgeschlagene Steuerbefreiung oder Ermäßigung gilt als vom Rat genehmigt, wenn innerhalb von zwei Monaten nach der in Unterabsatz 2 genannten Unterrichtung der übrigen Mitgliedstaaten weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat beantragt hat, dass der Rat mit dieser Frage befasst wird.“ 6 Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81 lautet: „Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass die in Absatz 4 genannten Befreiungen oder Ermäßigungen – insbesondere unter dem Aspekt des fairen Wettbewerbs, wegen einer Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarktes oder aufgrund der Umweltschutzpolitik der Gemeinschaft – nicht länger aufrechterhalten werden können, so unterbreitet sie dem Rat geeignete Vorschläge. Der Rat beschließt einstimmig über diese Vorschläge.“ 7 In Art. 6 der Richtlinie 92/82 wurde der Mindestsatz der Verbrauchsteuer auf schweres Heizöl, den die Mitgliedstaaten ab 1. Januar 1993 anzuwenden hatten, auf 13 Euro je 1000 kg festgelegt. 8 Mit der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51) sind die Richtlinien 92/81 und 92/82 mit Wirkung vom 31. Dezember 2003 aufgehoben worden. 9 Nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2003/96 gilt diese nicht für Verwendungen von Energieerzeugnissen mit zweierlei Verwendungszweck. Nach dieser Bestimmung hat ein Energieerzeugnis dann zweierlei Verwendungszweck, wenn es sowohl als Heizstoff als auch für andere Zwecke als Heiz- oder Kraftstoff verwendet wird. Die Verwendung von Energieerzeugnissen bei der chemischen Reduktion, bei Elektrolysen und bei Prozessen in der Metallindustrie ist als zweierlei Verwendungszweck anzusehen. Seit dem 1. Januar 2004 gibt es daher keinen Mindestsatz der Verbrauchsteuer auf schweres Heizöl mehr, das für die Erzeugung von Tonerde verwendet wird. 10 Außerdem sieht Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96 vor, dass die Mitgliedstaaten vorbehaltlich einer vorherigen Überprüfung durch den Rat auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ermächtigt werden, die in Anhang II aufgeführten Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen bis zum 31. Dezember 2006 beizubehalten. In den Nrn. 6, 7 und 8 dieses Anhangs II ist u. a. die Steuerbefreiung für schweres Heizöl, das als Brennstoff für die Tonerdegewinnung in der Region Gardanne (Frankreich), im Shannon-Gebiet (Irland) bzw. auf Sardinien (Italien) verwendet wird, aufgeführt. Entscheidungen des Rates gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 11 Bei der Tonerdegewinnung verwendete Mineralöle sind in Irland, in der Italienischen Republik und in der Französischen Republik seit 1983, 1993 bzw. 1997 von der Verbrauchsteuer befreit (im Folgenden: irische, italienische bzw. französische Befreiung; zusammen: streitige Befreiungen). 12 Die irische Befreiung wurde mit dem Statutory Instrument Nr. 126/1983, Imposition of Duties (n° 265) (Excise Duty on Hydrocarbon Oils) Order, 1983 (Steuerverordnung Nr. 265: Verbrauchsteuer auf Mineralöle, 1983) vom 12. Mai 1983 in das irische Recht eingeführt. Sie wurde in der Folge in Art. 100 Abs. 1 Buchst. e des „Finance Act“ (Finanzgesetz) 1999 aufgenommen. Für die Region Shannon wurde sie mit der Entscheidung 92/510/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren in Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 92/81 ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen auf Mineralöle, die zu bestimmten Zwecken verwendet werden, beizubehalten (ABl. L 316, S. 16), genehmigt. Diese Genehmigung wurde mit der Entscheidung 97/425/EG des Rates vom 30. Juni 1997 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren der Richtlinie 92/81 ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken anzuwenden und beizubehalten (ABl. L 182, S. 22) geprüft und bis zum 31. Dezember 1998 verlängert. Mit der Entscheidung 1999/880/EG des Rates vom 17. Dezember 1999 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren der Richtlinie 92/81 ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken anzuwenden und beizubehalten (ABl. L 331, S. 73), wurde sie erneut verlängert, bis zum 31. Dezember 2000. 13 Die italienische Befreiung wurde mit dem Decreto legislativo Nr. 504 vom 26. Oktober 1995, Testo unico delle disposizioni legislative concernenti le imposte sulla produzione e sui consumi e relative sanzioni penali e amministrative (konsolidierte Fassung der Rechtsvorschriften über die Produktions- und Verbrauchsteuern und die entsprechenden strafrechtlichen und administrativen Sanktionen) (GURI Nr. 279 vom 29. November 1995, Supplemento ordinario) in das italienische Recht eingeführt. Für Sardinien wurde sie mit der Entscheidung 93/697/EG des Rates vom 13. Dezember 1993 zur Ermächtigung einiger Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren in Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 92/81 ermäßigte Verbrauchsteuersätze oder Verbrauchsteuerbefreiungen auf Mineralöle, die zu bestimmten Zwecken verwendet werden, zu gewähren oder beizubehalten (ABl. L 321, S. 29), bis zum 31. Dezember 1994 genehmigt. Diese Genehmigung wurde vom Rat ein erstes Mal mit der Entscheidung 96/273/EG vom 22. April 1996 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß dem Verfahren in Artikel 8 Absatz 4 der Richtlinie 92/81 Verbrauchsteuerermäßigungen oder -befreiungen auf Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken zu gewähren oder beizubehalten (ABl. L 102, S. 40), bis zum 31. Dezember 1996 verlängert, ein zweites Mal mit der Entscheidung 97/425 bis zum 31. Dezember 1998, ein drittes Mal mit der Entscheidung 1999/255/EG vom 30. März 1999 zur Ermächtigung bestimmter Mitgliedstaaten, gemäß der Richtlinie 92/81 für Mineralöle mit bestimmten Verwendungszwecken Verbrauchsteuerermäßigungen oder -befreiungen anzuwenden und beizubehalten, und zur Änderung der Entscheidung 97/425 (ABl. L 99, S. 26) bis zum 31. Dezember 1999 und ein viertes Mal mit der Entscheidung 1999/880 bis zum 31. Dezember 2000. 14 Die französische Befreiung wurde mit Art. 6 des Gesetzes Nr. 97-1239 vom 29. Dezember 1997, Loi de finances rectificative pour 1997 (Haushaltsberichtigungsgesetz für 1997) (JORF vom 30. Dezember 1997, S. 19101) in das französische Recht eingeführt. Für die Region Gardanne wurde sie vom Rat mit der Entscheidung 97/425 bis zum 31. Dezember 1998 genehmigt. Diese Genehmigung wurde vom Rat ein erstes Mal mit der Entscheidung 1999/255 bis zum 31. Dezember 1999 verlängert, ein zweites Mal mit der Entscheidung 1999/880 bis zum 31. Dezember 2000. 15 Mit der Entscheidung 2001/224/EG des Rates vom 12. März 2001 über Verbrauchsteuerermäßigungen und -befreiungen für Mineralöle, die zu bestimmten Zwecken verwendet werden (ABl. L 84, S. 23), der letzten Entscheidung des Rates über die streitigen Befreiungen, wird die Genehmigung, die genannten Befreiungen zu gewähren, bis zum 31. Dezember 2006 verlängert. In ihrem fünften Erwägungsgrund heißt es, dass diese Entscheidungen „dem Ergebnis etwaiger Verfahren nicht vor[greift], die möglicherweise gemäß den Artikeln 87 [EG] und 88 [EG] wegen einer Beeinträchtigung des Funktionierens des Binnenmarkts eingeleitet werden“, und dass „[s]ie … die Mitgliedstaaten keinesfalls ihrer Pflicht [enthebt], etwaige staatliche Beihilfen gemäß Artikel 88 [EG] bei der Kommission anzumelden“. Verwaltungsverfahren 16 Mit Schreiben vom 28. Januar 1983 teilte Irland der Kommission mit, dass es im Begriff sei, eine Zusage über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf das für die Tonerdegewinnung verwendete schwere Heizöl zu erfüllen, die es im April 1970 den Trägern eines Vorhabens der Extraktion von Tonerde aus Bauxit in der Shannonmündung gegeben habe. Mit Schreiben vom 22. März 1983 wies die Kommission darauf hin, dass es sich bei dieser Befreiung um eine staatliche Beihilfe handele, die angemeldet werden müsse. Wenn die Beihilfe erst jetzt umgesetzt werden sollte, könnte sie das Schreiben vom 28. Januar 1983 als Anmeldung im Sinne von Art. 93 Abs. 3 EWG-Vertrag ansehen. Mit Scheiben vom 6. Mai 1983 bat Irland die Kommission darum, so zu verfahren. Nach diesem Schriftwechsel wurde von der Kommission keine Entscheidung getroffen. 17 Mit Schreiben vom 29. Mai 1998 und 2. Juni 1998 erbat die Kommission Auskünfte von der Italienischen Republik und der Französischen Republik, um zu prüfen, ob die italienische und die französische Befreiung unter die Art. 87 EG und 88 EG fallen. Auf eine Erinnerung durch die Kommission am 16. Juni 1998 hin antwortete die Italienische Republik am 20. Juli 1998. Die Französische Republik antwortete, nachdem sie am 10. Juli 1998 um eine Verlängerung der Antwortfrist gebeten hatte, die am 24. Juli 1998 gewährt wurde, mit Schreiben vom 7. August 1998. 18 Mit Schreiben vom 17. Juli 2000 forderte die Kommission die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik auf, die streitigen Befreiungen bei ihr anzumelden. Die französischen Stellen antworteten mit Schreiben vom 4. September 2000. Mit Schreiben vom 27. September 2000 erinnerte die Kommission Irland und die Italienische Republik an ihre Aufforderung und bat sie und die Französische Republik um weitere Auskünfte. Die irischen Stellen antworteten mit Schreiben vom 18. Oktober 2000. Nach einer Erinnerung durch die Kommission am 20. November 2000 antworteten auch die italienischen und die französischen Stellen, und zwar am 7. bzw. 8. Dezember 2000. 19 Mit den Beschlüssen K (2001) 3296, K (2001) 3300 und K (2001) 3295 vom 30. Oktober 2001 leitete die Kommission in Bezug auf die irische, die italienische und die französische Befreiung das förmliche Prüfverfahren gemäß Art. 88 Abs. 2 EG ein. Diese Beschlüsse wurden Irland, der Italienischen Republik und der Französischen Republik mit Schreiben vom 5. November 2001 übermittelt und am 2. Februar 2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. C 30, S. 17, 21 und 25). 20 Die Kommission erhielt Stellungnahmen von AAL, Eurallumina, Alcan und der Association européenne de l’aluminium. Sie wurden Irland, der Italienischen Republik und der Französischen Republik am 26. März 2002 mitgeteilt. 21 Nachdem Irland mit Telefax vom 1. Dezember 2001 Fristverlängerung beantragt hatte, die am 7. Dezember 2001 gewährt wurde, nahm es mit Schreiben vom 8. Januar 2002 Stellung. Mit Schreiben vom 18. Februar 2002 forderte die Kommission Irland auf, den Nachweis dafür zu erbringen, dass es AAL vor seinem Beitritt eine bindende Zusage gegeben habe. Irland kam dieser Aufforderung mit Schreiben vom 26. April 2002 nach. Die Italienische Republik nahm mit Schreiben vom 6. Februar 2002 Stellung. Die Französische Republik nahm, nachdem sie mit Schreiben vom 21. November 2001 eine Verlängerung der Antwortfrist beantragt hatte, die am 29. November 2001 gewährt wurde, mit Schreiben vom 12. Februar 2002 Stellung. Angefochtene Entscheidung 22 Am 7. Dezember 2005 erließ die Kommission die Entscheidung 2006/323/EG über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien (ABl. 2006, L 119, S. 12, im Folgenden: angefochtene Entscheidung). 23 Die angefochtene Entscheidung betrifft den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004, dem Tag, an dem die Richtlinie 2003/96 anwendbar geworden ist. Sie erstreckt das förmliche Prüfverfahren jedoch auf den Zeitraum nach dem 1. Januar 2004. 24 Im verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung ist u. a. bestimmt: „Artikel 1 Die bis 31. Dezember 2003 von Frankreich, Irland und Italien gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf schwere Heizöle, die zur Tonerdegewinnung verwendet werden, stellen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 [EG] dar. Artikel 2 Zwischen dem 17. Juli 1990 und 2. Februar 2002 gewährte Beihilfen werden, soweit sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, nicht zurückgefordert, da dies gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde. Artikel 3 Die zwischen dem 3. Februar 2002 und 31. Dezember 2003 gewährten, in Artikel 1 genannten Beihilfen sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 [EG] vereinbar, soweit die Begünstigten mindestens einen Steuersatz von 13,01 EUR pro 1000 kg schweres Heizöl zahlen. Artikel 4 Die zwischen dem 3. Februar 2002 und 31. Dezember 2003 gewährten … Beihilfen sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 [EG] unvereinbar, soweit die Begünstigten nicht einen Steuersatz von 13,01 EUR pro 1000 kg schweres Heizöl zahlten. Artikel 5 (1)   Frankreich, Irland und Italien ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um von den Empfängern die in Artikel 4 genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen zurückzufordern. … (5)   Frankreich, Irland und Italien weisen die Empfänger der in Artikel 4 genannten, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung an, die rechtswidrig gewährten Beihilfen mit Zinsen zurückzuzahlen.“ Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof 25 Mit Klageschriften, die am 16. Februar 2006 (Rechtssache T-60/06), am 17. Februar 2006 (Rechtssachen T-50/06 und T-56/06) und am 23. Februar 2006 (Rechtssachen T-62/06 und T-69/06) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Kläger, d. h. die Italienische Republik, Irland, die Französische Republik, Eurallumina und AAL Klagen auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben. 26 Mit besonderem Schriftsatz, der am 22. März 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat AAL gemäß Art. 242 EG beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes den Vollzug der angefochtenen Entscheidung, soweit diese sie betrifft, auszusetzen. Mit Beschluss vom 2. August 2006, Aughinish Alumina/Kommission (T-69/06 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat der Präsident des Gerichts diesen Antrag zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten. 27 Gemäß Art. 14 der Verfahrensordnung des Gerichts hat das Gericht auf Vorschlag der Zweiten Kammer nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 51 der Verfahrensordnung die vorliegenden Rechtssachen an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen. 28 Mit Beschluss vom 24. Mai 2007 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer des Gerichts die vorliegenden Rechtssachen nach Anhörung der Parteien gemäß Art. 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden. 29 Mit Urteil vom 12. Dezember 2007, Irland u. a./Kommission (T-50/06, T-56/06, T-60/06, T-62/06 und T-69/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), hat das Gericht die vorliegenden Rechtssachen zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. Es hat die angefochtene Entscheidung mit der Begründung für nichtig erklärt, die Kommission habe im Hinblick auf die Nichtanwendung von Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] EG (ABl. L 83, S. 1) gegen ihre Begründungspflicht aus Art. 253 EG verstoßen. Ferner hat das Gericht die Klage in der Rechtssache T-62/06 im Übrigen abgewiesen, nachdem es festgestellt hatte, dass die Klageanträge von Eurallumina auf Feststellung, dass die durch die Entscheidung 2001/224 genehmigte italienische Befreiung bis zum 31. Dezember 2006 rechtmäßig war und die von der Italienischen Republik bis zu diesem Zeitpunkt oder zumindest bis zum 31. Dezember 2003 gezahlten oder zu zahlenden Gelder nicht als rechtswidrige staatliche Beihilfen anzusehen oder nicht zu erstatten sind, oder auf Abänderung der Art. 5 und 6 der angefochtenen Entscheidung unzulässig sind. 30 Mit Rechtsmittelschrift vom 26. Februar 2008 hat die Kommission Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts eingelegt. 31 Mit Rechtsmittelurteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a. (C-89/08 P, Slg. 2009, I-11245), hat der Gerichtshof das Urteil Irland u. a./Kommission (oben in Randnr. 29 angeführt) aufgehoben, soweit damit die angefochtene Entscheidung mit der Begründung für nichtig erklärt worden ist, dass die Kommission in dieser Entscheidung gegen die Begründungspflicht in Bezug auf die Nichtanwendung von Art. 1 Buchst. b Ziff. v der Verordnung Nr. 659/1999 im vorliegenden Fall verstoßen habe, und der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kläger einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache T-69/06 R auferlegt worden sind. Darüber hinaus hat er die verbundenen Rechtssachen T-50/06, T-56/06, T-60/06, T-62/06 und T-69/06 an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten. 32 Auf das zurückverweisende Urteil hin sind die vorliegenden Rechtssachen mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichts vom 18. Dezember 2009 gemäß Art. 118 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Zweiten erweiterten Kammer zugewiesen worden. 33 Die Parteien haben gemäß Art. 119 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre Schriftsätze eingereicht: Irland in der Rechtssache T-50/06 RENV am 1. Februar 2010, die Italienische Republik in der Rechtssache T-60/06 RENV am 4. Februar 2010, Eurallumina in der Rechtssache T-62/06 RENV am 12. Februar 2010, die Französische Republik in der Rechtssache T-56/06 RENV und AAL in der Rechtssache T-69/06 RENV am 16. Februar 2010 und die Kommission in allen vorliegenden Rechtssachen am 28. April 2010. Die Französische Republik hat in ihrem Schriftsatz ausgeführt, dass sie im Hinblick auf die Auffassung, die der Gerichtshof in seinem zurückverweisenden Urteil vertreten habe, einen der in ihrer Klageschrift geltend gemachten Klagegründe zurücknehme, nämlich den, mit dem sie einen Verstoß gegen die Begründungspflicht gerügt hatte. 34 Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten erweiterten Kammer vom 1. März 2010 sind die vorliegenden Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden. 35 Im Zuge von Änderungen in der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Vierten Kammer zugeteilt worden; die vorliegenden Rechtssachen sind daher mit Entscheidung vom 20. September 2010 der Vierten erweiterten Kammer zugewiesen worden. 36 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung die Parteien und den Rat der Europäischen Union aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten. Die Parteien und der Rat sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen. 37 Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. September 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Anträge der Parteien im Verfahren nach der Zurückverweisung 38 In der Rechtssache T-50/06 RENV beantragt Irland, — die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die irische Befreiung betrifft; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 39 In der Rechtssache T-69/06 RENV beantragt AAL, — die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 40 In der Rechtssache T-60/06 RENV beantragt die Italienische Republik im Wesentlichen, — die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die italienische Befreiung betrifft; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 41 In der Rechtssache T-62/06 RENV beantragt Eurallumina im Wesentlichen, — die angefochtene Entscheidung vollständig oder ihre Art. 1, 4 bis 6, hilfsweise ihre Art. 5 und 6, für nichtig zu erklären, soweit diese Entscheidung oder diese Artikel sie betreffen; und/oder — festzustellen, dass die durch die Entscheidung 2001/224 genehmigte italienische Befreiung bis zum 31. Dezember 2006 rechtmäßig war und dass die von der Italienischen Republik gezahlten oder zu zahlenden Gelder nicht als staatliche Beihilfen anzusehen oder zumindest nicht zurückzufordern sind; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 42 In der Rechtssache T-56/06 RENV beantragt die Französische Republik im Wesentlichen, — die angefochtene Entscheidung vollständig oder, hilfsweise, ihren Art. 5 für nichtig zu erklären, soweit diese Entscheidung oder dieser Artikel die französische Befreiung betrifft; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 43 In den vorliegenden Rechtssachen beantragt die Kommission, — die Klagen abzuweisen; — den Klägern die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung Zu den Feststellungsanträgen von Eurallumina 44 Die Klageanträge von Eurallumina auf Feststellung, dass die durch die Entscheidung 2001/224 genehmigte italienische Befreiung bis zum 31. Dezember 2006 rechtmäßig war und die von der Italienischen Republik gezahlten oder zu zahlenden Gelder nicht als rechtswidrige staatliche Beihilfe anzusehen oder zumindest nicht zurückzufordern sind, brauchen nicht geprüft zu werden. Sie sind nämlich bereits im Urteil Irland u. a./Kommission (oben in Randnr. 29 angeführt) als unzulässig zurückgewiesen worden. Da dieses Urteil in diesem Punkt durch das Urteil Kommission/Irland u. a. (oben in Randnr. 31 angeführt) nicht aufgehoben worden ist, ist es insoweit rechtskräftig. Zusammenfassung der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und Rügen 45 Die Kläger stützen ihre Anträge auf Nichtigerklärung im Wesentlichen auf eine ganze Reihe von Klagegründen und Rügen, die sich teilweise überschneiden, auch wenn sie formal nicht denselben Gegenstand haben, da die Parteien die angefochtene Entscheidung jeweils nur insoweit anfechten, als sie die jeweilige Befreiung betrifft: bei der Italienischen Republik (Rechtssache T-60/06 RENV) und Eurallumina (Rechtssache T-62/06 RENV) die italienische, bei Irland (Rechtssache T-50/06 RENV) und AAL (Rechtssache T-69/06 RENV) die irische und bei der Französischen Republik (Rechtssache T-56/06 RENV) die französische. Es werden gerügt: Verstöße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz der Vermutung der Gültigkeit und praktischen Wirksamkeit der Rechtsakte der Union, den Grundsatz lex specialis derogat legi generali, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, den Grundsatz des Estoppel, den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Frist und den Grundsatz des Vertrauensschutzes, Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 Buchst. m EG, Art. 87 Abs. 1 und 3 EG, Art. 88 EG und Art. 157 EG, gegen die Regelung gemäß Art. 1 Buchst. b Ziff. i, iii und iv der Verordnung Nr. 659/1999 und Art. 14 Abs. 1 und Art. 17 bis 19 dieser Verordnung, gegen Art. 18 der Richtlinie 2003/96 in Verbindung mit ihrem Anhang II, gegen die Rechtsvorschriften über die Umweltschutzbeihilfen, insbesondere Randziff. 82 Buchst. a des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2001, C 37, S. 3), und gegen die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9) sowie ein Verstoß gegen die Begründungspflicht. 46 Erstens ist festzustellen, dass sich die Kläger mit ihren Klagegründen und Rügen insbesondere gegen das Ergebnis wenden, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung durch Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die streitigen Befreiungen gekommen ist. Die Parteien machen im Wesentlichen geltend, dieses Ergebnis dürfe nicht in Widerspruch stehen zu den Rechtswirkungen der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224. Bei der angefochtenen Entscheidung sei dies aber gerade der Fall: Obwohl der Rat die betreffenden Mitgliedstaaten nämlich ermächtigt habe, die genannten Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren, werde in der angefochtenen Entscheidung festgestellt oder beruhe diese auf der Feststellung, dass die von der Italienischen Republik, Irland und der Französischen Republik gewährten streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2003 staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten, und angeordnet, dass diese Beihilfen, soweit sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, von den Begünstigten zurückzufordern seien. Darüber hinaus macht AAL geltend, die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im vorliegenden Fall dürfe nicht zu einem Ergebnis führen, das in Widerspruch zu dem mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. m EG und Art. 157 EG verfolgten Ziel stehe, nämlich der Verteidigung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Union. Mit der angefochtenen Entscheidung werde aber die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie der Union auf internationaler Ebene geschwächt. 47 Zweitens wenden sich die Italienische Republik, die Französische Republik und AAL mit ihren Klagegründen und Rügen u. a. insoweit gegen die angefochtene Entscheidung, als die bis zum 31. Dezember 2003 gewährten streitigen Befreiungen darin als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft würden oder die Entscheidung auf dieser Einstufung durch die Kommission beruhe. 48 Drittens wenden sich die Italienische Republik, Irland und AAL insoweit gegen die angefochtene Entscheidung, als die bis zum 31. Dezember 2003 gewährte italienische und die vom 17. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 2003 gewährte irische Befreiung darin als neue Beihilfen und nicht als bestehende Beihilfen im Sinne von Art. 88 EG eingestuft würden oder die Entscheidung auf einer solchen Einstufung durch die Kommission beruhe. 49 Viertens wendet sich die Italienische Republik u. a. insoweit gegen die angefochtene Entscheidung, als darin festgestellt werde, dass die staatliche Beihilfe, die auf der Grundlage der italienischen Befreiung bis zum 31. Dezember 2003 gewährt worden sein soll, nicht als im Sinne von Art. 87 Abs. 3 EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könne, da sie eng mit der Verwirklichung von Zielen im Bereich des Umweltschutzes durch Eurallumina verbunden gewesen sei oder die wirtschaftliche Entwicklung von Sardinien gefördert habe. 50 Fünftens wenden sich die Kläger mit ihren Klagegründen und Rügen u. a. insoweit gegen die angefochtene Entscheidung, als mit ihr angeordnet werde, dass die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik die staatlichen Beihilfen, die sie auf der Grundlage der streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2003 gewährt haben sollen, von den Begünstigten zurückzufordern hätten. 51 Im vorliegenden Fall ist es zweckmäßig, zunächst die Klagegründe und Rügen zu prüfen, mit denen die Kläger im Wesentlichen eine rechtswidrige Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die von der Italienischen Republik, Irland und der Französischen Republik auf der Grundlage und nach Maßgabe der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, bis zum 31. Dezember 2003 gewährten streitigen Befreiungen rügen. Zu den Klagegründen und Rügen, mit denen eine rechtswidrige Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Befreiungen beanstandet wird, die auf der Grundlage und nach Maßgabe von Genehmigungsentscheidungen des Rates gewährt wurden 52 In der Rechtssache T-50/06 RENV macht Irland mit seinem zweiten und seinem vierten Klagegrund u. a. geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz des Estoppel verstoßen, dass sie zu dem Ergebnis gekommen sei, die bis zum 31. Dezember 2003 gewährte irische Befreiung sei im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen teilweise mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, obwohl diese Befreiung auf der Grundlage und nach Maßgabe der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, gewährt worden sei. Die Kommission habe die Rechtmäßigkeit der Genehmigungsentscheidungen des Rates zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Darüber hinaus macht Irland mit seinem vierten Klagegrund u. a. geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz des Estoppel verstoßen, dass sie die Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die irische Befreiung zu lange nach dem Zeitpunkt angewandt habe, zu dem sie von der angeblich auf der Grundlage dieser Befreiung gewährten Beihilfe Kenntnis gehabt habe. 53 In der Rechtssache T-56/06 RENV rügt die Französische Republik mit ihrem zweiten Klagegrund, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, dass sie die Rückforderung der angeblich vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der französischen Befreiung gewährten Beihilfe angeordnet habe, obwohl die Französische Republik durch die Genehmigungsentscheidungen, zuletzt die Entscheidung 2001/224, ermächtigt worden sei, diese Befreiung zu gewähren. 54 In der Rechtssache T-60/06 RENV macht die Italienische Republik mit ihrem sechsten Klagegrund geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung u. a. gegen den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union verstoßen, indem sie die Rückforderung der angeblich vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der italienischen Befreiung gewährten Beihilfe angeordnet habe, obwohl die Italienische Republik durch die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, ermächtigt worden sei, diese Befreiung zu gewähren. 55 In der Rechtssache T-62/06 RENV macht Eurallumina mit ihrem zweiten Klagegrund geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit und praktischen Wirksamkeit der Rechtsakte der Union und den Grundsatz lex specialis derogat legi generali verstoßen, dass sie festgestellt habe, die bis zum 31. Dezember 2003 gewährte italienische Befreiung sei im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen teilweise mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, obwohl diese Befreiung auf der Grundlage und nach Maßgabe der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, gewährt worden sei. Darüber hinaus macht Eurallumina mit ihrem dritten Klagegrund geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, dass sie die Rückforderung der angeblich vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der italienischen Befreiung gewährten Beihilfe angeordnet habe, ohne zu berücksichtigen, dass die Italienische Republik durch die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, ermächtigt worden sei, diese Befreiung zu gewähren. 56 In der Rechtssache T-69/06 RENV macht AAL mit ihrem zweiten Klagegrund u. a. geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz der praktischen Wirksamkeit der Rechtsakte der Union und gegen den Grundsatz lex specialis derogat legi generali verstoßen und einen Ermessensmissbrauch begangen, dass sie festgestellt habe, die bis zum 31. Dezember 2003 gewährte irische Befreiung sei im Hinblick auf die Vorschriften über staatliche Beihilfen teilweise mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, obwohl diese Befreiung auf der Grundlage und nach Maßgabe der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, gewährt worden sei. Darüber hinaus macht AAL mit ihrem fünften Klagegrund geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, den Grundsatz der Einhaltung einer angemessenen Frist und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, dass sie die Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die irische Befreiung zu lange nach dem Zeitpunkt, zu dem sie von dieser Befreiung Kenntnis erlangt habe, angewandt habe. Schließlich macht AAL mit ihrem vierten Klagegrund geltend, die Kommission habe u. a. dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen, dass sie die angefochtene Entscheidung erlassen habe, in der sie die Rückforderung der Beihilfe, die ihr angeblich vom 3. Februar 2002 bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der irischen Befreiung gewährt worden sein soll, angeordnet habe, obwohl Irland durch die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, ermächtigt worden sei, diese Befreiung zu gewähren. 57 Die Kommission tritt in den Rechtssachen T-50/06 RENV, T-56/06 RENV, T-60/06 RENV, T-62/06 RENV und T-69/06 RENV dem gesamten Vorbringen der Kläger entgegen; ihrer Auffassung nach sind die Klagegründe und Rügen, mit denen die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene rechtswidrige Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf der Grundlage und nach Maßgabe von Genehmigungsentscheidungen des Rates gewährte Befreiungen beanstandet wird, zurückzuweisen. 58 Aus Gründen der Prozessökonomie ist es zweckmäßig, als Erstes die Klagegründe und Rügen zu prüfen, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und/oder den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union beanstandet wird. Damit machen die Kläger im Wesentlichen geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung mit der Feststellung, die von der Italienischen Republik, Irland und der Französischen Republik bis zum31. Dezember 2003 gewährten streitigen Befreiungen stellten staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG dar, und der Anordnung, diese seien, soweit mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, zurückzufordern, die Rechtswirkungen der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, teilweise zunichtegemacht, mit denen die betreffenden Mitgliedstaaten ermächtigt worden seien, diese Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren. 59 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass für die Rechtsakte der Unionsorgane grundsätzlich die Vermutung der Rechtmäßigkeit spricht, und diese Akte daher Rechtswirkungen entfalten, solange sie nicht zurückgenommen, im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt oder infolge eines Vorabentscheidungsersuchens oder einer Rechtswidrigkeitseinrede für ungültig erklärt worden sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004, Kommission/Griechenland, C-475/01, Slg. 2004, I-8923, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung). 60 Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist bei Rechtsakten, die mit einem Fehler behaftet sind, dessen Schwere so offensichtlich ist, dass er von der Unionsrechtsordnung nicht geduldet werden kann, davon auszugehen, dass sie keine – auch nur vorläufige – Rechtswirkung entfaltet haben, d. h., dass sie als rechtlich inexistent zu betrachten sind. Diese Ausnahme soll das Gleichgewicht zwischen zwei grundlegenden, manchmal jedoch widerstreitenden Erfordernissen wahren, denen eine Rechtsordnung genügen muss, nämlich der Stabilität der Rechtsbeziehungen und der Einhaltung der Rechtmäßigkeit (vgl. Urteil Kommission/Griechenland, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). 61 Die Schwere der Folgen, die mit der Feststellung der Inexistenz eines Rechtsakts der Gemeinschaftsorgane verbunden sind, verlangt, dass diese Feststellung aus Gründen der Rechtssicherheit ganz außergewöhnlichen Fällen vorbehalten bleibt (vgl. Urteil Kommission/Griechenland, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). 62 Ferner soll der Grundsatz der Rechtssicherheit nach ständiger Rechtsprechung die Voraussehbarkeit der unter das Unionsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten (Urteile des Gerichtshofs vom 10. April 2003, Schulin, C-305/00, Slg. 2003, I-3525, Randnr. 58, und vom 15. September 2005, Irland/Kommission, C-199/03, Slg. 2005, I-8027, Randnr. 69). Hierzu ist es wesentlich, dass die Unionsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern (vgl. Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T-229/94, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 113 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn das Rechtssubjekt, dessen rechtliche und sachliche Lage durch den fraglichen Rechtsakt berührt worden ist, die in diesem aufgestellten Bedingungen nicht eingehalten hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Forges de Clabecq/Kommission, T-37/97, Slg. 1999, II-859, Randnr. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt ferner, dass die Unionsorgane Widersprüche, die durch die Durchführung verschiedener Bestimmungen des Unionsrechts entstehen können, grundsätzlich vermeiden, ganz besonders dann, wenn mit diesen Vorschriften dasselbe Ziel verfolgt wird, z. B. das eines unverfälschten Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juni 1993, Matra/Kommission, C-225/91, Slg. 1993, I-3203, Randnrn. 41 und 42, und Urteil des Gerichts vom 31. Januar 2001, RJB Mining/Kommission, T-156/98, Slg. 2001, II-337, Randnr. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung). 63 Im Übrigen ist, da sich im Zusammenhang mit den vorliegenden Klagegründen und Rügen die Frage des Verhältnisses zwischen den Bestimmungen zur Harmonisierung der Steuervorschriften, insbesondere der Rechtsvorschriften über die Verbrauchsteuern, und den Vorschriften über staatliche Beihilfen stellt, auf Folgendes hinzuweisen. 64 Zum maßgeblichen Zeitpunkt bestimmte Art. 2 EG u. a., dass die Kommission ihre Aufgabe „durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes“ zu erfüllen habe. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und g EG umfasste die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne von Art. 2 EG nach Maßgabe des EG-Vertrags und der darin vorgesehenen Zeitfolge „einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist“ und „ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“. 65 Der EG-Vertrag hat die Gemeinschaft mit Handlungsinstrumenten versehen, um die verschiedenen Verzerrungen zu beseitigen, die dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts abträglich waren. 66 Zweck von Art. 93 EG ist, auf Unterschieden der nationalen Steuerregelungen beruhende Handelshindernisse abzuschwächen, auch wenn diese nicht diskriminierend angewandt werden (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 1980, Kommission/Dänemark, 171/78, Slg. 1980, 447, Randnr. 20). Die Bestimmung lautete in ihrer zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung: „Der Rat erlässt auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmungen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts innerhalb der in Artikel 14 gesetzten Frist notwendig ist.“ Nach Art. 93 EG war der Rat somit befugt, die nationalen Rechtsvorschriften über die Verbrauchsteuern anzunähern, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts notwendig war (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 1999, Socridis, C-166/98, Slg. 1999, I-3791, Randnr. 25, und Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in dieser Rechtssache, Slg. 1999, I-3793, Nr. 53). 67 Aus den Erwägungsgründen und Art. 1 Abs. 1 der auf der Grundlage von Art. 93 EG erlassenen Richtlinie 92/81 ergibt sich, dass diese über eine Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Mineralöle die Durchführung des freien Verkehrs der betreffenden Erzeugnisse und damit eine Förderung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts bezweckt (Urteil des Gerichts vom 27. September 2000, BP Chemicals/Kommission, T-184/97, Slg. 2000, II-3145, Randnr. 61). 68 Außerdem geht aus dem sechsten Erwägungsgrund und Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 hervor, dass in von der Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Mineralöle erfassten Bereichen weitere Befreiungen nicht unilateral von den Mitgliedstaaten gewährt werden können, sondern das Tätigwerden des Rates erfordern, der auf Vorschlag der Kommission einstimmig einen Mitgliedstaat ermächtigen kann, solche Abweichungen aus besonderen politischen Erwägungen zu gewähren, wenn und solange dies mit dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts vereinbar ist. 69 So heißt es im sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/81, dass „den Mitgliedstaaten … die Möglichkeit eingeräumt werden [sollte], fakultativ bestimmte andere Befreiungen oder Ermäßigungen in ihrem Hoheitsgebiet anzuwenden, sofern dies nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt“. Daraus ergibt sich, dass der gesamte Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 unter Berücksichtigung der Wettbewerbsverzerrungen auszulegen ist, zu denen die Durchführungsmaßnahmen zu dieser Vorschrift führen können (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil BP Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 62). 70 Dies wird bestätigt durch den achten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/81, in dem es heißt, dass „ein Verfahren für die Überprüfung aller Befreiungen oder Ermäßigungen gemäß dieser Richtlinie vorzusehen [ist], um zu überwachen, ob sie mit dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes auf Dauer vereinbar sind“, und durch Art. 8 Abs. 5 dieser Richtlinie, aus dem hervorgeht, dass der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission seine Genehmigungsentscheidungen überprüft, wenn die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass die genehmigten Befreiungen oder Ermäßigungen nicht länger aufrechterhalten werden können, insbesondere unter dem Aspekt des fairen Wettbewerbs oder wegen einer Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarkts. 71 Die durch staatliche Beihilfen verursachten Wettbewerbsverzerrungen werden von der Kommission im Rahmen eines Systems der vorherigen Genehmigung geprüft, wobei der Unionsrichter als Kontrollinstanz fungiert. Nach Art. 88 Abs. 3 EG sind die staatlichen Beihilfen nämlich einem Verfahren der obligatorischen Anmeldung bei der Kommission unterworfen. Dieses Verfahren gilt für alle staatlichen Beihilfen, auch für steuerliche. Die Mitgliedstaaten dürfen ihre Vorhaben nicht durchführen, ohne die Genehmigung durch die Kommission abzuwarten. Die Kommission stellt bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt nicht auf deren mögliche Form, sondern auf deren Wirkungen ab. Der Grundsatz der Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt gemäß Art. 87 EG gilt für Beihilfen „gleich welcher Art“, u. a. für bestimmte steuerliche Maßnahmen. Die Kommission kann entscheiden, dass der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfen, bei denen sie festgestellt hat, dass sie mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, umgestaltet oder aufhebt. Sind die in Rede stehenden Maßnahmen bereits durchgeführt – unter Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften –, impliziert ihre Aufhebung grundsätzlich, dass der betreffende Mitgliedstaat diese Beihilfen von den Begünstigten zurückzufordern hat. 72 Aus den Randnrn. 64 bis 71 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass mit den Vorschriften zur Harmonisierung der nationalen Steuervorschriften, insbesondere den in Art. 93 EG und in der Richtlinie 92/81 genannten Bestimmungen über die Verbrauchsabgaben und den Bestimmungen über staatliche Beihilfen in den Art. 87 EG bis 89 EG, ein und dasselbe Ziel verfolgt wird, nämlich die Förderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts durch Bekämpfung u. a. von Wettbewerbsverzerrungen. In Anbetracht ihres gemeinsamen Ziels ist bei der kohärenten Durchführung dieser verschiedenen Vorschriften davon auszugehen, dass der Begriff der Wettbewerbsverzerrung im Bereich der Harmonisierung der nationalen Steuervorschriften und im Bereich der staatlichen Beihilfen – entgegen dem Vorbringen der Kommission – dieselbe Tragweite und Bedeutung hat. Außerdem geht aus den Randnrn. 66 bis 70 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Vorschriften zur Harmonisierung der nationalen Steuervorschriften, insbesondere die in Art. 93 EG und in der Richtlinie 92/81 genannten Bestimmungen über die Verbrauchsabgaben, die Beurteilung der Frage des Vorliegens einer Wettbewerbsverzerrung, wenn es darum geht, einen Mitgliedstaat zu ermächtigen, eine Befreiung von der harmonisierten Verbrauchsteuer gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 zu gewähren oder beizubehalten, oder der Frage, ob unfairer Wettbewerb oder eine Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarkts vorliegen, so dass eine bereits auf der Grundlage der genannten Bestimmung erteilte Genehmigung gemäß Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81 überprüft werden kann, ausdrücklich den Unionsorganen überlassen, wobei die Kommission vorschlägt und der Rat entscheidet. Fallen diese Beurteilungen negativ aus, hat die Kommission dem Rat vorzuschlagen, die beantragte Befreiung nicht zu genehmigen oder gegebenenfalls die bereits erteilte Genehmigung für die Befreiung zu entziehen oder abzuändern. Ist der Rat anderer Auffassung, kann die Kommission von ihren Befugnissen gemäß Art. 230 EG Gebrauch machen; gegen die Entscheidung des Rates, eine Befreiung zu genehmigen oder eine bereits erteilte Genehmigung für eine Befreiung beizubehalten, kann sie beim Unionsrichter eine Klage auf Nichtigerklärung erheben, um prüfen zu lassen, ob die Befreiung wirklich nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung, zu unfairem Wettbewerb oder einer Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarkts führt. 73 Schließlich entspricht der Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG nach der Rechtsprechung einer objektiven Situation und hängt nicht vom Verhalten oder von den Erklärungen der Organe ab (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland u. a., oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 72). Art. 87 Abs. 1 EG erklärt staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Diese Vorschrift betrifft demnach Entscheidungen, mit denen die Mitgliedstaaten ihre eigenen wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele verfolgen, indem sie Unternehmen oder anderen Rechtssubjekten einseitig aus eigenem Recht Mittel zur Verfügung stellen oder Vorteile einräumen, die der Verwirklichung der wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele dienen sollen (Urteil des Gerichtshofs vom 27. März 1980, Denkavit italiana, 61/79, Slg. 1980, 1205, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, T-351/02, Slg. 2006, II-1047, Randnr. 100). 74 Voraussetzung dafür, dass Vergünstigungen als Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden können, ist demnach u. a., dass sie dem Staat zuzurechnen sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. Mai 2002, Frankreich/Kommission, C-482/99, Slg. 2002, I-4397, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 101), wobei die Frage, ob eine Beihilfe einem Staat zuzurechnen ist, sich von der Frage unterscheidet, ob sie aus staatlichen Mitteln gewährt worden ist (vgl. Urteil vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 103 und die dort angeführte Rechtsprechung). 75 Ob die Kommission – wie die Kläger geltend machen – dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union verstoßen hat, dass sie rechtswidrig bestimmte Rechtswirkungen der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, zunichtegemacht hat, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die bis zum 31. Dezember 2003 gewährten streitigen Beihilfen angewandt hat, ist am Maßstab der in den Randnrn. 59 bis 74 des vorliegenden Urteils dargestellten Regeln zu prüfen. 76 Im vorliegenden Fall bestreitet die Kommission nicht, dass sich die Italienische Republik, Irland und die Französischen Republik auf die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, gestützt haben, um die streitigen Befreiungen auf Sardinien, in der Region Shannon und in der Region Gardanne bis zum 31. Dezember 2003 zu gewähren oder beizubehalten, und zwar zugunsten von Eurallumina, AAL und Alcan. Wie in Randnr. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, waren diese Genehmigungsentscheidungen nämlich eine notwendige Voraussetzung für die rechtmäßige Gewährung dieser Befreiungen durch die Mitgliedstaaten. Außerdem räumt die Kommission, wie aus dem 99. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, ein, dass „die Mitgliedstaaten … mit Recht annehmen konnten, dass sie sich auf die Entscheidungen 92/510/EWG, 93/697/EG, 96/273/EG, 97/425/EG, 1999/255/EG, 1999/880/EG und 2001/224/EG verlassen können“. 77 Mit den Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, wurden die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik klar und eindeutig ermächtigt, Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die auf Sardinien, in der Region Shannon bzw. in der Region Gardanne als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden, zu gewähren oder beizubehalten, zuletzt bis zum 31. Dezember 2006, lediglich vorbehaltlich einer vorherigen Überprüfung durch den Rat auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission nach dem Verfahren des Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81 (vgl. Randnr. 6 des vorliegenden Urteils). Diese Entscheidungen galten zwar mit bestimmten räumlichen und zeitlichen Einschränkungen; sie waren für die betreffenden Mitgliedstaaten aber verbindlich, was die Kommission in den Erwägungsgründen 17 und 63 der angefochtenen Entscheidung im Übrigen berücksichtigt hat. 78 Es ist unstreitig, dass die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik die räumlichen und zeitlichen Einschränkungen der Genehmigungsentscheidungen des Rates vollends beachtet haben. Sie haben die streitigen Befreiungen nur in den Gebieten gewährt oder beibehalten, die in den Genehmigungsentscheidungen des Rates angegeben waren, nämlich auf Sardinien, in der Region Shannon bzw. in der Region Gardanne. Außerdem haben sie die streitigen Befreiungen in dem Zeitraum gewährt, für den die Genehmigungsentscheidungen des Rates galten, nämlich in dem Zeitraum bis zum 31. Dezember 2006. 79 Die Kommission macht geltend, bei den Genehmigungsentscheidungen des Rates handele es sich um eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Gewährung der streitigen Befreiungen durch die betreffenden Mitgliedstaaten. Diese Entscheidungen änderten nichts daran, dass die streitigen Befreiungen, wenn sie staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten, angemeldet und von ihr gemäß Art. 88 EG genehmigt werden müssten. Dass die Genehmigungsentscheidungen des Rates unter dem Vorbehalt einer anschließenden Anwendung der Verfahren und Vorschriften über staatliche Beihilfen erlassen worden seien, werde durch den fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224 bestätigt, in dem ausdrücklich auf etwaige Verfahren und Entscheidungen der Kommission gemäß den Art. 87 EG und 88 EG verwiesen werde. 80 Hierzu ist zum einen festzustellen, dass in den Genehmigungsentscheidungen des Rates, die der Entscheidung 2001/224 vorausgegangen sind, wie die Kommission im 97. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst einräumt, „[nicht] auf einen möglichen Widerspruch zu den Vorschriften für staatliche Beihilfen oder auf die Anmeldepflicht hingewiesen [wurde]“. Folglich kann nicht angenommen werden, dass der Rat die Rechtswirkungen dieser Entscheidungen ausdrücklich davon abhängig gemacht hätte, dass die betreffenden Mitgliedstaaten die streitigen Befreiungen gemäß Art. 88 EG bei der Kommission anmelden und diese eine Entscheidung, keine Einwände zu erheben, oder eine Positiventscheidung im Bereich der staatlichen Beihilfen erlässt. 81 Zum anderen kann der fünfte Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224, wie er in Randnr. 15 des vorliegenden Urteils auszugsweise wiedergegeben ist, entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht als Ausdruck des ausdrücklichen Willens des Rates angesehen werden, die Rechtswirkungen seiner Genehmigung davon abhängig zu machen, dass die betreffenden Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Anmeldung der streitigen Befreiungen gemäß Art. 88 EG nachkommen und die Kommission ihnen gegenüber eine Entscheidung, keine Einwände zu erheben, oder eine Positiventscheidung erlässt, und zwar aus folgenden Gründen. 82 In erster Linie ist festzustellen, dass die Auslegung des fünften Erwägungsgrundes der Entscheidung 2001/224, für die sich die Kommission ausspricht, vom Rat in seiner Antwort auf Fragen des Gerichts (vgl. Randnr. 36 des vorliegenden Urteils) implizit, aber zwingend entkräftet worden ist. Auf die Frage, ob eine Prüfung der streitigen Befreiungen unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Beihilfe, wenn sie wie im vorliegenden Fall mit einer endgültigen Negativentscheidung der Kommission endet, diese Befreiungen vorzeitig beenden könne, trotz des Wortlauts von Art. 1 der Entscheidung 2001/224, der die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik ermächtige, die streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 beizubehalten, hat der Rat geantwortet, da die Kommission nicht tätig geworden sei, entweder, indem sie von ihren Befugnissen gemäß Art. 230 EG Gebrauch gemacht, oder, indem sie einen neuen Vorschlag gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 unterbreitet hätte, sei gemäß Art. 8 Abs. 5 dieser Richtlinie, „die Entscheidung 2001/224 … gültig geblieben und die [betreffenden] Mitgliedstaaten [seien] befugt gewesen, sich auf die darin erteilte Genehmigung zu berufen, um die streitigen Befreiungen beizubehalten“. Aus dieser Antwort ergibt sich, dass der Rat nicht den Willen gehabt hat, die Wirkungen der Entscheidung 2001/224 von etwaigen anschließenden Verfahren und Entscheidungen der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen abhängig zu machen. 83 Jedenfalls ist der Auslegung des fünften Erwägungsgrundes der Entscheidung 2001/224 und des Verweises in diesem Erwägungsgrund auf etwaige Verfahren und Entscheidungen gemäß den Art. 87 EG und 88 EG, für die sich die Kommission ausspricht, nicht zu folgen; sie liefe im vorliegenden Fall nämlich auf eine widersprüchliche Durchführung der Bestimmungen zur Harmonisierung der Steuervorschriften, insbesondere der Rechtsvorschriften über die Verbrauchsabgaben, und der Vorschriften über staatliche Beihilfen hinaus, was nicht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu vereinbaren wäre (vgl. Randnr. 62 des vorliegenden Urteils). 84 Als Erstes lässt sich mit dieser Auslegung deshalb keine widerspruchsfreie Durchführung der verschiedenen im vorliegenden Fall geltend gemachten Vorschriften des Unionsrechts erreichen, weil die aufeinanderfolgenden Genehmigungsentscheidungen des Rates, die einstimmig auf Vorschlag der Kommission erlassen wurden, nach den in den Randnrn. 66 bis 68 des vorliegenden Urteils dargestellten Regeln auf der gemeinsamen Einschätzung des Rates und der Kommission beruhten, dass die streitigen Befreiungen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führten und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigten, so dass ein Tatbestandsmerkmal der staatlichen Beihilfe im Sinne von Art. 87 EG, nämlich dass sie den Wettbewerb verfälschen, von vornherein nicht erfüllt war. 85 Diese gemeinsame Einschätzung des Rates und der Kommission wird bestätigt durch den vierten Erwägungsgrund der Entscheidung 92/510, wonach „[d]ie Kommission wie auch alle Mitgliedstaaten … der Auffassung [sind], dass diese Befreiungen … nicht zu einer Verzerrung des Wettbewerbs oder zu einer Beeinträchtigung des Funktionierens des Binnenmarktes führen“, und durch eine vergleichbare Erwägung im vierten Erwägungsgrund der Entscheidung 93/697 und der Entscheidung 96/273. 86 Sie wird ferner bestätigt durch das Urteil Kommission/Irland u. a. (oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 83), in dem der Gerichtshof festgestellt hat, dass „die Kommission beim Erlass der Entscheidungen des Rates, die streitigen Befreiungen zu genehmigen, meinte, dass die Befreiungen nicht zu einer Wettbewerbsverfälschung führten und dass sie das Funktionieren des Binnenmarkts nicht behinderten“. 87 Sie wird auch vom Rat in seiner Antwort auf die Fragen des Gerichts bestätigt (vgl. Randnr. 36 des vorliegenden Urteils), wenn dieser ausführt, „er [habe] in einem Fall, der nach seinen Informationen drei besondere Begünstigte und drei weitere Tonerdeerzeuger in anderen Staaten [betroffen habe], auf der Grundlage seiner Befugnisse gemäß Art. 93 EG und somit unter Berücksichtigung der Anforderung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts die drei betreffenden Mitgliedstaaten ermächtigt, [die streitigen Befreiungen] bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beizubehalten, deren Inhalt, Tragweite und Wirkungen sowohl [ihm] als auch der Kommission durchaus bekannt gewesen [seien]“. 88 Im Übrigen wird entsprechend der gemeinsamen Einschätzung des Rates und der Kommission im fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 97/425, im vierten Erwägungsgrund der Entscheidung 1999/255, im vierten Erwägungsgrund der Entscheidung 1999/880 und – mit einer vergleichbaren Formulierung – im vierten Erwägungsgrund der Entscheidung 1999/255 ausgeführt, dass „[d]ie … Befreiungen … von der Kommission regelmäßig überprüft [würden], um ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt und anderen Zielen des [EG-Vertrags] zu gewährleisten“. 89 Schließlich hat die Kommission im 97. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt, dass, als die Genehmigungsentscheidungen, zuletzt die Entscheidung 2001/224, vom Rat einstimmig auf ihren eigenen Vorschlag erlassen worden seien, „[d]iese Formulierung … darauf [hingedeutet habe], dass eines der Elemente der Definition staatlicher Beihilfen in Artikel 87 EG-Vertrag (die Verfälschung des Wettbewerbs) [gefehlt habe]“. 90 In Anbetracht der gemeinsamen Einschätzung des Rates und der Kommission, die die Grundlage für alle Genehmigungsentscheidungen des Rates bildete, nämlich, dass die streitigen Befreiungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führten und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigten, wäre es nicht logisch, den fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224 und den Verweis darin auf etwaige Verfahren und Entscheidungen gemäß den Art. 87 EG und 88 EG dahin auszulegen, dass der Rat die Absicht gehabt hätte, die Wirkungen der Entscheidung 2001/224 von etwaigen Verfahren und Entscheidungen der Kommission im Bereich staatliche Beihilfen abhängig zu machen. Vielmehr steht diese gemeinsame Einschätzung in Einklang mit der umgekehrten Auslegung, nämlich, dass der Rat nicht die Absicht hatte, die Wirkungen der Entscheidung 2001/224 von dem Ergebnis etwaiger anschließender Verfahren und Entscheidungen im Bereich staatlicher Beihilfen abhängig zu machen. 91 Als Zweites lässt sich mit der Auslegung, für die sich die Kommission ausspricht, auch deshalb keine widerspruchsfreie Durchführung der verschiedenen im vorliegenden Fall geltend gemachten Vorschriften des Unionsrechts erreichen, weil sich die regionale Selektivität der streitigen Befreiungen unmittelbar aus den Genehmigungsentscheidungen des Rates ergab, mit denen die räumlichen Einschränkungen der streitigen Befreiungen festgelegt wurden. Wie die Kommission selbst in den Erwägungsgründen 17 und 63 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, konnten die streitigen Befreiungen nicht, wie in den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, im gesamten Hoheitsgebiet der betreffenden Mitgliedstaaten gewährt werden, sondern nur in den in Anhang I der Entscheidung 2001/224 angeführten Gebieten, auf den Art. 1 Abs. 1 dieser Entscheidung verweist; wie es im 63. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung heißt, „waren [die Genehmigungsentscheidungen des Rates] regional selektiv, da diese Entscheidungen nur Befreiungen in bestimmten Regionen zuließen und potenzielle Investoren in die Tonerdegewinnung in anderen Regionen nicht sicher sein konnten, dass für sie eine ähnliche Befreiung gilt“. Mithin konnte die regionale Selektivität dieser Maßnahmen a priori nicht den betreffenden Mitgliedstaaten zugerechnet werden, sondern ergab sich aus den Genehmigungsentscheidungen des Rates. 92 In Anbetracht der Tatsache, dass die regionale Selektivität der streitigen Befreiungen nicht von unilateralen autonomen Entscheidungen der betreffenden Mitgliedstaaten herrührte, sondern von Genehmigungsentscheidungen des Rates, wäre es widersprüchlich, den fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224 und den Verweis darin auf etwaige Verfahren und Entscheidungen gemäß den Art. 87 EG und 88 EG dahin auszulegen, dass der Rat die Absicht gehabt hätte, die Wirkungen der Entscheidung 2001/224 von etwaigen Verfahren und Entscheidungen der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen abhängig zu machen. Hingegen steht dies in Einklang mit der umgekehrten Auslegung, nämlich, dass der Rat nicht die Absicht hatte, die Wirkungen der Entscheidung 2001/224 vom Ergebnis etwaiger anschließender Verfahren und Entscheidungen im Bereich staatlicher Beihilfen abhängig zu machen. 93 Als Drittes lässt sich mit der Auslegung, für die sich die Kommission ausspricht, auch deshalb keine widerspruchsfreie Durchführung der verschiedenen im vorliegenden Fall geltend gemachten Vorschriften des Unionsrechts erreichen, weil die Nichteinhaltung des Mindestverbrauchsteuersatzes gemäß der Richtlinie 92/82 durch die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik, der für den maßgeblichen Zeitraum 13 Euro je 1000 kg betrug, in Einklang stand mit den Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, mit denen die betreffenden Mitgliedstaaten ermächtigt wurden, die streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren oder beizubehalten. Wie die Kommission im 76. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst ausführt, „handelte es sich [b]ei allen drei [vom Rat genehmigten] Befreiungen … um vollständige Befreiungen“. Sie unterschieden sich somit von den Verbrauchsteuerermäßigungen oder der Anwendung differenzierter Verbrauchsteuersätze, die von den Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt mit der Entscheidung 2001/224, unter der ausdrücklichen Voraussetzung zugelassen wurden, dass die angewandten Sätze den Anforderungen der Richtlinie 92/82 und insbesondere den Verbrauchsteuermindestsätzen gemäß dieser Richtlinie entsprechen. Dass Eurallumina, AAL und Alcan vor dem 31. Dezember 2006 keine Abgabe gezahlt haben, die zumindest dem Mindestverbrauchsteuersatz gemäß der Richtlinie 92/82 entsprach, der im relevanten Zeitraum 13 Euro je 1000 kg betrug, ist folglich auf die Entscheidungen des Rates zurückzuführen, mit denen die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik ermächtigt wurden, die Mineralöle, die auf Sardinien, in der Region Shannon und in der Region Gardanne bei der Tonerdegewinnung als Brennstoff verwendet wurden, bis zu dem genannten Zeitpunkt weiter vollständig von der Verbrauchsteuer zu befreien. 94 In Anbetracht der Art der genehmigten Maßnahmen – es handelt sich um vollständige Befreiungen von der Verbrauchsteuer und nicht Ermäßigungen von der Verbrauchsteuer unter Einhaltung des Mindestverbrauchsteuersatzes gemäß der Richtlinie 92/82 – wäre es widersinnig gewesen, wenn der Rat mit dem fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224 seinen Willen ausgedrückt hätte, deren Wirkungen von einer späteren Entscheidung der Kommission im Bereich staatliche Beihilfen abhängig zu machen, wie der angefochtenen Entscheidung, nach der von den betreffenden Mitgliedstaaten nur Ermäßigungen der Verbrauchsteuer gewährt werden durften, und zwar unter der Voraussetzung, dass die angewandten Sätze den Mindestverbrauchsteuersatz gemäß der Richtlinie 92/82 von 13 Euro je 1000 kg einhielten (vgl. 76. Erwägungsgrund und Art. 4 der angefochtenen Entscheidung). Hingegen steht die Art der vom Rat genehmigten Maßnahmen in Einklang mit der umgekehrten Auslegung, nämlich, dass der Rat nicht die Absicht gehabt hat, die Wirkungen der Richtlinie 2001/224 von dem Ergebnis etwaiger anschließender Verfahren und Entscheidungen im Bereich staatlicher Beihilfen abhängig zu machen. 95 Aus den vorstehenden Randnrn. 83 bis 94 ergibt sich, dass mit dem fünften Erwägungsgrund der Entscheidung 2001/224 und dem Verweis darin auf etwaige Verfahren und Entscheidungen der Kommission gemäß den Art. 87 EG und 88 EG entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht der Fall gemeint ist, dass die Mitgliedstaaten Ermäßigungen der Verbrauchsteuern oder Befreiungen von der Verbrauchsteuer gewähren, indem sie sich schlicht und einfach an eine von einem Unionsorgan erteilte Genehmigung halten (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile des Gerichtshofs Kommission/Griechenland, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnrn. 15, 16, 24 und 25, und vom 15. Juli 2010, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-582/08, Slg. 2010, I-7195, Randnrn. 47 bis 52). Eine solche Auslegung wäre nämlich nicht mit dem Gebot vereinbar, eine widerspruchsfreie Durchführung der verschiedenen im vorliegenden Fall geltend gemachten Vorschriften des Unionsrechts zu gewährleisten – einem Gebot, das sich selbst aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergibt (Randnr. 62 des vorliegenden Urteils). Dieser Erwägungsgrund und dieser Verweis betreffen a priori also Fälle, die sich vom vorliegenden Fall unterscheiden, nämlich in denen die Mitgliedstaaten Ermäßigungen der Verbrauchsteuer oder Befreiungen von der Verbrauchsteuer gewähren, indem sie von einem ihnen vom Unionsrecht eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. April 2006, Deutsche Bahn/Kommission, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 113; in diesem Sinne entsprechend Urteil Socridis, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnrn. 19 und 20), oder sich über die im Unionsrecht ausdrücklich zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts aufgestellten Bedingungen, wie die in der Richtlinie 92/82 festgelegten Mindestverbrauchsteuersätze, hinwegsetzen. 96 Die Kommission macht folglich zu Unrecht geltend, die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik hätten, indem sie die streitigen Befreiungen bis zum 31. Januar 2003 beibehalten hätten, eine in den Genehmigungsentscheidungen des Rates, einschließlich der Entscheidung 2001/224, enthaltene Bedingung nicht eingehalten, mit der die Wirkungen dieser Entscheidung vom Ergebnis etwaiger anschließender Verfahren und Entscheidungen der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen abhängig gemacht worden seien. 97 Mithin haben die betreffenden Mitgliedstaaten alle mit den Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, aufgestellten Bedingungen eingehalten; sie haben die streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2003 also nicht nur auf der Grundlage der Genehmigungsentscheidungen des Rates gewährt, sondern außerdem schlicht und einfach unter Einhaltung der von diesen aufgestellten Bedingungen. 98 Außerdem ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, könnten jedenfalls nicht bewirkt haben, die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik von ihrer Verpflichtung zur Beachtung der Verfahren und Vorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen zu entheben, und der Rat habe bei der Ausübung seiner Befugnisse im Bereich der Steuerharmonisierung nicht in ihre nahezu ausschließlichen Zuständigkeiten im Bereich der staatlichen Beihilfen eingreifen dürfen. Wie nämlich aus der in den Randnrn. 73 und 74 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hervorgeht, hätten die den Begünstigten möglicherweise durch die streitigen Befreiungen gewährten Vorteile, um als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden zu können, auf eine autonome und unilaterale Entscheidung der betreffenden Mitgliedstaaten zurückgehen müssen. Im vorliegenden Fall haben diese sich bei der Gewährung der streitigen Vorteile aber auf die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, gestützt und sämtliche Bedingungen dieser Entscheidungen eingehalten. Wie die Kläger in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts und in der mündlichen Verhandlung zu Recht geltend gemacht haben, sind die genannten Vorteile also der Union zuzurechnen, die die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik durch eines ihrer Organe ermächtigt hatte, die streitigen Befreiungen bis zum 31. Dezember 2006 beizubehalten, u. a. mit der Erwägung, dass diese Befreiungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führten. 99 Solange die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, in Kraft waren und weder vom Rat geändert noch vom Unionsrichter für nichtig erklärt worden sind, konnte die Kommission die streitigen Befreiungen auch in Ausübung ihrer nahezu ausschließlichen Befugnisse gemäß den Art. 87 EG und 88 EG nicht als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG einstufen. Da die verfahrensmäßigen Pflichten gemäß Art. 88 EG an die Einstufung der betreffenden Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG anknüpften, hat die Kommission den betreffenden Mitgliedstaaten auch zu Unrecht vorgeworfen, die bis zum 31. Dezember 2003 auf der Grundlage der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, unter Einhaltung der in diesen Entscheidungen aufgestellten Bedingungen gewährten streitigen Befreiungen nicht angemeldet zu haben. 100 Obwohl sie eine entsprechende Aufgabe hatte (vgl. Randnr. 72 des vorliegenden Urteils), hat die Kommission zu keiner Zeit von den Befugnissen Gebrauch gemacht, über die sie verfügt hat, um eine Aufhebung oder Umgestaltung der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, eine Nichtigerklärung dieser Entscheidungen oder eine Feststellung der Ungültigkeit der Richtlinie 92/81 insgesamt oder lediglich ihres Art. 8 Abs. 4 zu erwirken. Sie hat im 96. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst eingeräumt, dass „man [i]m Allgemeinen … nicht erwarten [würde], dass [sie] dem Rat Vorschläge zur Genehmigung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten vorlegt, die mit anderen Bestimmungen des EG-Vertrags unvereinbar sein könnten, ohne auf diese Möglichkeit hinzuweisen, insbesondere wenn die Vorschläge wie in diesem Fall eine sehr spezielle Frage und eine kleine Zahl von Begünstigten betreffen und wenn diese Bestimmungen Wettbewerbsverfälschungen in der Gemeinschaft verhindern sollen“, noch, „dass [sie] vorschlägt, dass der Rat eine Verlängerung einer bestehenden Befreiung genehmigt, wenn sie der Ansicht wäre, dass etwaige Beihilfen im Rahmen der bestehenden Befreiung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt werden könnten“. Im Hinblick auf die Verpflichtung der Kommission, eine widerspruchsfreie Durchführung der Vorschriften im Bereich der staatlichen Beihilfen und der anderen auf die streitigen Befreiungen anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts zu gewährleisten (Randnr. 61 des vorliegenden Urteils), ist auch nicht zu erwarten, dass die Kommission, wenn sie der Auffassung sein sollte, dass bestimmte Wirkungen der Genehmigungsentscheidungen des Rates oder der Richtlinie 92/81 mit den Vorschriften über die staatlichen Beihilfen unvereinbar sind, davon absähe, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um eine Umgestaltung oder teilweise Aufhebung dieser Entscheidungen oder eine Feststellung der Ungültigkeit von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 zu erwirken, auf dessen Grundlage diese Entscheidungen erlassen wurden. 101 Dass die streitigen Befreiungen im vorliegenden Fall nicht als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG eingestuft werden konnten, änderte nichts daran, dass sie Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81 unterworfen blieben, so dass sie Gegenstand von „Verfahren …, die möglicherweise … wegen einer Beeinträchtigung des Funktionierens des Binnenmarkts eingeleitet werden“, sein konnten, wie der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/224 vorsieht. Art. 1 Abs. 2 der Entscheidung 2001/224 bestätigt, dass die die vom Rat erteilte Genehmigung am 31. Dezember 2006 auslief, „vorbehaltlich einer vorherigen Überprüfung durch den Rat auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission“ nach dem Verfahren des Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 92/81. Es ist aber unstreitig, dass die Kommission dem Rat auf dieser Grundlage, gestützt auf die Erwägung, dass die streitigen Befreiungen – insbesondere unter dem Aspekt des fairen Wettbewerbs oder wegen einer Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarkts – nicht länger aufrechterhalten werden könnten, zu keinem Zeitpunkt einen geeigneten Vorschlag unterbreitet hat. 102 Die Kommission hat auch nicht von ihren Befugnissen gemäß Art. 230 EG Gebrauch gemacht, um wegen eines Beurteilungsfehlers hinsichtlich der Tatsache, dass die streitigen Befreiungen nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung, unfairem Wettbewerb oder einer Verzerrung des Funktionierens des Binnenmarkts führten, die Nichtigerklärung der einen oder anderen Genehmigungsentscheidung des Rates zu erwirken. Sie hat auch nicht gemäß Art. 241 EG (jetzt Art. 277 AEUV) die Einrede der Rechtswidrigkeit der Richtlinie 92/81 insgesamt oder lediglich von deren Art. 8 Abs. 4 erhoben. Daher sind weder die Genehmigungsentscheidungen des Rates noch die Richtlinie 92/81 vom Unionsrichter vollständig oder teilweise für nichtig oder ungültig erklärt worden. 103 Schließlich hat die Kommission zu keinem Zeitpunkt – nicht einmal in ihren Schriftsätzen in den vorliegenden Rechtssachen – behauptet, dass die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, oder die Richtlinie 92/81, insgesamt oder lediglich deren Art. 8 Abs. 4, als inexistent anzusehen wären, oder auch nur, dass diese Rechtsakte rechtswidrig seien. 104 Wie der Rat in seiner Antwort auf die Fragen des Gerichts zu Recht geltend macht (vgl. Randnr. 36 des vorliegenden Urteils), war die Entscheidung 2001/224 zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung existent und blieb gültig. Für diese Entscheidung, für die ihr vorausgegangenen Genehmigungsentscheidungen des Rates und für die Richtlinie 92/81, insbesondere für deren Art. 8 Abs. 4, galt die Vermutung der Rechtmäßigkeit, die für jeden Rechtsakt der Union gilt. Diese Entscheidungen und diese Richtlinie entfalteten alle ihre Rechtswirkungen. Folglich waren die Italienische Republik, Irland und die Französische Republik ermächtigt, sich auf die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, zu stützen, um die streitigen Befreiungen auf Sardinien, in der Region Shannon bzw. in der Region Gardanne beizubehalten, insbesondere bis zum 31. Dezember 2003. Durch diese Entscheidungen war die Kommission im Prinzip daran gehindert, die streitigen Befreiungen in der angefochtenen Entscheidung den betreffenden Mitgliedstaaten zuzurechnen, sie folglich als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG einzustufen und ihre teilweise Rückforderung anzuordnen, soweit sie sie gemäß Art. 87 Abs. 3 EG für mit dem Binnenmarkt unvereinbar hielt. 105 Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung, indem sie unmittelbar die Gültigkeit der von der Italienischen Republik, Irland und der Französischen Republik bis zum 31. Dezember 2003 gewährten streitigen Befreiungen in Zweifel zieht, auch – mittelbar, aber zwingend – die Gültigkeit der Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt der Entscheidung 2001/224, und deren Rechtswirkungen in Zweifel zieht. Damit verstößt sie gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union. 106 Folglich ist in den verbundenen Rechtssachen T-50/06 RENV, T-56/06 RENV, T-60/06 RENV, T-62/06 RENV und T-69/06 RENV den Klagegründen und den Rügen, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und/oder den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union geltend gemacht wird, stattzugeben. 107 Was als Zweites die von Eurallumina in der Rechtssache T-62/06 RENV geltend gemachte Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung angeht, ist festzustellen, dass dieser Grundsatz als solcher dem Einzelnen nach der Rechtsprechung keine Rechte verleiht (Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 2001, Area Cova u. a./Rat und Kommission, T-196/99, Slg. 2001, II-3597, Randnr. 43), sofern er keine Ausprägung spezifischer Rechte darstellt (Urteile des Gerichts vom 4. Oktober 2006, Tillack/Kommission, T-193/04, Slg. 2006, II-3995, Randnr. 127, und vom 13. November 2008, SPM/Rat und Kommission, T-128/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 127). 108 Nach den vorstehenden Ausführungen hat die Kommission mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung insbesondere Befreiungen von der Verbrauchsteuer beeinträchtigt, die, wie aus den Erwägungsgründen 18, 20 und 63 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, von der Italienischen Republik Eurallumina für ihre Produktionsstätte auf Sardinien gewährt wurden, in Anwendung der vom Rat in der Entscheidung 2001/224 erteilten Genehmigung. Solange die Genehmigungsentscheidungen des Rates, zuletzt die Entscheidung 2001/224, in Kraft waren und weder vom Rat geändert noch vom Unionsrichter für nichtig erklärt worden sind, war die Kommission durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union daran gehindert, in Ausübung ihrer nahezu ausschließlichen Befugnisse im Bereich staatlicher Beihilfen eine Entscheidung zu erlassen, die in Widerspruch steht zu den Rechtswirkungen der Entscheidung 2001/224, insbesondere dadurch, dass sie die spezifischen Rechte in Frage stellt, die die Italienische Republik Eurallumina in Anwendung dieser Entscheidung gewährt hatte. 109 Die Kommission hat daher dadurch, dass sie die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ohne die spezifischen Rechte zu berücksichtigen, die die Italienische Republik Eurallumina in Anwendung der Entscheidung 2001/224 gewährt hatte und die als Rechtswirkungen dieser Entscheidung rechtlich durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grundsatz der Vermutung der Rechtmäßigkeit der Rechtsakte der Union geschützt waren, auch gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. 110 Ohne dass die anderen Klagegründe oder Rügen, die von Irland in der Rechtssache T-50/06 RENV, von AAL in der Rechtssache T-69/06 RENV, von der Italienischen Republik in der Rechtssache T-60/06 RENV, von Eurallumina in der Rechtssache T-62/06 RENV und von der Französischen Republik in der Rechtssache T-56/06 RENV geltend gemacht werden, geprüft zu werden brauchen, ist die angefochtene Entscheidung somit insoweit für nichtig zu erklären, als darin festgestellt wird oder sie auf der Feststellung beruht, dass die bis zum 31. Dezember 2003 von der Französischen Republik, Irland und der Italienischen Republik gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden, staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen, und mit ihr angeordnet wird, dass die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um von den Empfängern diese Befreiungen zurückzufordern, soweit diese nicht eine Verbrauchsteuer von 13,01 Euro je 1000 kg schweres Heizöl gezahlt haben. Kosten 111 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. 112 Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen der Kläger die Kosten aufzuerlegen, einschließlich derjenigen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes in der Rechtssache T-69/06 R. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Entscheidung 2006/323/EG der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die Befreiung von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung in den Regionen Gardanne und Shannon und auf Sardinien verwendet werden, durch Frankreich, Irland und Italien wird insoweit für nichtig erklärt, als darin festgestellt wird oder sie auf der Feststellung beruht, dass die bis zum 31. Dezember 2003 von der Französischen Republik, Irland und der Italienischen Republik gewährten Befreiungen von der Verbrauchsteuer auf Mineralöle, die als Brennstoff zur Tonerdegewinnung verwendet werden, staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellen, und mit ihr angeordnet wird, dass die Französische Republik, Irland und die Italienische Republik alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um von den Empfängern diese Befreiungen zurückzufordern, soweit diese nicht eine Verbrauchsteuer von 13,01 Euro je 1000 kg schweres Heizöl gezahlt haben. 2. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten und in der Rechtssache T-50/06 RENV die Kosten Irlands, in der Rechtssache T-56/06 RENV die Kosten der Französischen Republik, in der Rechtssache T-60/06 RENV die Kosten der Italienischen Republik, in der Rechtssache T-62/06 RENV die Kosten der Eurallumina SpA und in der Rechtssache T-69/06 RENV die Kosten der Aughinish Alumina Ltd, einschließlich der in der Rechtssache T-69/06 R durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten. Pelikánová Vadapalas Jürimäe O’Higgins Van der Woude Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. März 2012. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Vorgeschichte des Rechtsstreits Tonerde Richtlinien über die Verbrauchsteuern auf Mineralöle Entscheidungen des Rates gemäß Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 92/81 Verwaltungsverfahren Angefochtene Entscheidung Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof Anträge der Parteien im Verfahren nach der Zurückverweisung Rechtliche Würdigung Zu den Feststellungsanträgen von Eurallumina Zusammenfassung der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und Rügen Zu den Klagegründen und Rügen, mit denen eine rechtswidrige Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Befreiungen beanstandet wird, die auf der Grundlage und nach Maßgabe von Genehmigungsentscheidungen des Rates gewährt wurden Kosten (*1) Verfahrenssprachen: Englisch, Französisch und Italienisch.
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 13. März 2012.#Melli Bank plc gegen Rat der Europäischen Union.#Rechtsmittel – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation – Einfrieren der Gelder des Tochterunternehmens einer Bank – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Eigentum an oder Kontrolle der Einrichtung.#Rechtssache C‑380/09 P.
62009CJ0380
ECLI:EU:C:2012:137
2012-03-13T00:00:00
Gerichtshof, Mengozzi
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62009CJ0380 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 13. März 2012 (*1) „Rechtsmittel — Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik — Restriktive Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran zur Verhinderung der nuklearen Proliferation — Einfrieren der Gelder des Tochterunternehmens einer Bank — Grundsatz der Verhältnismäßigkeit — Eigentum an oder Kontrolle der Einrichtung“ In der Rechtssache C-380/09 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 25. September 2009, Melli Bank plc mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), vertreten durch D. Anderson und D. Wyatt, QC, sowie R. Blakeley, Barrister, beauftragt durch S. Gadhia und T. Din, Solicitors, Rechtsmittelführerin, andere Verfahrensbeteiligte: Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bishop und R. Szostak als Bevollmächtigte, Beklagter im ersten Rechtszug, Französische Republik, vertreten durch E. Belliard, G. de Bergues, L. Butel und E. Ranaivoson als Bevollmächtigte, Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten im Beistand von S. Lee, Barrister, Europäische Kommission, vertreten durch S. Boelaert und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte, Streithelfer im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.-C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal sowie des Richters A. Rosas (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann, E. Juhász, D. Šváby, der Richterin M. Berger und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwalt: P. Mengozzi, Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2011, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Juni 2011 folgendes Urteil 1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Melli Bank plc (im Folgenden: Melli Bank) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 9. Juli 2009, Melli Bank/Rat (T-246/08 und T-332/08, Slg. 2009, II-2629, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses die Klagen der Bank abgewiesen hat, die zum einen, in den Rechtssachen T-246/08 und T-332/08, die Nichtigerklärung von Abschnitt B Nr. 4 des Anhangs des Beschlusses 2008/475/EG des Rates vom 23. Juni 2008 zur Durchführung von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 163, S. 29, im Folgenden: streitiger Beschluss), soweit sie davon betroffen war, und zum anderen, in der Rechtssache T-332/08, falls erforderlich, die Feststellung der Unanwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 des Rates vom 19. April 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran (ABl. L 103, S. 1) zum Gegenstand hatten. 2 Wie das Gericht in Randnr. 1 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, handelt es sich bei der Rechtsmittelführerin, der Melli Bank plc, um eine eingetragene Aktiengesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die von der Financial Services Authority (Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen im Vereinigten Königreich, im Folgenden: FSA) zugelassen und beaufsichtigt wird. Sie nahm ihre Bankgeschäfte im Vereinigten Königreich am 1. Januar 2002 nach Umwandlung der in diesem Land bestehenden Zweigstelle der Bank Melli Iran auf. Diese Bank, die als Muttergesellschaft die gesamten Anteile der Melli Bank hält, ist eine vom iranischen Staat kontrollierte iranische Bank. Rechtlicher Rahmen Resolutionen 1737 (2006) und 1747 (2007) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen 3 Um Druck auf die Islamische Republik Iran auszuüben, damit sie die mit der Gefahr einer Verbreitung von Kernwaffen einhergehenden nuklearen Tätigkeiten und die Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen (im Folgenden: nukleare Proliferation) einstellt, verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) am 23. Dezember 2006 die Resolution 1737 (2006). 4 In Nr. 12 dieser Resolution „beschließt [der Sicherheitsrat], dass alle Staaten die sich zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Resolution oder zu jedem späteren Zeitpunkt in ihrem Hoheitsgebiet befindenden Gelder, anderen finanziellen Vermögenswerte und wirtschaftlichen Ressourcen einfrieren werden, die im Eigentum oder unter der Kontrolle der in der Anlage bezeichneten Personen oder Einrichtungen oder weiterer Personen oder Einrichtungen stehen, die nach Feststellung des [Sicherheitsr]ates oder des [Sanktionsa]usschusses an den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten der Islamischen Republik Iran oder an der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen, oder von Personen oder Einrichtungen, die in ihrem Namen oder auf ihre Anweisung handeln, oder von Einrichtungen, die in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle stehen, auch durch unerlaubte Mittel …“. 5 Die Anlage der Resolution 1737 (2006) enthielt eine Liste mit Personen und Einrichtungen, die an der nuklearen Proliferation beteiligt waren und deren Gelder und wirtschaftliche Ressourcen (im Folgenden: Gelder) eingefroren werden sollten. 6 Diese Liste wurde in der Folge durch mehrere Resolutionen aktualisiert, insbesondere durch die Resolution 1747 (2006) des Sicherheitsrates vom 24. März 2007, durch die die Gelder der iranischen Bank Sepah und deren Tochtergesellschaft im Vereinigten Königreich, der Bank Sepah International plc, eingefroren wurden. Gegen die Rechtsmittelführerin ordnete der Sicherheitsrat keine Maßnahmen des Einfrierens von Geldern an. Gemeinsamer Standpunkt 2007/140/GASP 7 Für die Europäische Union wurde die Resolution 1737 (2006) durch den Gemeinsamen Standpunkt 2007/140/GASP des Rates vom 27. Februar 2007 über restriktive Maßnahmen gegen Iran umgesetzt (ABl. L 61, S. 49). 8 In Art. 5 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 heißt es: „Sämtliche Gelder …, die sich im Besitz, im Eigentum, in der Verfügungsgewalt oder unter direkter oder indirekter Kontrolle folgender Personen oder Einrichtungen befinden, werden eingefroren: a) Personen und Einrichtungen, die in der Anlage der UNSCR 1737 aufgeführt sind, sowie zusätzlich die Personen und Einrichtungen, die vom Sicherheitsrat oder dem Ausschuss gemäß Nummer 12 der UNSCR 1737 bezeichnet wurden; diese Personen und Einrichtungen werden in Anhang I aufgeführt; b) Personen und Einrichtungen, die nicht in Anhang I aufgeführt sind und die an den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans oder an der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen oder Personen oder Einrichtungen, die in ihrem Namen oder auf ihre Weisung handeln, oder Einrichtungen, die in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle stehen, auch durch unerlaubte Mittel; diese Personen und Einrichtungen werden in Anhang II aufgeführt.“ 9 Die Rechtsmittelführerin wird in den Anhängen des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 nicht erwähnt. Verordnung Nr. 423/2007 10 Soweit die Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft betroffen waren, wurde die Resolution 1737 (2006) mit der Verordnung Nr. 423/2007 umgesetzt, die auf der Grundlage der Art. 60 EG und 301 EG erlassen wurde, sich auf den Gemeinsamen Standpunkt 2007/140 bezieht und sich inhaltlich weitgehend mit ihm deckt, da die Namen derselben Einrichtungen und natürlichen Personen in den Anhängen dieser Verordnung aufgeführt sind. 11 Art. 5 dieser Verordnung verbietet bestimmte Transaktionen mit Personen oder Einrichtungen im Iran oder für Zwecke einer Verwendung im Iran. 12 Art. 7 dieser Verordnung bestimmt: „(1)   Sämtliche Gelder …, die Eigentum oder Besitz der in Anhang IV aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren. In Anhang IV werden die vom Sicherheitsrat … oder vom Sanktionsausschuss nach Nummer 12 der UNSCR 1737 (2006) benannten Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt. (2)   Sämtliche Gelder …, die Eigentum oder Besitz der in Anhang V aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren. In Anhang V werden die nicht von Anhang IV erfassten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt, die gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 … a) an den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen oder b) an der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen durch Iran beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen oder c) im Namen oder auf Anweisung einer unter Buchstabe a oder b genannten Person, Organisation oder Einrichtung handeln oder d) eine juristische Person, Organisation oder Einrichtung sind, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer unter Buchstabe a oder b genannten Person, Organisation oder Einrichtung – auch durch unerlaubte Mittel – stehen. (3)   Den in den Anhängen IV und V aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen dürfen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen. (4)   Es ist verboten, wissentlich und vorsätzlich an Aktivitäten teilzunehmen, mit denen die Umgehung der in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Maßnahmen bezweckt oder bewirkt wird.“ 13 Die Rechtsmittelführerin ist in Anhang V der Verordnung Nr. 423/2007 nicht erwähnt. 14 Art. 13 dieser Verordnung verpflichtet die betroffenen Personen und Einrichtungen, den zuständigen Behörden verschiedene Angaben zu übermitteln und mit ihnen zusammenzuarbeiten. 15 In Art. 15 Abs. 2 und 3 dieser Verordnung heißt es: „(2)   Der Rat erstellt, überprüft und ändert mit qualifizierter Mehrheit die Liste der Personen, Organisationen und Einrichtungen nach Artikel 7 Absatz 2 in vollem Einklang mit den vom Rat in Bezug auf Anhang II des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 … gemachten Feststellungen. Die Liste in Anhang V wird in regelmäßigen Abständen und mindestens alle zwölf Monate überprüft. (3)   Der Rat gibt einzelfallbezogene und spezifische Gründe für die gemäß Absatz 2 getroffenen Beschlüsse an und gibt diese den betroffenen Personen, Organisationen und Einrichtungen bekannt.“ 16 Nach Art. 16 der Verordnung Nr. 423/2007 legen die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Verordnung Sanktionen fest. Die Resolution 1803 (2008) des Sicherheitsrats 17 In Nr. 10 der Resolution 1803 (2008) des Sicherheitsrats vom 3. März 2008 hat dieser „alle Staaten auf[gefordert], Wachsamkeit in Bezug auf die Tätigkeiten der in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Finanzinstitute mit allen Banken mit Sitz in Iran zu üben, insbesondere mit der Bank Melli und der Bank Saderat und deren Niederlassungen und Tochtergesellschaften im Ausland, um zu vermeiden, dass diese Tätigkeiten zu proliferationsrelevanten Tätigkeiten oder der Entwicklung von Trägersystemen für Kernwaffen beitragen“. Gemeinsamer Standpunkt 2008/479/GASP 18 Mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/479/GASP des Rates vom 23. Juni 2008 zur Änderung des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 (ABl. L 163, S. 43) ist u. a. dessen Anhang II ersetzt worden. Dieser Anhang enthält einen Abschnitt A „Natürliche Personen“ und einen Abschnitt B „Einrichtungen“. 19 Gemäß dem Gemeinsamen Standpunkt 2008/479 wurden die Bank Melli Iran und Melli Bank in die Liste der Einrichtungen aufgenommen, deren Gelder eingefroren wurden. So enthält Nr. 5 des Abschnitts B seines Anhangs in der ersten Spalte, die die Überschrift „Name“ trägt, folgende Angaben: „Bank Melli, Melli Bank Iran (einschließlich aller Niederlassungen) und Tochtergesellschaften a) Melli Bank plc b) Bank Melli Iran Zao“. 20 In der zweiten Spalte („Identifizierungsinformationen“) ist neben dem Namen der jeweiligen Bank eine Anschrift angegeben. 21 Die dritte Spalte („Gründe“) enthält folgenden Text: „Bereitstellung bzw. Bemühungen zur Bereitstellung von Finanzmitteln für Unternehmen, die Güter für Irans Nuklear- und Raketenprogramm beschaffen oder an deren Beschaffung beteiligt sind (AIO, SHIG, SBIG, AEOI, Novin Energy Company, Mesbah Energy Company, Kalaye Electric Company und DIO). Die Bank Melli dient als Vermittler für Irans sensible Geschäfte. Hat mehrfach den Kauf sensibler Materialien für Irans Nuklear- und Raketenprogramm vermittelt. Hat eine Reihe von Finanzdienstleistungen im Auftrag von Einrichtungen getätigt, die mit der iranischen Nuklear- und Raketenindustrie verbunden sind, so z. B. die Eröffnung von Akkreditiven und die Verwaltung von Konten. Viele der genannten Unternehmen wurden mit den Resolutionen 1737 (2006) und 1747 (2007) des Sicherheitsrates … benannt.“ 22 In der vierten Spalte („Zeit der Aufnahme in die Liste“) ist das Datum „23.6.2008“ angegeben. Streitiger Beschluss 23 Am 23. Juni 2008 erließ der Rat ferner den streitigen Beschluss. Der Anhang dieses Beschlusses ersetzt Anhang V der Verordnung Nr. 423/2007. Er besteht aus einem Abschnitt A („Natürliche Personen“) und einem Abschnitt B („Juristische Personen, Institutionen und Einrichtungen“), die beide dieselben Spalten enthalten wie der Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2008/479. Die Rechtsmittelführerin ist in Nr. 4 des Abschnitts B eingetragen. Die Angaben zur Rechtsmittelführerin sind identisch mit denen im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts, mit Ausnahme des Zeitpunkts der Aufnahme in die Liste, der dem 24. Juni 2008 entspricht. Der Beschluss wurde am 24. Juni 2008 im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil 24 Mit Klageschrift, die am 25. Juni 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin die Klage in der Rechtssache T-246/08, mit der sie beantragte, Abschnitt B Nr. 4 des Anhangs des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären und dem Rat die Kosten aufzuerlegen. 25 Mit Klageschrift, die am 15. August 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin die Klage in der Rechtssache T-332/08, mit der sie beantragte, — Nr. 4 des Abschnitts B des Anhangs des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als sie sie betrifft; — für den Fall, dass der Gerichtshof feststellt, dass Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 zwingende Wirkung hat, diese Bestimmung nach Art. 241 EG für nicht anwendbar zu erklären; — dem Rat die Kosten aufzuerlegen. 26 Die Französische Republik, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften wurden im Verfahren vor dem Gericht als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen. 27 Die Rechtsmittelführerin stützte ihre Klage auf mehrere Gründe. Mit dem ersten Klagegrund machte sie geltend, dass die Bank Melli Iran an der Finanzierung der nuklearen Proliferation nicht beteiligt sei. Mit dem zweiten Klagegrund rügte sie einen Fehler bei der Auslegung und der Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007, da dem Rat ein Ermessen zustehe. Mit dem dritten, hilfsweise vorgebrachten Klagegrund machte sie die Rechtswidrigkeit des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend, da diese Bestimmung den Rat dazu verpflichte, die Rechtsmittelführerin in die in Anhang V dieser Verordnung enthaltene Liste aufzunehmen. Mit dem vierten Klagegrund rügte sie einen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d, da sie keine im Sinne dieser Vorschrift „im Eigentum oder unter der Kontrolle“ der Muttergesellschaft stehende Einrichtung sei. Mit dem fünften Klagegrund machte sie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung geltend. Mit dem sechsten Klagegrund rügte sie einen Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung des streitigen Beschlusses. 28 Das Gericht stellte die Unzulässigkeit des ersten Klagegrundes fest, da die Rechtsmittelführerin in der Klageschrift lediglich vorgetragen habe, dass die Bank Melli Iran an der Finanzierung der nuklearen Proliferation nicht beteiligt sei, und der Klagegrund, soweit er danach geltend gemacht worden sei, neu gewesen sei. 29 Das Gericht hat anschließend die anderen Klagegründe einzeln geprüft und zurückgewiesen. Anträge der Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens 30 Melli Bank beantragt, — das angefochtene Urteil aufzuheben; — den Klagen in den Rechtssachen T-246/08 und T-332/08 stattzugeben; — Abschnitt B Nr. 4 des Anhangs des streitigen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft; — für den Fall, dass der Gerichtshof feststellen sollte, dass Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 zwingende Wirkung hat, die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung festzustellen; — dem Rat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen. 31 Der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission beantragen, — das Rechtsmittel zurückzuweisen; — der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel 32 Das Rechtsmittel wird auf vier Gründe gestützt. Mit dem ersten, aus zwei Teilen bestehenden Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, dass es sich bei Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 um eine zwingende Vorschrift handele, obwohl eine solche Auslegung gemäß dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes dem Wortlaut dieser Vorschrift und gemäß dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuwiderlaufe. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Klägerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass Art. 7 Abs. 2 Buchst. d mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang stehe. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler bei der Formulierung und Anwendung des Kriteriums begangen, anhand dessen habe bestimmt werden sollen, ob die Rechtsmittelführerin im Eigentum oder unter der Kontrolle ihres Mutterunternehmens stehe. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass der Rat seiner Pflicht zur Begründung seiner Entscheidung nachgekommen sei, sie in die Liste der Personen, Einrichtungen und Organisationen gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 aufzunehmen. Zum ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Rechtsfehlerhafte Auslegung des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 33 Der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes bezieht sich im Wesentlichen auf die Randnrn. 61 bis 67, 69 und 70 des angefochtenen Urteils. 34 Die Rechtsmittelführerin rügt die vom Gericht in Randnr. 63 des angefochtenen Urteils vorgenommene Auslegung der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 enthaltenen Wendung „werden eingefroren“, aus der es den Schluss gezogen habe, dass der Rat über kein Ermessen verfügt habe. Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin grenzt die Wendung „have been identified“ in Abs. 2 Satz 2 [der englischen Fassung] den vorangehenden Ausdruck „werden … aufgeführt“ näher ein und belegt, dass der Rat eine Prüfung und Identifizierung durchführen müsse, um zu bestimmen, ob die Aktiva der im Eigentum oder unter der Kontrolle stehenden Einrichtungen eingefroren werden müssten. Außerdem stehe diese Feststellung des Gerichts im Widerspruch zu den Randnrn. 64 und 65 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht die Auffassung vertrete, der Rat habe zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 – auch in Bezug auf Tochtergesellschaften, die vollständig im Eigentum von Einrichtungen stünden, die an der nuklearen Proliferation beteiligt seien – vorlägen. 35 Nach Auffassung der Rechtsmittelführerin verfolgt die Verordnung Nr. 423/2007 einen personalisierten Ansatz bei der Aufnahme der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 aufgeführten Personen, Einrichtungen und Organisationen in die Liste, woraus sich die Verpflichtung ergebe, die Aufnahme jeder einzelnen Einrichtung in diese Liste besonders zu begründen. Nach dieser Verpflichtung, die in Art. 15 Abs. 3 dieser Verordnung enthalten sei, müsse der Rat die Gründe angeben, weshalb er der Auffassung sei, dass eine bestimmte Einrichtung die Voraussetzungen für die Aufnahme in diese Liste erfülle. 36 Der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission treten dieser Auslegung entgegen. Würdigung durch den Gerichtshof 37 Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 bestimmt, dass „[s]ämtliche Gelder …, die Eigentum oder Besitz der in Anhang V aufgeführten Personen, Organisationen und Einrichtungen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, … eingefroren [werden]“ und dass „[i]n Anhang V … die nicht von Anhang IV erfassten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen aufgeführt [werden], die gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140/GASP … eine juristische Person, Organisation oder Einrichtung sind, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer unter Buchstabe a oder b genannten Person, Organisation oder Einrichtung [die ihrerseits an den proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten Irans beteiligt ist, direkt damit in Verbindung steht oder Unterstützung dafür bereitstellt] – auch durch unerlaubte Mittel – stehen“. 38 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. entsprechend Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, und vom 23. Februar 2010, Teixeira, C-480/08, Slg. 2010, I-1107, Randnr. 48) berücksichtigt das Gericht für die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 den Wortlaut und den Zusammenhang dieser Bestimmung sowie die Ziele, die mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehört. 39 Wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es angesichts des Wortlauts des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 festgestellt hat, dass diese Bestimmung den Rat verpflichtet, die Gelder einer Einrichtung einzufrieren, die „im Eigentum oder unter der Kontrolle“ einer Einrichtung steht, von der festgestellt wurde, dass sie im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a oder b der Verordnung an der nuklearen Proliferation beteiligt ist, wobei der Rat im Einzelfall prüft, ob die betreffende Einrichtung eine „im Eigentum oder unter der Kontrolle stehende“ Einrichtung ist. 40 Zu Recht hat das Gericht in den Randnrn. 64 und 65 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, dass, da die Wendung „have been identified“ im einleitenden Teil des Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 enthalten ist, die Frage, ob eine Einrichtung „im Eigentum oder unter der Kontrolle steht“, vom Rat in jedem Einzelfall, insbesondere nach Maßgabe des Grades des Eigentums oder der Intensität der Kontrolle, die in Rede stehen, zu prüfen ist. Ebenfalls zu Recht hat das Gericht in den Randnrn. 63 und 69 dieses Urteils darauf hingewiesen, dass mit dem Ausdruck „werden eingefroren“ in derselben Bestimmung der Verordnung Nr. 423/2007 zwingend vorgeschrieben wird, die Gelder einer Einrichtung einzufrieren, von der der Rat festgestellt hat, dass sie im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung steht, von der wiederum festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt ist, und dass dieses Einfrieren nicht damit begründet werden muss, dass die im Eigentum oder unter der Kontrolle stehende Einrichtung selbst an dieser Proliferation beteiligt ist. 41 Diese beiden Feststellungen des Gerichts sind nicht widersprüchlich, da die erste auf die Verpflichtung bezogen ist, im Rahmen eines gewissen Ermessens zu prüfen, ob die betreffende Einrichtung eine „im Eigentum oder unter der Kontrolle“ stehende Einrichtung ist, während die zweite auf die Verpflichtung abzielt, die Gelder einer solchen Einrichtung einzufrieren, ohne zu prüfen, ob sie selbst an der nuklearen Proliferation beteiligt ist. 42 Unter diesen Umständen kann daraus, dass der Rat über ein Ermessen bei der Frage verfügt, ob die Einrichtung im Eigentum oder unter der Kontrolle steht, nicht gefolgert werden, dass er auch über ein Ermessen in Bezug auf die Beurteilung der Beteiligung einer solchen Einrichtung an der nuklearen Proliferation verfügt, um über das Einfrieren ihrer Gelder zu entscheiden. 43 Ein solches Ermessen lässt sich auch nicht aus der in Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 423/2007 vorgesehenen Begründungspflicht herleiten. Die einzelfallbezogenen und spezifischen Gründe, die der Rat anzugeben hat, beziehen sich nämlich auf die Aufnahme der betreffenden Personen, Einrichtungen und Organisationen in die fragliche Liste, d. h. je nach Fall auf die Beteiligung an den nuklearen Tätigkeiten der Islamischen Republik Iran oder bei den im Eigentum oder unter der Kontrolle stehenden Einrichtungen auf die Gründe, weshalb er die Voraussetzung, dass die Einrichtung im Eigentum oder unter der Kontrolle steht, als erfüllt ansieht. 44 Demnach ist der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet und muss folglich zurückgewiesen werden. Zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 45 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe dadurch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, dass es Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 dahin auslege, dass er dem Rat bei der Feststellung, ob eine Tochtergesellschaft die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfülle, kein Ermessen lasse. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht sie für den Fall, dass der Gerichtshof die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung als zwingend ansehen sollte, geltend, dass diese Bestimmung selbst gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße und deshalb gemäß Art. 241 EG für im vorliegenden Fall unanwendbar zu erklären sei, wodurch die Rechtsgrundlage für den streitigen Beschluss wegfalle. Dieser Teil und dieser Rechtsmittelgrund beziehen sich im Wesentlichen auf die Randnrn. 75, 76, 99, 102 und 103 sowie auf die Randnrn. 107 bis 110 des angefochtenen Urteils. 46 Die Rechtsmittelführerin rügt die Argumentation des Gerichts, da dieses bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 die Resolutionen des Sicherheitsrats außer Acht gelassen habe. Sie weist auf den zwischen diesen Resolutionen und der Verordnung bestehenden Zusammenhang hin, der sich insbesondere aus dem ersten, dem zweiten, dem fünften und dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung sowie aus den Erwägungsgründen des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 ergebe. Außerdem komme der Resolution 1803 (2008), auch wenn sie erst nach der Verordnung Nr. 423/2007 erlassen worden sei, bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d dieser Verordnung besondere Bedeutung zu. Die Tatsache, dass der Sicherheitsrat keine Maßnahmen des Einfrierens von Geldern gegen die Rechtsmittelführerin veranlasst, sondern in Nr. 10 dieser Resolution den Staaten „Wachsamkeit“ empfohlen habe, zeige, dass auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen als dem Einfrieren der Gelder die von den Resolutionen des Sicherheitsrats verfolgten Ziele tatsächlich erreicht werden könnten. 47 Die Rechtsmittelführerin ist außerdem der Auffassung, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es im letzten Satz der Randnr. 103 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertreten habe, dass das Einfrieren der Gelder der Einrichtungen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung ständen, von der festgestellt worden sei, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt sei, erforderlich und angemessen sei, um die Wirksamkeit der gegen die letztgenannte Einrichtung erlassenen Maßnahmen zu gewährleisten und um zu garantieren, dass diese Maßnahmen nicht unterlaufen würden. Die Rechtsmittelführerin meint, die Art. 5 Abs. 1, 7 Abs. 3 und 4, 13 und 16 der Verordnung Nr. 423/2007 sähen bereits wirksame Maßnahmen vor. Das Gericht habe zu Unrecht die von ihr vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen mit der Begründung zurückgewiesen, sie seien nicht geeignet, eventuelle Transaktionen zu verhindern, die mit den beschlossenen restriktiven Maßnahmen unvereinbar seien. Jedenfalls wäre es, was die nachträglichen alternativen Maßnahmen angehe, möglich gewesen, die Tochtergesellschaft erst nach der Anwendung dieser Maßnahmen in die Liste aufzunehmen. Mit seiner Entscheidung habe das Gericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entstellt und die Beweislast verschoben, indem es verlange, dass die Rechtsmittelführerin die absolute Wirksamkeit der Alternativmaßnahmen nachweise. 48 Außerdem sei, so die Rechtsmittelführerin, die kategorische Verneinung der Wirksamkeit dieser Alternativmaßnahmen durch das Gericht in Randnr. 107 des angefochtenen Urteils im Hinblick auf die Intensität der Beeinträchtigung ihrer Grundrechte durch die Maßnahmen des Einfrierens der Gelder offensichtlich unangemessen. 49 Die Rechtsmittelführerin stellt fest, dass nur zwei der 20 Tochtergesellschaften der Bank Melli Iran im streitigen Beschluss genannt worden seien. Sie habe dem Gericht zudem ein weiteres, in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils erwähntes Beispiel geliefert, aus dem hervorgehe, dass der Rat ein Mutterunternehmen in die Liste aufgenommen habe, ohne eine der sechs Tochtergesellschaften dieses Unternehmens zu erwähnen. Sie folgert hieraus, dass entweder der Rat, wie sie geltend macht, über ein Ermessen bei der Anwendung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 verfüge, oder dass diese Praxis belege, dass die Verpflichtung, alle Tochtergesellschaften in diese Liste aufzunehmen, unverhältnismäßig sei. 50 Die Rechtsmittelführerin zieht daraus den Schluss, dass der Rat über ein Ermessen verfüge und das Gericht Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 rechtsfehlerhaft dahin ausgelegt habe, dass seine Anwendung zwingend vorgeschrieben sei. Zumindest sei Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung mehrdeutig. Nach der Rechtsprechung sei aber dann, wenn eine Bestimmung des abgeleiteten Rechts mehr als eine Auslegung gestatte, die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Vertrag vereinbar sei, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führe. Im vorliegenden Fall habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 nicht dahin ausgelegt habe, dass der Rat über einen Ermessensspielraum verfüge. 51 Der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission sind der Auffassung, dem Gericht sei bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der fraglichen Maßnahme kein Rechtsfehler unterlaufen. Würdigung durch den Gerichtshof 52 Nach ständiger Rechtsprechung gehört der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts und verlangt, dass die von einer Bestimmung des Unionsrechts eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziele geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen (Urteile vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Randnr. 122, vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a., C-453/03, C-11/04, C-12/04 und C-194/04, Slg. 2005, I-10423, Randnr. 68, sowie vom 8. Juni 2010, Vodafone u. a., C-58/08, Slg. 2010, I-4999, Randnr. 51). 53 Die Rechtsmittelführerin bestreitet nicht die Rechtmäßigkeit des verfolgten Ziels, nämlich des Kampfs gegen die nukleare Proliferation im Iran zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit, sondern die Angemessenheit und Erforderlichkeit des Einfrierens der Gelder im Eigentum oder unter der Kontrolle stehender Einrichtungen. Sie wirft dem Gericht in erster Linie vor, die Resolutionen des Sicherheitsrats bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 nicht hinreichend berücksichtigt zu haben. 54 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Resolutionen des Sicherheitsrats einerseits und die Gemeinsamen Standpunkte des Rates wie auch seine Verordnungen andererseits zu verschiedenen Rechtsordnungen gehören. Die im Rahmen der Vereinten Nationen einerseits und im Rahmen der Union andererseits erlassenen Rechtsakte stammen von Organen, die über autonome Befugnisse verfügen, die ihnen durch ihre jeweilige Grundcharta, nämlich die Verträge, mit denen sie gegründet worden sind, verliehen werden (Urteil vom 16. November 2011, Bank Melli Iran/Rat, C-548/09 P, Slg. 2011, I-11381, Randnrn. 100 und 102). 55 In Randnr. 103 des Urteils Bank Melli Iran/Rat hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Gemeinschaft bei der Ausarbeitung von Gemeinschaftsmaßnahmen zur Umsetzung einer Resolution des Sicherheitsrats, auf die in einem Gemeinsamen Standpunkt Bezug genommen wird, den Wortlaut und die Ziele der betreffenden Resolution gebührend berücksichtigen muss. Ebenso sind bei der Auslegung einer Verordnung, mit der eine Resolution des Sicherheitsrats umgesetzt werden soll, der Wortlaut und das Ziel dieser Resolution zu berücksichtigen (Urteil Bank Melli Iran/Rat, Randnr. 104 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56 Das Gericht hat die Resolution 1737 (2006) berücksichtigt, denn es hat in Randnr. 6 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sie durch die Verordnung Nr. 423/2007 umgesetzt worden sei, deren Inhalt sich im Wesentlichen mit dem des Gemeinsamen Standpunkts 2007/140 decke. Insoweit legt die Rechtsmittelführerin nicht dar, inwiefern das Gericht in Bezug auf die Notwendigkeit, die Gelder der im Eigentum oder unter der Kontrolle stehenden Einrichtungen einzufrieren, zu einer anderen Schlussfolgerung hätte gelangen können. Es ist nämlich festzustellen, dass die Resolution 1737 (2006) in ihrer Nr. 12 ausdrücklich das Einfrieren der Gelder von Einrichtungen vorsieht, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen oder Einrichtungen stehen, die an den nuklearen Tätigkeiten der Islamischen Republik Iran beteiligt sind. 57 Was die Resolution 1803 (2008) betrifft, so schreibt diese den Staaten keine genauen Maßnahmen vor, sondern ruft sie zur Wachsamkeit in Bezug auf die Tätigkeiten der in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Finanzinstitute, insbesondere der Bank Melli Iran, auf, um zu verhindern, dass diese Tätigkeiten zu proliferationsrelevanten nuklearen Tätigkeiten beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil Bank Melli Iran/Rat, Randnr. 107). Aus dieser Empfehlung kann nicht gefolgert werden, dass keine Notwendigkeit besteht, die Gelder der im Eigentum oder unter der Kontrolle der Bank Melli Iran stehenden Einrichtungen einzufrieren. 58 Unter diesen Umständen hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnr. 103 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass, wenn die Gelder einer Einrichtung eingefroren werden, von der festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt ist, die nicht unerhebliche Gefahr besteht, dass sie auf die ihr gehörenden oder von ihr kontrollierten Einrichtungen Druck ausübt, um die Auswirkungen der gegen sie gerichteten Maßnahmen zu unterlaufen, und dass das Einfrieren der Gelder dieser Einrichtungen erforderlich und angemessen ist, um die Wirksamkeit der gegen die letztgenannte Einrichtung erlassenen Maßnahmen zu gewährleisten und um zu garantieren, dass diese Maßnahmen nicht unterlaufen werden. 59 Was zweitens die von der Rechtsmittelführerin erwähnten alternativen Maßnahmen betrifft, ist vorab festzustellen, dass das Gericht in Randnr. 109 des angefochtenen Urteils die Prüfung der Maßnahmen der vorherigen Genehmigung von Transaktionen und deren Überwachung durch einen unabhängigen Bevollmächtigten sowie das völlige Verbot von Geschäften mit der Islamischen Republik Iran, die erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden waren, mit der Begründung abgelehnt hat, dass diese Maßnahmen unter Verstoß gegen die Art. 48 § 2 und 76a § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts geltend gemacht worden seien. In Randnr. 107 des angefochtenen Urteils hat das Gericht entschieden, dass nicht nachgewiesen worden sei, dass die zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses existierenden Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen dem in Randnr. 103 dieses Urteils dargestellten Risiko angemessen gewesen seien, und somit das Fehlen von Beweisen festgestellt, was der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nicht zu überprüfen hat. Was die in Randnr. 108 des angefochtenen Urteils angesprochenen Maßnahmen ex post betrifft, hat das Gericht deren Wirksamkeit anhand von Tatsachenfeststellungen beurteilt, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens ebenfalls nicht überprüfen kann. 60 Aus diesen Gründen kann die Feststellung des Gerichts in Randnr. 110 des angefochtenen Urteils, dass die von der Rechtsmittelführerin vorgeschlagenen alternativen Maßnahmen zur Erreichung des verfolgten Ziels nicht geeignet waren, nicht in Frage gestellt werden. 61 Ebenso konnte das Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 53 seiner Schlussanträge festgestellt hat, aus den vom Gericht in den Randnrn. 111 und 112 des angefochtenen Urteils dargestellten Gründen rechtsfehlerfrei zu dem Schluss gelangen, dass angesichts der fundamentalen Bedeutung der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit die Einschränkungen der Freiheit zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und des Eigentumsrechts an einer Bank durch das Einfrieren von Geldern nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen. 62 Die Rechtsmittelführerin macht drittens geltend, dass es nicht der Praxis des Rates entspreche, die Gelder aller Einrichtungen einzufrieren, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Einrichtungen stünden, von denen festgestellt worden sei, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt seien. Das Gericht hat jedoch keinen Rechtsfehler begangen, indem es — in Randnr. 73 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der Rat berechtigt ist, Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 auf Einrichtungen, die seiner Ansicht nach die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung nicht erfüllen, nicht anzuwenden; — in Randnr. 74 des Urteils festgestellt hat, dass es nicht immer möglich ist, alle Einrichtungen zu erkennen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung stehen, von der festgestellt worden ist, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt ist; — in Randnr. 75 dieses Urteils festgestellt hat, dass eine etwaige divergierende Praxis des Rates – unterstellt, diese ist rechtswidrig – kein berechtigtes Vertrauen bei den betreffenden Einrichtungen und auch kein Recht dieser Einrichtungen begründen kann, sich zu ihrem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung zu berufen. 63 Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Gericht in Randnr. 76 des angefochtenen Urteils die Ansicht vertreten, dass die Rechtsprechung zur Auslegung von Gemeinschaftsrechtsakten, auf die sich die Rechtsmittelführerin berufen hat und die in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils dargestellt worden ist, nicht einschlägig ist, da hinsichtlich der Auslegung des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 keine Zweifel bestehen. 64 Aus diesen Erwägungen folgt, dass das Gericht weder mit seiner Auslegung des Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 noch bei seiner Kontrolle der Anwendung dieser Bestimmung auf die Rechtsmittelführerin gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen hat. Folglich sind der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes und der zweite Rechtsmittelgrund unbegründet und damit zurückzuweisen. Zum dritten Rechtsmittelgrund: Rechtsfehlerhafte Feststellung, dass die Rechtsmittelführerin im Eigentum oder unter der Kontrolle ihres Mutterunternehmens steht Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 65 Die Rechtsmittelführerin rügt die Randnrn. 119 bis 129 des angefochtenen Urteils. Es sei auf das in Randnr. 121 dieses Urteils genannte Kriterium abzustellen, wonach zu prüfen sei, ob die Rechtsmittelführerin „aufgrund der Tatsache, dass sie im Eigentum der [Bank Melli Iran] steht, mit einem nicht unerheblichen Grad an Wahrscheinlichkeit dazu veranlasst werden kann, die Auswirkungen der gegenüber ihrem Mutterunternehmen erlassenen Maßnahmen zu unterlaufen“. 66 Das Gericht habe jedoch rechtsfehlerhaft in Randnr. 123 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass nur außergewöhnliche Umstände die Nichtanwendung von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 auf eine Tochtergesellschaft rechtfertigen könnten, die vollständig im Eigentum einer Einrichtung stehe, die als an der nuklearen Proliferation beteiligt angesehen werde. 67 Die Rechtsmittelführerin macht auch geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, da es unangebracht gewesen sei, Präzedenzfälle aus dem Bereich des Wettbewerbsrechts zu berücksichtigen. Die im Wettbewerbsrecht verwendete Vermutung sei widerlegbar. Außerdem seien im Wettbewerbsrecht die betroffenen Unternehmen berechtigt, gegenüber der Kommission Stellung zu nehmen, während dies im vorliegenden Fall nicht so sei, da die Rechtsmittelführerin in die fragliche Liste aufgenommen worden sei, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, dem Standpunkt des Rates entgegenzutreten. 68 Die Rechtsmittelführerin macht ferner geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler bei der Anwendung des in Randnr. 121 des angefochtenen Urteils genannten Kriteriums auf sie begangen. Insbesondere habe es rechtsfehlerhaft dem Umstand, dass das Mutterunternehmen die Geschäftsführer der Melli Bank ernennen könne, eine zu große Bedeutung beigemessen. Sie verweist insofern auf zahlreiche in Randnr. 17 der beim Gericht eingereichten Klageschrift angeführte Gesichtspunkte sowie auf die Beschränkungen ihrer Handelsgeschäfte und zieht hieraus den Schluss, dass es nicht erforderlich gewesen sei, eine Maßnahme wie das Einfrieren ihrer Gelder zu erlassen. 69 Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin verstoßen der streitige Beschluss und das angefochtene Urteil dadurch, dass sie grundsätzlich davon ausgingen, dass sie sich rechtswidrig verhalten werde, gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, da das Einfrieren von Geldern einer strafrechtlichen Sanktion vergleichbar sei. 70 Die Kommission führt aus, auch im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes werde von der Rechtsmittelführerin nicht dargetan, inwiefern die Argumentation des Gerichts mit einem Rechtsfehler behaftet sei. Im Übrigen rüge die Rechtsmittelführerin die Würdigung von Tatsachen und Beweisen. 71 Die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission rügen das vom Gericht im ersten Satz der Randnr. 121 des angefochtenen Urteils angeführte Kriterium. Ihrer Auffassung nach enthält Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 alternative Voraussetzungen, so dass, wenn erwiesen sei, dass die Rechtsmittelführerin vollständig im Eigentum der Bank Melli Iran stehe, der Nachweis einer Kontrolle durch diese nicht mehr erforderlich sei. Nach Auffassung der Kommission sind die verschiedenen vom Gericht angeführten Gesichtspunkte für einen Nachweis einer solchen Kontrolle „vielmehr als Gesichtspunkte [anzusehen], die … die ratio legis“ von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d zeigten. 72 Das Vereinigte Königreich stellt allerdings fest, dass, selbst wenn das vom Gericht angewandte Kriterium zulässig wäre, die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen habe, dass das Gericht einen Rechtsfehler bei seiner Argumentation begangen habe. 73 Zur Heranziehung von Kriterien des Wettbewerbsrechts durch das Gericht machen der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission geltend, dass das Gericht diesen lediglich Anregungen entnommen habe. 74 Die genannten Organe und Mitgliedstaaten weisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs hin, wonach das Einfrieren von Geldern eine vorläufige Maßnahme und keine Sanktion darstelle. Würdigung durch den Gerichtshof 75 Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 bestimmt, dass die Gelder der Einrichtungen eingefroren werden, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Einrichtungen stehen, von denen festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a oder b der Verordnung beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen. Diese Bestimmung ist im Licht der Nr. 12 der Resolution 1737 (2006) des Sicherheitsrats auszulegen, die das Einfrieren der Gelder der Einrichtungen vorsieht, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen oder Einrichtungen stehen, von denen festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation beteiligt sind, direkt damit in Verbindung stehen oder Unterstützung dafür bereitstellen. 76 Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 enthält zwei alternative Kriterien, nämlich das Eigentum und die Kontrolle. Aus dem streitigen Beschluss sowie aus den in Randnr. 120 des angefochtenen Urteils angeführten Erklärungen des Rates in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht geht hervor, dass die Gelder der Rechtsmittelführerin eingefroren wurden, weil sie eine Einrichtung war, die „im Eigentum“ der Bank Melli Iran stand. Somit hat das Gericht seine Kontrolle zu Recht auf die Überprüfung des Eigentums der Bank Melli Iran an der Melli Bank beschränkt. 77 Die Rechtsmittelführerin bestreitet nicht, vollständig im Eigentum der Bank Melli Iran zu stehen. Sie vertritt allerdings unter Hinweis auf den ersten Satz der Randnr. 121 des angefochtenen Urteils die Auffassung, das Gericht habe rechtlich nicht hinreichend geprüft, ob sie aufgrund der Tatsache, dass sie im Eigentum der Bank Melli Iran stehe, mit einem nicht unerheblichen Grad an Wahrscheinlichkeit dazu veranlasst werden könne, die Auswirkungen der gegenüber ihrem Mutterunternehmen erlassenen Maßnahmen zu unterlaufen. 78 Das Gericht hat trotz des klaren Wortlauts des im Licht der Nr. 12 der Resolution 1737 (2006) des Sicherheitsrats ausgelegten Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 und trotz der Tatsache, dass die Rechtsmittelführerin nicht bestritten hat, dass sie vollständig im Eigentum der Bank Melli Iran steht, eine ergänzende Prüfung für erforderlich gehalten. 79 Damit hat es das Unionsrecht fehlerhaft angewandt. Steht nämlich eine Einrichtung zu 100 % im Eigentum einer Einrichtung, die als an der nuklearen Proliferation beteiligt angesehen wird, ist die Voraussetzung gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007, dass sie im Eigentum steht, erfüllt. 80 Dieser Fehler führt allerdings nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da das Gericht den Klagegrund der Rechtsmittelführerin jedenfalls zurückgewiesen hat. 81 Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin wird durch die Maßnahme, die ihr gegenüber ergriffen worden ist, weil sie vollständig im Eigentum der Bank Melli Iran steht, nicht gegen die Unschuldsvermutung verstoßen. Das auf Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 gestützte Einfrieren von Geldern stellt nämlich gerade nicht auf ein eigenständiges Verhalten einer Einrichtung wie der Rechtsmittelführerin ab und verlangt somit nicht, dass eine solche Einrichtung gegen die Vorschriften dieser Verordnung verstoßen hat. 82 Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund nicht begründet. Zum vierten Rechtsmittelgrund: Begründungsmangel Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 83 Die Rechtsmittelführerin beanstandet die Argumentation des Gerichts in den Randnrn. 143 bis 151 des angefochtenen Urteils. Sie erinnert daran, dass die Begründung eines beschwerenden Rechtsakts dem Beteiligten zum gleichen Zeitpunkt mitzuteilen ist wie der Rechtsakt selbst, und stellt fest, dass der streitige Beschluss im vorliegenden Fall keine „einzellfallbezogenen und spezifischen Gründe“ enthalte, wie es Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 423/2007 verlange. In ihrer Erwiderung macht sie geltend, dass dieser Beschluss ihr hätte zugestellt werden müssen. 84 Erstens reiche es nicht aus, dass der Rat in dem streitigen Beschluss angebe, dass dieser gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007 erlassen worden sei, da diese Bestimmung unterschiedliche Fallgestaltungen enthalte, nach denen der Rat die Aufnahme der Rechtsmittelführerin in die fragliche Liste hätte vornehmen können. 85 Zweitens habe der Rat keinen Grund für seine Auffassung angegeben, dass ein nicht unerheblicher Grad an Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass die Rechtsmittelführerin dazu veranlasst werden könne, die Auswirkungen der Aufnahme ihres Mutterunternehmens in diese Liste zu unterlaufen. 86 Drittens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die Behauptung des Gerichts, der Rat habe stillschweigend angenommen, dass die Rechtsmittelführerin im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 423/2007 im Eigentum ihres Mutterunternehmens stehe und daher auf dieser Grundlage in diese Liste aufgenommen worden sei, eine voreilige Schlussfolgerung darstelle, für die es im streitigen Beschluss keinen Anhaltspunkt gebe. 87 Viertens macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass die Möglichkeit, Klage gegen den streitigen Beschluss zu erheben, nichts an der Tatsache ändere, dass der Rat die Pflicht zur Begründung dieses Beschlusses verkannt habe. 88 Fünftens gibt die Rechtsmittelführerin an, sie habe in einem Schriftwechsel mit dem Rat versucht, die Gründe für ihre Aufnahme in die fragliche Liste und für das Einfrieren ihrer Gelder zu erfahren, doch der Rat habe sich geweigert, ihr ihre Akte zu übermitteln. 89 Der Rat, die Französische Republik und die Kommission halten den Rechtsmittelgrund, soweit er auf die fehlende Zustellung des streitigen Beschlusses gestützt ist, für unzulässig. 90 Die Kommission stellt fest, dass die Rechtsmittelführerin den vom Gericht in Randnr. 146 des angefochtenen Urteils angeführten Grundsatz, dass sich abgesehen von der Angabe der Rechtsgrundlage die Begründungspflicht des Rates auf den Umstand erstreckt, dass die betreffende Einrichtung im Eigentum oder unter der Kontrolle einer Einrichtung steht, von der festgestellt wurde, dass sie an der nuklearen Proliferation im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Buchst. a oder b der Verordnung Nr. 423/2007 beteiligt ist, nicht bestreitet. 91 Insoweit vertreten der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission die Ansicht, das Gericht habe in den Randnrn. 147 ff. des angefochtenen Urteils rechtsfehlerfrei angenommen, dass der streitige Beschluss hinreichend begründet sei. Insbesondere habe die Rechtsmittelführerin aufgrund der Eintragung der Melli Bank in Abschnitt B Nr. 4 des Anhangs dieses Beschlusses wissen müssen, dass die Gelder eingefroren worden seien, weil sie die Tochtergesellschaft der Bank Melli Iran sei. Würdigung durch den Gerichtshof 92 Zunächst ist der Rechtsmittelgrund zurückzuweisen, soweit er auf die Nichtzustellung des streitigen Beschlusses gestützt ist. Wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wurde dieses Angriffsmittel nicht vor dem Gericht geltend gemacht. Im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens sind aber die Befugnisse des Gerichtshofs grundsätzlich auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt (Urteil vom 15. September 2011, Deutschland/Kommission, C-544/09 P, Randnr. 63). 93 Was die Begründungspflicht betrifft, bestreitet die Rechtsmittelführerin nicht den vom Gericht in den Randnrn. 143 bis 145 des angefochtenen Urteils dargelegten Grundsatz, dass diese Pflicht nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist. Sie macht allerdings geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es angenommen habe, dass die Begründung des streitigen Beschlusses ausreichend sei und der sich aus Art. 15 Abs. 3 der Verordnung Nr. 423/2007 ergebenden Pflicht zur Angabe einzelfallbezogener und spezifischer Gründe für diesen Beschluss genüge. 94 In Randnr. 147 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass der Rat sowohl im Titel als auch im zweiten Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses auf die Rechtsgrundlage für den Erlass dieses Beschlusses, nämlich Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 423/2007, und in Abschnitt B Nr. 4 des Anhangs dieses Beschlusses darauf hingewiesen habe, dass die Bank Melli Iran an der nuklearen Proliferation beteiligt sei und die Rechtsmittelführerin eine der Zweigstellen und Niederlassungen dieser Gesellschaft sei. 95 Entgegen der von der Rechtsmittelführerin vertretenen Auffassung hat das Gericht in dem angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei entschieden, dass es nicht erforderlich war, klarzustellen, dass der streitige Beschluss, was die Rechtsmittelführerin betraf, gemäß Art. 7 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung erlassen wurde, weil darin von den Zweigstellen und Niederlassungen der Bank Melli Iran die Rede gewesen ist. 96 Das Gericht hat somit keinen Rechtsfehler begangen, indem es in Randnr. 148 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Nennung der Rechtsmittelführerin als Niederlassung der Bank Melli Iran, ein der Rechtsmittelführerin zwangsläufig bekannter und von ihr nie bestrittener Umstand, im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung zur Begründungspflicht ausreichend war. 97 Was die Möglichkeit der Klageerhebung betrifft, beruht das Vorbringen der Rechtsmittelführerin auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils. Das Gericht hat nämlich in Randnr. 151 dieses Urteils nicht bloß darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelführerin Klage erheben konnte, sondern den Inhalt der Klageschrift in der Rechtssache T-246/08 wiedergegeben, um seine Feststellung zur Zulänglichkeit der Begründung zu untermauern, und dazu erklärt, dass die Rechtsmittelführerin sich bei Einreichung ihrer Klage des Zusammenhangs zwischen dem Einfrieren ihrer Gelder und der ihrem Mutterunternehmen, der Bank Melli Iran, vorgeworfenen Beteiligung an der nuklearen Proliferation bewusst gewesen sei. 98 Was das Vorbringen in Bezug auf die fehlende Übermittlung der Akte des Rates betrifft, so ist dieses für die Prüfung des Rechtsmittelgrundes des Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung des streitigen Beschlusses nicht relevant, da das Gericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass die Begründung dieses Beschlusses im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung hinreichend war. 99 Der vierte Rechtsmittelgrund ist somit zurückzuweisen. 100 Da keiner der von der Rechtsmittelführerin angeführten Rechtsmittelgründe durchgreift, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen. Kosten 101 Nach Art. 122 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel zurückgewiesen wird. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat, die Französische Republik, das Vereinigte Königreich und die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt haben und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2. Die Melli Bank plc trägt die Kosten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 14. Februar 2012.#Bundesrepublik Deutschland gegen Europäische Kommission.#Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente, die sich auf ein eingestelltes Vertragsverletzungsverfahren beziehen – Von einem Mitgliedstaat stammende Dokumente – Gewährung des Zugangs – Vorherige Zustimmung des Mitgliedstaats.#Rechtssache T‑59/09.
62009TJ0059
ECLI:EU:T:2012:75
2012-02-14T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62009TJ0059 URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer) 14. Februar 2012 (*1) „Zugang zu Dokumenten — Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — Dokumente, die sich auf ein eingestelltes Vertragsverletzungsverfahren beziehen — Von einem Mitgliedstaat stammende Dokumente — Gewährung des Zugangs — Vorherige Zustimmung des Mitgliedstaats“ In der Rechtssache T-59/09 Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma, B. Klein und A. Wiedmann als Bevollmächtigte, Klägerin, unterstützt durch Königreich Spanien, zunächst vertreten durch M. Muñoz Pérez, dann durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte, und durch Republik Polen, zunächst vertreten durch M. Dowgielewicz, dann durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte, Streithelfer, gegen Europäische Kommission, vertreten durch B. Smulders, P. Costa de Oliveira und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Königreich Dänemark, zunächst vertreten durch J. Bering Liisberg und B. Weis Fogh, dann durch S. Juul Jørgensen und C. Vang als Bevollmächtigte, durch Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten, und durch Königreich Schweden, vertreten durch K. Petkovska, A. Falk und S. Johannesson als Bevollmächtigte, Streithelfer, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung SG.E.3/RG/mbp D (2008) 10067 der Kommission vom 5. Dezember 2008, Bürgern Zugang zu bestimmten von der Bundesrepublik Deutschland im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4569 übermittelten Dokumenten zu gewähren, erlässt DAS GERICHT (Vierte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters M. van der Woude (Berichterstatter), Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2011 folgendes Urteil Vorgeschichte des Rechtsstreits 1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften erhielt mit Schreiben vom 19. Juli 2008 einen Antrag auf Zugang zu verschiedenen Dokumenten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43). 2 Die beantragten Dokumente wurden im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens Nr. 2005/4569 verfasst, das die Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Art. 28 EG und 30 EG durch eine deutsche Verwaltungsvorschrift über die Zulassung importierter Gebraucht-Pkws eingeleitet hatte. Nachdem die Kommission am 18. Oktober 2005 ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland gesandt hatte, stellte sie das Verfahren am 28. Juni 2006 ein. 3 Bei den Dokumenten, deren Freigabe beantragt wurde, handelte es sich erstens um das Antwortschreiben der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Februar 2006 auf das Mahnschreiben der Kommission vom 18. Oktober 2005, zweitens um das Protokoll des Treffens der Vertreter der deutschen Behörden mit den Vertretern der Kommission vom 27. März 2006 und drittens um eine zum internen Gebrauch bestimmte Zusammenfassung der Kommission zum Fortgang des Verfahrens. Das zweite und das dritte Dokument enthielten Verweise auf das Schreiben der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Februar 2006. 4 Die Kommission unterrichtete die deutschen Behörden mit E-Mail vom 23. Juli 2008 über den Antrag auf Zugang zu den Dokumenten. 5 Die Bundesrepublik Deutschland teilte der Kommission mit E-Mail vom 31. Juli 2008 mit, dass sie der Gewährung von Zugang zu den genannten Dokumenten auf der Grundlage der Ausnahmen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die internationalen Beziehungen und nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung über den Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten widerspreche. Die deutschen Behörden waren der Ansicht, dass eine Herausgabe die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen würde. Unter den Begriff der „internationalen Beziehungen“ falle nach deutschem Recht auch das Verhältnis zwischen den Organen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland. 6 Mit Schreiben vom 5. August 2008 unterrichtete die Kommission die Antragsteller über den Widerspruch der Bundesrepublik Deutschland und die Gründe, die diese für die Ablehnung angeführt hatte. Die Kommission teilte den Antragstellern mit, dass es ihr daher nicht möglich sei, ihrem Antrag stattzugeben. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission (C-64/05 P, Slg. 2007, I-11389), räumte die Kommission den Antragstellern jedoch die Möglichkeit ein, die Neuprüfung des Bescheids zu beantragen. 7 Die Antragsteller stellten einen Zweitantrag und machten geltend, dass die von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Gründe nicht stichhaltig seien. 8 Mit Schreiben vom 15. September 2008 forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland auf, anhand des Urteils des Gerichtshofs vom 1. Februar 2007, Sison/Rat (C-266/05 P, Slg. 2007, I-1233, Randnrn. 67 bis 72), über die Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen sowie der Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2003, Franchet und Byk/Kommission (T-391/03 und T-70/04, Slg. 2003, II-2023, Randnr. 113), und vom 8. November 2007, Bavarian Lager/Kommission (T-194/04, Slg. 2007, II-4523, Randnrn. 148 und 149), über die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten ihren Standpunkt zu überprüfen. 9 Die deutschen Behörden blieben mit Schreiben vom 23. September 2008 unter Angabe von Gründen bei ihrem Standpunkt, dass kein Zugang zu den betreffenden Dokumenten gewährt werden dürfe. 10 Mit der Entscheidung SG.E.3/RG/mbp D (2008) 10067 vom 5. Dezember 2008 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) beschloss die Kommission, den Antragstellern den Zugang zu den Dokumenten zu gewähren. Sie stützte ihre Entscheidung darauf, dass die Begründung, die die Bundesrepublik Deutschland vorgebracht habe, um der Herausgabe der Dokumente zu widersprechen, prima facie nicht korrekt sei, und dass daher davon ausgegangen werden müsse, dass die deutschen Behörden keine ausreichenden Gründe vorgebracht hätten, um das Vorliegen einer der angeführten Ausnahmen zu substantiieren. Die Kommission unterrichtete die deutschen Behörden gemäß Art. 5 Abs. 6 des Anhangs des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 345, S. 94) über ihre Absicht, die betreffenden Dokumente nach zehn Werktagen freizugeben, und verwies sie auf die Rechtsmittel, die ihnen zur Verfügung stünden, um die Freigabe zu verhindern. 11 Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass sie der Übermittlung der beantragten Dokumente widerspreche. Sie kündigte an, dass sie eine Nichtigkeitsklage erheben wolle, und forderte die Kommission auf, die Dokumente nicht vor Abschluss dieses Verfahrens zu übermitteln. 12 Mit Schreiben vom 30. Januar 2009 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass es ihr freistehe, beim Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen, um die Übermittlung der beantragten Dokumente zu verhindern. Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch keinen solchen Antrag gestellt. 13 Die Kommission übermittelte die betreffenden Dokumente an die Antragsteller. Verfahren und Anträge der Parteien 14 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 11. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. 15 Das Königreich Spanien und die Republik Polen haben mit Schriftsätzen, die am 8. Juni und 7. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. 16 Das Königreich Schweden, das Königreich Dänemark und die Republik Finnland haben mit Schriftsätzen, die am 18. Juni, 29. Juni und 1. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. 17 Der Präsident der Sechsten Kammer des Gerichts hat diese Streitbeitritte mit Beschluss vom 3. September 2009 zugelassen. 18 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Vierten Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist. 19 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch das Königreich Spanien und die Republik Polen, beantragt, — die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 20 Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Königreich Schweden, beantragt, — die Klage abzuweisen; — der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung 21 Die Bundesrepublik Deutschland macht einen einzigen Klagegrund geltend, nämlich einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 bis 3 und 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 in Verbindung mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 10 EG. 22 Die Bundesrepublik Deutschland trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe, indem sie ihren Widerspruch gegen die Herausgabe der betreffenden Dokumente nicht beachtet habe, die Grenzen ihrer Prüfungsbefugnis, wie diese vom Gerichtshof im Urteil Schweden/Kommission (oben in Randnr. 6 angeführt) definiert worden sei, überschritten und dadurch gegen Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 verstoßen. 23 Hilfsweise macht die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass die Begründung für ihren Widerspruch gegen die Herausgabe der betreffenden Dokumente, die auf die Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt sei, keinesfalls als offensichtlich unrichtig angesehen werden könne. Zum Verfahren nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 24 Die Verfahrensbeteiligten sind sich nicht einig, in welchem Umfang das Organ, im vorliegenden Fall die Kommission, im Verfahren nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 die von einem Mitgliedstaat vorgebrachte Begründung zu prüfen hat, wenn dieser auf der Grundlage der Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung der Freigabe der beantragten Dokumente widerspricht. 25 Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch das Königreich Spanien, hält das Organ nicht für berechtigt, die Stichhaltigkeit der Begründung des betreffenden Mitgliedstaats zu prüfen. Die Republik Polen, die die Anträge der Bundesrepublik Deutschland unterstützt, erläutert, dass die Kommission allenfalls prüfen könne, ob der Mitgliedstaat, der sich auf eine Ausnahme berufe, die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 in einer offensichtlichen und alle Zweifel ausschließenden Weise fehlerhaft anwende. 26 Die Kommission, unterstützt durch das Königreich Dänemark, die Republik Finnland und das Königreich Schweden, trägt vor, dass sie prüfen müsse, ob die vom Mitgliedstaat vorgebrachte Begründung angesichts der Umstände des Falles und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung prima facie stichhaltig sei. 27 Nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 umfasst das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe nicht nur die von diesen Organen erstellten Dokumente, sondern auch die Dokumente, die sie von Dritten erhalten haben, zu denen – wie Art. 3 Buchst. b der Verordnung ausdrücklich klarstellt – auch die Mitgliedstaaten zählen. 28 Damit hat der Unionsgesetzgeber die vor dem Erlass der Verordnung Nr. 1049/2001 geltende Urheberregel abgeschafft. Nach dieser Regel war der Antrag auf Zugang zu einem Dokument, wenn es sich im Besitz eines Organs befand und sein Urheber ein Dritter war, direkt an den Urheber dieses Dokuments zu richten. 29 Seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen alle Dokumente der Organe, ob sie von diesen erstellt wurden oder von Mitgliedstaaten oder anderen Dritten stammen, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung und unterliegen damit deren Bestimmungen, insbesondere soweit diese die materiellen Ausnahmen vom Zugangsrecht betreffen. 30 Bezüglich der Dokumente Dritter sieht Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass das Organ diese konsultiert, um zu beurteilen, ob die Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Verordnung anwendbar sind, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf. 31 Bezüglich der aus einem Mitgliedstaat stammenden Dokumente bestimmt Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001, dass ein Mitgliedstaat das Organ ersuchen kann, ein aus diesem Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung zu verbreiten. Nach der Rechtsprechung eröffnet diese Vorschrift dem Mitgliedstaat somit die Möglichkeit, sich an der Entscheidung zu beteiligen, die das Organ zu erlassen hat, und sieht zu diesem Zweck einen Entscheidungsprozess vor, damit festgestellt werden kann, ob die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 aufgezählten materiellen Ausnahmen der Gewährung des Zugangs zu dem betreffenden Dokument entgegenstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnrn. 76, 81, 83 und 93). 32 Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 überträgt nämlich die Durchführung der Bestimmungen des Unionsrechts dem Organ und dem Mitgliedstaat, der von der ihm nach diesem Abs. 5 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, gemeinsam; beide müssen gemäß der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit nach Art. 10 EG so handeln und zusammenarbeiten, dass die genannten Vorschriften tatsächlich zur Anwendung kommen können (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 85). 33 Daraus folgt zunächst, dass das Organ, bei dem ein Antrag auf Zugang zu einem Dokument eingeht, das von einem Mitgliedstaat stammt, mit diesem, wenn es ihm den Antrag zugestellt hat, unverzüglich in einen loyalen Dialog über die etwaige Anwendung der Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 eintreten muss. Dabei haben beide insbesondere darauf zu achten, dass dem Organ ermöglicht werden muss, innerhalb der Fristen Stellung zu nehmen, innerhalb deren es nach den Art. 7 und 8 der Verordnung über diesen Antrag entscheiden muss (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 86). 34 Sodann muss der betreffende Mitgliedstaat, der nach diesem Dialog der Verbreitung des fraglichen Dokuments widerspricht, den Widerspruch anhand dieser Ausnahmen begründen. Das Organ kann nämlich dem Widerspruch eines Mitgliedstaats gegen die Verbreitung eines von ihm stammenden Dokuments nicht stattgeben, wenn dieser Widerspruch völlig unbegründet ist oder in der vorgetragenen Begründung nicht auf die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen Bezug genommen wird. Wenn der Mitgliedstaat trotz einer entsprechenden ausdrücklichen Aufforderung des Organs seinen Widerspruch weiterhin nicht begründet, muss das Organ Zugang zu dem angeforderten Dokument gewähren, sofern es seinerseits der Auffassung ist, dass keine dieser Ausnahmen vorliegt (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnrn. 87 und 88). 35 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 dem Mitgliedstaat keineswegs ein allgemeines und unbedingtes Vetorecht einräumt, aufgrund dessen er der Verbreitung eines jeden im Besitz eines Organs befindlichen Dokuments nach Belieben und ohne Begründung seiner Entscheidung allein deshalb widersprechen dürfte, weil das Dokument von ihm stammt (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 58). 36 Wie insbesondere aus den Art. 7 und 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 hervorgeht, ist das Organ selbst schließlich verpflichtet, die Ablehnung gegenüber dem Antragsteller zu begründen. Gemäß dieser Verpflichtung muss das Organ in seiner Entscheidung nicht nur auf den Widerspruch des betreffenden Mitgliedstaats gegen die Verbreitung des angeforderten Dokuments hinweisen, sondern auch auf die Gründe, die der Mitgliedstaat für die Anwendung einer der Ausnahmeregelungen bezüglich des Zugangsrechts gemäß Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung angeführt hat. Solche Angaben ermöglichen nämlich dem Antragsteller, den Ursprung und die Gründe der Ablehnung in Erfahrung zu bringen, und dem zuständigen Gericht, gegebenenfalls die ihm übertragene Überprüfung durchzuführen (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 89). 37 Nach der Rechtsprechung kann somit der betreffende Mitgliedstaat gemäß Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 der Verbreitung von Dokumenten, die von ihm stammen, nur widersprechen, wenn er sich auf die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen stützt und seinen Standpunkt ordnungsgemäß begründet (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 99). 38 Darüber hinaus ist festzustellen, dass nach Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 das betreffende Organ, wenn nach seiner Ansicht klar ist, dass der Zugang zu einem von einem Mitgliedstaat stammenden Dokument gemäß den Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 oder 2 der Verordnung nicht gewährt werden darf, dem Antragsteller den Zugang verweigert, ohne dass der Mitgliedstaat, von dem das Dokument stammt, konsultiert werden muss; dies gilt unabhängig davon, ob der Mitgliedstaat zuvor ein Ersuchen nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung eingereicht hat. In einem solchen Fall ist also offensichtlich, dass das Organ über den Antrag auf Zugang zu dem Dokument nur auf der Grundlage der Ausnahmen entscheidet, die sich unmittelbar aus den Vorschriften des Unionsrechts ergeben (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 68). 39 Die Bundesrepublik Deutschland macht im vorliegenden Fall geltend, dass es nach dem Urteil Schweden/Kommission (oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 88) nur zwei Konstellationen gebe, in denen sich die Kommission über den Widerspruch eines Mitgliedstaats gegen die Verbreitung der Dokumente hinwegsetzen könne: erstens, wenn der Widerspruch überhaupt keine Begründung im Sinne von Art. 253 EG enthalte, und zweitens, wenn in der vorgetragenen Begründung nicht auf die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen Bezug genommen werde. Die Bundesrepublik Deutschland verweist in diesem Zusammenhang auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit und die klare Unterscheidung zwischen Art. 4 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001, der für Dokumente anderer Dritter als Mitgliedstaaten lediglich einen Konsultationsmechanismus vorsehe, und Art. 4 Abs. 5 der Verordnung, der für die Mitgliedstaaten ein Recht vorsehe, den Dokumentenzugang von ihrer Zustimmung abhängig zu machen. 40 In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland außerdem vorgetragen, dass sich Art. 255 Abs. 1 EG und Art. 42 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1; im Folgenden: Grundrechtecharta) auf den Zugang zu Dokumenten der Organe und nicht zu Dokumenten der Mitgliedstaaten bezögen. 41 Was erstens den Verweis der Bundesrepublik Deutschland auf Art. 255 EG und Art. 42 der Grundrechtecharta betrifft, ist zunächst festzustellen, dass Art. 255 Abs. 2 EG dem Rat die Verantwortung dafür auferlegt, die allgemeinen Grundsätze und die Einschränkungen für die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Dokumenten festzulegen. Die Verordnung Nr. 1049/2001, die vom Europäischen Parlament und vom Rat erlassen wurde und deren Rechtmäßigkeit die Bundesrepublik Deutschland nicht in Abrede stellt, erstreckt das Zugangsrecht ausdrücklich auf alle im Besitz eines Organs befindlichen Dokumente (vgl. Randnrn. 27 und 28 des vorliegenden Urteils). 42 Sodann steht fest, dass die Mitgliedstaaten sowohl aufgrund ihrer Vertretung im Rat als auch aufgrund ihrer Beteiligung in zahlreichen vom Rat eingesetzten Ausschüssen eng in den Legislativ- und den Exekutivprozess der Union einbezogen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 63). Der Ausschluss zahlreicher von den Mitgliedstaaten stammender Dokumente vom Geltungsbereich des Zugangsrechts nach Art. 255 Abs. 1 EG liefe dem mit diesem Artikel verfolgten und durch Art. 42 der Grundrechtecharta gewährleisteten Ziel der Transparenz zuwider, sofern nicht bestimmte Ausnahmen vorliegen, die eng auszulegen sind (Urteile Sison/Rat, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 63, und Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 66). 43 Nach der der Schlussakte des Vertrags von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 35 zu Art. 255 Abs. 1 EG schließlich kommt die Konferenz überein, dass die in diesem Artikel genannten Grundsätze und Bedingungen es einem Mitgliedstaat gestatten, die Kommission oder den Rat zu ersuchen, ein aus dem betreffenden Mitgliedstaat stammendes Dokument nicht ohne seine vorherige Zustimmung an Dritte weiterzuleiten. Die Verfasser dieses Vertrags wollten demnach Dokumente der Mitgliedstaaten nicht vom Geltungsbereich des Art. 255 Abs. 1 EG ausschließen. 44 Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, nach dem Primärrecht der Union sei das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Mitgliedstaaten eng auszulegen, kann somit nicht gefolgt werden. 45 Was zweitens den Umfang angeht, in dem ein Organ die von einem Mitgliedstaat zur Rechtfertigung seines Widerspruchs gegen die Verbreitung eines Dokuments angeführte Begründung prüfen darf, ist daran zu erinnern, dass Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 die Erreichung der Ziele dieser Verordnung dem Organ und dem Mitgliedstaat gemeinsam überträgt. Er sieht zu diesem Zweck einen Entscheidungsprozess vor, in dessen Rahmen beide gemäß den Erfordernissen nach Art. 10 EG loyal zusammenarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Verordnung tatsächlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung zur Anwendung kommen. 46 Daher ist der Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland mit der Systematik und den Zielen der Verordnung Nr. 1049/2001 unvereinbar, weil er darauf abzielt, dass das Organ im Rahmen von Art. 4 Abs. 5 der Verordnung systematisch der Weigerung des Mitgliedstaats nachgibt, sofern diese Weigerung auf irgendeine Begründung gestützt ist und in den Gründen auf die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung aufgezählten Ausnahmen Bezug genommen wird. Eine solche Situation entspricht nämlich nicht dem loyalen Dialog, den das Organ und der Mitgliedstaat aufnehmen müssen, um die tatsächliche Durchführung der Verordnung Nr. 1049/2001 sicherzustellen. 47 Sodann ist zu beachten, dass nach Art. 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 die Letztverantwortung für ihre ordnungsgemäße Durchführung bei dem Organ liegt und dass es dessen Sache ist, die Entscheidung vor den Unionsgerichten oder dem Bürgerbeauftragten zu verteidigen. Müsste das Organ automatisch der vom Mitgliedstaat angeführten Begründung folgen, wäre es gezwungen, gegenüber der Person, die den Antrag auf Zugang gestellt hat, und gegebenenfalls vor den Kontrollinstanzen Positionen zu vertreten, die es selbst nicht für vertretbar hält. 48 In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001, die vorbehaltlich der in dieser genannten Ausnahmen ein Recht auf Zugang zu allen im Besitz eines Organs befindlichen Dokumenten vorsehen, von dem Organ, bei dem der Zugangsantrag gestellt wurde, tatsächlich durchgeführt werden müssen, und zwar nicht erst nach einer Klage beim Unionsrichter. Dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass die Möglichkeit, eine solche Klage zu erheben, dem betreffenden Organ die Befugnis nehme, die vom Mitgliedstaat vorgebrachte Begründung zu prüfen, kann daher nicht gefolgt werden. 49 Wäre die Prüfung auf die rein formalen Aspekte des vom Mitgliedstaat geäußerten Widerspruchs beschränkt, könnte dieser schließlich auch dann, wenn keine tatsächlichen Gründe für eine Ausnahme vom Grundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorliegen, jede Verbreitung schlicht und einfach durch eine Begründung verhindern, in der formal auf die materiellen Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Bezug genommen wird. Eine solche rein formale Prüfung liefe darauf hinaus, dass in der Praxis die durch diese Verordnung abgeschaffte Urheberregel wieder eingeführt würde, und widerspräche dem Grundsatz, wonach die materiellen Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung die Ausübung der Befugnis, die Art. 4 Abs. 5 der Verordnung dem betreffenden Mitgliedstaat einräumt, eingrenzen (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 76). 50 Demnach macht die Bundesrepublik Deutschland zu Unrecht geltend, dass das Organ – wenn ein Mitgliedstaat im Rahmen von Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 Widerspruch geäußert habe –, bevor es gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung eine Entscheidung erlasse, in der die Gründe für seine Verweigerung des Zugangs zum angeforderten Dokument dargelegt seien, den Widerspruch des Mitgliedstaats nur einer formalen Prüfung unterziehen dürfe, die allein darin bestehe, dass geklärt werde, ob dem Widerspruch nicht jede Begründung fehle und ob in dieser auf die in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen Bezug genommen werde. 51 Der in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 geregelte Entscheidungsprozess verlangt im Gegenteil, dass der betreffende Mitgliedstaat und das Organ sich an die materiellen Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung halten (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 83). Das Organ ist daher befugt, sich zu vergewissern, dass die Rechtfertigungen, auf die der Widerspruch des Mitgliedstaats gegen die Verbreitung des angeforderten Dokuments gestützt wird und die in der gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung erlassenen Entscheidung, mit der der Zugang verweigert wird, anzugeben sind, nicht einer Grundlage entbehren. 52 Anders als die Bundesrepublik Deutschland in entsprechender Heranziehung der im Urteil des Gerichtshofs vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a. (283/81, Slg. 1982, 3415, Randnr. 13), festgelegten Kriterien hilfsweise vorträgt, kann dabei nicht davon ausgegangen werden, dass eine Prüfung des Organs nur dann erfolgen darf, wenn die streitige Fallkonstellation bereits zu einem Urteil des Unionsrichters in einer gleich gelagerten oder ähnlichen Rechtssache geführt hat oder wenn die richtige Anwendung des Rechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen geht es auch nicht darum, zu klären, ob die vom betreffenden Mitgliedstaat angeführte Begründung in einer alle Zweifel ausschließenden Weise fehlerhaft ist. 53 Die Prüfung des Organs besteht darin, dass geklärt wird, ob angesichts der Umstände des konkreten Falles und der anwendbaren Rechtsvorschriften die vom Mitgliedstaat für seinen Widerspruch angeführten Gründe eine solche Ablehnung auf den ersten Blick rechtfertigen (vgl. entsprechend Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 23. Februar 2001, Österreich/Rat, C-445/00 R, Slg. 2001, I-1461, Randnrn. 73 und 74) und ob sie daher dem Organ erlauben, die Verantwortung zu übernehmen, die ihm Art. 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 überträgt. 54 Es geht für das Organ nicht darum, seine Auffassung durchzusetzen oder die Beurteilung des betreffenden Mitgliedstaats durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen, sondern darum, den Erlass einer Entscheidung zu vermeiden, die es für nicht vertretbar hält. Das Organ ist als derjenige, der die Entscheidung erlässt, mit der der Zugang gewährt oder verweigert wird, für deren Rechtmäßigkeit verantwortlich. Bevor es den Zugang zu einem von einem Mitgliedstaat stammenden Dokument verweigert, muss es daher prüfen, ob der Mitgliedstaat seinen Widerspruch auf die materiellen Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt und seinen Standpunkt in Bezug auf diese Ausnahmen ordnungsgemäß begründet hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 99). 55 Diese Prüfung hat im Rahmen des loyalen Dialogs zu erfolgen, der den in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Entscheidungsprozess kennzeichnet; das Organ muss dem Mitgliedstaat dabei ermöglichen, seine Gründe so gut wie möglich darzulegen oder sie zu überdenken, damit sie prima facie als vertretbar angesehen werden können (vgl. Randnr. 53 des vorliegenden Urteils). 56 Diese Prüfung ist zudem unter angemessener Berücksichtigung des Grundsatzes durchzuführen, wonach die in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Ausnahmen vom Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Dokumenten der Organe angesichts der mit der Verordnung verfolgten Ziele, insbesondere des in deren zweitem Erwägungsgrund genannten Umstands, dass dieses Recht mit dem demokratischem Charakter der Unionsorgane zusammenhängt, und des im vierten Erwägungsgrund und in Art. 1 genannten Zwecks der Verordnung, der Öffentlichkeit größtmöglichen Zugang zu verschaffen, eng auszulegen und anzuwenden sind (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 63, und Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 66). 57 Folglich ist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass die Kommission, indem sie die Stichhaltigkeit der von der Klägerin für ihren Widerspruch angeführten Begründung geprüft habe, die Grenzen ihrer Befugnis im Verfahren nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 überschritten habe, als unbegründet zurückzuweisen. Zu den von der Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung ihres Widerspruchs gegen die Verbreitung der Dokumente angeführten Gründen 58 Aus den oben gemachten Ausführungen (vgl. Randnrn. 32, 33, 45, 46 und 55) geht hervor, dass die Durchführung von Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 zum Zweck der Klärung, ob die Verweigerung des Zugangs zu einem von einem Mitgliedstaat stammenden Dokument nach den Ausnahmeregelungen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 gerechtfertigt sein kann, auf der Grundlage einer loyalen Zusammenarbeit zwischen dem Organ und dem betreffenden Mitgliedstaat erfolgt. Erst nach einem offenen und konstruktiven Dialog über die Möglichkeit, die Verweigerung des Zugangs nach Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 zu rechtfertigen, kann das Organ deshalb beschließen, die Gründe abzulehnen, die der Mitgliedstaat für seinen Widerspruch anführt, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass diese Gründe nicht vertretbar sind. 59 Im vorliegenden Fall fanden vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung wiederholt Schriftwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission statt. Insbesondere hat die Kommission die Bundesrepublik Deutschland in ihrem Schreiben vom 15. September 2008 unter Angabe von Gründen aufgefordert, ihren Standpunkt zu überprüfen. Die Bundesrepublik Deutschland blieb jedoch bei ihrer Ablehnung. Erst nach diesen Schriftwechseln hat die Kommission die angefochtene Entscheidung erlassen. Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland hat sich die Kommission somit nicht darauf beschränkt, die Analyse der deutschen Behörden durch ihre eigene Analyse zu ersetzen. Die angefochtene Entscheidung wurde vielmehr gemäß dem in Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Entscheidungsprozess aufgrund eines loyalen Dialogs erlassen. 60 Weiter ist zu klären, ob die Kommission, wie sie selbst geltend macht, zu dem Ergebnis kommen konnte, dass die Gründe, die von der Bundesrepublik Deutschland für ihren Widerspruch gegen die Verbreitung der angeforderten Dokumente angeführt worden waren, prima facie nicht stichhaltig waren. 61 Was erstens die Ausnahme des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Schutz der internationalen Beziehungen betrifft, hält die Bundesrepublik Deutschland die Argumente, die sie bei der Kommission für ihren Widerspruch vorgebracht hat, für zumindest vertretbar. 62 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass der Begriff der „internationalen Beziehungen“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 ein Begriff des Unionsrechts ist und folglich nicht davon abhängen kann, welchen Inhalt er nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hat. Tatsächlich enthält Art. 4 Abs. 5 der Verordnung ebenso wenig wie die Abs. 1 bis 4 dieses Artikels einen Verweis auf das nationale Recht (Urteil Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 69). 63 Sodann ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Gründungsverträge der Union im Unterschied zu gewöhnlichen internationalen Verträgen eine über eigene Organe verfügende neue Rechtsordnung geschaffen haben, zu deren Gunsten die Staaten in immer weiteren Bereichen ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben und deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch deren Bürger sind (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Februar 1963, Van Gend & Loos, 26/62, Slg. 1963, 3, 5 f., und Gutachten des Gerichtshofs 1/91 vom 14. Dezember 1991, Slg. 1991, I-6079, Randnr. 21). Damit die Ziele der Union in den von dieser erfassten Bereichen erreicht werden, fallen die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der Union unter die Verfassung, die durch die Verträge festgelegt worden ist. 64 Das gilt insbesondere für die Kommunikation zwischen einem Mitgliedstaat und der Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens, das eingeleitet wurde, um sicherzustellen, dass ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus den Verträgen erfüllt. 65 Schließlich ist zu beachten, dass die Auffassung der Bundesrepublik Deutschland, die Kommunikation zwischen ihr und den Organen der Union falle unter den Begriff der „internationalen Beziehungen“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, zur Folge hätte, dass zugelassen würde, dass ein Großteil der in den Tätigkeitsbereichen der Union verwendeten Dokumente dem Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe entzogen wäre. Ein solches Ergebnis würde aber die Erreichung des mit der Verordnung Nr. 1049/2001 verfolgten Ziels der Transparenz unmöglich machen und wäre unvereinbar mit dem oben angeführten Grundsatz, dass die Ausnahmen des Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 eng auszulegen und anzuwenden sind (vgl. Randnrn. 42 und 56 des vorliegenden Urteils). 66 Die Kommission hat daher zu Recht festgestellt, dass der von der Bundesrepublik Deutschland angeführte Grund des Schutzes der internationalen Beziehungen gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. a dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 prima facie nicht stichhaltig sei. 67 Diese Feststellung schließt nicht aus, dass nationales Recht, durch das ein öffentliches oder privates Interesse geschützt wird, als schutzwürdiges Interesse im Sinne der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen angesehen werden kann. Die Begriffe des nationalen Rechts und die des Unionsrechts können nämlich miteinander übereinstimmen, einander ergänzen oder auch der gegenseitigen Bezugnahme dienen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C-46/93 und C-48/93, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 27, und Schweden/Kommission, oben in Randnr. 6 angeführt, Randnr. 84). 68 Was zweitens die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten angeht, auf die sich die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls berufen hat, ist zunächst festzustellen, dass die von der Kommission nach Art. 226 EG eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren unter die Untersuchungstätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung fallen. 69 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass das Organ, wenn es beschließt, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, dessen Verbreitung beantragt wurde, erläutern muss, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte angeführte Interesse konkret beeinträchtigen könnte. Dabei kann sich das Organ gegebenenfalls auf allgemeine Vermutungen stützen, die für bestimmte Kategorien von Dokumenten gelten, da für Anträge auf Verbreitung von Dokumenten gleicher Art vergleichbare allgemeine Erwägungen gelten können (Urteile des Gerichtshofs vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C-39/05 P und C-52/05 P, Slg. 2008, I-4723, Randnrn. 49 und 50, sowie vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C-139/07 P, Slg. 2010, I-5885, Randnrn. 53 und 54). 70 Schließlich ist festzustellen, dass ein Mitgliedstaat, der im Verfahren nach Art. 4 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1049/2001 der Verbreitung von Dokumenten widerspricht, die von diesem Mitgliedstaat stammen, dem Organ alle Informationen übermitteln muss, die es diesem ermöglichen, eine Entscheidung zu rechtfertigen, mit der der Zugang zu den betreffenden Dokumenten verweigert wird. 71 Im vorliegenden Fall geht aus der Verfahrensakte hervor, dass die Bundesrepublik Deutschland zur Stützung ihres Widerspruchs gegen die Verbreitung der angeforderten Dokumente angeführt hat, dass deren Herausgabe an Dritte die auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit beruhenden Beziehungen zwischen ihr und der Kommission beeinträchtigen würde, die ihr Verhältnis bei der Suche nach einer mit dem Unionsrecht vereinbaren Lösung in Vertragsverletzungsverfahren kennzeichneten. Die Bundesrepublik Deutschland verweist hierzu auf die Urteile des Gerichts vom 11. Dezember 2001, Petrie u. a./Kommission (T-191/99, Slg. 2001, II-3677, Randnrn. 68 und 69), und vom 14. Oktober 1999, Bavarian Lager/Kommission (T-309/97, Slg. 1999, II-3217, Randnr. 46). 72 Die Bundesrepublik Deutschland hat vorgetragen, dass Gleiches auch nach Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens gelte, da ein solches Verfahren ein Ort der Verhandlungstaktiken, Kompromisslinien und Strategien sei, die auch in künftigen Vertragsverletzungsverfahren verwendet werden könnten. Eine solche Interessenkonstellation sei schützenswert, und zwar auch dann, wenn in einem bestimmten Vertragsverletzungsverfahren keine spezifische Gefahr bestehe. Im vorliegenden Fall enthielten die angeforderten Dokumente Tatsachendarstellungen und Angaben zu den vorangegangenen oder beabsichtigten Verfahrensschritten, die nicht offengelegt werden dürften, damit die loyale Zusammenarbeit zwischen ihr und der Kommission sichergestellt sei und die Suche nach flexiblen und raschen Lösungen nicht behindert werde. 73 Hierzu ist festzustellen, dass die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme nach der Rechtsprechung nicht die Untersuchungstätigkeiten als solche schützen soll, sondern deren Zweck, der im Fall eines Vertragsverletzungsverfahrens darin besteht, den betreffenden Mitgliedstaat dazu zu bewegen, das Gemeinschaftsrecht zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. September 2007, API/Kommission, T-36/04, Slg. 2007, II-3201, Randnrn. 127 und 133, sowie Bavarian Lager, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 149). 74 Aus diesem Grund können Untersuchungshandlungen, solange dieses Ziel nicht erreicht ist, auch noch unter die betreffende Ausnahme fallen, wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die Grundlage des Berichts ist, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 110; vgl. entsprechend für die Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 Urteil des Gerichts vom 13. September 2000, Denkavit Nederland/Kommission, T-20/99, Slg. 2000, II-3011, Randnr. 48). 75 Um die Anwendung der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme zu rechtfertigen, muss allerdings nachgewiesen werden, dass die Freigabe der betreffenden Dokumente den Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten der Kommission bezüglich der fraglichen Vertragsverletzungen tatsächlich beeinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Franchet und Byk, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnrn. 105 und 109, sowie API/Kommission, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 127). Die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung muss nämlich konkret sein, und die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses muss absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (Urteile Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 115, Bavarian Lager, oben in Randnr. 8 angeführt, Randnr. 151, sowie Schweden und Turco/Rat, oben in Randnr. 69 angeführt, Randnrn. 43 und 63). 76 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass das Vertragsverletzungsverfahren, in dem die angeforderten Dokumente vorgelegt wurden, am 28. Juni 2006 eingestellt wurde, also mehr als zwei Jahre vor dem Antrag auf Zugang zu den Dokumenten, der am 19. Juli 2008 gestellt wurde. Die Bundesrepublik Deutschland kann sich daher nicht auf die Urteile Petrie u. a./Kommission und Bavarian Lager/Kommission (oben in Randnr. 71 angeführt) berufen, denn diese Urteile betreffen Fälle, in denen das Vertragsverletzungsverfahren zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung entweder bei der Verwaltung oder vor den Gerichten noch in Gang war. 77 Im vorliegenden Fall kann daher nicht bestritten werden, dass Untersuchungstätigkeiten, deren Zweck durch die Verbreitung der betreffenden Dokumente hätte gefährdet werden können, nicht in Gang waren, als im Juli 2008 der Antrag auf Zugang zu Dokumenten gestellt wurde. 78 Zum Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, dass eine Versagung des Rechts auf Zugang zu den Dokumenten wegen der Notwendigkeit geboten gewesen sei, die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen der Kommission und ihr selbst in Vertragsverletzungsverfahren zu wahren (vgl. Randnrn. 71 und 72 des vorliegenden Urteils), ist erstens festzustellen, dass anders als in laufenden Vertragsverletzungsverfahren keine allgemeine Vermutung besteht, wonach eine Verbreitung der Schriftwechsel zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat in einem eingestellten Vertragsverletzungsverfahren den nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützten Zweck von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde. 79 Zweitens ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland keine Angaben gemacht hat, die es erlauben würden, zu verstehen, inwiefern die Freigabe der angeforderten Dokumente zwei Jahre nach der Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens den Zweck der betreffenden Untersuchung oder anderer, damit zusammenhängender Untersuchungen konkret und tatsächlich hätte gefährden können. Die Bundesrepublik Deutschland hat nämlich nicht angeführt, dass die Möglichkeit bestehe, dass das von der Kommission am 28. Juni 2006 eingestellte Verfahren wieder aufgenommen werde, oder dass ein mit diesem Verfahren zusammenhängendes Vertragsverletzungsverfahren geführt werde, dessen Ablauf durch die Freigabe der angeforderten Dokumente hätte beeinträchtigt werden können. 80 In diesem Zusammenhang ist auch das Vorbringen des Königreichs Spanien zurückzuweisen, dass, da die Kommission die unbegrenzte Möglichkeit habe, Vertragsverletzungsverfahren wieder aufzunehmen, die Schriftwechsel zwischen ihr und den Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Verfahren stets unter die Ausnahme des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 über den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten fallen müssten. Diesem Vorbringen liegt eine rein hypothetische Überlegung zugrunde, denn das Königreich Spanien hat nicht dargetan, dass eine Wiederaufnahme des Vertragsverletzungsverfahrens im vorliegenden Fall absehbar ist. 81 Demnach ist festzustellen, dass die von der Bundesrepublik Deutschland für ihren Widerspruch gegen die Freigabe der Dokumente angeführten Gründe abstrakt und rein hypothetisch waren und daher keine ausreichende Rechtsgrundlage bieten konnten, auf der die Kommission eine ablehnende Entscheidung nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 hätte rechtfertigen können. 82 Die Kommission hat folglich zu Recht die Auffassung vertreten, dass die Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland zur Rechtfertigung ihres Widerspruchs gegen die Übermittlung der angeforderten Dokumente angeführt hatte, prima facie nicht stichhaltig seien. 83 Somit ist die Klage abzuweisen. Kosten 84 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten auch die Kosten der Kommission aufzuerlegen. 85 Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Das Königreich Dänemark, das Königreich Spanien, die Republik Finnland, die Republik Polen und das Königreich Schweden tragen daher ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission. 3. Das Königreich Dänemark, das Königreich Spanien, die Republik Finnland, die Republik Polen und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten. Pelikánová Jürimäe Van der Woude Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Februar 2012. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Deutsch.
Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 14. Februar 2012.#Toshiba Corporation u. a. gegen Úřad pro ochranu hospodářské soutěže.#Vorabentscheidungsersuchen des Krajský soud v Brně.#Wettbewerb – Kartell im Gebiet eines Mitgliedstaats, das vor dem Beitritt dieses Staates zur Europäischen Union begonnen hat – International operierendes Kartell, das sich im Gebiet der Union und des Europäischen Wirtschaftsraums auswirkt – Art. 81 EG und 53 des EWR‑Abkommens – Verfolgung und Ahndung der Zuwiderhandlung für die Zeit vor und nach dem Beitrittstermin – Geldbußen – Abgrenzung der Zuständigkeiten der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden – Verhängung von Geldbußen durch die Kommission und die nationale Wettbewerbsbehörde – Grundsatz ne bis in idem – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 3 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 – Folgen des Beitritts eines neuen Mitgliedstaats zur Union.#Rechtssache C‑17/10.
62010CJ0017
ECLI:EU:C:2012:72
2012-02-14T00:00:00
Gerichtshof, Kokott
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62010CJ0017 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 14. Februar 2012 (*1) „Wettbewerb — Kartell im Gebiet eines Mitgliedstaats, das vor dem Beitritt dieses Staates zur Europäischen Union begonnen hat — International operierendes Kartell, das sich im Gebiet der Union und des Europäischen Wirtschaftsraums auswirkt — Art. 81 EG und 53 des EWR-Abkommens — Verfolgung und Ahndung der Zuwiderhandlung für die Zeit vor und nach dem Beitrittstermin — Geldbußen — Abgrenzung der Zuständigkeiten der Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden — Verhängung von Geldbußen durch die Kommission und die nationale Wettbewerbsbehörde — Grundsatz ne bis in idem — Verordnung (EG) Nr. 1/2003 — Art. 3 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 6 — Folgen des Beitritts eines neuen Mitgliedstaats zur Union“ In der Rechtssache C-17/10 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Krajský soud v Brně (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 11. Dezember 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2010, in dem Verfahren Toshiba Corporation, T&D Holding, vormals Areva T&D Holding SA, Alstom Grid SAS, vormals Areva T&D SAS, Alstom Grid AG, vormals Areva T&D AG, Mitsubishi Electric Corp., Alstom, Fuji Electric Holdings Co. Ltd, Fuji Electric Systems Co. Ltd, Siemens Transmission & Distribution SA, Siemens AG Österreich, VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG, Siemens AG, Hitachi Ltd, Hitachi Europe Ltd, Japan AE Power Systems Corp., Nuova Magrini Galileo SpA gegen Úřad pro ochranu hospodářské soutěže erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, J. Malenovský und U. Lõhmus, der Richter A. Rosas (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. Ilešič und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie des Richters J.-J. Kasel, Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2011, unter Berücksichtigung der Erklärungen — der Toshiba Corporation, vertreten durch I. Janda, advokát, und J. MacLennan, Solicitor, — der Mitsubishi Electric Corp., vertreten durch A. César und M. Abraham, advokáti, — von Alstom, vertreten durch M. Dubovský und M. Nulíček, advokáti, J. Derenne, avocat, K. Wilson, Solicitor, und G. Dolara, advocate, — der Fuji Electric Holdings Co. Ltd und der Fuji Electric Systems Co. Ltd, vertreten durch V. Glatzová, advokát, — der Siemens Transmission & Distribution SA, der Siemens AG Österreich und der VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG, vertreten durch M. Nedelka, advokát, — der Siemens AG, vertreten durch M. Nedelka, advokát, — der Hitachi Ltd, der Hitachi Europe Ltd und der Japan AE Power Systems Corp., vertreten durch M. Touška und I. Halamová Dobíšková, advokáti, M. Reynolds und P. J. Mansfield, Solicitors, W. Devroe, advocaat, N. Green, QC, und S. Singla, Barrister, — der Nuova Magrini Galileo SpA, vertreten durch M. Nedelka, advokát, — des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže, vertreten durch M. Vráb als Bevollmächtigten, — der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten, — Irlands, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von S. Kingston, Barrister, — der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta und J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigte, — der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und K. Zawisza als Bevollmächtigte, — der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte, — der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, N. Khan, K. Walkerová und P. Němečková als Bevollmächtigte, — der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis und O. Einarsson als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. September 2011 folgendes Urteil 1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 81 EG, der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1), insbesondere ihres Art. 3 Abs. 1 und ihres Art. 11 Abs. 6, sowie der Ziff. 51 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ABl. 2004, C 101, S. 43, im Folgenden: Bekanntmachung der Kommission). 2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen verschiedenen Unternehmen und dem Úřad pro ochranu hospodářské soutěže (tschechische Wettbewerbsbehörde) über die Entscheidung dieser Behörde, mit der ihnen wegen Verstoßes gegen das tschechische Wettbewerbsrecht Geldbußen auferlegt wurden. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht 3 Art. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte) lautet: „Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe … für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.“ 4 Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) untersagt Kartelle in gleicher Weise wie Art. 81 EG, und sein Anwendungsbereich erstreckt sich auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden: EWR). 5 Der achte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 sieht vor: „Um die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und das reibungslose Funktionieren der in dieser Verordnung enthaltenen Formen der Zusammenarbeit zu gewährleisten, müssen die Wettbewerbsbehörden und die Gerichte in den Mitgliedstaaten verpflichtet sein, auch die Artikel 81 [EG] und 82 [EG] anzuwenden, wenn sie innerstaatliches Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, anwenden. Um für Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen gleiche Bedingungen im Binnenmarkt zu schaffen, ist es ferner erforderlich, auf der Grundlage von Artikel 83 Absatz 2 Buchstabe e) [EG] das Verhältnis zwischen dem innerstaatlichen Recht und dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu bestimmen. …“ 6 Der neunte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 lautet: „Ziel der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] ist der Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt. Diese Verordnung, die der Durchführung dieser Vertragsbestimmungen dient, verwehrt es den Mitgliedstaaten nicht, in ihrem Hoheitsgebiet innerstaatliche Rechtsvorschriften zu erlassen, die andere legitime Interessen schützen, sofern diese Rechtsvorschriften im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen und übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stehen. Sofern derartige Rechtsvorschriften überwiegend auf ein Ziel gerichtet sind, das von dem des Schutzes des Wettbewerbs auf dem Markt abweicht, dürfen die Wettbewerbsbehörden und Gerichte in den Mitgliedstaaten solche Rechtsvorschriften in ihrem Hoheitsgebiet anwenden. …“ 7 Im 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 heißt es: „Um eine einheitliche Anwendung der Wettbewerbsregeln und gleichzeitig ein optimales Funktionieren des Netzwerks zu gewährleisten, muss die Regel beibehalten werden, dass die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten automatisch ihre Zuständigkeit verlieren, sobald die Kommission ein Verfahren einleitet. …“ 8 Der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt: „Um eine optimale Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks sicherzustellen, sollte eine allgemeine Bestimmung eingeführt werden, wonach eine Wettbewerbsbehörde ein Verfahren mit der Begründung aussetzen oder einstellen kann, dass sich eine andere Behörde mit demselben Fall befasst hat oder noch befasst. Ziel ist es, dass jeder Fall nur von einer Behörde bearbeitet wird. …“ 9 Der 37. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003, in dem der Schutz der Grundrechte behandelt wird, lautet: „Diese Verordnung wahrt die Grundrechte und steht im Einklang mit den Prinzipien, die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [im Folgenden: Charta] verankert sind. Demzufolge ist diese Verordnung in Übereinstimmung mit diesen Rechten und Prinzipien auszulegen und anzuwenden.“ 10 Art. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 regelt das „Verhältnis zwischen [Artikel 81 EG] und dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht“ wie folgt: „(1)   Wenden die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder einzelstaatliche Gerichte das einzelstaatliche Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 [EG] an, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen können, so wenden sie auch Artikel 81 [EG] auf diese Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen an. … (2)   Die Anwendung des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts darf nicht zum Verbot von Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen führen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, aber den Wettbewerb im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 [EG] nicht einschränken oder die Bedingungen des Artikels 81 Absatz 3 [EG] erfüllen oder durch eine Verordnung zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 [EG] erfasst sind. Den Mitgliedstaaten wird durch diese Verordnung nicht verwehrt, in ihrem Hoheitsgebiet strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen zu erlassen oder anzuwenden. (3)   Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet der allgemeinen Grundsätze und sonstigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nicht, wenn die Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten einzelstaatliche Gesetze über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen anwenden, und stehen auch nicht der Anwendung von Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts entgegen, die überwiegend ein von den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] abweichendes Ziel verfolgen.“ 11 Zudem stellt Art. 11 („Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 1/2003 in Abs. 6 Satz 1 folgende Regel auf: „Leitet die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III ein, so entfällt damit die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG].“ 12 Art. 13 („Aussetzung und Einstellung des Verfahrens“) der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt: „(1)   Sind die Wettbewerbsbehörden mehrerer Mitgliedstaaten aufgrund einer Beschwerde oder von Amts wegen mit einem Verfahren gemäß Artikel 81 [EG] oder Artikel 82 [EG] gegen dieselbe Vereinbarung, denselben Beschluss oder dieselbe Verhaltensweise befasst, so stellt der Umstand, dass eine Behörde den Fall bereits bearbeitet, für die übrigen Behörden einen hinreichenden Grund dar, ihr Verfahren auszusetzen oder die Beschwerde zurückzuweisen. Auch die Kommission kann eine Beschwerde mit der Begründung zurückweisen, dass sich bereits eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats mit dieser Beschwerde befasst. (2)   Ist eine einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde oder die Kommission mit einer Beschwerde gegen eine Vereinbarung, einen Beschluss oder eine Verhaltensweise befasst, die bereits von einer anderen Wettbewerbsbehörde behandelt worden ist, so kann die Beschwerde abgewiesen werden.“ 13 Art. 16 („Einheitliche Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts“) der Verordnung Nr. 1/2003 sieht in Abs. 2 vor: „Wenn Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nach Artikel 81 [EG] oder 82 [EG] über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, dürfen sie keine Entscheidungen treffen, die der von der Kommission erlassenen Entscheidung zuwiderlaufen würden.“ 14 Entsprechend ihrem Art. 45 Abs. 2 gilt die Verordnung Nr. 1/2003 seit dem 1. Mai 2004. 15 Die Bekanntmachung der Kommission enthält unter der Überschrift „3.2 Verfahrenseinleitung durch die Kommission nach Artikel 11 Absatz 6 der Ratsverordnung“ u. a. folgende Erläuterungen: „… 51. Nach Artikel 11 Absatz 6 der [Verordnung Nr. 1/2003] entfällt die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] in Fällen, in denen die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach der [Verordnung Nr. 1/2003] einleitet. Dies bedeutet, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden, nachdem die Kommission ein Verfahren eröffnet hat, nicht mehr auf derselben Rechtsgrundlage gegen dieselbe(n) Vereinbarung(en) oder Verhaltensweise(n) derselben/desselben Unternehmen(s) auf demselben relevanten geografischen Markt und Produktmarkt vorgehen können. … 53. Es können zwei Situationen auftreten. Hat die Kommission als erste Wettbewerbsbehörde ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach der [Verordnung Nr. 1/2003] eingeleitet, so können sich nationale Wettbewerbsbehörden nicht mehr mit dem Fall befassen. Artikel 11 Absatz 6 der [Verordnung Nr. 1/2003] sieht vor, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden, nachdem die Kommission ein Verfahren eingeleitet hat, kein eigenes Verfahren mehr im Hinblick auf die Anwendung der Artikel 81 [EG] und 82 [EG] auf dieselbe(n) Vereinbarung(en) oder Verhaltensweise(n) derselben/desselben [Unternehmen(s)] auf denselben relevanten geografischen Märkten und Produktmärkten einleiten können. …“ Nationales Recht 16 Die einschlägige tschechische Rechtsvorschrift ist § 3 des Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs. Diese Vorschrift galt bis zum 30. Juni 2001 in der Fassung des Gesetzes Nr. 63/1991 Sb. (Zákon č. 63/1991 Sb., o ochraně hospodářské soutěže) in seiner geänderten Fassung und ab dem 1. Juli 2001 in der Fassung des Gesetzes Nr. 143/2001 Sb. (Zákon č. 143/2001 Sb., o ochraně hospodářské soutěže). 17 § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs lautete in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung: „Alle Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen von Wettbewerbern …, die zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Warenmarkt führen oder führen können, sind verboten und nichtig, sofern nicht in diesem Gesetz oder in einem besonderen Gesetz etwas anderes bestimmt ist oder vom Ministerium für den Wettbewerb … eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde“. 18 Dem entspricht im Wesentlichen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Praktiken in § 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 143/2001 Sb., das am 1. Juli 2001 an die Stelle des Gesetzes Nr. 63/1991 Sb. getreten ist. Sachverhalt, Verwaltungsverfahren und Ausgangsrechtsstreit 19 Der vorliegende Fall betrifft ein weltumspannendes Kartell auf dem Markt für gasisolierte Schaltanlagen (im Folgenden: GIS), an dem während verschiedener Zeiträume zwischen 1988 und 2004 mehrere europäische und japanische Unternehmen aus der Elektrotechnikbranche beteiligt waren. Sowohl die Kommission als auch der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže befassten sich in den Jahren 2006 und 2007 mit bestimmten Aspekten dieses Falles und verhängten gegen die betroffenen Unternehmen jeweils Geldbußen. Verwaltungsverfahren auf Unionsebene 20 Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung teilte die Kommission dem Úřad pro ochranu hospodářské soutěže mit Schreiben vom 30. September 2004 mit, dass sie die Einleitung eines Verfahrens in Bezug auf ein Kartell auf dem Markt für GIS beabsichtige. In diesem Schreiben führte die Kommission aus, dass das untersuchte wettbewerbswidrige Verhalten zum großen Teil vor dem 1. Mai 2004 stattgefunden habe und dass das Verfahren bei ihr angesichts der Schwierigkeiten, eine Geldbuße nur für die letzten Tage dieses Verhaltens (vom 1. Mai 2004 bis zum 11. Mai 2004) zu verhängen, nur die Tätigkeiten des Kartells im Gebiet der Europäischen Union vor ihrer Erweiterung am 1. Mai 2004 zum Gegenstand habe. Es sei somit unwahrscheinlich, dass sie ein Verfahren betreffend die Tschechische Republik einleiten werde. 21 Am 20. April 2006 leitete die Kommission auf der Grundlage der Art. 81 EG und 53 des EWR-Abkommens in Verbindung mit der Verordnung Nr. 1/2003 ein Verfahren zur Verhängung von Geldbußen ein. Dieses Verfahren, dem ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung und – im Jahr 2004 – Nachprüfungen in den Geschäftsräumen mehrerer an dem Kartell beteiligter Unternehmen vorausgegangen waren, richtete sich gegen insgesamt 20 juristische Personen, unter denen sich die Toshiba Corporation und die anderen Klägerinnen des Ausgangsverfahrens befanden. 22 In den Randnrn. 2 und 3 der Begründung der Entscheidung der Kommission vom 24. Januar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen) (im Folgenden: Entscheidung der Kommission), mit der das Verfahren abgeschlossen wurde, legte die Kommission dar, dass das in Rede stehende Kartell vom 15. April 1988 bis zum 11. Mai 2004 eine einzige fortdauernde Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und ab dem 1. Januar 1994 auch gegen Art. 53 des EWR-Abkommens dargestellt habe, die sich auf das gesamte Gebiet des EWR erstreckt habe und an der sich die verschiedenen beteiligten Unternehmen in unterschiedlich langen Zeiträumen beteiligt hätten. In Abschnitt 6.6.2 der Entscheidung bestimmte die Kommission den Zeitpunkt der Beendigung dieses Kartells – nämlich den 11. Mai 2004 – unter Bezugnahme auf das Datum der letzten ihr bekannt gewordenen Arbeitssitzung, die geendet habe, als die Vertreter der Siemens AG den anderen Mitgliedern des Kartells mitgeteilt hätten, dass die Kommission an diesem Tag unangekündigte Nachprüfungen durchgeführt habe. 23 Nach den Feststellungen in den Randnrn. 2, 3, 218 und 248 der Begründung der Entscheidung der Kommission handelte es sich um ein komplexes und – mit Ausnahme der Vereinigten Staaten und Kanadas – weltumspannendes Kartell, das sich in der Union und im EWR auswirkte und in dessen Rahmen die entsprechenden Unternehmen u. a. sensible Informationen über den betreffenden Markt austauschten, die Märkte aufteilten, Preisvereinbarungen schlossen und ihre Zusammenarbeit mit Unternehmen, die nicht Mitglieder des Kartells waren, einstellten. 24 Mit Ausnahme eines Unternehmens, der ABB Ltd, die vom Kronzeugenprogramm der Kommission profitierte, wurden allen Verfahrensbeteiligten, darunter allen Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, Geldbußen in Höhe von insgesamt mehr als 750 Millionen Euro auferlegt. Die höchste einzelne Geldbuße von mehr als 396 Millionen Euro wurde der Siemens AG auferlegt. Verwaltungsverfahren auf nationaler Ebene 25 Am 2. August 2006 leitete der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže in Bezug auf die Mitglieder des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs ein. Am 9. Februar 2007 erließ er eine erste Entscheidung, gegen die die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens einen verwaltungsinternen Rechtsbehelf einlegten. Auf diesen Rechtsbehelf hin änderte der Präsident des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže diese erste Entscheidung mit Entscheidung vom 26. April 2007 ab. 26 In dieser Entscheidung vom 26. April 2007 stellte die Behörde fest, dass sich die ABB Management Services Ltd (Rechtsnachfolgerin der ABB Power Technologies Management Ltd), die ABB Switzerland Ltd, die ABB Ltd, Alstom, die Areva T&D SA, die Fuji Electric Holdings Co. Ltd, die Fuji Electric Systems Co. Ltd, die Hitachi Ltd, die Hitachi Europe Ltd, die Mitsubishi Electric Corp., die Toshiba Corporation, die Schneider Electric SA, die Siemens AG, die Siemens AG Österreich (Rechtsnachfolgerin der VA Technologie AG und der VA Tech T&D GmbH), die VA Tech Transmission & Distribution GmbH & Co. KEG, die Siemens Transmission and Distribution Ltd (vormals VA Tech Transmission & Distribution Ltd) und die Nuova Magrini Galileo SpA an einem Kartell im Gebiet der Tschechischen Republik beteiligt hätten. Damit hätten diese konkurrierenden Unternehmen in der Zeit bis zum 30. Juni 2001 gegen das Verbot gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs in der Fassung des Gesetzes Nr. 63/1991 Sb. in geänderter Fassung und in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 3. März 2004 gegen das Verbot gemäß § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes Nr. 143/2001 Sb. verstoßen. Die betreffenden Unternehmen hätten somit in der Zeit bis zum 3. März 2004 gegen das Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs verstoßen. 27 Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Beendigung der Zuwiderhandlung stellte der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže auf den letzten Zeitpunkt ab, für den der Nachweis der Zuwiderhandlung geführt werden konnte, d. h. den 3. März 2004, den Zeitpunkt, zu dem die letzte Kommunikation über E-Mail erfasst wurde, die das Bestehen von Verbindungen zwischen den Beteiligten des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells belegte. Nach den Angaben, die der Vertreter der Tschechischen Republik und der Vertreter des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže in der mündlichen Verhandlung gemacht haben, wird im tschechischen Wettbewerbsrecht für die Bestimmung der Beendigung eines Kartells auf Beurteilungskriterien abgestellt, die von den von der Kommission herangezogenen abweichen. 28 Mit Ausnahme eines Unternehmens, das von einer im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Kronzeugenregelung profitierte, wurden allen Unternehmen, die von dem auf nationaler Ebene eingeleiteten Verfahren betroffen waren, Geldbußen auferlegt. Das Verfahren vor den tschechischen Gerichten 29 Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens klagten beim Krajský soud v Brně (Regionalgericht Brünn) gegen die Entscheidung des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže. Sie machten insbesondere geltend, dass diese Behörde die Dauer des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells falsch festgestellt und seine Beendigung bewusst auf einen Zeitpunkt vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union festgelegt habe, um die Anwendung des Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs zu rechtfertigen. Nach Ansicht der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens ergibt sich aus Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003, dass die Behörde zur Durchführung eines Verfahrens auf nationaler Ebene nicht mehr zuständig gewesen sei, da die Kommission in derselben Sache bereits ein Verfahren auf europäischer Ebene eingeleitet habe. Daraus ziehen sie den Schluss, dass das auf nationaler Ebene eingeleitete Verfahren gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoße, der eine mehrfache Ahndung verbiete. 30 Mit Urteil vom 25. Juni 2008 hob der Krajský soud v Brně die Entscheidung des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže vom 26. April 2007 sowie die ursprüngliche Entscheidung vom 9. Februar 2007 auf. 31 Der Krajský soud v Brně war der Ansicht, dass das Verhalten der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens eine einzige fortgesetzte Zuwiderhandlung dargestellt habe, und zog, gestützt auf die Entscheidung der Kommission, den Schluss, dass der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže zu Unrecht eine Beendigung der Zuwiderhandlung am 3. März 2004 angenommen habe. Die Zuwiderhandlung habe bis zum 11. Mai 2004, d. h. bis nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union und dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003, fortgedauert. Daher sei davon auszugehen, dass sie unter der Geltung des „neuen Rechts“, d. h. des Art. 81 EG und der Verordnung Nr. 1/2003, begangen worden sei. Da die Kommission gegen das im Ausgangsverfahren in Rede stehende „weltumspannende“ Kartell bereits ein Verfahren nach Art. 81 EG eingeleitet und Sanktionen verhängt habe, verstoße das neue, in derselben Sache eingeleitete Verfahren gegen den Grundsatz ne bis in idem. Der Krajský soud v Brně war im Übrigen der Ansicht, dass der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže gemäß Art. 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht mehr dafür zuständig gewesen sei, in der fraglichen Angelegenheit nach Art. 81 EG vorzugehen. 32 Der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže legte beim Nejvyšší správní soud (Oberstes Verwaltungsgericht) Kassationsbeschwerde gegen das Urteil des Krajský soud v Brně ein. Er sieht sich weiterhin als zuständig an, das Verhalten der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union zu verfolgen, da die Kommission bis zu diesem Zeitpunkt keine der diesen Staat betreffenden Zuwiderhandlungen habe verfolgen können. Die Behörde meint, mit der Ahndung eines weltumspannenden Kartells im Rahmen verschiedener Zuständigkeiten werde nicht gegen den Grundsatz ne bis in idem verstoßen. Sie macht geltend, die Kommission und sie hätten territorial unterschiedliche Auswirkungen des betreffenden Kartells untersucht. Überdies sei in der sich aus dem Urteil vom 13. Februar 1969, Wilhelm u. a. (14/68, Slg. 1969, 1), ergebenden Rechtsprechung des Gerichtshofs eine parallele Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union und des nationalen Wettbewerbsrechts zugelassen worden. 33 Mit Urteil vom 10. April 2009 hob der Nejvyšší správní soud das Urteil des Krajský soud v Brně auf. 34 Der Nejvyšší správní soud war der Auffassung, dass der Krajský soud v Brně die Beteiligung der betroffenen Unternehmen zu Unrecht als fortgesetzte Zuwiderhandlung bewertet habe. Man habe es mit zwei getrennten Zuwiderhandlungen zu tun, wobei das Datum des Beitritts der Tschechischen Republik zur Union insoweit aufgrund der sich daraus ergebenden Änderung der Zuständigkeiten eine Zäsur dargestellt habe. Insbesondere habe das im Gebiet der Tschechischen Republik praktizierte Kartell bis zum Beitritt ausschließlich der nationalen Zuständigkeit unterlegen und nur nach nationalem Recht verfolgt werden können. Der Nejvyšší správní soud verwies die Rechtssache deshalb zur erneuten Entscheidung zurück an den Krajský soud v Brně. 35 Der Krajský soud v Brně legt dar, dass er zwar nach § 110 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 150/2002 Sb. über die Verwaltungsgerichtsordnung (Zákon č. 150/2002 Sb., soudní řád správní) an die Rechtsauffassung des Nejvyšší správní soud gebunden sei, dass es ihm aber nichtsdestoweniger notwendig erscheine, bestimmte Fragen hinsichtlich des Unionsrechts in Bezug auf den Beitritt der Tschechischen Republik zur Union am 1. Mai 2004 und das Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 zu klären. 36 Deshalb hat der Krajský soud v Brně beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen: 1. Sind Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) und die Verordnung Nr. 1/2003 dahin auszulegen, dass diese Vorschriften (in einem nach dem 1. Mai 2004 eingeleiteten Verfahren) auf die gesamte Zeit anwendbar sind, in der ein Kartell bestand, das in der Tschechischen Republik vor ihrem Beitritt zur Europäischen Union (d. h. vor dem 1. Mai 2004) begonnen und nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union fortgesetzt und beendet wurde? 2. Ist Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und dem 17. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003, Ziff. 51 der Bekanntmachung der Kommission, dem Grundsatz ne bis in idem aus Art. 50 der Charta und den allgemeinen Grundsätzen des europäischen Rechts dahin auszulegen, dass, wenn die Kommission nach dem 1. Mai 2004 ein Verfahren wegen Verstoßes gegen Art. 81 EG einleitet und in der Sache selbst entscheidet, a) damit automatisch und endgültig die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten entfällt, sich mit einem solchen Handeln zu befassen; b) die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten entfällt, auf dasselbe Handeln Vorschriften des innerstaatlichen Rechts anzuwenden, die eine entsprechende rechtliche Regelung wie Art. 81 EG enthalten? Zu den Vorlagefragen Vorbemerkungen 37 Zum Wortlaut der vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen sind folgende Bemerkungen angebracht. In der ersten Frage, mit der geklärt werden soll, welches Recht für die Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells im tschechischen Hoheitsgebiet gilt, wird auf ein Verfahren Bezug genommen, das nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union am 1. Mai 2004 im Zusammenhang mit einem Kartell eingeleitet wurde, das im Hoheitsgebiet dieses Staates vor diesem Zeitpunkt begonnen, anschließend fortgesetzt und erst nach diesem Zeitpunkt beendet worden sein soll. In der zweiten Frage geht es darum, wie sich der Erlass einer Entscheidung zur Ahndung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Kommission auf die Möglichkeit einer nationalen Wettbewerbsbehörde auswirkt, ein Verfahren in Bezug auf dasselbe Verhalten („dasselbe Handeln“) einzuleiten oder fortzusetzen. 38 Diese Formulierung der Vorlagefragen erklärt sich dadurch, dass das vorlegende Gericht der Auffassung ist, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartell auf dem Markt für GIS als ein einheitliches und fortgesetztes Handeln anzusehen sei, das erst nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union beendet worden sei, und dass dieses wettbewerbswidrige Handeln als Ganzes anhand der am Tag seiner Beendigung geltenden Regelung, nämlich des Art. 81 EG und der Verordnung Nr. 1/2003, zu beurteilen sei. 39 In diesem Zusammenhang verweist das vorlegende Gericht ebenso wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens auf die Entscheidung der Kommission und vertritt die Ansicht, dass damit das Verhalten der betroffenen Gesellschaften auch in Bezug auf die Tschechische Republik geahndet worden sei, so dass der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union und dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1/2003 nicht befugt gewesen sei, die Auswirkungen des Kartells in diesem Gebiet zu verfolgen und zu ahnden, auch nicht im Hinblick auf einen Zeitraum vor dem Beitritt. 40 In der Vorlageentscheidung wird allerdings dargelegt, dass die Kommission dem Úřad pro ochranu hospodářské soutěže am 30. September 2004 mitgeteilt habe, dass sie die Einleitung eines Verfahrens in Bezug auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartell auf dem Markt für GIS beabsichtige, und dabei darauf hingewiesen habe, dass das geprüfte wettbewerbswidrige Verhalten zum großen Teil vor dem 1. Mai 2004 stattgefunden habe und dass das von ihr eingeleitete Verfahren nur die Tätigkeiten des Kartells im Gebiet der Union in seiner Gestalt vor ihrer Erweiterung am 1. Mai 2004 betreffe. 41 Zudem hat die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben, dass die in Nr. 29 der Vorlageentscheidung vorgenommene Auslegung des Anwendungsbereichs ihrer Entscheidung unzutreffend sei und dass diese die Auswirkungen des Kartellhandelns im tschechischen Hoheitsgebiet vor dem 1. Mai 2004 nicht erfasst habe. 42 Schließlich ergibt sich unmittelbar aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, dass in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entscheidung des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže ausschließlich diejenigen wettbewerbswidrigen Auswirkungen berücksichtigt werden, die das Kartell der betroffenen Unternehmen im tschechischen Hoheitsgebiet vor dem 1. Mai 2004 hatte. Diese Entscheidung betrifft daher nur den Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union. 43 Die Vorlagefragen sind unter Berücksichtigung dieser Vorüberlegungen zu prüfen. Zur ersten Frage 44 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 81 EG und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 dahin auszulegen sind, dass sie im Rahmen eines nach dem 1. Mai 2004 eingeleiteten Verfahrens auf ein Kartell angewandt werden können, das sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, der der Union am 1. Mai 2004 beigetreten ist, in Zeiträumen vor diesem Datum ausgewirkt hat. 45 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung und Anwendung des Art. 81 EG und der Verordnung Nr. 1/2003 die besondere Lage eines Staates zu berücksichtigen ist, der, wie die Tschechische Republik, mit Wirkung zum 1. Mai 2004 Mitglied der Union geworden ist (vgl. in Bezug auf die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital [ABl. L 249, S. 25] Urteile vom 21. Juni 2007, Optimus – Telecomunicações, C-366/05, Slg. 2007, I-4985, Randnr. 25, und vom 12. November 2009, Elektrownia Pątnów II, C-441/08, Slg. 2009, I-10799, Randnr. 30). 46 Nach Art. 2 der Beitrittsakte sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten ab dem Tag des Beitritts, d. h. ab dem 1. Mai 2004, verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und der Beitrittsakte. 47 Nach ständiger Rechtsprechung sind Verfahrensvorschriften im Allgemeinen auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar, während materiell-rechtliche Vorschriften gewöhnlich so ausgelegt werden, dass sie grundsätzlich nicht für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte gelten (vgl. Urteile vom 12. November 1981, Meridionale Industria Salumi u. a., 212/80 bis 217/80, Slg. 1981, 2735, Randnr. 9, vom 6. Juli 1993, CT Control [Rotterdam] und JCT Benelux/Kommission, C-121/91 und C-122/91, Slg. 1993, I-3873, Randnr. 22, vom 23. Februar 2006, Molenbergnatie, C-201/04, Slg. 2006, I-2049, Randnr. 31, und vom 14. Februar 2008, Varec, C-450/06, Slg. 2008, I-581, Randnr. 27). 48 Die Verordnung Nr. 1/2003 enthält Verfahrensvorschriften und materiell-rechtliche Vorschriften. 49 Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, enthält Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung, ebenso wie Art. 81 EG, inhaltliche Vorgaben für die Beurteilung von Unternehmensvereinbarungen durch die Wettbewerbsbehörden, bei denen es sich somit um materiell-rechtliche Vorschriften des Unionsrechts handelt. 50 Solche materiell-rechtlichen Vorschriften können grundsätzlich nicht rückwirkend angewandt werden, unabhängig davon, ob sich eine solche Anwendung für die Betroffenen günstig oder ungünstig auswirkt. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt nämlich, dass jeder Sachverhalt normalerweise, soweit nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges bestimmt ist, anhand der seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften beurteilt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Bavaria, C-120/08, Slg. 2010, I-13393, Randnrn. 40 und 41). 51 Nach ständiger Rechtsprechung sind die materiellen Vorschriften des Unionsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau klar hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. Urteil vom 24. März 2011, ISD Polska u. a./Kommission, C-369/09 P, Slg. 2011, I-2011, Randnr. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung). 52 In der vorliegenden Rechtssache ergibt sich indessen weder aus dem Wortlaut noch aus der Zielsetzung noch aus dem Aufbau des Art. 81 EG, des Art. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 und der Beitrittsakte ein klarer Hinweis auf eine rückwirkende Anwendbarkeit dieser beiden Bestimmungen. 53 Diese Feststellungen werden mit den von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vorgetragenen Argumenten nicht widerlegt. 54 Erstens versuchen einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, ein Argument aus den Randnrn. 62 und 63 des Urteils vom 17. Oktober 1989, Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission (97/87 bis 99/87, Slg. 1989, 3165), herzuleiten, um geltend zu machen, dass die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 in der vorliegenden Rechtssache nicht auf die nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union begangenen Zuwiderhandlungen beschränkt werden könne und dass die Kommission für die Ahndung der vor dem Beitritt im Hoheitsgebiet dieses Staates begangenen wettbewerbswidrigen Handlungen zuständig gewesen sei. 55 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnr. 62 des Urteils Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission ausgeführt hat, dass die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ab dem Beitritt des Königreichs Spanien am 1. Januar 1986 in diesem neuen Mitgliedstaat galt, so dass bei in Spanien niedergelassenen Unternehmen ab dem 1. Januar 1986 Nachprüfungen durchgeführt werden konnten. Aus Randnr. 63 desselben Urteils ergibt sich, dass die Ermittlungsbefugnisse, die der Kommission nach dem 1. Januar 1986 in Bezug auf in Spanien niedergelassene Unternehmen zustanden, nicht auf Verhaltensweisen nach dem Beitritt beschränkt werden konnten und demnach Verhaltensweisen vor dem entsprechenden Zeitpunkt betreffen konnten. 56 Allerdings ging es in der Rechtssache, in der das Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission ergangen ist, nicht um die Anwendung materiell-rechtlicher Vorschriften, sondern allein um die Anwendung von Verfahrensvorschriften, und zwar von Vorschriften über von der Kommission durchgeführte Durchsuchungen in den Geschäftsräumen von Unternehmen. 57 Das Urteil Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission enthält dagegen keinerlei Hinweis zu der Frage, ob die materiell-rechtlichen Wettbewerbsvorschriften der Union auf wettbewerbswidrige Auswirkungen eines Kartells im Hoheitsgebiet eines neuen Mitgliedstaats in der Zeit vor seinem Beitritt zur Union anwendbar sind. 58 Zweitens berufen sich einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens auf die Rechtsprechung, nach der eine neue Vorschrift unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts gilt, der unter der Geltung einer alten Vorschrift entstanden ist, um geltend zu machen, dass das Unionsrecht nach dem Beitritt eines Staates zur Union für die Zwecke der Beurteilung von vor dem Beitritt entstandenen Sachverhalten sofort anwendbar sein müsse. In Randnr. 14 des Urteils vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS (C-122/96, Slg. 1997, I-5325), auf das diese Gesellschaften insbesondere Bezug genommen haben, habe der Gerichtshof dargelegt, dass eine Vorschrift des EG-Vertrags, wenn die Akte über die Bedingungen des Beitritts eines Staates – in jenem Fall der Republik Österreich – keine besondere Bestimmung über ihre Anwendung enthalte, sofort anwendbar und für den entsprechenden Mitgliedstaat vom Zeitpunkt seines Beitritts an verbindlich sei, so dass sie für zukünftige Auswirkungen von vor dem Beitritt dieses neuen Mitgliedstaats entstandenen Sachverhalten gelte. 59 Mit diesem Argument lässt sich eine rückwirkende Anwendung des Art. 81 EG und der Verordnung Nr. 1/2003 auf Verhaltensweisen vor dem Beitritt eines Staates zur Union nicht begründen. 60 Art. 81 EG und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sind auf die eventuellen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells im tschechischen Hoheitsgebiet nur insoweit anwendbar, als sie als in der Zeit ab dem 1. Mai 2004 eingetretene Auswirkungen zu ahnden sind. Wie in Randnr. 42 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, betrifft das Ausgangsverfahren nach der Vorlageentscheidung eine Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsvorschriften der Tschechischen Republik, die vor dem Beitritt dieses Staates zur Union endete. Der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže hat sich darauf beschränkt, das nationale Wettbewerbsrecht auf die vor dem Beitritt eingetretenen Auswirkungen von wettbewerbswidrigen Praktiken anzuwenden, die im tschechischen Hoheitsgebiet vor diesem Zeitpunkt durchgeführt wurden. Künftige Auswirkungen von Verhaltensweisen vor dem Beitritt verfolgt er nicht. 61 Drittens haben einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens vorgetragen, dass § 3 Abs. 1 des vor dem 1. Mai 2004 in der Tschechischen Republik anwendbaren Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs in der Sache dasselbe Verbot von Kartellvereinbarungen und -praktiken wie Art. 81 EG enthalten habe und dass das tschechische Wettbewerbsrecht vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union im Wesentlichen am Recht der Union in diesem Bereich ausgerichtet gewesen sei. Das am 4. Oktober 1993 in Luxemburg unterzeichnete und am 1. Februar 1995 in Kraft getretene Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits (ABl. 1994, L 360, S. 2) habe in seinem Art. 64 bereits eine Art. 81 EG entsprechende Vorschrift enthalten. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur Union habe daher nicht zur Folge gehabt, dass in diesem Staat in Bezug auf diese Gesellschaften neue Vorschriften geschaffen worden seien, mit denen bis dahin legale Praktiken untersagt worden seien. Mit der Anwendung von Art. 81 EG auf das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartell in seiner Gesamtheit – einschließlich des vor dem Beitritt durchgeführten Teils – werde in Bezug auf die betroffenen Unternehmen nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen. 62 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass vor dem 1. Mai 2004, soweit es um die Befassung mit den wettbewerbswidrigen Auswirkungen im tschechischen Hoheitsgebiet ging, allein die nationalen Stellen für die Anwendung und die Durchführung sowohl des nationalen Rechts als auch des Europa-Abkommens zuständig waren. Überdies war die Verordnung Nr. 1/2003, mit deren Art. 3 Abs. 1 die verschiedenen nationalen Wettbewerbsbehörden erstmals verpflichtet werden, unter den dort vorgesehenen Voraussetzungen Art. 81 EG und das nationale Wettbewerbsrecht parallel anzuwenden, vor diesem Datum weder in den alten noch in den neuen Mitgliedstaaten anwendbar. Nach ihrem Art. 45 Abs. 2 gilt die Verordnung Nr. 1/2003 nämlich erst seit dem 1. Mai 2004. 63 Einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens haben ferner geltend gemacht, der Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes rechtfertige es, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen, die das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kartell vor dem 1. Mai 2004 im tschechischen Hoheitsgebiet gehabt habe, anhand des Art. 81 EG und der Verordnung Nr. 1/2003 zu beurteilen. Dieser vom Gerichtshof in Strafsachen anerkannte Grundsatz müsse auch im Wettbewerbsrecht in Verfahren über Ordnungswidrigkeiten Anwendung finden. 64 Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes, der zu den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, deren Beachtung vom Gerichtshof gewährleistet wird (Urteile vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a., C-387/02, C-391/02 und C-403/02, Slg. 2005, I-3565, Randnrn. 67 und 68, vom 11. März 2008, Jager, C-420/06, Slg. 2008, I-1315, Randnr. 59, und vom 28. April 2011, El Dridi, C-61/11 PPU, Slg. 2011, I-3015, Randnr. 61), auch in Art. 49 Abs. 1 Satz 3 der Charta niedergelegt ist. 65 Allerdings sprechen sich die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens mit ihrer Berufung auf diesen Grundsatz nicht für die Anwendung einer milderen Sanktion für den Zeitraum vor dem 1. Mai 2004 aus, sondern es geht ihnen in Wirklichkeit darum, dass der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže letztlich überhaupt keine Entscheidung in Bezug auf die Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells im tschechischen Hoheitsgebiet trifft. Diese Gesellschaften möchten den Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes letzten Endes so ausgelegt wissen, dass die Behörde für eine Ahndung des Kartells für die Zeit vor dem 1. Mai 2004 nicht zuständig ist und dessen wettbewerbswidrige Auswirkungen in dieser Zeit als von der Entscheidung der Kommission erfasst gelten. 66 Derartige Argumente laufen, wie die Generalanwältin in Nr. 61 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, darauf hinaus, die Zuständigkeit des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže für die Verhängung von Geldbußen als solche in Frage zu stellen. Diese Frage steht im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 und dem Grundsatz ne bis in idem, die im Rahmen der zweiten Frage untersucht werden, nicht aber mit dem Grundsatz der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes. 67 Demzufolge ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 81 EG und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 dahin auszulegen sind, dass sie im Rahmen eines nach dem 1. Mai 2004 eingeleiteten Verfahrens nicht auf ein Kartell anwendbar sind, das sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, der der Union am 1. Mai 2004 beigetreten ist, in Zeiträumen vor diesem Datum ausgewirkt hat. Zur zweiten Frage 68 Mit seiner zweiten Frage, die in zwei Teile unterteilt ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein von der Kommission nach dem 1. Mai 2004 eingeleitetes Bußgeldverfahren die nationale Wettbewerbsbehörde eines an jenem Tag beigetretenen Mitgliedstaats dauerhaft daran hindert, nach innerstaatlichem Wettbewerbsrecht ein Kartell zu verfolgen, das sich im Hoheitsgebiet dieses Staates vor seinem Beitritt zur Union ausgewirkt hat. In diesem Zusammenhang begehrt das vorlegende Gericht erstens Auskunft über die Auslegung von Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie über die Abgrenzung der Zuständigkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörde und der Kommission für die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens. Zweitens befragt es den Gerichtshof zu dem Handlungsspielraum, über den diese Behörde im Zusammenhang mit dem Grundsatz ne bis in idem im Hinblick auf die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts verfügt. Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der nationalen Behörden und der Behörden der Union im Wettbewerbsbereich in Bezug auf Kartellverfahren 69 Das vorlegende Gericht und die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens meinen, dass der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže gemäß den Art. 11 Abs. 6 und 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 seine Zuständigkeit für die Verfolgung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells in dem Moment endgültig verloren habe, in dem die Kommission ihr Bußgeldverfahren eingeleitet habe. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist der Ansicht, dass Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 dahin auszulegen sei, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Zuständigkeit für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts verlören, wenn die Kommission ein Verfahren eingeleitet habe, das denselben Sachverhalt betreffe wie das von diesen Behörden eingeleitete Verfahren. 70 Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003, wonach die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit für die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG verlieren, sobald die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III dieser Verordnung einleitet, enthält zwar eine Verfahrensvorschrift und ist daher seit dem 1. Mai 2004 in allen Mitgliedstaaten anwendbar, und zwar auch auf Kartellverfahren, die vor diesem Datum entstandene Sachverhalte betreffen. 71 In der vorliegenden Rechtssache betrifft die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Entscheidung des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže ausschließlich die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells vor dem 1. Mai 2004 und damit den Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union, in dem Art. 81 EG in diesem Staat nicht anwendbar war. Die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 können, was diesen Zeitraum betrifft, der Anwendung von nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften wie den in § 3 des Gesetzes über den Schutz des Wettbewerbs enthaltenen nicht von vornherein entgegenstehen. 72 Allerdings ist der Umfang des in Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Zuständigkeitsverlusts der nationalen Wettbewerbsbehörden zu prüfen, da die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die EFTA-Überwachungsbehörde der Auffassung sind, dass diese Behörden seit dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. Mai 2004 nicht nur keine Zuständigkeit mehr für die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG hätten, sondern auch endgültig ihre Zuständigkeit für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts auf Verhaltensweisen verloren hätten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten und bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission seien. 73 Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. u. a. Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12, und vom 7. Oktober 2010, Lassal, C-162/09, Slg. 2010, I-9217, Randnr. 49). 74 Wie die Generalanwältin in Nr. 77 ihrer Schlussanträge dargelegt hat und von den meisten Beteiligten, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, vorgetragen worden ist, steht Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung. 75 Aus einer Zusammenschau dieser beiden Vorschriften ergibt sich, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht nur das Wettbewerbsrecht der Union, sondern auch einen Teil ihres innerstaatlichen Wettbewerbsrechts nicht mehr anwenden dürfen, sobald die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 einleitet. 76 Die Teile des nationalen Wettbewerbsrechts, die anwendbar bleiben, werden in Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannt, die in den Erwägungsgründen 8 und 9 der Verordnung näher erläutert werden. In Art. 3 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 der Verordnung heißt es, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden strengere innerstaatliche Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung „einseitiger Handlungen von Unternehmen“ anwenden können und es ihnen in jedem Fall freisteht, einzelstaatliche Gesetze über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen sowie Bestimmungen des einzelstaatlichen Rechts, die überwiegend ein von den Art. 81 EG und 82 EG abweichendes Ziel verfolgen, anzuwenden. 77 Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 stellt eine enge Verbindung zwischen dem Kartellverbot in Art. 81 EG und den entsprechenden Vorschriften des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts her. Wenn die nationale Wettbewerbsbehörde die Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts, mit denen Kartelle verboten werden, auf eine Vereinbarung zwischen Unternehmen anwendet, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 81 EG beeinträchtigen kann, ist sie nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 verpflichtet, parallel dazu auch Art. 81 EG anzuwenden. 78 Da die nationale Wettbewerbsbehörde nach Art. 11 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht befugt ist, Art. 81 EG anzuwenden, sobald die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III dieser Verordnung eingeleitet hat, verliert diese nationale Behörde auch die Möglichkeit, die Vorschriften des einzelstaatlichen Rechts über das Verbot von Kartellen anzuwenden. 79 In der Verordnung Nr. 1/2003 steht indessen nicht, dass die Einleitung eines Verfahrens durch die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden dauerhaft und endgültig ihre Zuständigkeit für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts nimmt. 80 Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, lebt die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden wieder auf, sobald das von der Kommission eingeleitete Verfahren beendet ist. 81 Nach ständiger Rechtsprechung sind das Wettbewerbsrecht der Union und das nationale Wettbewerbsrecht parallel anwendbar (Urteile Wilhelm u. a., Randnr. 3, vom 9. September 2003, Milk Marque und National Farmers’ Union, C-137/00, Slg. 2003, I-7975, Randnr. 61, und vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Randnr. 38). Mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften auf europäischer und auf nationaler Ebene werden die restriktiven Praktiken unter unterschiedlichen Aspekten beurteilt (vgl. Urteile Wilhelm u. a., Randnr. 3, Manfredi u. a., Randnr. 38, und vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Randnr. 103), und die Anwendungsbereiche dieser Vorschriften sind nicht deckungsgleich (Urteil vom 1. Oktober 2009, Compañía Española de Comercialización de Aceite, C-505/07, Slg. 2009, I-8963, Randnr. 52). 82 Diese Situation ist durch den Erlass der Verordnung Nr. 1/2003 nicht geändert worden. 83 Diese Auslegung wird dadurch gestützt, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nach dem von der Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag niedergelegten Wettbewerbsregeln und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 1017/68, (EWG) Nr. 2988/74, (EWG) Nr. 4056/86 und (EWG) Nr. 3975/87 (KOM[2000] 582 endg.) (ABl. 2000, C 365 E, S. 284) so abgefasst werden sollte, dass dann, wenn ein Kartell im Sinne von Art. 81 EG oder eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, allein das Wettbewerbsrecht der Union unter Ausschluss des Wettbewerbsrechts der Mitgliedstaaten anwendbar ist. Entgegen dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission erlaubt Art. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 indessen, auf ein und dieselbe Sache weiterhin sowohl die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Union (Art. 81 EG und 82 EG) als auch die nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften anzuwenden. 84 Im Übrigen sieht Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, wenn sie nach Art. 81 EG oder Art. 82 EG über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, keine Entscheidungen treffen dürfen, die der von der Kommission erlassenen Entscheidung zuwiderlaufen würden. 85 Aus dieser Vorschrift geht hervor, dass die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ihre Befugnis zum Tätigwerden selbst dann behalten, wenn die Kommission ihrerseits bereits eine Entscheidung getroffen hat. Diese Vorschrift legt nämlich fest, dass die nationalen Behörden nach der Kommission tätig werden können, verbietet es ihnen aber, sich in Widerspruch zu einer vorangegangenen Entscheidung der Kommission zu setzen. 86 Nach seinem Wortlaut scheint Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nur auf die Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union durch die nationalen Wettbewerbsbehörden abzustellen. Dieselbe Regelung muss allerdings erst recht dann gelten, wenn die nationalen Wettbewerbsbehörden das nationale Wettbewerbsrecht anwenden wollen. Denn wenn diese Behörden zur Anwendung des Unionsrechts befugt bleiben, nachdem die Kommission eine Entscheidung erlassen hat, muss es ihnen erst recht erlaubt sein, ihr nationales Recht anzuwenden, sofern sie entsprechend Art. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die Vorschriften des Unionsrechts beachten. 87 Die Anwendung von Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 lässt sich nicht auf den Fall einer vorangegangenen Feststellung der Nichtanwendbarkeit von Art. 81 EG oder Art. 82 EG durch die Kommission nach Art. 10 der Verordnung Nr. 1/2003 beschränken. Anders als das vorlegende Gericht und einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens meinen, erfasst Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aufgrund seines weiten Wortlauts und seiner systematischen Stellung im Kapitel über die Zusammenarbeit alle denkbaren Entscheidungen, die die Kommission auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1/2003 getroffen haben kann, ohne sich auf einen bestimmten Entscheidungstyp zu beschränken. 88 Einige Klägerinnen des Ausgangsverfahrens versuchen ferner, ein Argument aus dem 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 herzuleiten, wonach es einer Wettbewerbsbehörde im Hinblick auf die Gewährleistung einer optimalen Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks der Wettbewerbsbehörden erlaubt werden sollte, ein Verfahren mit der Begründung auszusetzen oder einzustellen, dass sich eine andere Behörde mit demselben Fall befasst hat oder noch befasst, womit bezweckt wird, dass jeder Fall von nur einer Behörde bearbeitet wird. Eine der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens stützt sich auf diesen Erwägungsgrund, um geltend zu machen, dass die Verordnung Nr. 1/2003 auf dem Grundsatz beruhe, dass jeder Fall von nur einer Behörde zu prüfen sei, nämlich der, die dazu am besten in der Lage sei. 89 Der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 kann allerdings nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Gesetzgeber der Union beabsichtigt hätte, den nationalen Behörden ihre Zuständigkeit für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts zu nehmen, sobald die Kommission ihrerseits eine Entscheidung erlassen hat. 90 Dieser Erwägungsgrund steht nämlich nicht im Zusammenhang mit dem in Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Zuständigkeitsverlust der nationalen Behörden. Er ist im Zusammenhang mit Art. 13 dieser Verordnung zu lesen, wonach jede nationale Wettbewerbsbehörde innerhalb des Netzwerks der Wettbewerbsbehörden berechtigt – und nicht verpflichtet – ist, ein von ihr eingeleitetes Verfahren auszusetzen oder eine bei ihr anhängige Beschwerde zurückzuweisen, wenn eine andere nationale Behörde dieses Netzwerks bereits denselben Fall bearbeitet. Art. 13 und der 18. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 bringen das weite Ermessen zum Ausdruck, über das die in diesem Netzwerk zusammengeschlossenen Behörden verfügen, um eine optimale Verteilung der Fälle innerhalb des Netzwerks sicherzustellen. 91 Aus den Ausführungen in den Randnrn. 74 bis 90 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde nach Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht dauerhaft und endgültig ihre Zuständigkeit für die Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts verliert, wenn die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 einleitet. Erst recht können die Bestimmungen des Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts die wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Kartells im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats in Zeiträumen vor seinem Beitritt zur Union ahndet, der Anwendung der nationalen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in Bezug auf diese Zeiträume nicht entgegenstehen. 92 Folglich ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass der Umstand, dass die Kommission gegen ein Kartell ein Verfahren nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 einleitet, der Wettbewerbsbehörde des betroffenen Mitgliedstaats nicht nach Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung ihre Zuständigkeit dafür nimmt, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Kartells im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats in Zeiträumen vor seinem Beitritt zur Union in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts zu ahnden. Der Grundsatz ne bis in idem 93 Im zweiten Teil der zweiten Frage geht es darum, ob der Grundsatz ne bis in idem in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts durch die nationale Wettbewerbsbehörde entgegensteht. 94 Der Grundsatz ne bis in idem ist in wettbewerbsrechtlichen Verfahren, die auf die Verhängung von Geldbußen gerichtet sind, zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 59, vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnrn. 338 bis 340, und vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C-289/04 P, Slg. 2006, I-5859, Randnr. 50). Dieser Grundsatz verbietet es im Bereich des Wettbewerbsrechts, dass ein Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, in Bezug auf das es in einer früheren, nicht mehr anfechtbaren Entscheidung mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt wurde, erneut verurteilt oder verfolgt wird (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 59). 95 Es ist kaum von Bedeutung, dass die Entscheidung, mit der der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže Geldbußen verhängt hat, einen Zeitraum vor dem Beitritt der Tschechischen Republik zur Union betrifft. Für die zeitliche Anwendbarkeit des Grundsatzes ne bis in idem kommt es im Rahmen des Unionsrechts nämlich nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem die verfolgten Handlungen begangen wurden, sondern – in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, die dem Wettbewerbsrecht unterliegt – auf den Zeitpunkt der Einleitung des auf die Verhängung einer Sanktion gerichteten Verfahrens. Als der Úřad pro ochranu hospodářské soutěže am 2. August 2006 das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verfahren einleitete, hatte die Tschechische Republik bereits die Stellung eines Mitgliedstaats der Union, so dass die Behörde diesen Grundsatz zu beachten hatte. 96 Es ist festzustellen, dass der Grundsatz ne bis in idem in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts durch die nationale Wettbewerbsbehörde nicht entgegensteht. 97 Der Gerichtshof hat in wettbewerbsrechtlichen Sachen entschieden, dass die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts abhängt (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 338). 98 In Bezug auf das Ausgangsverfahren ist festzustellen, dass jedenfalls eine dieser Voraussetzungen, nämlich die Identität des Sachverhalts, nicht erfüllt ist. 99 Ob die Unternehmen ein Verhalten an den Tag gelegt haben, mit dem eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt wurde, lässt sich nämlich nicht abstrakt beurteilen; vielmehr ist die Prüfung daran auszurichten, in welchem innerhalb oder außerhalb der Union gelegenen Gebiet und in welchem Zeitraum mit dem entsprechenden Verhalten ein solcher Zweck verfolgt oder eine solche Wirkung entfaltet wurde. 100 In der vorliegenden Rechtssache meinen das vorlegende Gericht und die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik sei sowohl in Bezug auf die Zeit vor als auch in Bezug auf die Zeit nach dem 1. Mai 2004 von der Entscheidung der Kommission umfasst. Dabei stützen sie sich darauf, dass die Kommission in der Entscheidung auf ein weltumspannendes Kartell Bezug nehme und das Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Entscheidung ausgenommen habe. 101 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich die Entscheidung der Kommission in mehreren Abschnitten speziell auf die Auswirkungen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kartells innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und des EWR bezieht, indem ausdrücklich auf die „(damaligen) Mitgliedstaaten“ und die „Länder …, die dem EWR-Abkommen beigetreten sind“, verwiesen wird. Sodann werden mit dieser Entscheidung, wie in Randnr. 41 des vorliegenden Urteils dargelegt, die eventuellen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Kartells im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik in der Zeit vor dem Beitritt dieses Staates zur Union nicht geahndet. Schließlich ergibt sich aus den Modalitäten der Berechnung der Geldbußen, dass die Kommission in ihrer Entscheidung die der Union am 1. Mai 2004 beigetretenen Staaten nicht berücksichtigt hat. Gemäß Randnr. 478 der Begründung ihrer Entscheidung hat die Kommission nämlich als Grundlage für die Berechnung der Geldbußen die von den Mitgliedern des Kartells im Jahr 2003 im EWR getätigten Umsätze herangezogen. 102 Somit ist festzustellen, dass die Entscheidung der Kommission keine der wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieses Kartells im Hoheitsgebiet der Tschechischen Republik in der Zeit vor dem 1. Mai 2004 erfasst, wohingegen mit der Entscheidung des Úřad pro ochranu hospodářské soutěže – nach den Angaben des vorlegenden Gerichts – nur im Hinblick auf dieses Gebiet und diese Zeit Geldbußen verhängt wurden. 103 Nach alledem ist auf den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass der Grundsatz ne bis in idem es der nationalen Wettbewerbsbehörde des betroffenen Mitgliedstaats nicht verwehrt, gegen an einem Kartell beteiligte Unternehmen Geldbußen zu verhängen, um die Auswirkungen des Kartells im Hoheitsgebiet dieses Staates vor seinem Beitritt zur Union zu ahnden, wenn diese Auswirkungen mit den Geldbußen, die den Mitgliedern des Kartells mit einer vor der Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde erlassenen Entscheidung der Kommission auferlegt wurden, nicht geahndet werden sollten. Kosten 104 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: 1. Art. 81 EG und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln sind dahin auszulegen, dass sie im Rahmen eines nach dem 1. Mai 2004 eingeleiteten Verfahrens nicht auf ein Kartell anwendbar sind, das sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, der der Europäischen Union am 1. Mai 2004 beigetreten ist, in Zeiträumen vor diesem Datum ausgewirkt hat. 2. Der Umstand, dass die Europäische Kommission gegen ein Kartell ein Verfahren nach Kapitel III der Verordnung Nr. 1/2003 einleitet, nimmt der Wettbewerbsbehörde des betroffenen Mitgliedstaats nicht nach Art. 11 Abs. 6 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung ihre Zuständigkeit dafür, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Kartells im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats in Zeiträumen vor seinem Beitritt zur Europäischen Union in Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts zu ahnden. Der Grundsatz ne bis in idem verwehrt es der nationalen Wettbewerbsbehörde des betroffenen Mitgliedstaats nicht, gegen an einem Kartell beteiligte Unternehmen Geldbußen zu verhängen, um die Auswirkungen des Kartells im Hoheitsgebiet dieses Staates vor seinem Beitritt zur Europäischen Union zu ahnden, wenn diese Auswirkungen mit den Geldbußen, die den Mitgliedern des Kartells mit einer vor der Entscheidung der nationalen Wettbewerbsbehörde erlassenen Entscheidung der Europäischen Kommission auferlegt wurden, nicht geahndet werden sollten. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Tschechisch.
Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 21. Dezember 2011.#Air Transport Association of America und andere gegen Secretary of State for Energy and Climate Change.#Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) - Vereinigtes Königreich.#Vorabentscheidungsersuchen - Richtlinie 2003/87/EG - System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten - Richtlinie 2008/101/EG - Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System - Gültigkeit - Chicagoer Abkommen - Kyoto-Protokoll - Luftverkehrsabkommen EU/Vereinigte Staaten - Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts - Rechtswirkungen - Möglichkeit der Geltendmachung - Extraterritoriale Wirkung des Unionsrechts - Begriffe ‚Gebühr’ und ‚Abgabe’.#Rechtssache C-366/10.
62010CJ0366
ECLI:EU:C:2011:864
2011-12-21T00:00:00
Kokott, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2011 -00000
Rechtssache C‑366/10 Air Transport Association of America u. a. gegen Secretary of State for Energy and Climate Change (Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court]) „Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Richtlinie 2008/101/EG – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Gültigkeit – Chicagoer Abkommen – Kyoto-Protokoll – Luftverkehrsabkommen EU/Vereinigte Staaten – Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts – Rechtswirkungen – Möglichkeit der Geltendmachung – Extraterritoriale Wirkung des Unionsrechts – Begriffe ‚Gebühr‘ und ‚Abgabe‘“ Leitsätze des Urteils 1.        Völkerrechtliche Verträge – Übereinkünfte der Union – Wirkungen einer Übereinkunft in der Union bei Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung (Art. 216 Abs. 2 AEUV und 267 AEUV) 2.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Prüfung der Gültigkeit einer Richtlinie am Maßstab einer internationalen Übereinkunft – Abkommen von Chicago über die Internationale Zivilluftfahrt – Übereinkommen, an das die Union nicht gebunden ist – Nichteinbeziehung (Art. 267 AEUV und 351 AEUV; Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 3.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Prüfung der Gültigkeit einer Richtlinie am Maßstab einer internationalen Übereinkunft – Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen – Protokoll, an das die Union gebunden ist – Bestimmungen, die nicht unbedingt und nicht hinreichend genau sind – Nichteinbeziehung (Art. 267 AEUV; Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates; Beschluss 94/69 und Entscheidung 2002/358 des Rates) 4.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Prüfung der Gültigkeit einer Richtlinie am Maßstab einer internationalen Übereinkunft – Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits – Vorschriften, die direkt und unmittelbar auf die Luftfahrtunternehmen Anwendung finden – Einbeziehung (Art. 267 AEUV; Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates; Beschlüsse 2007/339 und 2010/465 des Rates und der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten) 5.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Prüfung der Gültigkeit einer Richtlinie am Maßstab des Völkergewohnheitsrechts – Grundsätze der Hoheit eines jeden Staates über seinen Luftraum, der Nichtunterstellung der hohen See unter die Hoheit irgendeines Staates und der Freiheit von Flügen über hoher See – Einbeziehung – Voraussetzungen und Grenzen (Art. 3 Abs. 5 AEUV; Art. 267 AEUV; Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 6.        Völkerrecht – Grundsätze – Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts – Ausschließliche Geltung des Rechts des Flaggenstaats für Schiffe, die sich auf hoher See befinden – Entsprechende Geltung für Luftfahrzeuge, die die hohe See überfliegen – Nichteinbeziehung 7.        Umwelt – Luftverschmutzung – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Zuständigkeit der Union für diese Einbeziehung im Hinblick auf die völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätze der Hoheit eines jeden Staates über seinen Luftraum, der Nichtunterstellung der hohen See unter die Hoheit irgendeines Staates und der Freiheit von Flügen über hoher See (Art. 191 Abs. 2 AEUV; Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 8.        Umwelt – Luftverschmutzung – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Zuständigkeit der Union für diese Einbeziehung im Hinblick auf die Vorschrift des „Open-Skies“-Abkommens, nach der die Gesetze und sonstigen Vorschriften einer jeden Vertragspartei zu beachten sind (Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 9.        Umwelt – Luftverschmutzung – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Zuständigkeit der Union für diese Einbeziehung im Hinblick auf die Vorschriften des „Open-Skies“-Abkommens über Zölle und Abgaben (Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 10.      Umwelt – Luftverschmutzung – System für den Handel mit Emissionszertifikaten für Treibhausgase – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Zuständigkeit der Union für diese Einbeziehung im Hinblick auf die Vorschriften des „Open-Skies“-Abkommens über die Umwelt (Richtlinie 2008/101 des Europäischen Parlaments und des Rates) 1.        Den Organen der Union, die für das Aushandeln und den Abschluss eines internationalen Abkommens zuständig sind, bleibt es nach den Grundsätzen des Völkerrechts unbenommen, mit den betreffenden Drittländern zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen eines solchen Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen. Nur wenn diese Frage im Abkommen nicht geregelt ist, haben die zuständigen Gerichte und insbesondere der Gerichtshof über diese Frage ebenso wie über jede andere Auslegungsfrage zu entscheiden, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens in der Union stellt. Die Organe der Union sind aber, wenn von Letzterer Übereinkünfte geschlossen werden, nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an diese gebunden; diese Übereinkommen haben daher gegenüber Rechtsakten der Union Vorrang. Daraus folgt, dass die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt wird. Wird eine solche Ungültigkeit vor einem nationalen Gericht geltend gemacht, prüft der Gerichtshof, ob in dem Rechtsstreit, mit dem er befasst ist, bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, um gemäß Art. 267 AEUV die Gültigkeit des betreffenden Unionsrechtsakts an den geltend gemachten Völkerrechtsnormen messen zu können. Zunächst muss die Union nämlich an diese Normen gebunden sein. Ferner kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen. Stehen Art und Struktur des betreffenden Vertrags der Kontrolle der Gültigkeit des Unionsrechtsakts anhand der Bestimmungen dieses Vertrags nicht entgegen, ist schließlich noch erforderlich, dass die insoweit geltend gemachten Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen. (vgl. Randnrn. 49-54) 2.        Zwar begründet Art. 351 Abs. 1 AEUV die Verpflichtung der Organe der Union, die Erfüllung der Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus vor dem 1. Januar 1958 geschlossenen Übereinkünften wie dem Chicagoer Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt ergeben, nicht zu behindern; durch diese Verpflichtung der Organe soll es jedoch den betreffenden Mitgliedstaaten lediglich ermöglicht werden, ihren Verpflichtungen aus einer früheren Übereinkunft nachzukommen, ohne dass damit die Union den fraglichen Drittländern gegenüber gebunden werden soll. Die Union ist folglich nur dann an die Bestimmungen des Chicagoer Abkommens gebunden, wenn und soweit sie die Befugnisse, die im Anwendungsbereich dieser internationalen Übereinkunft zuvor von den Mitgliedstaaten der Union ausgeübt wurden, aufgrund des EU- und des AEU-Vertrags übernommen hat. Auch wenn die Union bestimmte ausschließliche Zuständigkeiten erworben hat, gegenüber Drittländern Verpflichtungen einzugehen, die in den Anwendungsbereich der Vorschriften der Union im Bereich des internationalen Luftverkehrs fallen und somit in den Anwendungsbereich des Chicagoer Abkommens, bedeutet dies nicht, dass sie deshalb eine ausschließliche Zuständigkeit im gesamten Bereich der internationalen Zivilluftfahrt hätte, auf den sich dieses Abkommen erstreckt. Da die zuvor von den Mitgliedstaaten ausgeübten Befugnisse im Anwendungsbereich des Chicagoer Abkommens derzeit nicht vollständig auf die Union übergegangen sind, ist diese somit nicht an dieses Abkommen gebunden. Der Gerichtshof kann die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft deshalb im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht am Chicagoer Abkommen als solchem messen. (vgl. Randnrn. 61-62, 69, 71-72) 3.        Aus dem Beschluss 94/69 über den Abschluss des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen und der Entscheidung 2002/358 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen geht hervor, dass die Union das Kyoto-Protokoll genehmigt hat. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens bilden folglich seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Zwar sieht das Kyoto-Protokoll für den Verpflichtungszeitraum 2008−2012 quantifizierte Verpflichtungen zur Verringerung von Treibhausgasen vor; die Vertragsparteien können ihre Verpflichtungen aber nach den Modalitäten und der Geschwindigkeit, auf die sie sich geeinigt haben, erfüllen. Bei einer Bestimmung wie Art. 2 Abs. 2 des Kyoto-Protokolls, die vorsieht, dass die Vertragsparteien ihre Bemühungen um eine Begrenzung oder Reduktion der Emissionen von bestimmten Treibhausgasen aus dem Luftverkehr im Rahmen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation fortsetzen, kann nicht angenommen werden, dass sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau wäre und somit für den Bürger das Recht begründete, sich vor Gericht auf sie zu berufen, um die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft in Frage zu stellen. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens kann die Gültigkeit dieser Richtlinie daher nicht am Kyoto-Protokoll gemessen werden. (vgl. Randnrn. 73, 76-78) 4.        Das Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits („Open-Skies“-Abkommen) ist durch die Beschlüsse 2007/339 und 2010/465 über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Abkommens bzw. des Protokolls zur Änderung dieses Abkommens im Namen der Union genehmigt worden. Seine Bestimmungen bilden daher seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Das „Open-Skies“-Abkommen zielt speziell auf die in den Hoheitsgebieten seiner Vertragsparteien niedergelassenen Luftfahrtunternehmen ab. Mit einigen seiner Bestimmungen werden diesen Luftfahrtunternehmen unmittelbar Rechte eingeräumt, mit anderen Verpflichtungen auferlegt. Die Tatsache allein, dass die Vertragsparteien des „Open-Skies“-Abkommens einen besonderen institutionellen Rahmen für Konsultationen und Verhandlungen untereinander über dessen Durchführung geschaffen haben, reicht nicht aus, um jegliche Anwendung dieses Abkommens durch die Gerichte auszuschließen. Da mit dem genannten Abkommen bestimmte Vorschriften eingeführt werden, die direkt und unmittelbar auf die Luftfahrtunternehmen Anwendung finden und diesen Unternehmen auf diese Weise Rechte oder Freiheiten verleihen sollen, die den Vertragsparteien gegenüber geltend gemacht werden können, und Art und Struktur des Abkommens nicht entgegenstehen, kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union wie der Richtlinie 2008/101 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft an den Bestimmungen eines solchen Abkommens messen. (vgl. Randnrn. 79, 82-84) 5.        Nach Art. 3 Abs. 5 AEUV leistet die Union einen Beitrag zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts. Beim Erlass eines Rechtsakts ist sie also verpflichtet, das gesamte Völkerrecht zu beachten, auch das die Organe der Union bindende Völkergewohnheitsrecht. Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts wie etwa den Grundsatz, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt, den Grundsatz, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen, und den Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See kann ein Bürger im Hinblick auf die Prüfung der Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch den Gerichtshof insoweit geltend machen, als die Zuständigkeit der Union für den Erlass des Rechtsakts durch solche Grundsätze in Frage gestellt werden kann und durch den in Rede stehenden Rechtsakt Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können. Werden die genannten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts geltend gemacht, damit der Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens beurteilt, ob die Union für den Erlass der Richtlinie 2008/101 zuständig war, soweit diese den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87 auf die Betreiber von Luftfahrzeugen von Drittländern ausgedehnt hat, deren Flüge, die von einem Flugplatz abgehen oder auf einem Flugplatz enden, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union befindet, zum Teil über hoher See und außerhalb des Hoheitsgebiets dieser Staaten erfolgen, kann, auch wenn diese Grundsätze offenbar nur Verpflichtungen zwischen Staaten begründen, unter Umständen, unter denen die Richtlinie 2008/101 für Luftfahrtunternehmen wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens unionsrechtliche Verpflichtungen begründen kann, nicht ausgeschlossen werden, dass diese Unternehmen diese Grundsätze geltend machen können und der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie somit an diesen Grundsätzen messen kann. Da ein Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts aber nicht dieselbe Bestimmtheit aufweist wie eine Bestimmung einer internationalen Übereinkunft, muss sich die gerichtliche Kontrolle zwangsläufig auf die Frage beschränken, ob den Unionsorganen beim Erlass des betreffenden Rechtsakts offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Grundsätze unterlaufen sind. (vgl. Randnrn. 101, 103, 107-110) 6.        Es ist nicht hinreichend bewiesen, dass der Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, wonach sich ein Schiff, das sich auf hoher See befindet, grundsätzlich ausschließlich dem Recht des Flaggenstaats unterliegt, der als solcher anerkannt ist, entsprechend für Luftfahrzeuge, die die hohe See überfliegen, gelten soll. (vgl. Randnr. 106) 7.        Das Unionsrecht, insbesondere die Richtlinie 2008/101 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft, kann nicht bewirken, dass die Richtlinie 2003/87 als solche auf Luftfahrzeuge Anwendung findet, die in Drittländern eingetragen sind und diese Staaten oder die hohe See überfliegen. Die Befugnisse der Union sind nämlich unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben; infolgedessen haben die Auslegung der Richtlinie 2008/101 und die Festlegung ihres Anwendungsbereichs im Licht des einschlägigen See- und Luftvölkerrechts zu erfolgen. Indem die Richtlinie 2008/101 für die Anwendbarkeit auf die Betreiber von Luftfahrzeugen auf das Kriterium abstellt, dass mit diesen Luftfahrzeugen ein Flug durchgeführt wird, der von einem Flugplatz abgeht oder auf einem Flugplatz endet, der sich in einem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet, verstößt sie weder gegen den Grundsatz der Territorialität noch gegen den Grundsatz der Hoheit der Drittländer, von denen diese Flüge abgehen oder wo diese Flüge enden, über den Luftraum über ihrem Hoheitsgebiet; die betreffenden Luftfahrzeuge befinden sich nämlich physisch im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union und unterstehen somit der uneingeschränkten Hoheitsgewalt der Union. Durch eine solche Anwendung des Unionsrechts kann auch nicht der Grundsatz der Freiheit des Flugs über die hohe See in Frage gestellt werden; ein Luftfahrzeug, das die hohe See überfliegt, unterliegt dabei nämlich nicht dem System des Handels mit Zertifikaten. Denn nur wenn sich der Betreiber eins solchen Luftfahrzeugs dafür entscheidet, den kommerziellen Flugbetrieb auf einer Flugstrecke mit Abflug oder Ankunft auf einem Flugplatz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzunehmen, unterliegt er, weil sich sein Luftfahrzeug im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet, dem System des Handels mit Zertifikaten. Die Tatsache, dass der Luftfahrzeugbetreiber verpflichtet ist, Emissionszertifikate abzugeben, die unter Berücksichtigung des ganzen durchgeführten oder durchzuführenden internationalen Flugs berechnet werden, ist im Hinblick auf die Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts wie etwa den Grundsatz, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt, den Grundsatz, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen, und den Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See nicht geeignet, die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Unionsrechts in diesem Gebiet in Frage zu stellen. Der Unionsgesetzgeber kann sich nämlich, da die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV auf ein hohes Schutzniveau abzielt, grundsätzlich dafür entscheiden, die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet, im vorliegenden Fall den Flugverkehr, nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass die Wirtschaftsteilnehmer die von der Union festgelegten Kriterien beachten, mit denen die Ziele, die sie sich im Umweltbereich gesetzt hat, erreicht werden sollen, insbesondere wenn diese Ziele an eine von der Union unterzeichnete internationale Übereinkunft wie das Rahmenübereinkommen oder das Kyoto-Protokoll anknüpfen. (vgl. Randnrn. 122-123, 125-129) 8.        Die Richtlinie 2008/101 zur Änderung der Richtlinie 2003/87 zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft sieht vor, dass die Richtlinie 2003/87 auf Flüge anwendbar ist, die von einem Flugplatz abgehen oder auf einem Flugplatz enden, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet. Da diese Regelung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten den Ein- und Ausflug der im internationalen – sowohl europäischen als auch transatlantischen – Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge betrifft, ergibt sich ausdrücklich aus Art. 7 Abs. 1 des Luftverkehrsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits („Open-Skies“-Abkommen), dass sie für alle Luftfahrzeuge gilt, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei dieses Abkommens verwendet werden, und dass sie von solchen Luftfahrzeugen zu befolgen ist. Folglich steht Art. 7 Abs. 1 des „Open-Skies“-Abkommens der Anwendung des mit der Richtlinie 2003/87 eingeführten Systems des Handels mit Zertifikaten auf Luftfahrzeugbetreiber wie in den Vereinigten Staaten niedergelassene Luftfahrtunternehmen nicht entgegen, wenn deren Luftfahrzeuge für Flüge eingesetzt werden, die von Flugplätzen abgehen oder auf Flugplätzen enden, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden. (vgl. Randnrn. 134-135) 9.        Anders als bei einem Zoll, einer Gebühr oder einer Abgabe auf den Verbrauch von Treibstoff ist es nach dem mit der Richtlinie 2003/87 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung eingerichteten System nicht möglich, anhand einer im Vorhinein festgelegten Bemessungsgrundlage und eines im Vorhinein festgelegten Abgabensatzes für alle in einem Kalenderjahr durchgeführten Flüge den für eine Tonne verbrauchten Treibstoff zu zahlenden Betrag zu bestimmen, abgesehen davon, dass es nicht Zweck des genannten Systems ist, Einkünfte für den Staat zu erzielen. Daher kann nicht geltend gemacht werden, die Richtlinie 2008/101 enthalte eine Art obligatorische Abgabe zugunsten des Staates, die als Zoll, Gebühr oder Abgabe auf den Treibstoff, der sich im Besitz der Luftfahrzeugbetreiber befindet oder von diesen verbraucht wird, eingestuft werden könnte. Diese Feststellung verliert nicht dadurch ihre Gültigkeit, dass die Luftfahrzeugbetreiber zur Abdeckung ihrer tatsächlichen Emissionen nicht nur von anderen Betreibern, sondern im Rahmen der Versteigerung von 15 % der gesamten Zertifikate auch von staatlichen Stellen zusätzliche Zertifikate erwerben können. Die Richtlinie 2008/101 verstößt folglich, indem sie die Anwendung der Richtlinie 2003/87 auf die Luftfahrt ausdehnt, in keiner Weise gegen die Verpflichtung aus Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des Luftverkehrsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits („Open-Skies“-Abkommen), eine Steuerbefreiung für getankten Treibstoff vorzusehen, da das System des Handels mit Zertifikaten wesensbedingt eine marktgestützte Maßnahme darstellt und nicht einen Zoll, eine Gebühr oder eine Abgabe, die auf den getankten Treibstoff erhoben wird. (vgl. Randnrn. 143, 145-147) 10.      Das in Art. 25a der Richtlinie 2003/87 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung genannte Ziel, eine optimale Wechselwirkung zwischen dem System des Handels mit Zertifikaten der Union und den von Drittländern getroffenen „market-based measures“ zu erreichen, damit solche Systeme auf Luftfahrzeuge, die im internationalen Luftverkehr eingesetzt werden, unabhängig davon, ob sie in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland eingetragen sind, nicht doppelt angewandt werden, entspricht dem Ziel, das Art. 15 Abs. 7 des Luftverkehrsabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Vereinigten Staaten von Amerika andererseits („Open-Skies“-Abkommen) zugrunde liegt. Im Übrigen hindert Art. 15 Abs. 3 Satz 2 des „Open-Skies“-Abkommens in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens die Vertragsparteien dieses Abkommens nicht daran, Maßnahmen zu erlassen, mit denen das Verkehrsvolumen, die Frequenz oder Regelmäßigkeit des Dienstes oder das Muster der von in den Hoheitsgebieten dieser Vertragsparteien niedergelassenen Luftfahrtunternehmen eingesetzten Luftfahrzeuge begrenzt werden, wenn es sich dabei um Umweltschutzmaßnahmen handelt. Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens sieht ausdrücklich vor, dass keine der beiden Vertragsparteien dieses Abkommens solche Begrenzungen vornimmt, „es sei denn, dies ist … aus Umweltschutzgründen … erforderlich“. Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens sieht vielmehr vor, dass, wenn die Vertragsparteien dieses Abkommens solche Umweltschutzmaßnahmen festlegen, diese auf die betreffenden Luftfahrtunternehmen auf nicht diskriminierende Weise anzuwenden sind. Wie ausdrücklich aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/101 hervorgeht, hat die Union aber eine einheitliche und nicht diskriminierende Anwendung des Systems des Handels mit Zertifikaten auf sämtliche Betreiber von Luftfahrzeugen vorgesehen, die für Flüge eingesetzt werden, die von Flugplätzen abgehen oder auf Flugplätzen enden, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden. Daher ist die Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens nicht ungültig. (vgl. Randnrn. 151-156) URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 21. Dezember 2011(*) „Vorabentscheidungsersuchen – Richtlinie 2003/87/EG – System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten – Richtlinie 2008/101/EG – Einbeziehung des Luftverkehrs in dieses System – Gültigkeit – Chicagoer Abkommen – Kyoto-Protokoll – Luftverkehrsabkommen EU/Vereinigte Staaten – Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts – Rechtswirkungen – Möglichkeit der Geltendmachung – Extraterritoriale Wirkung des Unionsrechts – Begriffe ‚Gebühr’ und ‚Abgabe’“ In der Rechtssache C‑366/10 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 8. Juli 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juli 2010, in dem Verfahren Air Transport Association of America, American Airlines Inc., Continental Airlines Inc., United Airlines Inc. gegen Secretary of State for Energy and Climate Change, Beteiligte: International Air Transport Association (IATA), National Airlines Council of Canada (NACC), Aviation Environment Federation, WWF-UK, European Federation for Transport and Environment, Environmental Defense Fund, Earthjustice, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts und J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Richters A. Rosas, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Levits, A. Ó Caoimh und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas, Generalanwältin: J. Kokott, Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2011, unter Berücksichtigung der Erklärungen –        der Air Transport Association of America, der American Airlines Inc., der Continental Airlines Inc. und der United Airlines Inc., vertreten durch D. Wyatt, QC, sowie M. Hoskins und M. Chamberlain, Barristers, beauftragt durch D. Das, Solicitor, –        der International Air Transport Association (IATA) und des National Airlines Council of Canada (NACC), vertreten durch C. Quigley, QC, –        der Aviation Environment Federation, des WWF-UK, der European Federation for Transport and Environment, des Environmental Defense Fund und von Earthjustice, vertreten durch J. Turner, QC, und L. John, Barrister, beauftragt durch K. Harrison, Solicitor, –        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Seeboruth als Bevollmächtigten im Beistand von S. Wordsworth, Barrister, –        der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten, –        der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten, –        der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte, –        der spanischen Regierung, vertreten durch M. Muñoz Pérez als Bevollmächtigten, –        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, S. Menez und M. Perrot als Bevollmächtigte, –        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato, –        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte, –        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, –        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar, M. Nowacki und K. Zawisza als Bevollmächtigte, –        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte, –        der isländischen Regierung, vertreten durch I. Lind Sæmundsdóttir als Bevollmächtigte, –        der norwegischen Regierung, vertreten durch K. Moe Winther und M. Emberland als Bevollmächtigte, –        des Europäischen Parlaments, vertreten durch I. Anagnostopoulou, R. Kaškina und A. Troupiotis als Bevollmächtigte, –        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch K. Michoel, E. Karlsson und A. Westerhof Löfflerová als Bevollmächtigte, –        der Europäischen Kommission, vertreten durch E. White, K. Simonsson, K. Mifsud-Bonnici und S. Boelaert als Bevollmächtigte, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 6. Oktober 2011 folgendes Urteil 1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft zum einen die Frage, unter welchen Voraussetzungen Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts und Bestimmungen internationaler Übereinkünfte im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens über die Gültigkeit eines Rechtsakts geltend gemacht werden können, und zum anderen die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft (ABl. 2009, L 8, S. 3) im Hinblick auf das vertragliche Völkerrecht und das Völkergewohnheitsrecht. 2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Air Transport Association of America, der American Airlines Inc., der Continental Airlines Inc. und der United Airlines Inc. (alle zusammen im Folgenden: ATA u. a.) auf der einen und dem Secretary of State for Energy and Climate Change (Minister für Energie und Klimawandel) auf der anderen Seite über die Gültigkeit der vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland erlassenen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2008/101. I –  Rechtlicher Rahmen A –  Völkerrecht 1.     Das Chicagoer Abkommen 3        Das am 7. Dezember 1944 in Chicago (Vereinigte Staaten) unterzeichnete Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (im Folgenden: Chicagoer Abkommen) ist von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert worden; die Europäische Union ist allerdings selbst nicht Vertragspartei dieses Abkommens. Mit dem Chicagoer Abkommen ist die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organization, ICAO) geschaffen worden; deren Aufgabe ist nach Art. 44 dieses Abkommens, die Grundsätze und die Technik der internationalen Luftfahrt zu entwickeln sowie die Planung und Entwicklung des internationalen Luftverkehrs zu fördern. 4        Art. 1 des Chicagoer Abkommens lautet: „Die Vertragsstaaten erkennen an, dass jeder Staat über seinem Hoheitsgebiet volle und ausschließliche Lufthoheit besitzt.“ 5        Art. 11 („Anwendbarkeit von Luftverkehrsvorschriften“) des Chicagoer Abkommens lautet: „Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Abkommens sind die Gesetze und Vorschriften eines Vertragsstaats über den Ein- und Ausflug der in der internationalen Luftfahrt verwendeten Luftfahrzeuge nach oder aus seinem Hoheitsgebiet oder über den Betrieb und den Verkehr dieser Luftfahrzeuge innerhalb seines Hoheitsgebiets auf die Luftfahrzeuge aller Vertragsstaaten ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit anzuwenden; sie sind von diesen Luftfahrzeugen beim Einflug, Ausflug und innerhalb des Hoheitsgebiets dieses Staates zu befolgen.“ 6        Art. 12 („Luftverkehrsregeln“) des Chicagoer Abkommens lautet: „Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, durch Maßnahmen sicherzustellen, dass jedes sein Hoheitsgebiet überfliegende und darin verkehrende sowie jedes mit seinem Staatszugehörigkeitszeichen versehene Luftfahrzeug, wo immer es sich befinden mag, die in dem entsprechenden Hoheitsgebiet geltenden Flug- und Luftverkehrsregeln und -vorschriften befolgt. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, seine eigenen diesbezüglichen Vorschriften so weit wie möglich denjenigen anzugleichen, die jeweils auf Grund dieses Abkommens erlassen werden. Über dem offenen Meer gelten die auf Grund dieses Abkommens aufgestellten Regeln. Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die Verfolgung aller Personen sicherzustellen, welche die anzuwendenden Vorschriften verletzen.“ 7        Art. 15 („Flughaften- und ähnliche Gebühren“) des Chicagoer Abkommens bestimmt: „Jeder Flughafen in einem Vertragsstaat, der den inländischen Luftfahrzeugen zur öffentlichen Benutzung zur Verfügung steht, steht … unter einheitlichen Bedingungen gleicherweise den Luftfahrzeugen aller anderen Vertragsstaaten offen. … Alle Gebühren, die von einem Vertragsstaat für die Benutzung der Flughäfen und Luftfahrteinrichtungen durch Luftfahrzeuge eines anderen Vertragsstaats erhoben werden oder deren Erhebung von einem Vertragsstaat zugelassen wird, dürfen … b)      für Luftfahrzeuge, die im planmäßigen internationalen Fluglinienverkehr verwendet werden, nicht höher sein als die Gebühren, die inländische Luftfahrzeuge, die in einem gleichartigen internationalen Fluglinienverkehr verwendet werden, bezahlen würden. All diese Gebühren sind zu veröffentlichen und der [ICAO] mitzuteilen; die für die Benutzung von Flughäfen und anderen Einrichtungen erhobenen Gebühren unterliegen auf Vorstellung eines interessierten Vertragsstaats einer Nachprüfung durch den Rat, der einen diesbezüglichen Bericht abfasst und dem beteiligten Staat oder den beteiligten Staaten Empfehlungen zur Erwägung vorlegt. Die Vertragsstaaten erheben keine Gebühren, Taxen oder sonstigen Abgaben für ihr Hoheitsgebiet lediglich für das Recht der Durchreise, Einreise oder Ausreise eines Luftfahrzeugs eines Vertragsstaats oder der an Bord befindlichen Personen oder Güter.“ 8        Nach Art. 17 des Chicagoer Abkommens „[haben] Luftfahrzeuge … die Staatszugehörigkeit des Staates, in dem sie eingetragen sind.“ 9        Art. 24 Abs. a des Abkommens lautet: „Luftfahrzeuge auf einem Flug nach, von oder über dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats sind vorbehaltlich der Zollvorschriften dieses Staates vorübergehend zollfrei zu lassen. Treibstoffe, Schmieröle, Ersatzteile, übliche Ausrüstungsgegenstände und Bordvorräte, die sich bei Ankunft in dem Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaats an Bord eines Luftfahrzeugs eines Vertragsstaats befinden und beim Verlassen des Hoheitsgebiets des anderen Staates an Bord geblieben sind, sind von Zollabgaben, Untersuchungsgebühren oder ähnlichen staatlichen oder örtlichen Abgaben und Gebühren befreit. …“ 2.     Das Kyoto-Protokoll 10      Am 9. Mai 1992 wurde in New York das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (im Folgenden: Rahmenübereinkommen) angenommen, dessen zentrales Ziel es ist, die Konzentrationen von Treibhausgasen in der Atmosphäre auf einem Stand zu stabilisieren, auf dem eine gefährliche vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems verhindert wird. Am 11. Dezember 1997 verabschiedeten die Vertragsparteien dieses Rahmenübereinkommens in dessen Anwendung das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (im Folgenden: Kyoto-Protokoll), das am 16. Februar 2005 in Kraft trat. Die Union ist Vertragspartei dieser beiden Übereinkünfte. 11      Ziel des Kyoto-Protokolls ist es, die Gesamtemissionen von Treibhausgasen, u. a. Kohlenstoffdioxid (im Folgenden: CO2), innerhalb des Zeitraums 2008—2012 um mindestens 5 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Die in Anlage I des Rahmenübereinkommens aufgeführten Vertragsparteien verpflichten sich, dafür zu sorgen, dass ihre Treibhausgasemissionen einen Prozentsatz, der ihnen durch das Kyoto-Protokoll zugeteilt wird, nicht übersteigen, wobei sie ihre Verpflichtungen gemeinsam erfüllen können. Die von der Union und ihren Mitgliedstaaten übernommene Gesamtverpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll besteht in einer Gesamtsenkung der Treibhausgasemissionen in dem genannten Zeitraum um 8 % unter das Niveau von 1990. 12      Art. 2 Abs. 2 des Kyoto-Protokolls bestimmt: „Die in Anlage I aufgeführten Vertragsparteien setzen ihre Bemühungen um eine Begrenzung oder Reduktion der Emissionen von nicht durch das Montrealer Protokoll geregelten Treibhausgasen aus dem Luftverkehr und der Seeschifffahrt im Rahmen der [ICAO] beziehungsweise der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation fort.“ 3.     Luftverkehrsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Vereinigten Staaten 13      Am 25. und 30. April 2007 schlossen die Europäischen Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die Vereinigten Staaten von Amerika andererseits ein Luftverkehrsabkommen ab, u. a. um durch Öffnung des Zugangs zu den Märkten und Erzielen des größtmöglichen Nutzens für Verbraucher, Luftfahrtunternehmen, Arbeitnehmer und Gemeinschaften beiderseits des Atlantiks mehr Möglichkeiten für den internationalen Luftverkehr zu schaffen. Hierzu haben der Rat und die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Beschluss 2007/339/EG vom 25. April 2007 über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung dieses Abkommens (ABl. L 134, S. 1) erlassen. 14      In der Folge haben der Rat und die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Beschluss 2010/465/EU vom 24. Juni 2010 über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung des Protokolls zur Änderung des Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (ABl. L 223, S. 1) erlassen. In den Erwägungsgründen 1 bis 6 dieses Beschlusses heißt es: „(1)  Das … Luftverkehrsabkommen … verpflichtete beide Vertragsparteien zur Aufnahme weiterführender Verhandlungen. (2)      Infolge des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 ist die Europäische Union an die Stelle der Europäischen Gemeinschaft getreten, deren Rechtsnachfolgerin sie ist. (3)      Die Kommission hat im Namen der Union und der Mitgliedstaaten ein Protokoll zur Änderung des [Luftverkehrsabkommens] (nachstehend ‚Protokoll’ genannt) gemäß Artikel 21 des genannten Abkommens ausgehandelt. (4)      Das Protokoll wurde am 25. März 2010 paraphiert. (5)      Das Protokoll steht vollständig im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union, insbesondere mit dem Emissionshandelssystem der EU [im Folgenden: System des Handels mit Zertifikaten]. (6)      Das von der Kommission ausgehandelte Protokoll sollte vorbehaltlich seines etwaigen späteren Abschlusses von der Union und den Mitgliedstaaten unterzeichnet und in dem nach dem innerstaatlichen Recht zulässigen Umfang vorläufig angewandt werden.“ 15      Nach Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses Nr. 2010/465, „wird das Protokoll von der Union und ihren Mitgliedstaaten [bis zu seinem Inkrafttreten] ab dem Tag seiner Unterzeichnung in dem nach dem innerstaatlichen Recht zulässigen Umfang vorläufig angewendet“. 16      Nach Art. 1 Nr. 9 des Luftverkehrsabkommens in der durch das Protokoll geänderten Fassung (im Folgenden: „Open-Skies“-Abkommen) bezeichnet der Ausdruck Hoheitsgebiet im Sinne dieses Abkommens, soweit nichts anderes bestimmt ist, „im Falle der Vereinigten Staaten die Landgebiete (Festland und Inseln), Binnengewässer und Hoheitsgewässer unter ihrer Souveränität oder Rechtsprechung und im Falle der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten die Landgebiete (Festland und Inseln), Binnengewässer und Hoheitsgewässer, auf die der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unter den in diesem Vertrag sowie etwaigen Nachfolgeinstrumenten festgelegten Bedingungen Anwendung findet“. 17      Art. 2 („Billige und gleiche Wettbewerbsbedingungen“) des „Open-Skies“-Abkommens lautet: „Jede Vertragspartei gibt den Luftfahrtunternehmen beider Vertragsparteien in billiger und gleicher Weise Gelegenheit, bei der Durchführung des durch dieses Abkommen geregelten internationalen Luftverkehrs miteinander in Wettbewerb zu treten.“ 18      In Art. 3 Abs. 2, 4 und 5 des „Open-Skies“-Abkommens heißt es: „(2)      Jedes Luftfahrtunternehmen kann nach seinem Ermessen auf bestimmten oder allen Flügen: a)      Flüge in einer oder in beiden Richtungen durchführen, b)      verschiedene Flugnummern innerhalb eines Fluges kombinieren, c)      Punkte außerhalb und innerhalb der Gebiete der Vertragsparteien sowie Punkte darüber hinaus in beliebiger Kombination und Reihenfolge bedienen, d)      auf Landungen an einem bestimmten Punkt oder bestimmten Punkten verzichten, e)      an jedem beliebigen Punkt Verkehr von jedem seiner Luftfahrzeuge auf ein anderes seiner Luftfahrzeuge verlagern, f)      Punkte jenseits jedes Punktes in seinem Gebiet mit oder ohne Wechsel des Fluggeräts oder der Flugnummer bedienen und diese Dienste öffentlich als durchgehende Dienste anbieten, g)      Zwischenlandungen an beliebigen Punkten innerhalb oder außerhalb des Gebietes der Parteien durchführen, h)      Transitverkehr über das Gebiet der jeweils anderen Partei durchführen, und i)      Verkehr ungeachtet seines Ursprungs in ein und demselben Luftfahrzeug kombinieren; hierbei gelten keine Richtungsbeschränkungen oder geografischen Beschränkungen, und es entstehen keine Verluste von Rechten zur Durchführung von Verkehr, der ansonsten im Rahmen dieses Abkommens zulässig ist. … (4)      Jede Vertragspartei gestattet, dass jedes Luftfahrtunternehmen die Frequenz und Kapazität der von ihm angebotenen internationalen Luftverkehrsdienste aufgrund kommerzieller marktbezogener Überlegungen festlegt. In Übereinstimmung mit diesem Recht begrenzt keine der Vertragsparteien einseitig das Verkehrsvolumen, die Frequenz oder Regelmäßigkeit des Dienstes oder das oder die Muster der von Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei eingesetzten Luftfahrzeuge und verlangt keine Vertragspartei die Vorlage von Flugplänen, Charterflugprogrammen oder Betriebsplänen von Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei, es sei denn, dies ist aus zollrechtlichen, technischen oder betrieblichen Gründen oder aus Umweltschutzgründen (gemäß Artikel 15) erforderlich, wobei einheitliche Bedingungen in Einklang mit Artikel 15 des [Chicagoer] Abkommens anzuwenden sind. (5)      Jedes Luftfahrtunternehmen kann sich am internationalen Luftverkehr beteiligen, ohne Beschränkungen im Hinblick auf etwaige Veränderungen bei Muster oder Zahl der eingesetzten Luftfahrzeuge …“ 19      Art. 7 („Anwendung von Rechtsvorschriften“) Abs. 1 des „Open-Skies“-Abkommens lautet: „Die Gesetze und sonstigen Vorschriften einer Partei betreffend den Einflug in ihr oder den Ausflug aus ihrem Gebiet der im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge oder betreffend den Betrieb und den Verkehr dieser Luftfahrzeuge innerhalb ihres Gebietes gelten für die Luftfahrzeuge, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Partei verwendet werden, und sind von diesen Luftfahrzeugen beim Ein- oder Ausflug und innerhalb des Gebietes der ersten Partei zu befolgen.“ 20      Nach Art. 10 des „Open-Skies“-Abkommens haben die Luftfahrtunternehmen beider Vertragsparteien u. a. das Recht, im Gebiet der anderen Vertragspartei Niederlassungen zur Verkaufsförderung und zum Verkauf von Luftverkehrsdienstleitungen und für damit verbundene Tätigkeiten zu errichten. Sie können sich ferner am Verkauf von Luftbeförderungsleistungen in frei konvertierbarer Währung im Gebiet der anderen Vertragspartei unmittelbar und/oder mittelbar nach Ermessen des Unternehmens durch seine Verkaufsbeauftragten oder sonstige von dem Luftfahrtunternehmen ernannten Vermittler beteiligen. Die Luftfahrtunternehmen jeder Vertragspartei können nach dieser Bestimmung ferner Ausgaben, einschließlich des Erwerbs von Treibstoff, im Gebiet der anderen Vertragspartei in frei konvertierbaren Währungen begleichen. Außerdem können sie Vereinbarungen über eine Zusammenarbeit bei der Vermarktung, z. B. „Blocked-Space“- oder „Code-Sharing“-Vereinbarungen, treffen, sowie unter bestimmten Voraussetzungen Franchise- und Marken-(„Branding“-)Vereinbarungen und Vereinbarungen über die Bereitstellung von Luftfahrzeugen mit Besatzung für den internationalen Luftverkehr treffen. 21      Art. 11 („Zölle und Abgaben“) des „Open-Skies“-Abkommens bestimmt: „(1)      Bei Ankunft im Gebiet einer Vertragspartei bleiben Luftfahrzeuge, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei im internationalen Luftverkehr eingesetzt werden, ihre üblichen Ausrüstungsgegenstände, Bodenausrüstungsgegenstände, Treibstoffe, Schmieröle, technische Verbrauchsgüter, Ersatzteile (einschließlich Triebwerken), Bordvorräte (insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, Gegenstände wie Nahrungsmittel, Getränke und alkoholische Getränke, Tabak und in begrenzten Mengen zum Verkauf an Fluggäste oder zum Verbrauch durch diese während des Fluges bestimmte sonstige Güter) und andere ausschließlich zur Verwendung im Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Versorgung ihrer im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge bestimmte Gegenstände auf der Grundlage der Gegenseitigkeit frei von allen Einfuhrbeschränkungen, Vermögenssteuern und -abgaben, Zöllen, Verbrauchsteuern und ähnlichen Gebühren und Abgaben, die a) durch die nationalen Behörden oder die Europäische Gemeinschaft erhoben werden und b) nicht auf den Kosten für geleistete Dienste beruhen, sofern diese Ausrüstungsgegenstände und Vorräte an Bord des Luftfahrzeugs verbleiben. (2)      Außerdem werden auf der Grundlage der Gegenseitigkeit von den in Absatz 1 genannten Steuern, Zöllen, Gebühren und Abgaben außer den auf den Kosten für geleistete Dienste beruhenden Gebühren befreit: … c)      Treibstoff, Schmieröle und technische Verbrauchsgüter, die zur Verwendung in einem im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeug eines Luftfahrtunternehmens der anderen Vertragspartei in das Gebiet einer Vertragspartei eingeführt oder dort geliefert werden, selbst wenn diese Vorräte auf dem Teil des Fluges über dem Gebiet der Vertragspartei verbraucht werden sollen, in dem sie an Bord genommen werden, …“ 22      In Art. 15 („Umwelt“) des „Open-Skies“-Abkommens heißt es: „(1)      Die Vertragsparteien erkennen die Bedeutung des Umweltschutzes bei der Entwicklung und Durchführung einer internationalen Luftverkehrspolitik an, wobei sie sorgfältig die Kosten und Nutzen von Maßnahmen für den Umweltschutz bei der Entwicklung einer solchen Politik abwägen und gegebenenfalls gemeinsam effektive globale Lösungen voranbringen. Dementsprechend beabsichtigen die Vertragsparteien zusammenzuarbeiten, um in wirtschaftlich angemessener Art und Weise die Auswirkungen der internationalen Luftfahrt auf die Umwelt zu begrenzen oder zu verringern. (2)      Prüft eine Vertragspartei Vorschläge für Umweltmaßnahmen auf regionaler, nationaler oder lokaler Ebene, sollte sie etwaige nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung der in diesem Abkommen vorgesehenen Rechte bewerten und bei Annahme solcher Maßnahmen geeignete Schritte zur Abschwächung solcher nachteiligen Auswirkungen unternehmen. Auf Verlangen einer Vertragspartei legt die andere Vertragspartei eine Beschreibung einer solchen Bewertung und der Schritte zur Abschwächung vor. (3)      Bei der Festlegung von Umweltmaßnahmen sind die Umweltschutzstandards für den Luftverkehr zu beachten, die von der [ICAO] angenommen und dem [Chicagoer] Abkommen als Anhänge hinzugefügt wurden, ausgenommen in Fällen, in denen Abweichungen angezeigt wurden. Die Vertragsparteien wenden Umweltmaßnahmen, die sich auf die von diesem Abkommen geregelten Luftverkehrsdienste auswirken, in Übereinstimmung mit Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 4 dieses Abkommens an. (4)      Die Vertragsparteien bekräftigen die Verpflichtung der Mitgliedstaaten und der Vereinigten Staaten zur Anwendung des Prinzip[s] des ausgewogenen Ansatzes. … (6)      Die Vertragsparteien billigen und fördern den Informationsaustausch und den regelmäßigen Dialog zwischen Sachverständigen, insbesondere über bestehende Kommunikationswege, zur Verbesserung der Zusammenarbeit, im Einklang mit den geltenden Gesetzen und sonstigen Vorschriften, hinsichtlich der Umweltauswirkungen des internationalen Luftverkehrs sowie der Lösungen zu deren Milderung, einschließlich: … e)      des Meinungsaustausches über Themen und Möglichkeiten in internationalen Foren, die sich mit den Auswirkungen des Luftverkehrs auf die Umwelt befassen, gegebenenfalls einschließlich der Koordinierung der Standpunkte. (7)      Auf Wunsch der Vertragsparteien arbeitet der Gemeinsame Ausschuss mit der Unterstützung von Sachverständigen Empfehlungen aus, die sich auf die mögliche Überschneidung sowie die Übereinstimmung marktgestützter Maßnahmen in Bezug auf luftverkehrsbedingte Emissionen beziehen, die von den Parteien durchgeführt werden, um doppelte Maßnahmen und Kosten zu vermeiden und um den Verwaltungsaufwand für die Luftfahrtunternehmen so weit wie möglich zu verringern. Die Umsetzung solcher Empfehlungen bedarf der internen Genehmigung oder der Ratifikation, sofern dies von jeder Vertragspartei im jeweiligen Fall gefordert wird. (8)      Ist eine Vertragspartei der Auffassung, dass eine Frage mit Bezug zum Umweltschutz im Luftverkehr, einschließlich vorgeschlagener neuer Maßnahmen, Zweifel hinsichtlich der Anwendung oder Durchführung dieses Abkommens aufwirft, kann sie eine Sitzung des durch Artikel 18 eingesetzten Gemeinsamen Ausschusses verlangen, um diese Frage zu erörtern und bei berechtigten Einwänden geeignete Lösungen zu entwickeln.“ 23      Nach Art. 19 des „Open-Skies“-Abkommens können alle Streitigkeiten hinsichtlich dessen Anwendung oder Auslegung, die sich nicht durch eine Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses beilegen lassen, von den Vertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen im Einvernehmen einer Person oder Instanz zur Entscheidung vorgelegt werden. Einigen sich die Vertragsparteien nicht in diesem Sinne, so wird die Streitigkeit auf Ersuchen einer der Vertragsparteien Gegenstand eines Schiedsverfahrens gemäß den in diesem Art. 19 bestimmten Modalitäten. B –  Unionsrecht 24      Der Rat hat zum einen den Beschluss 94/69/EG vom 15. Dezember 1993 über den Abschluss des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (ABl. 1994, L 33, S. 11) und zum anderen die Entscheidung 2002/358/EG vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen (ABl. L 130, S. 1) erlassen. Nach Art. 2 Abs. 1 der Entscheidung 2002/358 erfüllen die Union und ihre Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll gemeinsam. 25      Da die Kommission der Ansicht war, dass der Handel mit Treibhausgasemissionsrechten zusammen mit anderen Maßnahmen ein integraler und wesentlicher Bestandteil der gemeinschaftlichen Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels sein werde, legte sie am 8. März 2000 das Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM[2000] 87 endg.) vor. 1.     Richtlinie 2003/87/EG 26      Auf der Grundlage von Art. 175 Abs. 1 EG wurde die Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG (ABl. L 275, S. 32) erlassen. 27      Nach ihrem fünften Erwägungsgrund soll diese Richtlinie dazu beitragen, dass die Verpflichtungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen im Rahmen des Protokolls von Kyoto gemäß der Entscheidung 2002/358 durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate (im Folgenden: Zertifikate) effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden. 28      Nach dem 23. Erwägungsgrund der Richtlinie sollte der Emissionszertifikatehandel „Teil eines umfassenden und kohärenten Politik- und Maßnahmenpakets sein, das auf der Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft durchgeführt wird“. Entsprechend heißt es im ersten Satz des 25. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie weiter: „Politik und Maßnahmen sollten auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft in allen Wirtschaftssektoren der Europäischen Union, nicht nur in den Sektoren Industrie und Energie, durchgeführt werden, um zu erheblichen Emissionsverringerungen zu gelangen.“ 29      Der Gegenstand der Richtlinie 2003/87 ist in deren Art. 1 folgendermaßen definiert: „Mit dieser Richtlinie wird ein System für den Handel mit [Zertifikaten] in der Gemeinschaft … geschaffen, um auf kosteneffiziente und wirtschaftlich effiziente Weise auf eine Verringerung von Treibhausgasemissionen hinzuwirken.“ 30      Die Richtlinie 2003/87 gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 1 für die Emissionen aus den in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Tätigkeiten und die Emissionen der in Anhang II aufgeführten Treibhausgase, u. a. von CO2. 2.     Die Richtlinie 2008/101 31      Nach Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2003/87 hatte die Kommission auf der Grundlage der Erfahrungen mit der Anwendung dieser Richtlinie bis zum 30. Juni 2006 einen Bericht zu erstellen, gegebenenfalls mit Vorschlägen zum Funktionieren dieser Richtlinie, in dem sie u. a. auf die Frage eingeht, „wie und ob Anhang I dahin gehend geändert werden sollte, dass im Hinblick auf eine weitere Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz des Systems andere betroffene Sektoren, wie etwa die Sektoren Chemie, Aluminium und Verkehr, andere Tätigkeiten und Emissionen anderer in Anhang II aufgeführter Treibhausgase aufgenommen werden“. 32      Entsprechend hat der Unionsgesetzgeber die Richtlinie 2008/101 erlassen, mit der die Richtlinie 2003/87 geändert und die Luftfahrt in das System des Handels mit Zertifikaten einbezogen worden ist. 33      In den Erwägungsgründen 8 bis 11, 14, 17 und 21 der Richtlinie 2008/101 heißt es: „(8)      Nach dem Kyoto-Protokoll [zum Rahmenübereinkommen] … sind die Industrieländer verpflichtet, ihre Bemühungen um eine Begrenzung oder Reduktion der Emissionen von nicht durch das Montrealer Protokoll [über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen,] geregelten Treibhausgasen aus dem Luftverkehr im Rahmen der [ICAO] fortzusetzen. (9)      Die Gemeinschaft ist zwar keine Vertragspartei des [Chicagoer Abkommens], doch sind alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien dieses Abkommens sowie Mitglieder der ICAO. Die Mitgliedstaaten unterstützen weiterhin zusammen mit anderen Staaten die Arbeiten im Rahmen der ICAO zur Entwicklung von Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Luftverkehrs auf den Klimawandel, wozu auch die Entwicklung marktgestützter Instrumente gehört. Auf der sechsten Tagung des ICAO-Ausschusses für Umweltschutz in der Luftfahrt im Jahr 2004 wurde einvernehmlich festgestellt, dass ein luftfahrtspezifisches Emissionshandelssystem auf der Grundlage eines neuen Rechtsinstruments und unter der Schirmherrschaft der ICAO nicht genügend Anreize bietet, um weiter in Betracht gezogen zu werden. Folglich wurde in der Entschließung A35‑5 der 35. ICAO-Versammlung vom September 2004 kein neues Rechtsinstrument vorgeschlagen, sondern ein offener Emissionshandel befürwortet, mit der Möglichkeit für die Staaten, Emissionen aus dem internationalen Luftverkehr in ihre Emissionshandelssysteme einzubeziehen. Im Anhang L zur Entschließung A36‑22 der 36. ICAO-Versammlung vom September 2007 werden die Vertragsstaaten nachdrücklich aufgefordert, die Luftfahrzeugbetreiber anderer Vertragsstaaten nur im gegenseitigen Einvernehmen mit den betreffenden Staaten in ein Emissionshandelssystem einzubeziehen. Unter Hinweis darauf, dass im Chicagoer Abkommen ausdrücklich anerkannt wird, dass jede Vertragspartei das Recht hat, ihre eigenen Rechtsvorschriften diskriminierungsfrei auf die Luftfahrzeuge aller Staaten anzuwenden, haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und 15 weitere europäische Staaten einen Vorbehalt zu dieser Entschließung eingelegt und sich aufgrund des Chicagoer Abkommens das Recht vorbehalten, in Bezug auf alle Luftfahrzeugbetreiber aus allen Staaten, die nach oder von ihrem Hoheitsgebiet oder innerhalb desselben Luftverkehrsdienste anbieten, diskriminierungsfrei marktgestützte Maßnahmen zu erlassen und anzuwenden. (10)      Gemäß dem Sechsten Umweltaktionsprogramm der Gemeinschaft, das mit Beschluss Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates … eingeführt wurde, muss die Gemeinschaft dafür sorgen, dass spezifische Maßnahmen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen aus dem Luftverkehr festgelegt und durchgeführt werden, falls die ICAO bis zum Jahr 2002 keine entsprechenden Maßnahmen beschließt. In seinen Schlussfolgerungen von Oktober 2002, Dezember 2003 und Oktober 2004 hat der Rat die Kommission wiederholt aufgefordert, Maßnahmen zur Verringerung der Klimaauswirkungen des internationalen Luftverkehrs vorzuschlagen. (11)      Auf Ebene der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft sollten in allen Wirtschaftssektoren der Gemeinschaft Strategien und Maßnahmen durchgeführt werden, um die notwendigen umfangreichen Reduktionen herbeizuführen. Wenn die Klimaauswirkungen des Luftverkehrs weiterhin im bisherigen Tempo zunehmen, würde dies die in anderen Sektoren erzielten Reduktionen zur Bekämpfung des Klimawandels spürbar untergraben. … (14)      Ziel der Änderungen der Richtlinie 2003/87/EG durch diese Richtlinie ist es, die dem Luftverkehr zurechenbaren Klimaauswirkungen durch Einbeziehung der Emissionen aus dem Luftverkehr in das Gemeinschaftssystem zu verringern. … (17)      Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sollten weiterhin eine Vereinbarung über globale Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus der Luftverkehrstätigkeit anstreben. Das Gemeinschaftssystem kann als Modell für die weltweite Nutzung des Emissionsrechtehandels dienen. Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sollten während der Umsetzung dieser Richtlinie weiterhin die Beziehungen zu Dritten pflegen und Drittländer dazu ermutigen, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen. Erlässt ein Drittland Maßnahmen zur Reduzierung der Klimaauswirkungen von Flügen in die Gemeinschaft, die mindestens die gleichen Umweltvorteile wie diese Richtlinie erreichen, sollte die Kommission nach Konsultationen mit dem betreffenden Land die verfügbaren Möglichkeiten prüfen, um eine optimale Wechselwirkung zwischen dem Gemeinschaftssystem und den Maßnahmen des betreffenden Landes zu erreichen. Die in Drittländern entwickelten Emissionsrechtehandelssysteme schaffen allmählich eine optimale Wechselwirkung mit dem Gemeinschaftssystem in Bezug auf ihre Abdeckung des Luftverkehrs. Bilaterale Übereinkünfte über die Verbindung des Gemeinschaftssystems und anderer Emissionsrechtehandelssysteme zur Schaffung eines gemeinsamen Systems oder zur Berücksichtigung entsprechender Maßnahmen zur Vermeidung doppelter Regelungen könnten einen Schritt auf dem Weg zu einem weltweiten Abkommen darstellen. In den Fällen, in denen solche bilateralen Übereinkünfte geschlossen werden, kann die Kommission Änderungen bezüglich der im Gemeinschaftssystem erfassten Luftverkehrstätigkeiten vornehmen, einschließlich der daraus resultierenden Anpassungen der Gesamtmenge der den Luftfahrzeugbetreibern zugeteilten Zertifikate. … (21)      Eine vollständige Harmonisierung des Anteils der Zertifikate, die kostenfrei an alle Luftfahrzeugbetreiber vergeben werden, die sich an Gemeinschaftsregelung beteiligen, ist angebracht, damit in Anbetracht dessen, dass jeder Luftfahrzeugbetreiber von einem einzigen Mitgliedstaat in Bezug auf alle Flüge in die Europäische Union, aus der Europäischen Union und innerhalb der Europäischen Union verwaltet wird, und in Anbetracht der Bestimmungen über die Nichtdiskriminierung in bilateralen Luftverkehrsabkommen mit Drittländern gleiche Ausgangsbedingungen für die Luftfahrzeugbetreiber gewährleistet werden.“ 34      Nach Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2008/101 enthält die Richtlinie 2003/87 nunmehr folgendes Kapitel II: „Kapitel II Luftverkehr Artikel 3a Anwendungsbereich Die Bestimmungen in diesem Kapitel gelten für die Zuteilung und Vergabe von Zertifikaten im Zusammenhang mit den in Anhang I aufgelisteten Luftverkehrstätigkeiten. … Artikel 3c Gesamtmenge der Zertifikate für den Luftverkehr (1)      Für die Handelsperiode vom 1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 entspricht die Gesamtmenge der den Luftfahrzeugbetreibern zuzuteilenden Zertifikate 97 % der historischen Luftverkehrsemissionen. (2)      Für die Handelsperiode gemäß Artikel 11 Absatz 2, die am 1. Januar 2013 beginnt, und, wenn keine Änderungen nach der Überprüfung gemäß Artikel 30 Absatz 4 erfolgen, für jede folgende Handelsperiode entspricht die Gesamtmenge der den Luftfahrzeugbetreibern zuzuteilenden Zertifikate 95 % der historischen Luftverkehrsemissionen, multipliziert mit der Anzahl der Jahre in der Handelsperiode. … Artikel 3d Methode der Zuteilung von Zertifikaten für den Luftverkehr durch Versteigerung (1)      In der Handelsperiode gemäß Artikel 3c Absatz 1 werden 15 % der Zertifikate versteigert. (2)      Ab 1. Januar 2013 werden 15 % der Zertifikate versteigert. Dieser Prozentsatz kann im Rahmen der allgemeinen Überprüfung dieser Richtlinie erhöht werden. (3)      Die Versteigerung von Zertifikaten, die nicht gemäß den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels oder gemäß Artikel 3f Nummer 8 kostenfrei zugeteilt werden müssen, durch die Mitgliedstaaten wird in einer Verordnung geregelt. Die Zahl der von den einzelnen Mitgliedstaaten in jeder Handelsperiode zu versteigernden Zertifikate entspricht dem Anteil dieses Mitgliedstaats an den gesamten Luftverkehrsemissionen, wie sie allen Mitgliedstaaten für das Bezugsjahr zugeordnet … wurden. … … (4)      Es ist Sache der Mitgliedstaaten, über die Verwendung von Einkünften aus der Versteigerung von Zertifikaten zu entscheiden. Diese Einkünfte sollten verwendet werden, um den Klimawandel in der EU und in Drittländern zu bekämpfen, unter anderem zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels in der Europäischen Union und in Drittländern, insbesondere in Entwicklungsländern, zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Eindämmung und Anpassung, insbesondere in den Bereichen Raumfahrt und Luftverkehr, zur Verringerung der Emissionen durch einen emissionsarmen Verkehr und zur Deckung der Kosten für die Verwaltung der Gemeinschaftsregelung. Versteigerungseinkünfte sollten auch zur Finanzierung von Beiträgen zum Globalen Dachfonds für Energieeffizienz und erneuerbare Energien und für Maßnahmen gegen die Abholzung von Wäldern eingesetzt werden. … Artikel 3 e Zuteilung und Vergabe von Zertifikaten an Luftfahrzeugbetreiber (1)      Für jede Handelsperiode gemäß Artikel 3c kann jeder Luftfahrzeugbetreiber Zertifikate beantragen, die kostenfrei zugeteilt werden. Ein Antrag kann bei der zuständigen Behörde des Verwaltungsmitgliedstaats gestellt werden, indem die geprüften Tonnenkilometerangaben für die von diesem Luftfahrzeugbetreiber ausgeführten Luftverkehrstätigkeiten nach Anhang I für das Überprüfungsjahr übermittelt werden. …“ 35      Nach Art. 1 Nr. 10 Buchst. b der Richtlinie 2008/101 wird in Art. 12 der Richtlinie 2003/87 folgender Abs. 2a eingefügt: „Die Verwaltungsmitgliedstaaten stellen sicher, dass jeder Luftfahrzeugbetreiber bis zum 30. April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den – gemäß Artikel 15 überprüften – Gesamtemissionen des vorangegangenen Kalenderjahres aus Luftverkehrstätigkeiten im Sinne von Anhang I, die der Luftfahrzeugbetreiber durchgeführt hat, entspricht. Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die gemäß diesem Absatz abgegebenen Zertifikate anschließend gelöscht werden.“ 36      Nach Art. 1 Nr. 14 Buchst. b der Richtlinie 2008/101 erhalten die Abs. 2 und 3 des Art. 16 der Richtlinie 2003/87 folgende Fassung: „(2)       Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Namen der Betreiber und Luftfahrzeugbetreiber, die gegen die Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Abgabe einer ausreichenden Anzahl von Zertifikaten verstoßen, veröffentlicht werden. (3)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Betreibern oder Luftfahrzeugbetreibern, die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen Emissionsüberschreitung auferlegt wird. Die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung beträgt für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber oder Luftfahrzeugbetreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 [Euro]. Die Zahlung der Sanktion entbindet den Betreiber nicht von der Verpflichtung, Zertifikate in Höhe dieser Emissionsüberschreitung abzugeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt.“ 37      Außerdem wird Art. 16 der Richtlinie 2003/87 nach Art. 1 Nr. 14 Buchst. c der Richtlinie 2008/101 u. a. ein Abs. 5 angefügt, der lautet: „Erfüllt ein Luftfahrzeugbetreiber die Vorschriften dieser Richtlinie nicht und konnte die Einhaltung der Vorschriften nicht durch sonstige Durchsetzungsmaßnahmen gewährleistet werden, so kann der betreffende Verwaltungsmitgliedstaat die Kommission ersuchen, eine Betriebsuntersagung für den betreffenden Luftfahrzeugbetreiber zu beschließen.“ 38      Nach Art. 1 Nr. 18 der Richtlinie 2008/101 wird in die Richtlinie 2003/87 ein Art. 25a („Drittlandvorschriften zur Reduzierung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs“) eingefügt, der lautet: „(1)      Erlässt ein Drittland Maßnahmen zur Reduzierung der Klimaauswirkungen von Flügen, die in seinem Hoheitsgebiet beginnen und in der Gemeinschaft enden, so prüft die Kommission nach Konsultationen mit dem Drittland und mit den Mitgliedstaaten im Ausschuss nach Artikel 23 Absatz 1 die verfügbaren Möglichkeiten, um eine optimale Wechselwirkung zwischen dem Gemeinschaftssystem und den Maßnahmen des Drittlandes zu erreichen. Falls erforderlich, kann die Kommission Änderungen erlassen, um Flüge aus dem betreffenden Drittland von den Luftverkehrstätigkeiten gemäß Anhang I auszuschließen oder um sonstige aufgrund eines Abkommens nach Unterabsatz 4 erforderliche Änderungen in Bezug auf die Luftverkehrstätigkeiten gemäß Anhang I vorzunehmen. Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Elemente dieser Richtlinie werden nach dem in Artikel 23 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen. Die Kommission kann dem Europäischen Parlament und dem Rat sonstige Änderungen an dieser Richtlinie vorschlagen. Die Kommission kann dem Rat gegebenenfalls auch Empfehlungen nach Artikel 300 Absatz 1 des Vertrags unterbreiten, um Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens mit dem betreffenden Drittland aufzunehmen. (2)      Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten streben weiterhin eine Vereinbarung über globale Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus der Luftverkehrstätigkeit an. Liegt eine solche Vereinbarung vor, so prüft die Kommission, ob diese Richtlinie, soweit sie auf Luftfahrzeugbetreiber Anwendung findet, geändert werden muss.“ 39      Nach dem Anhang der Richtlinie 2008/101 trägt Anhang I der Richtlinie 2003/87 nun die Überschrift „Kategorien von Tätigkeiten, die in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen“, und der Tabelle in Anhang I ist eine Einleitung vorangestellt, deren Nr. 2 durch folgenden Absatz ergänzt ist: „Ab 1. Januar 2012 werden alle Flüge einbezogen, die auf Flugplätzen enden oder von Flugplätzen abgehen, die sich in einem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, auf das der Vertrag Anwendung findet.“ 40      Nach dem Anhang der Richtlinie 2008/101 wird ferner Anhang IV der Richtlinie 2003/87 dahin geändert, dass ihm ein Teil B („Überwachung und Berichterstattung betreffend Emissionen aus Luftverkehrstätigkeiten“) angefügt wird, der lautet: „Überwachung der Kohlendioxidemissionen Die Überwachung der Emissionen erfolgt durch Berechnung. Die Berechnung der Emissionen erfolgt nach folgender Formel: Treibstoffverbrauch × Emissionsfaktor Zum Treibstoffverbrauch zählen auch Treibstoffe, die vom Hilfsmotor verbraucht werden. Der tatsächliche Treibstoffverbrauch jedes Flugs wird so weit wie möglich herangezogen und nach folgender Formel berechnet: Treibstoffmenge in den Luftfahrzeugstanks nach abgeschlossener Betankung für den betreffenden Flug – Treibstoffmenge in den Luftfahrzeugstanks nach abgeschlossener Betankung für den Folgeflug + Treibstoffbetankung für diesen Folgeflug. … Für jeden Flug und jeden Treibstoff wird eine gesonderte Berechnung vorgenommen. Berichterstattung über die Emissionen Jeder Luftfahrzeugbetreiber nimmt in seinen Bericht gemäß Artikel 14 Absatz 3 folgende Informationen auf: A.      Angaben zum Luftfahrzeugbetreiber, einschließlich –        Name des Luftfahrzeugbetreibers; –        zuständiger Verwaltungsmitgliedstaat; … B.      Für jeden Treibstofftyp, für den Emissionen berechnet werden: –        Treibstoffverbrauch; –        Emissionsfaktor; –        Gesamtwert der aggregierten Emissionen aus allen Flügen, die während des Berichtszeitraums im Rahmen der Luftverkehrstätigkeiten des Betreibers gemäß Anhang I durchgeführt wurden; –        aggregierte Emissionen aus –        allen Flügen, die während des Berichtszeitraums im Rahmen der Luftverkehrstätigkeiten des Betreibers gemäß Anhang I durchgeführt wurden und die von einem Flugplatz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats abgingen und an einem Flugplatz im Hoheitsgebiet desselben Mitgliedstaats endeten; –        allen anderen Flügen, die während des Berichtszeitraums im Rahmen der Luftverkehrstätigkeiten des Betreibers gemäß Anhang I durchgeführt wurden; –        aggregierte Emissionen aus allen Flügen, die während des Berichtszeitraums im Rahmen der Luftverkehrstätigkeiten des Betreibers gemäß Anhang I durchgeführt wurden und die –        aus jedem Mitgliedstaat abgingen und –        in jedem Mitgliedstaat aus einem Drittland ankamen; –        Unsicherheitsfaktor. Überwachung von Tonnenkilometerdaten für die Zwecke der Artikel 3e und 3f Zur Beantragung der Zuteilung von Zertifikaten gemäß Artikel 3e Absatz 1 oder Artikel 3f Absatz 2 wird der Umfang der Luftverkehrstätigkeit in Tonnenkilometern nach folgender Formel berechnet: Tonnenkilometer = Flugstrecke × Nutzlast, wobei ‚Flugstrecke‘ die Großkreisentfernung zwischen Abflug- und Ankunftsflugplatz zuzüglich eines zusätzlichen unveränderlichen Faktors von 95 km bezeichnet, und ‚Nutzlast‘ die Gesamtmasse der beförderten Fracht, Post und Fluggäste bezeichnet. …“ C –  Nationales Recht 41      Im Vereinigten Königreich ist die Richtlinie 2008/101 durch die Aviation Greenhouse Gas Emissions Trading Scheme Regulations 2009 (Verordnung von 2009 über das System des Handels mit Treibhausgasemissionsrechten der Luftfahrt, SI 2009, Nr. 2301) und weitere Rechtsakte umgesetzt worden, die im Laufe des Jahres 2010 erlassen werden sollten. II –  Sachverhalt und Vorlagefragen 42      Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge handelt es sich bei der Air Transport Association of America, einer Non-Profit-Organisation, um den wichtigsten Handels- und Dienstleistungsverband der Linienflugunternehmen in den Vereinigten Staaten. Die Fluggesellschaften American Airlines Inc., Continental Airlines Inc. und United Airlines Inc. bedienen Ziele in den Vereinigten Staaten, in Europa und weltweit. Ihr Verwaltungsmitgliedstaat im Sinne der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/87) ist das Vereinigte Königreich. 43      Am 16. Dezember 2009 erhoben ATA u. a. beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung der in die Zuständigkeit des Secretary of State for Energy and Climate Change fallenden Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2008/101 im Vereinigten Königreich. Sie stützen ihre Klage auf die Rechtswidrigkeit dieser Richtlinie im Hinblick auf das vertragliche Völkerrecht und das Völkergewohnheitsrecht. 44      Am 28. Mai 2010 ließ das vorlegende Gericht die International Air Transport Association (IATA) und den National Airlines Council of Canada als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge von ATA u. a. und fünf Umweltschutzorganisationen, nämlich die Aviation Environment Federation, den WWF-UK, die European Federation for Transport and Environment, den Environmental Defense Fund und Earthjustice als Streithelfer zur Unterstützung des Secretary of State for Energy and Climate Change zu. 45      Vor diesem Hintergrund hat der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1.      Können einige oder alle der folgenden Regeln des Völkerrechts im vorliegenden Fall herangezogen werden, um die Gültigkeit der Richtlinie 2003/87/EG in der durch die Richtlinie 2008/101/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Union geänderten Fassung in Frage zu stellen: a)      der Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt; b)      der Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen; c)      der in der Freiheit von Flügen über hoher See bestehende Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts; d)      der Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts (dessen Existenz vom Beklagten nicht anerkannt wird), dass Flugzeuge, die über hoher See fliegen, ausschließlich der Hoheitsgewalt des Staates unterliegen, in dem sie registriert sind, es sei denn, dass in einem völkerrechtlichen Vertrag ausdrücklich etwas anderes vorgesehen ist; e)      das Chicagoer Abkommen (insbesondere die Art. 1, 11, 12, 15 und 24); f)      das „Open-Skies“-Abkommen (insbesondere die Art. 7, 11 Abs. 2 Buchst. c und 15 Abs. 3); g)      das Kyoto-Protokoll (insbesondere Art. 2 Abs. 2)? Bei Bejahung von Frage 1: 2.      Ist die Richtlinie 2008/101 wegen Verstoßes gegen einen oder mehrere der in der ersten Frage angeführten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts ungültig, wenn und soweit darin das Emissionshandelssystem auf die außerhalb des Luftraums der EU-Mitgliedstaaten stattfindenden Abschnitte von Flügen (entweder allgemein oder in Drittländern registrierter Flugzeuge) angewandt wird? 3.      Ist die Richtlinie 2008/101 ungültig, wenn und soweit darin das Emissionshandelssystem auf die außerhalb des Luftraums der EU-Mitgliedstaaten stattfindenden Abschnitte von Flügen (entweder allgemein oder in Drittländern registrierter Flugzeuge) angewandt wird, a)      wegen Verstoßes gegen die Art. 1, 11 und/oder 12 des Chicagoer Abkommens; b)      wegen Verstoßes gegen Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens? 4.      Ist die Richtlinie 2008/101 ungültig, soweit darin das Emissionshandelssystem auf den Luftverkehr angewandt wird, a)      wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 2 des Kyoto-Protokolls und Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens; b)      wegen Verstoßes gegen Art. 15 des Chicagoer Abkommens, allein oder in Verbindung mit den Art. 3 Abs. 4 und 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens; c)      wegen Verstoßes gegen Art. 24 des Chicagoer Abkommens, allein oder in Verbindung mit Art. 11 Abs. 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens? III –  Zu den Vorlagefragen A –  Zur ersten Frage 46      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens bei der Beurteilung der Frage, ob die Richtlinie 2008/101 insoweit gültig ist, als sie die Luftfahrt in das System des Handels mit Zertifikaten der Richtlinie 2003/87 aufnimmt, die von ihm bezeichneten Grundsätze und Bestimmungen des Völkerrechts geltend gemacht werden können. 47      Zunächst ist zu beachten, dass die nationalen Gerichte nach ständiger Rechtsprechung nicht befugt sind, Handlungen der Organe der Union für ungültig zu erklären. Die dem Gerichtshof in Art. 267 AEUV zuerkannten Befugnisse bezwecken nämlich im Wesentlichen, eine einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch die nationalen Gerichte zu gewährleisten. Diese Einheitlichkeit ist von besonderer Bedeutung, wenn es um die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts geht. Denn Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten über die Gültigkeit von Unionsrechtsakten wären geeignet, die Einheit der Unionsrechtsordnung selbst zu gefährden und das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit zu beeinträchtigen (Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). 48      Daher ist allein der Gerichtshof befugt, die Ungültigkeit eines Unionsrechtsakts wie der Richtlinie 2008/101 festzustellen (vgl. Urteile vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, 314/85, Slg. 1987, 4199, Randnr. 17, vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, C‑143/88 und C‑92/89, Slg. 1991, I‑415, Randnr. 17, vom 21. März 2000, Greenpeace France u. a, C‑6/99, Slg. 2000, I‑1651, Randnr. 54, IATA und ELFAA, Randnr. 27, sowie vom 22. Juni 2010, Melki und Abdeli, C‑188/10 und C‑189/10, Slg. 2010, I‑5667, Randnr. 54). 1.     Zu den geltend gemachten internationalen Übereinkünften 49      Zunächst ist festzustellen, dass es den Organen der Union, die für das Aushandeln und den Abschluss eines internationalen Abkommens zuständig sind, nach den Grundsätzen des Völkerrechts unbenommen bleibt, mit den betreffenden Drittländern zu vereinbaren, welche Wirkungen die Bestimmungen dieses Abkommens in der internen Rechtsordnung der Vertragsparteien haben sollen. Nur wenn diese Frage im Abkommen nicht geregelt ist, haben die zuständigen Gerichte und insbesondere der Gerichtshof über diese Frage ebenso wie über jede andere Auslegungsfrage zu entscheiden, die sich im Zusammenhang mit der Anwendung des Abkommens in der Union stellt (vgl. Urteile vom 26. Oktober 1982, Kupferberg, 104/81, Slg. 1982, 3641, Randnr. 17, und vom 23. November 1999, Portugal/Rat, C‑149/96, Slg. 1999, I‑8395, Randnr. 34). 50      Die Organe der Union sind, wenn von dieser Übereinkünfte geschlossen werden, nach Art. 216 Abs. 2 AEUV an solche Übereinkünfte gebunden; die Übereinkünfte haben daher gegenüber den Rechtsakten der Union Vorrang (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland, C‑61/94, Slg. 1996, I‑3989, Randnr. 52, vom 12. Januar 2006, Algemene Scheeps Agentuur Dordrecht, C‑311/04, Slg. 2006, I‑609, Randnr. 25, vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, Slg. 2008, I‑4057, Randnr. 42, sowie vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 307). 51      Daraus folgt, dass die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt wird. Wird eine solche Ungültigkeit vor einem nationalen Gericht geltend gemacht, prüft der Gerichtshof, worum ihn das vorlegende Gericht mit seiner ersten Frage ersucht, ob in dem Rechtsstreit, mit dem er befasst ist, bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, um gemäß Art. 267 AEUV die Gültigkeit des betreffenden Unionsrechtsakts an den geltend gemachten Völkerrechtsnormen messen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil Intertanko u. a., Randnr. 43). 52      Zunächst muss die Union nämlich an diese Normen gebunden sein (vgl. Urteile vom 12. Dezember 1972, International Fruit Company u. a., 21/72 bis 24/72, Slg. 1972, 1219, Randnr. 7, und Intertanko u. a., Randnr. 44). 53      Ferner kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts nur dann an einem völkerrechtlichen Vertrag messen, wenn dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen (vgl. Urteil vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C‑120/06 P und C‑121/06 P, Slg. 2008, I‑6513, Randnr. 110). 54      Wenn Art und Struktur des betreffenden Vertrags der Kontrolle der Gültigkeit des Unionsrechtsakts anhand der Bestimmungen dieses Vertrags nicht entgegenstehen, ist schließlich noch erforderlich, dass die insoweit geltend gemachten Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen (vgl. Urteile IATA und ELFAA, Randnr. 39, und Intertanko u. a., Randnr. 45). 55      Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die geltend gemachte Bestimmung eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Akts abhängen (vgl. Urteile vom 30. September 1987, Demirel, 12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 14, vom 15. Juli 2004, Pêcheurs de l’étang de Berre, C‑213/03, Slg. 2004, I‑7357, Randnr. 39, sowie vom 8. März 2011, Lesoochranárske zoskupenie, C‑240/09, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56      Es ist somit zu prüfen, ob bei den Bestimmungen der vom vorlegenden Gericht angeführten Übereinkünfte die in den Randnrn. 52 bis 54 des vorliegenden Urteils dargestellten Voraussetzungen tatsächlich erfüllt sind. a)     Zum Chicagoer Abkommen 57      Wie aus Abs. 3 seiner Präambel hervorgeht, definiert das Chicagoer Abkommen „gewisse Grundsätze und Übereinkommen …, damit die internationale Zivilluftfahrt sich sicher und geordnet entwickeln kann, und damit internationale Luftverkehrsdienste auf der Grundlage gleicher Möglichkeiten eingerichtet und gesund und wirtschaftlich betrieben werden können“. 58      Das Chicagoer Abkommen hat einen ausgedehnten Anwendungsbereich: Geregelt sind darin u. a. das Recht auf nicht planmäßige Flüge, auch auf Überfliegen der Hoheitsgebiete der Vertragsstaaten, die Grundsätze für die Kabotage im Luftverkehr, die Voraussetzungen, unter denen ein unbemanntes Luftfahrzeug das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ohne Pilot überfliegen darf, die Einrichtung von Sperrgebieten durch die Vertragsstaaten aus Gründen der militärischen Notwendigkeit oder der öffentlichen Sicherheit, die Landung von Luftfahrzeugen auf Zollflughäfen, die Anwendbarkeit von Luftverkehrsvorschriften, die Luftverkehrsregeln, die Erhebung von Flughafen- und ähnlichen Gebühren, die Staatszugehörigkeit der Luftfahrzeuge und Maßnahmen zur Erleichterung der Luftfahrt wie die Erleichterung der Förmlichkeiten, die Festlegung des Verfahrens bei Zollabfertigung und Einreise sowie Luftfahrteinrichtungen und einheitliche Verfahren. 59      Das Chicagoer Abkommen regelt auch die Bedingungen, die in Bezug auf Luftfahrzeuge zu erfüllen sind, insbesondere in Bezug auf die in Luftfahrzeugen mitzuführenden Papiere, die Bordfunkausrüstung, die Lufttüchtigkeitszeugnisse, die Anerkennung von Zeugnissen und Erlaubnisscheinen oder die Frachtbeschränkungen. Das Abkommen sieht außerdem vor, dass von der ICAO internationale Richtlinien und Empfehlungen angenommen werden. 60      Wie in Randnr. 3 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist unstreitig, dass die Union nicht Vertragspartei dieses Abkommens ist, wohl aber alle ihre Mitgliedstaaten. 61      Zwar begründet Art. 351 Abs. 1 AEUV die Verpflichtung der Organe der Union, die Erfüllung der Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus vor dem 1. Januar 1958 geschlossenen Übereinkünften wie dem Chicagoer Abkommen ergeben, nicht zu behindern; durch diese Verpflichtung der Organe soll es jedoch den betreffenden Mitgliedstaaten lediglich ermöglicht werden, ihren Verpflichtungen aus einer früheren Übereinkunft nachzukommen, ohne dass damit die Union den fraglichen Drittländern gegenüber gebunden werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 1980, Burgoa, 812/79, Slg. 1980, 2787, Randnrn. 8 und 9). 62      Im Ausgangsverfahren ist die Union folglich nur dann an die Bestimmungen des Chicagoer Abkommens gebunden, wenn und soweit sie die Befugnisse, die im Anwendungsbereich dieser internationalen Übereinkunft, wie er in den Randnrn. 57 bis 59 des vorliegenden Urteils dargestellt wird, zuvor von den Mitgliedstaaten der Union ausgeübt wurden, aufgrund des EU- und des AEU-Vertrags übernommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile International Fruit Company u. a., Randnr. 18, vom 14. Juli 1994, Peralta, C‑379/92, Slg. 1994, I‑3453, Randnr. 16, und vom 22. Oktober 2009, Bogiatzi, C‑301/08, Slg. 2009, I‑10185, Randnr. 25). 63      Eine Bindung der Union setzt nämlich ferner voraus, dass die Union die zuvor von den Mitgliedstaaten ausgeübten Befugnisse bezüglich der betreffenden Übereinkunft vollständig übernommen hat und diese somit vollständig auf sie übergangen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Intertanko u. a., Randnr. 49, und Bogiatzi, Randnr. 33). Der Gerichtshof muss die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts oder mehrerer Rechtsakte der Union also nicht schon deshalb an einem von der Union selbst nicht gebilligten internationalen Übereinkommen messen, weil mit diesem Rechtsakt oder diesen Rechtsakten Bestimmungen dieses Übereinkommens in das Unionsrecht übernommen werden sollen oder übernommen worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Intertanko u. a., Randnr. 50). 64      Wie die schwedische Regierung in ihrer schriftlichen Stellungnahme im Wesentlichen geltend macht, kann die Union sowohl auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG als auch auf der Grundlage Art. 100 Abs. 2 AEUV geeignete Vorschriften für die Luftfahrt erlassen. 65      Insoweit ist festzustellen, dass bestimmte das Chicagoer Abkommen betreffende Aspekte auf der Ebene der Union geregelt worden sind, insbesondere auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 2 EG. Was den Luftverkehr angeht, gilt dies, wie der Gerichtshof in Randnr. 23 des Urteils vom 25. Januar 2011, Neukirchinger (C‑382/08, Slg. 2011, I‑0000), festgestellt hat, z. B. für die Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäischen Agentur für Flugsicherheit (ABl. L 240, S. 1) und die Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Harmonisierung der technischen Vorschriften und der Verwaltungsverfahren in der Zivilluftfahrt (ABl. L 373, S. 4) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1900/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 (ABl. L 377, S. 176) geänderten Fassung. 66      Der Unionsgesetzgeber hat des Weiteren die Richtlinie 2006/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Regelung des Betriebs von Flugzeugen des Teils II Kapitel 3 Band 1 des Anhangs 16 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, 2. Ausgabe (1988) (ABl. L 374, S. 1) erlassen. 67      Was die Problematik der Besteuerung des getankten Treibstoffs angeht, hat der Rat ferner die Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51) erlassen. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie sieht eine Steuerbefreiung für Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt vor, und zwar, wie aus dem 23. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, damit die Union u. a. bestimmten internationalen Verpflichtungen nachkommt, einschließlich derjenigen, die mit den Steuerbefreiungen für Energieerzeugnisse, die für die Zivilluftfahrt bestimmt sind, in Zusammenhang stehen, die den Luftfahrtgesellschaften aufgrund des Chicagoer Abkommens und aufgrund internationaler bilateraler Abkommen über Luftfahrt-Dienstleistungen, die von der Europäischen Union und/oder den Mitgliedstaaten mit bestimmten Drittländern geschlossen wurden, zugutekommen (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2011, Systeme Helmholz, C‑79/10, Slg. 2011, I‑0000, Randnrn. 24 und 25). 68      Die Union wollte durch den Erlass des Beschlusses 2011/530/EU des Rates vom 31. März 2011 über die Unterzeichnung im Namen der Union und die vorläufige Anwendung einer Kooperationsvereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation zur Schaffung eines Rahmens für die verstärkte Zusammenarbeit (ABl. L 232, S. 1) einen Rahmen für die Zusammenarbeit bei den Luftsicherheitsaudits und -inspektionen im Hinblick auf die Vorschriften in Anhang 17 des Chicagoer Abkommens schaffen. 69      Auch wenn die Union im Übrigen bestimmte ausschließliche Zuständigkeiten erworben hat, gegenüber Drittländern Verpflichtungen einzugehen, die in den Anwendungsbereich der Vorschriften der Union im Bereich des internationalen Luftverkehrs fallen und somit in den Anwendungsbereich des Chicagoer Abkommens (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. November 2002, Kommission/Deutschland, C‑476/98, Slg. 2002, I‑9855, Randnr. 124), bedeutet dies jedoch nicht, dass sie deshalb eine ausschließliche Zuständigkeit im gesamten Bereich der internationalen Zivilluftfahrt hätte, auf den sich dieses Abkommen erstreckt. 70      Wie nämlich die französische und die schwedische Regierung geltend machen, haben die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten behalten, die unter das Chicagoer Abkommen fallen, z. B. Zuständigkeiten betreffend die Zuteilung der Verkehrsrechte, die Festlegung der Flughafengebühren oder die Festlegung von Sperrgebieten für das Überfliegen ihres Hoheitsgebiets. 71      Da die zuvor von den Mitgliedstaaten ausgeübten Befugnisse im Anwendungsbereich des Chicagoer Abkommens derzeit nicht vollständig auf die Union übergangen sind, ist diese somit nicht an dieses Abkommen gebunden. 72      Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens kann der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 daher nicht am Chicagoer Abkommen als solchem messen. b)     Zum Kyoto-Protokoll 73      Aus dem Beschluss 94/69 und der Entscheidung 2002/358 geht hervor, dass die Union das Kyoto-Protokoll genehmigt hat. Die Bestimmungen dieses Übereinkommens bilden folglich seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. Urteil vom 30. April 1974, Haegeman, 181/73, Slg. 1974, 449, Randnr. 5). 74      Daher ist zur Feststellung, ob der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 am Kyoto-Protokoll messen darf, zu prüfen, ob dessen Art und Struktur dem nicht entgegenstehen und ob seine Bestimmungen, insbesondere Art. 2 Abs. 2, inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen, damit sie für den Unionsbürger das Recht begründen, sich vor Gericht im Rahmen der Anfechtung der Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union wie dieser Richtlinie auf sie zu berufen. 75      Mit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls wollten die Vertragsparteien Ziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen festlegen; sie haben sich verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen. Vom Protokoll wird einigen Vertragsparteien, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden, im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verpflichtungen ein gewisses Maß an Flexibilität gewährt. Im Übrigen ist es bestimmten Vertragsparteien gestattet, ihre Reduktionsverpflichtungen gemeinsam zu erfüllen. Und die durch das Rahmenabkommen eingesetzte Konferenz der Vertragsparteien hat die Aufgabe, geeignete und wirksame Verfahren und Mechanismen zur Feststellung und Behandlung von Fällen der Nichteinhaltung der Bestimmungen des Protokolls zu genehmigen. 76      Zwar sieht das Kyoto-Protokoll für den Verpflichtungszeitraum von 2008 bis 2012 quantifizierte Verpflichtungen zur Verringerung von Treibhausgasen vor; die Vertragsparteien können ihre Verpflichtungen aber nach den Modalitäten und der Geschwindigkeit, auf die sie sich geeinigt haben, erfüllen. 77      Insbesondere sieht Art. 2 Abs. 2 des Kyoto-Protokolls, auf den das vorlegende Gericht verweist, vor, dass die Vertragsparteien ihre Bemühungen um eine Begrenzung oder Reduktion der Emissionen von bestimmten Treibhausgasen aus dem Luftverkehr im Rahmen der ICAO fortsetzen. Bei dieser Bestimmung des Kyoto-Protokolls kann somit jedenfalls nicht angenommen werden, dass sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau wäre und somit für den Bürger das Recht begründete, sich vor Gericht auf sie zu berufen, um die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 in Frage zu stellen. 78      Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens kann die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 daher nicht am Kyoto-Protokoll gemessen werden. c)     Zum „Open-Skies“-Abkommen 79      Das „Open-Skies“-Abkommen ist durch die Beschlüsse 2007/339 und 2010/465 im Namen der Union genehmigt worden. Die Bestimmungen dieses Abkommens bilden daher seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. Urteil Haegeman, Randnr. 5). 80      Als Erstes stellt sich somit die Frage, ob Art und Struktur des „Open-Skies“-Abkommen einer Prüfung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 anhand dieses Abkommens entgegenstehen. 81      Insoweit ist festzustellen, dass mit diesem Abkommen, wie aus den Erwägungsgründen 3 und 4 seiner Präambel hervorgeht, den Luftfahrtunternehmen der Vertragsparteien ermöglicht werden soll, Reisenden und Versendern wettbewerbsfähige Preise und Dienstleistungen in offenen Märkten anzubieten. Ferner sollen die Vorteile eines solchen liberal gefassten Abkommens allen Bereichen der Luftverkehrsbranche, auch den Beschäftigten der Luftfahrtunternehmen, zugänglich gemacht werden. Damit haben die Vertragsparteien ihre Absicht kundgetan, ein Beispiel von globaler Bedeutung für die Vorteile der Liberalisierung in diesem zentralen Wirtschaftsbereich zu schaffen. 82      Wie die Generalanwältin in Nr. 91 ihrer Schlussanträge ausführt, zielt dieses Abkommen also speziell auf die in den Hoheitsgebieten der Vertragsparteien niedergelassenen Luftfahrtunternehmen ab. Dafür sprechen insbesondere Art. 3 Abs. 2 und 5 und Art. 10 des Abkommens, mit denen diesen Luftfahrtunternehmen unmittelbar Rechte eingeräumt werden, während ihnen mit anderen Bestimmungen des Abkommens Verpflichtungen auferlegt werden. 83      Die Vertragsparteien haben in Art. 19 des „Open-Skies“-Abkommens vereinbart, dass alle Streitigkeiten hinsichtlich der Anwendung oder Auslegung des Abkommens einem Verfahren unterworfen werden können, das mit der Anrufung eines Schiedsgerichts enden kann; hierzu ist festzustellen, dass die Tatsache allein, dass die Vertragsparteien einen besonderen institutionellen Rahmen für Konsultationen und Verhandlungen untereinander über die Durchführung dieses Abkommens geschaffen haben, nicht ausreicht, um jegliche Anwendung dieses Abkommens durch die Gerichte auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Randnr. 20). 84      Da mit dem „Open-Skies“-Abkommen bestimmte Vorschriften eingeführt werden, die direkt und unmittelbar auf die Luftfahrtunternehmen Anwendung finden und diesen Unternehmen auf diese Weise Rechte oder Freiheiten verleihen sollen, die den Vertragsparteien gegenüber geltend gemacht werden können, und Art und Struktur des Abkommens nicht entgegenstehen, kann der Gerichtshof die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union wie der Richtlinie 2008/101 an den Bestimmungen eines solchen Abkommens messen. 85      Infolgedessen ist zu prüfen, ob die vom vorlegenden Gericht angeführten Bestimmungen des „Open-Skies“-Abkommens inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen, so dass der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 speziell an diesen Bestimmungen messen kann. i)     Zu Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens 86      Wie die Generalanwältin in Nr. 103 ihrer Schlussanträge ausführt, sieht Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens unter der Überschrift „Anwendung von Rechtsvorschriften“ eine genaue und unbedingte Verpflichtung für die von den Luftfahrtunternehmen der Vertragsparteien verwendeten Luftfahrzeuge vor. Nach dieser Bestimmung gelten nämlich für diese im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge beim Ein- oder Ausflug und innerhalb des Gebiets einer Vertragspartei deren Rechtsvorschriften über den Einflug der Luftfahrzeuge in ihr oder den Ausflug aus ihrem Gebiet bzw. den Betrieb und den Verkehr der Luftfahrzeuge und sind von diesen Luftfahrzeugen zu befolgen. 87      Mithin können sich die Luftfahrtunternehmen im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens im Hinblick auf die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 auf Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens berufen. ii)  Zu Art. 11 des „Open-Skies“-Abkommens 88      Von den in Art. 11 Abs. 1 und 2 des „Open-Skies“-Abkommens genannten Erzeugnissen kommt unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nur Treibstoff als solcher in Betracht, nicht hingegen der Treibstoffabsatz im Sinne von Abs. 7 dieses Artikels. 89      Nach Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens ist u. a. Treibstoff, der zur Verwendung in einem im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeug eines in den Vereinigten Staaten niedergelassenen Luftfahrtunternehmens in das Gebiet der Union eingeführt oder dort geliefert wird, selbst wenn er auf dem Teil des Fluges über dem Gebiet der Union verbraucht werden soll, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit von Zöllen, Gebühren und Abgaben befreit. 90      Was Treibstoff für internationale Flüge angeht, ist festzustellen, dass die Union ausdrücklich eine Steuerbefreiung für Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt vorgesehen hat, und zwar insbesondere um bestehenden internationalen Verpflichtungen aus dem Chicagoer Abkommen und Verpflichtungen aus internationalen bilateralen Abkommen über Luftfahrt-Dienstleistungen nachzukommen, die sie mit bestimmten Drittländern geschlossen hat und die insoweit ihrer Art nach dem „Open-Skies“-Abkommen entsprechen (vgl. Urteil Systeme Helmholz, Randnrn. 24 und 25). 91      Außerdem ist unstreitig, dass diese Steuerbefreiung für internationale kommerzielle Flüge bereits vor Erlass der Richtlinie 2003/96 galt (vgl. hierzu Urteil Systeme Helmholz, Randnr. 22) und die Vertragsparteien des „Open-Skies“-Abkommens, und zwar sowohl die Union als auch die Vereinigten Staaten, indem sie in Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c dieses Abkommens eine Verpflichtung zur Steuerbefreiung des getankten Treibstoffs vorsahen, beim getankten Treibstoff nur eine Verpflichtung aus internationalen Übereinkünften, insbesondere dem Chicagoer Abkommen, wiederholt haben. 92      Schließlich ist weder von den Mitgliedstaaten noch von den Organen der Union, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, geltend gemacht worden, dass im Rahmen des „Open-Skies“-Abkommens vom Handelspartner der Union für den getankten Treibstoff der Luftfahrzeuge der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Luftfahrtunternehmen keine Steuerbefreiung gewährt würde. 93      Was speziell den Treibstoff angeht, steht die Voraussetzung der Gegenseitigkeit gemäß Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens insbesondere unter Umständen wie denen der vorliegenden Rechtssache, in der die Vertragsparteien die in Rede stehende Verpflichtung gegenseitig erfüllt haben, somit einer unmittelbaren Geltendmachung der Verpflichtung der Befreiung des getankten Treibstoffs von Zöllen, Gebühren und Abgaben gemäß dieser Bestimmung im Hinblick auf die Kontrolle der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 nicht entgegen. 94      Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsverfahrens kann die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 also an Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens gemessen werden, soweit diese Bestimmung die Verpflichtung betrifft, von einem im internationalen Luftverkehr zwischen der Union und den Vereinigten Staaten eingesetzten Luftfahrzeug getankten Treibstoff von Zöllen, Gebühren und Abgaben außer den nach Maßgabe der geleisteten Dienste berechneten Gebühren zu befreien. iii)  Zu Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens 95      Mit Art. 15 Abs. 3 Satz 1 des „Open-Skies“-Abkommens wird den Vertragsparteien die Verpflichtung auferlegt, die Umweltschutznormen der Anhänge des Chicagoer Abkommens zu beachten, ausgenommen in Fällen, in denen Abweichungen angezeigt wurden. Letzteres ist keine Voraussetzung für die Verpflichtung der Union, diese Normen zu beachten, sondern stellt eine mögliche Ausnahme von dieser Verpflichtung dar. 96      Art. 15 Abs. 3 Satz 1 des „Open-Skies“-Abkommens erscheint also unbedingt und hinreichend genau, so dass der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 an dieser Bestimmung messen kann (vgl. zur Beachtung von Umweltschutznormen eines Überkommens, Urteil Pêcheurs de l’étang de Berre, Randnr. 47). 97      Art. 15 Abs. 3 Satz 2 des „Open-Skies“-Abkommens sieht vor, dass Umweltmaßnahmen, die sich auf die von diesem Abkommen geregelten Luftverkehrsdienste auswirken, von den Vertragsparteien in Übereinstimmung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens anzuwenden sind. 98      Daher kann die Union im Rahmen der Anwendung ihrer Umweltschutzmaßnahmen zwar bestimmte Maßnahmen erlassen, mit denen einseitig das Verkehrsvolumen, die Frequenz und/oder die Regelmäßigkeit der Dienste im Sinne von Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens begrenzt wird; sie hat solche Maßnahmen allerdings unter einheitlichen Bedingungen in Einklang mit Art. 15 des Chicagoer Abkommens anzuwenden. Diese Bestimmung sieht im Wesentlichen vor, dass Flughafengebühren, die für im planmäßigen internationalen Fluglinienverkehr verwendete Flugzeuge erhoben werden oder erhoben werden können, nicht höher sein dürfen als diejenigen, die inländische Luftfahrzeuge, die in einem gleichartigen internationalen Fluglinienverkehr verwendet werden, bezahlen würden. 99      Im Hinblick auf Art. 2 des „Open-Skies“-Abkommens, wonach jede Vertragspartei den Luftfahrtunternehmen beider Vertragsparteien in billiger und gleicher Weise Gelegenheit gibt, bei der Durchführung des internationalen Luftverkehrs miteinander in Wettbewerb zu treten, ist Art. 15 Abs. 3 dieses Abkommens in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens daher dahin auszulegen, dass, wenn die Union Umweltschutzmaßnahmen in Form von Flughafengebühren festlegt, mit denen das Verkehrsvolumen, die Frequenz und/oder die Regelmäßigkeit transatlantischer Flugdienste begrenzt wird, solche Gebühren für in den Vereinigten Staaten niedergelassene Luftfahrtunternehmen nicht höher sein dürfen als für Luftfahrtunternehmen der Union; dabei ist diesen beiden Kategorien von Luftfahrtunternehmen im Hinblick auf die etwaige Erhebung solcher Gebühren von der Union in billiger und gleicher Weise Gelegenheit zu geben, miteinander in Wettbewerb zu treten. 100    Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens enthält somit eine unbedingte und hinreichend genaue Verpflichtung, die im Hinblick auf die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 geltend gemacht werden kann. 2.     Zum Völkergewohnheitsrecht 101    Nach Art. 3 Abs. 5 EUV leistet die Union einen Beitrag zur strikten Einhaltung und zur Weiterentwicklung des Völkerrechts. Beim Erlass eines Rechtsakts ist sie also verpflichtet, das gesamte Völkerrecht zu beachten, auch das die Organe der Union bindende Völkergewohnheitsrecht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation, C‑286/90, Slg. 1992, I‑6019, Randnrn. 9 und 10, und vom 16. Juni 1998, Racke, C‑162/96, Slg. 1998, I‑3655, Randnrn. 45 und 46). 102    Somit ist als Erstes zu prüfen, ob anerkannt ist, dass die vom vorlegenden Gericht angeführten Grundsätze zum Völkergewohnheitsrecht gehören. Wenn ja, ist als Zweites zu prüfen, ob und inwieweit sich der Bürger auf diese Grundsätze berufen kann, um die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union wie der Richtlinie 2008/101 in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens in Zweifel zu ziehen. a)     Zur Anerkennung der geltend gemachten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts 103    Insoweit führt das vorlegende Gericht die Grundsätze an, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt und dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen. Es erwähnt auch den Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See. 104    Diese drei Grundsätze gelten als Wiedergabe des gegenwärtigen Stands des Völkergewohnheitsrechts auf dem Gebiet des See- und Luftrechts; sie sind im Übrigen kodifiziert worden in Art. 1 des Chicagoer Abkommens (vgl. zur Anerkennung eines solchen Grundsatzes Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 27. Juni 1986 im Fall „Militärische und paramilitärische Aktivitäten in und gegen Nicaragua“ [Nicaragua/Vereinigte Staaten von Amerika], ICJ, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders, 1986, S. 392, Nr. 212), in Art. 2 des Genfer Übereinkommens vom 29. April 1958 über die Hohe See (United Nations Treaties Series, Band 450, S. 11) (vgl. zur Anerkennung dieses Grundsatzes auch Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs vom 7. September 1927 im Fall „Lotus“, Slg. CPJI 1927, Serie A, Nr. 10, S. 25) bzw. in Art. 87 Abs. 1 Satz 3 des am 10. Dezember 1982 in Montego Bay unterzeichneten, am 16. November 1994 in Kraft getretenen und mit Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft unterzeichneten und genehmigten Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen. 105    Dass es diese Grundsätze des Völkerrechts gibt, haben im Übrigen weder die Mitgliedstaaten noch die Organe der Union, noch die Republik Island und das Königreich Norwegen in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung bestritten. 106    Die Existenz des vierten vom vorlegenden Gericht angeführten Grundsatzes, nämlich, dass Flugzeuge, die über hoher See fliegen, ausschließlich der Hoheitsgewalt des Staates unterliegen, in dem sie eingetragen sind, wird jedoch von der Regierung des Vereinigten Königreichs und in gewissem Maße auch von der deutschen Regierung bestritten; hierzu ist festzustellen, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gibt, dass der Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts, wonach sich ein Schiff, das sich auf hoher See befindet, grundsätzlich ausschließlich dem Recht des Flaggenstaats unterliegt, der als solcher anerkannt ist (vgl. Urteil Poulsen und Diva Navigation, Randnr. 22), entsprechend für Luftfahrzeuge, die die hohe See überfliegen, gilt. b)     Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die in Rede stehenden Grundsätze geltend gemacht werden können 107    Ein Bürger kann die in Randnr. 103 des vorliegenden Urteils genannten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts insoweit im Hinblick auf die Prüfung der Gültigkeit eines Rechtsakts der Union durch den Gerichtshof geltend machen, als die Zuständigkeit der Union für den Erlass des Rechtsakts durch diese Grundsätze in Frage gestellt werden kann (vgl. Urteile vom 27. September 1988, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85 und 125/85 bis 129/85, Slg. 1988, 5193, Randnrn. 14 bis 18, und vom 24. November 1993, Mondiet, C‑405/92, Slg. 1993, I‑6133, Randnrn. 11 bis 16) und durch den in Rede stehenden Rechtsakt Rechte des Bürgers aus dem Unionsrecht beeinträchtigt oder Verpflichtungen des Bürgers aus dem Unionsrecht begründet werden können. 108    Im Ausgangsverfahren werden diese Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts jedoch im Wesentlichen geltend gemacht, damit der Gerichtshof beurteilt, ob die Union im Hinblick auf diese Grundsätze für den Erlass der Richtlinie 2008/101 zuständig war, soweit diese den Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87 auf die Betreiber von Luftfahrzeugen von Drittländern ausgedehnt hat, deren Flüge, die von einem Flugplatz abgehen oder auf einem Flugplatz enden, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union befindet, zum Teil über hoher See und außerhalb des Hoheitsgebiets dieser Staaten erfolgen. 109    Auch wenn die in Rede stehenden Grundsätze offenbar nur Verpflichtungen zwischen Staaten begründen, kann demnach unter Umständen wie denen des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens, in dem die Richtlinie 2008/101 für die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens unionsrechtliche Verpflichtungen begründen kann, nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerinnen diese Grundsätze geltend machen können und der Gerichtshof die Gültigkeit der Richtlinie somit an diesen Grundsätzen messen kann. 110    Da ein Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts aber nicht dieselbe Bestimmtheit aufweist wie eine Bestimmung einer internationalen Übereinkunft, muss sich die gerichtliche Kontrolle zwangsläufig auf die Frage beschränken, ob den Organen der Union beim Erlass des betreffenden Rechtsakts offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Grundsätze unterlaufen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Racke, Randnr. 52). 111    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens von den vom vorlegenden Gericht angeführten völkerrechtlichen Grundsätzen und Bestimmungen nur folgende im Hinblick auf die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 geltend gemacht werden können: –        zum einen, begrenzt auf die Kontrolle eines der Union zurechenbaren offensichtlichen Fehlers bei der Beurteilung ihrer Zuständigkeit für den Erlass dieser Richtlinie hinsichtlich dieser Grundsätze, –        der Grundsatz, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt; –        der Grundsatz, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen, und –        der Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See; –        zum anderen –        Art. 7 und Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens sowie –        Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens. B –  Zur zweiten, zur dritten und zur vierten Frage 112    In Anbetracht der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage möchte das vorlegende Gericht mit der zweiten, der dritten und der vierten Frage wissen, ob die Richtlinie 2008/101, wenn und soweit mit ihr das System des Handels mit Zertifikaten auf die außerhalb des Luftraums der Mitgliedstaaten stattfindenden Abschnitte von Flügen, einschließlich der Flüge von in Drittländern eingetragenen Flugzeugen, angewandt werden soll, im Hinblick auf die in der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Frage genannten Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts sowie im Hinblick auf Art. 7 und Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens und Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens gültig ist. 113    Angesichts der Formulierung dieser Fragen und der Tatsache, dass es sich bei den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens um in einem Drittland eingetragene Luftfahrtgesellschaften handelt, ist als Erstes zu prüfen, ob und inwieweit die Richtlinie 2008/101 auf die Abschnitte von internationalen Flügen Anwendung findet, die von solchen Luftfahrtgesellschaften außerhalb des Luftraums der Mitgliedstaaten durchgeführt werden. Als Zweites wird vor diesem Hintergrund die Gültigkeit der Richtlinie zu prüfen sein. 1.     Zum räumlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2008/101 114    Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt die Richtlinie 2003/87 für die Emissionen aus den in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten und die Emissionen der sechs in Anhang II aufgeführten Treibhausgase, u. a. CO2. 115    Der Anhang I der Richtlinie 2003/87 ist durch die Richtlinie 2008/101 dahin geändert worden, dass eine Tätigkeitskategorie „Luftverkehr“ hinzugefügt und in Nr. 2 seiner Einleitung ein zweiter Absatz eingefügt worden ist, nach dem „[a]b 1. Januar 2012 … alle Flüge einbezogen [werden], die auf Flugplätzen enden oder von Flugplätzen abgehen, die sich in einem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, auf das der Vertrag Anwendung findet“. 116    Insoweit ist festzustellen, dass bei den in diesem Anhang I aufgeführten Ausnahmen bei den Luftfahrzeugen, die von einem Flugplatz in der Union starten, nicht auf den Flugplatz, auf dem sie landen, und bei den Luftfahrzeugen, die auf einem Flugplatz in der Union landen, nicht auf den Flugplatz, von dem sie starten, abgestellt wird. Mithin findet die Richtlinie 2008/101 auf Flüge, die im Hoheitsgebiet der Union enden oder von dort abgehen, einschließlich derjenigen Flüge, die von Flugplätzen abgehen oder auf Flugplätzen enden, die sich außerhalb dieses Gebiets befinden, unterschiedslos Anwendung. Dies geht im Übrigen aus dem 16. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/101 hervor. 117    Auf internationale Flüge, bei denen das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Union oder das von Drittländern überflogen wird, die aber nicht auf Flugplätzen enden oder von Flugplätzen abgehen, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, findet die Richtlinie somit als solche keine Anwendung. 118    Endet hingegen ein Flug, der von einem Flugplatz abgeht, der sich im Hoheitsgebiet eines Drittlands befindet, auf einem Flugplatz, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union befindet, oder endet ein Flug, der von einem solchen Flugplatz abgeht, auf einem Flugplatz, der sich in einem Drittland befindet, müssen die Luftfahrzeugbetreiber, die solche Flüge durchführen, nach Anhang IV Teil B der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung ihre Emissionen angeben. Gemäß Art. 12 Abs. 2a der Richtlinie 2003/87, wie er durch die Richtlinie 2008/101 eingefügt worden ist, wird anhand dieser Angaben die den überprüften Emissionen entsprechende Zahl der Zertifikate bestimmt, die die Luftfahrzeugbetreiber für das vorangegangene Kalenderjahr abzugeben haben, wobei die Emissionen auf der Grundlage von Daten über die ganzen Flüge berechnet werden. 119    Bei der Berechnung der „Tonnenkilometer“ wird u. a. der Treibstoffverbrauch berücksichtigt; dieser wird mit einer Formel errechnet, mit der so weit wie möglich der tatsächliche Verbrauch bei den unter die Richtlinie 2008/101 fallenden Flügen ermittelt wird. 120    Im Hinblick auf diesen Gesichtspunkt der Berücksichtigung des Treibstoffverbrauchs für die gesamten internationalen Flüge, die auf Flugplätzen enden oder von Flugplätzen ausgehen, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten befinden, ist die Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Rahmen des Ausgangsverfahrens zu prüfen. 2.     Zur Zuständigkeit der Union für den Erlass der Richtlinie 2008/101 unter Berücksichtigung der Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts, die im Ausgangsverfahren geltend gemacht werden können 121    Wie in Randnr. 108 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hängen die drei Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts, die in der vorliegenden Rechtssache im Hinblick auf die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 durch den Gerichtshof geltend gemacht werden können, in hohem Maße mit dem räumlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung zusammen. 122    Zunächst ist festzustellen, dass das Unionsrecht und insbesondere die Richtlinie 2008/101 nicht bewirken können, dass die Richtlinie 2003/87 als solche auf Luftfahrzeuge Anwendung findet, die in Drittländern eingetragen sind und diese Staaten oder die hohe See überfliegen. 123    Die Befugnisse der Union sind nämlich unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben; infolgedessen haben die Auslegung der Richtlinie 2008/101 und die Festlegung ihres Anwendungsbereichs im Licht des einschlägigen See- und Luftvölkerrechts zu erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil Poulsen und Diva Navigation, Randnr. 9). 124    Hingegen kann die Unionsregelung auf einen Luftfahrzeugbetreiber angewandt werden, wenn sich dessen Luftfahrzeug im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, und zwar auf einem Flugplatz in diesem Hoheitsgebiet befindet, da dieses Luftfahrzeug dann der uneingeschränkten Hoheitsgewalt dieses Mitgliedstaats und der Union untersteht (vgl. entsprechend Urteil Poulsen und Diva Navigation, Randnr. 28). 125    Indem die Richtlinie 2008/101 für ihre Anwendbarkeit auf die Betreiber von Luftfahrzeugen, die in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland eingetragen sind, auf das Kriterium abstellt, dass mit diesen Luftfahrzeugen ein Flug durchgeführt wird, der von einem Flugplatz abgeht oder auf einem Flugplatz endet, der sich in einem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet, verstößt sie, soweit sie das System der Richtlinie 2003/87 auf die Luftfahrt ausdehnt, weder gegen den Grundsatz der Territorialität noch gegen den Grundsatz der Hoheit der Drittländer, von denen diese Flüge abgehen oder wo diese Flüge enden, über den Luftraum über ihrem Hoheitsgebiet; die betreffenden Luftfahrzeuge befinden sich nämlich physisch im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der Union und unterstehen somit der uneingeschränkten Hoheitsgewalt der Union. 126    Durch eine solche Anwendung des Unionsrechts kann auch nicht der Grundsatz der Freiheit des Flugs über die hohe See in Frage gestellt werden; ein Luftfahrzeug, das die hohe See überfliegt, unterliegt dabei nämlich nicht dem System des Handels mit Zertifikaten. Im Übrigen kann ein solches Luftfahrzeug unter bestimmten Umständen den Luftraum eines Mitgliedstaats durchqueren, ohne dass sein Betreiber diesem System unterläge. 127    Denn nur wenn der Betreiber eins solchen Luftfahrzeugs sich dafür entscheidet, den kommerziellen Flugbetrieb auf einer Flugstrecke mit Abflug oder Ankunft auf einem Flugplatz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzunehmen, unterliegt er, weil sich sein Luftfahrzeug im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet, dem System des Handels mit Zertifikaten. 128    Der Luftfahrzeugbetreiber, der sich in einer solchen Situation befindet, ist verpflichtet, Zertifikate abzugeben, die unter Berücksichtigung des ganzen internationalen Flugs berechnet werden, den sein Luftfahrzeug, das von einem solchen Flugplatz startet oder auf einem solchen Flugplatz landet, durchgeführt hat oder durchführen wird; insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich der Unionsgesetzgeber, da die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV auf ein hohes Schutzniveau abzielt, grundsätzlich dafür entscheiden kann, die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in seinem Hoheitsgebiet, im vorliegenden Fall den Flugverkehr, nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass die Wirtschaftsteilnehmer die von der Union festgelegten Kriterien beachten, mit denen die Ziele, die sie sich im Umweltbereich gesetzt hat, erreicht werden sollen, insbesondere wenn diese Ziele an eine von der Union unterzeichnete internationale Übereinkunft wie das Rahmenübereinkommen oder das Kyoto-Protokoll anknüpfen. 129    Im Übrigen ist der Umstand, dass bei der Anwendung der Unionsregelung im Umweltbereich bestimmte Faktoren, die zur Verschmutzung der Luft, des Meeres oder der Landgebiete der Mitgliedstaaten beitragen, auf ein Geschehen zurückzuführen sind, das sich teilweise außerhalb dieses Gebiets ereignet, im Hinblick auf die Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts, die im Ausgangsverfahren geltend gemacht werden können, nicht geeignet, die uneingeschränkte Anwendbarkeit des Unionsrechts in diesem Gebiet in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne zur Anwendung des Wettbewerbsrechts Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Randnrn. 15 bis 18, und zu Kohlenwasserstoffen, die unabsichtlich ins Meer jenseits des Küstenmeers eines Mitgliedsstaats ausgebracht worden sind, Urteil vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, Slg. 2008, I‑4501, Randnrn. 60 bis 62). 130    Daraus folgt, dass die Union unter dem Gesichtspunkt der Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts, die im Rahmen des Ausgangsverfahrens geltend gemacht werden können, zum Erlass der Richtlinie 2008/101 befugt war, soweit diese das in der Richtlinie 2003/87 vorgesehene System des Handels mit Zertifikaten auf alle Flüge ausdehnt, die auf einem Flugplatz enden oder von einem Flugplatz abgehen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet. 3.     Zur Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf das „Open-Skies“-Abkommen a)     Zur Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens 131    ATA u. a. machen im Wesentlichen geltend, die Richtlinie 2008/101 verstoße insoweit gegen Art. 7 des „Open-Skies“-Abkommens, als nach dieser Bestimmung – was ATA u. a. betreffe – die im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge die Rechtsvorschriften lediglich beim Einflug in das Hoheitsgebiet oder beim Ausflug aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu beachten hätten, bzw. die Rechtsvorschriften über den Betrieb oder den Verkehr, wenn sich ihre Luftfahrzeuge in diesem Gebiet befänden. Mit der Richtlinie 2008/101 werde das System des Handels mit Zertifikaten gemäß der Richtlinie 2003/87 aber nicht nur beim Einflug der Luftfahrzeuge in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder beim Ausflug aus diesem Gebiet angewandt, sondern auch auf die Abschnitte des Flugs, die über hohe See und über das Hoheitsgebiet von Drittländern führten. 132    Insoweit genügt der Hinweis, dass die Richtlinie 2008/101 nicht bewirkt, dass die Richtlinie 2003/87 als solche auf in Drittländern eingetragene Luftfahrzeuge anwendbar ist, die diese Länder oder die hohe See überfliegen. 133    Die Betreiber solcher Luftfahrzeuge unterliegen nämlich nur dann dem System des Handels mit Zertifikaten, wenn sie sich dafür entscheiden, den kommerziellen Flugbetrieb auf einer Flugstrecke mit Abflug oder Ankunft auf einem Flugplatz im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufzunehmen, und zwar aufgrund der Tatsache, dass ihre Luftfahrzeuge diese Flugplätze benutzen. 134    Die Richtlinie 2008/101 sieht vor, dass die Richtlinie 2003/87 auf Flüge anwendbar ist, die von einem Flugplatz abgehen oder auf einem Flugplatz enden, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befindet. Da diese Regelung im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten den Ein- und Ausflug der im internationalen – sowohl europäischen als auch transatlantischen – Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge betrifft, ergibt sich daher ausdrücklich aus Art. 7 Abs. 1 des „Open-Skies“-Abkommens, dass sie für alle Luftfahrzeuge gilt, die von den Luftfahrtunternehmen der anderen Vertragspartei dieses Abkommens verwendet werden, und dass sie von solchen Luftfahrzeugen zu befolgen ist. 135    Folglich steht Art. 7 Abs. 1 des „Open-Skies“-Abkommens der Anwendung des mit der Richtlinie 2003/87 eingeführten Systems des Handels mit Zertifikaten auf Luftfahrzeugbetreiber wie in den Vereinigten Staaten niedergelassene Luftfahrtunternehmen nicht entgegen, wenn deren Luftfahrzeuge für Flüge eingesetzt werden, die von Flugplätzen abgehen oder auf Flugplätzen enden, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden. b)     Zur Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens 136    ATA u. a. und die IATA machen im Wesentlichen geltend, die Richtlinie 2008/101 verstoße, soweit sie das in der Richtlinie 2003/87 vorgesehene System des Handels mit Zertifikaten auf den internationalen Luftverkehr ausdehne, gegen die Verpflichtung der Union aus Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens, getankten Treibstoff von Zöllen, Gebühren und Abgaben zu befreien. Diese Parteien des Ausgangsverfahrens machen insbesondere geltend, dass die Union nur Gebühren erheben dürfe, die nach Maßgabe der geleisteten Dienste berechnet seien; das System der Richtlinie 2003/87 falle jedoch nicht unter diese Ausnahme. 137    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass mit den genannten Bestimmungen des „Open-Skies“-Abkommens bestimmte Aspekte der wirtschaftlichen Kosten des Luftverkehrs geregelt werden sollen, wobei für die Luftfahrtunternehmen gleiche Bedingungen gewährleistet werden sollen. Vorbehaltlich der Gegenseitigkeit sind nach diesen Bestimmungen u. a. bestimmte Arten von Einfuhrzöllen, Gebühren und Abgaben auf Treibstoff verboten. 138    Mit den Bestimmungen der Richtlinie 2008/101 soll das mit der Richtlinie 2003/87 eingeführte System des Handels mit Zertifikaten auf Luftfahrzeugbetreiber ausgedehnt werden. Mit ihnen wird also u. a. das Ziel eines besseren Umweltschutzes verfolgt. 139    Außerdem ist zu beachten, dass zwar das Endziel des Systems des Handels mit Zertifikaten im Schutz der Umwelt durch eine Verringerung der Treibhausgasemissionen besteht, doch dieses System diese Emissionen nicht selbst verringert, sondern dem Anreiz und der Förderung des Strebens nach geringstmöglichen Kosten dient, um eine Verringerung dieser Emissionen auf ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Der Vorteil für die Umwelt hängt davon ab, wie streng die Gesamtmenge der zugeteilten Zertifikate festgesetzt wird, die die Obergrenze der nach diesem System zulässigen Emissionen bildet (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, Slg. 2008, I‑9895, Randnr. 31). 140    Daraus ergibt sich auch, dass die wirtschaftliche Logik des Systems des Handels mit Zertifikaten darin besteht, dass die Verringerung der Treibhausgasemissionen, die für das Erzielen eines im Voraus bestimmten Ergebnisses für die Umwelt notwendig ist, zu möglichst geringen Kosten erfolgt. Dieses System soll insbesondere dadurch, dass der Verkauf der zugeteilten Zertifikate erlaubt wird, jeden Teilnehmer dazu veranlassen, eine Treibhausgasmenge zu emittieren, die unter der Menge der ihm ursprünglich zugeteilten Zertifikate liegt, um die überschüssigen Zertifikate an einen anderen Teilnehmer abzugeben, der eine Emissionsmenge erzeugt hat, die die ihm zugeteilten Zertifikate übersteigt (Urteil Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., Randnr. 32). 141    Bezüglich des Luftverkehrsbereichs hat sich der Unionsgesetzgeber, wie aus Anhang IV Teil B der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung hervorgeht, allerdings dafür entschieden, bei der Festlegung einer Formel zur Ermittlung der Emissionen der Luftfahrzeugbetreiber aus den mit ihren Luftfahrzeugen durchgeführten Flügen, die unter diesen Anhang fallen, auf den Treibstoffverbrauch ihrer Luftfahrzeuge abzustellen. Die Luftfahrzeugbetreiber müssen somit eine Zahl von Zertifikaten abgeben, die ihren Gesamtemissionen im vorausgegangenen Kalenderjahr entspricht, die auf der Grundlage ihres Treibstoffverbrauchs bei allen unter die Richtlinie fallenden Flügen und eines Emissionsfaktors ermittelt werden. 142    Anders als es für obligatorische Abgaben auf den Besitz und den Verbrauch von Treibstoff kennzeichnend ist, besteht im Rahmen des Funktionierens des Systems des Handels mit Zertifikaten jedoch kein unmittelbarer und unauflöslicher Zusammenhang zwischen der Menge des von einem Luftfahrzeug getankten oder verbrauchten Treibstoffs und der finanziellen Belastung des Betreibers eines solchen Luftfahrzeugs. Die Kosten, die der Betreiber konkret zu tragen hat und die sich aus der u. a. auf der Grundlage des Treibstoffverbrauchs ermittelten Menge abzugebender Zertifikate ergeben, hängen bei einer marktgestützten Maßnahme nicht unmittelbar von der Zahl der abzugebenden Zertifikate ab, sondern von der Zahl der Zertifikate, die diesem Betreiber ursprünglich zugeteilt worden sind, und deren Marktpreis, wenn sich herausstellt, dass der Erwerb weiterer Zertifikate erforderlich ist, um die Emissionen dieses Betreibers abzudecken. Im Übrigen ist durchaus denkbar, dass ein Luftfahrzeugbetreiber, obwohl er Treibstoff in Besitz gehabt oder verbraucht hat, aufgrund seiner Teilnahme an diesem System finanziell überhaupt nicht belastet wird, ja durch die entgeltliche Übertragung seiner überschüssigen Zertifikate gar einen Gewinn erzielt. 143    Daher ist es anders als bei einem Zoll, einer Gebühr oder einer Abgabe auf den Verbrauch von Treibstoff nach dem mit der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung eingerichteten System nicht möglich, anhand einer im Vorhinein festgelegten Bemessungsgrundlage und eines im Vorhinein festgelegten Abgabensatzes für alle in einem Kalenderjahr durchgeführten Flüge den für eine Tonne verbrauchten Treibstoff zu zahlenden Betrag zu bestimmen, abgesehen davon, dass es nicht Zweck des Systems ist, Einkünfte für den Staat zu erzielen. 144    Ein solches System unterscheidet sich somit grundlegend von dem schwedischen System, um das es in der Rechtssache ging, in der das Urteil vom 10. Juni 1999, Braathens (C‑346/97, Slg. 1999, I‑3419), ergangen ist. In Randnr. 23 dieses Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass die in vollem Umfang dem Staat zugutekommende Umweltschutzsteuer, um die es in dieser Rechtssache ging, auf den Kraftstoffverbrauch als solchen erhoben werde, insbesondere weil ein unmittelbarer, untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Kraftstoffverbrauch und den Schadstoffen, auf die diese Steuer abziele, bestehe, und dass diese Steuer daher eine Verbrauchsteuer darstelle, mit der die gewerbliche Binnenluftfahrt unter Verstoß gegen die in den einschlägigen Richtlinien vorgesehene Befreiung belegt werde. 145    Nach alledem kann nicht geltend gemacht werden, die Richtlinie 2008/101 enthalte eine Art obligatorische Abgabe zugunsten des Staates, die als Zoll, Gebühr oder Abgabe auf den Treibstoff, der sich im Besitz der Luftfahrzeugbetreiber befindet oder von diesen verbraucht wird, eingestuft werden könnte. 146    Diese Feststellung verliert nicht dadurch ihrer Gültigkeit, dass die Luftfahrzeugbetreiber zur Abdeckung ihrer tatsächlichen Emissionen nicht nur von anderen Betreibern, sondern im Rahmen der Versteigerung von 15 % der gesamten Zertifikate auch von staatlichen Stellen zusätzliche Zertifikate erwerben können. 147    Somit ist festzustellen, dass die Richtlinie 2008/101, indem sie die Anwendung der Richtlinie 2003/87 auf die Luftfahrt ausdehnt, in keiner Weise gegen die Verpflichtung aus Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des „Open-Skies“-Abkommens verstößt, eine Steuerbefreiung für getankten Treibstoff vorzusehen, da das System des Handels mit Zertifikaten wesensbedingt eine marktgestützte Maßnahme darstellt und nicht einen Zoll, eine Gebühr oder eine Abgabe, die auf den getankten Treibstoff erhoben wird. c)     Zur Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens 148    ATA u. a. machen im Wesentlichen geltend, die Anwendung der Richtlinie 2003/87 auf in den Vereinigten Staaten niedergelassene Luftfahrtunternehmen stelle eine Verletzung von Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens dar, da eine solche Umweltmaßnahme mit den einschlägigen Normen der ICAO unvereinbar sei. Außerdem stelle die Richtlinie 2008/101 dadurch, dass sie das System der Richtlinie 2003/87 auf die Luftfahrt ausdehne, eine Maßnahme dar, mit der unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens u. a. das Verkehrsvolumen und die Frequenz der Dienste begrenzt würden. Schließlich stelle die Anwendung eines solchen Systems eine Gebühr dar, die mit Art. 15 des Chicagoer Abkommens unvereinbar sei; die Vertragsparteien des „Open-Skies“-Abkommens hätten sich gemäß Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens verpflichtet, diese Bestimmung zu beachten. 149    Zunächst ist festzustellen, dass jedenfalls weder das vorlegende Gericht noch ATA u. a. Anhaltspunkte dafür genannt haben, dass die Union durch den Erlass der Richtlinie 2008/101, mit der die Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/87 auf den Flugverkehr ausgedehnt worden ist, gegen eine von der ICAO angenommene Umweltschutznorm im Sinne von Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens verstoßen hätte. Im Übrigen geht aus der Entschließung A37‑19 der ICAO, deren Anhang Leitlinien über die Ausarbeitung und Durchführung von marktgestützten Maßnahmen („market-based measures“, im Folgenden: MBM) enthält, nicht hervor, dass MBM wie das System des Handels mit Zertifikaten der Union gegen die von der ICAO angenommenen Umweltschutznormen verstießen. 150    In diesem Anhang heißt es unter den Buchst. b und f zum einen, dass durch solche MBM die Beschränkung der Treibhausgasemissionen der internationalen Luftfahrt gefördert werden solle, und zum anderen, dass die eingerichteten MBM sich nicht überschneiden sollten, so dass die CO2-Emissionen des internationalen Luftverkehrs im Rahmen solcher Systeme nur einmal berücksichtigt würden. 151    Dies entspricht aber gerade dem in Art. 25a der Richtlinie 2003/87 in der durch die Richtlinie 2008/101 geänderten Fassung genannten Ziel; die Richtlinie 2003/87 zielt darauf ab, eine optimale Wechselwirkung zwischen dem System des Handels mit Zertifikaten der Union und den von Drittländern getroffenen MBM zu erreichen, damit solche Systeme auf Luftfahrzeuge, die im internationalen Luftverkehr eingesetzt werden, unabhängig davon, ob sie in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland eingetragen sind, nicht doppelt angewandt werden. Ein solches Ziel entspricht im Übrigen dem Ziel, das Art. 15 Abs. 7 des „Open-Skies“-Abkommens zugrunde liegt. 152    Zur Gültigkeit der Richtlinie 2008/101 im Hinblick auf Art. 15 Abs. 3 Satz 2 des „Open-Skies“-Abkommens ist festzustellen, dass diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens die Vertragsparteien dieses Abkommens nicht daran hindert, Maßnahmen zu erlassen, mit denen das Verkehrsvolumen, die Frequenz oder Regelmäßigkeit des Dienstes oder das Muster der von in den Hoheitsgebieten dieser Vertragsparteien niedergelassenen Luftfahrtunternehmen eingesetzten Luftfahrzeuge begrenzt werden, wenn es sich dabei um Umweltschutzmaßnahmen handelt. 153    Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens sieht nämlich ausdrücklich vor, dass keine der beiden Vertragsparteien dieses Abkommens solche Begrenzungen vornimmt, „es sei denn, dies ist … aus Umweltschutzgründen … erforderlich“. Außerdem begrenzt das System des Handels mit Zertifikaten jedenfalls nicht die Emissionen der Luftfahrzeuge, die von einem Flugplatz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats starten oder auf einem solchen Flugplatz landen, und begrenzt auch nicht die Frequenz oder die Regelmäßigkeit der Dienste; die Hauptverpflichtung der Luftfahrzeugbetreiber besteht lediglich darin, ihren tatsächlichen Emissionen entsprechende Zertifikate abzugeben. Im Übrigen kann eine solche Verpflichtung aus den in den Randnrn. 141 bis 147 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen nicht als Flughafengebühr eingestuft werden. 154    Art. 15 Abs. 3 des „Open-Skies“-Abkommens in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens sieht vielmehr vor, dass, wenn die Vertragsparteien des „Open-Skies“-Abkommens solche Umweltschutzmaßnahmen festlegen, diese auf die betreffenden Luftfahrtunternehmen, wie in Randnr. 99 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auf nichtdiskriminierende Weise anzuwenden sind. 155    Insoweit ist aber festzustellen, dass, wie im Übrigen ausdrücklich aus dem 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/101 hervorgeht, die Union ausdrücklich eine einheitliche Anwendung des Systems des Handels mit Zertifikaten auf sämtliche Betreiber von Luftfahrzeugen vorgesehen hat, die für Flüge eingesetzt werden, die von Flugplätzen abgehen oder auf Flugplätzen enden, die sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats befinden, und dass sie insbesondere die Bestimmungen über die Nichtdiskriminierung in bilateralen Luftverkehrsabkommen mit Drittländern, wie die Bestimmungen in Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens, strikt beachten wollte. 156    Daher ist die Richtlinie 2008/101 insoweit, als sie insbesondere die Anwendung des Systems des Handels mit Zertifikaten auf nichtdiskriminierende Weise sowohl auf die in der Union als auch auf die in Drittländern niedergelassenen Luftfahrzeugbetreiber vorsieht, im Hinblick auf Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 des „Open-Skies“-Abkommens nicht ungültig. 157    Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung der Richtlinie 2008/101 nichts ergeben hat, was ihre Gültigkeit berühren könnte. IV –  Kosten 158    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt: 1.      Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens können von den vom vorlegenden Gericht angeführten völkerrechtlichen Grundsätzen und Bestimmungen nur folgende im Hinblick auf die Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2008/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft geltend gemacht werden: –        zum einen, begrenzt auf die Kontrolle eines der Union zurechenbaren offensichtlichen Fehlers bei der Beurteilung ihrer Zuständigkeit für den Erlass dieser Richtlinie hinsichtlich dieser Grundsätze, –        der Grundsatz, dass jeder Staat die vollständige und ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt; –        der Grundsatz, dass kein Staat den Anspruch erheben darf, irgendeinen Teil der hohen See seiner Hoheit zu unterstellen, und –        der Grundsatz der Freiheit von Flügen über hoher See; –        zum anderen –        Art. 7 und Art. 11 Abs. 1 und 2 Buchst. c des am 25. und 30. April 2007 unterzeichneten Luftverkehrsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits in der durch das Protokoll geänderten Fassung sowie –        Art. 15 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 und Art. 3 Abs. 4 dieses Abkommens. 2.      Die Prüfung der Richtlinie 2008/101 hat nichts ergeben, was ihre Gültigkeit berühren könnte. Unterschriften * Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Rechtsmittelkammer) vom 14. Dezember 2011. # Europäische Kommission gegen Isabel Vicente Carbajosa, Niina Lehtinen und Myriam Menchén. # Rechtsmittel - Öffentlicher Dienst - Beamte - Einstellung - Bekanntmachung des Auswahlverfahrens - Allgemeines Auswahlverfahren - Nichtzulassung zur schriftlichen Prüfung infolge des bei den Zulassungstests erzielten Ergebnisses - Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem EPSO und dem Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren - Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens. # Rechtssache T-6/11 P.
62011TJ0006
ECLI:EU:T:2011:747
2011-12-14T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 -00000
EUR-Lex - CELEX:62011TJ0006 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62011TJ0006 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62011TJ0006 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 27. Oktober 2011.#Europäische Kommission gegen Republik Polen.#Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 2007/46/EG - Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge - Nicht fristgerechte Umsetzung - Unvollständige Umsetzung.#Rechtssache C-311/10.
62010CJ0311
ECLI:EU:C:2011:702
2011-10-27T00:00:00
Gerichtshof, Trstenjak
Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-00159*
Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 27. Oktober 2011 – Kommission/Polen (Rechtssache C‑311/10) „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 2007/46/EG – Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge – Nicht fristgerechte Umsetzung – Unvollständige Umsetzung“ 1.                     Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Umsetzung der Richtlinien – Vertragsverletzung – Rechtfertigung mit Auslegungsschwierigkeiten – Unzulässigkeit (Art. 258 AEUV) (vgl. Randnr. 16) 2.                     Unionsrecht – Auslegung – Vorschriften in mehreren Sprachen – Abweichungen zwischen den verschiedenen Sprachfassungen – Berücksichtigung der allgemeinen Systematik und des Zwecks der fraglichen Regelung (vgl. Randnr. 18) 3.                     Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Notwendigkeit einer klaren und genauen Umsetzung – Möglichkeit einer späteren Änderung der Anhänge, die die technischen Aspekte und die Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie enthalten – Kein Einfluss auf die Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie (Art. 288 Abs. 3 AEUV) (vgl. Randnrn. 24-25, 77) 4.                     Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission – Vermutungen – Unzulässigkeit – Nichterfüllung der den Mitgliedstaaten durch eine Richtlinie auferlegten Informationspflicht – Folgen (Art. 4 Abs. 3 EUV; Art. 17 AEUV und 258 AEUV) (vgl. Randnrn. 30, 32-33, 52) 5.                     Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Umsetzung einer Richtlinie ohne Tätigwerden des Gesetzgebers – Voraussetzungen – Vorhandensein eines allgemeinen rechtlichen Kontexts, der die vollständige Anwendung der Richtlinie gewährleistet (Art. 288 Abs. 3 AEUV) (vgl. Randnrn. 40, 47) 6.                     Handlungen der Organe – Richtlinien – Umsetzung durch die Mitgliedstaaten – Notwendigkeit einer vollständigen Umsetzung (Art. 288 Abs. 3 AEUV) (vgl. Randnrn. 48, 50) Gegenstand Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Nicht fristgerechter Erlass oder nicht fristgerechte Mitteilung der Vorschriften, die erforderlich sind, um der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie) (ABl. L 263, S. 1) nachzukommen Tenor 1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 48 der Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge verstoßen, dass sie die Europäische Kommission nicht von den Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie in Kenntnis gesetzt hat. 2. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 48 der Richtlinie 2007/46 verstoßen, dass sie nicht alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um diese Richtlinie umzusetzen, innerhalb der vorgeschriebenen Frist erlassen hat. 3. Die Republik Polen trägt die Kosten.
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 12. Oktober 2011. # Dimos Peramatos gegen Europäische Kommission. # Finanzielle Beteiligung an einem Umweltvorhaben - LIFE - Entscheidung der teilweisen Einziehung des gezahlten Betrages - Bestimmung der im Rahmen des finanzierten Vorhabens übernommenen Verpflichtungen des Begünstigten - Vertrauensschutz - Begründungspflicht. # Rechtssache T-312/07.
62007TJ0312
ECLI:EU:T:2011:587
2011-10-12T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-00358*
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 12. Oktober 2011 – Dimos Peramatos/Kommission (Rechtssache T-312/07) „Finanzielle Beteiligung an einem Umweltvorhaben – LIFE – Entscheidung der teilweisen Einziehung des gezahlten Betrags – Bestimmung der im Rahmen des finanzierten Vorhabens übernommenen Verpflichtungen des Begünstigten – Vertrauensschutz – Begründungspflicht“ 1.                     Unionsrecht – Grundsätze – Vertrauensschutz – Voraussetzungen – Genaue Zusicherungen der Verwaltung – Finanzielle Beteiligung im Umweltbereich – Entscheidung der teilweisen Einziehung des gezahlten Betrags, deren Höhe im Anschluss an eine technische Prüfung nach der Buchprüfung der Kommission ermittelt wird – Kenntnis des Betroffenen – Kein Verstoß gegen den Grundsatz (Verordnung Nr. 1973/92 des Rates) (vgl. Randnrn. 50-52, 57, 64-67) 2.                     Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen – Voraussetzungen – Einhaltung der von der Kommission aufgestellten Bestimmungen und des Zuschussantrags – Kürzung eines im ursprünglichen Etat genehmigten Zuschusses im Fall eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung (Verordnung Nr. 1973/92 des Rates) (vgl. Randnr. 73) 3.                     Wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt – Strukturinterventionen – Gemeinschaftsfinanzierung zugunsten nationaler Aktionen – Informations- und Loyalitätspflicht der Personen, die einen Zuschuss beantragen und erhalten – Tragweite (Verordnung Nr. 1973/92 des Rates) (vgl. Randnr. 75) 4.                     Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang (vgl. Randnrn. 113‑118) 5.                     Nichtigkeitsklage – Befugnis des Unionsrichters – Klage gegen die Entscheidung der Kommission, den für die Umsetzung eines Vorhabens im Umweltbereich gezahlten Betrag teilweise einzuziehen – Keine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung (vgl. Randnr. 121) Gegenstand Klage auf Nichtigerklärung oder, hilfsweise, auf Änderung der Entscheidung E (2005) 5361 der Kommission vom 7. Dezember 2005 über die dem Dimos Peramatos (Gemeinde Perama) übermittelte Belastungsanzeige Nr. 3240504536 zur Einziehung der finanziellen Beteiligung, die von der Kommission im Rahmen der dem Dimos Peramatos durch die Entscheidung K (97)/1997/endg./29 vom 17. Juli 1997 gewährten Beihilfe gezahlt worden war Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Dimos Peramatos trägt seine eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission einschließlich der durch das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten.
Urteil des Gerichts (Dritte erweiterte Kammer) vom 9. September 2011.#Französische Republik gegen Europäische Kommission.#Gesundheitspolizei - Verordnung [EG] Nr. 999/2001 - Schutz vor transmissiblen spongiformen Enzephalopathien - Schafe und Ziegen - Verordnung [EG] Nr. 746/2008 - Erlass von Tilgungsmaßnahmen, die weniger streng als die zuvor vorgesehenen Maßnahmen sind - Vorsorgeprinzip.#Rechtssache T-257/07.
62007TJ0257
ECLI:EU:T:2011:444
2011-09-09T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-05827
Rechtssache T‑257/07 Französische Republik gegen Europäische Kommission „Gesundheitspolizei – Verordnung (EG) Nr. 999/2001 – Schutz gegen transmissible spongiforme Enzephalopathien – Schafe und Ziegen – Verordnung (EG) Nr. 746/2008 – Erlass von Tilgungsmaßnahmen, die weniger einschränkend sind als die vorangegangenen – Vorsorgeprinzip“ Leitsätze des Urteils 1.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Durchführung – Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit – Anwendung des Vorsorgeprinzips (Art. 3 Buchst. p EG, 6 EG, 152 Abs. 1 EG, 153 Abs. 1 und 2 EG und 174 Abs. 1 und 2 EG; Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 1) 2.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Durchführung – Wissenschaftliche Risikobewertung (Art. 152 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 6 Abs. 2) 3.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Durchführung – Risikobewertung – Bestimmung des Risikoniveaus (Art. 152 Abs. 1 EG) 4.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Durchführung – Berücksichtigung der Erfordernisse im Bereich des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt – Anwendung des Vorsorgeprinzips (Art. 152 Abs. 1 EG; Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 7 Abs. 2) 5.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Ermessen der Unionsorgane – Umfang – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen 6.      Einrede der Rechtswidrigkeit – Gegenstand – Beurteilung der Rechtmäßigkeit – Kriterien (Art. 263 AEUV) 7.      Landwirtschaft – Gemeinsame Agrarpolitik – Anwendung des Vorsorgeprinzips – Umfang – Grenzen – Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht (Art. 152 Abs. 1 EG) 8.      Landwirtschaft – Angleichung der gesundheitspolizeilichen Vorschriften – Schutzmaßnahmen in Bezug auf transmissible spongiforme Enzephalopathien – Identifizierung der gefährdeten Tiere im Rahmen der Ermittlungen (Verordnung Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 13 Abs. 1 Buchst. b und c, 23 und 24 Abs. 2) 1.      Das Vorsorgeprinzip stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der in den Art. 3 Buchst. p EG, 6 EG, 152 Abs. 1 EG, 153 Abs. 1 und 2 EG und 174 Abs. 1 und 2 EG verankert ist und die zuständigen Behörden verpflichtet, im genauen Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse nach der einschlägigen Regelung geeignete Maßnahmen zu treffen, um bestimmte potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt auszuschließen, indem sie den mit dem Schutz dieser Interessen verbundenen Erfordernissen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräumen. Ferner erlaubt das Vorsorgeprinzip, wie dies in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit im Zusammenhang des Lebensmittelrechts zum Ausdruck kommt, den Erlass vorläufiger Maßnahmen des Risikomanagements zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus, wenn nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, aber wissenschaftlich noch Unsicherheit besteht. Wenn daher das Vorliegen oder der Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit wissenschaftlich ungewiss ist, können die Organe in Anwendung des Vorsorgeprinzips Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargelegt sind. Innerhalb des Verfahrens, das mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt aufgrund des Vorsorgeprinzips durch ein Organ endet, lassen sich drei aufeinanderfolgende Schritte unterscheiden: erstens die Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, zweitens die Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und drittens, wenn die ermittelten potenziellen Gefahren die Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz überschreiten, das Risikomanagement durch den Erlass geeigneter Schutzmaßnahmen. Während der erste dieser Schritte keiner näheren Erläuterung bedarf, verdienen die beiden nächsten eine nähere Betrachtung. (vgl. Randnrn. 66-69) 2.      Die Bewertung der Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt besteht für das Organ, das sich mit potenziell abträglichen Wirkungen eines Vorgangs konfrontiert sieht, in der wissenschaftlichen Einschätzung dieser Gefahren und der Feststellung, ob sie das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Gefahrenniveau überschreiten. Damit die Organe der Union eine solche Einschätzung der Gefahren vornehmen können, müssen sie daher zum einen über eine wissenschaftliche Bewertung der Gefahren verfügen und zum anderen das Gefahrenniveau festlegen, das für die Gesellschaft nicht mehr akzeptabel erscheint. Insbesondere ist die wissenschaftliche Risikobewertung ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem so weit wie möglich eine Gefahr ermittelt und beschrieben, eine Abschätzung des Risikos vorgenommen und das Risiko umschrieben wird. Da es sich um ein wissenschaftliches Verfahren handelt, muss die zuständige Stelle die wissenschaftliche Risikobewertung wissenschaftlichen Experten übertragen. Im Übrigen muss die wissenschaftliche Risikobewertung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit auf den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen. Insoweit bedeutet die Pflicht der Organe, ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen unter voller Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten getroffen und auf die neuesten internationalen Forschungsergebnisse gestützt werden müssen. Von einer wissenschaftlichen Risikobewertung kann nicht verlangt werden, dass sie den Organen zwingende wissenschaftliche Beweise für das tatsächliche Vorliegen des Risikos und die Schwere der potenziellen nachteiligen Wirkungen im Fall seiner Verwirklichung liefert. Der Kontext der Anwendung des Vorsorgeprinzips entspricht nämlich jedenfalls einem Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit. Eine vorbeugende Maßnahme darf indessen nicht mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf wissenschaftlich noch nicht verifizierte bloße Vermutungen gestützt ist. Außerdem darf eine vorbeugende Maßnahme oder umgekehrt ihre Rücknahme oder Abschwächung nicht von dem Nachweis abhängig gemacht werden, dass keinerlei Risiken bestehen, weil ein solcher Nachweis im Allgemeinen aus wissenschaftlicher Sicht nicht erbracht werden kann, da es in der Praxis ein Risikoniveau „null“ nicht gibt. Mithin kann eine vorbeugende Maßnahme nur dann getroffen werden, wenn das Risiko, ohne dass seine Existenz und sein Umfang durch zwingende wissenschaftliche Daten in vollem Umfang nachgewiesen worden wären, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Maßnahme verfügbaren wissenschaftlichen Daten gleichwohl hinreichend dokumentiert erscheint. In einem solchen Zusammenhang entspricht somit der Begriff „Risiko“ dem Grad der Wahrscheinlichkeit nachteiliger Wirkungen für das von der Rechtsordnung geschützte Gut aufgrund der Akzeptanz bestimmter Maßnahmen oder bestimmter Verfahren. Schließlich kann sich eine vollständige wissenschaftliche Risikobewertung wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweisen kann. Dies kann indessen die zuständige Behörde nicht daran hindern, aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen zu treffen. In diesem Fall müssen die wissenschaftlichen Experten trotz der fortbestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit eine wissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, die der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermittelt, dass diese Stelle die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann. Mithin ist die Unerlässlichkeit bestimmter Bewertungen durch Wissenschaftler, die an der wissenschaftlichen Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit durch den Erlass von Vorschriften, mit denen nach dem Vorsorgeprinzip getroffene vorläufige Maßnahmen abgeschwächt werden, teilhaben, insbesondere aufgrund der verfügbaren Daten zu beurteilen. (vgl. Randnrn. 70-71, 73-77, 178-179) 3.      Im Rahmen der Risikobewertung steht die Bestimmung des Risikoniveaus, das für die Gesellschaft unannehmbar erscheint – soweit die anwendbaren Rechtsvorschriften gewahrt werden –, den Organen zu, die für die in der Festlegung des für diese Gesellschaft angemessenen Schutzniveaus bestehende politische Entscheidung zuständig sind. Diese Organe haben die kritische Schwelle für die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und für die Schwere dieser potenziellen Wirkungen festzulegen, die ihnen für diese Gesellschaft nicht mehr annehmbar erscheint und bei deren Überschreitung im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt trotz der weiterhin bestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit der Rückgriff auf vorbeugende Maßnahmen erforderlich wird. Bei der Bestimmung des für die Gesellschaft unannehmbar erscheinenden Risikoniveaus sind die Organe durch ihre Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt gebunden. Dieses hohe Schutzniveau muss nicht unbedingt auf das in technischer Hinsicht Höchstmögliche abzielen, um mit dieser Vorschrift vereinbar zu sein. Im Übrigen ist den Organen eine rein hypothetische Betrachtung des Risikos und eine Ausrichtung ihrer Entscheidungen auf ein „Nullrisiko“ untersagt. Die Bestimmung des für die Gesellschaft unannehmbar erscheinenden Risikoniveaus hängt von der Beurteilung der besonderen Umstände jedes Einzelfalls durch die zuständige öffentliche Stelle ab. Insoweit kann die betreffende Stelle insbesondere die Schwere der Auswirkung, die der Eintritt dieses Risikos auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt hat, einschließlich des Umfangs der möglichen nachteiligen Wirkungen, die Dauer, die Reversibilität oder die möglichen Spätfolgen dieser Schäden sowie die mehr oder weniger konkrete Wahrnehmung des Risikos nach dem Stand der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen. (vgl. Randnrn. 78-80) 4.      Im Rahmen der Anwendung des Vorsorgeprinzips umfasst das Risikomanagement die Gesamtheit der Maßnahmen eines mit einem Risiko konfrontierten Organs, die dieses auf ein für die Gesellschaft annehmbar erscheinendes Niveau zurückführen sollen, wie es seiner Pflicht zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt entspricht. Übersteigt nämlich dieses Risiko das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Niveau, ist das Organ aufgrund des Vorsorgeprinzips gehalten, vorläufige Maßnahmen des Risikomanagements zu ergreifen, die erforderlich sind, um ein hohes Schutzniveau sicherzustellen. Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit müssen die betreffenden vorläufigen Maßnahmen im Vergleich zu entsprechenden bereits erlassenen Maßnahmen verhältnismäßig, frei von Diskriminierung, transparent und kohärent sein. Schließlich ist es Sache der zuständigen Behörde, die betreffenden vorläufigen Maßnahmen binnen angemessener Frist zu überprüfen. Wenn nämlich neue Informationen die Wahrnehmung eines Risikos ändern oder zeigen, dass diesem Risiko durch Maßnahmen begegnet werden kann, die weniger einschränkend sind als die bestehenden, obliegt es den Organen und insbesondere der Kommission, die das Initiativrecht hat, für eine Anpassung der Regelung an die neuen Gegebenheiten zu sorgen. Jedenfalls muss die Abschwächung zuvor erlassener vorbeugender Maßnahmen mit neuen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden, die zu einer anderen Bewertung des betreffenden Risikos führen. Diese neuen Gesichtspunkte, wie etwa neue Erkenntnisse oder neue wissenschaftliche Entdeckungen, ändern, wenn sie eine Abschwächung einer vorbeugenden Maßnahme rechtfertigen, den konkreten Inhalt der Pflicht der Behörden zur ständigen Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit. Diese neuen Gesichtspunkte können nämlich die Bewertung sowie das Niveau des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos ändern. Die Rechtmäßigkeit des Erlasses einer weniger einschränkenden vorbeugenden Maßnahme ist nicht anhand des Niveaus des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos zu beurteilen, das beim Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen Berücksichtigung gefunden hat. Der Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen mit dem Ziel, das Risiko auf ein gesellschaftlich annehmbar erscheinendes Niveau zu bringen, erfolgt nämlich aufgrund einer Bewertung der Risiken und insbesondere der Festlegung des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikoniveaus. Wenn neue Gesichtspunkte diese Bewertung der Risiken ändern, ist die Rechtmäßigkeit des Erlasses weniger einschränkender vorbeugender Maßnahmen unter Berücksichtigung dieser neuen Gesichtspunkte und nicht nach Maßgabe der Gesichtspunkte zu würdigen, die die Bewertung der Risiken im Rahmen des Erlasses der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen bestimmt haben. Nur wenn das neue Risikoniveau das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau übersteigt, hat der Richter eine Verletzung des Vorsorgeprinzips festzustellen. (vgl. Randnrn. 81-83, 212-213) 5.      Die Unionsorgane verfügen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen hinsichtlich der Definition der verfolgten Ziele und der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums. Außerdem müssen sie bei ihrer Risikobewertung komplexe Würdigungen vornehmen, um anhand der technischen und wissenschaftlichen Informationen, die ihnen von Experten im Rahmen der wissenschaftlichen Risikobewertung geliefert werden, zu prüfen, ob die Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Risikoniveau überschreiten. Dieses weite Ermessen und diese komplexen Beurteilungen bedeuten, dass die Prüfung durch den Unionsrichter beschränkt ist. Dieses Ermessen und diese Beurteilungen führen nämlich dazu, dass sich die gerichtliche Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Organe bei der Ausübung ihrer Befugnisse einen offensichtlichen Fehler oder einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben. Bei der Prüfung durch den Unionsrichter, ob dem Rechtsakt eines Organs ein offensichtlicher Beurteilungsfehler anhaftet, kann ein die Nichtigerklärung dieses Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum eines Organs bei der Würdigung eines komplexen Sachverhalts nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in dem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Vorbehaltlich dieser Plausibilitätsprüfung darf das Gericht die Beurteilung eines komplexen Sachverhalts durch den Urheber der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen. Die Beschränkung der Kontrolle durch den Unionsrichter berührt jedoch nicht dessen Pflicht, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen sowie zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen. In Fällen, in denen ein Organ über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, kommt der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, grundlegende Bedeutung zu. Zu diesen Garantien gehört u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen. Die Vornahme einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Risikobewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruhen, stellt daher eine wichtige Verfahrensgarantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen dar. (vgl. Randnrn. 84-89, 214) 6.      Die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union ist anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen. Folglich können Umstände, die nach dem Erlass des Rechtsakts der Union eingetreten sind, bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit nicht berücksichtigt werden. (vgl. Randnr. 172) 7.      Die Unionsorgane verfügen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen hinsichtlich der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums. Im Übrigen haben sie zwar die Pflicht, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, verfügen aber hinsichtlich der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums bei der Erfüllung dieser Verpflichtung ebenfalls über ein weites Ermessen. Dieses weite Ermessen der Organe bedeutet, dass der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, grundlegende Bedeutung zukommt. Eine dieser Garantien ist die Forderung an die Behörden, wenn sie aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen erlassen, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, dass sie über alle hierfür erheblichen Anhaltspunkte verfügen müssen. Sie müssen somit über eine wissenschaftliche Risikobewertung verfügen, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruht. Dieses Erfordernis stellt eine wichtige Garantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen dar. Eine andere dieser Garantien besteht in der Forderung an die Behörden, dass sie beim Erlass von Vorschriften, mit denen vorläufige Maßnahmen abgeschwächt werden, die aufgrund des Vorsorgeprinzips erlassen wurden, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, über eine wissenschaftliche Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit verfügen, die durch den Erlass solcher Vorschriften entstehen. Eine solche wissenschaftliche Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit umfasst grundsätzlich eine von wissenschaftlichen Experten vorgenommene vollständige Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Exposition des Menschen gegenüber schädlichen Wirkungen der Maßnahmen für seine Gesundheit. Mithin umfasst sie grundsätzlich eine quantitative Bewertung der betreffenden Risiken. (vgl. Randnrn. 174-177) 8.      Gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 999/2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien werden zur Identifizierung aller anderen gefährdeten Tiere nach Maßgabe von Anhang VII Nr. 1 Ermittlungen durchgeführt. Außerdem werden gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 999/2001 alle Tiere und tierischen Erzeugnisse gemäß Anhang VII Nr. 2 dieser Verordnung, die bei den Ermittlungen nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b als gefährdet identifiziert wurden, getötet und nach der Verordnung Nr. 1774/2002 beseitigt. Somit werden nach dieser Vorschrift die Tiere getötet und beseitigt, die durch Ermittlungen gemäß Anhang VII Nr. 1 der Verordnung Nr. 999/2001 identifiziert wurden und die außerdem die Kriterien der Nr. 2 dieses Anhangs erfüllen. Gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 kann die Kommission nach Anhörung des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses zu allen Fragen, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken können, nach dem Ausschussverfahren des Art. 24 Abs. 2 die Anhänge dieser Verordnung ändern. Somit hat der Gesetzgeber der Kommission die Befugnis zur Änderung der Anhänge der Verordnung Nr. 999/2001 übertragen. Angesichts des Geltungsumfangs von Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 hat die Kommission die Zuständigkeit, durch Verordnung, die im Ausschussverfahren nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 999/2001 ergeht, die bei den Ermittlungen identifizierten Tiere abzugrenzen, die getötet und beseitigt werden müssen. Da nämlich Art. 13 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung unter Verweisung auf die Kriterien der Nr. 2 des Anhangs VII die Tiere bestimmt, die getötet und beseitigt werden müssen, verfügt die Kommission gemäß Art. 23 der Verordnung über die Befugnis, Vorschriften zu erlassen, mit denen die Tiere abgegrenzt werden, die zu töten und zu beseitigen sind, nachdem sie bei den erwähnten Ermittlungen identifiziert wurden. (vgl. Randnrn. 206-208) URTEIL DES GERICHTS (Dritte erweiterte Kammer) 9. September 2011(*) „Gesundheitspolizei – Verordnung (EG) Nr. 999/2001 – Schutz gegen transmissible spongiforme Enzephalopathien – Schafe und Ziegen – Verordnung (EG) Nr. 746/2008 – Erlass von Tilgungsmaßnahmen, die weniger einschränkend sind als die vorangegangenen – Vorsorgeprinzip“ In der Rechtssache T‑257/07 Französische Republik, vertreten zunächst durch E. Belliard, G. de Bergues, R. Loosli-Surrans und A.‑L. During, dann durch E. Belliard sowie E. de Bergues, R. Loosli-Surrans und B. Cabouat als Bevollmächtigte, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch M. Nolin als Bevollmächtigten, Beklagte, unterstützt durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten zunächst durch I. Rao und C. Gibbs, dann durch I. Rao und L. Seeboruth und schließlich durch L. Seeboruth und F. Penlington als Bevollmächtigte im Beistand von T. Ward, Barrister, Streithelfer, wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 746/2008 der Kommission vom 17. Juni 2008 zur Änderung von Anhang VII der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 202, S. 11), soweit sie weniger einschränkende Überwachungs- und Tilgungsmaßnahmen als die bisher für Schaf- und Ziegenherden vorgesehenen zulässt, erlässt DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi (Berichterstatter), der Richterinnen E. Cremona und I. Labucka sowie der Richter S. Frimodt Nielsen und K. O’Higgins, Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2010 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen 1.     Verordnung Nr. 178/2002 1        Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) bestimmt: „(1)      In bestimmten Fällen, in denen nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, wissenschaftlich aber noch Unsicherheit besteht, können vorläufige Risikomanagementmaßnahmen zur Sicherstellung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus getroffen werden, bis weitere wissenschaftliche Informationen für eine umfassendere Risikobewertung vorliegen. (2)      Maßnahmen, die nach Absatz 1 getroffen werden, müssen verhältnismäßig sein und dürfen den Handel nicht stärker beeinträchtigen, als dies zur Erreichung des in der Gemeinschaft gewählten hohen Gesundheitsschutzniveaus unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Durchführbarkeit und anderer angesichts des betreffenden Sachverhalts für berücksichtigenswert gehaltener Faktoren notwendig ist. Diese Maßnahmen müssen innerhalb einer angemessenen Frist überprüft werden, die von der Art des festgestellten Risikos für Leben oder Gesundheit und der Art der wissenschaftlichen Informationen abhängig ist, die zur Klärung der wissenschaftlichen Unsicherheit und für eine umfassendere Risikobewertung notwendig sind.“ 2.     Verordnung Nr. 999/2001 2        Die Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 147, S. 1) bestimmt in Art. 13 Abs. 1: „Bei amtlicher Bestätigung eines TSE-Falls werden unverzüglich folgende Maßnahmen getroffen: a)      Alle Körperteile des Tieres … werden … beseitigt. b)      Zur Identifizierung aller anderen gefährdeten Tiere nach Maßgabe von Anhang VII Nummer 1 werden Ermittlungen durchgeführt. c)      Alle Tiere und tierischen Erzeugnisse gemäß Anhang VII Nummer 2 der vorliegenden Verordnung, die bei den Ermittlungen nach Buchstabe b) dieses Absatzes als gefährdet identifiziert wurden, werden getötet und gemäß der Verordnung … Nr. 1774/2002 beseitigt.“ 3        Vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 727/2007 der Kommission vom 26. Juni 2007 zur Änderung der Anhänge I, III, VII und X der Verordnung Nr. 999/2001 (ABl. L 165, S. 8) hieß es in Anhang VII („Tilgung transmissibler spongiformer Enzephalopathien“) der Verordnung Nr. 999/2001: „1.      Bei den Ermittlungen gemäß Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b) muss Folgendes identifiziert werden: … b)      im Fall von Schafen und Ziegen: –        alle anderen Wiederkäuer als Ziegen und Schafe im Haltungsbetrieb des Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat; –        soweit sie ermittelt werden können, die Elterntiere und im Fall von weiblichen Tieren alle Embryonen, Eizellen und die letzten Nachkommen des weiblichen Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat; –        zusätzlich zu den unter dem zweiten Gedankenstrich genannten Tieren alle übrigen Schafe und Ziegen im Haltungsbetrieb des Tieres, bei dem sich die Krankheit bestätigt hat; –        die etwaige Krankheitsursache und andere Betriebe, in denen Tiere, Embryonen oder Eizellen gehalten bzw. aufbewahrt werden, die möglicherweise mit dem TSE-Erreger infiziert sind oder die dasselbe Futter aufgenommen haben oder mit derselben Kontaminationsquelle in Berührung gekommen sind; –        die Verbringung potenziell verunreinigter Futtermittel, sonstigen Materials [oder] etwaiger anderer Infektionsquellen, über die der BSE-Erreger möglicherweise aus dem oder in den betreffenden Betrieb übertragen wurde. 2.      Die Maßnahmen nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c) umfassen mindestens: … b)      im Fall eines bestätigten TSE-Befundes bei Schafen oder Ziegen ab 1. Oktober 2003 entsprechend der Entscheidung der zuständigen Behörde: i)      entweder die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden, oder ii)      die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden, mit Ausnahme von: –        männlichen Zuchttieren des Genotyps ARR/ARR, –        weiblichen Zuchttieren mit mindestens einem ARR-Allel und keinem VRQ-Allel und, sofern diese weiblichen Zuchttiere zum Zeitpunkt der Ermittlungen trächtig sind, die danach geborenen Lämmer, sofern ihr Genotyp die Anforderungen dieses Absatzes erfüllt; –        Schafen mit mindestens einem ARR-Allel, die ausschließlich zur Schlachtung bestimmt sind; –        weniger als 2 Monate alten Schafen und Ziegen, die ausschließlich zur Schlachtung bestimmt sind, sofern die zuständige Behörde dies so entscheidet; iii)      wenn das infizierte Tier von einem anderen Haltungsbetrieb aufgenommen wurde, kann ein Mitgliedstaat auf der Grundlage der Fallgeschichte beschließen, zusätzlich [zu den] oder anstatt der Tilgungsmaßnahmen in dem Haltungsbetrieb, in dem die Infektion bestätigt wurde, solche Maßnahmen im Herkunftsbetrieb durchzuführen. Wird Weideland von mehr als einer Herde gemeinsam genutzt, können die Mitgliedstaaten beschließen, die Anwendung dieser Maßnahmen nach mit Gründen versehener Prüfung aller epidemiologischen Faktoren auf eine Herde zu beschränken; wird in einem Haltungsbetrieb mehr als eine Herde gehalten, können die Mitgliedstaaten beschließen, die Anwendung der Maßnahmen auf die Herde zu beschränken, in der die Traberkrankheit bestätigt wurde, sofern überprüft wurde, dass die Herden isoliert voneinander gehalten wurden und dass die Verbreitung der Infektion zwischen den Herden durch direkten oder indirekten Kontakt unwahrscheinlich ist; c)      im Fall eines bestätigten BSE-Befundes bei Schafen oder Ziegen die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b) zweiter bis fünfter Gedankenstrich [des Anhangs VII] identifiziert wurden.“ 4        Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 bestimmt: „Nach Anhörung des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses zu allen Fragen, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken können, werden nach dem Verfahren des Artikels 24 Absatz 2 die Anhänge geändert oder ergänzt und geeignete Übergangsmaßnahmen getroffen. …“ 5        Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 lautet: „Entscheidungen, die nach einem der in Artikel 24 genannten Verfahren getroffen werden, basieren auf einer angemessenen Bewertung der möglichen Gefahren für die menschliche und tierische Gesundheit und sind unter Berücksichtigung der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse auf die Erhaltung oder, sofern dies wissenschaftlich begründet ist, Erhöhung des in der Gemeinschaft gewährleisteten Schutzniveaus für die menschliche und tierische Gesundheit gerichtet.“ Streitige Maßnahmen 6        Die Anhänge I, III, VII und X der Verordnung Nr. 999/2001 zur Regelung bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (im Folgenden: TSE) bei Schafen und Ziegen wurden, um den jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen, durch die Verordnung Nr. 727/2007 geändert. 7        Anhang VII der Verordnung (EG) Nr. 999/2001, der namentlich Tilgungsmaßnahmen im Anschluss an die Bestätigung eines Falls von TSE in einer Schaf- oder Ziegenherde vorsieht, wurde sodann durch die Verordnung (EG) Nr. 746/2008 der Kommission vom 17. Juni 2008 zur Änderung von Anhang VII der Verordnung Nr. 999/2001 (ABl. L 202, S. 11, im Folgenden: angefochtene Verordnung) erneut geändert. 8        Mit der angefochtenen Verordnung wurde Anhang VII der Verordnung Nr. 999/2001 durch Einfügung eines Kapitels A („Maßnahmen bei Bestätigung von TSE“) geändert, wobei Nr. 2 Buchst. b des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 durch folgende Regelung ersetzt wurde: „2. Die Maßnahmen nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe c umfassen mindestens: … 2.3.      Im Fall eines bestätigten TSE-Befundes bei Schafen und Ziegen: a)      sofern BSE nach einem gemäß Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe c durchgeführten Ringversuch nicht ausgeschlossen werden kann, die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen gemäß Nummer 1 Buchstabe b zweiter bis fünfter Gedankenstrich identifiziert wurden; b)      sofern BSE gemäß dem Verfahren nach Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe c gemäß der Entscheidung der zuständigen Behörde ausgeschlossen wird: entweder i)      die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden. Für den Betrieb gelten die unter Nummer 3 aufgeführten Bedingungen; oder ii)      die Tötung und vollständige Beseitigung aller Tiere, Embryonen und Eizellen, die bei den Ermittlungen nach Nummer 1 Buchstabe b zweiter und dritter Gedankenstrich identifiziert wurden, mit Ausnahme von –        männlichen Zuchttieren des Genotyps ARR/ARR; –        weiblichen Zuchttieren mit mindestens einem ARR-Allel und keinem VRQ-Allel und, sofern diese weiblichen Zuchttiere zum Zeitpunkt der Ermittlungen trächtig sind, die danach geborenen Lämmer, sofern ihr Genotyp die Anforderungen dieses Unterabsatzes erfüllt; –        Schafen mit mindestens einem ARR-Allel, die ausschließlich zur Schlachtung bestimmt sind; –        weniger als drei Monate alten Schafen und Ziegen, die ausschließlich zur Schlachtung bestimmt sind, sofern die zuständige Behörde dies so entscheidet. Für den Betrieb gelten die unter Nummer 3 aufgeführten Bedingungen; oder iii)      ein Mitgliedstaat kann entscheiden, die bei den Ermittlungen gemäß Nummer 1 Buchstabe b zweiter und dritter Gedankenstrich identifizierten Tiere nicht zu töten und zu beseitigen, sofern es schwierig ist, für einen bekannten Genotyp Ersatztiere zu finden, oder sofern das ARR-Allel in der Zucht oder dem Betrieb selten vorkommt, oder wo dies zur Vermeidung von Inzucht oder aufgrund der Abwägung aller epidemiologischen Faktoren erforderlich erscheint. Für den Betrieb gelten die unter Nummer 4 aufgeführten Bedingungen. …“ 9        Die durch die angefochtene Verordnung eingeführte Nr. 4 von Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 bestimmt: „4.      Nach Durchführung der unter Nummer 2.3 Buchstabe b Ziffer iii genannten Maßnahmen in einem Haltungsbetrieb und in einem Zeitraum von zwei Zuchtjahren nach Feststellung des letzten TSE-Falls a)      sind alle Schafe und Ziegen in dem Betrieb zu identifizieren; b)      dürfen alle Schafe und Ziegen in dem Haltungsbetrieb nur innerhalb des Hoheitsgebiets des betroffenen Mitgliedstaats zur Schlachtung zum menschlichen Verzehr oder zur Beseitigung verbracht werden; alle zum menschlichen Verzehr geschlachteten über 18 Monate alten Tiere sind gemäß den in Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe b aufgeführten Labormethoden auf TSE zu testen; … e)      müssen alle über 18 Monate alten Schafe und Ziegen, die im Betrieb verendet sind oder getötet wurden, auf TSE getestet werden; f)      dürfen nur männliche Schafe des Genotyps ARR/ARR und weibliche Schafe aus Betrieben, in denen keine TSE-Fälle festgestellt wurden, oder aus Herden, die die Bedingungen gemäß Nummer 3.4 erfüllen, in den Betrieb aufgenommen werden; g)      dürfen nur Ziegen aus Betrieben, in denen keine TSE-Fälle festgestellt wurden, oder aus Herden, die die Bedingungen gemäß Nummer 3.4 erfüllen, in den Betrieb aufgenommen werden; …“ 10      Außerdem bestimmt Nr. 2.3 Buchst. d von Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 in der durch die angefochtene Verordnung geänderten Fassung: „d)      Die Mitgliedstaaten können Folgendes entscheiden: i)      alle unter Buchstabe b Ziffer i genannten Tiere zum menschlichen Verzehr zu schlachten, anstatt sie zu töten und vollständig zu beseitigen; ii)      die unter Buchstabe b Ziffer ii genannten Tiere zum menschlichen Verzehr zu schlachten, anstatt sie zu töten und vollständig zu beseitigen, sofern –        die Tiere im Hoheitsgebiet des betroffenen Mitgliedstaats geschlachtet werden; –        alle Tiere, die über 18 Monate alt sind oder bei denen mehr als zwei bleibende Schneidezähne das Zahnfleisch durchstoßen haben und die zum menschlichen Verzehr geschlachtet werden, gemäß den Labormethoden nach Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe b auf TSE getestet werden.“ 11      Schließlich bestimmt Nr. 3.1 von Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 in der durch die angefochtene Verordnung geänderten Fassung, die Nr. 4 der früheren Fassung des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 entspricht: „3.1. [Es] dürfen nur folgende Tiere in den Haltungsbetrieb/die Haltungsbetriebe aufgenommen werden: a)      männliche Schafe des Genotyps ARR/ARR; b)      weibliche Schafe mit mindestens einem ARR-Allel und keinem VRQ-Allel; c)      Ziegen, sofern: i)      keine anderen Zuchtschafe als die unter den Buchstaben a und b genannten in dem Haltungsbetrieb vorhanden sind; ii)      alle Stallungen auf dem Betriebsgelände nach der Bestandsvernichtung gründlich gereinigt und desinfiziert wurden“. Sachverhalt 1.     Transmissible spongiforme Enzephalopathien 12      Die TSE sind neurodegenerative Erkrankungen mit langsamer Entwicklung und tödlichem Ausgang. Sie sind geprägt durch besondere Verletzungen des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark) und befallen Tiere und Menschen. 13      Alle TSE werden durch einen nichtkonventionellen transmissiblen Erreger namens „Prion“ verursacht. Dieser Ausdruck bezieht sich auf ein ansteckendes Eiweißpartikel, also eine anormale Form des Proteins P (PrP), das ein normales Protein des Wirtes ist. 14      Bei den TSE, die Schafe, Ziegen oder Rinder befallen können, kann man die drei folgenden Erkrankungen unterscheiden: die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE), die klassische Scrapie und die atypische Scrapie. 2.     Spongiforme Enzephalopathie bei Rindern 15      Die BSE ist eine TSE, die zum ersten Mal im November 1986 im Vereinigten Königreich festgestellt wurde. Sie befällt Rinder und ist auf den Menschen übertragbar, bei dem sie eine neue Art der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit hervorruft. Sie gilt ebenfalls als eine Erkrankung, die Schafe und Ziegen befallen kann. Aufgrund molekularer und gewebepathologischer Kriterien lassen sich die klassische BSE, die BSE des Typs L und die BSE des Typs H unterscheiden. 3.     Scrapie 16      Die Scrapie ist eine TSE, die Schafe und Ziegen befällt. Sie ist in Europa seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt. Sie wird in erster Linie vom Muttertier auf seine Nachkommen unmittelbar nach der Geburt oder vom Muttertier auf andere empfängliche Neugeborene übertragen, die mit dem Geburtswasser oder Gewebe eines befallenen Tiers in Berührung kommen. Die Häufigkeit der Übertragung der Scrapie auf ältere Tiere ist sehr viel geringer. 17      Der Ausdruck „klassische Scrapie“ bezieht sich auf eine Gesamtheit von bis heute nicht klassifizierten Varianten („Herden“) von TSE, die eine gewisse Anzahl von Merkmalen aufweisen, die als repräsentativ angesehen werden. Diese Erkrankungen zeigen sich unter molekularen Aspekten an einer starken Verbreitung des Prions im Organismus, an einer Ansteckung innerhalb der Herden und zwischen den Herden sowie an einer genetischen Empfindlichkeit oder genetischen Widerstandsfähigkeit, die von Tier zu Tier unterschiedlich ausfällt. 18      Die Schafe entwickeln nämlich die Scrapie in unterschiedlicher Weise aufgrund des Gens, das das PrP kodiert (im Folgenden: PrP-Gen), und insbesondere aufgrund der Eigenart der drei Aminosäuren, die sich an den Positionen 136, 145 und 171 der Sequenz der Aminosäuren des PrP finden und mit den Großbuchstaben „A“ für Alanin, „R“ für Arganin, „Q“ für Glutamin und „V“ für Valin bezeichnet werden, die eine Unterscheidung der verschiedenen Arten von PrP untereinander ermöglichen. Vier Allele des PrP-Gens sind bekannt, nämlich die Allele VRQ, ARQ, AHQ und ARR. Schafe mit VRQ-Allelen sind hyperempfänglich für Scrapie. Sie entwickeln diese Krankheit rasch, und merkliche Spuren von Prion finden sich in zahlreichen Organen des Tieres während der gesamten Inkubationszeit. Schafe mit ARQ- oder AHQ-Allelen sind relativ empfänglich für Scrapie. Schafe mit ARR-Allelen schließlich zeigen eine fast ausnahmslose Resistenz. Tiere mit mindestens einem ARR-Allel sind semi-resistent gegen Scrapie. Bei diesen Tieren geht die Multiplikation des Prion sehr langsam vonstatten. Sie beschränkt sich auf das Nervensystem, und das Prion lässt sich vor dem Erscheinen der klinischen Erkrankungszeichen nicht feststellen. 19      Der Ausdruck „atypische Scrapie“ scheint einer einzigen Variante von TSE zu entsprechen. Diese Krankheit weist bei kleinen Wiederkäuern als atypisch geltende Merkmale auf wie eine Häufung des Prions im zentralen Nervensystem, eine beschränkte oder nicht vorhandene Ansteckung und das Fehlen einer deutlichen genetischen Resistenz. Die Tiere des Genotyps ARR/ARR können daher von dieser Krankheit befallen werden. Die Konzentration des Prions im zentralen Nervensystem macht aber Erkennungsmaßnahmen und die Entnahme von Risikomaterial im Schlachthaus sehr wirksam. 4.     Entwicklung der Gemeinschaftspolitik zur Bekämpfung von TSE bei Schafen und Ziegen 20      Da theoretisch ein TSE-Befall von Schafen und Ziegen auch unter natürlichen Bedingungen möglich war, wurden Maßnahmen zur Vorbeugung und Tilgung der TSE bei Schafen und Ziegen in die Gemeinschaftsvorschriften aufgenommen (vgl. insbesondere den dritten Erwägungsgrund der Verordnung [EG] Nr. 1139/2003 der Kommission vom 27. Juni 2003 zur Änderung der Verordnung Nr. 999/2001 [ABl. L 160, S. 22]). 21      Am 22. Mai 2001 erließen das Parlament und der Rat die Verordnung Nr. 999/2001, die innerhalb einer einzigen Verordnung sämtliche zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften zur Bekämpfung von TSE zusammenfasste. Diese Verordnung untersagt die Verfütterung von aus Säugetieren gewonnenem Protein, auch „MRM“ genannt, an Wiederkäuer (vgl. Art. 7 Abs. 1 und Anhang IV der Verordnung Nr. 999/2001). Sie schreibt die Beseitigung von „spezifizierten Risikomaterialien“, auch „SRM“ genannt, vor, d. h. von Geweben, die am stärksten TSE-gefährdet sind (vgl. Art. 8 und Anhang V der Verordnung Nr. 999/2001). Sie legt Maßnahmen für Tiere fest, bei denen der Verdacht einer TSE-Ansteckung besteht, sowie Maßnahmen für den Fall der Feststellung einer TSE-Ansteckung bei Tieren. Letztere umfassen die Beseitigung von gefährdeten Tieren nach der Definition in Anhang VII der Verordnung Nr. 999/2001 in ihrer ursprünglichen Fassung (vgl. Art. 12 und 13 sowie Anhang VII der Verordnung Nr. 999/2001). Im Übrigen schreibt die Verordnung jedem Mitgliedstaat ein jährliches Programm zur Überwachung der TSE vor. Bei Schafen und Ziegen wird diese Überwachung insbesondere durch ein Screening-Verfahren unter Einsatz von „Schnelltests“ anhand von Stichproben aus der Gesamtheit der Schafe und Ziegen durchgeführt (vgl. Art. 6 und Anhang III der Verordnung Nr. 999/2001). Schließlich sieht Art. 23 der Verordnung, um der Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung zu tragen, vor, dass ihre Anhänge in einem Ausschussverfahren, das die Anhörung des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses umfasst, geändert und ergänzt werden können. 22      Aufgrund der letztgenannten Bestimmung wurde die Verordnung Nr. 999/2001 zwischen 2001 und 2007 mehrfach geändert. Diese Änderungen betrafen insbesondere Maßnahmen der Bekämpfung von TSE bei Schafen und Ziegen im Hinblick auf die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse im TSE-Bereich. 23      So erließ die Kommission am 14. Februar 2002 die Verordnung (EG) Nr. 270/2002 zur Änderung der Verordnung Nr. 999/2001 in Bezug auf spezifizierte Risikomaterialien und die epidemiologische Überwachung auf bestimmte transmissible spongiforme Enzephalopathien sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1326/2001 in Bezug auf Futtermittel und das Inverkehrbringen von Schafen und Ziegen sowie daraus gewonnenen Produkten (ABl. L 45, S. 4). Diese Verordnung bezweckt u. a. eine Überarbeitung der Vorschriften für die Überwachung von TSE bei Schafen und Ziegen, um die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Lenkungsausschusses vom 18./19. Oktober 2001 zu berücksichtigen, in der dieser empfahl, dringend eine Erhebung zur Häufigkeit von TSE mit den verfügbaren „Schnelltests“ und mit einem Probendesign und ‑umfang von statistisch einwandfreier Qualität durchzuführen (vgl. den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 270/2002). Diese Verordnung sieht somit die Überwachung von Schafen und Ziegen durch „Schnelltests“ an einer Stichprobe geringen Umfangs je Mitgliedstaat vor, die eindeutig bedeutender ist als die frühere Fassung der Verordnung Nr. 999/2001. Sie sieht außerdem die Bestimmung des Prion-Genotyps bei jedem positiven TSE-Befund bei Schafen vor (vgl. Anhang I der Verordnung Nr. 270/2002). 24      Die „Schnelltests“, von denen in der Verordnung Nr. 999/2001 und ihren geänderten Fassungen die Rede ist, sind Tests, die ein zeitlich kürzeres Screening-Verfahren für TSE anhand von Proben aus toten Tieren oder von ins Schlachthaus verbrachten Tierkörpern ermöglichen. Dieses Screening-Verfahren anhand von „Schnelltests“ erlaubt lediglich die Feststellung einer TSE, nicht aber die Bestimmung ihres Typs, also BSE, klassische Scrapie oder atypische Scrapie. Sind die Ergebnisse dieser „Schnelltests“ positiv, wird der Hirnstamm einem Referenzlabor im Sinne von Anhang X der Verordnung Nr. 999/2001 (im Folgenden: Referenzlabor) zur Durchführung bestätigender Untersuchungen übersandt. Die Bestätigungsuntersuchungen erfolgen anhand von Diagnosemethoden der Immunzytochemie, des Immunblotting, histopathologischen Untersuchungen des Hirngewebes und/oder des Nachweises charakteristischer Fibrillen im Elektronenmikroskop (im Folgenden insgesamt: Bestätigungsuntersuchungen) (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1248/2001 der Kommission vom 22. Juni 2001 zur Änderung der Anhänge III, X und XI der Verordnung Nr. 999/2001 [ABl. L 173, S. 12]). Ist aufgrund dieser Tests TSE nicht auszuschließen, werden sie durch biologische Tests ergänzt (auch „bio essais“ oder „strain typing“ genannt). Diese Tests bestehen in der Einpflanzung von mit TSE befallenem Gewebe in das Gehirn einer lebenden Maus, um so die Art der betreffenden TSE, d. h. BSE oder Scrapie, festzustellen. Verendet die Maus, wird eine mikroskopische Untersuchung ihres Gehirns durchgeführt, deren Ergebnisse die Feststellung der genauen Art der TSE gestatten. Diese biologischen Tests lassen eine genaue Feststellung, ob die TSE eine BSE ist oder nicht, erst nach mehreren Jahren zu. Die Tests, mit denen BSE von anderen TSE unterschieden werden soll, werden üblicherweise „unterscheidende Tests“, „trennende Tests“ oder „Differenzierungstests“ genannt. 25      Beim Erlass der Verordnung Nr. 270/2002 waren die einzigen verlässlichen Differenzierungstests biologische Tests. Es gab keine zuverlässigen unterscheidungskräftigen Molekulartests, die es bei Schafen und Ziegen erlaubt hätten, eine Ansteckung mit TSE von einer Ansteckung mit Scrapie zu unterscheiden (vgl. den dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1139/2003). 26      Im Juni 2003 beauftragte die Kommission das Referenzlabor, eine Gruppe von Sachverständigen für die Typisierung der TSE-Stämme (im Folgenden: STEG) zu bilden, deren Aufgabe es sein sollte, den Einsatz von alternativen Tests zu den biologischen Differenzierungstests für die TSE zu entwickeln und zu validieren. Die Arbeiten der STEG führten zur Validierung von „biochemischen“ oder „molekularen“ Tests, mit deren Hilfe BSE von Scrapie unterschieden werden konnte. Diese molekularen Differenzierungstests erlauben es, das Vorhandensein von BSE in den Geweben innerhalb einiger Tage oder einiger Wochen auszuschließen. 27      Im Anschluss an die Entwicklung der molekularen Differenzierungstests erließ die Kommission am 12. Januar 2005 die Verordnung (EG) Nr. 36/2005 zur Änderung der Anhänge III und X der Verordnung Nr. 999/2001 hinsichtlich der epidemiologischen Überwachung auf TSE bei Rindern, Schafen und Ziegen (ABl. L 10, S. 9), um insbesondere den Einsatz dieser molekularen Differenzierungstests in dem mit der Verordnung Nr. 999/2001 geschaffenen Überwachungssystem zu ermöglichen. 28      So sieht die Verordnung Nr. 36/2005 vor, dass, wenn sich im Rahmen der Überwachung von Schaf- und Ziegenherden das Ergebnis von „Schnelltests“ an einer entnommenen Probe als nicht beweiskräftig oder als positiv erweist und dieses Ergebnis bei den Bestätigungsuntersuchungen bestätigt wird, das Tier als „positiver Scrapie-Fall“, auch „Index-Fall“ genannt, gilt. Dieser Fall wird zuerst einem molekularen Differenzierungstest durch Immunblotting unterzogen. Erlaubt der Anfangstest nicht, das Vorliegen von BSE auszuschließen, wird der Fall drei weiteren molekularen Differenzierungstests unterzogen: einem zweiten Immunblottingtest, einem Immunzytochemie-Test sowie einem enzymabsorbierenden Immuntest, auch „ELISA“ (Enzyme linked Immunosorbent Assay) genannt. Nur die Proben, die BSE-Befall zeigen oder die nach diesen molekularen Differenzierungstests nicht beweiskräftig sind, werden biologischen Tests an Mäusen unterzogen, um eine endgültige Bestätigung zu erhalten (vgl. Kapitel C Nr. 3.2 des Anhangs X der Verordnung Nr. 999/2001 in der Fassung der Verordnung Nr. 36/2005). Diese Verordnung schreibt ebenfalls die TSE-Typisierung durch Differenzierungstests aller Prionstämme vor, die bei kleinen Wiederkäuern nach einem Schnelltest gefunden werden. Schließlich schreibt diese Verordnung vor, eine aussagekräftige Probe aus allen Herden, die ein befallenes Tier aufweisen, einem Screening-Test zu unterziehen. 29      In Anwendung der genannten Regelungen hatten die Mitgliedstaaten bei Befall eines Tieres aus einer Schaf- oder Ziegenherde mit einer anderen TSE als BSE nur die Wahl, entweder sämtliche Tiere der Herde, zu der das befallene Tier gehörte, zu töten oder, falls das befallene Tier ein Schaf war, nur die genetisch empfänglichen Tiere der Herde zu beseitigen, nachdem der Genotyp sämtlicher Tiere der Herde bestimmt worden war, um die empfänglichen von den resistenten Tieren zu trennen. Außerdem konnte der Mitgliedstaat von der Tötung von Schafen und Ziegen absehen, die weniger als zwei Monate alt und für die Schlachtung bestimmt waren (vgl. Randnr. 3 des vorliegenden Urteils). War dagegen ein Tier von BSE befallen, mussten die Mitgliedstaaten für die Tötung und vollständige Beseitigung aller Schafe und Ziegen, Embryonen, Eizellen und aller Tiere sowie des Materials und der sonstigen Infektionsquellen sorgen. 30      Im Anschluss an die Bestätigung des Befalls einer 2000 geborenen und 2002 in Frankreich geschlachteten Ziege mit BSE am 28. Januar 2005 wurde ein verschärftes Überwachungsprogramm für Ziegen eingerichtet. Es handelte sich um den ersten Fall der Ansteckung eines kleinen Wiederkäuers mit BSE unter natürlichen Bedingungen (vgl. die Erwägungsgründe 2 bis 4 und den Anhang der Verordnung [EG] Nr. 214/2005 der Kommission vom 9. Februar 2005 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung Nr. 999/2001 hinsichtlich der Überwachung von Ziegen auf TSE [ABl. L 37, S. 9]). 31      Am 15. Juli 2005 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung mit dem Titel „Fahrplan zur TSE-Bekämpfung“ (KOM[2005] 322 endg.) (im Folgenden: Fahrplan zur TSE-Bekämpfung), in der sie ihre Absicht bekannt gab, Maßnahmen zur Abschwächung der geltenden Tilgungsmaßnahmen für kleine Wiederkäuer unter Berücksichtigung der neuen verfügbaren Diagnoseinstrumente und unter Beibehaltung des aktuellen Niveaus des Verbraucherschutzes vorzuschlagen. Sie wies insbesondere darauf hin, dass die seit Januar 2005 verfügbaren molekularen Differenzierungstests es gestatteten, in den meisten Fällen von TSE das Vorliegen von BSE innerhalb weniger Wochen auszuschließen. Außerdem vertrat sie die Auffassung, dass nach dem Ausschluss von BSE keine Gefahr für die öffentliche Gesundheit mehr bestehe und die Tötung des gesamten Bestands angesichts der Wagnisse für die öffentliche Gesundheit als unverhältnismäßig angesehen werden könne. Sie legte sodann eine Tabelle vor, in der die Zahl der Schafe und Ziegen, die in den befallenen Viehbeständen im Zeitraum 2002 bis 2004 für „positiv“ erklärt worden waren, in Prozentsätzen von 0,3 % bis 3,5 % wiedergegeben waren. Sie wies ferner darauf hin, dass sie eine Abschwächung der Politik der Schlachtung von Schafen und Ziegen in den Fällen vorschlagen wolle, in denen BSE ausgeschlossen worden sei, und zugleich die Kontrolle in den befallenen Viehbeständen und die Schlachtung der Tiere jeglichen Alters für den menschlichen Verzehr verstärken wolle, wenn die Ergebnisse der „Schnelltests“ negativ seien. Schließlich erklärte sie, dass auch die Zertifizierung der Viehbestände als ein zusätzliches Mittel zur Tilgung der TSE angesehen werden sollte (vgl. Nrn. 2.5.1 bis 2.5.2 des Fahrplans zur TSE-Bekämpfung). 32      Am 21. September 2005 ersuchten die französischen Behörden die Agence française de sécurité sanitaire des aliments (Französische Agentur für die gesundheitliche Sicherheit von Lebensmitteln, im Folgenden: AFSSA), zum einen die gesundheitlichen Risiken der von der Kommission im Fahrplan zur TSE-Bekämpfung vorgeschlagenen Maßnahmen bei Schafen und Ziegen und zum anderen die Verlässlichkeit der Differenzierungstests zu prüfen. 33      Am 26. Oktober 2005 erstellte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ein Gutachten über die Klassifizierung der Fälle von atypischen TSE bei kleinen Wiederkäuern. Sie kam in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine operationelle Definition der atypischen Scrapie möglich sei. Außerdem empfahl sie, bei den Überwachungsprogrammen eine geeignete Kombination von Tests und Proben zu verwenden, um sicherzustellen, dass die Fälle atypischer Scrapie weiterhin festgestellt würden. 34      Zwischen Dezember 2005 und Februar 2006 wurden aufgrund der in der Europäischen Gemeinschaft durchgeführten Überwachungsprogramme für TSE zwei Schafe aus Frankreich und ein Schaf aus Zypern mit Verdacht einer BSE-Ansteckung ermittelt. Eine Sachverständigengruppe für TSE unter dem Vorsitz des Referenzlabors vertrat in einem Gutachten vom 8. März 2006 die Auffassung, dass, auch wenn die Proben dieser drei Schafe nicht mit den Daten der Datenbank „Experiment BSE Schafe“ übereinstimmten, kein hinreichender Beweis vorliege, um das Vorliegen einer BSE kategorisch auszuschließen. Demzufolge wurden biologische Tests durch Einpflanzung der drei verdächtigen Gewebeproben bei Mäusen vorgenommen. Im Anschluss an die Entdeckung dieser drei Verdachtsfälle richtete die Kommission in allen Mitgliedstaaten eine verstärkte Überwachung der TSE bei Schafen ein (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 2 und 5 und den Anhang der Verordnung [EG] Nr. 1041/2006 der Kommission vom 7. Juli 2006 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung Nr. 999/2001 hinsichtlich der Überwachung der TSE bei Schafen [ABl. L 187, S. 10]). 35      Am 15. Mai 2006 veröffentlichte die AFSSA ein Gutachten zu den im Fahrplan für TSE vorgeschlagenen Schritten der Gemeinschaftsregelung. In diesem Gutachten widersprach sie dem Vorschlag der Kommission, die Schlachtungspolitik abzuschwächen, um die Zuführung des Fleischs von Tieren aus Viehbeständen der von Scrapie befallenen kleinen Wiederkäuer zum menschlichen Verzehr zu gestatten. Sie vertrat die Auffassung, dass die „Schnelltests“ zur Typisierung von Prionstämmen, d. h. die molekularen Differenzierungstests, das Vorkommen von BSE in einer Herde nicht ausschließen könnten und dass ein Schluss, dass mit Ausnahme von BSE alle potenziell bei kleinen Wiederkäuern vorkommenden TSE-Stämme, einschließlich der atypischen Formen, kein Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellten, nicht möglich sei. 36      Die Vorschläge im Fahrplan zur TSE-Bekämpfung wurden dem ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit als zuständigem Ausschuss gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 unterbreitet. 37      Am 22. Juni und am 6. Dezember 2006 wandten sich die französischen Behörden erneut an die AFSSA, damit diese die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen im Bereich der klassischen und der atypischen Scrapie im Einzelnen untersuche. 38      Am 15. Januar 2007 erstellte die AFSSA ein Gutachten über die Entwicklung der Gesundheitsschutzmaßnahmen in Schaf- und Ziegenbeständen, in denen nach der Befassung durch die französischen Behörden am 22. Juni und am 6. Dezember 2006 ein klassischer oder atypischer Fall von Scrapie entdeckt worden war. In diesem Gutachten vertrat sie die Auffassung, dass die Differenzierungstests einen Ausschluss des Vorliegens von BSE weder bei dem untersuchten Tier noch a fortiori bei der Herde, der es angehöre, zuließen und dass die Übertragung anderer TSE als BSE auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden könne. Im Übrigen gab sie an, dass Produkte von Schafen und Ziegen aus mit der klassischen Scrapie infizierten Herden, die unter den im Fahrplan zur TSE-Bekämpfung beschriebenen Bedingungen geschlachtet worden seien, ein zusätzliches Risiko für die öffentliche Gesundheit im Vergleich zu den Produkten darstellten, die allein aus genetisch resistenten Tieren gewonnen seien. Schließlich sei eine quantitative Bewertung dieser Risiken wegen der unzureichenden Daten über die tatsächliche Prävalenz der Scrapie in sämtlichen befallenen Herden und wegen der unzureichenden Daten über die tatsächliche genetische Struktur der Schafpopulation im Allgemeinen nicht möglich. Sie war jedoch aufgrund einer groben Bewertung der Auffassung, dass das relative Risiko bei einem Tier aus einer befallenen Herde etwa 20- bis 600-mal größer sei als bei einem Tier der allgemeinen Population. Dieses zusätzliche Risiko erhöhe sich weiter, wenn nur die Tiere mit empfänglichem Genotyp aus befallenen Herden berücksichtigt würden. Sie empfahl daher die Beibehaltung der geltenden Regelung im Bereich der klassischen Scrapie. 39      Im Anschluss an das Gutachten der AFSSA vom 15. Januar 2007 befasste die Kommission die EFSA und ersuchte sie um ein Gutachten zu den wissenschaftlichen Hypothesen, auf die sich ihre Vorschläge stützen, nämlich die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests und die fehlende Übertragbarkeit anderer TSE-Erreger als BSE auf den Menschen. 40      Am 25. Januar 2007 erstellte die EFSA ein Gutachten über eine „Quantitative Bewertung des Restrisikos von BSE in Schaffleisch und Produkten aus Schaffleisch“. In diesem Gutachten vertrat sie aufgrund der Ergebnisse der verstärkten Überwachung der TSE die Auffassung, dass BSE bei Schafen höchstens zwischen wenigen und einigen Hundert Fällen je Million zum Schlachten geführter Schafe betreffe. Die wahrscheinlichste Prävalenz von BSE bei Schafen sei null. In der Stellungnahme des Spongiform Encephalopathy Advisory Committee (SEAC) vom 21. Dezember 2006, der unabhängige wissenschaftliche Gutachten über TSE für die Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland erstellt, hatte es bereits gehießen, das plausibelste Szenarium sei, dass es kein von BSE-Erregern befallenes Schaffleisch in der Lebensmittelkette des Vereinigten Königreichs gebe. 41      Am 8. März 2007 erstellte die EFSA ein Gutachten über einige Aspekte des Risikos infolge von TSE bei Schafen und Ziegen. In diesem Gutachten vertrat sie die Auffassung, dass es keinen Beweis für eine epidemiologische oder molekulare Verbindung zwischen der klassischen oder atypischen Scrapie und den TSE bei Menschen gebe. Der Erreger der BSE sei der einzige TSE-Erreger, bei dem ein tierischer Ursprung ausgemacht worden sei. Wegen ihrer Verschiedenheit könne aber die Übertragung von anderen tierischen TSE-Erregern als BSE auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden. Außerdem dürften die in den Gemeinschaftsvorschriften beschriebenen Differenzierungstests bislang zuverlässig sein, um BSE von der klassischen oder atypischen Scrapie zu unterscheiden, auch wenn weder die diagnostische Empfindlichkeit noch die Spezifizität der Differenzierungstests als perfekt angesehen werden könne. 42      Im Anschluss an das Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 übermittelte die Kommission dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und die Tiergesundheit am 24. April 2007 den Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Anhänge I, III, VII und X der Verordnung Nr. 999/2001 zur Abstimmung. Der Entwurf wurde mit qualifizierter Mehrheit angenommen. Das Königreich Spanien, die Französische Republik und die Italienische Republik widersprachen. Die Republik Slowenien enthielt sich der Stimme. Die Französische Republik begründete ihren Widerspruch mit der Erwägung, dass die betreffende Verordnung gegen das Vorsorgeprinzip verstoße. 43      Am 26. Juni 2007 erließ die Kommission die Verordnung Nr. 727/2007, gegen die die Französische Republik eine Klage sowie einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim Gericht eingereicht hat. 44      Am 24. Januar 2008 erstellte die EFSA auf Ersuchen der Kommission ein Gutachten über die „Wissenschaftliche und technische Klärung der Auslegung und der Erwägungen zu einigen Facetten der Ergebnisse ihres Gutachtens vom 8. März 2007 über bestimmte Aspekte des TSE-Risikos bei Schafen und Ziegen“. In diesem Gutachten verdeutlichte sie ihren Standpunkt zu den Fragen der Übertragung anderer tierischer TSE als BSE auf den Menschen und der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests. 45      Am 30. April 2008 veröffentlichte das Referenzlabor ein überarbeitetes Gutachten zu in der Untersuchung befindlichen TSE-Fällen bei kleinen Wiederkäuern. In diesem Gutachten stellte es klar, dass die beiden Schafe aus Frankreich und die Ziege aus Zypern, bei denen Ergänzungstests durchgeführt worden waren (vgl. Randnr. 34 des vorliegenden Urteils), nicht als BSE-Fälle eingestuft werden könnten. 46      Am 17. Juni 2008 erließ die Kommission die angefochtene Verordnung zur Änderung des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 und überließ den Mitgliedstaaten eine größere Wahl zwischen den zu treffenden Maßnahmen, wenn eine Herde Schafe oder Ziegen von einer TSE befallen ist, bei der nach einem Differenzierungstest festgestellt wurde, dass es sich nicht um BSE handelt. Wenn nämlich innerhalb eines Viehbestands kleiner Wiederkäuer ein Tier von der Scrapie befallen ist, können die Mitgliedstaaten im Wesentlichen –      die Tiere der Herde vollständig beseitigen (Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. i des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung) oder –      bei Schafen den Genotyp sämtlicher Tiere der Herde bestimmen und die genetisch empfänglichen Tiere beseitigen (Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. ii des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung) oder –      sämtliche Tiere der Herde sofort zum menschlichen Verzehr schlachten, wobei Körper von mehr als 18 Monate alten Tieren nur dann zum menschlichen Verzehr geliefert werden können, wenn sie zuvor mit negativem Ergebnis einem Schnelltest zur Auffindung der TSE unterzogen wurden (Nr. 2.3 Buchst. d Ziff. i des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung und Nr. 7.1 des Anhangs III der Verordnung Nr. 999/2001), oder –      bei Schafen den Genotyp sämtlicher Tiere der Herde bestimmen und sämtliche empfänglichen Tiere der Herde sofort zum menschlichen Verzehr schlachten, wobei Körper von mehr als 18 Monate alten empfänglichen Tieren nur dann zum menschlichen Verzehr geliefert werden können, wenn sie zuvor mit negativem Ergebnis einem Schnelltest zur Auffindung der TSE unterzogen wurden (Nr. 2.3 Buchst. d Ziff. ii des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung), oder –      bei klassischer Scrapie die Tiere im Betrieb zu belassen mit dem Verbot, sie während einer Zeitspanne von zwei Jahren nach Bestätigung des letzten TSE-Falls in der Herde in eine andere Zucht zu verbringen, wobei die Tiere in dieser Zeit gleichwohl geschlachtet und ihre Körper dem menschlichen Verzehr zugeführt werden können, wenn sie zuvor mit negativem Ergebnis einem Schnelltest zur Auffindung der TSE unterzogen wurden (Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii und Nr. 4 des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung), oder –      bei atypischer Scrapie die Tiere im Betrieb zu belassen mit dem Verbot, sie während einer Zeitspanne von zwei Jahren nach Bestätigung des letzten TSE-Falls in der Herde in einen anderen Mitgliedstaat oder Drittstaat auszuführen, wobei die Tiere in dieser Zeit gleichwohl geschlachtet und ihre Körper dem menschlichen Verzehr zugeführt werden können, wenn sie zuvor mit negativem Ergebnis einem Schnelltest zur Auffindung der TSE unterzogen wurden (Nr. 2.3 Buchst. c und Nr. 5 des Kapitels A des Anhangs VII der angefochtenen Verordnung). Verfahren 47      Mit Klageschrift, die am 17. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik wegen Verletzung des Vorsorgeprinzips Klage auf Nichtigerklärung von Nr. 3 des Anhangs der Verordnung Nr. 727/2007 erhoben, soweit mit ihr in Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 die Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii, die Nr. 2.3 Buchst. d und die Nr. 4 eingefügt werden, die die Regelung für die Tilgung der TSE abschwächen. Außerdem hat sie einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs dieser Regelung gestellt. 48      Mit Beschluss vom 28. September 2007, Frankreich/Kommission (T‑257/07 R, Slg. 2007, II‑4153, im Folgenden: erster Beschluss Frankreich/Kommission), hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und die Anwendung der besagten Vorschriften bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache ausgesetzt. 49      Mit Schriftsatz, der am 15. Oktober 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Mit Beschluss vom 30. November 2007 hat der Präsident der Dritten Kammer diesem Antrag stattgegeben. 50      Am 17. Juni 2008 hat die Kommission beantragt, die Hauptsache für erledigt zu erklären, und darauf verzichtet, eine Gegenerwiderung einzureichen. Diesen Antrag hat sie mit dem alsbaldigen Erlass der angefochtenen Verordnung begründet. 51      Am 28. Juli 2008 hat die Französische Republik ihre Stellungnahme zum Antrag der Kommission auf Erledigungserklärung eingereicht. Sie hat beantragt, das laufende gerichtliche Verfahren auf die Vorschriften der angefochtenen Verordnung auszudehnen, weil diese an die Stelle der streitigen Vorschriften der Verordnung Nr. 727/2007 träten, sie aber noch näher begründeten. 52      Am 31. Juli 2008 wurde die angefochtene Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie ist am 29. September 2008 in Kraft getreten. 53      Am 28. August 2008 hat die Kommission bei der Kanzlei des Gerichts ihre Stellungnahme zum Antrag der Französischen Republik eingereicht, das laufende Verfahren auf die angefochtene Verordnung auszudehnen. In dieser Stellungnahme hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass dieser Antrag begründet sei. 54      Mit besonderem Schriftsatz, der am 19. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik einen neuen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, mit dem sie im Kern die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Verordnung erreichen möchte, soweit mit ihr in Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 die Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii, die Nr. 2.3. Buchst. d und die Nr. 4 eingefügt werden. 55      Das Vereinigte Königreich hat zu dem Antrag auf Ausdehnung des laufenden Verfahrens auf die angefochtene Verordnung vor Ablauf der hierfür vorgesehenen Frist am 25. September 2008 keine Stellungnahme abgegeben. 56      Mit Entscheidung vom 6. Oktober 2008 hat das Gericht (Dritte Kammer) dem Antrag der Französischen Republik auf Ausdehnung des anhängigen Verfahrens auf die beanstandeten Vorschriften entsprochen und die Einreichung ergänzender Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel zugelassen. 57      Mit Beschluss vom 30. Oktober 2008, Frankreich/Kommission (T‑257/07 R II, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: zweiter Beschluss Frankreich/Kommission), hat der für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter des Gerichts dem zweiten Antrag der Französischen Republik auf Aussetzung des Vollzugs in dieser Rechtssache stattgegeben und die Anwendung der fraglichen Regelung bis zum Erlass des Urteils in der Hauptsache ausgesetzt. 58      Am 19. November 2008 hat die Französische Republik ihre ergänzenden Anträge bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht. 59      Am 23. Dezember 2008 und am 16. Januar 2009 haben die Kommission und das Vereinigte Königreich ihre Stellungnahmen zu den ergänzenden Anträgen eingereicht. Ferner hat die Kommission am 23. Dezember 2008 beantragt, in der vorliegenden Rechtssache gemäß Art. 76a der Verfahrensordnung des Gerichts im beschleunigten Verfahren zu entscheiden 60      Am 21. Januar 2009 hat die Französische Republik ihre Stellungnahme zum Antrag der Kommission auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren eingereicht. Das Vereinigte Königreich hat sich innerhalb der festgelegten Frist nicht zu diesem Antrag der Kommission geäußert. 61      Mit Entscheidung vom 30. Januar 2009 hat das Gericht (Dritte Kammer) den Antrag der Kommission auf ein beschleunigtes Verfahren zurückgewiesen, aber beschlossen, die vorliegende Rechtssache wegen ihrer besonderen Umstände gemäß Art. 55 § 2 der Verfahrensordnung mit Vorrang zu entscheiden. Gemäß Art. 14 der Verfahrensordnung hat das Gericht auf Vorschlag der Dritten Kammer die Rechtssache gemäß Art. 51 der Verfahrensordnung an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen. Anträge der Beteiligten 62      Die Französische Republik beantragt, –      die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären, soweit mit ihr in Kapitel A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 die Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii, die Nr. 2.3 Buchst. d und die Nr. 4 eingefügt werden; –      der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 63      Die Kommission, unterstützt durch das Vereinigte Königreich, beantragt, –      die Klage als unbegründet abzuweisen; –      der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen. Zur Begründetheit 1.     Grundsätzliche Erwägungen Zum Schutz der menschlichen Gesundheit 64      Art. 152 Abs. 1 EG bestimmt, dass bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und ‑maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird. Dieser Schutz der öffentlichen Gesundheit hat vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen, so dass er negative wirtschaftliche Auswirkungen, auch beträchtliche, für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofs vom 12. Juli 1996, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96 R, Slg. 1996, I‑3903, Randnr. 93, und Urteil des Gerichts vom 28. Juni 2005, Industrias Químicas del Vallés/Kommission, T‑158/03, Slg. 2005, II‑2425, Randnr. 134). 65      Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 übernimmt die Verpflichtung des Art. 152 Abs. 1 EG in die Verordnung Nr. 999/2001, wenn er die Forderung aufstellt, dass Entscheidungen im Rahmen dieser Verordnung auf die Erhaltung oder, sofern dies wissenschaftlich begründet ist, Erhöhung des in der Gemeinschaft gewährleisteten Schutzniveaus für die menschliche Gesundheit gerichtet sind. Zum Vorsorgeprinzip Begriffsbestimmung 66      Das Vorsorgeprinzip stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der in den Art. 3 Buchst. p EG, 6 EG, 152 Abs. 1 EG, 153 Abs. 1 und 2 EG und 174 Abs. 1 und 2 EG verankert ist und die zuständigen Behörden verpflichtet, im genauen Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse nach der einschlägigen Regelung geeignete Maßnahmen zu treffen, um bestimmte potenzielle Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt auszuschließen, indem sie den mit dem Schutz dieser Interessen verbundenen Erfordernissen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen einräumen (vgl. Urteile des Gerichts vom 26. November 2002, Artegodan u. a./Kommission, T‑74/00, T‑76/00, T‑83/00 bis T‑85/00, T‑132/00, T‑137/00 und T‑141/00, Slg. 2002, II‑4945, Randnrn 183 und 184, und vom 21. Oktober 2003, Solvay Pharmaceuticals/Rat, T‑392/02, Slg. 2003, II‑4555, Randnr. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung). 67      Ferner erlaubt das Vorsorgeprinzip, wie dies in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 178/2002 im Zusammenhang des Lebensmittelrechts zum Ausdruck kommt, den Erlass vorläufiger Maßnahmen des Risikomanagements zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus, wenn nach einer Auswertung der verfügbaren Informationen die Möglichkeit gesundheitsschädlicher Auswirkungen festgestellt wird, aber wissenschaftlich noch Unsicherheit besteht. 68      Wenn daher das Vorliegen oder der Umfang von Gefahren für die menschliche Gesundheit wissenschaftlich ungewiss ist, können die Organe in Anwendung des Vorsorgeprinzips Schutzmaßnahmen treffen, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargelegt sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 99, vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C‑236/01, Slg. 2003, I‑8105, Randnr. 111, und vom 12. Januar 2006, Agrarproduktion Staebelow, C‑504/04, Slg. 2006, I‑679, Randnr. 39; Urteil des Gerichts vom 10. März 2004, Malagutti-Vezinhet/Kommission, T‑177/02, Slg. 2004, II‑827, Randnr. 54) oder die abträglichen Wirkungen für die Gesundheit tatsächlich eintreten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. September 2002, Pfizer Animal Health/Rat, T-13/99, Slg. 2002, II-3305, Randnrn. 139 und 141, und Alpharma/Rat, T‑70/99, Slg. 2002, II‑3495, Randnrn. 152 und 154). 69      Innerhalb des Verfahrens, das mit dem Erlass geeigneter Maßnahmen zur Vermeidung bestimmter potenzieller Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt aufgrund des Vorsorgeprinzips durch ein Organ endet, lassen sich drei aufeinanderfolgende Schritte unterscheiden: erstens die Ermittlung der potenziell abträglichen Wirkungen, die sich aus einem Vorgang ergeben, zweitens die Bewertung der mit diesem Vorgang verbundenen Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und drittens, wenn die ermittelten potenziellen Gefahren die Schwelle der gesellschaftlichen Akzeptanz überschreiten, das Risikomanagement durch den Erlass geeigneter Schutzmaßnahmen. Während der erste dieser Schritte keiner näheren Erläuterung bedarf, verdienen die beiden nächsten eine nähere Betrachtung. Bewertung der Gefahren –       Einleitung 70      Die Bewertung der Gefahren für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt besteht für das Organ, das sich mit potenziell abträglichen Wirkungen eines Vorgangs konfrontiert sieht, in der wissenschaftlichen Einschätzung dieser Gefahren und der Feststellung, ob sie das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Gefahrenniveau überschreiten. Damit die Organe der Union eine solche Einschätzung der Gefahren vornehmen können, müssen sie daher zum einen über eine wissenschaftliche Bewertung der Gefahren verfügen und zum anderen das Gefahrenniveau festlegen, das für die Gesellschaft nicht mehr akzeptabel erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 145, und Alpharma/Rat, Randnr. 162, beide oben in Randnr. 68 angeführt). –       Zur wissenschaftlichen Bewertung der Risiken 71      Die wissenschaftliche Risikobewertung ist ein wissenschaftliches Verfahren, mit dem so weit wie möglich eine Gefahr ermittelt und beschrieben, eine Abschätzung des Risikos vorgenommen und das Risiko umschrieben wird (Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 156, und Alpharma/Rat, Randnr. 169, beide oben in Randnr. 68 angeführt). 72      Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 2. Februar 2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (KOM[2000] 1) diese vier Grundbestandteile einer wissenschaftlichen Risikobewertung wie folgt beschrieben (vgl. Anhang III): „Gefahrenermittlung bedeutet, die biologischen und chemischen Agenzien oder physikalischen Einwirkungen, die negative Auswirkungen haben können, zu identifizieren. … Bei der Gefahrenbeschreibung werden Eigenart und Schweregrad der mit den ursächlichen Agenzien oder Tätigkeiten verbundenen negativen Auswirkungen quantitativ und/oder qualitativ bestimmt. … Die Abschätzung des Risikos besteht aus einer quantitativen oder qualitativen Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, mit dem untersuchten Agens in Berührung zu kommen. … Die Risikobeschreibung entspricht der qualitativen und/oder quantitativen Schätzung (unter Berücksichtigung inhärenter Ungewissheiten) der Wahrscheinlichkeit und Häufigkeit sowie des Schweregrads bekannter oder möglicher umwelt- oder gesundheitsschädigender Wirkungen. Sie wird auf der Grundlage der drei vorgenannten Stufen erstellt und hängt stark von den in jedem einzelnen Stadium des Verfahrens berücksichtigten Unsicherheiten, Schwankungen, Arbeitshypothesen und Annahmen ab.“ 73      Da es sich um ein wissenschaftliches Verfahren handelt, muss die zuständige Stelle die wissenschaftliche Risikobewertung wissenschaftlichen Experten übertragen (Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 157, und Alpharma/Rat, Randnr. 170, beide oben in Randnr. 68 angeführt). 74      Im Übrigen muss die wissenschaftliche Risikobewertung gemäß Art. 6 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 auf den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht der Organe, ein hohes Niveau des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt sicherzustellen, bedeutet, dass ihre Entscheidungen unter voller Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten getroffen und auf die neuesten internationalen Forschungsergebnisse gestützt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnr. 158, und Alpharma/Rat, Randnr. 171, beide oben in Randnr. 68 angeführt). 75      Von einer wissenschaftlichen Risikobewertung kann nicht verlangt werden, dass sie den Organen zwingende wissenschaftliche Beweise für das tatsächliche Vorliegen des Risikos und die Schwere der potenziellen nachteiligen Wirkungen im Fall seiner Verwirklichung liefert. Der Kontext der Anwendung des Vorsorgeprinzips entspricht nämlich jedenfalls einem Kontext wissenschaftlicher Unsicherheit. Eine vorbeugende Maßnahme darf indessen nicht mit einer rein hypothetischen Betrachtung des Risikos begründet werden, die auf wissenschaftlich noch nicht verifizierte bloße Vermutungen gestützt ist (Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnrn. 142 und 143; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Schweden/Kommission, T‑229/04, Slg. 2007, II‑2437, Randnr. 161). 76      Außerdem darf eine vorbeugende Maßnahme oder umgekehrt ihre Rücknahme oder Abschwächung nicht von dem Nachweis abhängig gemacht werden, dass keinerlei Risiken bestehen, weil ein solcher Nachweis im Allgemeinen aus wissenschaftlicher Sicht nicht erbracht werden kann, da es in der Praxis ein Risikoniveau „null“ nicht gibt (vgl. in diesem Sinne Urteil Solvay Pharmaceuticals/Rat, oben in Randnr. 66 angeführt, Randnr. 130). Mithin kann eine vorbeugende Maßnahme nur dann getroffen werden, wenn das Risiko, ohne dass seine Existenz und sein Umfang durch zwingende wissenschaftliche Daten in vollem Umfang nachgewiesen worden wären, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Maßnahme verfügbaren wissenschaftlichen Daten gleichwohl hinreichend dokumentiert erscheint (Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnrn. 144 und 146). In einem solchen Zusammenhang entspricht somit der Begriff „Risiko“ dem Grad der Wahrscheinlichkeit nachteiliger Wirkungen für das von der Rechtsordnung geschützte Gut aufgrund der Akzeptanz bestimmter Maßnahmen oder bestimmter Verfahren (vgl. in diesem Sinne Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 147). 77      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass sich eine vollständige wissenschaftliche Risikobewertung wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweisen kann. Dies kann indessen die zuständige Behörde nicht daran hindern, aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen zu treffen. In diesem Fall müssen die wissenschaftlichen Experten trotz der fortbestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit eine wissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, die der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermittelt, dass diese Stelle die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile Pfizer Animal Health/Rat, Randnrn. 160 bis 163, und Alpharma/Rat, Randnrn. 173 bis 176, beide oben in Randnr. 68 angeführt). –       Zur Bestimmung des Risikoniveaus 78      Die Bestimmung des Risikoniveaus, das für die Gesellschaft unannehmbar erscheint, steht, soweit die anwendbaren Rechtsvorschriften gewahrt werden, den Organen zu, die für die in der Festlegung des für diese Gesellschaft angemessenen Schutzniveaus bestehende politische Entscheidung zuständig sind. Diese Organe haben die kritische Schwelle für die Wahrscheinlichkeit nachteiliger Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt und für die Schwere dieser potenziellen Wirkungen festzulegen, die ihnen für diese Gesellschaft nicht mehr annehmbar erscheint und bei deren Überschreitung im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt trotz der weiterhin bestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit der Rückgriff auf vorbeugende Maßnahmen erforderlich wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 11. Juli 2000, Toolex, C‑473/98, Slg. 2000, I‑5681, Randnr. 45, und Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnrn. 150 und 151). 79      Bei der Bestimmung des für die Gesellschaft unannehmbar erscheinenden Risikoniveaus sind die Organe durch ihre Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt gebunden. Dieses hohe Schutzniveau muss nicht unbedingt auf das in technischer Hinsicht Höchstmögliche abzielen, um mit dieser Vorschrift vereinbar zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1998, Safety Hi-Tech, C‑284/95, Slg. 1998, I‑4301, Randnr. 49). Im Übrigen ist den Organen eine rein hypothetische Betrachtung des Risikos und eine Ausrichtung ihrer Entscheidungen auf ein „Nullrisiko“ untersagt (Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 152). 80      Die Bestimmung des für die Gesellschaft unannehmbar erscheinenden Risikoniveaus hängt von der Beurteilung der besonderen Umstände jedes Einzelfalls durch die zuständige öffentliche Stelle ab. Insoweit kann die betreffende Stelle insbesondere die Schwere der Auswirkung, die der Eintritt dieses Risikos auf die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt hat, einschließlich des Umfangs der möglichen nachteiligen Wirkungen, die Dauer, die Reversibilität oder die möglichen Spätfolgen dieser Schäden sowie die mehr oder weniger konkrete Wahrnehmung des Risikos nach dem Stand der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 153). Risikomanagement 81      Das Risikomanagement umfasst die Gesamtheit der Maßnahmen eines mit einem Risiko konfrontierten Organs, die dieses auf ein für die Gesellschaft annehmbar erscheinendes Niveau zurückführen sollen, wie es seiner Pflicht zur Gewährleistung eines hohen Niveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt entspricht. Übersteigt nämlich dieses Risiko das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Niveau, ist das Organ aufgrund des Vorsorgeprinzips gehalten, vorläufige Maßnahmen des Risikomanagements zu ergreifen, die erforderlich sind, um ein hohes Schutzniveau sicherzustellen. 82      Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 müssen die betreffenden vorläufigen Maßnahmen im Vergleich zu entsprechenden bereits erlassenen Maßnahmen verhältnismäßig, frei von Diskriminierung, transparent und kohärent sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 1. April 2004, Bellio F.lli, C‑286/02, Slg. 2004, I‑3465, Randnr. 59). 83      Schließlich ist es Sache der zuständigen Behörde, die betreffenden vorläufigen Maßnahmen binnen angemessener Frist zu überprüfen. So ist entschieden worden, dass es, wenn neue Informationen die Wahrnehmung eines Risikos ändern oder zeigen, dass diesem Risiko durch Maßnahmen begegnet werden kann, die weniger einschränkend sind als die bestehenden, den Organen und insbesondere der Kommission, die das Initiativrecht hat, obliegt, für eine Anpassung der Regelung an die neuen Gegebenheiten zu sorgen (Urteil Agrarproduktion Staebelow, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 40). Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle 84      Die Organe verfügen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen hinsichtlich der Definition der verfolgten Ziele und der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums (vgl. Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem müssen sie bei ihrer Risikobewertung komplexe Würdigungen vornehmen, um anhand der technischen und wissenschaftlichen Informationen, die ihnen von Experten im Rahmen der wissenschaftlichen Risikobewertung geliefert werden, zu prüfen, ob die Risiken für die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt das für die Gesellschaft annehmbar erscheinende Risikoniveau überschreiten. 85      Dieses weite Ermessen und diese komplexen Beurteilungen bedeuten, dass die Prüfung durch den Unionsrichter beschränkt ist. Dieses Ermessen und diese Beurteilungen führen nämlich dazu, dass sich die gerichtliche Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Organe bei der Ausübung ihrer Befugnisse einen offensichtlichen Fehler oder einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten haben (vgl. Urteile des Gerichtshofs Monsanto Agricoltura Italia u. a., oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 135, und vom 15. Oktober 2009, Enviro Tech [Europe], C‑425/08, Slg. 2009, I‑10035, Randnr. 47, sowie Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 166 und die dort angeführte Rechtsprechung). 86      Bei der Prüfung durch den Unionsrichter, ob dem Rechtsakt eines Organs ein offensichtlicher Beurteilungsfehler anhaftet, kann ein die Nichtigerklärung dieses Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum eines Organs bei der Würdigung eines komplexen Sachverhalts nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in dem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Slg. 1996, II‑2169, Randnr. 59, und vom 1. Juli 2004, Salzgitter/Kommission, T‑308/00, Slg. 2004, II‑1933, Randnr. 138). Vorbehaltlich dieser Plausibilitätsprüfung darf das Gericht die Beurteilung eines komplexen Sachverhalts durch den Urheber der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (Urteil Enviro Tech, oben in Randnr. 85 angeführt, Randnr. 47, und Urteil des Gerichts vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission, T‑289/03, Slg. 2008, II‑81, Randnr. 221). 87      Die Beschränkung der Kontrolle durch den Unionsrichter berührt jedoch nicht dessen Pflicht, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen sowie zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnr. 57, und vom 6. November 2008, Niederlande/Kommission, C‑405/07 P, Slg. 2008, I‑8301, Randnr. 55). 88      In Fällen, in denen ein Organ über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, kommt der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, grundlegende Bedeutung zu. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass zu diesen Garantien u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs gehört, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen und seine Entscheidung hinreichend zu begründen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 14, vom 7. Mai 1992, Pesquerias De Bermeo und Naviera Laida/Kommission, C‑258/90 und C‑259/90, Slg. 1992, I‑2901, Randnr. 26, sowie Spanien/Lenzing, Randnr. 58, und Niederlande/Kommission, Randnr. 56, beide oben in Randnr. 87 angeführt). 89      So wurde bereits entschieden, dass die Vornahme einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Risikobewertung auf der Grundlage wissenschaftlicher Gutachten, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruhen, eine wichtige Verfahrensgarantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen darstellt (vgl. Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 172). 2.     Zum einzigen Klagegrund der Verletzung des Vorsorgeprinzips 90      Die Französische Republik macht einen einzigen Klagegrund geltend, mit dem sie rügt, dass die Kommission durch die Aufnahme von Nr. 2.3 Buchstabe b Ziffer iii, Nr. 2.3 Buchst. d und Nr. 4 des Kapitels A des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 in die angefochtene Verordnung (im Folgenden: angefochtene Maßnahmen) das Vorsorgeprinzip verletzt habe. 91      Zur Stützung dieses Klagegrundes stellt die Französische Republik zum einen die Risikobewertung durch die Kommission in Frage und zieht zum anderen deren Risikomanagement in Zweifel. 3.     Zur Risikobewertung Einleitung 92      Zur Risikobewertung durch die Kommission macht die Französische Republik geltend, die Kommission habe erstens die wissenschaftlichen Unsicherheiten beim Risiko der Übertragung anderer TSE als BSE auf den Menschen nicht berücksichtigt, zweitens die Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ nicht wissenschaftlich prüfen lassen, drittens bei der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests die wissenschaftlichen Unsicherheiten außer Acht gelassen und viertens die mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen verbundenen Risiken nicht zu gegebener Zeit prüfen lassen. Zu den Rügen fehlender Berücksichtigung und fehlerhafter Bewertung wissenschaftlicher Unsicherheiten bei der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen 93      Die Französische Republik steht auf dem Standpunkt, dass die Kommission bei der Risikobewertung das Vorsorgeprinzip verkannt habe, weil sie die wissenschaftlichen Unsicherheiten bezüglich des Risikos der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen nicht berücksichtigt oder voreingenommen ausgelegt habe. 94      Die Kommission bekräftigt, dass in der Wissenschaftsgemeinschaft und bei internationalen Einrichtungen Einigkeit darüber herrsche, dass jeder Anhaltspunkt fehle, der die Übertragbarkeit der Scrapie auf den Menschen belegen könne. Es gebe keinerlei Beweis einer epidemiologischen oder molekularen Verbindung zwischen dem Erreger der Scrapie und den TSE, die den Menschen befielen. BSE sei die einzige TSE, die tierischen Ursprungs sei. 95      Das Vereinigte Königreich bringt im Kern vor, dass die Uneinigkeit der Französischen Republik mit der Einschätzung der Kommission bezüglich der Übertragbarkeit der TSE, die Schafe und Ziegen befielen, auf den Menschen nicht ausreichend sei, um einen Irrtum in dieser Hinsicht zu belegen, und dass die Kommission nicht zum Abwarten gezwungen werden könne, um in Erfahrung zu bringen, ob die betreffenden wissenschaftlichen Modelle in mehr oder weniger naher Zukunft nahezu perfekte Belegstücke oder Entsprechungen haben würden. Die Gutachten der EFSA hätten eine vollkommen ausreichende Grundlage für das Vorgehen der Kommission geschaffen. 96      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Erwägungsgründen 10 bis 12 und 18 der angefochtenen Verordnung ihre Einschätzung des Risikos der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen zum Ausdruck gebracht. Insbesondere hat sie, gestützt auf das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008, Folgendes ausgeführt: „Den Klarstellungen der EFSA zufolge stellt die Vielfalt der Krankheitserreger bei Schafen und Ziegen ein wichtiges Element dar, das es unmöglich macht, eine Übertragbarkeit auf den Menschen auszuschließen, und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass einer der TSE-Erreger übertragbar ist. Die EFSA erklärt jedoch, dass es keinen wissenschaftlichen Nachweis eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen anderen Formen von TSE als BSE bei Schafen und Ziegen einerseits und TSE beim Menschen andererseits gibt. Die Auffassung der EFSA, dass eine Übertragbarkeit von TSE-Erregern bei Schafen und Ziegen auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden kann, stützt sich auf experimentelle Untersuchungen zur möglichen Überwindung der Barriere zum Menschen auf der Basis von Tiermodellen (Primaten und Mäuse). Diese Modelle berücksichtigen allerdings nicht die genetischen Eigenschaften des Menschen, die einen wesentlichen Einfluss auf die relative Empfänglichkeit für Prionenerkrankungen ausüben. Darüber hinaus gelten bei diesen Modellen auch Einschränkungen, was die Extrapolation von Ergebnissen auf natürliche Bedingungen anbelangt; zu nennen sind hier insbesondere die Unsicherheit darüber, wie gut sie die Barriere zum Menschen simulieren, und die Unsicherheit darüber, wie gut die durchgeführte experimentelle Beimpfung die Exposition unter natürlichen Bedingungen simuliert. Hieraus ist zu schließen, dass, wenngleich das Risiko einer Übertragbarkeit von TSE-Erregern bei Schafen und Ziegen auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden kann, dieses Risiko doch äußerst gering wäre, wenn man berücksichtigt, dass die Nachweise einer Übertragbarkeit auf experimentellen Modellen basieren, die hinsichtlich der realen Barriere zum Menschen und der realen Infektionswege nicht die natürlichen Bedingungen abbilden.“ (vgl. den zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung). 97      Aus dem zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung ergibt sich somit, dass die Kommission ausdrücklich anerkannt hat, dass es angesichts der Vielfalt der Krankheitserreger und der Ergebnisse experimenteller Modelle unmöglich sei, jede Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen auszuschließen. Somit bringt die Französische Republik zu Unrecht vor, die Kommission habe bei der Risikobewertung vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen die wissenschaftlichen Unsicherheiten außer Acht gelassen, die bezüglich des Risikos der Übertragbarkeit dieser TSE auf den Menschen weiterhin bestünden. 98      Die Französische Republik bringt allerdings ebenfalls vor, die Kommission habe mit der Annahme, dass das Risiko der Übertragung einer anderen TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen überaus gering sei, die ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Gutachten in voreingenommener Weise ausgelegt. 99      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass angesichts des weiten Ermessens der Kommission im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik und der komplexen Beurteilungen, die sie im Rahmen ihrer Risikobewertung vornehmen muss, die Kontrolle durch den Unionsrichter im vorliegenden Fall beschränkt ist. Sie besteht darin nachzuprüfen, ob der Kommission bei der Auswertung der ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Gutachten kein offensichtlicher Irrtum unterlaufen ist. Ein solcher Irrtum setzt voraus, dass die von der Partei, die sich auf ihn beruft, beizubringenden Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in der angefochtenen Verordnung als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. Randnr. 86 des vorliegenden Urteils). 100    Im vorliegenden Fall hat die Kommission aus den Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 abgeleitet, dass das Risiko der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen äußerst gering sei. 101    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dem Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 zu entnehmen ist und von den Parteien nicht bestritten wird, dass es keinen Nachweis für eine epidemiologische oder molekulare Verbindung zwischen der klassischen oder atypischen Scrapie einerseits und der TSE bei Menschen andererseits gibt. 102    Im Übrigen hat die EFSA in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2008 deutlich gemacht, dass gleichwohl nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine andere TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen übertragen werden könne. Sie hat hierzu erläutert, dass das Fehlen eines Beweises für eine epidemiologische Verbindung nicht notwendig belege, dass eine Querverbindung zwischen den TSE bei Tieren und den TSE bei Menschen fehle, weil dieses Fehlen zum Teil auf fehlende Daten und Unkenntnis der Vielfalt der tierischen und menschlichen TSE zurückzuführen sei. Ihr zufolge konnte das angenommene Fehlen einer Verbindung zwischen den TSE bei Menschen und denen bei Tieren daher verfälscht sein durch erstens das Fehlen von Daten über die tatsächliche historische Prävalenz und die Verteilung der TSE bei kleinen Wiederkäuern, wenn allein eine passive Überwachung stattgefunden habe, zweitens die fehlende Kenntnis von der tatsächlichen Vielfalt der TSE bei kleinen Wiederkäuern im Hinblick auf die Erreger sowohl der klassischen als auch der atypischen Scrapie, drittens die fehlende Kenntnis der Vielfalt der TSE bei Menschen, die auf das Fehlen der Ermittlung dieser TSE auf molekularem oder biotischem Weg sowie die Zahl und das Spektrum neurodegenerativer Erkrankungen der Menschen zurückzuführen sei, und viertens den voraussichtlichen Phänotyp der Erkrankung, der sichtbar werden könnte, wenn eine TSE bei Tieren auf den Menschen übertragen würde (vgl. Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008, S. 4). 103    Außerdem ergibt sich aus den Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008, dass experimentelle Versuche die Möglichkeit einer Übertragung von TSE bei Tieren auf den Menschen nicht ausschließen konnten. 104    Der EFSA zufolge haben In-vitro-Tests zur Übertragbarkeit gezeigt, dass die Eignung der BSE- und Scrapie-Erreger zur Ansteckung des Menschen nach einer gleichwertigen Exposition gering ist (vgl. Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008, S. 5). Im Übrigen hätten Labortests mit tierischen Modellen die Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Schafen oder Ziegen bewiesen (vgl. Gutachten der EFSA vom 8. März 2007, S. 6, und vom 24. Januar 2008, S. 4). Sie hat insbesondere auf die orale Übertragung eines Erregers der klassischen Scrapie von einem Hamster auf einen Totenkopfaffen und die intrazerebrale Übertragung der klassischen Scrapie zweier verschiedener Schafsstämme auf einen Makaken und einen Marmosetten sowie auf die Übertragung eines Erregers einer anderen TSE als der klassischen BSE auf ein „Mäusemodell“ mit dem menschlichen Gen M129 PRP hingewiesen. 105    Die Kommission durfte jedoch, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass diese experimentellen Modelle unvollkommen waren. Die EFSA gab nämlich in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2007 an, dass die besagten Modelle nicht erlaubten, die Vielgestaltigkeit des menschlichen Gens PRNP zu berücksichtigen. Dieses Gen spielt aber bei der Einschätzung der Empfänglichkeit für die TSE eine wichtige Rolle, und es lässt sich nicht ausschließen, dass andere Gene auf die Ermittlung der allgemeinen Empfänglichkeit für die TSE Einfluss haben. Außerdem hatte die EFSA in ihrem Gutachten vom 8. März 2007 die Auffassung vertreten, dass der Expositionsweg, die Dosis und die kumulierten Expositionen die Eignung der TSE-Erreger zur Überwindung der menschlichen Barriere beeinflussen könnten. Der Einfluss dieser Faktoren auf die Repräsentativität der experimentellen Modelle ist aber in den Gutachten der EFSA nicht ausdrücklich behandelt. 106    So ergibt sich aus den Gutachten der EFSA, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Tieren beschränkt waren, da die einzigen Anhaltspunkte, die es erlaubt hätten, die Fähigkeit von Erregern anderer TSE als BSE zur Ansteckung von Menschen zu bestätigen, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen experimentelle Modelle waren. Diese Modelle stellten indessen die Barriere des Menschen und dessen Exposition unter natürlichen Bedingungen für andere TSE bei Tieren als BSE nicht verlässlich dar. Diese Mängel der Repräsentativität der experimentellen Modelle schränkten spürbar deren Eignung ein, eine mögliche Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch eine andere TSE als BSE bei Tieren nachzuweisen. Die Interaktion zwischen einer TSE bei Tieren und der Barriere des Menschen einerseits und die Expositionswege des Menschen bei anderen TSE als BSE bei Tieren andererseits stellen nämlich wichtige Gesichtspunkte bei der Einschätzung des Risikos der Übertragung von anderen TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen dar. 107    Ferner hat zwar der SEAC in seiner Erklärung vom Februar 2008 zu dem potenziellen Risiko der Änderungen bei der Überwachung der klassischen Scrapie für den Menschen bestätigt, dass eine Verbindung zwischen der klassischen Scrapie und den TSE bei Menschen nicht ausgeschlossen werden könne, doch hat er die Auffassung vertreten, dass dieses Risiko sehr gering sein sollte. Die sehr schwache und verhältnismäßig konstante Häufigkeit der Fälle von TSE bei Menschen weltweit belege, dass es eine zumindest spürbare, wenn auch nicht vollständige Barriere gegen eine Übertragung der klassischen Scrapie auf den Menschen geben müsse. 108    Angesichts der Beschränktheit und geringen Repräsentativität der wissenschaftlichen Anhaltspunkte, die zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen den Nachweis gestattet hätten, dass eine andere TSE als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen übertragbar war, durfte die Kommission ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgehen, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit, dass eine andere TSE als BSE bei Schafen oder Ziegen auf den Menschen übertragen werden könne, äußerst gering sei. Daher weist die Feststellung im zwölften Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung, dass das Risiko der Übertragung einer solchen TSE auf den Menschen äußerst gering sei, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler auf. 109    Die Französische Republik hat weder ein Argument noch ein Beweismittel angeführt, das geeignet wäre, der Einschätzung der Kommission, dass das Risiko der Übertragung einer anderen TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen äußerst gering sei, die Plausibilität zu nehmen. Was insbesondere ihre Ansicht betrifft, die Grenzen der experimentellen Modelle für Scrapie seien die gleichen wie bei den für BSE verwandten Modellen, so hat sie in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass die letztgenannten Modelle allein nicht ausgereicht hätten, um eine Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen aufzudecken. Ohne die molekularen und epidemiologischen Daten der BSE hätte diese Übertragbarkeit folglich nicht nachgewiesen werden können. Selbst wenn also die für die Bewertung des Risikos der Übertragbarkeit von anderen TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen eingesetzten experimentellen Modelle dieselben wären wie die bei der Einschätzung des Risikos der Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen verwendeten Modelle, hätte dies nicht ausgereicht, um die Größe des Risikos einzustufen. Außerdem belegt die Identität der experimentellen Modelle, wie die Französische Republik ausgeführt hat, keinesfalls, dass das Risiko gering war. Demgegenüber kann es auf der Grundlage des Kenntnisstands zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen als Anhaltspunkt für die geringe Wahrscheinlichkeit einer Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen angesehen werden, dass im vorliegenden Fall lediglich die experimentellen Modelle nahelegen, dass eine Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden kann. Zur Rüge der fehlenden Befragung wissenschaftlicher Experten zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ Einleitende Erwägungen 110    Die Französische Republik ist der Auffassung, dass die Kommission, weil sie die EFSA nicht zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ befragt habe, gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen habe. Die Kommission und das Vereinigte Königreich sind im Kern der Meinung, dass die Kommission dank der Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 ausreichend über die Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ informiert gewesen sei. 111    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die „Schnelltests“ bezwecken, das Vorliegen einer TSE, aber nicht deren Typ, also BSE, klassische Scrapie oder atypische Scrapie, bei kleinen Wiederkäuern auf der Grundlage von Gewebeproben toter Tiere nachzuweisen. 112    Sodann ist festzuhalten, dass nach der Verordnung Nr. 999/2001 Verhütung, Kontrolle und Tilgung der TSE insbesondere im Rahmen eines jährlichen Überwachungsprogramms für BSE und Scrapie erfolgen, zu dem ein Screening-Verfahren unter Anwendung der „Schnelltests“ gehört. Die besagte Überwachung bedeutet nämlich, dass eine für jedes Gebiet und jede Jahreszeit repräsentative Stichprobe toter Tiere diesen Tests unterworfen wird (vgl. Anhang I der Verordnung Nr. 270/2002). Diese Tests werden nach ihrer Zulassung in Anhang X der Verordnung Nr. 999/2001 aufgenommen (vgl. Art. 6 der Verordnung Nr. 999/2001). 113    Die Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 sollen die Leistungsfähigkeit von neun „Schnelltests“ post mortem an Geweben von Schafen und Ziegen unter Berücksichtigung der Meinung der AFSSA bewerten und Empfehlungen zur Zulassung dieser Tests geben. 114    Die EFSA hat in ihren Gutachten vom 17. Mai und vom 26. September 2005 insbesondere die verschiedenen „Schnelltests“ im Hinblick auf ihre „diagnostische Empfindlichkeit“ (d. h. der Tauglichkeit zur korrekten Feststellung bei infizierten Geweben positiver Proben), ihre „diagnostische Spezifizität“ (d. h. der Tauglichkeit zur korrekten Feststellung nicht infizierter Gewebe) und ihre „analytische Empfindlichkeit“ (d. h. der Tauglichkeit zur Feststellung einer schwachen Konzentration von Prion in einer Reihe von Lösungen) überprüft. Acht von neun der betreffenden „Schnelltests“ haben bei ihrer Anwendung auf Gewebe des Hirnstamms, auch „Obex“ genannt, ein befriedigendes Ergebnis gezeigt. Sie haben ein Ergebnis zwischen 99,6 % und 100 % bei der „diagnostischen Empfindlichkeit“ und der „diagnostischen Spezifizität“ erzielt. Die EFSA hat daher diese acht Tests für die Bewertung der Prävalenz der klassischen Scrapie und der BSE bei Schafen aufgrund von Proben des Hirnstamms empfohlen. Schließlich hat sie auf der Grundlage beschränkter wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgeschlagen, Ziegen bei den „Schnelltests“ in gleicher Weise wie Schafe zu behandeln. 115    Im Anschluss an diese Gutachten sind die acht empfohlenen „Schnelltests“ in Kapitel C Nr. 4 des Anhangs X der Verordnung Nr. 999/2001 aufgenommen worden. Zum Einsatz der „Schnelltests“ zu anderen als epidemiologischen Zwecken 116    Die Französische Republik wirft der Kommission im Wesentlichen vor, sie sei davon ausgegangen, dass die Einschätzung der Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005, die im Kontext epidemiologischer Überwachungsmaßnahmen der TSE bei kleinen Wiederkäuern durchgeführt worden seien, auch im Kontext der angefochtenen Maßnahmen, die die Freigabe des Fleischs kleiner Wiederkäuer zum menschlichen Verzehr für den Fall eines negativen Ergebnisses dieser Tests zugelassen hätten, Geltung beanspruchten. In der mündlichen Verhandlung hat sie hinzugefügt, dass die Anforderungen an die Zuverlässigkeit eines Tests, um den Befall mit einer Krankheit in Schaf- und Ziegenherden festzustellen, nicht die gleichen sein könnten wie bei den Tests, die die Freigabe von Schaf- oder Ziegenfleisch für den menschlichen Verzehr bezweckten. 117    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die EFSA in ihrem Gutachten vom 7. Juni 2007 die Auffassung vertreten hatte, dass der einzige Zweck des Programms der „Schnelltests“ zwar seinerzeit eine epidemiologische Überwachung gewesen sei, es aber doch möglich gewesen wäre, an andere Einsatzmöglichkeiten für diese Tests in der Zukunft wie etwa die Bestätigung zu denken, dass Herden nicht von TSE befallen seien. Somit ist die EFSA ausdrücklich davon ausgegangen, dass die „Schnelltests“ in anderen Zusammenhängen als dem der Überwachung Verwendung finden könnten. Außerdem konnte die Kommission, wenn die „Schnelltests“, wie von der EFSA angegeben, auch hätten verwendet werden können, um zu bestätigen, dass eine Herde kleiner Wiederkäuer nicht von einer TSE befallen ist, ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler daraus ableiten, dass diese Bestätigung auch für das zum menschlichen Verzehr bestimmte Fleisch aus dieser Herde gelten kann. 118    Außerdem setzt eine wirksame epidemiologische Überwachung der TSE bei Tieren voraus, dass Fälle von TSE-Befall korrekt festgestellt werden können. Die Wirksamkeit dieser Überwachung hängt insbesondere von der Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ ab. 119    In ihren Gutachten vom 17. Mai und vom 26. September 2005 hat die EFSA aber für jeden der von ihr empfohlenen „Schnelltests“ die Auffassung vertreten, dass mit diesen hinsichtlich der „diagnostischen Empfindlichkeit“ und der „diagnostischen Spezifizität“ bei ihrer Anwendung auf Gewebe des Hirnstamms klinisch bestätigter Fälle des Befalls mit klassischer Scrapie ein befriedigendes Ergebnis zu erzielen sei. Diese Ergebnisse lagen zwischen 99,6 % und 100 %. Außerdem erlaubten der EFSA zufolge alle empfohlenen „Schnelltests“ die Feststellung des Vorliegens von Prion in drei Proben der BSE bei Schafen, die zuvor experimentell infiziert worden waren. 120    Angesichts der Natur und der Ergebnisse der Bewertungen der „Schnelltests“, wie sie in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 wiedergegeben sind, durfte somit die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass die „Schnelltests“ an Proben des Hirnstamms die Anforderungen an die Zuverlässigkeit bei Kontrollen für die Freigabe von Fleisch kleiner Wiederkäuer zum menschlichen Verzehr erfüllten. Im Übrigen hat die Französische Republik nichts vorgetragen, was die Annahme zulassen könnte, dass die besagten Einschätzungen der EFSA nicht hinreichend den Anforderungen entsprochen hätten, wie sie bei Tests zur Kontrolle von zum menschlichen Verzehr bestimmtem Fleisch von Schafen oder Ziegen zu fordern sind. 121    Ohnehin rechtfertigten es die Bewertungen der Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 bei negativem Ergebnis bereits, das Fleisch von Schafen und Ziegen für den menschlichen Verzehr freizugeben. Schon vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen erlaubte nämlich ein negatives Ergebnis von „Schnelltests“, die für die epidemiologische Überwachung durchgeführt worden waren, die Freigabe des Fleischs des betreffenden Tieres für den menschlichen Verzehr (vgl. Anhang III, Kapitel A, Teil II der Verordnung Nr. 999/2001 in der vor Erlass der Verordnung Nr. 727/2007 geltenden Fassung). Die Französische Republik bestreitet aber nicht die Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ bei ihrem Einsatz zu epidemiologischen Zwecken, obwohl von ihrem Grad an Zuverlässigkeit auch die Freigabe des Fleischs von einer TSE befallener Tiere für den menschlichen Verzehr abhängig ist. 122    Die Kommission durfte daher, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass die Bewertung der Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 für die Verwendung dieser Tests im Kontext der Kontrolle für die Freigabe von Schaf- oder Ziegenfleisch für den menschlichen Verzehr gültig war. Die Rüge der Französischen Republik, es sei erforderlich gewesen, die EFSA speziell zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ im Kontext der Kontrolle zur Freigabe des Fleischs von Schafen oder Ziegen für den menschlichen Verzehr zu befragen, ist daher zurückzuweisen. Zum Fehlen von Angaben in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“, wenn kleine Wiederkäuer noch keine ausreichende Akkumulierung von Prionen im Hirnstamm aufweisen 123    Die Französische Republik ist im Wesentlichen der Meinung, dass die Kommission die angefochtenen Maßnahmen nicht in voller Kenntnis der Sachlage erlassen habe, weil sie keine wissenschaftliche Bewertung der Leistungsfähigkeit der „Schnelltests“ zur Verfügung gehabt habe, die berücksichtigt hätte, dass sich in einem frühen Stadium der klassischen Scrapie die Prionen in Randgeweben sammelten, bevor die Akkumulation im Obex stattfinde. Die Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 enthielten keine Angabe zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ bei der Ermittlung befallener kleiner Wiederkäuer, wenn diese noch keine ausreichende Akkumulation des Prions im Hirnstamm aufwiesen. Dem Gutachten der AFSSA vom 13. Juni 2007 lasse sich aber entnehmen, dass diese Beschränkung der „Schnelltests“ dazu führe, dass die Hälfte der von einer TSE befallenen Tiere nicht erkannt werde. 124    Hierzu ist festzustellen, dass die EFSA in ihren Gutachten vom 27. Mai und vom 26. September 2005 die einzelnen „Schnelltests“, insbesondere im Hinblick auf ihre „diagnostische Empfindlichkeit“ und ihre „diagnostische Spezifizität“, auf der Grundlage positiver Gewebeproben des Hirnstamms, der Lymphknoten im Dünndarm, der Milz und des Kleinhirns von Tieren im Alter von 16 Monaten bis sechs Jahren bewertet hat. Im Anschluss daran hat die EFSA acht der neun bewerteten Tests für die Beurteilung des Befalls von Schafen mit der klassischen Scrapie und der BSE aufgrund von Proben aus dem Hirnstamm empfohlen. Ferner hat sie einen Test auf TSE aufgrund von Proben der besagten Lymphknoten und der Milz vorgeschlagen. 125    Im Übrigen hat die AFSSA in ihrem Gutachten vom 15. Mai 2006 die Auffassung vertreten, dass „die Schnelltests, wie sie heute durchgeführt werden, die mit einem TSE-Stamm angesteckten Tiere während eines großen Teils der Inkubationsphase nicht ermitteln [können], weil sie ausschließlich an Proben des Gewebes aus dem zentralen Nervensystem durchgeführt werden, obwohl bestimmte Gewebe (insbesondere Lymphorgane) viel früher große Mengen des Erregers aufweisen können“. 126    In ihrem Gutachten vom 15. Januar 2007, das der Kommission am 17. Januar 2007 übermittelt wurde, hat die AFSSA ihre vorstehend in Randnr. 125 wiedergegebene Einschätzung aus ihrem Gutachten vom 15. Mai 2006 wiederholt. 127    In ihrem Gutachten vom 13. Juni 2007 hat die AFSSA sich zu den Folgen der Beschränkungen der „Schnelltests“ am Obex kleiner Wiederkäuer geäußert. Sie hat die Auffassung vertreten, dass „anhand der in Frankreich [seit der aktiven Überwachung der Schafe im Jahr 2006] zusammengetragenen Daten nachgewiesen [wurde], dass die Tests am Obex nur ungefähr 50 % der angesteckten Tiere aus den befallenen Herden erkannten, während die übrigen 50 % auf angesteckte Tiere entfielen, die in ihren Lymphorganen Erreger aufwiesen“. 128    In ihrem Gutachten vom 5. Dezember 2007 hat die AFSSA hinzugefügt, dass die „diagnostische Empfindlichkeit“ der Tests am Obex aufgrund der genetischen Strukturen der befallenen Herden, der Prionenstämme und der Art der Entwicklung der Ansteckung unterschiedlich ausfallen könnten. Sie hat jedoch die Auffassung vertreten, dass zwar der geschätzte Wert von 50 % lediglich eine Größenordnung darstelle, als Wert jedoch vollkommen repräsentativ bleibe. 129    Die EFSA hat in ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 außerdem angegeben: „Bei den Schafen VRQ/VRQ, die unter natürlichen Bedingungen mit der klassischen Scrapie angesteckt wurden, können die PrPsc in den Peyer-Plaques (PP) des Ileum ab dem 21. Tag nach der Geburt gefunden werden, und in anderen PP des Verdauungstrakts und den Tonsillen des Lamms ab einem Alter von 60 Tagen. Unter ähnlichen Bedingungen können die PrPsc im inneren Nervensystem ab einem Alter von sieben Monaten, nahezu drei Monate vor dem ersten Auftreten im Obex, gefunden werden. … Folglich ist während der Überwachung das Screening der PrPsc innerhalb des Obex im Wege von „Schnelltests“ ein schwacher Indikator für das Fehlen einer Ansteckung durch eine TSE im Verdauungsapparat des Lamms.“ 130    Schließlich hat die EFSA in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2008 die Auffassung vertreten, dass die Ansteckung kleiner Wiederkäuer mit TSE im Allgemeinen bei ihrer Geburt oder wenig später erfolge. Plazenta, Mutter- und Fötusgewebe gälten als Infektionsherd. Sie gab weiter an, dass unter natürlichen Bedingungen die ersten Anzeichen für eine Ansteckung mit Scrapie im Ernährungstrakt und den damit verbundenen Lymphstrukturen während der ersten Lebensmonate aufträten, dass Prionen später in den meisten sekundären Lymphbildungen und im gesamten inneren Nervensystem gefunden werden könnten und dass Prionen ab mehr oder weniger der Mitte der Inkubationszeit im zentralen Nervensystem gefunden würden. Sie leitete daraus ab, dass das Screening von Prionen im Obex mit Hilfe von „Schnelltests“ ein schwacher Indikator für das Fehlen von Infektionen durch Erreger einer TSE in peripheren Geweben kleiner Wiederkäuer sei. 131    Somit betreffen die Empfehlungen von „Schnelltests“ in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 deren Zuverlässigkeit nur dann, wenn sie an bestimmten Geweben, darunter den Geweben des Obex, vorgenommen werden. Diese Empfehlungen berücksichtigen indessen nicht die Ausbreitung der TSE innerhalb der verschiedenen Gewebe des Tieres während der Inkubationszeit und insbesondere nicht, dass die TSE sich im Allgemeinen zunächst in den Lymphgeweben ausbreiten, bevor sie sich im Obex verbreiten. 132    Gleichwohl kann die Französische Republik der Kommission nicht vorwerfen, die betreffenden Maßnahmen ohne Kenntnis der Beschränkungen getroffen zu haben, die wissenschaftliche Experten in Bezug auf die „Schnelltests“ geäußert hatten, wenn sie am Obex junger Tiere durchgeführt werden. Diese Beschränkungen sind nämlich in den Gutachten der AFSSA vom 15. Januar, 13. Juni und 5. Dezember 2007 angesprochen worden. Diese Gutachten wurden aber, wie sich aus Randnr. 126 des vorliegenden Urteils für das Gutachten vom 15. Januar 2007 und aus der Antwort der Französischen Republik auf eine schriftliche Frage des Gerichts ergibt, der Kommission vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen übermittelt. Außerdem wurden die Gutachten der EFSA vom 25. Januar 2007 und vom 5. Juni 2008, in denen diese dargelegt hat, dass das Screening von Prionen im Obex mit Hilfe von „Schnelltests“ ein schwacher Indikator für das Fehlen von Infektionen durch einen TSE-Erreger in peripheren Geweben kleiner Wiederkäuer sei, vor dem Erlass der angefochtenen Verordnung durch die Kommission beschlossen. 133    Dass die Kommission vor Erlass der angefochtenen Verordnung Kenntnis von den besagten Beschränkungen der „Schnelltests“ hatte, greift allerdings nicht der Beantwortung der Frage vor, ob die Kommission bei der Bewertung der Risiken, die der Erlass der angefochtenen Maßnahmen herbeiführen würde, die angebrachten Schlüsse aus diesen Beschränkungen gezogen hat. Die Französische Republik wirft nämlich der Kommission ebenfalls vor, nicht die angebrachten Konsequenzen aus diesen Beschränkungen gezogen zu haben. Diese Rüge überschneidet sich allerdings mit der Beanstandung des Fehlens der Bewertung der Risikoerhöhung und des Risikomanagements, die nachstehend in den Randnrn. 174 bis 202 und in Abschnitt 4 („Zum Risikomanagement“) zu prüfen sein werden. 134    Wenn schließlich die Französische Republik geltend macht, die EFSA habe in ihrem Gutachten vom 7. Juni 2007 eine Neubewertung der „Schnelltests“ empfohlen, ist darauf hinzuweisen, dass dieses Gutachten auf das Ersuchen der Kommission hin erstellt worden ist, eine Aktualisierung der bestehenden Bewertungsprotokolle für „Schnelltests“ bei TSE vorzunehmen, um Mitte des Jahres 2007 eine Aufforderung zu Bewerbungen für „Schnelltests“ im Zusammenhang mit der Überwachung der TSE veröffentlichen zu können. In diesem Gutachten heißt es, dass das Gremium für biologische Gefahren (Biohaz) empfohlen habe, die bereits gebilligten „Schnelltests“ einer Neubewertung zu unterziehen, um ihre Robustheit und ihre Fähigkeit zu bestätigen, den neuen Leistungsanforderungen gerecht zu werden (beispielsweise bei atypischen Fällen und bezüglich der „analytischen Empfindlichkeit“). Diese Empfehlung wird zum einen darauf gestützt, dass bei den Bewertungsverfahren für frühere Tests Unterschiede zwischen den Tests hinsichtlich der „analytischen Empfindlichkeit“ aufgefallen waren, deren Bedeutung im Hinblick auf die „diagnostische Empfindlichkeit“ und die biologische Aussagekraft zum Zeitpunkt der Bewertung wissenschaftlich nicht beurteilt werden konnte, und zum anderen darauf, dass im Anschluss an Überwachungsprogramme unter Einsatz validierter Tests ein neuer Typ von TSE, nämlich die atypische Scrapie/NOR 98, bei kleinen Wiederkäuern in Europa entdeckt worden war und die zugelassenen „Schnelltests“ bei diesen atypischen Fällen keine gleichwertige Leistungsfähigkeit aufwiesen, was zu einer Nichterkennung verschiedener Typen von Scrapie hätte führen können. 135    Somit hat die EFSA entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik in ihrem Schriftsatz vom 7. Juni 2007 keine Neubewertung der „Schnelltests“ wegen ihrer Ungeeignetheit empfohlen, eine klassische Scrapie bei jungen Tieren zu entdecken. Außerdem hat die EFSA in diesem Gutachten die Auffassung vertreten, dass trotz der variablen Verteilung der Prionen im Organismus die Vornahme von Tests am Obex der beste Kompromiss für die Aufspürung sämtlicher Erreger der TSE bei Schafen sei. 136    Nach alledem sind somit die Rügen der Französischen Republik zurückzuweisen, dass die Kommission zum einen vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen keine Kenntnis von den Begrenzungen der „Schnelltests“ gehabt habe, wenn diese an jungen Tieren vorgenommen würden, und zum anderen der Kommission beim Erlass der angefochtenen Maßnahmen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei, obwohl die EFSA eine Neubewertung dieser Tests wegen deren Begrenzungen empfohlen habe. Zu den Rügen bezüglich der Differenzierungstests Einleitung 137    Die Französische Republik macht geltend, die Kommission habe die wissenschaftlichen Unsicherheiten außer Acht gelassen, die in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests weiterhin bestünden. Die angefochtenen Maßnahmen seien von der Kommission erarbeitet worden, bevor die EFSA befasst worden sei, und die Kommission habe im Anschluss an das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 die Begründetheit dieser Maßnahmen nicht erneut geprüft. Außerdem habe die Kommission im 15. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 in voreingenommener Weise verwendet. Die Kommission habe die Zweifel infolge des fehlenden Verständnisses für die tatsächliche Vielfalt der TSE-Erreger heruntergespielt, indem sie sich auf das Fehlen wissenschaftlicher Daten, die die Möglichkeit einer Koinfektion unter natürlichen Bedingungen belegen könnten, sowie auf die Geringfügigkeit der Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern berufen habe. Damit lasse die Kommission die erheblichen wissenschaftlichen Unsicherheiten, die die EFSA angeführt habe, beiseite und verfälsche die Ergebnisse ihres Gutachtens. 138    Die Kommission und das Vereinigte Königreich treten dem Vorbringen entgegen, dass die Kommission das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 nicht umfassend berücksichtigt habe. 139    Vorab ist daran zu erinnern, dass als Differenzierungstests Tests bezeichnet werden, die die Ermittlung des Typs der betreffenden TSE, etwa einer BSE, einer klassischen oder einer atypischen Scrapie, ermöglichen. Ihre Anwendung setzt daher die vorherige Feststellung eines Falls von TSE voraus, die insbesondere anhand von „Schnelltests“ erfolgen kann. 140    Bis 2005 waren die einzigen zugelassenen Differenzierungstests sogenannte „biologische“ oder „in vivo“-Differenzierungstests. Sie bestanden in der Einpflanzung von TSE-infiziertem Gewebe in das Hirn einer lebenden Maus, um so die exakte Natur der betreffenden TSE zu bestimmen, also BSE, klassische oder atypische Scrapie. Nach dem Tod der Maus wurde ihr Hirn mikroskopisch untersucht, und die Ergebnisse dieser Untersuchung ermöglichten nach mehreren Jahren die Feststellung der genauen Natur der TSE. 141    Ab 2002 wurden molekulare Differenzierungstests, auch „biochemische“ oder „in vitro“-Differenzierungstests genannt, entwickelt. Die Verwendung dieser Tests im Kontext der Verordnung Nr. 999/2001 wurde nach Erlass der Verordnung Nr. 36/2005 zugelassen. 142    Schließlich ist klarzustellen, dass der Begriff „Koinfektion“ im Zusammenhang der vorliegenden Rechtssache die Möglichkeit umschreibt, dass ein kleiner Wiederkäuer nebeneinander mit BSE und mit einer anderen TSE als BSE infiziert wird. Zur Rüge fehlender Berücksichtigung wissenschaftlicher Unsicherheiten bei der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests 143    Die Französische Republik wirft der Kommission vor, die wissenschaftlichen Unsicherheiten, die in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests weiterhin bestünden, nicht beachtet zu haben. 144    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission sich im sechsten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung auf das Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 beruft, wonach es beim gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht möglich sei, sich auf die Prämisse zu stützen, dass die „diagnostische Empfindlichkeit“ und die „diagnostische Spezifizität“ der Differenzierungstests vollkommen seien. Außerdem hat die Kommission im 13. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung erklärt, dass die EFSA in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2008 bestätigt habe, dass die Differenzierungstests nicht als perfekt gelten könnten, da es derzeit an Wissen über die tatsächliche Vielfalt der TSE-Erreger bei Schafen und Ziegen sowie über die Interaktion der Erreger im Fall einer Koinfektion mangele. Ferner hat die Kommission im 14. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung das Fehlen ausreichender statistischer Daten zur Bewertung der Empfindlichkeit oder Spezifizität der Differenzierungstests unterstrichen und erklärt, dass das Fehlen dieser Daten nicht durch das angewandte Verfahren ausgeglichen werden könne, das u. a. einen Ringversuch mit zusätzlichen molekularen Testmethoden in verschiedenen Labors und eine Bewertung durch ein Sachverständigengremium umfasse. Schließlich hat die Kommission im 15. Erwägungsgrund dieser Verordnung darauf hingewiesen, dass die Differenzierungstests, wenngleich sie nicht als perfekt erachtet werden könnten, als geeignetes Instrument für die Tilgung von TSE gelten könnten. 145    Daher ist die Rüge der Französischen Republik zurückzuweisen, die Kommission habe beim Erlass der angefochtenen Maßnahmen die in Bezug auf die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests weiterhin bestehenden wissenschaftlichen Unsicherheiten nicht beachtet. 146    Die Französische Republik wirft der Kommission ebenfalls vor, sie habe die angefochtenen Maßnahmen ausgearbeitet, ohne zuvor die EFSA befragt zu haben. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wenn ein Organ der Union sich entschließt, Maßnahmen unter Beachtung des Vorsorgeprinzips zu treffen, diese unter voller Berücksichtigung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten getroffen und auf die neuesten internationalen Forschungsergebnisse gestützt werden müssen (vgl. Randnr. 74 des vorliegenden Urteils). Die Beachtung dieser Pflicht ist jedoch unabhängig von der Frage zu beurteilen, ob die Maßnahmen vor Erstellung eines Gutachtens durch eine besondere wissenschaftliche Einrichtung ausgearbeitet wurden. Die Ausarbeitung der angefochtenen Maßnahmen stellt nämlich einen vorbereitenden und internen Schritt innerhalb des Entscheidungsverfahrens dar, in dessen Verlauf die Kommission angesichts neuer wissenschaftlicher Daten ihren Standpunkt noch ändern kann, während der Erlass der angefochtenen Maßnahmen den Standpunkt der Kommission endgültig festlegt. Folglich ist die Rüge, mit der die Ausarbeitung der angefochtenen Maßnahmen vor der Befassung der EFSA beanstandet wird, gegenstandslos. 147    Soweit die Französische Republik der Kommission vorwirft, die angefochtenen Maßnahmen im Anschluss an das Gutachten der EFSA vom 24. Januar 2008 nicht überprüft zu haben, muss festgestellt werden, dass die Kommission sich in den Erwägungsgründen der angefochtenen Verordnung ausdrücklich auf dieses Gutachten bezogen und die Französische Republik nicht belegt hat, dass keine solche Überprüfung stattgefunden hat. 148    Schließlich muss, soweit die Französische Republik vorbringt, die wissenschaftlichen Unsicherheiten in Bezug auf die in den wissenschaftlichen Gutachten anerkannte Zuverlässigkeit der Differenzierungstests führten zu einem gesellschaftlich untragbaren Risiko, wenn diese Tests in dem durch die angefochtenen Maßnahmen geschaffenen System eingesetzt würden, darauf hingewiesen werden, dass diese Rüge die Rügen der voreingenommenen Benutzung des genannten Gutachtens und des schlechten Risikomanagements aufgreift, die nachstehend in den Randnrn. 157 bis 171 und in Abschnitt 4 („Zum Risikomanagement“) zu prüfen sein werden. Zur Rüge der voreingenommenen Verwendung des Gutachtens der EFSA vom 24. Januar 2008 –       Einleitung 149    Die Französische Republik wirft der Kommission vor, sie habe die Zweifel der wissenschaftlichen Experten hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests infolge des fehlenden Verständnisses der tatsächlichen Vielfalt der TSE-Erreger und die Interaktionsweise der Erreger im Fall einer Koinfektion heruntergespielt, indem sie sich auf das Fehlen wissenschaftlicher Daten, die die Möglichkeit einer Koinfektion unter natürlichen Bedingungen belegen könnten, sowie auf die Geringfügigkeit der Prävalenz von BSE berufen habe. 150    Hier ist der Hinweis angebracht, dass die Kommission in der angefochtenen Verordnung die Unvollkommenheit der Differenzierungstests wegen des fehlenden Verständnisses der tatsächlichen Vielfalt der TSE-Erreger nicht in Zweifel gezogen hat. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Zahl der BSE-Fälle, die bei Differenzierungstests wegen einer möglichen Koinfektion nicht entdeckt worden seien, wegen des Fehlens wissenschaftlicher Daten, die die Möglichkeit einer Koinfektion unter natürlichen Bedingungen belegten, und der sehr geringen Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern äußerst gering sei. 151    In den Erwägungsgründen 15 und 16 der angefochtenen Verordnung hat die Kommission nämlich Folgendes ausgeführt: „Die EFSA hat eingeräumt, dass [Differenzierungstests] gemäß der Verordnung … Nr. 999/2001 nützliche Hilfsmittel sind, weil sie die schnelle und reproduzierbare Identifizierung von TSE-Fällen ermöglichen, deren Signatur mit dem Erreger der klassischen BSE kompatibel ist. Da es keinen wissenschaftlichen Nachweis einer Koinfektion von BSE-Erregern und anderen TSE-Erregern bei Schafen und Ziegen unter natürlichen Bedingungen gibt und da die Prävalenz von BSE bei Schafen – sofern bei dieser Tierart überhaupt vorhanden – oder Ziegen sehr niedrig ist, was die Möglichkeit einer Koinfektion noch weiter reduzieren würde, wäre die Anzahl der nicht festgestellten BSE-Fälle bei Schafen und Ziegen äußerst niedrig. Daher können die [Differenzierungstests], wenngleich sie nicht als perfekt erachtet werden können, als geeignetes Instrument zur Erreichung der mit der Verordnung … Nr. 999/2001 verfolgten Ziele im Hinblick auf die Tilgung von TSE gelten. … In ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 … nahm die EFSA eine Schätzung der wahrscheinlichen Prävalenz von BSE bei Schafen vor. Die Behörde gelangte zu dem Schluss, dass es in Ländern mit hohem Risiko weniger als 0,3-0,5 Fälle von BSE pro 10 000 gesund geschlachtete Tiere gibt. Der EFSA zufolge liegt in der Europäischen Union die Anzahl der Fälle mit 95%iger Konfidenz bei gleich oder weniger als 4 Fällen pro Million Schafe und mit 99%iger Konfidenz bei gleich oder weniger als 6 Fällen pro Million. Da bislang noch kein Fall von BSE bei Schafen bestätigt worden sei, betrage die wahrscheinlichste Prävalenz 0. Seit Einführung der [Differenzierungstests] nach Anhang X Kapitel C Nummer 3.2 Buchstabe c der Verordnung … Nr. 999/2001 im Jahr 2005 wurden 2 798 derartige Tests bei TSE-infizierten Schafen und 265 derartige Tests bei TSE-infizierten Ziegen durchgeführt; bei keinem dieser Fälle wurde eine Ähnlichkeit mit BSE bestätigt.“ –       Zum Risiko der Koinfektion 152    Soweit die Französische Republik der Kommission vorwirft, das Risiko der Nichtentdeckung der Fälle von Koinfektion durch Differenzierungstests wegen des Fehlens wissenschaftlicher Daten, die eine solche Infektion unter natürlichen Bedingungen belegten, heruntergespielt zu haben, ist darauf hinzuweisen, dass die EFSA in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2008 auf der Grundlage der beschränkten verfügbaren Daten die Auffassung vertrat, dass die in der Verordnung Nr. 999/2001 vorgesehenen Differenzierungstests geeignete Instrumente für die Entdeckung von BSE-Fällen vor Ort seien, die den Zweck einer schnellen und reproduzierbaren Identifizierung der TSE-Fälle, deren Signatur mit der klassischen BSE kompatibel sei, erfüllten. Außerdem war die EFSA der Ansicht, dass die Differenzierungstests aufgrund des fehlenden Verständnisses der tatsächlichen Vielfalt der TSE-Erreger bei Schafen und Ziegen und der Interaktionsweise der Erreger im Fall einer Koinfektion nicht vollkommen seien. 153    Insbesondere vertrat die EFSA in ihrem Gutachten vom 24. Januar 2008 die Auffassung, dass bei Koinfektion ein und desselben Einzeltiers das Vorliegen des Erregers einer TSE einen anderen verbergen und damit das Auftreten der Krankheit verdecken könne. Dieses Phänomen der Überschneidung sei in experimentellen Modellen unter Einsatz verschiedener TSE-Erreger untersucht worden. Obwohl die Ergebnisse dieser Beobachtungen nicht unmittelbar auf kleine Wiederkäuer extrapoliert werden könnten, zeigten sie doch, dass es möglich sei, dass der BSE-Erreger bei Schafen nicht entdeckt werde, wenn BSE bei einem Fall erwiesener Scrapie als koinfizierender Erreger auftrete. Da schließlich die Wahrscheinlichkeit eines solchen Sachverhalts derzeit ungewiss sei, liefen Versuche, mit denen speziell diese Frage beantwortet werden solle. 154    Somit durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, im 15. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeit einer Koinfektion bei kleinen Wiederkäuern nicht unter natürlichen Bedingungen nachgewiesen worden sei. Außerdem ist es plausibel, dass der fehlende Nachweis der Möglichkeit einer Koinfektion bei kleinen Wiederkäuern unter natürlichen Bedingungen den Grad der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens solcher Koinfektionen herabsetzt und daher auch das Risiko, dass die Differenzierungstests wegen der Koinfektion eines kleinen Wiederkäuers eine BSE nicht aufdecken. Das Risiko einer Koinfektion ist nämlich geringer, wenn Indizien fehlen, die die Möglichkeit einer Koinfektion kleiner Wiederkäuer unter natürlichen Bedingungen belegen könnten. 155    Wenn im Übrigen die Kommission aus der Kombination des fehlenden Nachweises einer möglichen Koinfektion kleiner Wiederkäuer unter natürlichen Bedingungen und der sehr geringen Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern abgeleitet hat, dass eine äußerst geringe Zahl von BSE-Fällen wegen Koinfektion nicht entdeckt worden seien, so ist es denkrichtig und daher plausibel, dass, wenn die Prävalenz der BSE-Fälle sehr gering ist, auch das Risiko der Nichtentdeckung dieser Fälle sehr gering ist. Außerdem ist es nicht offensichtlich fehlerhaft, wenn die Kommission aus dem letztgenannten Umstand in Kombination mit dem geringen Risiko der Koinfektion bei kleinen Wiederkäuern wegen des Fehlens von Anhaltspunkten, die eine solche Infektion unter natürlichen Bedingungen belegen würden, abgeleitet hat, dass die Zahl der auf eine mögliche Koinfektion zurückzuführenden nicht entdeckten BSE-Fälle bei Schafen und Ziegen äußerst gering ist. 156    Die letztgenannte Beurteilung hängt allerdings von der Bewertung der Prävalenz der BSE bei kleinen Wiederkäuern durch die Kommission ab, die von der Französischen Republik ebenfalls angegriffen wird. –       Zur Prävalenz der BSE bei kleinen Wiederkäuern 157    Was die Prävalenz der BSE bei kleinen Wiederkäuern angeht, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen nur ein BSE-Fall bei kleinen Wiederkäuern formell festgestellt worden war. Es handelt sich um eine 2000 geborene und 2002 in Frankreich geschlachtete Ziege. Diese Ziege war der erste Fall einer BSE-Infektion eines kleinen Wiederkäuers unter natürlichen Bedingungen (vgl. Randnr. 30 des vorliegenden Urteils). Bei Schafen wurde kein BSE-Fall gefunden. 158    Außerdem haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen nur drei Fälle gegeben habe, in denen ein Zweifel an ihrer BSE-Infektion unter natürlichen Bedingungen fortbestanden habe. Diese Fälle würden immer noch untersucht, um festzustellen, ob sie als BSE-Fälle zu gelten hätten oder nicht. Es handelte sich um zwei Schafe aus England und eine Ziege aus Schottland. 159    Im Übrigen sind sowohl die EFSA als auch die AFSSA davon ausgegangen, dass die Prävalenz von BSE bei Schafen und Ziegen sehr gering, wenn nicht gleich null sei. 160    In ihrem Gutachten vom 20. Juli 2007 hat die AFSSA erklärt, dass „[d]ie seit 2002 (in Frankreich wie in Europa) verfügbaren epidemiologischen Daten eindeutig [zeigen], dass die Prävalenz von BSE bei Schafen und Ziegen sehr gering (oder nicht vorhanden) ist“. 161    In ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 hat die EFSA die Auffassung vertreten, dass die wahrscheinlichste Prävalenz von BSE bei Schafen null betrage, weil bei Schafen kein BSE-Fall bestätigt worden sei. Insbesondere hat sie in einer Tabelle mit dem Titel „Kumulative Verteilung der Unsicherheit der Prävalenz von BSE in der Schafpopulation der EU“ ausgeführt: „Der Vertrauensindex dafür, dass die Zahl der Fälle gleich oder geringer als 4 BSE-Fälle je Mio. Schafe ist, beträgt 95 %, und er beträgt 99 %, dass die Zahl gleich oder geringer als 6 Fälle je Mio. ist. Da kein BSE-Fall bei Schafen mehr bestätigt werden muss, liegt die wahrscheinlichste Prävalenz bei null.“ 162    In ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 hat die EFSA jedoch klargestellt, dass der Umstand, dass aufgrund der bis 2006 erhältlichen Daten kein BSE-Fall durch Screening unter Einsatz von Differenzierungstests in den 25 Mitgliedstaaten der seinerzeitigen Union und in Norwegen festgestellt worden war, nicht so ausgelegt werden könne, als habe es in den Herden in Europa keine BSE-infizierten Schafe gegeben, denn zum einen seien nicht alle Tiere einschließlich derjenigen, die für den menschlichen Verzehr geschlachtet worden seien, getestet worden und zum anderen hätten die Screeningtests unterschiedliche und weitgehend unbestimmte Empfindlichkeiten gehabt, um ein befallenes Tier in einer vorklinischen Phase zu ermitteln. Anhand des verwendeten statistischen Modells und der herangezogenen Überwachungsdaten sei berechnet worden, dass es mit 95%iger Wahrscheinlichkeit im Vereinigten Königreich weniger als zwei bis vier BSE-Fälle bei Schafen auf 10 000 gesunde Schlachttiere gegeben habe, und dass es in Verbindung mit den Daten anderer Länder und wichtiger Vorläufer des BSE-Bereichs wie Irland, Frankreich und Portugal mit 95%iger Wahrscheinlichkeit in dieser Hochrisikountergruppe weniger als 0,3 bis 0,5 BSE-Fälle bei Schafen auf 10 000 gesunde Schlachttiere gegeben habe. Schließlich hat die EFSA in diesem Gutachten angegeben, dass die Berücksichtigung einer geringeren Empfindlichkeit beim Screening der TSE und den Differenzierungstests zur Annahme einer höheren Prävalenz führe und dass umfangreichere experimentelle Bewertungen dieser Parameter angebracht seien. 163    In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, die Auffassung vertreten, dass die Prävalenz von BSE bei Schafen, und gegebenenfalls bei Ziegen, sehr gering sei. Die Zahl der festgestellten BSE-Fälle und der nicht eindeutigen BSE-Fälle, die sich zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung potentiell als BSE-Fall herausstellen konnten, widerspricht im Übrigen nicht der Schätzung der Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern. 164    Die Würdigung in der vorstehenden Randnummer wird durch die verschiedenen Argumente der Französischen Republik in ihren Schriftsätzen nicht in Frage gestellt. 165    Zu dem Argument der Französischen Republik, dass die Nichtentdeckung bei der aktiven Überwachung angesichts der Beschränkungen der „Schnelltests“ und der durchgeführten Differenzierungen nicht notwendig das tatsächliche Nichtvorhandensein von BSE bedeute, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission keineswegs die Auffassung vertreten hat, dass das Gutachten der AFSSA oder das der EFSA das Gegenteil aussage. Die Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern war nur eine Schätzung auf der Grundlage eines Wahrscheinlichkeitsmodells, wie die EFSA in ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 angegeben hat, auf das sich die Kommission im 16. Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung stützt. Außerdem wurde diese Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern sowohl aufgrund einer nichtsystematischen Überwachung als auch von „Schnelltests“ und Differenzierungstests, die nicht vollkommen waren, festgestellt. 166    Dass die Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern nur eine Schätzung war, kann jedoch die Plausibilität der Einschätzung der Kommission nicht in Frage stellen, dass die Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern als sehr gering anzusehen sei. 167    Zum Argument der Französischen Republik, dass für die Bewertung der Prävalenz von BSE bei Schafen die Einschätzung von weniger als 0,3 bis 0,5 Fällen von BSE bei Schafen auf 10 000 gesunden Schlachttieren in den Hochrisikoländern auf die gesamte Schafpopulation der Gemeinschaft, die auf 67 Mio. Tiere geschätzt werde, hochzurechnen sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Französische Republik keine wissenschaftliche Quelle dafür anführt, dass die Schätzung für die Hochrisikoländer auf das restliche Europa zu extrapolieren sei, so dass die Prävalenz von BSE bei Schafen zu einer Schätzung der Zahl der mit BSE infizierten Schafe zwischen weniger als 2 010 und 3 350 Fällen führen müsste. Die wissenschaftlichen Gutachten, die der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen zur Verfügung standen, d. h. das Gutachten der AFSSA vom 20. Juli 2007 und das Gutachten der EFSA vom 25. Januar 2007, sagten im Gegenteil aus, dass die wahrscheinlichste Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern in Europa sehr gering oder sogar gleich null war. 168    Zum Vorbringen der Französischen Republik, die Kommission habe bei der Prävalenz der BSE stets die größte Vorsicht an den Tag gelegt, muss festgestellt werden, dass diese Erwägung ohne Auswirkung auf die Plausibilität der Schlüsse ist, die die Kommission aus wissenschaftlichen Annahmen zur Prävalenz der BSE bei kleinen Wiederkäuern ziehen kann. 169    Schließlich ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass der Vertreter der Französischen Republik in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass der Kommission mit ihrer Annahme, dass die Prävalenz der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr schwach sei, kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei. Da sich die Schätzungen der Prävalenz der BSE nur auf die klassische BSE beziehen, bestätigt die Erklärung des Vertreters der Französischen Republik die Richtigkeit der in Randnr. 163 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Bewertung. 170    Somit durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass die geschätzte Prävalenz von BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr gering war. 171    Daher war es angesichts der Erwägungen in Randnr. 155 des vorliegenden Urteils plausibel, dass das Risiko der Nichtentdeckung von BSE-Fällen bei kleinen Wiederkäuern durch Differenzierungstests wegen einer möglichen Koinfektion äußerst gering ist. Der Kommission ist daher bei der Würdigung des Risikos von Koinfektionen bei kleinen Wiederkäuern kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen. Zur Berücksichtigung der Gutachten der AFSSA vom 8. Oktober 2008 und der EFSA vom 22. Oktober 2008 172    Was die Gutachten der AFSSA vom 8. Oktober 2008 und der EFSA vom 22. Oktober 2008, die sich mit dem Risiko der Übertragung von TSE über die Milch befassen, betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit eines Rechtsakts der Union anhand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses zu beurteilen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Februar 1979, Frankreich/Kommission, 15/76 und 16/76, Slg. 1979, 321, Randnrn. 7 und 8, und des Gerichts vom 12. Dezember 1996, Altmann u. a./Kommission, T‑177/94 und T‑377/94, Slg. 1996, II‑2041, Randnr. 119). Folglich können Umstände, die nach dem Erlass des Rechtsakts der Union eingetreten sind, bei der Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit nicht berücksichtigt werden (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Roquette Frères/Kommission, T‑322/01, Slg. 2006, II‑3137, Randnr. 325). 173    Da die Gutachten der AFSSA vom 8. Oktober 2008 und der EFSA vom 22. Oktober 2008 nach dem Erlass der angefochtenen Verordnung abgegeben wurden, kann das Gericht sie bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung nicht berücksichtigen. Daher geht das Vorbringen der Französischen Republik, soweit es sich auf diese Gutachten stützt, ins Leere. Zur Rüge der fehlenden Würdigung der Risikoerhöhung infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen 174    Die Organe verfügen, wie oben in den Randnrn. 84 ff. dargelegt, im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik über ein weites Ermessen hinsichtlich der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums. Im Übrigen haben sie zwar die Pflicht, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit sicherzustellen, verfügen aber hinsichtlich der Wahl des für ihr Vorgehen geeigneten Instrumentariums bei der Erfüllung dieser Verpflichtung ebenfalls über ein weites Ermessen. Dieses weite Ermessen der Organe bedeutet, dass der Kontrolle der Einhaltung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, grundlegende Bedeutung zukommt (Urteil Niederlande/Kommission, oben in Randnr. 87 angeführt, Randnr. 56). 175    Eine dieser Garantien ist die Forderung an die Behörden, wenn sie aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen erlassen, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, dass sie über alle hierfür erheblichen Anhaltspunkte verfügen müssen. Sie müssen somit über eine wissenschaftliche Risikobewertung verfügen, die auf den Grundsätzen der höchsten Fachkompetenz, der Transparenz und der Unabhängigkeit beruht. Dieses Erfordernis stellt eine wichtige Garantie zur Gewährleistung der wissenschaftlichen Objektivität der Maßnahmen und zur Verhinderung des Erlasses willkürlicher Maßnahmen dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Pfizer Animal Health/Rat, oben in Randnr. 68 angeführt, Randnr. 172). 176    Eine andere dieser Garantien besteht in der Forderung an die Behörden, dass sie beim Erlass von Vorschriften, mit denen vorläufige Maßnahmen abgeschwächt werden, die aufgrund des Vorsorgeprinzips erlassen wurden, um ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, über eine wissenschaftliche Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit verfügen, die durch den Erlass solcher Vorschriften entstehen. 177    Eine solche wissenschaftliche Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit umfasst grundsätzlich eine von wissenschaftlichen Experten vorgenommene vollständige Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer Exposition des Menschen gegenüber schädlichen Wirkungen der Maßnahmen für seine Gesundheit. Mithin umfasst sie grundsätzlich eine quantitative Bewertung der betreffenden Risiken (vgl. Randnr. 72 des vorliegenden Urteils). 178    Allerdings kann sich eine vollständige wissenschaftliche Risikobewertung wegen der Unzulänglichkeit der verfügbaren wissenschaftlichen Daten als unmöglich erweisen. Dies kann indessen die zuständige öffentliche Stelle nicht daran hindern, aufgrund des Vorsorgeprinzips vorbeugende Maßnahmen zu treffen. In diesem Fall müssen die Experten trotz der bestehenden wissenschaftlichen Ungewissheit eine möglichst vollständige wissenschaftliche Risikobewertung vornehmen, die der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermittelt, dass sie die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann (vgl. Randnr. 77 des vorliegenden Urteils). 179    Mithin ist die Unerlässlichkeit bestimmter Bewertungen durch Wissenschaftler, die an der wissenschaftlichen Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit durch den Erlass von Vorschriften, mit denen nach dem Vorsorgeprinzip getroffene vorläufige Maßnahmen abgeschwächt werden, teilhaben, insbesondere aufgrund der verfügbaren Daten zu beurteilen. 180    Im vorliegenden Fall wirft die Französische Republik der Kommission im Kern vor, beim Erlass der angefochtenen Maßnahmen keine wissenschaftliche Bewertung der mit ihrem Erlass einhergehenden Risiken für die menschliche Gesundheit zur Verfügung gehabt zu haben. 181    Hierzu ist festzustellen, dass die EFSA in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2008 angegeben hat, sie sei von der Kommission befasst worden, um das zusätzliche Risiko für die menschliche Gesundheit zu bewerten, das durch die Zuführung zum menschlichen Verzehr des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter von weniger als sechs Monaten im Vergleich mit dem von kleinen Wiederkäuern im Alter von weniger als drei Monaten aus einer mit einer anderen TSE als BSE infizierten Herde entstehe, ohne dass diese – unabhängig von ihrem Genotyp, allerdings unter Entfernung der SRM – „Schnelltests“ unterzogen würden. 182    Im Anschluss an dieses Ersuchen haben sich die EFSA und die Kommission jedoch geeinigt, dass die gewünschte Bewertung des zusätzlichen Risikos sich nur auf das zusätzliche Risiko einer TSE-Exposition des Menschen und nicht auf das zusätzliche Risiko für die menschliche Gesundheit erstrecken solle. Diese Beschränkung der gewünschten Bewertung wurde damit gerechtfertigt, dass die EFSA die Frage des Risikos der Übertragbarkeit der TSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen bereits in ihren Gutachten vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 geprüft hatte, und damit, dass keine neuen wissenschaftlichen Daten eine Revision dieser Gutachten notwendig machte. 183    Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass die EFSA in ihren Gutachten vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 eine angemessene wissenschaftliche Bewertung des Risikos der Übertragbarkeit der TSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen durchgeführt hat, die der Kommission vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen zur Verfügung stand. Die Französische Republik stützt im Übrigen ihre Klage zum Teil auf die besagten Gutachten, wenn sie der Kommission vorwirft, ihren Inhalt in voreingenommener Weise ausgelegt zu haben. Mithin kann sich die vorliegende Rüge der Französischen Republik nur auf das Fehlen einer wissenschaftlichen Bewertung der Risiken in Bezug auf die Erhöhung des Risikos für den Menschen beziehen, das in einer TSE-Exposition infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen besteht. 184    Was die letztgenannte wissenschaftliche Bewertung angeht, hat die französische Generaldirektion für Lebensmittel die AFSSA aufgefordert, das zusätzliche Risiko für die öffentliche Gesundheit durch Produkte, die von Schafen und Ziegen aus mit der klassischen Scrapie infizierten Herden gewonnen wurden, die unter Bedingungen geschlachtet wurden, wie sie den in den angefochtenen Maßnahmen festgelegten entsprechen, mit dem Risiko im Fall eines Tiers „beliebiger Herkunft“ zu vergleichen, das unter den vor Erlass der Verordnung Nr. 727/2007 geltenden Voraussetzungen geschlachtet worden war, da mit den aktuellen Mitteln der Überwachung bei kleinen Wiederkäuern bestenfalls ein Teil des mit einer TSE infizierten Viehbestands entdeckt werden könne und die Schafpopulation zum Teil aus genetisch empfänglichen Tieren bestehe. 185    In Beantwortung dieser Anfrage hat die AFSSA in ihrem Gutachten vom 15. Januar 2007 angegeben, dass „eine entsprechende quantitative Bewertung dieser Risiken [derzeit] unmöglich [ist], weil die Daten betreffend [(i)] die tatsächliche Prävalenz der Scrapie in allen befallenen Herden [und (ii)] die tatsächliche genetische Struktur der Schafpopulation im Allgemeinen … nicht ausreichen“. 186    In ihrem Gutachten vom 13. Juni 2007 hat die AFSSA diese Antwort bestätigt und die Auffassung vertreten, dass „Daten, die eine genaue quantitative Bewertung ermöglichen, immer noch nicht verfügbar [sind]“ und dass „seit 2002 gesammelte Daten aus der aktiven Überwachung der TSE bei kleinen Wiederkäuern qualitativ unzureichend sind, um an einen Abschluss dieser quantitativen Untersuchung in naher Zukunft denken zu können“. 187    Die AFSSA hat außerdem auf ein Ersuchen der französischen Behörden, eine vergleichende Untersuchung des Niveaus des mit der „Sanierungsstrategie“ (die im Kern den Maßnahmen entspricht, die vor den in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen galten) gegenüber der „Alternativstrategie“ (die im Kern den in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Maßnahmen entspricht) verbundenen potenziellen Risikos vorzunehmen, die Auffassung vertreten, dass die anstelle der Sanierungsstrategie vorgeschlagenen Alternativstrategien ein erheblich höheres Risiko sowohl für die öffentliche Gesundheit als auch für die Tiergesundheit darstellten. Angesichts der vorgegebenen Fristen und der verfügbaren Daten sei jedoch eine vergleichende, quantifizierte und sachgerechte Untersuchung nicht möglich. 188    In ihren Gutachten vom 15. Januar 2007 und vom 13. Juni 2007 hat die AFSSA allerdings ebenfalls angegeben, dass eine Schätzung oder „grobe Bewertung“ dieses Risikos möglich sei. 189    In ihrem Gutachten vom 15. Januar 2007 hat die AFSSA nämlich zunächst erklärt, dass „[d]ie in den von der Scrapie befallenen Schaf- und Ziegenherden durchgeführten Untersuchungen eine Inzidenz von 10 % bis 45 % der Herden gezeigt [haben]. … Diese Zahlen ermöglichen es, die Größenordnung des Mehrrisikos der Infizierung bei einem kleinen Wiederkäuer, der in einer mit Scrapie befallenen Herde geboren wurde, zu bewerten.“ 190    Die AFSSA hat sodann die Auffassung vertreten, dass die Daten über Prävalenzen, die in den von klassischer Scrapie befallenen Herden beobachtet worden seien, „es erlauben, dieses Mehrrisiko grob zu bewerten, wenn man davon ausgeht, dass [(i)] die Prävalenz der klassischen Scrapie in der allgemeinen Population der Schlachttiere mit einem Alter von mehr als 18 Monaten etwa 0,05 % beträgt; [(ii)] dass die Prävalenz in den von klassischer Scrapie befallenen Herden zwischen 1 % und 30 % schwanken kann (ohne dem Genotyp der einzelnen Tiere Rechnung zu tragen)“. Sie hat daraus abgeleitet, dass „das relative Risiko bei einem Tier aus einer befallenen Herde im Vergleich mit einem Tier aus der allgemeinen Population 20 bis 600 betragen sollte. Dieses Mehrrisiko wäre noch höher, wenn man nur die Tiere mit einem empfänglichen Genotyp aus befallenen Herden berücksichtigte.“ 191    Die Bewertungen der AFSSA bezüglich der geschätzten Prävalenz der TSE in einer von einer TSE befallenen Herde kleiner Wiederkäuer wurden von der EFSA geteilt, die in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2008 angab, dass es zwar nicht möglich sei, die Prävalenz in einer einzelnen Herde kleiner Wiederkäuer zu schätzen, jedoch aufgrund der Untersuchung von Herden, die unter natürlichen Bedingungen mit dem Prion der klassischen Skrapie infiziert worden seien, davon ausgegangen werden könne, dass die Prävalenz zwischen 3 % und mehr als 40 % schwanken könne. 192    Zur Vervollständigung ihrer Untersuchung des zusätzlichen Risikos bei Erlass der angefochtenen Maßnahmen versucht die AFSSA in ihrem Gutachten vom 13. Juni 2007, gestützt auf die bei der aktiven Überwachung in Frankreich im Jahr 2006 gewonnenen Daten die Zahl der Tiere mit Ausnahme der „Indexfälle“ zu ermitteln, die als Träger des empfänglichen Genotyps durch die klassische Scrapie infiziert und durch die „Schnelltests“ an Tieren im Alter von mehr als 18 Monaten, die Träger ansteckender Materialien in ihren peripheren Lymphorganen waren und nach Erlass der angefochtenen Maßnahmen für den menschlichen Verzehr freigegeben würden, nicht entdeckt worden waren. 193    In Bezug auf Schafe hat die AFSSA geschätzt, dass von den 2006 in Frankreich erfassten 182 „Indexfällen“, die mit klassischer Scrapie infiziert waren, die durchschnittliche Zahl der durch die „Schnelltests“ entdeckten Zweitfälle je „Indexfall“ auf 5,34 geschätzt wurde, was dem geschätzten Durchschnitt für den Zeitraum von 2002 bis 2006 entspreche. So seien 972 Zweitfälle in den befallenen Herden festzustellen gewesen. Im Übrigen seien mit „Schnelltests“ am Obex nur etwa 50 % der infizierten Tiere entdeckt worden, weil die angesteckten Tiere mit Infektionsherden in ihren Lymphorganen nicht entdeckt worden seien. 194    In Bezug auf Ziegen hat die AFSSA geschätzt, dass es acht Krankheitsherde und 2,58 Zweitfälle je „Indexfall“ in Frankreich gebe und dass die „Schnelltests“ nicht empfindlicher gewesen seien. 195    Die AFSSA hat hinzugefügt, dass einige der nicht entdeckten infizierten Tiere aus befallenen Herden ebenfalls für den menschlichen Verzehr freigegeben worden wären, da die Programme der aktiven Überwachung nicht sämtliche mit einer TSE infizierten Herden hätten ausfindig machen können. Gleichwohl sei es seinerzeit unmöglich gewesen, bei Schafen wie bei Ziegen in stichhaltiger Weise die Zahl infizierter Tiere aus den betroffenen, zu Unrecht als gesund angesehenen Herden zu schätzen, die jedes Jahr zum menschlichen Verzehr freigegeben worden seien. 196    Die AFSSA hat ferner hervorgehoben, dass diese Schätzung es nur erlaubt habe, Größenordnungen festzulegen, und von der Intensität des Programms der aktiven Überwachung abhängig gewesen sei. 197    Die AFSSA hat ihr Gutachten vom 13. Juni 2007 mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass die neuen Vorschläge für den Gesundheitsschutz dazu geführt hätten, dass 2006 in Frankreich mindestens 1 000 Körper kleiner Wiederkäuer mit erheblichen Mengen von Erregern in ihren Lymphorganen zum menschlichen Verzehr freigegeben worden wären. Ihre Freigabe zum menschlichen Verzehr ist nach Ansicht der AFSSA geeignet, ein erhöhtes Expositionsrisiko des Verbrauchers herbeizuführen. 198    Angesichts der in den Randnrn. 181 ff. des vorliegenden Urteils angeführten wissenschaftlichen Gutachten kann der Kommission nicht angelastet werden, bei Erlass der angefochtenen Maßnahmen keine quantitative wissenschaftliche Bewertung des zusätzlichen Risikos für den Menschen, nach dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen mit TSE in Berührung zu kommen, zur Verfügung gehabt zu haben. 199    Vor Erlass der angefochtenen Maßnahmen hatte die AFSSA nämlich erklärt, dass es wegen des Fehlens von Daten zur tatsächlichen Prävalenz der Scrapie in allen befallenen Herden und zur tatsächlichen genetischen Struktur der Schafpopulation im Allgemeinen unmöglich sei, eine genaue quantitative Bewertung des zusätzlichen Risikos infolge von Produkten vorzunehmen, die von Schafen und Ziegen aus mit der klassischen Scrapie infizierten Viehbeständen gewonnen und unter ähnlichen Bedingungen wie denen, auf die die angefochtenen Maßnahmen zurückgriffen, geschlachtet und getestet worden seien, und dass dieses Fehlen von Daten in naher Zukunft nicht behoben werden könne. Unter solchen Umständen kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie der EFSA oder irgendeiner anderen wissenschaftlichen Einrichtung keine solche Bewertung übertragen hat. 200    Außerdem steht das Fehlen von Daten zur tatsächlichen Prävalenz der Scrapie in allen befallenen Herden und zur tatsächlichen genetischen Struktur der Schafpopulation im Allgemeinen der Annahme entgegen, es sei für die Kommission unerlässlich gewesen, über eine Schätzung oder die Angabe einer „Größenordnung“ seitens einer wissenschaftlichen Einrichtung zu der mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen einhergehenden Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit zu verfügen. Das Fehlen der betreffenden Daten steht nämlich der Forderung entgegen, die Kommission hätte bei einer wissenschaftlichen Einrichtung eine solche Schätzung der betreffenden Risiken in Auftrag geben müssen. Andererseits berührt dieses Fehlen von Daten in keiner Weise die Verpflichtung der Kommission, sämtliche verfügbaren wissenschaftlichen Äußerungen zu berücksichtigen, darunter die der AFSSA, der zufolge die Prävalenz der Scrapie in einer von der klassischen Scrapie befallenen Herde eindeutig höher als bei einem Tier „beliebiger Herkunft“ sei und die „Schnelltests“ eine beschränkte Wirksamkeit hätten. 201    Es stellt daher keine Verletzung der von der Rechtsordnung der Union verliehenen Garantien dar, dass der Kommission beim Erlass der angefochtenen Maßnahmen keine grobe quantitative Schätzung der EFSA oder einer anderen wissenschaftlichen Einrichtung bezüglich des mit ihrem Erlass einhergehenden zusätzlichen Risikos einer TSE-Exposition des Menschen zur Verfügung stand. 202    Im Übrigen ist für die Rüge der Französischen Republik die quantitative, in der Zahl zusätzlicher Fälle ausgedrückte Schätzung des genannten Risikos durch die Kommission selbst im Anschluss an die Erhebung der vorliegenden Nichtigkeitsklage ohne Bedeutung. Selbst wenn man nämlich annimmt, dass die Daten, auf die sich diese Schätzung der Kommission stützt, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung zur Verfügung gestanden hätten, scheint doch die Schätzung nicht von einer wissenschaftlichen Einrichtung zu stammen und kann auf jeden Fall nicht als unerlässlich angesehen werden, weil es sich nur um eine Schätzung und nicht um eine quantitative Bewertung handelt und die AFSSA die Meinung vertreten hat, dass eine quantitative Bewertung der Risiken wegen des Fehlens einschlägiger Daten unmöglich sei (vgl. Randnr. 185 des vorliegenden Urteils). 4.     Zum Risikomanagement Kurze Darstellung des Vorbringens der Beteiligten 203    Die Französische Republik macht geltend, dass trotz des weiten Ermessens des Gesetzgebers der Union in einem Bereich wie dem hier in Rede stehenden und der daraus folgenden Beschränkung der Kontrolle der angefochtenen Maßnahmen durch das Gericht der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Maßnahmen gegen seine Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit und gegen das Vorsorgeprinzip verstoßen habe. Die Kommission habe sich beim Erlass der angefochtenen Maßnahme auf ein doppeltes Postulat gestützt, nämlich zum einen auf die fehlende Übertragbarkeit anderer TSE als BSE bei Tieren auf den Menschen und zum anderen auf die Zuverlässigkeit der Differenzierungstests zur sicheren Unterscheidung der Scrapie von BSE. Die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse, d. h. die Schlussfolgerungen der EFSA in ihren Gutachten vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008, stellten aber erhebliche Ungewissheiten bei diesen beiden Postulaten fest. Die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten die Beurteilung des Risikos für die menschliche Gesundheit in Gestalt der TSE bei kleinen Wiederkäuern nicht ändern und den Erlass weniger einschränkender Maßnahmen nicht rechtfertigen. 204    Die Kommission ist der Auffassung, dass sie unter Berücksichtigung aller verfügbaren wissenschaftlichen Stellungnahmen in ihrer Eigenschaft als Risikomanager zu dem Ergebnis kommen durfte, dass eine Abschwächung der für Schafe und Ziegen geltenden Regelung zu einem Risikoniveau führen werde, das für die Gesellschaft akzeptabel sei. Die Aufrechterhaltung der Keulung und Beseitigung von Schaf- und Ziegenherden, wenn in der Herde auch nur ein TSE-Fall entdeckt werde, sei wegen der wissenschaftlichen Fortschritte, die die Bereitstellung biochemischer Differenzierungstests zur raschen Unterscheidung von BSE und Scrapie ermöglicht hätten, nicht gerechtfertigt, weil unverhältnismäßig. Die Französische Republik versuche, sich im Rahmen des Risikomanagements an ihre Stelle zu setzen, und verlange vom Gericht, in der Frage des Niveaus des gesellschaftlich akzeptablen Risikos seine eigene Beurteilung an die Stelle der Beurteilung des Risikos durch die Kommission zu setzen. Eine solche Befugnis stehe dem Gericht indessen nicht zu. 205    Das Vereinigte Königreich ist der Meinung, dass die von der Französischen Republik erhobene Rüge hinsichtlich des Risikomanagements lediglich Ausdruck der Bevorzugung eines zurückhaltenderen Ansatzes durch die Französische Republik sei, ohne dass ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission nachgewiesen werde. Die Französische Republik stütze ihre Rüge zu Unrecht auf das Postulat, dass die Kommission verpflichtet sei, alle Risiken für die menschliche Gesundheit auszuschließen. Die Kommission habe dieses Risiko ordnungsgemäß gehandhabt, indem sie auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, die entwicklungsfähig seien, ein Gleichgewicht zwischen dem angenommenen Risiko und geeigneten Maßnahmen zur Reduzierung dieses Risikos geschaffen habe. Die Kommission habe sich zu Recht auf den Standpunkt gestellt, dass die bestehenden Vorbeugemaßnahmen nicht mehr verhältnismäßig seien und die bestehenden Überwachungsmaßnahmen abgeschwächt, aber nicht beseitigt werden dürften. Vorbemerkungen 206    Gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 999/2001 werden „[z]ur Identifizierung aller anderen gefährdeten Tiere nach Maßgabe von Anhang VII Nummer 1 … Ermittlungen durchgeführt“. Außerdem werden gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 999/2001 „[a]lle Tiere und tierischen Erzeugnisse gemäß Anhang VII Nummer 2 [dieser] Verordnung, die bei den Ermittlungen nach [Art. 13 Abs. 1] Buchstabe b) … als gefährdet identifiziert wurden, … getötet und nach der Verordnung … Nr. 1774/2002 beseitigt“. Somit werden nach dieser Vorschrift die Tiere getötet und beseitigt, die durch Ermittlungen gemäß Anhang VII Nr. 1 der Verordnung Nr. 999/2001 identifiziert wurden und die außerdem die Kriterien der Nr. 2 dieses Anhangs erfüllen. 207    Gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 kann die Kommission nach Anhörung des zuständigen wissenschaftlichen Ausschusses zu allen Fragen, die sich auf die Gesundheit der Bevölkerung auswirken können, nach dem Ausschussverfahren des Art. 24 Abs. 2 die Anhänge der Verordnung Nr. 999/2001 ändern. Somit hat der Gesetzgeber der Kommission die Befugnis zur Änderung der Anhänge der Verordnung Nr. 999/2001 übertragen. 208    Angesichts des Geltungsumfangs von Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 ist der Kommission die Zuständigkeit zuzuerkennen, durch Verordnung, die im Ausschussverfahren nach Art. 24 Abs. 2 der Verordnung Nr. 999/2001 ergeht, die bei den Ermittlungen identifizierten Tiere abzugrenzen, die getötet und beseitigt werden müssen. Da nämlich Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 999/2001 unter Verweisung auf die Kriterien der Nr. 2 des Anhangs VII die Tiere bestimmt, die getötet und beseitigt werden müssen, verfügte die Kommission gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 über die Befugnis, Vorschriften, wie sie Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, zu erlassen, mit denen die Tiere abgegrenzt werden, die zu töten und zu beseitigen sind, nachdem sie bei den erwähnten Ermittlungen identifiziert wurden. 209    Die Zuständigkeit der Kommission zum Erlass der angefochtenen Maßnahmen ist im Übrigen von der Französischen Republik nicht angezweifelt worden; diese hat auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung wie die Kommission die Auffassung vertreten, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 999/2001 dahin auszulegen sei, dass der Erlass von Maßnahmen zur Änderung des Anhangs VII dieser Verordnung gestattet sei, die zu der Verpflichtung führten, bestimmte Tiere und nicht sämtliche Tiere einer Herde, in der ein TSE-Fall entdeckt worden sei, zu töten und zu beseitigen. 210    Demnach hat die Kommission im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Verordnung zu Recht erklärt, dass diese gemäß Art. 23 der Verordnung Nr. 999/2001 erlassen worden sei. 211    Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die zuständigen Behörden die Pflicht haben, ein hohes, wenn auch nicht das höchstmögliche Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit aufrechtzuerhalten (vgl. Randnrn. 64 und 79 des vorliegenden Urteils). Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 verweist auf diese Verpflichtung im Zusammenhang mit den der Kommission übertragenen Befugnissen zur Änderung der Anhänge der Verordnung Nr. 999/2001, wenn er den Erlass von Entscheidungen im Kontext dieser Verordnung von der Bedingung der Aufrechterhaltung oder, wenn dies wissenschaftlich gerechtfertigt ist, der Erhöhung des in der Gemeinschaft gewährleisteten Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit abhängig macht. Das Vorsorgeprinzip ist eines der Instrumente, die es den Behörden gestatten, dieser Pflicht zu genügen (vgl. Randnr. 67 des vorliegenden Urteils). Es schreibt nämlich den Behörden vor, ein Risiko, das über das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau hinausgeht, so zu steuern, dass es auf dieses Niveau beschränkt wird (vgl. Randnrn. 67 und 81 des vorliegenden Urteils). Die Steuerung des Risikos durch Erlass geeigneter Maßnahmen, die ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit, der Sicherheit und der Umwelt sicherstellen sollen, entspricht damit sämtlichen Maßnahmen eines Organs, mit denen ein Risiko so gesteuert werden soll, dass es auf ein akzeptables Niveau beschränkt bleibt. 212    Außerdem ist es Sache der zuständigen Behörden, die von ihnen aufgrund des Vorsorgeprinzips erlassenen vorläufigen Maßnahmen innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne zu überprüfen. Dazu ist entschieden worden, dass, wenn neue Informationen die Einstufung eines Risikos ändern oder zeigen, dass ihm durch Maßnahmen begegnet werden kann, die weniger einschränkend sind als die bestehenden, es den Organen, insbesondere der Kommission, obliegt, für eine Anpassung der Regelung an die neuen Gegebenheiten zu sorgen (vgl. Randnr. 83 des vorliegenden Urteils). Somit muss die Abschwächung zuvor erlassener vorbeugender Maßnahmen mit neuen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden, die zu einer anderen Bewertung des betreffenden Risikos führen. 213    Diese neuen Gesichtspunkte, wie etwa neue Erkenntnisse oder neue wissenschaftliche Entdeckungen, ändern, wenn sie eine Abschwächung einer vorbeugenden Maßnahme rechtfertigen, den konkreten Inhalt der Pflicht der Behörden zur ständigen Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit. Diese neuen Gesichtspunkte können nämlich die Bewertung sowie das Niveau des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos ändern. Die Rechtmäßigkeit des Erlasses einer weniger einschränkenden vorbeugenden Maßnahme ist nicht anhand des Niveaus des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikos zu beurteilen, das beim Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen Berücksichtigung gefunden hat. Der Erlass der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen mit dem Ziel, das Risiko auf ein gesellschaftlich annehmbar erscheinendes Niveau zu bringen, erfolgt nämlich aufgrund einer Bewertung der Risiken und insbesondere der Festlegung des gesellschaftlich annehmbar erscheinenden Risikoniveaus. Wenn neue Gesichtspunkte diese Bewertung der Risiken ändern, ist die Rechtmäßigkeit des Erlasses weniger einschränkender vorbeugender Maßnahmen unter Berücksichtigung dieser neuen Gesichtspunkte und nicht nach Maßgabe der Gesichtspunkte zu würdigen, die die Bewertung der Risiken im Rahmen des Erlasses der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen bestimmt haben. Nur wenn das neue Risikoniveau das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau übersteigt, hat der Richter eine Verletzung des Vorsorgeprinzips festzustellen. 214    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Risikoniveau, das in einem bestimmten Fall gesellschaftlich unannehmbar erscheint, auf eine politische Entscheidung zurückgeht, die der zuständigen Behörde und nicht dem Richter zusteht (vgl. Randnr. 78 des vorliegenden Urteils). Die zuständige Behörde verfügt in diesem Zusammenhang über ein weites Ermessen, und es ist nicht Sache des Richters, sich an ihre Stelle zu setzen. Die gerichtliche Kontrolle der materiellen Rechtmäßigkeit bleibt auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Behörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmissbrauch begangen oder die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat (vgl. Randnr. 85 des vorliegenden Urteils). Bei der Prüfung durch den Unionsrichter, ob dem Rechtsakt eines Organs ein offensichtlicher Beurteilungsfehler anhaftet, kann ein die Nichtigerklärung dieses Rechtsakts rechtfertigender offensichtlicher Irrtum eines Organs bei der Würdigung des Sachverhalts nur festgestellt werden, wenn die vom Kläger vorgebrachten Beweise ausreichen, um die Sachverhaltswürdigung in diesem Rechtsakt als nicht plausibel erscheinen zu lassen (vgl. Randnr. 86 des vorliegenden Urteils). Zu den neuen Gesichtspunkten 215    In Zusammenhang mit der BSE-Krise hat die Kommission im Jahr 2000 Maßnahmen zur Überwachung, Vorsorge, Kontrolle und Tilgung der TSE bei Schafen und Ziegen eingeführt und sich dabei auf die damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse gestützt, um die von Schafen und Ziegen stammenden Produkte so sicher wie möglich zu machen (vgl. die Erwägungsgründe 3, 4 und 6 der angefochtenen Verordnung). Diese Maßnahmen wurden auf der Grundlage geringer wissenschaftlicher Erkenntnisse bezüglich Prävalenz und Übertragbarkeit der TSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen getroffen. Von der Vorbeugung abgesehen, sollten diese Maßnahmen Daten über die Prävalenz anderer TSE als BSE bei Schafen und Ziegen sowie über etwaige Verbindungen zwischen diesen TSE und BSE und ihre Übertragbarkeit auf den Menschen zusammentragen. 216    Im Vergleich zu der Sachlage zum Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen hat sich die Kommission im Kern auf drei neue Gesichtspunkte berufen, die den Erlass der angefochtenen Maßnahmen rechtfertigten. 217    Erstens hat die Kommission das Fehlen einer epidemiologischen Verbindung zwischen einerseits der klassischen oder der atypischen Scrapie bei kleinen Wiederkäuern und andererseits den TSE bei Menschen seit der Einführung der ursprünglichen vorbeugenden Maßnahmen mit einer aktiven Überwachung der kleinen Wiederkäuer angeführt. Sie hat insoweit auf die Gutachten der EFSA vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 verwiesen (vgl. Erwägungsgründe 4 und 6 der angefochtenen Verordnung). 218    Zweitens hat die Kommission auf die Einführung und Validierung der molekularen Differenzierungstests verwiesen, die es erlaubten, innerhalb kurzer Zeit verlässlich die Scrapie von der BSE zu unterscheiden. Die Zuverlässigkeit dieser Tests sei von der EFSA in ihren Gutachten vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 bestätigt worden. 219    Drittens hat die Kommission die epidemiologischen Daten angeführt, denen zufolge die wahrscheinliche Prävalenz von BSE bei Schafen und Ziegen sehr gering sei (vgl. Erwägungsgründe 15 und 16 der angefochtenen Verordnung). 220    Die Französische Republik bestreitet nicht die Neuartigkeit dieser Gesichtspunkte, wendet sich aber gegen die Auffassung, dass sie den Erlass der angefochtenen Maßnahmen rechtfertigen könnten. 221    Mithin ist zu prüfen, ob die Kommission angesichts dieser neuen Gesichtspunkte die angefochtenen Maßnahmen erlassen musste, weil sie es unter Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit erlaubten, die Kosten der Vorsorgemaßnahmen im Bereich der TSE bei kleinen Wiederkäuern für die Gesellschaft im Allgemeinen zu senken, oder ob sie im Gegenteil mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen gegen das Vorsorgeprinzip und gegen Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 und damit gegen die diesem Prinzip und dieser Vorschrift innewohnende Pflicht zur Beibehaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit verstoßen hat, weil sie Personen Risiken ausgesetzt hat, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau überschreiten. Zur Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers beim Risikomanagement Einleitung 222    Im Vergleich mit der Regelung vor der Verordnung Nr. 727/2007, die durch die angefochtene Verordnung ersetzt wurde, erlauben es die angefochtenen Maßnahmen im Kern, zum einen Fleisch kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten, die aus einem Bestand stammen, in dem ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, und die, wenn sie unmittelbar oder binnen zwei Jahren nach der Entdeckung des letzten TSE-Falls geschlachtet wurden, einem „Schnelltest“ mit negativem Ergebnis unterzogen wurden, und zum anderen Fleisch kleiner Wiederkäuer im Alter von 3 bis 18 Monaten, die zu einem Bestand gehören, bei dem ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, ohne dass sie „Schnelltests“ unterzogen worden wären, dem menschlichen Verzehr zuzuführen. 223    Die Französische Republik bringt vor, die Risiken für die menschliche Gesundheit infolge der angefochtenen Maßnahmen überschritten deutlich das gesellschaftlich akzeptable Risikoniveau, so dass der Kommission durch den Erlass der angefochtenen Maßnahmen ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen sei. Die Kommission habe damit das Vorsorgeprinzip und ihre Pflicht zur Aufrechterhaltung eines hohen Niveaus des Schutzes der menschlichen Gesundheit gemäß Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 verletzt. Die Kommission ist demgegenüber der Meinung, dass sie wegen der neuen Gesichtspunkte verpflichtet gewesen sei, die angefochtenen Maßnahmen zu erlassen. 224    Hierzu ist festzustellen, dass die Entdeckung eines TSE-Falls in einem Viehbestand, die die Anwendung der angefochtenen Maßnahmen erlaubt, insbesondere aufgrund einer Probennahme aus der allgemeinen Population der kleinen Wiederkäuer und von „Schnelltests“ erfolgt, was ein Risiko der Nichtentdeckung von TSE-Fällen in der allgemeinen Population der kleinen Wiederkäuer mit sich bringt. Dieses Risiko stellt aber für die Französische Republik ein gesellschaftlich akzeptables Risiko dar. Ihre Rüge richtet sich nämlich allein gegen die Zuführung von Fleisch kleiner Wiederkäuer, die zu einer Herde gehören, in der ein TSE-Fall entdeckt wurde, zum menschlichen Verzehr und nicht gegen das Risiko der Nichtentdeckung dieses Falles. 225    Außerdem ergibt sich aus den in den Randnrn. 190 und 191 des vorliegenden Urteils angeführten Gutachten der EFSA und der AFSSA, dass die Prävalenz in einer Herde, die ein mit klassischer Scrapie infiziertes Tier aufweist, auf einen Anteil geschätzt werden konnte, der von 1 % bis über 40 % reichte, während die Prävalenz der klassischen Scrapie in der allgemeinen Population von Tieren, die älter als 18 Monate sind, etwa 0,05 % betrug (vgl. Gutachten der AFSSA vom 15. Januar 2007, S. 4 und 7, und Gutachten der EFSA vom 5. Juni 2008, S. 8). Die Kommission durfte davon ausgehen, dass die kleinen Wiederkäuer aus einer Herde mit einem TSE-Fall in Form der klassischen Scrapie eine größere Wahrscheinlichkeit der Ansteckung aufweisen als diejenigen, die aus der allgemeinen Population der kleinen Wiederkäuer stammen. 226    Ferner hat die EFSA in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2008 die Auffassung vertreten, dass die Ansteckungen der kleinen Wiederkäuer mit der Scrapie unter natürlichen Bedingungen im Allgemeinen bei der Geburt oder kurz danach erfolgen und die klinischen Anzeichen bei empfänglichen kleinen Wiederkäuern in einer Zeitspanne von zwei bis drei Jahren ab der Ansteckung auftreten. Sie hat in diesem Gutachten aufgrund einer wissenschaftlichen Studie im Übrigen hinzugefügt, dass bei Schafen des empfänglichen Genotyps, die von einem Erreger der klassischen Scrapie infiziert worden seien, die ersten Zeichen der Ansteckung vom ersten Monat ihres Lebens an im Ernährungstrakt und den verbundenen Lymphstrukturen zu entdecken seien. Im Gegensatz hierzu seien die Prionen im zentralen Nervensystem erst ab Mitte der Inkubationszeit aufzufinden (vgl. Gutachten der EFSA vom 5. Juni 2008, S. 8 und 9). Im Anhang zu ihrem Gutachten vom 5. Dezember 2007 nimmt die AFSSA Bezug auf ein System der Verbreitung des Erregers von TSE, das drei Phasen umfasst: Die erste Phase, genannt „Phase des Lymphbefalls“, ist durch eine frühzeitige Ansteckung der Lymphstrukturen des Verdauungstrakts und dann der verbundenen Lymphknoten gekennzeichnet und führt nach und nach zur Ansammlung von PrPre in allen sekundären Lymphbildungen. Die zweite Phase, genannt „Phase des Nervenbefalls“, ist durch eine Ansammlung von PrPre zunächst in den Neuronen des mit dem Verdauungstrakt verbundenen peripheren autonomen Nervensystems und dann in denen des zentralen Nervensystems gekennzeichnet. Schließlich ist die dritte Phase, genannt „Phase der zentrifugalen Verbreitung“, die Phase, in der die Krankheit sich ausgehend vom zentralen Nervensystem zu den Randstrukturen wie etwa dem Muskelgewebe hin ausbreitet. Zur Erhöhung des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen –       Zur Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten zum menschlichen Verzehr 227    Eine erste Abschwächung der geltenden Regeln durch die angefochtenen Maßnahmen bestand in der Zulassung der Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten zum menschlichen Verzehr, die zu einem Bestand gehören, in dem ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, vorausgesetzt, die kleinen Wiederkäuer, die sofort oder binnen zwei Jahren nach der Entdeckung des letzten TSE-Falls in diesem Bestand geschlachtet werden, werden einem „Schnelltest“ unterzogen, dessen Ergebnis negativ ist (vgl. Nr. 2.3 Buchst. b Ziff. iii und Nr. 4 des Anhangs VII der Verordnung Nr. 999/2001 in der durch die angefochtene Verordnung geänderten Fassung). 228    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Infizierung kleiner Wiederkäuer mit der Scrapie unter natürlichen Bedingungen im Allgemeinen bei der Geburt erfolgt (siehe oben, Randnr. 226), dass bei den genetisch empfänglichen Schafen das zentrale Nervensystem durch Prionen infiziert wird, sobald sie 18 Monate alt sind (siehe oben, Randnr. 226), und dass die „Schnelltests“ nahezu 100%ig wirksam sind, wenn sie am Obex vorgenommen werden (siehe oben, Randnr. 119). In Anbetracht dieser Gesichtspunkte und vorbehaltlich der Prüfung der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests, die die Annahme erlaubten, dass der „Indexfall“ von einer anderen TSE als BSE befallen sei, durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, die Auffassung vertreten, dass bei den genetisch empfänglichen Schafen die erste Abschwächung durch die angefochtenen Maßnahmen zu keiner spürbaren Erhöhung des Risikos für den Menschen führt, sich mit Fleisch eines von TSE befallenen Tieres anzustecken, weil der Körper des kleinen Wiederkäuers, von dem das Fleisch stammt, „Schnelltests“ unterzogen wurde und das Ergebnis dieser Tests negativ war. Bei Schafen mit einer geringeren Empfänglichkeit oder bei Ziegen gilt diese Schlussfolgerung dagegen nicht unbedingt. Somit führt die besagte Abschwächungsmaßnahme zu einer gewissen Zunahme der Gefahr, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. 229    Die Französische Republik ist ferner der Auffassung, dass die besagte Abschwächungsmaßnahme zu einer Erhöhung des Risikos führe, weil sie die Pflicht, geschlachtete kleine Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten „Schnelltests“ zu unterziehen, auf zwei Jahre ab dem letzten entdeckten TSE-Fall beschränke. Auf dieses Vorbringen erwidert die Kommission, es sei höchst unwahrscheinlich, dass infizierte Tiere nicht innerhalb dieser Zeitspanne entdeckt würden. Die betreffende Maßnahme laufe darauf hinaus, dass während dieser zwei Jahre kein Tier im Alter von mehr als 18 Monaten, das geschlachtet werde, eine Infizierung aufweisen dürfe. Außerdem hat die Kommission in Beantwortung schriftlicher Fragen des Gerichts zu der besagten Abschwächungsmaßnahme erklärt, dass die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 999/2001 übermittelten Informationen keinen Hinweis auf ein Wiederauftreten von Scrapie-Fällen in den Betrieben später als zwei Jahre nach der Entdeckung von Infizierungsfällen enthielten. 230    Insoweit ist es plausibel, dass die Wahrscheinlichkeit, dass mit TSE infizierte, für den Verzehr bestimmte Tiere im Alter von mehr als 18 Monaten nicht binnen zwei Jahren nach dem zuletzt entdeckten TSE-Fall entdeckt werden, überaus gering ist. Da nämlich, wie in Randnr. 226 des vorliegenden Urteils erläutert, die Ansteckung unter natürlichen Bedingungen im Allgemeinen bei der Geburt erfolgt und in einem solchen Fall ab einem Alter von 18 Monaten die Prionen am Obex entdeckt werden können, können „Schnelltests“ an Tieren im Alter von mehr als 18 Monaten als sehr zuverlässig betrachtet werden. 231    Die letztgenannte Einschätzung liefert indessen keine genaue Angabe über das durch den menschlichen Verzehr des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten, die binnen zwei Jahren nach der Entdeckung des letzten TSE-Falls in einer Herde geschlachtet werden, hervorgerufene Risiko, dass Menschen mit den TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. Diese Einschätzung hängt potenziell von der Häufigkeit der Schlachtung kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten innerhalb dieser Herde ab. Die Kommission hat aber nichts vorgebracht, was eine Bewertung dieses Faktors zulassen würde. 232    Im Übrigen ist, soweit die Kommission vorbringt, dass die von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 2 und 4 der Verordnung Nr. 999/2001 übermittelten Informationen keinen Hinweis auf ein Wiederauftreten von Scrapie-Fällen später als zwei Jahre nach der Entdeckung von TSE-Fällen enthielten, festzustellen, dass sie diese Daten nicht beigebracht hat. Im Übrigen ist das Vorbringen der Französischen Republik in der mündlichen Verhandlung, dass diese Daten keinen Hinweis auf das besagte Wiederauftreten lieferten, weil die betreffende Abschwächungsmaßnahme noch nicht in Kraft gewesen sei, plausibel. 233    Demnach ist davon auszugehen, dass die erste Abschwächungsmaßnahme im Rahmen der angefochtenen Maßnahmen zu einer Erhöhung des Risikos führen kann, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. –       Zur Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter zwischen 3 und 18 Monaten zum menschlichen Verzehr 234    Die zweite Abschwächung der geltenden Regeln durch die angefochtenen Maßnahmen besteht in der Erlaubnis der Zuführung zum menschlichen Verzehr von Fleisch kleiner Wiederkäuer im Alter zwischen 3 und 18 Monaten aus Herden, in denen ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, ohne dass die Körper dieser kleinen Wiederkäuer „Schnelltests“ unterworfen worden wären. 235    Das Fehlen von „Schnelltests“ an geschlachteten kleinen Wiederkäuern im Alter von 3 bis 18 Monaten ist unstreitig. Es erklärt sich dadurch, dass die Prionen, bevor die kleinen Wiederkäuer ein Alter von 18 Monaten erreicht haben, den Obex kranker kleiner Wiederkäuer noch nicht in ausreichender Menge befallen haben, so dass „Schnelltests“ am Obex dieser Tiere nicht zuverlässig sein können (vgl. Gutachten der EFSA vom 5. Juni 2008, S. 9). 236    Die Kommission räumt im Übrigen ein, dass diese Maßnahmen eine „mathematische Zunahme“ des Risikos herbeiführen, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. 237    Vor der Würdigung der Bedeutung der Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, ist festzuhalten, dass drei Faktoren diese Würdigung beeinflussen können: die Wirksamkeit der Entfernung der SRM, das Alter der dem menschlichen Verzehr zugeführten kleinen Wiederkäuer und der Genotyp der zum menschlichen Verzehr bestimmten Schafe. 238    Zu den SRM gehören einerseits der Schädel einschließlich Gehirn und Augen, die Tonsillen und das Rückenmark von kleinen Wiederkäuern, die über zwölf Monate alt sind oder bei denen ein bleibender Schneidezahn das Zahnfleisch durchbrochen hat, und andererseits die Milz von kleinen Wiederkäuern aller Altersklassen (vgl. Nr. 1 des Anhangs V der Verordnung Nr. 999/2001). Ihre Entfernung bedeutet eine Begrenzung der infizierten Gewebe, die gegebenenfalls infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen dem menschlichen Verzehr zugeführt werden können. 239    Für das Alter der geschlachteten kleinen Wiederkäuer gilt, da die TSE-Ansteckung eines kleinen Wiederkäuers unter natürlichen Bedingungen im Allgemeinen bei der Geburt erfolgt, sich aber erst nach und nach im Organismus ausbreitet: je jünger das Schlachtalter, umso geringer das Risiko. Dies ist mittelbar von der Französischen Republik in der mündlichen Verhandlung anerkannt worden, denn sie hat vorgebracht, dass bis zum Alter von drei Monaten davon ausgegangen werden müsse, dass das vom Prion infizierte Tier nicht genügend TSE aufgebaut habe, um die menschliche Gesundheit zu gefährden. Die Parteien haben indessen keine genauen Angaben zur Zahl der kleinen Wiederkäuer gemacht, die je Altersgruppe in Europa geschlachtet werden. 240    Zum Genotyp der geschlachteten Schafe ist schließlich festzuhalten, dass bei den Tieren des resistenten Genotyps, d. h. des Genotyps ARR/ARR, aus einer Herde, in der ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, unbestritten ist, dass das Risiko der Ansteckung mit klassischer Scrapie äußerst gering ist, auch wenn es nicht ganz auszuschließen ist (vgl. Randnr. 18 des vorliegenden Urteils). Demgegenüber ist bei den Tieren des empfänglichen Genotyps, d. h. des Genotyps VRQ/VRQ, aus einer Herde, in der ein Fall anderer TSE als BSE entdeckt wurde, das Risiko der Ansteckung eines kleinen Wiederkäuers aus dieser Herde mit klassischer Scrapie hoch. Damit bewirkt die Zuführung zum menschlichen Verzehr von Fleisch kleiner Wiederkäuer des empfänglichen Genotyps aus einer Herde, in der ein TSE-Fall entdeckt wurde, eine Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. –       Zum Umfang der Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen 241    Die AFSSA hat, wie in den Randnrn. 184 ff. dieses Urteils ausgeführt, zweimal darauf hingewiesen, dass eine quantitative Bewertung der Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, zu der der Erlass der angefochtenen Maßnahmen führe, wegen unzureichender Daten über die tatsächliche Prävalenz der Scrapie in allen befallenen Herden und die tatsächliche genetische Struktur der Schafpopulation im Allgemeinen nicht möglich sei. 242    In ihrem Gutachten vom 13. Juni 2007 hat die AFSSA aber eine „Größenordnung“ der Zunahme dieses Risikos angegeben. Sie hat aufgrund von Daten, die in Frankreich gesammelt wurden, angenommen, dass durch die Tests am Obex nur etwa 50 % der infizierten Tiere in den befallenen Herden entdeckt würden und die verbleibenden etwa 50 % auf Tiere in der Inkubationsphase entfielen, die Infektionsherde in ihren Lymphorganen aufwiesen. In ihrem Gutachten vom 5. Dezember 2007 hat die AFSSA die Repräsentativität des in ihrem Gutachten vom 13. Juni 2007 angegebenen Werts von 50 % bestätigt. 243    Trotz der Unvollkommenheit der Schätzungen der AFSSA führt der Erlass der angefochtenen Maßnahmen daher zu einer nicht unbeträchtlichen Zunahme des Risikos, dass Menschen wegen der Zuführung des Fleischs von Tieren, die von einer TSE befallen sind, zum menschlichen Verzehr mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen. 244    Das Vorbringen der Kommission kann diese nicht unbeträchtliche Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, nicht in Frage stellen. 245    Zur Auffassung der Kommission, dass die „Schnelltests“ die große Mehrzahl der Tiere des empfänglichen Genotyps aufdeckten, weil diese mehr oder weniger 50 % der Schafpopulation ausmachten, und dass die „Schnelltests“ die empfänglichen Tiere viel rascher fänden, ist darauf hinzuweisen, dass zwar dem Gutachten der EFSA vom 5. Juni 2008 entnommen werden kann, dass die von einer TSE befallenen empfänglichen Tiere ab einem Alter zwischen 12 und 18 Monaten durch „Schnelltests“ am Obex wirksam ausfindig gemacht werden können, doch hat die AFSSA angegeben, dass 50 % der nicht entdeckten Tiere den Tieren in der Inkubationsphase entsprächen, die Erreger in ihren Lymphorganen aufwiesen. Daher berührt die schnellere Auffindung der Tiere des empfänglichen Genotyps nicht die Einschätzung der AFSSA, dass durch die Tests am Obex nur etwa 50 % der infizierten Tiere entdeckt würden (vgl. Randnr. 242 des vorliegenden Urteils). 246    Soweit sich die Kommission auf die Entfernung der SRM beruft, hat die AFSSA in ihrem Gutachten vom 15. Januar 2007 die Auffassung vertreten, dass „bei den Tieren des empfänglichen Genotyps (ohne ARR-Allel) auch die ausgedehnte Entfernung der SRM am Kopf und in den Eingeweiden nicht sämtliche Gewebe beseitigen kann, die erhebliche Mengen von Erregern aufweisen“. Auch wenn die Entfernung der SRM dazu beiträgt, das Risiko, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, zu begrenzen, kann diese Maßnahme daher nicht die Einschätzung in Frage stellen, dass die Zunahme dieses Risiko nicht unbeträchtlich ist. 247    Außerdem entkräftet die Schätzung der Kommission während des Verfahrens unabhängig von der Frage ihrer wissenschaftlichen Stichhaltigkeit nicht die grobe Bewertung der AFSSA, aus der eine nicht unbeträchtliche Zunahme der Exposition des Menschen gegenüber TSE bei Schafen und Ziegen im Anschluss an den Erlass der angefochtenen Maßnahmen abgeleitet werden kann. 248    Ungeachtet dessen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Französische Republik nichts vorgebracht hat, was die Einschätzung der Kommission in Frage stellen könnte, dass die mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen einhergehende Erhöhung des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, eindeutig geringer ist als diejenige, die die Abschwächung des Überwachungsprogramms durch die Verordnung Nr. 727/2007 mit sich bringt. Zur Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit –       Einleitung 249    Die Erhöhung des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, infolge der angefochtenen Maßnahmen reicht nicht für die Feststellung einer Verletzung des Vorsorgeprinzips oder der Pflicht der Kommission nach Art. 152 Abs. 1 EG und Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 aus, ein möglichst hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit sicherzustellen. Eine solche Verletzung kann nämlich nur dann festgestellt werden, wenn der Erlass der angefochtenen Maßnahmen und damit die Erhöhung des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, zu Risiken für die menschliche Gesundheit führen, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Niveau übersteigen. 250    Um beurteilen zu können, ob der Kommission bei ihrem Risikomanagement ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist, ist zu prüfen, ob die Kommission ohne offensichtlichen Beurteilungsfehler davon ausgehen durfte, dass die angefochtenen Maßnahmen geeignet waren, ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit sicherzustellen. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen der Frage des Risikos für die menschliche Gesundheit, infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen mit Fleisch von kleinen Wiederkäuern, das mit BSE kontaminiert ist, in Berührung zu kommen, und der Frage des Risikos für die menschliche Gesundheit, infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen mit Fleisch von kleinen Wiederkäuern, das mit Scrapie kontaminiert ist, in Berührung zu kommen. –       Zum Risiko für die menschliche Gesundheit beim Verzehr des Fleischs von Schafen oder Ziegen, die von anderen TSE als BSE befallen sind, durch den Menschen 251    Aus den in den Randnrn. 93 ff. des vorliegenden Urteils angeführten Gründen ist davon auszugehen, dass der Kommission mit der Annahme, dass aufgrund der verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse das Risiko der Übertragbarkeit anderer TSE-Erreger als BSE bei Schafen und Ziegen auf den Menschen überaus gering war, kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen ist. 252    Ein überaus geringes Risiko der Übertragbarkeit anderer TSE-Erreger als BSE bei kleinen Wiederkäuern auf den Menschen verringert aber beträchtlich die Auswirkung der Zunahme des mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen verbundenen Risikos, dass Menschen mit anderen TSE als BSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, auf die menschliche Gesundheit. 253    Für andere TSE als BSE bei kleinen Wiederkäuern durfte die Kommission daher, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass die angefochtenen Maßnahmen nicht zu einer über das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau hinausgehenden Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit führen würden. –       Zum Risiko für die menschliche Gesundheit beim Verzehr des Fleischs mit BSE infizierter Schafe oder Ziegen durch den Menschen 254    Bei der Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit, das die angefochtenen Maßnahmen angesichts der Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen herbeiführen, ist zunächst auf die Bedeutung der molekularen Differenzierungstests in dem mit den angefochtenen Maßnahmen geschaffenen System hinzuweisen. 255    Die angefochtenen Maßnahmen sehen vor, dass bei Entdeckung eines TSE-Falls in einer allgemeinen Population kleiner Wiederkäuer das infizierte Tier gekeult wird, Entnahmen aus seinem Körper einem molekularen Differenzierungstest unterworfen werden und der Körper beseitigt wird. Ist das Ergebnis des Tests positiv, wird die Herde, aus der das Tier stammt, vollständig beseitigt. Ist aber das Ergebnis des Tests negativ, so kann die Herde, aus der das Tier stammt, dem menschlichen Verzehr zugeführt werden, vorausgesetzt, während eines Zeitraums von zwei Jahren nach Entdeckung des letzten TSE-Falls werden die geschlachteten Tiere im Alter von mehr als 18 Monaten einem Schnelltest unterzogen und dieser Test verläuft negativ. 256    Die molekularen Differenzierungstests, wie sie die angefochtenen Maßnahmen vorsehen, tragen somit dazu bei, das Risiko, dass Menschen mit BSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, zu verringern, indem sie es erlauben, die Zuführung von Fleisch aus einer Herde, in der ein Fall von BSE entdeckt wurde, zum menschlichen Verzehr auszuschließen. Ein Versagen dieses Tests hat insbesondere zur Folge, dass die Herde, in der ein Fall von BSE aufgetreten ist, zum menschlichen Verzehr freigegeben werden kann, ohne dass die Tiere im Alter von unter 18 Monaten irgendeinem Test unterzogen würden. 257    Die molekularen Differenzierungstests sind allerdings nicht durch die angefochtenen Maßnahmen in die Verordnung Nr. 999/2001 eingefügt worden. Diese Tests sind seit 2005 Teil der Verordnung Nr. 999/2001, um unter den TSE-Fällen im Anschluss an die aktive Überwachung die BSE-Fälle oder Verdachtsfälle zu ermitteln (vgl. Randnr. 27 des vorliegenden Urteils). Die Französische Republik hat die Zuverlässigkeit dieser Tests in diesem Kontext jedoch nicht in Frage gestellt. 258    Die EFSA hat in ihren Gutachten vom 8. März 2007 und vom 24. Januar 2008 die Auffassung vertreten, dass aufgrund der verfügbaren Daten die molekularen Differenzierungstests als Instrumente angesehen werden sollten, die für die Entdeckung von TSE-Fällen vor Ort gemäß Anhang X Kapitel C Nr. 3.2 Buchst. c der Verordnung Nr. 999/2001 eingesetzt werden könnten und die es erlaubten, das Ziel einer schnellen und reproduzierbaren Identifizierung der TSE-Fälle, deren Signatur mit der klassischen BSE kompatibel sei, zu erreichen. 259    Die AFSSA und die EFSA haben allerdings ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die molekularen Differenzierungstests nicht als perfekt gelten könnten. Diese fehlende Perfektion beruhe darauf, dass es derzeit an Wissen über die tatsächliche Vielfalt der TSE-Erreger bei Schafen und Ziegen sowie über die Interaktion der Erreger im Fall einer Koinfektion fehle (vgl. Gutachten der EFSA vom 8. März 2007, S. 7, und vom 24. Januar 2008, S. 7). Auch wenn keine wissenschaftliche Erkenntnis eine solche Koinfektion unter natürlichen Bedingungen belegt (vgl. Randnr. 154 des vorliegenden Urteils), kann diese doch nicht ausgeschlossen werden. Die fehlende Perfektion der molekularen Differenzierungstests folgt auch aus der unvollständigen Bewertung ihrer Empfindlichkeit und ihrer Spezifizität. Die AFSSA hat in ihrem Gutachten vom 20. Juli 2006 etwa erklärt, dass, wenn die Empfindlichkeit der Differenzierungstests mit 100 % angesetzt werde, die untere Grenze des Vertrauensintervalls dieser Empfindlichkeit 82,35 % betrage, weil der Ansatz für die Empfindlichkeit nur von 19 kleinen Wiederkäuern herrühre, die experimentell mit BSE infiziert worden seien. In ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 hat die EFSA hinzugefügt, dass die Grenzen dieser Bewertung der molekularen Differenzierungstests zum Teil von der fehlenden Entdeckung natürlicher BSE-Fälle bei Schafen und Ziegen herrührten. Nach ihren Angaben sind die molekularen Differenzierungstests entwickelt worden, um die klassische BSE von den anderen TSE zu unterscheiden. Sie seien daher nicht in Bezug auf ihre Eignung zur Unterscheidung von BSE des Typs L oder H von anderen TSE bewertet worden. 260    Die angefochtenen Maßnahmen können somit nicht ausschließen, dass Fleisch aus einer Herde, in der ein Tier mit BSE infiziert wurde, dem menschlichen Verzehr zugeführt wird. 261    Aus den in den Randnrn. 157 ff. des vorliegenden Urteils angeführten Gründen durfte die Kommission jedoch, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, annehmen, dass die Prävalenz der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr gering sei. Außerdem war zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen ein einziger Fall klassischer BSE bei kleinen Wiederkäuern bestätigt worden; er betraf eine Ziege, die mit Tiermehl gefüttert worden war, was nunmehr verboten ist. 262    Da die molekularen Differenzierungstests nach Meinung der EFSA das Ziel einer raschen und wiederholbaren Ermittlung der TSE-Fälle erreichen, deren Signatur mit der klassischen BSE übereinstimmt, da die geschätzte Prävalenz der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern sehr gering ist, da nur ein BSE-Fall bei kleinen Wiederkäuern festgestellt wurde und da nur bei einer sehr geringen Zahl von TSE-Fällen noch die Prüfung läuft, um definitiv festzustellen, ob es sich um TSE oder BSE handelt, durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, davon ausgehen, dass das mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen einhergehende zusätzliche Risiko, dass Menschen mit der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, nicht zu Risiken für die menschliche Gesundheit führen würde, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau überschritten. 263    Zum Risiko, dass Menschen mit anderen BSE-Erregerstämmen als der klassischen BSE in Berührung kommen, hat die EFSA in ihrem Gutachten vom 25. Januar 2007 die Auffassung vertreten, dass Bedeutung, Ursprung und Übertragbarkeit der BSE vom Typ L oder H zu diesem Zeitpunkt rein spekulativ seien. Die Autoren des von der Französischen Republik angeführten wissenschaftlichen Beitrags haben diese Einschätzung nicht entkräftet, sondern lediglich eine mögliche Übertragbarkeit der BSE vom Typ L auf den Menschen erwogen. 264    Da weitere Indizien fehlten, durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, annehmen, dass das mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen einhergehende zusätzliche Risiko, dass Menschen mit anderen BSE-Typen als der klassischen BSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, nicht zu Risiken für die menschliche Gesundheit führen würde, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau überschritten. Ergebnis 265    Nach alledem durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Daten davon ausgehen, dass die mit dem Erlass der angefochtenen Maßnahmen einhergehende Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen, nicht zu Risiken für die menschliche Gesundheit führen würde, die das gesellschaftlich annehmbar erscheinende Risikoniveau überschritten. 266    Demgemäß hat die Kommission mit dem Erlass der beanstandeten Maßnahmen das Vorsorgeprinzip sowie die in Art. 152 Abs. 1 EG und in Art. 24a der Verordnung Nr. 999/2001 verankerte Pflicht zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus nicht verletzt. Die Klage ist daher abzuweisen. Kosten 267    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Französische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und im Verfahren zur Hauptsache aufzuerlegen. 268    Gemäß Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung, wonach Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, sind dem Vereinigten Königreich seine eigenen Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Klage wird abgewiesen. 2.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission im Verfahren zur Hauptsache und in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. 3.      Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten. Azizi Cremona Labucka Frimodt Nielsen O’Higgins Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. September 2011. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Rechtlicher Rahmen 1.  Verordnung Nr. 178/2002 2.  Verordnung Nr. 999/2001 Streitige Maßnahmen Sachverhalt 1.  Transmissible spongiforme Enzephalopathien 2.  Spongiforme Enzephalopathie bei Rindern 3.  Scrapie 4.  Entwicklung der Gemeinschaftspolitik zur Bekämpfung von TSE bei Schafen und Ziegen Verfahren Anträge der Beteiligten Zur Begründetheit 1.  Grundsätzliche Erwägungen Zum Schutz der menschlichen Gesundheit Zum Vorsorgeprinzip Begriffsbestimmung Bewertung der Gefahren –  Einleitung –  Zur wissenschaftlichen Bewertung der Risiken –  Zur Bestimmung des Risikoniveaus Risikomanagement Zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle 2.  Zum einzigen Klagegrund der Verletzung des Vorsorgeprinzips 3.  Zur Risikobewertung Einleitung Zu den Rügen fehlender Berücksichtigung und fehlerhafter Bewertung wissenschaftlicher Unsicherheiten bei der Übertragbarkeit anderer TSE als BSE auf den Menschen Zur Rüge der fehlenden Befragung wissenschaftlicher Experten zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“ Einleitende Erwägungen Zum Einsatz der „Schnelltests“ zu anderen als epidemiologischen Zwecken Zum Fehlen von Angaben in den Gutachten der EFSA vom 17. Mai und vom 26. September 2005 zur Zuverlässigkeit der „Schnelltests“, wenn kleine Wiederkäuer noch keine ausreichende Akkumulierung von Prionen im Hirnstamm aufweisen Zu den Rügen bezüglich der Differenzierungstests Einleitung Zur Rüge fehlender Berücksichtigung wissenschaftlicher Unsicherheiten bei der Zuverlässigkeit der Differenzierungstests Zur Rüge der voreingenommenen Verwendung des Gutachtens der EFSA vom 24. Januar 2008 –  Einleitung –  Zum Risiko der Koinfektion –  Zur Prävalenz der BSE bei kleinen Wiederkäuern Zur Berücksichtigung der Gutachten der AFSSA vom 8. Oktober 2008 und der EFSA vom 22. Oktober 2008 Zur Rüge der fehlenden Würdigung der Risikoerhöhung infolge des Erlasses der angefochtenen Maßnahmen 4.  Zum Risikomanagement Kurze Darstellung des Vorbringens der Beteiligten Vorbemerkungen Zu den neuen Gesichtspunkten Zur Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers beim Risikomanagement Einleitung Zur Erhöhung des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen –  Zur Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter von mehr als 18 Monaten zum menschlichen Verzehr –  Zur Zuführung des Fleischs kleiner Wiederkäuer im Alter zwischen 3 und 18 Monaten zum menschlichen Verzehr –  Zum Umfang der Zunahme des Risikos, dass Menschen mit TSE bei kleinen Wiederkäuern in Berührung kommen Zur Erhöhung des Risikos für die menschliche Gesundheit –  Einleitung –  Zum Risiko für die menschliche Gesundheit beim Verzehr des Fleischs von Schafen oder Ziegen, die von anderen TSE als BSE befallen sind, durch den Menschen –  Zum Risiko für die menschliche Gesundheit beim Verzehr des Fleischs mit BSE infizierter Schafe oder Ziegen durch den Menschen Ergebnis Kosten * Verfahrenssprache: Französisch.
Beschluss des Gerichts (Siebte Kammer) vom 24. Mai 2011. # Nuova Agricast Srl gegen Europäische Kommission. # Außervertragliche Haftung - Nach italienischen Rechtsvorschriften vorgesehene Beihilferegelung - Für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Regelung - Übergangsmaßnahme - Ausschluss bestimmter Unternehmen - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht - Offensichtliche Unzuständigkeit - Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt. # Rechtssache T-373/08.
62008TO0373
ECLI:EU:T:2011:237
2011-05-24T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-00147*
Beschluss des Gerichts (Siebte Kammer) vom 24. Mai 2011 – Nuova Agricast/Kommission (Rechtssache T-373/08) „Außervertragliche Haftung – Nach italienischen Rechtsvorschriften vorgesehene Beihilferegelung – Für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Regelung – Übergangsmaßnahme – Ausschluss bestimmter Unternehmen – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Offensichtliche Unzuständigkeit – Klage, der offensichtlich jede rechtliche Grundlage fehlt“ 1.                     Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen – Abweisung der Schadensersatzklage in vollem Umfang (Art. 288 Abs. 2 EG) (vgl. Randnrn. 50, 92-93) 2.                     Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Gestaltungsspielraum des Organs bei Erlass des Rechtsakts – Notwendige Berücksichtigung bei der Prüfung der Haftung (Art. 288 Abs. 2 EG) (vgl. Randnr. 72) 3.                     Staatliche Beihilfen – Von der Kommission genehmigte allgemeine Beihilferegelung – Identifizierung der in den zeitlichen Anwendungsbereich dieser Regelung fallenden Einzelbeihilfen – Datum des verbindlichen Rechtsakts, der die zuständige nationale Behörde zur Gewährung der Beihilfe verpflichtet – Enge Auslegung der Ausnahmen vom Verbot staatlicher Beihilfen, die einer Ausweitung des zeitlichen Anwendungsbereichs einer genehmigten Beihilferegelung entgegensteht (Art. 87 EG) (vgl. Randnrn. 76-78) 4.                     Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, keine Einwände gegen eine Beihilferegelung zu erheben – Begrenzung der zeitlichen Wirkung der Entscheidung – Kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes – Kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 87 EG) (vgl. Randnrn. 84, 88) Gegenstand Klage auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin durch den Erlass der Entscheidung der Kommission vom 12. Juli 2000, keine Einwände gegen eine Regelung über Investitionsbeihilfen in den strukturschwachen Gebieten Italiens (staatliche Beihilfe N 715/99 – Italien [SG 2000 D/105754]) zu erheben, und durch das Verhalten der Kommission im Verfahren vor dem Erlass dieser Entscheidung entstanden sein soll Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Nuova Agricast Srl trägt die Kosten.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 14. April 2011. # Europäische Kommission gegen Republik Polen. # Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Staatliche Beihilfen - Beihilfe, die die Republik Polen der Technologie-Buczek-Gruppe gewährt hat - Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und deren Rückzahlung angeordnet wird - Nichtdurchführung innerhalb der gesetzten Frist. # Rechtssache C-331/09.
62009CJ0331
ECLI:EU:C:2011:250
2011-04-14T00:00:00
Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-02933
Rechtssache C‑331/09 Europäische Kommission gegen Republik Polen „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Staatliche Beihilfen – Beihilfe, die die Republik Polen der Technologie‑Buczek‑Gruppe gewährt hat – Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und deren Rückzahlung angeordnet wird – Nichtdurchführung innerhalb der gesetzten Frist“ Leitsätze des Urteils 1.        Vertragsverletzungsklage – Nichtbefolgung einer Entscheidung der Kommission über eine staatliche Beihilfe – Pflicht, die gewährten Beihilfen zurückzufordern – Frist (Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG) 2.        Staatliche Beihilfen – Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe – Anwendung des nationalen Rechts – Voraussetzungen und Grenzen (Art. 88 Abs. 2 EG; Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999) 3.        Vertragsverletzungsklage – Nichteinhaltung der Pflicht, die rechtswidrigen Beihilfen zurückzufordern – Verteidigungsmittel – Absolute Unmöglichkeit der Durchführung – Beurteilungskriterien – Durchführungsschwierigkeiten (Art. 88 Abs. 2 EG; Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999) 1.        Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung einer Vertragsverletzung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG, ist der Zeitpunkt, der in der Entscheidung vorgesehen war, deren Nichtdurchführung beanstandet wird, oder gegebenenfalls derjenige, den die Kommission anschließend festgesetzt hat. Denn die genannte Bestimmung sieht im Gegensatz zu Art. 226 EG kein Vorverfahren vor und die Kommission gibt daher keine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der eine Frist gesetzt wird, innerhalb deren die Mitgliedstaaten ihrer Entscheidung nachkommen müssen. Bei der Bestimmung des Endtermins für die Durchführung einer Entscheidung der Kommission muss jedoch gegebenenfalls der Umstand berücksichtigt werden, dass deren Durchführung durch einen Beschluss des Präsidenten des Gerichts ausgesetzt worden ist. (vgl. Randnrn. 50, 52) 2.        Die durch eine Entscheidung der Kommission angeordnete Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe hat gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 88 des EG-Vertrags unverzüglich und nach den Verfahren des innerstaatlichen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats zu erfolgen, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung dieser Entscheidung ermöglicht wird. Bei Empfängern einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe, die insolvent geworden sind, kann die Wiederherstellung der früheren Lage und die Beseitigung der aus den rechtswidrig gezahlten Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich durch Anmeldung der Forderung nach Rückerstattung der betreffenden Beihilfen zur Insolvenztabelle erfolgen. (vgl. Randnrn. 59-60) 3.        Im Rahmen einer von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobenen Vertragsverletzungsklage kann ein Mitgliedstaat zu seiner Verteidigung nur geltend machen, dass es absolut unmöglich gewesen sei, die Rückforderungsentscheidung ordnungsgemäß durchzuführen. Die Voraussetzung einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung ist nicht erfüllt, wenn sich der beklagte Mitgliedstaat darauf beschränkt, die Kommission über die mit der Umsetzung der Entscheidung verbundenen rechtlichen, politischen oder praktischen Schwierigkeiten zu unterrichten, ohne gegenüber den betroffenen Unternehmen tatsächlich Schritte zur Rückforderung der Beihilfe zu unternehmen und ohne der Kommission andere Modalitäten zur Durchführung der Entscheidung vorzuschlagen, die es ermöglicht hätten, die Schwierigkeiten zu überwinden. Die Befürchtung, es könne im Rahmen der Umsetzung einer Entscheidung über die Rückzahlung einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe zu internen Schwierigkeiten kommen, ist keine Rechtfertigung dafür, dass ein Mitgliedstaat seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt. (vgl. Randnrn. 69-70, 72) URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 14. April 2011(*) „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Staatliche Beihilfen – Beihilfe, die die Republik Polen der Technologie‑Buczek‑Gruppe gewährt hat – Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und deren Rückzahlung angeordnet wird – Nichtdurchführung innerhalb der gesetzten Frist“ In der Rechtssache C‑331/09 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 88 Abs. 2 EG, eingereicht am 17. August 2009, Europäische Kommission, vertreten durch K. Gross und A. Stobiecka-Kuik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin, gegen Republik Polen, vertreten durch M. Krasnodębska-Tomkiel als Bevollmächtigte, Beklagte, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Ilešič, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin), Generalanwältin: E. Sharpston, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Republik Polen dadurch, dass sie ihre Verpflichtungen aus der Entscheidung 2008/344/EG der Kommission vom 23. Oktober 2007 über die von Polen gewährte staatliche Beihilfe C 23/06 (ex NN 35/06) zugunsten des Stahlherstellers Technologie‑Buczek‑Gruppe (ABl. 2008, L 116, S. 26) nicht eingehalten hat, gegen Art. 249 Abs. 4 EG sowie die Art. 3, 4 und 5 dieser Entscheidung verstoßen hat. Rechtlicher Rahmen 2        Der dreizehnte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) lautet: „Bei rechtswidrigen Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar sind, muss wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt werden. Dazu ist es notwendig, die betreffende Beihilfe einschließlich Zinsen unverzüglich zurückzufordern. Die Rückforderung hat nach den Verfahrensvorschriften des nationalen Rechts zu erfolgen. Die Anwendung dieser Verfahren sollte jedoch die Wiederherstellung eines wirksamen Wettbewerbs durch Verhinderung der sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung der Kommissionsentscheidung nicht erschweren. Um zu diesem Ergebnis zu gelangen, sollten die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen zur Gewährleistung der Wirksamkeit der Kommissionsentscheidung treffen.“ 3        Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt: „Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel [242] des Vertrags erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.“ 4        Art. 23 Abs. 1 dieser Verordnung sieht vor: „Kommt der betreffende Mitgliedstaat mit Bedingungen und Auflagen verbundenen Entscheidungen oder Negativentscheidungen, insbesondere in den in Artikel 14 genannten Fällen, nicht nach, so kann die Kommission nach Artikel [88] Absatz 2 des Vertrags den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften unmittelbar anrufen.“ Vorgeschichte des Rechtsstreits 5        Mit Art. 1 der Entscheidung 2008/344, die der Republik Polen am 24. Oktober 2007 bekannt gegeben worden ist, hat die Kommission festgestellt, dass die Maßnahmen der Republik Polen zugunsten der Technologie‑Buczek‑Gruppe (im Folgenden: TBG) eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe (im Folgenden: streitige Beihilfe) darstellen. 6        Zur Zeit der Ereignisse, die Anlass für den vorliegenden Rechtsstreit waren, war TBG in der Stahlproduktionsbranche als Rohrhersteller tätig und bestand aus der Technologie Buczek SA (im Folgenden: TB), die mehrere Tochtergesellschaften besaß, von denen zwei der Kommission zufolge ebenfalls in den Genuss der streitigen Beihilfe kamen, nämlich die Buczek Automotive sp. z o.o. (im Folgenden: BA) und Huta Buczek sp. z o.o. (im Folgenden: HB). 7        Die streitige Beihilfe zugunsten von TBG bestand in der Nichteintreibung öffentlich-rechtlicher Forderungen mehrerer öffentlicher Gläubiger, u. a. der Sozialversicherungsanstalt, der Gemeinde Sosnowiec, wo sich der Sitz von TBG befand, und des Staatlichen Fonds für die Rehabilitation behinderter Menschen. 8        Die ersten fünf Artikel des verfügenden Teils der Entscheidung 2008/344 lauten: „Artikel 1 Die staatliche Beihilfe in Höhe von 20 761 643 PLN, die Polen rechtswidrig zugunsten [von TBG] gewährt hat, verstößt gegen die Bestimmungen in Artikel 88 Absatz 3 des Vertrags und ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Artikel 2 Die staatliche Beihilfe in Höhe von 1 369 186 PLN, die Polen in der Zeit von 1997 bis 2003 zugunsten [von TBG] gewährt hat, wurde nicht im Einklang mit den im Protokoll Nr. 8 des Beitrittsvertrags bezeichneten Bedingungen verwendet und ist deshalb mit den Grundsätzen des Gemeinsamen Marktes unvereinbar. Artikel 3 (1)      Polen erwirkt die Rückzahlung der in Absatz 1 genannten, der [TBG] rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfe, insbesondere von den Tochtergesellschaften [HB] und [BA], und zwar proportional zu dem Vorteil, den sie tatsächlich erhalten haben. Folglich erwirkt Polen die Rückzahlung von 13 578 115 PLN durch die Gesellschaft [HB] sowie von 7 183 528 PLN durch die Gesellschaft [BA]. (2)      Polen erwirkt von [TB] die Rückzahlung der in Absatz 2 genannten, nicht bestimmungsgemäß verwendeten Beihilfe, die der [TBG] zur Verfügung gestellt wurde. (3)      Der zurückzuzahlende Betrag umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem dieser Betrag dem Begünstigten zur Verfügung stand, bis zu seiner Rückzahlung. (4)      Die Zinsen werden auf Grundlage des Prozentsatzes berechnet, der entsprechend Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG-Vertrags … vorgesehen ist. Artikel 4 (1)      Die Rückzahlung der in [Artikel] 1 und [Artikel] 2 genannten Beihilfe erfolgt unverzüglich und wirksam. (2)      Polen kommt dieser Entscheidung innerhalb von vier Monaten ab ihrer Bekanntgabe nach. Artikel 5 (1)      Innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung teilt Polen der Kommission Folgendes mit: a)      Gesamtbetrag (Grundbetrag und Zinsen), dessen Rückzahlung vom Begünstigten zu erwirken ist; b)      ausführliche Beschreibung der Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden bzw. geplant sind, um dieser Entscheidung nachzukommen; c)      Unterlagen, die belegen, dass vom Begünstigten die Rückzahlung der Beihilfe gefordert wurde. (2)      Polen informiert die Kommission fortlaufend über weitere nationale Maßnahmen, die ergriffen werden, um dieser Entscheidung nachzukommen, bis zur vollständigen Rückzahlung der Beihilfe, die in [den Artikeln] 1 und 2 genannt ist. Auf Aufforderung der Kommission teilt Polen unverzüglich mit, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden bzw. geplant sind, um dieser Entscheidung nachzukommen. Polen stellt außerdem ausführliche Angaben zum Betrag der Beihilfe und der Zinsen, der durch den Begünstigten bereits erstattet wurde, zur Verfügung.“ 9        Als die Entscheidung 2008/344 erlassen wurde, war ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von TB anhängig, nachdem diese am 16. August 2006 für zahlungsunfähig erklärt worden war. Hingegen wurden BA am 25. Juni 2008 und HB am 29. April 2009, also nach Ablauf der in Art. 4 dieser Entscheidung vorgesehenen Frist, für zahlungsunfähig erklärt. 10      Am 8. Januar 2008 erhoben TB, BA und HB beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2008/344 (die in der Kanzlei dieses Gerichts unter den Rechtssachennummern T‑465/07, T‑1/08 sowie T‑440/07 eingetragen wurden). Parallel zu ihren Klagen beantragten HB und BA beim Präsidenten des Gerichts die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung. Am 13. Februar 2008 setzte der Präsident des Gerichts den Vollzug der Entscheidung bis zur endgültigen Entscheidung über die einstweiligen Anordnungen vorläufig aus. Mit zwei Beschlüssen vom 14. März 2008, Buczek Automotive/Kommission (T‑1/08 R) und Huta Buczek/Kommission (T‑440/07 R), wies der Präsident des Gerichts erster Instanz die Anträge von BA und HB auf einstweilige Anordnungen zurück. 11      Die Republik Polen trat den vorgenannten Rechtsstreitigkeiten am 18. März 2008 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von HB und BA bei und beantragte beim Gericht die Nichtigerklärung der Entscheidung 2008/344. 12      In Bezug auf die von den polnischen Behörden infolge der Entscheidung 2008/344 ergriffenen Durchführungsmaßnahmen benannte die Republik Polen der Kommission mit Schreiben vom 25. Januar 2008 mehrere Stellen, die die streitige Beihilfe von den Empfängern zurückfordern sollten, ohne jedoch anzugeben, welche Beträge insoweit von HB und BA wieder eingezogen werden könnten. Unter Hinweis auf Schwierigkeiten, die daher rührten, dass die streitige Beihilfe den Empfängern vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union gewährt worden sei, machte dieser Mitgliedstaat geltend, dass für die Wiedereinziehung der streitigen Beihilfe mehr Zeit erforderlich sei, da es notwendig sei, die einschlägigen Unterlagen zu finden und gegebenenfalls wieder zu erstellen. In demselben Schreiben fragten die polnischen Behörden ferner, ob es auf der Grundlage der Entscheidung 2008/344 möglich sei, den größten Teil der streitigen Beihilfe von TB im Verlauf des Konkursverfahrens einzuziehen und von HB und BA nur den verbleibenden Betrag zurückzufordern. 13      In ihrer Antwort vom 13. Februar 2008 auf das vorgenannte Schreiben lehnte die Kommission diese Form der Rückzahlung der streitigen Beihilfe mit der Begründung ab, dass sie mit dem Inhalt der Entscheidung 2008/344 nicht im Einklang stehe. 14      Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 machten die polnischen Behörden erneut große Schwierigkeiten rechtlicher und praktischer Art hinsichtlich der Wiedereinziehung der streitigen Beihilfe geltend und beantragten eine Verlängerung der Frist für die Durchführung der betreffenden Entscheidung bis zum 30. Juni 2008. 15      In dieser Hinsicht führten sie in einem Schreiben vom 7. März 2008 technische Schwierigkeiten bei der Suche nach den Originalunterlagen an, die die Grundlage für die Gewährung der streitigen Beihilfe gewesen seien. In rechtlicher Hinsicht machten sie die Gefahr einer „doppelten Rückzahlung“ der Beihilfe durch TB und ihre Tochtergesellschaften geltend. Eine solche Gefahr bestehe wegen des Fehlens einer Rechtsgrundlage für einen Verzicht der Verwaltungsbehörden auf ihre Forderungen gegenüber TB, deren Insolvenzverwalter zur Begleichung dieser Forderungen verpflichtet sei, einschließlich der Beträge, die von den Tochtergesellschaften von TB einzuziehen seien, die die tatsächlichen Empfänger der streitigen Beihilfe gewesen seien. Zudem sehe das polnische Recht für den Fall der Begleichung dieser Forderungen keine Rechtsgrundlage vor, die es TB ermöglichen würde, sich die von ihr gezahlten Beträge im Regressweg von ihren Tochtergesellschaften erstatten zu lassen. 16      In ihrer Antwort vom 4. April 2008 bedauerte die Kommission, dass die polnischen Behörden keine Lösung für das Problem der „doppelten Rückzahlung“ vorgeschlagen hätten, und regte gleichzeitig eine vorläufige Anwendung der Entscheidung 2008/344 in Gestalt der Eröffnung eines Sperrkontos bei einer Bank an, auf das die tatsächlichen Empfänger der streitigen Beihilfe die in dieser Entscheidung genannten Beträge einzahlen sollten; die Kommission machte diese Möglichkeit aber davon abhängig, dass die polnischen Behörden sicherstellten, dass der Insolvenzverwalter von TB eine Regressklage gegen HB erhebe. 17      Mit Schreiben vom 13. Juni 2008 teilten die polnischen Behörden der Kommission mit, dass der Insolvenzverwalter von TB eine Verteilung bestimmter Vermögenswerte vorgenommen habe und sich der zu diesem Zeitpunkt von TB eingezogene Betrag auf etwa 13 Millionen PLN belaufe; gleichzeitig betonten sie erneut, dass sich die Verpflichtung zur Rückzahlung der Beihilfe, die TB erhalten habe, aus dem polnischen Insolvenzrecht ergebe. Außerdem wurden der Kommission zusätzliche Beträge genannt, die bestimmte öffentliche Gläubiger von HB und BA einziehen sollten. 18      In ihrem Schreiben vom 18. Juli 2008 verlangte die Kommission einen ausführlichen Bericht über den tatsächlichen Stand der Einziehung der streitigen Beihilfe und stellte insoweit eine Reihe genauer Fragen zu den von den einzelnen Gläubigern geforderten Beträgen. Hinsichtlich der Frage der „doppelten Rückzahlung“ wies die Kommission erneut darauf hin, dass die von den polnischen Behörden gewählte Lösung, welcher Art sie auch sei, nicht den in der Entscheidung 2008/344 eindeutig festgelegten Verpflichtungen zuwiderlaufen dürfe, und kündigte der Republik Polen an, dass sie, wenn diese die Entscheidung nicht durchführe, ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG eröffnen könne. 19      Mit Schreiben vom 5. September 2008 teilten die polnischen Behörden der Kommission mit, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen von TB ausgesetzt worden sei, weil gegen den Verteilungsplan ein Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Gegen die Tochtergesellschaften habe eine einzige Stelle Klage erhoben, der hierbei gestellte Antrag auf einen vollstreckungsfähigen Titel habe jedoch die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt, so dass insoweit keine Entscheidung habe ergehen können. Darüber hinaus bat die Republik Polen in diesem Schreiben um eine unmittelbare Zusammenkunft zwischen ihren Vertretern und denen der Kommission. 20      In ihrer Antwort vom 29. Oktober 2008 wies die Kommission die Republik Polen erneut auf die Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG hin. Sie stellte neue Fragen und machte die Möglichkeit eines Treffens davon abhängig, dass die Republik Polen zuvor einen Lösungsvorschlag für das Problem der „doppelten Rückzahlung“ vorlege. 21      Mit ihrem Schreiben vom 22. Dezember 2008 teilten die polnischen Behörden der Kommission mit, dass sich der von TB einzuziehende Betrag als höher herausgestellt habe als der Betrag, der der Kommission zur Zeit der Erarbeitung der Entscheidung 2008/344 mitgeteilt worden sei, und dass sie diesen höheren Betrag nun einziehen würden. Im Übrigen habe ein polnisches Gericht ein Urteil in Bezug auf die Insolvenz von BA erlassen. Die polnischen Behörden kündigten die Durchführung einer Besprechung mit den verschiedenen Beihilfe gewährenden Stellen zur Frage der „doppelten Rückzahlung“ sowie die Übermittlung weiterer Informationen hierüber an. Sie stellten unter Beifügung einer Kopie der Forderungsanmeldungen aller Insolvenzgläubiger von TB die Übermittlung eines Vorschlags für Januar 2009 in Aussicht. 22      In ihrem Schreiben vom 30. Januar 2009 schlugen die polnischen Behörden vor, dass die am 31. Dezember 2004 bestehenden öffentlich-rechtlichen Schulden von TB einschließlich der Zinsen, die bis zum 15. August 2006, dem Tag vor der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen von TB, aufgelaufen seien, gemäß den nationalen Vorschriften über den Aufschub öffentlich-rechtlicher Forderungen aus der Insolvenzmasse von TB beglichen werden sollten. Hingegen sollten weder HB noch BA für die vorgenannten Schulden haften, sondern den durch die Nichteinziehung der Schulden erlangten wirtschaftlichen Vorteil, also den „Gegenwert der Beihilfe“ erstatten, der in der Differenz zwischen den von diesen Gesellschaften tatsächlich gezahlten Zinsen und den Zinsen bestehe, die diese unter Marktbedingungen bei Berücksichtigung u. a. ihrer schwierigen Situation hätten zahlen müssen. Außer dem eigentlichen „Gegenwert der Beihilfe“ würden HB und BA Zinsen auf diesen Gegenwert zahlen, die im Fall von BA für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 24. Juni 2008, dem Tag vor der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieses Unternehmens, und im Fall von HB bis zum Tag der Zahlung zu berechnen seien. 23      Dieser Vorschlag sah somit den polnischen Behörden zufolge die Rückzahlung eines Betrags von 22 130 829 PLN einschließlich Verzugszinsen vor, von dem 13 491 124,77 PLN bereits erstattet worden seien, so dass noch ein Betrag von 7 789 272,01 PLN zur Einziehung verbleibe, was unter Berücksichtigung der von HB und BA geschuldeten Beträge die in der Entscheidung 2008/344 genannten einzuziehenden Beträge übersteige. 24      Die Kommission zweifelte diese Berechnung an und führte aus, dass sich der von TB einzuziehende Gesamtbetrag nach ihren Berechnungen auf 14 570 608,06 PLN belaufe. Von den beiden anderen Gesellschaften, HB und BA, seien 180 678,22 PLN zurückzufordern, wovon 118 163,55 PLN auf HB und 62 514,67 PLN auf BA, jeweils zuzüglich Zinsen, entfielen. 25      Folglich teilten die Dienststellen der Kommission der Republik Polen mit Schreiben vom 27. Februar 2009 erneut mit, dass diese Maßnahmen im Widerspruch zu den Vorgaben der Entscheidung 2008/344 stünden, da mit der Rückzahlung weiterhin hauptsächlich TB belastet werde und nicht, wie diese Entscheidung vorsehe, HB und BA. In diesem Schreiben führte die Kommission außerdem aus, dass sie die Möglichkeit, dass die Beihilfe, die von HB und BA einzufordern sei, teilweise von TB eingezogen werde, bereits abgelehnt habe, so dass Maßnahmen ergriffen würden, um ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG zu eröffnen. 26      Am 26. Oktober 2009 übermittelten die polnischen Behörden der Kommission ein Schreiben, in dem sie diese über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von HB und die Forderungsanmeldungen informierte, die alle Gläubiger gemäß der Entscheidung 2008/344 vorgenommen hätten, um im Rahmen der Konkursverfahren über die Vermögen von HB und BA befriedigt werden zu können. 27      Nach diesem Schriftwechsel und verschiedenen weiteren Mahnungen beschloss die Kommission, die der Ansicht war, dass die Republik Polen die Entscheidung 2008/344 immer noch nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe, die vorliegende Klage zu erheben. Zur Klage Vorbringen der Parteien 28      Die Kommission begründet ihre Klage mit dem Fehlen einer sofortigen und tatsächlichen Vollstreckung der Entscheidung 2008/344 entsprechend ihren Art. 3 und 4, wonach die Rückzahlung der streitigen Beihilfe innerhalb von vier Monaten ab Bekanntgabe der Entscheidung habe bewirkt werden müssen. Mehr als 21 Monate nachdem der Republik Polen diese Entscheidung zugegangen sei, hätten HB und BA keine Beihilfe erstattet, und die Kommission sei jedenfalls nicht gemäß Art. 5 dieser Entscheidung über die von der Republik Polen ergriffenen Maßnahmen informiert worden. Hilfsweise weist die Kommission darauf hin, dass TB nur einen Teil des von TBG geschuldeten Gesamtbetrags erstattet habe. Schließlich habe die Republik Polen keine außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die sie daran gehindert hätten, die betreffende Entscheidung ordnungsgemäß durchzuführen. 29      In Bezug auf die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung 2008/344 hebt die Kommission hervor, dass die BA und HB gewährte Beihilfe mehr als 21 Monate nachdem die Entscheidung 2008/344 der Republik Polen zugegangen sei, noch nicht zurückgezahlt worden sei, so dass HB weiterhin der durch die Beihilfe verschaffte Vorteil zugutekomme. Für einen Wegfall des BA gewährten Vorteils müsse nach ständiger Rechtsprechung sowie nach Nr. 64 der Bekanntmachung der Kommission vom 15. November 2007 über „Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten“ (ABl. C 272, S. 4, im Folgenden: Bekanntmachung von 2007) die von BA zurückzuzahlende staatliche Beihilfe im Insolvenzverfahren über das Vermögen von BA geltend gemacht werden, was nach den der Kommission vorliegenden Informationen nicht der Fall sei. 30      Im Übrigen schienen bestimmte Beträge noch immer nicht festgestellt worden zu sein, obwohl die von allen Empfängern zurückzufordernden Summen in der Entscheidung 2008/344 eindeutig angegeben worden seien und ihr Betrag auf der Grundlage der von den polnischen Behörden selbst übermittelten Angaben festgesetzt worden sei. Da die Kommission nur von einem Fall wisse, in dem die Gläubiger versucht hätten, die Beihilfe unmittelbar von HB und BA zurückzuerhalten, sei die Verpflichtung, die in der Entscheidung 2008/344 festgelegten Beträge von diesen beizutreiben, nicht eingehalten worden. Außerdem hätten die Dienststellen der Kommission widersprüchliche Angaben in Bezug auf die Höhe der Forderungen erhalten, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von TB geltend gemacht werden könnten. 31      Schließlich habe die Erhebung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 Abs. 2 EG keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Verpflichtung, die Entscheidung 2008/344 durchzuführen und somit die Rückzahlung der als rechtswidrig und unvereinbar gewerteten Beihilfe zu bewirken; diese Entscheidung müsse daher trotz Vorliegens der betreffenden Klage durchgeführt werden, da das Gericht nicht nach Art. 242 EG die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung, mit der die Rückforderung der streitigen Beihilfe vorgeschrieben worden sei, angeordnet habe. 32      In Bezug auf die tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung 2008/344 macht die Kommission u. a. unter Berufung auf die Urteile vom 9. März 1978, Simmenthal (106/77, Slg. 1978, 629, Randnrn. 17, 18 und 21 bis 24), und vom 18. Juli 2007, Lucchini (C‑119/05, Slg. 2007, I‑6199, Randnrn. 60 bis 62), geltend, dass die Bestimmungen des polnischen Insolvenzrechts die erhebliche Verzögerung bei der Rückforderung der streitigen Beihilfe verursacht und somit die sofortige Vollstreckung dieser Entscheidung verhindert hätten. Zwar hätten die polnischen Behörden die Frage der „doppelten Rückzahlung“ in ihrem Schriftverkehr mit der Kommission in einem frühen Verfahrensstadium angesprochen; sie hätten aber keine Lösung für dieses Problem vorgeschlagen, die die tatsächliche Vollstreckung der betreffenden Entscheidung hätte gewährleisten können. Die Vorschläge der polnischen Behörden hätten zur Folge, dass die Rückzahlungslast hauptsächlich bei TB und nicht bei HB und BA läge, was den Vorgaben der Entscheidung 2008/344 hinsichtlich des Rechtssubjekts widerspräche, das die wirtschaftliche Last der Rückzahlung der streitigen Beihilfe tragen müsse, und nicht bewirken würde, dass die Wettbewerbsbedingungen wiederhergestellt würden. 33      Die polnischen Behörden hätten die Entscheidung auch nicht vorläufig in der Form durchgeführt, dass sie den Empfängern der Beihilfe, wie von der Kommission vorgeschlagen, die Möglichkeit eingeräumt hätten, die entsprechenden Beträge auf ein Sperrkonto bei einer Bank einzuzahlen. Folglich habe sich die Republik Polen bei der Durchführung der Entscheidung 2008/344 zwar vor Schwierigkeiten gestellt gesehen, doch ändere dies nichts daran, dass sie ihre Verpflichtung, vernünftige Alternativlösungen vorzuschlagen, nicht erfüllt habe, dass sie der Anregung, diese Entscheidung vorläufig durchzuführen, nicht nachgekommen sei und dass sie nicht anerkannt habe, dass die Kommission die Möglichkeit, von TB die Beträge der streitigen Beihilfe einzuziehen, die von deren Tochtergesellschaften zu erstatten seien, eindeutig abgelehnt habe. 34      Zur Rüge des Fehlens außergewöhnlicher Umstände, die die Republik Polen an der ordnungsgemäßen Durchführung der Entscheidung 2008/344 hätten hindern können, trägt die Kommission vor, der betreffende Mitgliedstaat könne die Nichtdurchführung einer Entscheidung, mit der die Rückzahlung einer Beihilfe angeordnet werde, nur dadurch rechtfertigen, dass er dartue, dass die Durchführung dieser Entscheidung absolut unmöglich sei. Treffe ein Mitgliedstaat bei der Durchführung einer solchen Entscheidung auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Schwierigkeiten oder bemerke er Folgen, die von der Kommission nicht beabsichtigt seien, so sollte er nach Nr. 28 der Bekanntmachung von 2007 diese Probleme der Kommission zur Beurteilung vorlegen und geeignete Änderungen der fraglichen Entscheidung vorschlagen. In einem solchen Fall müssten die Kommission und der Mitgliedstaat entsprechend dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, der u. a. in Art. 10 EG Ausdruck gefunden habe, redlich zusammenwirken, um diese Schwierigkeiten unter Beachtung der Bestimmungen des EG-Vertrags und insbesondere der Beihilfen betreffenden Bestimmungen zu überwinden. 35      Unter Verweisung auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie Nr. 29 der Bekanntmachung von 2007 macht die Kommission geltend, dass die polnischen Behörden zwar auf Schwierigkeiten technischer und rechtlicher Art gestoßen seien, dass sie sich aber nicht auf die „absolute Unmöglichkeit“, die Entscheidung 2008/344 durchzuführen, berufen hätten. Das Kriterium der absoluten Unmöglichkeit sei nicht erfüllt, wenn sich der Mitgliedstaat auf rechtliche, politische oder praktische Umstände berufe, die ihn an einer Durchführung der betreffenden Entscheidung hinderten, ohne im Übrigen versucht zu haben, die Beihilfe zurückzufordern, oder der Kommission vernünftige Ersatzlösungen zur Durchführung dieser Entscheidung vorgeschlagen zu haben, die es ermöglichten, die Schwierigkeiten zu überwinden. Im vorliegenden Fall hätten die polnischen Behörden keine zufriedenstellende Lösung für das Problem der „doppelten Rückzahlung“ vorgeschlagen. 36      Die Republik Polen macht zunächst geltend, dass zum Zeitpunkt der Abfassung ihrer Klagebeantwortung Insolvenzverfahren über die Vermögen aller Schuldner der streitigen Beihilfe, nämlich das Vermögen von TB, HB und BA, anhängig gewesen seien und alle Gläubiger von Forderungen aus der staatlichen Beihilfe im Sinne der Entscheidung 2008/344 diese Forderungen angemeldet hätten, um im Rahmen des jeweiligen Insolvenzverfahrens befriedigt zu werden. Die Republik Polen habe der Kommission alle erforderlichen Angaben zu den betreffenden Insolvenzverfahren übermittelt, so dass die Annahme legitim sei, dass die Entscheidung 2008/344 bereits vollständig entsprechend ihrem Inhalt durchgeführt worden sei. 37      Dieses Ergebnis werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass nicht der gesamte in der Entscheidung 2008/344 genannte Betrag habe wiedererlangt werden können, da alle Forderungen in den Insolvenzverfahren über die Vermögen sämtlicher Schuldner, die von der Kommission benannt worden seien, angemeldet worden seien und die Rückzahlung der streitigen Beihilfe nach nationalem Recht im Rahmen der Insolvenzverfahren erfolgen werde. Diese Auffassung werde durch den Wortlaut von Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 gestützt, wonach die Rückforderung nach dem Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats erfolge. 38      Selbst wenn die bis jetzt erfolgten Zahlungen nicht als Rückzahlung der streitigen Beihilfe zu werten seien, dürfe dies keinen Einfluss auf die Feststellung haben, dass die Entscheidung 2008/344 mit den Anmeldungen, die die Gläubiger im Rahmen der verschiedenen anhängigen Insolvenzverfahren vorgenommen hätten, durchgeführt worden sei; diese Feststellung werde durch Nr. 64 der Leitlinien von 2007 gestützt. 39      Das Vorbringen der Kommission in Bezug auf die „doppelte Rückzahlung“ gehe fehl, denn die Republik Polen habe nicht geltend gemacht, dass die Probleme hinsichtlich der Durchführung der Entscheidung 2008/344 die Rückforderung der streitigen Beihilfe unmöglich machten, sondern, dass sie zur Folge hätten, dass diese zweimal zurückgezahlt werde, was die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Unternehmen nach sich ziehen könne, die für die erworbenen Vermögenswerte den Marktpreis gezahlt und infolgedessen aus der staatlichen Beihilfe zugunsten von TB keinen Vorteil gezogen hätten. Diese Frage sei Gegenstand des beim Gericht anhängigen Rechtsstreits, in dem die Republik Polen ausführlich dargelegt habe, weshalb die Kommission ihrer Ansicht nach einen Fehler begangen habe, als sie die Haftung für die Rückzahlung der Beihilfe auf Dritte, nämlich auf HB und BA, erstreckt habe. 40      Der Vorschlag, der der Kommission am 25. Januar 2008 unterbreitet worden sei, habe eine Situation verhindern sollen, in der der Insolvenzverwalter von TB einerseits, sofern er über genügend Masse verfüge, um alle angemeldeten Forderungen zu befriedigen, die Begleichung der im Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Gesellschaft angemeldeten Forderungen nicht verweigern dürfe, diese Zahlung andererseits aber keinen Einfluss auf die Verpflichtung habe, die gleichen Beträge von HB und BA einzuziehen. Insoweit bestätige der Beschluss Huta Buczek/Kommission vor allem, dass es unionsrechtlich zulässig sei, die Entscheidung 2008/344 gemäß dem Vorschlag der polnischen Behörden durchzuführen. 41      Auch der Vorwurf der Kommission, dass die Entscheidung 2008/344 nicht innerhalb der in ihrem Art. 4 Abs. 2 vorgesehenen Frist durchgeführt worden sei, sei unbegründet, da die Kommission keinen Endtermin für die Durchführung dieser Entscheidung festgelegt habe. Die Frist von vier Monaten, die ab dem Erlass der Entscheidung berechnet worden sei, könne nämlich nicht als Endtermin für deren Durchführung gewertet werden. Diese Frist, die in Nr. 42 der Bekanntmachung von 2007 genannt werde, bringe zwar die Notwendigkeit zum Ausdruck, eine derartige Entscheidung der Kommission so schnell wie möglich durchzuführen, sie könne aber nicht bindend sein. Die Kommission hätte in Anbetracht der besonderen Umstände des vorliegenden Falles eine andere Frist festlegen müssen, die als bindend angesehen werden könne, was sie nicht getan habe. 42      In Beantwortung dieses Vorbringens hält die Kommission in ihrer Erwiderung die in ihrer Klageschrift vorgetragene Argumentation aufrecht. Zudem müssten alle Unterlagen, die dem Gerichtshof oder der Kommission nach Klageerhebung, also nach dem 17. August 2009, vorgelegt worden seien, jedenfalls für die Prüfung der Frage, ob die Republik Polen gegen ihre Verpflichtungen verstoßen habe, als unbeachtlich angesehen werden. 43      Im Übrigen sei das Vorbringen der Republik Polen, wonach die Kommission keinen Endtermin für die Durchführung der Entscheidung 2008/344 gesetzt habe, unzutreffend. Unter Berufung auf Randnr. 53 des Urteils vom 14. Dezember 2006, Kommission/Spanien (C‑485/03 bis C‑490/03, Slg. 2006, I‑11887), vertritt die Kommission die Auffassung, dass die Fristen aus der Entscheidung 2008/344 klar hervorgingen und für die Beurteilung der Vertragsverletzung angemessen seien. 44      Zudem habe die Republik Polen Informationen und Ereignisse angeführt, die nach Klageerhebung eingetreten seien und im Übrigen nur belegten, dass die Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen von TB angemeldet worden seien, nicht aber, dass diese beglichen worden seien. 45      Schließlich müssten gemäß einer auf die Nrn. 66 und 67 der Bekanntmachung von 2007 gestützten Praxis die mit der Durchführung der Rückforderungsentscheidung beauftragten nationalen Behörden im Fall der Rückforderung von einem Empfänger, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet sei, Widerspruch gegen jede Entscheidung des Insolvenzverwalters oder des Insolvenzgerichts einlegen, die die Fortführung der Betriebstätigkeit über die in der Rückforderungsentscheidung festgelegte Frist hinaus ermögliche. Die nationalen Gerichte müssten in einer solchen Situation der Notwendigkeit Rechnung tragen, die sofortige und tatsächliche Durchführung der betreffenden Entscheidung sicherzustellen. Daher dürften sie die Fortführung der Betriebstätigkeit der zahlungsunfähigen Beihilfeempfänger nicht gestatten, wenn die streitige Beihilfe nicht vollständig zurückgezahlt sei. Werde dem Gläubigerausschuss ein Geschäftsplan vorgeschlagen, der die Fortführung der Betriebstätigkeit des Beihilfeempfängers vorsehe, dürften die nationalen Behörden zudem diesem Plan nur zustimmen, wenn er so gestaltet sei, dass die Beihilfe innerhalb der in der Rückforderungsentscheidung gesetzten Frist in voller Höhe zurückgezahlt werde. 46      Die Republik Polen hält in ihrer Gegenerwiderung an ihrem Vorbringen fest, dass die Klage der Kommission in vollem Umfang abzuweisen sei. 47      Darüber hinaus beharrt der beklagte Mitgliedstaat darauf, dass er der Kommission alle erforderlichen Angaben übermittelt habe, auch wenn er dies mit seiner Klagebeantwortung getan habe. Da die Kommission in ihrer Erwiderung nicht geltend gemacht habe, dass es sich bei bestimmten Informationen, zu denen die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit von HB gehört habe, um neue Tatsachen oder Umstände gehandelt habe, die zuvor nicht bekannt gewesen seien, sei die Behauptung der Kommission, die vorgelegten Informationen seien für die vorliegende Rechtssache unbeachtlich, weil die Vorlage nach der Klageerhebung erfolgt sei, unbegründet, da der Kommission diese Informationen zur Zeit der Klageerhebung bekannt gewesen seien. 48      Im Übrigen berücksichtige das Datum 17. August 2009, das die Kommission als Enddatum der Frist angebe, die der Republik Polen zur Durchführung der Entscheidung 2008/344 eingeräumt worden sei, in keiner Weise die besonderen Umstände in Bezug auf deren Durchführung; als Enddatum müsse eher der Zeitpunkt angenommen werden, zu dem die Kommission die Abfassung ihrer Klageschrift abgeschlossen habe. Würdigung durch den Gerichtshof Zum Verstoß gegen die Art. 3 und 4 der Entscheidung 2008/344 49      Die Republik Polen ist der Auffassung, dass die Kommission keinen Endtermin für die Durchführung der Entscheidung 2008/344 festgelegt habe. Da die Frist von vier Monaten, die ab dem Erlass der Entscheidung berechnet worden sei, nicht bindend sein könne, dürfe das Ende einer solchen Frist nicht als Endtermin für die Durchführung dieser Entscheidung gewertet werden. 50      Hierzu ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Republik Polen der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung einer Vertragsverletzung im Rahmen des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG, da diese Bestimmung im Gegensatz zu Art. 226 EG kein Vorverfahren vorsieht und die Kommission daher keine mit Gründen versehene Stellungnahme abgibt, in der eine Frist gesetzt wird, innerhalb deren die Mitgliedstaaten ihrer Entscheidung nachkommen müssen, nur der Zeitpunkt sein kann, der in der Entscheidung vorgesehen war, deren Nichtdurchführung beanstandet wird, oder gegebenenfalls derjenige, den die Kommission anschließend festgesetzt hat (Urteile vom 3. Juli 2001, Kommission/Belgien, C‑378/98, Slg. 2001, I‑5107, Randnr. 26, vom 2. Juli 2002, Kommission/Spanien, C‑499/99, Slg. 2002, I‑6031, Randnr. 28, vom 1. Juni 2006, Kommission/Italien, C‑207/05, Randnr. 31, und vom 5. Oktober 2006, Kommission/Frankreich, C‑232/05, Slg. 2006, I‑10071, Randnr. 32). 51      Im vorliegenden Fall wird der Republik Polen in Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 2008/344 eine Frist von vier Monaten ab Bekanntgabe der Entscheidung gesetzt, um die zur Wiedereinziehung der streitigen Beihilfe erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Diese Frist ist daher mangels einer neuen von der Kommission festgelegten Frist als für die Beurteilung der beanstandeten Vertragsverletzung maßgeblich anzusehen. 52      Der Präsident des Gerichts hatte jedoch mit Beschlüssen vom 13. Februar 2008 die Durchführung der Entscheidung 2008/344 auf Antrag von BA und HB bis zum Erlass von die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beendenden Beschlüssen vorläufig ausgesetzt. Mit den beiden Beschlüssen Buczek Automotive/Kommission und Huta Buczek/Kommission hatte der Präsident des Gerichts die Anträge von BA und HB auf einstweiligen Rechtsschutz abgewiesen, was eine Verlängerung der in Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 2008/344 vorgesehenen Frist in Bezug auf BA und HB ermöglichte. 53      Gleichwohl ist festzustellen, dass bei Ablauf der genannten Frist die von den polnischen Behörden ergriffenen Maßnahmen nicht dazu geführt hatten, dass die streitige Beihilfe von deren Empfängern wieder eingezogen worden war. 54      Insoweit ist, wie die Kommission geltend gemacht hat, zu beachten, dass die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe durch Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist und diese Folge nicht davon abhängen kann, in welcher Form die Beihilfe gewährt worden ist (vgl. u. a. Urteile vom 10. Juni 1993, Kommission/Griechenland, C‑183/91, Slg. 1993, I‑3131, Randnr. 16, vom 27. Juni 2000, Kommission/Portugal, C‑404/97, Slg. 2000, I‑4897, Randnr. 38, und vom 22. Dezember 2010, Kommission/Slowakei, C‑507/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 42). 55      Folglich hat der Mitgliedstaat, an den eine Entscheidung gerichtet ist, die ihn zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet, nach Art. 249 EG alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Durchführung der Entscheidung sicherzustellen (vgl. Urteile vom 12. Dezember 2002, Kommission/Deutschland, C‑209/00, Slg. 2002, I‑11695, Randnr. 31, vom 26. Juni 2003, Kommission/Spanien, C‑404/00, Slg. 2003, I‑6695, Randnr. 21, und Kommission/Frankreich, Randnr. 42). Er muss die geschuldeten Beträge tatsächlich wiedererlangen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Mai 2005, Kommission/Griechenland, C‑415/03, Slg. 2005, I‑3875, Randnr. 44, und Kommission/Frankreich, Randnr. 42). 56      Zudem dient die Verpflichtung des Mitgliedstaats, eine von der Kommission als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehene Beihilfe aufzuheben, nach ständiger Rechtsprechung der Wiederherstellung der früheren Lage auf dem Markt in der Union (Urteile vom 4. April 1995, Kommission/Italien, C‑350/93, Slg. 1995, I‑699, Randnr. 21, und vom 17. Juni 1999, Belgien/Kommission, C‑75/97, Slg. 1999, I‑3671, Randnr. 64). Solange die Beihilfe nicht wieder eingezogen worden ist, kann der Beihilfeempfänger ihm durch die für unvereinbar erklärte Beihilfe zugeflossene Gelder behalten und daraus einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil ziehen (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 47). 57      Ein Mitgliedstaat, der nach einer Entscheidung der Kommission zur Rückforderung rechtswidriger Beihilfen verpflichtet ist, ist somit frei in der Wahl der Mittel, mit denen er dieser Verpflichtung nachkommt, vorausgesetzt, die gewählten Mittel beeinträchtigen nicht die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts (Urteile Kommission/Deutschland, Randnr. 34, vom 20. Mai 2010, Scott und Kimberly Clark, C‑210/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 21, und Kommission/Slowakei, Randnr. 51). 58      Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass ein Mitgliedstaat dieser Verpflichtung zur Rückforderung nur dann genügt, wenn die von ihm ergriffenen Maßnahmen geeignet sind, die normalen Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen, die durch die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe, deren Rückforderung durch eine Entscheidung der Kommission angeordnet wird, verfälscht wurden (Urteile Kommission/Deutschland, Randnr. 35, sowie Scott und Kimberly Clark, Randnr. 22). 59      Im Übrigen hat die durch eine Entscheidung der Kommission angeordnete Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 unverzüglich und nach den Verfahren des innerstaatlichen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats zu erfolgen, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung dieser Entscheidung ermöglicht wird. 60      Dagegen kann nach der Rechtsprechung zu Empfängern einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten Beihilfe, die insolvent geworden sind, die Wiederherstellung der früheren Lage und die Beseitigung der aus den rechtswidrig gezahlten Beihilfen resultierenden Wettbewerbsverzerrung grundsätzlich durch Anmeldung der Forderung nach Rückerstattung der betreffenden Beihilfen zur Insolvenztabelle erfolgen (Urteile vom 15. Januar 1986, Kommission/Belgien, 52/84, Slg. 1986, 89, Randnr. 14, vom 21. März 1990, Belgien/Kommission, „Tubemeuse“, C‑142/87, Slg. 1990, I‑959, Randnrn. 60 bis 62, und vom 29. April 2004, Deutschland/Kommission, C‑277/00, Slg. 2004, I‑3925, Randnr. 85). 61      Im Licht dieser Grundsätze muss das Vorbringen der Republik Polen geprüft werden. 62      Erstens macht die Republik Polen geltend, dass über die Vermögen aller Schuldner der streitigen Beihilfe ein Insolvenzverfahren anhängig gewesen sei und alle Gläubiger von Forderungen, die sich aus der betreffenden Beihilfe ergäben, diese Forderungen angemeldet hätten, um im Rahmen des jeweiligen Insolvenzverfahrens befriedigt zu werden. Die Kommission sei von den polnischen Behörden darüber informiert worden, dass die betreffenden Schuldner für zahlungsunfähig erklärt und die ihnen gegenüber bestehenden Forderungen angemeldet worden seien, so dass die Entscheidung 2008/344 bereits vollständig entsprechend ihrem Inhalt durchgeführt worden sei. 63      Hierzu ist festzustellen, dass bei Ablauf der Frist, die in Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 2008/344 vorgesehen und durch die vom Präsidenten des Gerichts gewährte vorläufige Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung verlängert worden war, nur über das Vermögen von TB, die am 16. August 2006 für zahlungsunfähig erklärt wurde, ein Insolvenzverfahren anhängig war. AB und HB wurden am 25. Juni 2008 bzw. 29. April 2009 und somit nach Ablauf dieser Frist für zahlungsunfähig erklärt. 64      Folglich hatte die Republik Polen der Kommission bei Ablauf der genannten Frist keine Unterlagen übermittelt, aus denen diese schließen konnte, dass die Zahlungsunfähigkeit von TBG und die Einstellung ihrer Betriebstätigkeit so endgültig und vollständig waren, dass die bloße Aufnahme der Forderungen auf Rückzahlung der Beihilfen in die Insolvenztabellen der Gesellschaften von TBG genügen konnte, um der Entscheidung 2008/344 nachzukommen. 65      Folglich ist die Rechtsprechung zu insolvent gewordenen Beihilfeempfängern auf den Fall von BA und HB nicht übertragbar, so dass die nach Ablauf der vorgenannten Frist erfolgte Anmeldung der betreffenden Forderungen keine ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen darstellt, die der Republik Polen nach den Art. 4 und 5 der Entscheidung 2008/344 oblagen. 66      In Bezug auf TB hat die Republik Polen der Kommission mit Schreiben vom 13. Juni 2008 mitgeteilt, dass im April 2008 ein Betrag von etwa 13 Millionen PLN von TB eingezogen worden sei und die betreffende Einziehung in Durchführung der Entscheidung 2008/344 erfolgt sei. 67      Selbst wenn dieser Betrag als eine Rückforderung der streitigen Beihilfe in Durchführung der Entscheidung 2008/344 angesehen werden könnte, ändert dies nichts daran, dass er nicht mit den zurückzufordernden Beträgen übereinstimmt, wie sie in dieser Entscheidung festgelegt wurden. 68      Zweitens macht die Republik Polen als Umstände zur Rechtfertigung der unterbliebenen Durchführung der Entscheidung 2008/344 und somit der unterbliebenen Wiedereinziehung der TBG gewährten streitigen Beihilfe geltend, dass die Verzögerung bei deren Wiedereinziehung im Wesentlichen darauf zurückzuführen sei, dass die gleichzeitige Anwendung der Bestimmungen des polnischen Insolvenzverfahrensrechts und der Bestimmungen dieser Entscheidung die Gefahr einer doppelten Rückzahlung der Forderungen mit sich gebracht hätte. Die Republik Polen führt außerdem weitere durch die Umsetzung dieser Entscheidung geschaffene rechtliche, politische und praktische Schwierigkeiten an. 69      Insoweit ist auf die ständige Rechtsprechung hinzuweisen, wonach ein Mitgliedstaat im Rahmen einer von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobenen Vertragsverletzungsklage zu seiner Verteidigung nur geltend machen kann, dass es absolut unmöglich gewesen sei, die Rückforderungsentscheidung ordnungsgemäß durchzuführen (vgl. Urteile vom 13. November 2008, Kommission/Frankreich, C‑214/07, Slg. 2008, I‑8357, Randnr. 44, und Kommission/Slowakei, Randnr. 43). 70      Nach dieser Rechtsprechung ist die Voraussetzung einer absoluten Unmöglichkeit der Durchführung nicht erfüllt, wenn sich der beklagte Mitgliedstaat darauf beschränkt, die Kommission über die mit der Umsetzung der Entscheidung verbundenen rechtlichen, politischen oder praktischen Schwierigkeiten zu unterrichten, ohne gegenüber den betroffenen Unternehmen tatsächlich Schritte zur Rückforderung der Beihilfe zu unternehmen und ohne der Kommission andere Modalitäten zur Durchführung der Entscheidung vorzuschlagen, die es ermöglicht hätten, die Schwierigkeiten zu überwinden (vgl. u. a. Urteile vom 14. Dezember 2006, Kommission/Spanien, Randnr. 74, und vom 13. November 2008, Kommission/Frankreich, Randnr. 46). 71      Im vorliegenden Rechtsstreit führt die Republik Polen zwar „ernste Schwierigkeiten“, „Probleme“ und „schwerwiegende Hindernisse“ an, die bei der Durchführung der Entscheidung 2008/344 aufgetreten seien, sie hat aber in ihren Schriftsätzen selbst ausgeführt, dass sie nicht davon ausgehe, dass die bestehenden Probleme die Rückforderung der streitigen Beihilfe unmöglich machten. 72      Was darüber hinaus die von der Republik Polen angeführte mögliche Gefahr einer doppelten Rückzahlung betrifft, ist festzustellen, dass die Befürchtung, es könne im Rahmen der Umsetzung einer Entscheidung über die Rückzahlung einer für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten staatlichen Beihilfe zu internen Schwierigkeiten kommen, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Rechtfertigung dafür ist, dass ein Mitgliedstaat seinen unionsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 7. Dezember 1995, Kommission/Frankreich, C‑52/95, Slg. 1995, I‑4443, Randnr. 38, vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich, C‑265/95, Slg. 1997, I‑6959, Randnr. 55, vom 29. Januar 1998, Kommission/Italien, C‑280/95, Slg. 1998, I‑259, Randnr. 16, und vom 18. Oktober 2007, Kommission/Frankreich, C‑441/06, Slg. 2007, I‑8887, Randnr. 43). 73      Nach alledem ist festzustellen, dass die von den polnischen Behörden ergriffenen Maßnahmen bei Ablauf der Frist, die in Art. 4 Abs. 2 der Entscheidung 2008/344 festgelegt und in Bezug auf BA und HB mit der vorläufigen Aussetzung der Durchführung dieser Entscheidung durch den Präsidenten des Gerichts im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes verlängert worden ist, nicht zu einer tatsächlichen Wiedereinziehung der streitigen Beihilfe geführt haben und demzufolge die normalen Wettbewerbsbedingungen nicht innerhalb dieser Frist wiederhergestellt worden sind. Zum Verstoß gegen Art. 5 der Entscheidung 2008/344 74      Den auf Art. 5 der Entscheidung 2008/344 gestützten Antrag, die Republik Polen zu verurteilen, weil sie die Kommission nicht über die zur Durchführung dieser Entscheidung getroffenen und geplanten Maßnahmen informiert habe, hat der Gerichtshof nicht zu prüfen, da der beklagte Mitgliedstaat seine Verpflichtungen gerade nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erfüllt hat (vgl. u. a. Urteile vom 20. September 2007, Kommission/Spanien, C‑177/06, Slg. 2007, I‑7689, Randnr. 54, und vom 13. November 2008, Kommission/Frankreich, Randnr. 67). 75      Demzufolge ist festzustellen, dass die Republik Polen dadurch, dass sie innerhalb der gesetzten Frist nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, um die Durchführung der Entscheidung 2008/344 zu gewährleisten, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 249 Abs. 4 EG sowie den Art. 3 und 4 dieser Entscheidung verstoßen hat. Kosten 76      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Republik Polen beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Republik Polen hat dadurch, dass sie innerhalb der gesetzten Frist nicht alle Maßnahmen ergriffen hat, um die Durchführung der Entscheidung 2008/344/EG der Kommission vom 23. Oktober 2007 über die von Polen gewährte staatliche Beihilfe C 23/06 (ex NN 35/06) zugunsten des Stahlherstellers Technologie‑Buczek‑Gruppe zu gewährleisten, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 249 Abs. 4 EG sowie den Art. 3 und 4 dieser Entscheidung verstoßen. 2.      Die Republik Polen trägt die Kosten. Unterschriften * Verfahrenssprache: Polnisch.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 31. März 2011. # Hellenische Republik gegen Europäische Kommission. # EAGFL - Abteilung Garantie - Von der gemeinschaftlichen Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben - Landwirtschaftliche Kulturpflanzen - Besondere Maßnahmen für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meers. # Rechtssache T-214/07.
62007TJ0214
ECLI:EU:T:2011:130
2011-03-31T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-00079*
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 31. März 2011 – Griechenland/Kommission (Rechtssache T‑214/07) „EAGFL – Abteilung Garantie – Von der gemeinschaftlichen Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Landwirtschaftliche Kulturpflanzen – Besondere Maßnahmen für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse zugunsten der kleineren Inseln des Ägäischen Meers“ 1.                     Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss – Begrenzung der Ablehnung der Finanzierung – Frist von 24 Monaten – Beginn – Mitteilung der Kommission über die Prüfungsergebnisse (Verordnungen Nr. 729/70 des Rates, Art. 5 Abs. 2 Buchst. c, und Nr. 1258/1999, Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 5) (vgl. Randnr. 39) 2.                     Landwirtschaft – EAGFL – Rechnungsabschluss – Ablehnung der Übernahme von Ausgaben, die durch Unregelmäßigkeiten bei der Anwendung der Gemeinschaftsregelung veranlasst wurden – Beanstandung durch den betroffenen Mitgliedstaat – Beweislast – Verteilung zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat (Verordnungen Nr. 729/70 des Rates und Nr. 1258/1999) (vgl. Randnrn. 51, 53-55) 3.                     Handlungen der Organe – Verordnungen – Verordnung, die bestimmte Kontrollmaßnahmen vorschreibt – Kein Ermessen der Mitgliedstaaten – Nichtdurchführung – Rechtfertigung – Größere Wirksamkeit eines anderen Kontrollsystems – Unzulässigkeit (vgl. Randnr. 56) 4.                     Nichtigkeitsklage – Befugnisse des Gemeinschaftsrichters – Entscheidung der Kommission über die Streichung eines Gemeinschaftszuschusses – Befugnis, die streitige Entscheidung durch eine andere zu ersetzen oder sie abzuändern – Fehlen – Anträge auf Herabsetzung des zurückzuzahlenden Betrags – Unzulässigkeit (Art. 230 EG) (vgl. Randnr. 136) Gegenstand Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2007/243/EG der Kommission vom 18. April 2007 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), Abteilung Garantie, getätigter Ausgaben von der gemeinschaftlichen Finanzierung (ABl. L 106, S. 55) Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 24. März 2011.#FRA.BO SpA gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb - Kartelle - Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Geldbußen - Mitteilung über Zusammenarbeit - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Mildernde Umstände - Erlass der Geldbuße - Berechtigtes Vertrauen - Gleichbehandlung.#Rechtssache T-381/06.
62006TJ0381
ECLI:EU:T:2011:111
2011-03-24T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-00066*
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 24. März 2011 – FRA.BO/Kommission (Rechtssache T-381/06) „Wettbewerb – Kartelle – Sektor der Rohrverbindungen aus Kupfer und Kupferlegierungen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Geldbußen – Mitteilung über Zusammenarbeit – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Mildernde Umstände – Erlass der Geldbuße – Berechtigtes Vertrauen – Gleichbehandlung“ 1.                     Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Schutz des berechtigten Vertrauens – Grenzen – Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln – Festsetzung der Höhe der Geldbußen – Methode für die Berechnung der Geldbußen – Ermessen der Organe – Keine Auswirkung der Mitteilung über Zusammenarbeit (Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission) (vgl. Randnrn. 93-94) 2.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Herabsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für eine Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Voraussetzungen – Ermessen der Kommission – Berücksichtigung der Eignung und der Sachdienlichkeit der gelieferten Informationen (Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission, Titel D Nr. 2) (vgl. Randnr. 96) 3.                     Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Herabsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Ermessen der Kommission – Vergleich der Umstände verschiedener Fälle – Hinweischarakter – Zu berücksichtigende Gesichtspunkte – Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz – Fehlen (Mitteilung 96/C 207/04 der Kommission, Titel D Nr. 2) (vgl. Randnrn. 101, 103-104) Gegenstand Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung C(2006) 4180 der Kommission vom 20. September 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/F‑1/38.121 – Rohrverbindungen), hilfsweise auf Herabsetzung der gegen die Klägerin mit dieser Entscheidung verhängten Geldbuße Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die FRA.BO SpA trägt die Kosten.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 24. März 2011. # ISD Polska sp. z o.o. und andere gegen Europäische Kommission. # Rechtsmittel - Staatliche Beihilfen - Entscheidung der Kommission - Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt - Anordnung der Rückforderung der Beihilfe - Grundsatz der Rechtssicherheit und Rückwirkungsverbot - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Bestimmung der ‚Angemessenheit‘ des bei Rückforderung der Beihilfen anzuwendenden Zinssatzes. # Rechtssache C-369/09 P.
62009CJ0369
ECLI:EU:C:2011:175
2011-03-24T00:00:00
Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-02011
Rechtssache C‑369/09 P ISD Polska sp. z o.o. u. a. gegen Europäische Kommission „Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission – Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt – Anordnung der Rückforderung der Beihilfe – Grundsatz der Rechtssicherheit und Rückwirkungsverbot – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Bestimmung der ‚Angemessenheit‘ des bei Rückforderung der Beihilfen anzuwendenden Zinssatzes“ Leitsätze des Urteils 1.        Rechtsmittel – Gründe – Rechtsmittel gegen ein Urteil in verbundenen Rechtssachen – Möglichkeit jeder Partei, unabhängig von den von ihr vor dem Gericht vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmitteln auf jede Erwägung des Gerichts ein Angriffs- und Verteidigungsmittel zu richten (Art. 225 EG; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1) 2.        Staatliche Beihilfen – Bestimmungen des Vertrags – Zeitlicher Geltungsbereich – Beitritt Polens zur Europäischen Union – Protokoll Nr. 8 Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie im Anhang der Beitrittsakte 2003 (Art. 87 EG und 88 EG; Beitrittsakte von 2003, Protkoll Nr. 8) 3.        Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Vertrauensschutz – Grenzen 1.        Da eine Partei im Rahmen eines Rechtsmittels sämtliche Gründe eines Urteils, das sie beschwert, anfechten können muss, wenn das Gericht zwei Rechtssachen verbunden und ein einziges Urteil erlassen hat, das auf alle von den Parteien im Verfahren vor dem Gericht vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmittel eingeht, kann jede Partei, ohne dass ihr entgegengehalten werden kann, dass sie ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel einführt, Erwägungen beanstanden, die sich auf Angriffs- und Verteidigungsmittel beziehen, die vor dem Gericht allein von der Klägerin in der anderen verbundenen Rechtssache geltend gemacht worden sind. Es handelt sich also nicht um ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel, auch wenn es von der Rechtsmittelführerin im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde, sondern von der anderen Klägerin in der verbundenen Rechtssache. (vgl. Randnr. 85) 2.        Die Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts sind, um die Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes zu gewährleisten, so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist. Aus dem Wortlaut des der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge beigefügten Protokolls Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie ergibt sich, dass es eine Rückwirkung vorsieht, da es ausdrücklich auf einen im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Mai 2004 vollständig abgeschlossenen Zeitraum verweist. Die Schaffung einer Regelung, die die Kommission dazu ermächtigt, die im Vertrag vorgesehene Kontrolle staatlicher Beihilfen über jede Beihilfe für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie sogar vor dem Beitritt Polens zur Union auszuüben, war die logische Folge der materiellen Kontinuität in Bezug auf staatliche Beihilfen zwischen dem Assoziations-Abkommen mit Polen, das dem Beitritt Polens vorangegangen war, und dem Vertrag und brachte darüber hinaus das Ziel zum Ausdruck, eine einzige Kontrollregelung vor und nach dem Beitritt anzuwenden. Zweck des Protokolls Nr. 8 war es nämlich, eine umfassende Regelung für die Zulassung von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen und nicht nur die Kumulierung von Beihilfen durch begünstigte Unternehmen zu verhindern. Das Protokoll Nr. 8 stellt im Verhältnis zu den Art. 87 EG und 88 EG eine lex specialis dar, die die Befugnis der Kommission zur Kontrolle der staatlichen Beihilfen für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie im Zeitraum von 1997 bis 2003 erweitert hat. (vgl. Randnrn. 98-101, 103) 3.        Jeder, bei dem die Gemeinschaftsverwaltung durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat, hat das Recht, sich auf den Vertrauensschutzgrundsatz zu berufen. Im Bereich der staatlichen Beihilfen kann in Bezug auf die Voraussetzung der präzisen Zusicherungen ein dem Rat unterbreiteter Beschlussvorschlag der Kommission kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass die untersuchten Beihilfen mit den Vorschriften des Unionsrechts im Einklang stehen. (vgl. Randnrn. 123-124) URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer) 24. März 2011(*) „Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission – Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt – Anordnung der Rückforderung der Beihilfe – Grundsatz der Rechtssicherheit und Rückwirkungsverbot – Grundsatz des Vertrauensschutzes – Bestimmung der ‚Angemessenheit‘ des bei Rückforderung der Beihilfen anzuwendenden Zinssatzes“ In der Rechtssache C‑369/09 P betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 14. September 2009, ISD Polska sp. z o.o. mit Sitz in Warschau (Polen), Industrial Union of Donbass Corp. mit Sitz in Donetsk (Ukraine) und ISD Polska sp. z o.o., vormals Majątek Hutniczy sp. z o.o., mit Sitz in Warschau, Prozessbevollmächtigte: C. Rapin und E. Van den Haute, avocats, Rechtsmittelführerinnen, andere Verfahrensbeteiligte: Europäische Kommission, vertreten durch E. Gippini Fournier und A. Stobiecka-Kuik als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Beklagte im ersten Rechtszug, erlässt DER GERICHTSHOF (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.‑J. Kasel, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin), Generalanwalt: Y. Bot, Kanzler: A. Calot Escobar, aufgrund des schriftlichen Verfahrens, aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden, folgendes Urteil 1        Die ISD Polska sp. z o.o., die Industrial Union of Donbass Corp. und die ISD Polska sp. z o.o., vormals Majątek Hutniczy sp. z o.o., beantragen mit ihrem Rechtsmittel, das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 1. Juli 2009, ISD Polska u. a./Kommission (T‑273/06 und T‑297/06, Slg. 2009, I‑2185, im Folgenden: angefochtenes Urteil), aufzuheben, mit dem das Gericht ihre Nichtigkeitsklagen gegen die Entscheidung 2006/937/EG der Kommission vom 5. Juli 2005 über die staatliche Beihilfe C 20/04 (ex NN 25/04) zugunsten des Stahlherstellers Huta Częstochowa S.A. (ABl. 2006, L 366, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat. Rechtlicher Rahmen 2        Das am 16. Dezember 1991 in Brüssel unterzeichnete Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits (ABl. 1993, L 348, S. 2, im Folgenden: Europa-Abkommen) ist am 1. Februar 1994 in Kraft getreten. Es schafft ein Wettbewerbsregelwerk, das auf den Kriterien des EG‑Vertrags beruht. 3        Das Protokoll Nr. 2 über EGKS-Erzeugnisse zum Europa-Abkommen (im Folgenden: Protokoll Nr. 2) sieht ein grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen vor. 4        Art. 8 des Protokolls Nr. 2 bestimmt: „(1)      Soweit sie den Handel zwischen der Gemeinschaft und Polen beeinträchtigen, sind mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Abkommens unvereinbar … iii)      staatliche Beihilfen gleich welcher Art, außer aufgrund des EGKS-Vertrags zulässige Beihilfen. … (4)      Die Parteien erkennen an, dass [die Republik] Polen während der ersten fünf Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens abweichend von Absatz 1 Ziffer iii) für EGKS-Stahlerzeugnisse ausnahmsweise staatliche Beihilfen zur Umstrukturierung gewähren kann, sofern –        das Umstrukturierungsprogramm global mit Rationalisierung und Kapazitätsabbau verbunden ist, –        das Umstrukturierungsprogramm nach Ablauf der Umstrukturierungsfrist zur Lebensfähigkeit der begünstigten Firmen zu normalen Marktbedingungen führt und –        Höhe und Intensität dieser Beihilfen auf das zur Erreichung dieser Ziele unbedingt notwendige Maß beschränkt und die Beihilfen schrittweise verringert werden. Der Assoziationsrat entscheidet unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage [der Republik Polen], ob der Fünfjahreszeitraum verlängert werden kann.“ 5        Durch den Beschluss Nr. 3/2002 des Assoziationsrates EU-Polen vom 23. Oktober 2002 zur Verlängerung des in Artikel 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Zeitraums (ABl. 2003, L 186, S. 38, im Folgenden: Beschluss des Assoziationsrats) wurde der Zeitraum, in dem die Republik Polen für Eisen- und Stahlerzeugnisse unter den in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Bedingungen ausnahmsweise staatliche Beihilfen für Umstrukturierungszwecke gewähren konnte, um einen weiteren Zeitraum von acht Jahren ab dem 1. Januar 1997 bzw. bis zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen zur Europäischen Union verlängert. 6        Art. 2 des Beschlusses des Assoziationsrats sieht vor: „[Die Republik] Polen übermittelt der Kommission … ein Umstrukturierungsprogramm und Geschäftspläne, die die Anforderungen des Artikels 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 erfüllen und von [ihrer] nationalen Aufsichtsbehörde für staatliche Beihilfen (Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz) geprüft und genehmigt wurden.“ 7        Durch das Protokoll Nr. 8 über die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie im Anhang der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 948, im Folgenden: Protokoll Nr. 8) wurde die Republik Polen ermächtigt, für die Umstrukturierung ihrer Stahlindustrie auf der Grundlage der Bedingungen des Umstrukturierungsplans und unter den in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen Beihilfen abweichend von den allgemeinen Regeln über staatliche Beihilfen zu gewähren. Es sieht u. a. vor: „1.      Ungeachtet der Artikel 87 [EG] und 88 [EG] sind die von [der Republik] Polen für die Umstrukturierung bestimmter Teile [ihrer] Stahlindustrie gewährten staatlichen Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen, sofern –        der Zeitraum gemäß Artikel 8 Absatz 4 des Protokolls Nr. 2 … bis zum Tag des Beitritts verlängert worden ist, –        die Bedingungen des Umstrukturierungsplans, auf dessen Grundlage das genannte Protokoll verlängert wurde, in dem Zeitraum von 2002 bis 2006 eingehalten werden, –        die in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen erfüllt sind und –        der polnischen Stahlindustrie nach dem Tag des Beitritts keine staatlichen Beihilfen für die Umstrukturierung mehr zu gewähren [sind]. … 3.      Nur den in Anhang 1 aufgeführten Unternehmen (nachstehend ‚begünstigte Unternehmen‘ genannt) können im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für die polnische Stahlindustrie staatliche Beihilfen gewährt werden. 4.      Ein begünstigtes Unternehmen ist nicht berechtigt: a)      seinen Beihilfeanspruch im Fall eines Zusammenschlusses mit einem nicht in Anhang 1 aufgeführten Unternehmen zu übertragen; b)      in der Zeit bis zum 31. Dezember 2006 die Vermögenswerte eines nicht in Anhang 1 aufgeführten Unternehmens, über das der Konkurs eröffnet wurde, zu übernehmen. … 6.      Die den begünstigten Unternehmen gewährten Umstrukturierungsbeihilfen bestimmen sich nach den Rechtfertigungen in dem genehmigten polnischen Umstrukturierungsplan und den vom Rat genehmigten einzelnen Geschäftsplänen. Die in dem Zeitraum 1997 – 2003 ausgezahlten Beihilfen dürfen einen Gesamtbetrag von 3 387 070 000 PLN keinesfalls überschreiten. … Weitere staatliche Beihilfen für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie dürfen von [der Republik] Polen nicht gewährt werden. … 10.      Nachträgliche Änderungen an dem allgemeinen Umstrukturierungsplan und den einzelnen Geschäftsplänen müssen von der Kommission und gegebenenfalls vom Rat genehmigt werden. … 18.      Stellt sich bei der Überwachung heraus, dass … c)      [die Republik] Polen während des Umstrukturierungszeitraums der Stahlindustrie und im Besonderen den begünstigten Unternehmen zusätzlich unzulässige staatliche Beihilfen gewährt hat, so wird die in diesem Protokoll festgelegte Übergangsregelung unwirksam. Die Kommission leitet geeignete Schritte ein und verlangt von den betreffenden Unternehmen die Rückzahlung der Beihilfen, die unter Verstoß gegen die in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen gewährt wurden.“ 8        Der Beschluss 2003/588/EG des Rates vom 21. Juli 2003 über die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikels 3 des Beschlusses Nr. 3/2002 (ABl. L 199, S. 17, im Folgenden: Beschluss 2003/588 des Rates) bestimmt in seinem einzigen Artikel: „Das Umstrukturierungsprogramm und die Geschäftspläne, die der Kommission am 4. April 2003 von [der Republik] Polen nach Artikel 2 des Beschlusses Nr. 3/2002 … übermittelt wurden, erfüllen die Voraussetzungen des Artikels 8 Absatz 4 des … Protokolls Nr. 2.“ 9        Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) bestimmt in Art. 6 Abs. 1: „Die Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens enthält eine Zusammenfassung der wesentlichen Sach‑ und Rechtsfragen, eine vorläufige Würdigung des Beihilfecharakters der geplanten Maßnahme durch die Kommission und Ausführungen über ihre Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten werden in dieser Entscheidung zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission diese Frist verlängern.“ 10      Art. 7 Abs. 5 dieser Verordnung lautet: „Gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die angemeldete Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so entscheidet sie, dass diese Beihilfe nicht eingeführt werden darf (nachstehend ‚Negativentscheidung‘ genannt).“ 11      In Art. 14 der Verordnung Nr. 659/1999 heißt es: „(1)      In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern (nachstehend ‚Rückforderungsentscheidung‘ genannt). Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde. (2)      Die aufgrund einer Rückforderungsentscheidung zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden. Die Zinsen sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar. …“ 12      Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung lautet: „Jeder Beteiligte kann nach der Entscheidung der Kommission zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme nach Artikel 6 abgeben. Jeder Beteiligte, der eine solche Stellungnahme abgegeben hat, und jeder Empfänger einer Einzelbeihilfe erhält eine Kopie der von der Kommission gemäß Artikel 7 getroffenen Entscheidung.“ 13      Die Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1) bestimmt in ihrem Art. 9: „(1)      Wenn nicht in einer Einzelentscheidung anders festgelegt, ist der bei der Rückforderung der unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 [EG] gewährten staatlichen Beihilfen angewandte Zinssatz ein für jedes Kalenderjahr bestimmter effektiver Jahreszins. Er wird auf der Grundlage des Durchschnitts der für September, Oktober und November des vorangehenden Jahres veröffentlichten Fünfjahres-Interbank-Swap-Sätze zuzüglich 75 Basispunkten berechnet. In ordnungsgemäß begründeten Fällen kann die Kommission den Satz für einen oder mehrere Mitgliedstaaten um mehr als 75 Basispunkte erhöhen. … (4)      Bei Fehlen zuverlässiger oder sonstiger maßgeblicher Daten oder unter außergewöhnlichen Umständen kann die Kommission in enger Abstimmung mit dem (den) betroffenen Mitgliedstaat(en) auf der Grundlage einer anderen Methode und der ihr vorliegenden Angaben für einen oder mehrere Mitgliedstaaten einen Zinssatz für die Rückforderung staatlicher Beihilfen bestimmen.“ 14      In Bezug auf die Anwendungsmodalitäten des Zinssatzes bestimmt Art. 11 Abs. 2 dieser Verordnung: „Der Zinssatz wird bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet. Für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen sind in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig.“ Vorgeschichte des Rechtsstreits 15      Zwischen 2002 und 2005 fand eine Umstrukturierung des polnischen Stahlerzeugers Huta Częstochowa S.A. (im Folgenden: HCz) statt. Zu diesem Zweck wurden die Vermögenswerte von HCz auf neue Gesellschaften übertragen. 16      So wurde im Jahr 2002 die Huta Stali Częstochowa sp. z o.o. (im Folgenden: HSCz) – deren Muttergesellschaft die Towarzystwo Finansowe Silesia sp. z o.o. (im Folgenden: TFS) war, eine zu 100 % im Eigentum des polnischen Finanzministeriums stehende Gesellschaft – gegründet, um die Stahlproduktion von HCz fortzuführen. HSCz pachtete die Produktionsanlagen von HCz vom Vermögensverwalter und übernahm den Großteil der Belegschaft. 17      Im Jahr 2004 wurden die Gesellschaften Majątek Hutniczy sp. z o.o. (im Folgenden: MH) und Majątek Hutniczy Plus sp. z o.o. (im Folgenden: MH Plus) gegründet. Ihre Anteile befanden sich zu 100 % im Eigentum von HCz. MH erhielt die Stahlerzeugungsanlagen von HCz und MH Plus verschiedene andere für die Produktion erforderliche Vermögenswerte. 18      Die nicht mit der Produktion zusammenhängenden Vermögenswerte („andere Vermögenswerte als Stahlerzeugungsanlagen“) und das Stromversorgungsunternehmen Elsen wurden der zur Agencja Rozwoju Przemysłu SA, der Agentur für industrielle Entwicklung des polnischen Finanzministeriums, gehörenden Gesellschaft Operator ARP sp. z o.o. übertragen, um die der Umstrukturierung unterliegenden öffentlich-rechtlichen Forderungen zu erfüllen (Steuern und Sozialversicherungsabgaben). 19      Die Kommission setzte die Republik Polen mit Schreiben vom 19. Mai 2004 von ihrer im Amtsblatt der Europäischen Union vom 12. August 2004 (ABl. C 204, S. 6) veröffentlichten Entscheidung in Kenntnis, in Bezug auf die HCz gewährte Umstrukturierungsbeihilfe das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, und forderte alle Beteiligten auf, zu den in der Eröffnungsentscheidung enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen Stellung zu nehmen. Sie erhielt Stellungnahmen der Republik Polen und von vier Beteiligten. 20      In einem Dokument mit dem Titel „Erklärung betreffend [HCz] und/oder [HSCz] potenziell gewährte staatliche Beihilfen“ vom 3. Februar 2005 gab die ISD Polska sp. z o.o., damals handelnd unter der Firma ZPD Steel sp. z o.o. (im Folgenden: ISD), eine 100%ige Tochtergesellschaft der Industrial Union of Donbass Corp. (im Folgenden: IUD), im Rahmen der ihrem Erwerb von HSCz, MH, MH Plus und zehn weiteren Tochtergesellschaften von HCz vorausgegangenen Verhandlungen folgende Erklärung ab: „Für den Fall, dass die Kommission eine Entscheidung erlassen sollte, mit der sie [HCz], [HSCz] oder dem Übernehmer der Vermögenswerte von [HCz] auferlegt, eine rechtswidrige öffentliche Beihilfe zurückzuzahlen, die sich in den Rahmen der Beihilfe für das Umstrukturierungsprogramm einfügt und deren Gesamtbetrag 20 Millionen [PLN] nicht übersteigt, erklären wir, dass diese Entscheidung uns nicht von den sich aus dem Angebot ergebenden Verpflichtungen befreien würde, und wir verpflichten uns, keine Entschädigungsansprüche gegen a) die Finanzverwaltung der Republik Polen, b) die [Agencja Rozwoju Przemysłu SA], c) [TFS] oder d) [HCz] … einzureichen und geltend zu machen, die mit dem Erfordernis der Rückzahlung der Beihilfe oder einem in diesem Bereich vor der Kommission infolge der Gewährung der Beihilfe an [HCz] geführten Verfahren in Zusammenhang stehen. Für einen solchen Fall verpflichten wir uns, dafür zu sorgen, dass [MH], [MH Plus] und [HSCz] oder andere Gesellschaften ebenso wie ihre Rechtsnachfolger (unabhängig von der Rechtsstellung eines solchen Rechtsnachfolgers) den in der Entscheidung der Kommission festgesetzten Betrag der rechtswidrigen öffentlichen Beihilfe zurückzahlen, selbst wenn diese Entscheidung ausschließlich [HCz] betreffen sollte.“ 21      Die Kommission gelangte am Ende des Verfahrens zu dem Schluss, dass die Maßnahmen zur Umstrukturierung von HCz gemäß den Bestimmungen des Gesetzes über die öffentliche Beihilfe für Unternehmen mit erheblicher Bedeutung für den Arbeitsmarkt vom 30. Oktober 2002 (Dz. U. Nr. 213, Pos. 1800) in geänderter Fassung entgegen ihren ursprünglichen Zweifeln keine „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG darstellten. 22      Dagegen war die Kommission der Auffassung, HCz habe unter verschiedenen Gesichtspunkten von einer staatlichen Beihilfe für den Zeitraum von 1997 bis 2002 profitiert. Sie verlangte die Rückzahlung des Teils, den sie für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt hielt, nämlich eines Betrags von 19 699 452 PLN (im Folgenden: streitige Beihilfe). 23      Am 5. Juli 2005 erließ die Kommission die streitige Entscheidung. Deren Art. 3 bestimmt: „(1)      Die [HCz] in der Zeit von 1997 bis Mai 2002 von [der Republik] Polen in Form einer Betriebsbeihilfe sowie einer Beihilfe zur Umstrukturierung der Beschäftigung gewährte staatliche Beihilfe in Höhe von 19 699 452 PLN ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. (2)      [Die Republik] Polen ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Absatz 1 genannte, [HCz] rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe von [HCz], dem Regionalny Fundusz Gospodarczy (Regionalen Wirtschaftsfonds), [MH] und [der Operator ARP sp. z o.o.] zurückzufordern. Die genannten Unternehmen haften gesamtschuldnerisch für die Rückzahlung dieser Beihilfe. Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die Beihilfe [HCz] zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung. Die Zinsen werden entsprechend Kapitel V der Verordnung … Nr. 794/2004 berechnet. …“ 24      In Art. 4 der streitigen Entscheidung genehmigt die Kommission die vorgeschlagene Änderung des Nationalen Umstrukturierungsprogramms gemäß Nr. 10 des Protokolls Nr. 8, soweit sie eine Umstrukturierung von HCz ohne staatliche Beihilfe und ohne Erhöhung der Produktionskapazitäten gestattet. 25      Gemäß zwei Vereinbarungen vom 30. September 2005, die am 7. Oktober 2005 in Kraft traten, kaufte ISD zum einen von HCz sämtliche Anteile von MH und MH Plus sowie zehn weitere Tochtergesellschaften von HCz und zum anderen von TFS sämtliche Anteile von HSCz und wurde somit Eigentümerin von HSCz, MH, MH Plus und zehn weiteren Tochtergesellschaften von HCz. 26      Mit Schreiben vom 17. Februar 2006 forderte die Kommission die polnischen Behörden auf, sie über die Zinssätze für die Rückzahlung der streitigen Beihilfe durch die in Art. 3 Abs. 2 der streitigen Entscheidung genannten Gesamtschuldner zu informieren. In ihrer Antwort vom 13. März 2006 schlugen die polnischen Behörden Zinssätze für die Rückforderung und eine Methode zur Berechnung der Zinsen vor. Sie schlugen insbesondere vor, für den Zeitraum von 1997 bis 1999 den Zinssatz für polnische Schatzanleihen in PLN mit auf fünf Jahre festgelegtem Zinssatz und für den Zeitraum von 2000 bis zum Beitritt der Republik Polen zur Union den Satz für dieselben Anleihen auf zehn Jahre zur Grundlage zu nehmen. Ferner beantragten sie in Anbetracht der damaligen Lage der Kapitalmärkte in Polen, die durch sehr hohe, aber rasch fallende Zinssätze gekennzeichnet war, dass diese Zinssätze jährlich angepasst und die Zinsen nicht nach der Zinseszinsformel berechnet würden. 27      In ihrer Antwort vom 7. Juni 2006 stellte die Kommission fest, dass der bei der Rückforderung der streitigen Beihilfe anzuwendende Zinssatz für den gesamten betroffenen Zeitraum der Zinssatz für Anleihen des polnischen Finanzministeriums in PLN mit auf fünf Jahre festgelegtem Zinssatz sein und dass dieser Zinssatz gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 794/2004 nach der Zinseszinsformel berechnet werden müsse. 28      Mit Schreiben vom 7. Juli 2006 bzw. vom 16. August 2006 übermittelte die Kommission die streitige Entscheidung IUD und MH. Am 21. Dezember 2006 wurde diese Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. 29      Am 15. November 2006 fand die Verschmelzung von ISD und MH statt, wobei ISD sämtliche Rechte und Pflichten von MH übernahm. Klage beim Gericht und angefochtenes Urteil 30      Mit ihren Klagen beim Gericht begehrten die Rechtsmittelführerinnen ISD und IUD in der Rechtssache T‑273/06 die Nichtigerklärung von Art. 3 der streitigen Entscheidung; dabei stützten sie ihre Anträge auf sechs Klagegründe. 31      Der erste Klagegrund bezog sich auf einen Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8. Der vierte Klagegrund wurde aus einem Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes hergeleitet, und der sechste Klagegrund betraf einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 794/2004. Der zweite, der dritte und der fünfte Klagegrund sind nicht zur Stützung des Rechtsmittels angeführt worden und werden daher im Folgenden nicht geprüft. 32      In der Rechtssache T‑297/06 stellte ISD identische Anträge und berief sich dabei auf vier Klagegründe, die im Wesentlichen denen entsprechen, die in der Rechtssache T‑273/06 angeführt wurden; sie beantragte aber darüber hinaus die Nichtigerklärung von Art. 4 der streitigen Entscheidung. 33      Mit ihrem ersten Klagegrund stellten die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen die Anwendbarkeit der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen ratione temporis und ratione personae in Abrede und machten geltend, die Kommission sei für die Kontrolle ihrer Einhaltung im Zeitraum vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union nicht zuständig. 34      Insoweit hat das Gericht bestätigt, dass die Art. 87 EG und 88 EG grundsätzlich nicht für eine vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats gewährte Beihilfe gälten, die nach dem Beitritt nicht mehr gewährt werde, und dass sich die Kommission deswegen zur Begründung ihrer Zuständigkeit auf das Protokoll Nr. 8 als lex specialis gestützt habe. 35      Nach dem Hinweis darauf, dass diese Regelung in mehrfacher Hinsicht von der allgemeinen Regelung abweiche, die im EG-Vertrag und in Anhang IV der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 797, im Folgenden: Anhang IV der Beitrittsakte) vorgesehen sei, hat das Gericht in Randnr. 93 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich das Protokoll Nr. 8 auf Beihilfen beziehe, die im Zeitraum von 1997 bis 2003 gewährt worden seien, dass es einen begrenzten Betrag an Umstrukturierungsbeihilfen erlaube, die bestimmten, in seinem Anhang 1 aufgeführten Unternehmen für diesen Zeitraum gewährt worden seien, und dass es im Gegenzug jede andere staatliche Beihilfe für die Umstrukturierung der Stahlindustrie verbiete. 36      In Randnr. 94 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die rückwirkende Anwendung des Protokolls Nr. 8 somit in dessen Nr. 6 verankert sei, die auf den Zeitraum von 1997 bis 2003 Bezug nehme, und schließlich in den Randnrn. 95 und 96 des angefochtenen Urteils das Argument der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen, wonach die Bezugnahme auf den Zeitraum von 1997 bis 2003, da dieser Zeitraum zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Protokolls Nr. 8 im September 2003 beinahe beendet gewesen sei, allein die Bedeutung habe, dass bei der Berechnung zukünftiger Beihilfen rückschauend die Beträge bereits gewährter Beihilfen zu berücksichtigen seien. Nach Ansicht des Gerichts war es im Gegenteil Zweck des Protokolls Nr. 8, „eine umfassende Regelung für die Zulassung von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen und nicht nur die Kumulierung von Beihilfen durch begünstigte Unternehmen zu verhindern“. 37      Das Gericht hat daraus in Randnr. 97 des angefochtenen Urteils gefolgert, dass das Protokoll Nr. 8 im Verhältnis zu Anhang IV der Beitrittsakte und den Art. 87 EG und 88 EG eine lex specialis darstelle, die die von der Kommission gemäß dem EG-Vertrag ausgeübte Kontrolle staatlicher Beihilfen auf zugunsten der Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie während des Zeitraums von 1997 bis 2003 gewährte Beihilfen erweitere. 38      Zu dem Argument in Bezug auf die Anwendbarkeit des Protokolls Nr. 8 ratione personae, wonach das Protokoll nicht die nicht in seinem Anhang 1 aufgeführten Unternehmen betreffe, hat das Gericht in Randnr. 99 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Nr. 3 des Protokolls ausdrücklich bestimme, dass nur den in Anhang 1 aufgeführten Unternehmen im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für die polnische Stahlindustrie staatliche Beihilfen gewährt werden könnten. Wenn ein nicht in Anhang 1 aufgeführtes Unternehmen vor dem Beitritt erhaltene Umstrukturierungsbeihilfen in unbegrenzter Höhe behalten dürfte, ohne im Gegenzug die Produktionskapazitäten zu verringern, verlöre das Protokoll Nr. 8 seinen Sinn. 39      Zu dem auf Nr. 4 Buchst. b des Protokolls Nr. 8 gestützten Argument, nur die begünstigten Unternehmen seien nicht berechtigt, die Vermögenswerte eines nicht in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmens, über das der Konkurs eröffnet wurde, zu übernehmen, hat das Gericht festgestellt, dass die Rechtsmittelführerinnen von einer fehlerhaften Auslegung dieser Bestimmung ausgingen. Selbst wenn man unterstelle, dass sie die Möglichkeit für einen Dritten vorsähe, die Vermögenswerte eines in Konkurs geratenen, nicht in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmens zu übernehmen, bedeutete dies nicht, dass dieser Dritte nicht verpflichtet wäre, eine von diesem Unternehmen empfangene rechtswidrige Beihilfe zu erstatten. Da die Lage von HCz somit nicht mit derjenigen eines in Konkurs geratenen, nicht in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmens vergleichbar sei, wurde die Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Anwendung des Protokolls Nr. 8 vom Gericht ebenfalls zurückgewiesen. 40      Dem aus einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hergeleiteten Klagegrund stattzugeben, liefe daher im Wesentlichen darauf hinaus, das Protokoll Nr. 8 in Frage zu stellen, das als Quelle des Primärrechts Teil des Vertrags sei (vgl. Randnrn. 100 und 101 des angefochtenen Urteils). 41      Zu dem Argument, die Kommission habe den Bereich ihrer Zuständigkeit überschritten, hat das Gericht in Randnr. 102 des angefochtenen Urteils darauf hingewiesen, dass das Protokoll Nr. 8 vorsehe, dass die Kommission die geeigneten Schritte einleite, um die Rückerstattung jeder unter Verstoß gegen die in diesem Protokoll festgelegten Bedingungen gewährten Beihilfe zu verlangen, einschließlich Kontrollmaßnahmen in Anwendung von Art. 88 EG, so dass die Kommission für die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen des Protokolls Nr. 8 zuständig gewesen sei. 42      Mithin hat das Gericht das gesamte auf einen Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8 gestützte Vorbringen zurückgewiesen. 43      Mit ihrem vierten Klagegrund machten die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die Kommission in ihrer Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens betreffend die HCz gewährte Umstrukturierungsbeihilfe davon abgesehen habe, die staatlichen Beihilfen, deren Aufhebung sie in der streitigen Entscheidung verlange, genau anzugeben, was auch zur Folge habe, dass die Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes rechtswidrig sei. Ihr berechtigtes Vertrauen habe darin bestanden, dass IUD darauf vertraut habe, dass die streitige Beihilfe als zurückgezahlt angesehen werde und dass die vor 2003 gewährte Beihilfe der Kommission ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht worden sei. 44      Hierzu brachten die Rechtsmittelführerinnen vor, die Kommission habe bei ihnen die Überzeugung geweckt, dass die von HCz empfangenen Beihilfen nicht aufgehoben würden. Sie hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Kommission die Rückforderung der von HCz empfangenen Beihilfen nicht verlangen werde; zwar sei die streitige Beihilfe nicht im Sinne der Art. 87 EG und 88 EG angemeldet worden, doch sei sie gemäß den maßgeblichen Verfahren des Protokolls Nr. 2 „ordnungsgemäß bekannt gegeben“ worden. 45      Hierzu hat das Gericht in Randnr. 134 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass ein solches Vertrauen nicht schutzfähig im Sinne des Grundsatzes des Vertrauensschutzes sei. Die Rechtsmittelführerinnen seien nämlich weder durch eine Handlung der Gemeinschaft dazu veranlasst worden, eine Entscheidung zu treffen, die später zu negativen Folgen für sie geführt habe, noch seien sie Adressaten eines begünstigenden Verwaltungsakts eines Gemeinschaftsorgans gewesen, der von diesem rückwirkend zurückgenommen worden sei. Unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 1997, Alcan Deutschland (C‑24/95, Slg. 1997, I‑1591), hat das Gericht in Randnr. 135 des angefochtenen Urteils daran erinnert, dass beihilfebegünstigte Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen dürften, wenn diese unter Einhaltung des in Art. 88 EG vorgesehenen Verfahrens gewährt worden sei, und dass ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig in der Lage sein müsse, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten worden sei. 46      Ferner hat das Gericht in Randnr. 136 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass im vorliegenden Fall die streitige Beihilfe nicht angemeldet worden sei, weil sie zu einem Zeitpunkt gewährt worden sei, zu dem die Republik Polen noch nicht Mitglied der Union und daher eine Anmeldung gemäß Art. 88 EG nicht möglich gewesen sei. 47      In den Randnrn. 137 und 138 des angefochtenen Urteils hat das Gericht außerdem das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen, wonach die streitige Beihilfe gemäß den maßgeblichen Verfahren des Protokolls Nr. 2 „ordnungsgemäß bekannt gegeben“ worden sei. Soweit die Rechtsmittelführerinnen auf den Beschluss 2003/588 des Rates Bezug genommen hätten, in dem der Rat festgestellt habe, dass das Umstrukturierungsprogramm und die Geschäftspläne, die der Kommission von der Republik Polen am 4. April 2003 übermittelt worden seien, den Anforderungen des Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 genügten, sei festzustellen, dass der Geschäftsplan für HCz der Kommission nicht übermittelt worden und somit von der im Beschluss 2003/588 des Rates enthaltenen Genehmigung nicht umfasst sei. 48      Was die Begründung zum Vorschlag der Kommission angeht, wonach durch die Verlängerung der in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Ausnahmeregelung sämtliche seit Inkrafttreten des Europa‑Abkommens rechtswidrig gewährten Beihilfen rückwirkend legalisiert würden, hat das Gericht in Randnr. 139 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass diese Worte im Beschluss 2003/588 des Rates nicht enthalten seien. Ein einfacher Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates könne aber bei den Rechtsmittelführerinnen kein berechtigtes Vertrauen wecken. 49      Mithin hat das Gericht das gesamte auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gestützte Vorbringen zurückgewiesen. 50      Mit ihrem sechsten Klagegrund, der insbesondere die Festsetzung der bei der Rückforderung der streitigen Beihilfe anwendbaren Zinssätze betraf, machten die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 794/2004 geltend, wobei sie bestritten, dass die Kommission einen angemessenen Zinssatz festgesetzt habe, und rügten, die Kommission habe den Zweck der Art. 9 und 11 der Verordnung Nr. 794/2004, nämlich die Wiederherstellung der vor der Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe bestehenden Situation, durch die Forderung von Zinsen auf die Rückzahlung von Zinsen und durch die Festsetzung eines gänzlich an der Wirklichkeit des polnischen Marktes zwischen 1997 und 2004 vorbeigehenden Referenzsatzes außer Acht gelassen. 51      Die Rechtsmittelführerinnen machten insoweit geltend, dass Zinsen nach polnischem Recht nur auf das Kapital von Steuernachzahlungen zu zahlen seien und die Steuergesetze eine Kapitalisierung der für diese Nachzahlungen geschuldeten Zinsen nicht vorsähen. Außerdem hätten Unternehmen zwischen 1997 und 2004 nur sehr selten langfristiges Fremdkapital unter Verwendung von Anleihen und Bankdarlehen in polnischen Zloty erhalten. Indem sie den Zinssatz polnischer Schatzanleihen habe anwenden wollen, habe die Kommission nicht den Zinssatz verwendet, der den Vorteil, den HCz gezogen habe, korrekt widerspiegele; dadurch sei dieser Vorteil überbewertet worden. Die Rückerstattung der Zinsen bringe somit die begünstigten Unternehmen in eine gegenüber dem status quo ante unvorteilhaftere Lage. 52      Zur streitigen Entscheidung hat das Gericht in Randnr. 157 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Zinsen entsprechend Kapitel V der Verordnung Nr. 794/2004 berechnet würden und dass, da der Zinssatz weder im verfügenden Teil noch in den Erwägungsgründen der Entscheidung bestimmt werde, der Klagegrund der Rechtsmittelführerinnen gegenstandslos sei. 53      Hinsichtlich der Methode zur Berechnung der Zinsen hat das Gericht entschieden, dass die Feststellungen in der streitigen Entscheidung insoweit rein deklaratorischen Charakter hätten, da sich die Methode zur Berechnung der Zinsen aus der Verordnung Nr. 794/2004 selbst ergebe. Die Rechtsmittelführerinnen erhöben aber keine Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf diese Verordnung (vgl. Randnr. 159 des angefochtenen Urteils). 54      In Bezug auf das Schreiben vom 7. Juni 2006, in dem die Kommission den auf die Rückforderung der streitigen Beihilfe anzuwendenden Zinssatz festgesetzt hat, hat das Gericht daran erinnert, dass nach Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 die Festsetzung des bei der Rückforderung anzuwendenden Zinssatzes in „enger Abstimmung“ mit dem betroffenen Mitgliedstaat erfolgen müsse. 55      Der Schriftwechsel zwischen der Kommission und den polnischen Behörden zeige, dass die Festsetzung des Zinssatzes tatsächlich in „enger Abstimmung“ mit der Republik Polen erfolgt sei, die nämlich vorgeschlagen habe, den Zinssatz für polnische Schatzanleihen mit auf fünf bzw. zehn Jahre festgelegtem Zinssatz anzuwenden, und beantragt habe, dass diese Zinssätze jährlich angepasst und die Zinsen nicht nach der Zinseszinsformel berechnet würden (Randnr. 163 des angefochtenen Urteils). 56      Die Kommission habe diese Vorschläge im Wesentlichen angenommen und sei der Ansicht gewesen, dass allein der Zinssatz auf die fünfjährigen Anleihen für den gesamten Zeitraum von 1997 bis 2004 anzuwenden sei. Insoweit habe sie über ein gewisses Ermessen verfügt (Randnr. 164 des angefochtenen Urteils). 57      Zur Anwendung des Zinssatzes, insbesondere zur Berechnung der Zinsen nach der Zinseszinsformel, hat das Gericht in Randnr. 165 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 794/2004 ausdrücklich bestimme, dass der Zinssatz bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet werde und dass für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig seien. Außerdem sehe Art. 13 der Verordnung Nr. 794/2004 vor, dass die Art. 9 und 11 bei allen Rückforderungsentscheidungen Anwendung fänden, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bekannt gegeben worden seien. Da die Verordnung Nr. 794/2004 beim Erlass der streitigen Entscheidung anwendbar gewesen sei, sei die Kommission somit verpflichtet gewesen, die Berechnung der Zinsen nach der Zinseszinsformel zu verlangen. 58      Mithin hat das Gericht das gesamte auf einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 794/2004 gestützte Vorbringen zurückgewiesen. 59      Da nach Ansicht des Gerichts alle von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Klagegründe unbegründet waren, hat es die Klage insgesamt abgewiesen. Anträge der Verfahrensbeteiligten beim Gerichtshof 60      Die Rechtsmittelführerinnen beantragen, –        das angefochtene Urteil aufzuheben; –        zur Gänze oder, hilfsweise, zum Teil den beim Gericht in den verbundenen Rechtssachen T‑273/06 und T‑297/06 gestellten Anträgen stattzugeben; –        die Kommission zur Zahlung sämtlicher Kosten zu verurteilen; –        für den Fall, dass der Gerichtshof entscheiden sollte, dass ein Fall der Erledigung vorliegt, der Kommission gemäß Art. 69 § 6 in Verbindung mit Art. 72 Buchst. a der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Kosten aufzuerlegen. 61      Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen. Zum Rechtsmittel 62      Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf drei Gründe, mit denen sie rügen, dass gegen das Protokoll Nr. 8, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und gegen die Verordnung Nr. 659/1999, insbesondere deren Art. 14 Abs. 2, sowie gegen die Verordnung Nr. 794/2004 verstoßen worden sei. 63      Die Kommission stellt zum einen die Zulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt in Abrede und verneint zum anderen speziell die Zulässigkeit des ersten und des dritten Rechtsmittelgrundes sowie die Begründetheit der drei von den Rechtsmittelführerinnen vorgebrachten Rechtsmittelgründe. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels insgesamt Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 64      Vorab erhebt die Kommission die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsmittels, die sie damit begründet, dass die Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf die Form des Rechtsmittels Berufung und Rechtsmittel verwechselten, da die Rechtsmittelschrift sich im Wesentlichen darauf beschränke, Vorbringen gegen die streitige Entscheidung zu wiederholen, das bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei. Die Rechtsmittelführerinnen stellten nicht klar, um welche Teile der Begründung des Gerichts es insbesondere gehe und welche Rechtsfehler dem Gericht bei der Prüfung dieses erstinstanzlichen Vorbringens unterlaufen sein sollten. 65      Hierbei macht die Kommission geltend, dass ein Rechtsmittel nach Art. 225 EG, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützten, genau bezeichnen müsse. Diesem Erfordernis entspreche das Rechtsmittel der Rechtsmittelführerinnen nicht, da es sich darauf beschränke, die bereits vor dem Gericht dargelegten Klagegründe und Argumente wiederzugeben, aber keinerlei Ausführungen speziell zur Bezeichnung des Rechtsfehlers enthalte, mit dem das angefochtene Urteil behaftet sein solle. Ein solches Rechtsmittel ziele nämlich in Wirklichkeit nur auf eine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage ab, was nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs falle. Würdigung durch den Gerichtshof 66      Aus Art. 225 EG, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. insbesondere Urteile vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, Slg. 2000, I‑5291, Randnr. 34, vom 8. Januar 2002, Frankreich/Monsanto und Kommission, C‑248/99 P, Slg. 2002, I‑1, Randnr. 68, und vom 14. Oktober 2010, Nuova Agricast und Cofra/Kommission, C‑67/09 P, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 48). 67      Hierzu genügt die Feststellung, dass es zwar bestimmten Teilen des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen im Rahmen ihrer Rechtsmittelgründe an Genauigkeit mangelt, dass dieses Vorbringen als Ganzes genommen jedoch hinreichend klar erscheint, um mit der erforderlichen Genauigkeit die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils sowie die zur Begründung dieser Rüge herangezogenen rechtlichen Argumente zu ermitteln, und dem Gerichtshof daher ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle durchzuführen. 68      Folglich ist die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede, soweit sie sich auf das Rechtsmittel insgesamt bezieht, zurückzuweisen. Zum ersten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 69      Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe gegen das Protokoll Nr. 8 verstoßen, indem es die Auffassung vertreten habe, dass die rückwirkende Anwendung der Bestimmungen dieses Protokolls in seiner Nr. 6 verankert sei. Dem Wortlaut, der Zielsetzung und dem Aufbau des genannten Protokolls lasse sich nicht klar entnehmen, dass es rückwirkend zur Anwendung kommen solle. 70      Hierzu machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Protokoll Nr. 8 bezwecke in Wirklichkeit, dass die in seinem Anhang 1 aufgeführten Unternehmen innerhalb bestimmter Grenzen zwischen dem Zeitpunkt seiner Unterzeichnung, dem 16. April 2003, und dem Jahresende 2003 in den Genuss staatlicher Beihilfen kommen könnten. Der einzige im Protokoll Nr. 8 zu findende Rückwirkungsaspekt sei die Bezugnahme auf den Zeitraum von 1997 bis 2003, die den Gesamtbetrag der staatlichen Beihilfe, die gewährt werden könne (Nr. 6 des Protokolls Nr. 8), bzw. die von der Republik Polen vorzunehmende Nettokapazitätsverringerung (Nr. 7 des Protokolls Nr. 8) betreffe. Dies bedeute, dass die Berechnung zukünftiger Beihilfen, die den begünstigten Unternehmen bis Ende 2003 bewilligt würden, nicht vorgenommen werden dürfe, indem rückwirkend die früheren Beihilfen als gegebenenfalls rechtswidrig angesehen würden, sondern indem rückschauend die Beträge der bereits gewährten Beihilfen berücksichtigt würden. 71      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, Slg. 1979, 69, und Weingut Decker, 99/78, Slg. 1979, 101, vom 19. Mai 1982, Staple Dairy Products, 84/81, Slg. 1982, 1763, und vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869) verbiete es der Grundsatz der Rechtssicherheit im Allgemeinen, den Beginn der Geltungsdauer eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen. In Ausnahmefällen, wenn das angestrebte Ziel es verlange und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet sei, könne etwas anderes gelten. Dies bedeute, dass in Ermangelung eines gegenteiligen Hinweises davon auszugehen sei, dass eine Gemeinschaftsnorm keine Rückwirkung habe. 72      Im vorliegenden Fall stehe fest, dass der Assoziationsrat EU–Polen am 23. Oktober 2002 einen Beschluss zur Verlängerung des im Protokoll Nr. 2 vorgesehenen Freistellungszeitraums um acht weitere Jahre ab dem 1. Januar 1997 angenommen habe. Dieser Beschluss habe die Verlängerung von zwei Voraussetzungen abhängig gemacht: zum einen davon, dass die Republik Polen der Kommission ein Umstrukturierungsprogramm und Geschäftspläne vorlege, und zum anderen von deren abschließender Prüfung durch die Kommission (Art. 2 und 3 des Beschlusses des Assoziationsrats). Art. 3 dieses Beschlusses sehe außerdem vor, dass die Ausführung der Geschäftspläne auf Seiten der Gemeinschaft durch die Kommission und auf Seiten der Republik Polen durch das polnische Amt für Wettbewerb und Verbraucherschutz regelmäßig verfolgt werde. 73      Die Kommission sei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Umstrukturierungsprogramm und die Geschäftspläne, die von der Republik Polen vorgelegt worden seien, die Anforderungen des Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 und die im Protokoll Nr. 8 festgelegten Bedingungen erfüllten, und habe daher durch ihren Vorschlag ihre abschließende Prüfung und die Einhaltung der im Protokoll Nr. 8 von der Republik Polen eingegangenen Verpflichtung bestätigt. Der Beschluss 2003/588 des Rates sei schließlich in diesem Sinne erlassen worden. Die Kommission habe somit in der streitigen Entscheidung staatliche Beihilfen wieder aufgegriffen, die zwischen 1997 und 2002 unter der Freistellungsregelung gewährt worden seien, die durch den Beschluss 2003/588 des Rates nach Unterzeichnung des Protokolls Nr. 8 und unter Bezugnahme auf dieses verlängert worden sei. 74      Außerdem betreffe Nr. 6 des Protokolls Nr. 8 lediglich die Beihilfen für künftige Umstrukturierungen, die an die begünstigten Unternehmen fließen könnten, und enthalte keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine etwaige Rückwirkung. Aus ihrem Inhalt, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau gehe nicht klar hervor, dass ihr Rückwirkung beizumessen sei. 75      Darüber hinaus machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, es stehe fest, dass die polnischen Behörden HCz in die Liste der begünstigten, in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmen hätten aufnehmen wollen, denen im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms der polnischen Stahlindustrie staatliche Beihilfen hätten gewährt werden können. Sie hätten davon in letzter Minute abgesehen, da HCz in Konkurs gefallen sei und ihre Lebensfähigkeit selbst mit neuen Beihilfen nunmehr als wenig wahrscheinlich angesehen worden sei. Die Lebensfähigkeit von HCz zu dem Zeitpunkt, zu dem der Inhalt des Protokolls Nr. 8 festgelegt worden sei, sei somit der einzige Punkt gewesen, der HCz von den acht begünstigten Unternehmen unterschieden habe. 76      Seit April 2003 hätten die polnischen Behörden beabsichtigt, HCz auf einem anderen Weg als dem des Konkurses umzustrukturieren. In der streitigen Entscheidung habe die Kommission dies nicht berücksichtigt, obgleich dieser Sachverhalt ihr bekannt gewesen sei; sie habe somit zwei Personengruppen, deren rechtliche und tatsächliche Situation keine wesentlichen Unterschiede aufgewiesen habe – die in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmen einerseits und die wirtschaftliche Einheit, die Rechtsnachfolgerin von HCz geworden sei, andererseits –, auf grundlegend unterschiedliche Weise behandelt. In dieser unterschiedlichen Behandlung zweier im Wesentlichen gleicher Situationen liege somit ein weiterer Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8. 77      Unter diesen Bedingungen sei die Auslegung des Protokolls Nr. 8 durch die Kommission in der streitigen Entscheidung ein offenkundiger Verstoß gegen diesen Gemeinschaftsrechtsakt. Indem das Gericht diesen Verstoß nicht geahndet habe, habe es seinerseits das Gemeinschaftsrecht verletzt. 78      Die Kommission trägt zunächst vor, dass der erste Rechtsmittelgrund aus zwei Gründen teilweise unzulässig sei. Zum einen hätten die Rechtsmittelführerinnen den Vorschlag der Kommission und den Beschluss 2003/588 des Rates im Kontext dieses Rechtsmittelgrundes angeführt, während der fragliche Gesichtspunkt vom Gericht im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes geprüft worden sei. Daher machten die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gerichtshof erstmalig ein Angriffsmittel und Argumente geltend, die sie vor dem Gericht nicht angeführt hätten, so dass dieser Teil des Rechtsmittelgrundes für unzulässig erklärt werden müsse. 79      Zum anderen sei das Argument, dass zwei im Wesentlichen gleiche Situationen unterschiedlich behandelt worden seien und damit gegen das Protokoll Nr. 8 verstoßen worden sei, insofern neu, als es von der Klägerin in der Rechtssache T‑297/06 im Rahmen des Klagegrundes eines Verstoßes gegen das Protokoll Nr. 8 nicht angeführt worden sei. Nur die Klägerinnen in der Rechtssache T‑273/06 hätten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Anwendung des Protokolls Nr. 8 gerügt. Folglich sei auch dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes für unzulässig zu erklären. 80      Zur Begründetheit führt die Kommission sodann aus, dass sie die Auslegung des Gerichts teile, wonach der Zweck des Protokolls Nr. 8 darin bestanden habe, eine umfassende Regelung für die Kontrolle von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen. Schon der Wortlaut von Nr. 6 des Protokolls weise auf eine Rückwirkung hin, da der relevante Zeitraum, nämlich die Jahre 1997 bis 2003, gänzlich vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union gelegen habe. 81      Außerdem tritt die Kommission dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen entgegen, wonach die Bezugnahme auf diesen Zeitraum in Wirklichkeit bedeute, dass die Kontrolle der Beihilfen vor dem Beitritt sich auf diejenigen beschränke, die zwischen September und Dezember 2003 gewährt worden seien. Daher habe das Gericht bei seinen Erwägungen in den Randnrn. 93 bis 97 des angefochtenen Urteils den Wortlaut, die Zielsetzung und den Aufbau des Protokolls Nr. 8 ordnungsgemäß berücksichtigt und hierauf zutreffend seine Schlussfolgerung in Bezug auf die Rückwirkung gestützt. 82      Schließlich sei das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen jedenfalls unbegründet, da mit ihm offenbar in Wirklichkeit die Nichtaufnahme von HCz in die Liste der begünstigten und in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten Unternehmen und kein etwaiger Verstoß gegen dieses Protokoll gerügt werde. Es liege aber auf der Hand, dass im Rahmen der Nichtigkeitsklage, mit der das Gericht befasst gewesen sei, nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission zu prüfen gewesen sei und die Rechtmäßigkeit von Bestimmungen des Primärrechts wie denen des Protokolls Nr. 8 nicht habe in Frage gestellt werden können. Würdigung durch den Gerichtshof –       Zur Zulässigkeit 83      Zur Unzulässigkeitsrüge, die von der Kommission darauf gestützt wird, dass es sich um neues Vorbringen handele, ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine Partei, wenn es ihr erlaubt wäre, vor dem Gerichtshof erstmals ein Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel vorzubringen, das sie vor dem Gericht nicht vorgebracht hat, den Gerichtshof, dessen Befugnisse im Rechtsmittelverfahren beschränkt sind, letztlich mit einem weiter reichenden Rechtsstreit befassen könnte, als ihn das Gericht zu entscheiden hatte. Im Rahmen eines Rechtsmittels sind die Befugnisse des Gerichtshofs daher auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt (vgl. u. a. Urteile vom 11. November 2004, Ramondín u. a./Kommission, C‑186/02 P und C‑188/02 P, Slg. 2004, I‑10653, Randnr. 60, und vom 26. Oktober 2006, Koninklijke Coöperatie Cosun/Kommission, C‑68/05 P, Slg. 2006, I‑10367, Randnr. 96). 84      Hierzu ist allerdings festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen entgegen den Ausführungen der Kommission vor dem Gerichtshof kein neues Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel vorbringen, sondern ein bloßes Argument, das sich in das Vorbringen zu einem Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8 einfügt, das bereits vor dem Gericht erörtert worden ist. Sie nehmen nämlich zum Nachweis des Verstoßes gegen das Protokoll Nr. 8 Bezug auf die von der Kommission angeführten Unterlagen, führen aber keine in rechtlicher Hinsicht neue Rüge ein. Daher kann der von der Kommission erhobenen Unzulässigkeitseinrede, die darauf gestützt wird, dass es sich um neues Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen handele, nicht gefolgt werden. 85      Zur Unzulässigkeitsrüge, die von der Kommission darauf gestützt wird, dass das von der Klägerin in der Rechtssache T‑297/06 angeführte Argument einer Ungleichbehandlung zweier im Wesentlichen gleicher Situationen insofern neu sei, als es im ersten Rechtszug nicht von ihr, sondern nur von den Klägerinnen in der Rechtssache T‑273/06 geltend gemacht worden sei, genügt die Feststellung, dass eine Partei sämtliche Gründe eines Urteils, das sie beschwert, anfechten können muss, wenn das Gericht zwei Rechtssachen verbunden und ein einziges Urteil erlassen hat, das auf alle von den Parteien im Verfahren vor dem Gericht vorgetragenen Angriffs‑ und Verteidigungsmittel eingeht; somit kann jede Partei Erwägungen beanstanden, die sich auf Angriffs‑ und Verteidigungsmittel beziehen, die vor dem Gericht allein von der Klägerin in der anderen verbundenen Rechtssache geltend gemacht worden sind (vgl. Urteil vom 29. November 2007, Stadtwerke Schwäbisch Hall u. a./Kommission, C‑176/06 P, Randnr. 17, sowie entsprechend Urteil vom 21. Februar 2008, Kommission/Girardot, C‑348/06 P, Slg. 2008, I‑833, Randnr. 50). 86      Daher kann der von der Kommission erhobenen Unzulässigkeitseinrede, die darauf gestützt wird, dass es sich um neues Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen handele, nicht gefolgt werden. 87      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund zulässig. –       Zur Begründetheit 88      In Bezug auf die Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes ist zu prüfen, ob das Gericht gegen das Protokoll Nr. 8 verstoßen hat, als es im angefochtenen Urteil die Ansicht vertreten hat, dass die Befugnis der Kommission zur Kontrolle der Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen im Zeitraum vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union auf diesem Protokoll beruhe und sich auf die Beihilfen beziehe, die während des gesamten von Nr. 6 des Protokolls erfassten Zeitraums gewährt worden seien, nämlich von 1997 bis 2003, und nicht, wie die Rechtsmittelführerinnen unter Infragestellung der Rückwirkung des Protokolls Nr. 8 geltend machen, ausschließlich zwischen dem Tag seiner Veröffentlichung, dem 23. September 2003, und dem 31. Dezember 2003. 89      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht zu diesem Ergebnis gelangt ist, nachdem es in den Randnrn. 89 bis 97 des angefochtenen Urteils die Reichweite des Protokolls Nr. 8 geprüft hatte. 90      Im Rahmen dieser Prüfung hat das Gericht zunächst in Randnr. 90 des angefochtenen Urteils hervorgehoben, dass in Bezug auf die Anwendbarkeit ratione temporis der Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen unstreitig sei, dass die Art. 87 EG und 88 EG grundsätzlich nicht für Beihilfen gälten, die vor dem Beitritt gewährt worden und nach dem Beitritt nicht mehr anwendbar seien. 91      Sodann hat das Gericht in Randnr. 91 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die im Protokoll Nr. 8 vorgesehene Regelung in mehrfacher Hinsicht von der im Vertrag und in Anhang IV der Beitrittsakte vorgesehenen allgemeinen Regelung abweiche. So seien gemäß Nr. 1 des Protokolls Nr. 8 bestimmte von der Republik Polen für die Umstrukturierung bestimmter Teile der polnischen Stahlindustrie gewährte staatliche Beihilfen, die gemäß den Art. 87 EG und 88 EG normalerweise nicht zulässig wären, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen. Darüber hinaus stehe fest, dass sich der in Anhang IV der Beitrittsakte vorgesehene Übergangsmechanismus ausschließlich auf staatliche Beihilfen beziehe, die vor dem Beitritt gewährt worden und noch nach dem Tag des Beitritts anzuwenden seien. 92      In den Randnrn. 93 und 94 des angefochtenen Urteils weist das Gericht außerdem darauf hin, dass sich das Protokoll Nr. 8 auf Beihilfen beziehe, die im Zeitraum von 1997 bis 2003 und mithin für einen Zeitraum vor dem Beitritt der Republik Polen zur Union gewährt worden seien. Dieses Protokoll erlaube einen begrenzten Betrag an Umstrukturierungsbeihilfen (3 387 070 000 PLN), die bestimmten, in seinem Anhang 1 aufgeführten Unternehmen für diesen Zeitraum gewährt würden, und sehe vor, dass die Republik Polen für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie keine weitere Beihilfe gewähren dürfe. Nach Ansicht des Gerichts folgt daraus, dass die rückwirkende Anwendung des Protokolls Nr. 8 in dessen Nr. 6 verankert ist, die auf den Zeitraum von 1997 bis 2003 Bezug nimmt. 93      Schließlich weist das Gericht in Randnr. 95 des angefochtenen Urteils das Argument der Rechtsmittelführerinnen zurück, wonach die Bezugnahme auf den Zeitraum von 1997 bis 2003 im Protokoll Nr. 8, da dieser Zeitraum zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Protokolls Nr. 8 im September 2003 beinahe beendet gewesen sei, allein die Bedeutung habe, dass bei der Berechnung zukünftiger Beihilfen rückschauend die Beträge bereits gewährter Beihilfen zu berücksichtigen seien, und nicht, dass die früheren Beihilfen rückwirkend als rechtswidrig anzusehen seien. 94      Das Gericht hebt weiter hervor, es sei im Gegenteil Zweck des Protokolls Nr. 8 gewesen, eine umfassende Regelung für die Zulassung von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen und nicht nur die Kumulierung von Beihilfen durch begünstigte Unternehmen zu verhindern (vgl. Randnr. 96 des angefochtenen Urteils). 95      Im Licht dieser Feststellungen hat das Gericht in den Randnrn. 97 und 104 des angefochtenen Urteils jeden Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8 aufgrund der Erwägung verneint, dass das Protokoll im Verhältnis zu Anhang IV der Beitrittsakte und den Art. 87 EG und 88 EG eine lex specialis darstelle, die die von der Kommission gemäß dem Vertrag ausgeübte Kontrolle staatlicher Beihilfen auf Beihilfen zugunsten der Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie während des Zeitraums von 1997 bis 2003 erweitere; daher hat es diesen Klagegrund zurückgewiesen. 96      Entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen hat das Gericht nicht gegen das genannte Protokoll verstoßen, als es zu diesem Ergebnis gelangt ist. 97      Das Gericht hat nämlich in den Randnrn. 93 und 94 des angefochtenen Urteils zu Recht darauf hingewiesen, dass das Protokoll Nr. 8 selbst in seiner Nr. 6 vorsieht, dass es auf den Zeitraum von 1997 bis 2003, der vor dem Beitrittsdatum liegt, anwendbar ist. 98      Nach ständiger Rechtsprechung sind zwar die Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau klar hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. u. a. Urteile vom 10. Februar 1982, Bout, 21/81, Slg. 1982, 381, Randnr. 13, vom 15. Juli 1993, GruSa Fleisch, C‑34/92, Slg. 1993, I‑4147, Randnr. 22, vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer, C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 49, und vom 12. November 2009, Elektrownia Pątnów II, C‑441/08, Slg. 2009, I‑10799, Randnr. 33). 99      Da – im Gegensatz zu dem tatsächlichen und rechtlichen Rahmen in den zur Stützung des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen angeführten Rechtssachen – das Protokoll Nr. 8 am 1. Mai 2004 in Kraft getreten ist, ist festzustellen, dass aus seinem Wortlaut klar hervorgeht, dass es eine Rückwirkung vorsieht, da es ausdrücklich auf einen zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens schon vollständig abgeschlossenen Zeitraum verweist. 100    Zur Zielsetzung und zum Aufbau des Protokolls Nr. 8 ist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen festzustellen, dass in Anbetracht dessen, dass die Art. 87 EG und 88 EG nicht für Beihilfen gelten, die vor dem Beitritt gewährt wurden und danach nicht mehr anwendbar sind, zur Verfolgung des bereits im Protokoll Nr. 2 definierten Ziels eines grundsätzlichen Verbots staatlicher Beihilfen, abgesehen von ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen, die Schaffung einer Regelung, die die Kommission dazu ermächtigt, die im Vertrag vorgesehene Kontrolle staatlicher Beihilfen über jede Beihilfe für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie in den Jahren 1997 bis 2006 auszuüben, die logische Folge der materiellen Kontinuität in Bezug auf staatliche Beihilfen zwischen dem Europa-Abkommen und dem Vertrag war und darüber hinaus das Ziel zum Ausdruck brachte, eine einzige Kontrollregelung vor und nach dem Beitritt der Republik Polen zur Union anzuwenden. 101    Der Zweck des Protokolls Nr. 8 bestand also, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, darin, eine umfassende Regelung für die Zulassung von Beihilfen zur Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie zu treffen, und nicht nur darin, die Kumulierung von Beihilfen durch begünstigte Unternehmen zu verhindern. 102    Folglich hat das Gericht zutreffend das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen, wonach das Protokoll Nr. 8 dahin auszulegen sei, dass es sich nur auf den Zeitraum zwischen seiner Veröffentlichung im September 2003 und dem Jahresende 2003 beziehe und dass somit die Berechnung zukünftiger Beihilfen, die den begünstigten Unternehmen bis Ende 2003 zugewiesen würden, nicht vorgenommen werden dürfe, indem rückwirkend die früheren Beihilfen als rechtswidrig angesehen würden, sondern indem rückschauend die Beträge bereits gewährter Beihilfen berücksichtigt würden. 103    Daraus folgt, wie das Gericht zutreffend festgestellt hat, dass das Protokoll Nr. 8 eine lex specialis darstellt, die die Befugnis der Kommission zur Kontrolle der Beihilfen für die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie im Zeitraum von 1997 bis 2003 erweitert hat. 104    In Bezug auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach sowohl aus dem Vorschlag der Kommission als auch aus dem Beschluss 2003/588 des Rates hervorgehe, dass nach Ansicht dieser Organe die mit dem Protokoll Nr. 8 eingegangenen Verpflichtungen beachtet worden seien, genügt die Feststellung, dass ein Akt des abgeleiteten Unionsrechts, selbst wenn er später erlassen worden ist, nicht von einem Akt des Primärrechts abweichen oder diesen ändern kann. 105    Schließlich genügt zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen in Bezug auf eine Ungleichbehandlung, die darin bestehen soll, dass HCz in die Liste der in Anhang 1 des Protokolls Nr. 8 aufgeführten begünstigten Unternehmen hätte eingetragen werden müssen, die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen, da sie sich in Wirklichkeit gegen die Nichtaufnahme von HCz in diese Liste wenden, das Protokoll Nr. 8 in Frage stellen, das Bestandteil des Vertrags ist und somit zum Primärrecht gehört. Im Rahmen eines Rechtsmittels beschränkt sich der Gerichtshof aber auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Urteils des Gerichts, so dass die Rechtmäßigkeit einer Bestimmung des Primärrechts nicht in Frage gestellt werden kann. 106    In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen war das Gericht zu der Annahme berechtigt, dass kein Verstoß gegen das Protokoll Nr. 8 vorlag; der erste Rechtsmittelgrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen. Zum zweiten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 107    Mit diesem Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass die im Protokoll Nr. 2 vorgesehenen Verfahren, mit denen die streitige Beihilfe sowohl der Kommission als auch dem Rat zur Kenntnis gebracht worden sei, bei ihnen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätten. 108    Insoweit sei unstreitig, dass die Kommission, als sie die verschiedenen Fassungen des polnischen Umstrukturierungsprogramms geprüft habe, erfahren habe, dass HCz staatliche Beihilfen erhalten habe. Der Vorschlag der Kommission sei am 26. Mai 2003 veröffentlicht worden. Selbst wenn man anerkenne, dass die Begründung dieses Vorschlags kein berechtigtes Vertrauen bei den Rechtsmittelführerinnen wecken könne, sei die Kommission gleichwohl über die streitigen Beihilfen unterrichtet gewesen. 109    Da der Beschluss 2003/588 des Rates auf der Grundlage des Vorschlags der Kommission erlassen worden sei und in diesem Beschluss festgestellt werde, dass die fraglichen Beihilfen den in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Freistellungsvoraussetzungen genügten, und da die in Art. 88 EG enthaltenen förmlichen Verfahren zu dieser Zeit gegenüber der Republik Polen nicht anwendbar gewesen seien, erfülle das von der Kommission und vom Rat im vorliegenden Fall angewandte Verfahren die in der Rechtsprechung zum Vertrauensschutz aufgestellten Voraussetzungen. 110    Nach den Urteilen des Gerichts vom 27. März 1990, Chomel/Kommission (T‑123/89, Slg. 1990, II‑131), und vom 31. März 1998, Preussag Stahl/Kommission (T‑129/96, Slg. 1998, II‑609), könne sich jeder auf Vertrauensschutz berufen, der sich in einer Lage befinde, aus der hervorgehe, dass die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt habe. 111    Außerdem setze die Inanspruchnahme von Vertrauensschutz voraus, dass drei Voraussetzungen vorlägen, nämlich präzise Zusicherungen der Gemeinschaftsverwaltung an den Betroffenen, die bei demjenigen, an den sie gerichtet seien, berechtigte Erwartungen wecken könnten und im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stünden. 112    Das Gericht habe klargestellt, dass präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite unabhängig von der Form ihrer Mitteilung präzise Zusicherungen darstellten (Urteile vom 6. Juli 1999, Forvass/Kommission, T‑203/97, Slg. ÖD 1999, I‑A‑129 und II‑705, Randnrn. 70 und 71, und vom 19. März 2003, Innova Privat-Akademie/Kommission, T‑273/01, Slg. 2003, II‑1093, Randnrn. 26, 28, 29 und 32). 113    Eine Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Vorschlag der Kommission führe zu dem Ergebnis, dass den Rechtsmittelführerinnen in Nr. 6 der Begründung des Vorschlags präzise Zusicherungen gegeben worden seien, dass diese Zusicherungen bei ihnen eine berechtigte Erwartung hätten wecken können und dass sie im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen gestanden hätten. Die drei Voraussetzungen dafür, dass sich die Rechtsmittelführerinnen auf ein berechtigtes Vertrauen darauf berufen könnten, dass die empfangenen Beihilfen nicht rechtswidrig seien und somit auch nicht der Rückforderung unterlägen, seien folglich erfüllt gewesen. Darüber hinaus sei der einzige Artikel des Beschlusses 2003/588 des Rates geeignet gewesen, bei den Rechtsmittelführerinnen die Gewissheit zu schaffen, dass das Umstrukturierungsprogramm dem Europa-Abkommen entspreche und dass folglich die von diesem Programm erfassten Beihilfen rechtmäßig seien. 114    Die Kommission hebt unter Bezugnahme auf das Urteil Alcan Deutschland hervor, dass ihr Vorschlag ebenso wie der Beschluss 2003/588 des Rates vom Umstrukturierungsprogramm und von den Geschäftsplänen ausgegangen sei, die die Republik Polen übermittelt habe. Darin sei die Liquidation von HCz vorgesehen gewesen, und sie hätten keinen Geschäftsplan für HCz enthalten. Folglich hätten weder die Kommission noch der Rat präzise Zusicherungen speziell in Bezug auf die HCz gezahlten Beihilfen abgeben können, weil von diesem Unternehmen gar keine Rede gewesen sei. 115    Die Rechtsmittelführerinnen hätten auch die vom Gericht in Randnr. 138 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen nicht in Frage gestellt, wonach der Kommission der Geschäftsplan für HCz nicht übermittelt worden sei und von der im Beschluss 2003/588 des Rates enthaltenen Genehmigung daher nicht umfasst sein könne. Das Gericht habe sich auf diese Feststellung gestützt. Es handele sich um eine Tatsachenfeststellung, die die Rechtsmittelführerinnen nicht bestritten und im Übrigen im Rechtsmittelverfahren nicht bestreiten könnten. 116    Daher müsse der Rechtsmittelgrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurückgewiesen werden. Weder der verfügende Teil des Vorschlags der Kommission noch der des Beschlusses 2003/588 des Rates oder der 13. Erwägungsgrund des Vorschlags der Kommission könnten ein berechtigtes Vertrauen darauf begründen, dass Geschäftspläne, die der Kommission nicht übermittelt worden seien und daher von diesen Rechtsakten nicht erfasst sein könnten, mit dem Protokoll Nr. 8 im Einklang stünden. 117    Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Randnr. 139 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass der Rat im Beschluss 2003/588 die von der Kommission in ihrem Vorschlag angestellten Erwägungen, wonach durch die Verlängerung der in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Ausnahmeregelung alle seit Inkrafttreten des Europa-Abkommens rechtswidrig gewährten Beihilfen rückwirkend legalisiert worden seien, nicht übernommen habe, so dass diese Worte in dem schließlich vom Rat erlassenen Rechtsakt nicht enthalten seien. Ein einfacher Vorschlag der Kommission könne aber bei den Rechtsmittelführerinnen kein berechtigtes Vertrauen wecken. 118    Überdies dürfte die Frage jedenfalls rein akademischer Natur sein, weil die Rechtsmittelführerinnen Randnr. 139 des angefochtenen Urteils nicht beanstandeten. Würdigung durch den Gerichtshof 119    Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen im Wesentlichen geltend, dass das Gericht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen habe, da es nicht festgestellt habe, dass die streitige Beihilfe im Rahmen der Verfahren des Protokolls Nr. 2 sowohl der Kommission als auch dem Rat zur Kenntnis gebracht worden sei, was bei den Rechtsmittelführerinnen berechtigtes Vertrauen geweckt habe. Außerdem seien die Begründung des Vorschlags der Kommission für den Beschluss 2003/588 des Rates und der einzige Artikel dieses Beschlusses geeignet gewesen, bei den Rechtsmittelführerinnen die berechtigte Erwartung hervorzurufen, dass die fragliche Beihilfe legalisiert worden und das Umstrukturierungsprogramm rechtmäßig sei. 120    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht zu seinem Schluss gelangt ist, nachdem es in den Randnrn. 135 bis 139 des angefochtenen Urteils die Entstehungsgeschichte der verschiedenen Rechtsakte nachvollzogen hat, die unmittelbar oder mittelbar die streitigen Beihilfen betreffen. Das Gericht hat sodann festgestellt, dass zum einen der Geschäftsplan für HCz der Kommission nicht übermittelt worden sei und sich somit der Beschluss 2003/588 des Rates nicht auf ihn beziehe und dass zum anderen dieser Beschluss entgegen der Begründung des Vorschlags der Kommission nicht bestimme, dass durch die Verlängerung der in Art. 8 Abs. 4 des Protokolls Nr. 2 vorgesehenen Ausnahmeregelung alle seit Inkrafttreten des Europa-Abkommens rechtswidrig gewährten Beihilfen rückwirkend legalisiert würden. 121    Hierzu ist erstens hervorzuheben, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, wonach die Kommission über die Existenz der streitigen Beihilfen informiert worden sei, unerheblich ist. Da der Geschäftsplan für HCz der Kommission im Rahmen der zu diesem Zweck ausdrücklich vorgesehenen Verfahren, nämlich dem Umstrukturierungsprogramm der polnischen Stahlindustrie, nach der – von den Rechtsmittelführerinnen im Übrigen nicht beanstandeten – Feststellung des Gerichts nicht übermittelt worden ist, und in Anbetracht der Tatsache, dass die Liquidation von HCz dort ausdrücklich vorgesehen war, konnte sich der Beschluss 2003/588 des Rates von Rechts wegen nicht auf HCz beziehen. 122    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den Grundprinzipien der Union gehört (vgl. u. a. Urteil vom 5. Mai 1981, Dürbeck, 112/80, Slg. 1981, 1095, Randnr. 48). 123    Aus der Rechtsprechung ergibt sich ferner, dass sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen kann, der sich in einer Lage befindet, aus der hervorgeht, dass die Gemeinschaftsverwaltung bei ihm durch präzise Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile vom 16. Dezember 1987, Delauche/Kommission, 111/86, Slg. 1987, 5345, Randnr. 24, vom 25. Mai 2000, Kögler/Gerichtshof, C‑82/98 P, Slg. 2000, I‑3855, Randnr. 33, und vom 22. Juni 2006, Belgien und Forum 187/Kommission, C‑182/03 und C‑217/03, Slg. 2006, I‑5479, Randnr. 147). Die gegebenen Zusicherungen müssen außerdem im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Juni 1985, Pauvert/Rechnungshof, 228/84, Slg. 1985, 1969, Randnrn. 14 und 15, und vom 6. Februar 1986, Vlachou/Rechnungshof, 162/84, Slg. 1986, 481, Randnr. 6). 124    Es genügt die Feststellung, dass in Bezug auf die Voraussetzung der präzisen Zusicherungen ein dem Rat unterbreiteter Beschlussvorschlag der Kommission entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen kein berechtigtes Vertrauen darauf begründen kann, dass die streitigen Beihilfen mit den Vorschriften des Unionsrechts im Einklang stehen. 125    Da der Wortlaut der Begründung des Vorschlags der Kommission nicht in den Beschluss 2003/588 des Rates übernommen wurde, kann dieser Beschluss kein berechtigtes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Beihilfen für eine Gesellschaft begründen, deren Geschäftsplan der Kommission nicht übermittelt wurde und auf die sich der Beschluss somit nicht beziehen konnte. Der Wegfall der genannten Begründung hätte den Rechtsmittelführerinnen die Änderung des Standpunkts des Unionsgesetzgebers in Bezug auf eine derartige Legalisierung der Beihilfen deutlich machen müssen. 126    Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die für das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes erforderliche Voraussetzung präziser Zusagen nicht erfüllt ist. Somit sind die übrigen Voraussetzungen, die kumulativer Art sind, nicht zu prüfen. 127    Folglich ist dem Gericht kein Rechtsfehler unterlaufen, als es die Ansicht vertrat, dass die streitige Entscheidung das berechtigte Vertrauen der Rechtsmittelführerinnen nicht verletzt habe. 128    Nach alledem ist der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen. Zum dritten Rechtsmittelgrund Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 129    Mit diesem Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen die Billigung des zum Zeitpunkt der Rückforderung anwendbaren Zinssatzes durch das Gericht. 130    Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht habe sich mit der Feststellung begnügt, dass die Kommission das in Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 vorgeschriebene Verfahren eingehalten habe. Das Gericht hätte aber prüfen müssen, ob die Kommission einen „angemessenen“ Satz im Sinne von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 festgesetzt habe, denn die Beurteilung der Angemessenheit des Satzes erschöpfe sich nicht in der Feststellung, dass er in Abstimmung mit dem betreffenden Mitgliedstaat festgesetzt worden sei. 131    Die Angemessenheit sei ein materieller Begriff, der von dem Verfahren, das die Kommission in den Ausnahmefällen einhalten müsse, in denen sie den Zinssatz in enger Abstimmung mit einem Mitgliedstaat festsetze, unabhängig sei. Dieser autonome Begriff – der eng damit verbunden sei, dass die Kommission über einen Spielraum verfüge und dass letztlich sie es sei, die den maßgebenden Satz festlege – bedürfe der Auslegung, was das Gericht nicht getan habe. 132    Bei der Auslegung des genannten Begriffs müsse das Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995, Siemens/Kommission (T‑459/93, Slg. 1995, II‑1675), berücksichtigt werden, wonach die Rückforderung dazu diene, die vor der Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe bestehende Situation wiederherzustellen. Um für Gleichbehandlung zu sorgen, sei der sich aus der Beihilfe ergebende Vorteil objektiv von dem Zeitpunkt an zu bemessen, ab dem die Beihilfe dem begünstigten Unternehmen zur Verfügung gestanden habe. 133    Da die Kommission gehalten sei, die Situation wiederherzustellen, die vor der rechtswidrigen Gewährung der Beihilfe bestanden habe, dürfe die Vereinnahmung von Zinsen nur zum Ausgleich der finanziellen Vorteile vorgenommen werden, die sich tatsächlich aus der Zurverfügungstellung der Beihilfen an den Empfänger ergäben, und müsse zu diesen Vorteilen im Verhältnis stehen. 134    Durch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Wiederherstellung der vorherigen Situation und die Wahl eines Referenzsatzes, der gänzlich an der Wirklichkeit des polnischen Marktes zwischen 1997 und 2004 vorbeigehe, hätten somit die Kommission und das Gericht, das die Ansicht vertreten habe, dass sich die Tragweite von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 in diesem Punkt in der Tragweite von Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 erschöpfe, gegen diese beiden Gemeinschaftsbestimmungen verstoßen. 135    Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig. Die Klägerinnen begehrten nämlich im Rechtsmittelverfahren die Prüfung eines Vorbringens, das dem Gericht nicht unterbreitet worden sei. Der dritte Rechtsmittelgrund, mit dem hauptsächlich ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 gerügt werde, sei vor dem Gericht nicht geltend gemacht worden, da der einzige im ersten Rechtszug in Bezug auf den Zinssatz geltend gemachte Klagegrund aus einem Verstoß gegen die Verordnung Nr. 794/2004 hergeleitet worden sei. Folglich könnten die Rechtsmittelführerinnen dem angefochtenen Urteil nicht anlasten, dass der Begriff „angemessener Satz“ unrichtig ausgelegt worden sei, denn die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe hätten dem Gericht keinen Anlass geboten, diesen Begriff auszulegen. 136    Hilfsweise trägt die Kommission vor, die Rechtsmittelführerinnen gingen von einer irrigen Prämisse aus, wenn sie behaupteten, das Gericht habe die Ansicht vertreten, dass sich die Tragweite von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 in der Tragweite von Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 erschöpfe, d. h., dass das Gericht entschieden habe, dass der von der Kommission festgelegte Zinssatz allein deshalb angemessen sei, weil er „in enger Abstimmung mit dem … Mitgliedstaat“ festgesetzt worden sei. 137    Das Gericht habe sich jedoch entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht mit der Feststellung begnügt, dass die Kommission das geltende Verfahren einer engen Abstimmung mit dem Mitgliedstaat eingehalten habe, sondern es habe sich zur Begründetheit des herangezogenen Satzes geäußert, indem es auf den Wertungsspielraum der Kommission hingewiesen und die Gründe geprüft habe, aus denen sie bestimmte Vorschläge verworfen habe. Überdies habe das Gericht daraus geschlossen, dass ein „offensichtlicher Beurteilungsfehler“ nicht dargetan worden sei und dass die Berechnung der Zinsen nach der Zinseszinsformel zwingend aus der Verordnung Nr. 794/2004 folge (Randnrn. 159 bis 167 des angefochtenen Urteils). 138    Das Rechtsmittel enthalte kein Vorbringen, das geeignet wäre, die Erwägungen des Gerichts in Frage zu stellen, und keine stichhaltige Rüge dieser Erwägungen; das Gericht habe somit das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ordnungsgemäß geprüft und sich dabei innerhalb der Grenzen des im ersten Rechtszug vorgetragenen Nichtigkeitsgrundes gehalten, mit dem dem Gericht nicht die Frage nach der „Angemessenheit“ des Zinssatzes im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 unterbreitet worden sei. Würdigung durch den Gerichtshof –       Zur Zulässigkeit 139    Was die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit betrifft, die daraus hergeleitet wird, dass der dritte Rechtsmittelgrund, mit dem hauptsächlich ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 gerügt werde, im Verfahren vor dem Gericht nicht geltend gemacht worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Randnr. 83 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ein erstmals im Rahmen des Rechtsmittels vor dem Gerichtshof vorgebrachtes Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Tat grundsätzlich als unzulässig zurückzuweisen ist. 140    Somit ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen vom Gerichtshof die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Zinssatzes, den die Kommission festgesetzt hat, unter dem Aspekt seiner Angemessenheit im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 begehren. Dieses Vorbringen ist jedoch dem Gericht nicht unterbreitet worden, denn der einzige in Bezug auf den Zinssatz vor dem Gericht geltend gemachte Klagegrund betraf einen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 794/2004. Daher ist der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit, die darauf gestützt wird, dass es sich um neues Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen handele, stattzugeben. 141    Daraus folgt, dass der dritte Rechtsmittelgrund, soweit mit ihm ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 gerügt wird, für unzulässig zu erklären ist. Soweit der dritte Rechtsmittelgrund die Verordnung Nr. 794/2004 betrifft, ist er hingegen zulässig. –       Zur Begründetheit 142    Zur Begründetheit dieses Rechtsmittelgrundes genügt die Feststellung, dass sich im Hinblick darauf, dass der dritte Rechtsmittelgrund, soweit mit ihm ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 gerügt wird, unzulässig ist, dieser Rechtsmittelgrund, soweit er sich auf einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 bei der Festsetzung eines angemessenen Zinssatzes stützt, als inhaltslos erweist, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat. Denn es ist unmöglich, dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen eine gegenüber dem Gericht erhobene Rüge zu entnehmen, die sich ausschließlich aus einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 4 der Verordnung Nr. 794/2004 und nicht aus dem Begriff „angemessener Satz“ im Sinne von Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 herleitet. 143    Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen. 144    Da keiner der Rechtsmittelgründe durchgreift, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen. Kosten 145    Nach Art. 122 Abs. 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel zurückgewiesen wird. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Rechtsmittelführerinnen zur Tragung der Kosten beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. 2.      Die ISD Polska sp. z o.o. und die Industrial Union of Donbass Corp. tragen die Kosten. Unterschriften * Verfahrenssprache: Französisch.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 17. Februar 2011. # Zhejiang Xinshiji Foods Co. Ltd und Hubei Xinshiji Foods Co. Ltd gegen Rat der Europäischen Union. # Dumping - Einfuhren von zubereiteten oder haltbar gemachten Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Volksrepublik China - Verteidigungsrechte - Begründungspflicht - Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung - Art. 15 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 4 und 5 der Verordnung [EG] Nr. 384/96 [jetzt Art. 15 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1225/2009]. # Rechtssache T-122/09.
62009TJ0122
ECLI:EU:T:2011:46
2011-02-17T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-00022*
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 17. Februar 2011 – Zhejiang Xinshiji Foods und Hubei Xinshiji Foods/Rat (Rechtssache T-122/09) „Dumping – Einfuhren von zubereiteten oder haltbar gemachten Zitrusfrüchten mit Ursprung in der Volksrepublik China – Verteidigungsrechte – Begründungspflicht – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Art. 15 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 (jetzt Art. 15 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 4 und 5 der Verordnung [EG] Nr. 1225/2009)“ 1.                     Unionsrecht – Grundsätze – Verteidigungsrechte – Wahrung im Rahmen von Verwaltungsverfahren – Antidumping – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Umfang – Form der Mitteilung – Nichteinhaltung der Frist von einem Monat zwischen der Übermittlung der Unterrichtung über die endgültigen Feststellungen an die betroffenen Unternehmen und der endgültigen Entscheidung der Kommission oder ihrem Vorschlag für endgültige Maßnahmen – Folgen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 20 Abs. 4) (vgl. Randnrn. 26-27, 29) 2.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Untersuchung – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Umfang – Fehlen genauer Erläuterungen zur Methode der Berechnung der Verkaufsmengen des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft im endgültigen Informationsschreiben – Folgen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 20) (vgl. Randnrn. 37-38, 40-42) 3.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Zu berücksichtigende Kriterien – Andere einen Wirtschaftszweig der Gemeinschaft schädigende Faktoren als die Einfuhren – Auswirkungen der Rohstoffpreise (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 3 Abs. 5 bis 7) (vgl. Randnrn. 52-62) 4.                     Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Schädigung – Ermessen der Organe – Grenzen – Pflicht einer sorgfältigen und unparteiischen Prüfung aller relevanten Umstände – Verpflichtung der Organe zur Unterrichtung der betroffenen Unternehmen – Fehlende Mitteilung der Umstände, die die Angemessenheit des Vergleichs zwischen den Ausfuhrpreisen und den Preisen des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft rechtfertigen, durch die Kommission – Verletzung der Verteidigungsrechte und der Begründungspflicht (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 3 Abs. 2 und 3 sowie Art. 20) (vgl. Randnrn. 75-80, 84-86, 90-91) 5.                     Handlungen der Organe – Begründung – Verpflichtung – Umfang – Heilung eines Begründungsmangels im gerichtlichen Verfahren – Unzulässigkeit (Art. 296 AEUV) (vgl. Randnr. 92) 6.                     Nichtigkeitsklage – Gründe – Verletzung wesentlicher Formvorschriften – Verstoß eines Organs gegen seine Geschäftsordnung (Art. 263 AEUV; Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 15 Abs. 2) (vgl. Randnrn. 102-110) Gegenstand Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 350, S. 35), soweit sie die Klägerinnen betrifft Tenor 1. Die Verordnung (EG) Nr. 1355/2008 des Rates vom 18. Dezember 2008 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls auf die Einfuhren bestimmter zubereiteter oder haltbar gemachter Zitrusfrüchte (Mandarinen usw.) mit Ursprung in der Volksrepublik China wird für nichtig erklärt, soweit sie die Zhejiang Xinshiji Foods Co. Ltd und die Hubei Xinshiji Foods Co. Ltd betrifft. 2. Zhejiang Xinshiji Foods und Hubei Xinshiji Foods tragen die Hälfte ihrer Kosten. 3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten von Zhejiang Xinshiji Foods und Hubei Xinshiji Foods. 4. Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Beschluss des Gerichtshofes (Achte Kammer) vom 28. Oktober 2010.#Frăsina Bejan gegen Tudorel Muşat.#Ersuchen um Vorabentscheidung: Judecătoria Focşani - Rumänien.#Verfahrensordnung - Art. 92 § 1, 103 § 1 und 104 § 3 Abs. 1 und 2 - Rechtsangleichung - Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungssystem - Vertrag über eine freiwillige Versicherung - Unanwendbarkeit.#Rechtssache C-102/10.
62010CO0102
ECLI:EU:C:2010:654
2010-10-28T00:00:00
Mengozzi, Gerichtshof
Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-00139*
Beschluss des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 28. Oktober 2010 – Frăsina Bejan/Tudorel Muşat (Rechtssache C‑102/10) „Verfahrensordnung – Art. 92 § 1, 103 § 1 und 104 § 3 Abs. 1 und 2 – Rechtsangleichung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungssystem – Vertrag über eine freiwillige Versicherung – Unanwendbarkeit“ 1.                     Europäische Union – Begrenzte Ermächtigungen – Folgen des Einflusses des Unionsrechts auf die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten vor den nationalen Gerichten (Art. 5 Abs. 2 EUV) (vgl. Randnr. 29) 2.                     Rechtsangleichung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinien 72/166, 84/5, 90/232, 2000/26 und 2005/14 – Bestimmung der Regelung der Haftpflicht bei Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen – Vertrag über eine freiwillige Versicherung (Richtlinien 2000/26 und 2005/14 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinien 72/166, 84/5 und 90/232 des Rates) (vgl. Randnr. 36, Tenor 1) 3.                     Rechtsangleichung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinien 72/166, 84/5, 90/232, 2000/26 und 2005/14 – Bestimmung der Regelung der Haftpflicht bei Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen – Vertrag über eine freiwillige Versicherung (Richtlinien 2000/26 und 2005/14 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinien 72/166, 84/5 und 90/232 des Rates) (vgl. Randnr. 37, Tenor 2) 4.                     Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Beschränkungen – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Vertrag über eine freiwillige Versicherung (Art. 49 AEUV und 56 AEUV) (vgl. Randnr. 46, Tenor 3) Gegenstand Vorabentscheidungsersuchen – Judecătoria Focşani – Auslegung der Art. 49 AEUV, 56 AEUV, 57 AEUV, 59 Abs. 1 AEUV und 169 AEUV sowie der Richtlinien 84/5/EWG vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. 1984, L 8, S. 17), 92/49/EWG vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (ABl. L 228, S. 1), 93/13/EWG vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29), 2005/14/EG vom 11. Mai 2005 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (ABl. L 149, S. 14) und 2009/103/EG vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. L 263, S. 11) – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Durch versicherte Fahrzeuge verursachte Schäden – Nationale Rechtsvorschriften, die für Verbraucher nachteilige Ausschlussklauseln enthalten – Ausschlussvoraussetzungen, die weiter gehen als die in den Richtlinien vorgesehenen – Möglichkeit für das nationale Gericht, sich auf die Nichtigkeit der Klausel über den Ausschluss des versicherten Risikos zu berufen Tenor 1. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungssystem, das durch –        die Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, –        die Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, –        die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, –        die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG des Rates (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) sowie –        die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien 72/166/EWG, 84/5/EWG, 88/357/EWG und 90/232/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung geschaffen wurde, steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die vorsehen, dass der Versicherer von der Deckung durch einen Vertrag über eine freiwillige Kraftfahrzeugversicherung Schäden ausschließt, die entstehen, wenn das Fahrzeug von einer unter Alkoholeinfluss stehenden Person geführt wird. 2. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungssystem, das durch die Richtlinien 72/166, 84/5, 90/232, 2000/26 und 2005/14 geschaffen wurde, steht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die einen Versicherer nicht verpflichten, einen durch einen Unfall geschädigten Versicherten aufgrund eines Vertrags über eine freiwillige Kraftfahrzeugversicherung unverzüglich zu entschädigen und sich die diesem Versicherten gezahlte Entschädigung von der für den Unfall verantwortlichen Person erstatten zu lassen, wenn Umstände vorliegen, unter denen das Risiko wegen einer Ausschlussklausel nicht von der Versicherung gedeckt ist. 3. Nationale Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass der Versicherer von der Deckung durch einen Vertrag über eine freiwillige Kraftfahrzeugversicherung Schäden ausschließt, die entstehen, wenn das Fahrzeug von einer unter Alkoholeinfluss stehenden Person geführt wird, stellen eine Beschränkung sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob eine solche Beschränkung gleichwohl im Rahmen der im AEU‑Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmeregelungen zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 17. Dezember 2010. # European Wire Rope Importers Association (EWRIA) und andere gegen Europäische Kommission. # Dumping - Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika, der Ukraine und Russland - Weigerung, eine teilweise Interimsüberprüfung des eingeführten Antidumpingzolls durchzuführen. # Rechtssache T-369/08.
62008TJ0369
ECLI:EU:T:2010:549
2010-12-17T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-06283
Rechtssache T‑369/08 European Wire Rope Importers Association (EWRIA) u. a. gegen Europäische Kommission „Dumping – Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika, der Ukraine und Russland – Weigerung, eine teilweise Interimsüberprüfung des eingeführten Antidumpingzolls durchzuführen“ Leitsätze des Urteils 1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Schreiben der Kommission, wonach sie es ablehnt, eine teilweise Interimsüberprüfung eines Antidumpingzolls durchzuführen (Art. 230 EG; Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 11 Abs. 3 und 6) 2.      Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse (Verfahrensordnung des Gerichts, Art. 44 § 1 Buchst. c) 3.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Verfahren einer teilweisen Interimsüberprüfung eines Antidumpingzolls (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 11 Abs. 3) 4.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Verfahren einer teilweisen Interimsüberprüfung eines Antidumpingzolls (Verordnung Nr. 384/96 des Rates, Art. 11 Abs. 3 und 21 Abs. 1) 5.      Gemeinsame Handelspolitik – Schutz gegen Dumpingpraktiken – Nicht als Entscheidung anzusehende Antwort der Kommission auf Anfragen, mit denen vorab um eine technische Beratung gebeten wird – Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes – Fehlen (Verordnung Nr. 384/96 des Rates) 1.      Um festzustellen, ob ein Antwortschreiben der Kommission auf einen Antrag auf Durchführung einer teilweisen Interimsüberprüfung gemäß Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern eine Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG darstellt, ist zu prüfen, ob die Kommission – wenn man das Wesen der Entscheidung und die Absicht der Kommission sowie den Kontext betrachtet, in dem die Entscheidung ergangen ist – mit dieser Handlung ihren Standpunkt zum genannten Überprüfungsantrag endgültig festgelegt hat. Wenn das Schreiben der Kommission, mit dem sie dem Antragsteller mitteilt, seine vorgelegten Informationen ließen nicht den Schluss zu, dass eine teilweise Interimsüberprüfung eingeleitet werden müsse, auf ein Schreiben des Antragstellers ergeht, mit dem dieser der Kommission seine Absicht mitgeteilt hat, den Überprüfungsantrag nicht zu ergänzen, weil er genügend Beweise enthalte, ist es offensichtlich, dass über den genannten Antrag eine Entscheidung getroffen worden ist. Im Gegensatz nämlich zu der Situation, in der die Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss gemäß Art. 11 Abs. 6 der Verordnung Nr. 384/96 entscheidet, eine Interimsüberprüfung durchzuführen, handelt es sich bei der Weigerung, eine derartige Überprüfung ohne ausreichende Beweise durchzuführen, nicht um eine einleitende oder vorbereitende Maßnahme, da ihr keine weitere Handlung folgt, die im Wege einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könnte. Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Antragsteller der Kommission noch weitere Informationen liefern könnte, die diese zu einem Überdenken ihres Standpunkts veranlassen könnten. Die Übermittlung der neuen Informationen lässt jedoch die Tatsache, dass der erste Überprüfungsantrag bereits zurückgewiesen wurde, unberührt. Im Übrigen stellt der bloße Umstand, dass diese Beurteilung nur von den Dienststellen der Kommission und nicht von der Kommission selbst ausgegangen sein soll, das Wesen dieser Entscheidung nicht in Frage, denn sie erzeugt verbindliche Rechtswirkungen, die geeignet sind, die Interessen des Antragstellers zu beeinträchtigen, und stellt daher gemäß Art. 230 EG eine anfechtbare Handlung dar. (vgl. Randnrn. 34-38, 40, 42-43) 2.      Jede Klage muss gemäß Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen die Klage beruht, zumindest in gedrängter Form, jedenfalls aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst hervorgehen müssen. Insoweit kann zwar der Text der Klageschrift zu bestimmten Punkten durch Bezugnahmen auf als Anlagen beigefügte Aktenauszüge untermauert und ergänzt werden, jedoch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, selbst wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der rechtlichen Ausführungen in der Klageschrift ausgleichen. Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion. In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht. (vgl. Randnrn. 48-49) 3.      Die Gemeinschaftsorgane verfügen im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Situationen über ein weites Ermessen. Das Gleiche gilt für umfangreiche technische Beurteilungen durch die Unionsorgane. Die Kommission verfügt daher bei der Entscheidung im Rahmen von Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern über ein weites Ermessen im Hinblick darauf, ob die Aufrechterhaltung von Antidumpingmaßnahmen notwendig ist und ob ein Antrag auf eine Interimsüberprüfung genügend Beweise dafür enthält, dass eine derartige Überprüfung erforderlich ist. Deshalb ist in diesem Bereich die Kontrolle der durch die Organe vorgenommenen Bewertungen durch den Unionsrichter auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der beanstandeten Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen. Was eine den Ausschluss einer bestimmten Ware von der Definition der betroffenen Ware rechtfertigende Änderung der Umstände im Rahmen der Beurteilung eines Antrags nach Art. 11 Abs. 3 der Verordnung Nr. 384/96 auf eine Interimsüberprüfung eines eingeführten Antidumpingzolls angeht, legt die genannte Verordnung weder fest, wie die Ware oder das Warensortiment, die Gegenstand einer Dumpinguntersuchung sein können, definiert werden soll, noch verlangt sie eine genaue Klassifizierung der Ware. Dieses Ermessen ist von Fall zu Fall nach Maßgabe aller relevanten Tatsachen auszuüben. Die Gemeinschaftsorgane können bei der Definition der betroffenen Ware mehrere Kriterien berücksichtigen, wie materielle, technische oder chemische Merkmale der Waren, ihre Verwendung, ihre Austauschbarkeit, die Vorstellung, die sie beim Verbraucher erwecken, Vertriebswege, Herstellungsprozess, Produktionskosten usw. Auf jeden Fall kann die Definition der durch die Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ware – selbst wenn die Definition einer betroffenen Ware einer in einer gemeinsamen Norm festgelegten Klassifizierung entsprechen kann – nicht von einer derartigen Klassifizierung abhängen. Demzufolge muss das Vorbringen, die Kommission habe dadurch, dass sie es abgelehnt habe, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, auf Gründen beruhen, mit denen dargetan werden soll, dass die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung der Frage der Einleitung einer Überprüfung die von ihr für einschlägig gehaltenen Kriterien falsch beurteilt hat oder dass diese Ware unter Anwendung anderer, einschlägigerer Kriterien von der Definition der betroffenen Ware hätte ausgeschlossen werden müssen. (vgl. Randnrn. 77-79, 81-83, 87, 93) 4.      Die Organe sind gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern berechtigt, bestimmte Antidumpingmaßnahmen selbst dann nicht anzuwenden, wenn die übrigen Voraussetzungen für die Verhängung eines Antidumpingzolls – Dumping, Schädigung und Kausalzusammenhang – erfüllt sind, sofern sie der Auffassung sind, dass die Anwendung dieser Maßnahmen nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt. Im Fall des Auslaufens der Gemeinschaftsproduktion von Waren, die Antidumpingmaßnahmen unterliegen, setzt die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses im Rahmen einer Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 der genannten Verordnung die Prüfung der Notwendigkeit voraus, die betreffenden Antidumpingmaßnahmen aufrechtzuerhalten (vgl. Randnr. 107) 5.      Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder berufen, aus dessen Lage sich ergibt, dass die Unionsbehörden bei ihm begründete Erwartungen geweckt haben, indem sie ihm von zuständiger und zuverlässiger Seite stammende präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen gemacht haben. Allerdings müssen diese Zusicherungen den geltenden Bestimmungen und Normen entsprechen, da Zusagen, die diesen Bestimmungen nicht entsprechen, beim Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen begründen können. Im Rahmen der Beurteilung eines Antrags auf eine Interimsüberprüfung eines Antidumpingzolls nach der Verordnung Nr. 384/96 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern durch die Kommission handelt es sich bei der Antwort der Kommission auf Anfragen, mit denen vorab um eine technische Beratung gebeten wird, nicht um eine präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherung, dass eine Interimsüberprüfung eingeleitet werden würde. Eine solche Antwort ist nicht als eine förmliche oder eine informelle Entscheidung der Kommission anzusehen, da die Prüfung der Akten erst anhand des in einem förmlichen Antrag enthaltenen Vorbringens und der dabei vorgelegten effektiven Beweise durchgeführt werden kann, so dass diese Antwort jedenfalls kein berechtigtes Vertrauen begründen konnte, dass eine Interimsüberprüfung eingeleitet werden würde. Der Umstand, dass die Kommission bestimmte Angaben gemacht, sich an einer Neudefinition des Anwendungsbereichs der fraglichen Antidumpingmaßnahmen interessiert gezeigt oder die Argumente des Antragstellers bei derartigen ersten Kontakten als vielversprechend bezeichnet haben soll, stellt nämlich keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen dar, dass eine Überprüfung eingeleitet werden würde. (vgl. Randnrn. 139, 141-143) URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer) 17. Dezember 2010(*) „Dumping – Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika, der Ukraine und Russland – Weigerung, eine teilweise Interimsüberprüfung des eingeführten Antidumpingzolls durchzuführen“ In der Rechtssache T‑369/08 European Wire Rope Importers Association (EWRIA) mit Sitz in Hemer (Deutschland), Câbleries namuroises SA mit Sitz in Namur (Belgien), Ropenhagen A/S mit Sitz in Vallensbaek Strand (Dänemark), ESH Eisen- und Stahlhandelsgesellschaft mbH mit Sitz in Kaarst (Deutschland), Heko Industrieerzeugnisse GmbH mit Sitz in Hemer, Interkabel Internationale Seil- und Kabel-Handels GmbH mit Sitz in Solms (Deutschland), Jose Casañ Colomar, SA mit Sitz in Valencia (Spanien), Denwire Ltd mit Sitz in Dudley (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Lieber, Klägerinnen, gegen Europäische Kommission, vertreten durch C. Clyne und H. van Vliet als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2008, mit der diese den Antrag der Klägerinnen, eine teilweise Interimsüberprüfung der für Einfuhren von Kabeln oder Seilen aus Eisen oder Stahl geltenden Antidumpingmaßnahmen einzuleiten, abgelehnt hat, erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Papasavvas und A. Dittrich, Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2010 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen A –  Antidumping-Grundverordnung 1        Die Antidumping-Grundverordnung ist die Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. 1996, L 56, S. 1, im Folgenden: Grundverordnung) (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 1225/2009 des Rates vom 30. November 2009 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern [ABl. L 343, S. 51, berichtigt in ABl. 2010, L 7, S. 22]). Art. 1 Abs. 1, 2 und 4 der Grundverordnung (jetzt Art. 1 Abs. 1, 2 und 4 der Verordnung Nr. 1225/2009) bestimmt: „(1)      Ein Antidumpingzoll kann auf jede Ware erhoben werden, die Gegenstand eines Dumpings ist und deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursacht. (2)      Eine Ware gilt als gedumpt, wenn ihr Preis bei der Ausfuhr in die Gemeinschaft niedriger ist als der vergleichbare Preis der zum Verbrauch im Ausfuhrland bestimmten gleichartigen Ware im normalen Handelsverkehr. … (4)      Im Sinne dieser Verordnung gilt als ‚gleichartige Ware‘ eine Ware, die mit der betreffenden Ware identisch ist, d. h., ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder, wenn es eine solche Ware nicht gibt, eine andere Ware, die zwar der betreffenden Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der betreffenden Ware sehr ähnlich sind.“ 2        Art. 3 Abs. 1 und 2 der Grundverordnung (jetzt Art. 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1225/2009) lautet: „(1)      Sofern nichts anderes bestimmt ist, bedeutet der Begriff ‚Schädigung‘ im Sinne dieser Verordnung, dass ein Wirtschaftszweig der Gemeinschaft bedeutend geschädigt wird oder geschädigt zu werden droht oder dass die Errichtung eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft erheblich verzögert wird; der Begriff ‚Schädigung‘ ist gemäß diesem Artikel auszulegen. (2)      Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung a) des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt und b) der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft.“ 3        In Art. 5 Abs. 7 und 9 der Grundverordnung (jetzt Art. 5 Abs. 7 und 9 der Verordnung Nr. 1225/2009) heißt es: „(7)      Die Beweise sowohl für das Dumping als auch für die Schädigung werden bei dem Beschluss über die Einleitung einer Untersuchung gleichzeitig berücksichtigt. Ein Antrag wird zurückgewiesen, wenn entweder die Beweise für das Dumping oder für die Schädigung nicht ausreichen, um eine Untersuchung des Falls zu rechtfertigen. … … (9)      Stellt sich nach Konsultationen heraus, dass genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung eines Verfahrens zu rechtfertigen, so eröffnet die Kommission innerhalb von 45 Tagen nach der Antragstellung ein Verfahren und veröffentlicht eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Reichen die Beweise nicht aus, so wird der Antragsteller hiervon nach Konsultationen innerhalb von 45 Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag bei der Kommission gestellt worden ist, unterrichtet.“ 4        In Art. 11 Abs. 2, 3, 5 und 6 der Grundverordnung (jetzt Art. 11 Abs. 2, 3, 5 und 6 der Verordnung Nr. 1225/2009) heißt es: „(2)      Eine endgültige Antidumpingmaßnahme tritt fünf Jahre nach ihrer Einführung oder fünf Jahre nach dem Datum des Abschlusses der letzten Überprüfung außer Kraft, die sowohl das Dumping als auch die Schädigung betraf, außer wenn in einer Überprüfung festgestellt wird, dass das Dumping und die Schädigung bei einem Auslaufen der Maßnahme wahrscheinlich anhalten oder erneut auftreten würden. … (3)      Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Maßnahmen kann bei Bedarf ebenfalls …, sofern seit der Einführung der endgültigen Maßnahme eine angemessene Zeitspanne, mindestens aber ein Jahr vergangen ist, auf Antrag eines Ausführers oder Einführers oder der Gemeinschaftshersteller überprüft werden, wenn dieser Antrag ausreichende Beweise für die Notwendigkeit einer solchen Interimsüberprüfung enthält. Eine Interimsüberprüfung wird eingeleitet, wenn der Antrag ausreichende Beweise dafür enthält, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahme zum Ausgleich des Dumpings nicht mehr notwendig ist und/oder dass die Schädigung im Fall der Aufhebung oder Änderung der Maßnahme wahrscheinlich nicht anhalten oder erneut auftreten würde oder dass die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen. Bei Untersuchungen gemäß diesem Absatz kann die Kommission unter anderem prüfen, ob sich die Umstände hinsichtlich des Dumpings und der Schädigung wesentlich verändert haben oder ob die geltenden Maßnahmen zum angestrebten Ergebnis führen und die Beseitigung der gemäß Artikel 3 festgestellten Schädigung ermöglichen. Zu diesen Fragen werden alle einschlägigen und ordnungsgemäß belegten Beweise in der endgültigen Feststellung berücksichtigt. … (5)      Die einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung über die Verfahren und den Ablauf von Untersuchungen, abgesehen von den Bestimmungen über die Fristen, gelten für die Überprüfungen nach den Absätzen 2, 3 und 4. Diese Überprüfungen werden ohne Verzögerungen durchgeführt und normalerweise innerhalb von zwölf Monaten nach der Einleitung der Überprüfungen abgeschlossen. (6)      Überprüfungen nach Maßgabe dieses Artikels werden von der Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss eingeleitet. Sofern die Überprüfungen dies rechtfertigen, werden die Maßnahmen von dem für ihre Einführung zuständigen Gemeinschaftsorgan gemäß Absatz 2 aufgehoben oder aufrechterhalten oder gemäß den Absätzen 3 und 4 aufgehoben, aufrechterhalten oder geändert. …“ 5        Art. 21 Abs. 1 der Grundverordnung (jetzt Art. 21 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1225/2009) bestimmt: „Die Feststellung, ob das Gemeinschaftsinteresse ein Eingreifen erfordert, stützt sich auf eine Bewertung aller Interessen, einschließlich der Interessen des inländischen Wirtschaftszweigs, der Verwender und der Verbraucher; eine Feststellung gemäß diesem Artikel wird nur getroffen, wenn alle Parteien Gelegenheit erhielten, ihren Standpunkt gemäß Absatz 2 darzulegen. Bei dieser Prüfung wird der Notwendigkeit, die handelsverzerrenden Auswirkungen des die Schädigung verursachenden Dumpings zu beseitigen und einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen, besonders Rechnung getragen. Maßnahmen, die sich aus der Feststellung des Dumpings und der Schädigung ergeben, können nicht angewendet werden, wenn die Behörden auf der Grundlage aller vorgelegten Informationen eindeutig zu dem Ergebnis kommen können, dass die Anwendung dieser Maßnahmen nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt.“ B –  Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl geltenden Antidumpingmaßnahmen 1.     Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika und der Ukraine geltenden Antidumpingmaßnahmen 6        Aufgrund von zwei Beschwerden, die das Liaison Committee of European Union Wire Rope Industries (im Folgenden: EWRIS) im April und im Juni 1998 eingereicht hatte, und nach der Einleitung von Antidumpingverfahren am 20. Mai 1998 betreffend Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl in die Gemeinschaft erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Verordnung (EG) Nr. 362/1999 vom 18. Februar 1999 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, Mexiko, Südafrika und der Ukraine und zur Annahme von Verpflichtungsangeboten bestimmter Ausführer in Ungarn und Polen (ABl. L 45, S. 8). Im siebten Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die „betroffene Ware“ folgendermaßen definiert: „Kabel und Seile aus Stahl, einschließlich verschlossene Seile, ausgenommen Kabel und Seile aus rostfreiem Stahl, mit einer größten Querschnittsabmessung von mehr als 3 mm“. 7        Am 12. August 1999 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1796/1999 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Ungarn, Indien, Mexiko, Polen, Südafrika und der Ukraine, zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf diese Einfuhren und zur Einstellung des Antidumpingverfahrens gegenüber den Einfuhren mit Ursprung in der Republik Korea (ABl. L 217, S. 1). Im vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die im siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 362/1999 enthaltene Definition der betroffenen Ware übernommen. 8        Nachdem die Kommission am 13. November 2003 eine Bekanntmachung über das bevorstehende Außerkrafttreten bestimmter Antidumpingmaßnahmen (ABl. C 272, S. 2), insbesondere derjenigen, die mit der Verordnung Nr. 1796/1999 eingeführt worden waren, veröffentlicht hatte, erhielt sie vom EWRIS am 17. Mai 2004 gemäß Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung einen Antrag auf Überprüfung. Am 17. August 2004 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung über die Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, Südafrika und der Ukraine (ABl. C 207, S. 2) und leitete eine Überprüfung ein. 9        Am 8. November 2005 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1858/2005 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in der Volksrepublik China, Indien, Südafrika und der Ukraine nach einer Überprüfung gemäß Artikel 11 Absatz 2 der [Grundverordnung] (ABl. L 299, S. 1). Im 18. Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die im vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1796/1999 enthaltene Definition der betroffenen Ware übernommen. 2.     Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in Russland geltenden Antidumpingmaßnahmen 10      Aufgrund einer Beschwerde, die das EWRIS im März 2000 eingereicht hatte, und nach der Einleitung von Antidumpingverfahren am 5. Mai 2000 betreffend Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl in die Gemeinschaft erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 230/2001 vom 2. Februar 2001 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Tschechischen Republik, Russland, Thailand und der Türkei und zur Annahme von Verpflichtungsangeboten bestimmter Ausführer in der Tschechischen Republik und der Türkei (ABl. L 34, S. 4). Im neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die „betroffene Ware“ definiert als „Kabel und Seile, einschließlich verschlossener Seile, aus Eisen oder Stahl, ausgenommen nichtrostender Stahl, mit einer größten Querschnittsabmessung von mehr als 3 mm, auch ausgerüstet“. 11      Am 2. August 2001 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1601/2001 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Tschechischen Republik, Russland, Thailand und der Türkei (ABl. L 211, S. 1). Im achten Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die im neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 230/2001 enthaltene Definition der betroffenen Ware übernommen. 12      Nachdem die Kommission am 29. Oktober 2005 eine Bekanntmachung über das bevorstehende Außerkrafttreten bestimmter Antidumpingmaßnahmen (ABl. C 270, S. 38), insbesondere derjenigen, die mit der Verordnung Nr. 1601/2001 eingeführt worden waren, veröffentlicht hatte, erhielt sie vom EWRIS am 28. April 2006 gemäß Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung einen Antrag auf Überprüfung. Am 3. August 2006 veröffentlichte die Kommission die Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung wegen des bevorstehenden Außerkrafttretens der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in Russland, Thailand und der Türkei und einer teilweisen Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Türkei (ABl. C 181, S. 2) und leitete eine Überprüfung ein. 13      Am 30. Oktober 2007 erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 1279/2007 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf bestimmte Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Russischen Föderation und zur Aufhebung der Antidumpingmaßnahmen gegenüber den Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in Thailand und der Türkei (ABl. L 285, S. 1). Im 32. Erwägungsgrund dieser Verordnung wurde die „betroffene Ware“ unter Hinweis auf die im achten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1601/2001 enthaltene Definition der betroffenen Ware folgendermaßen definiert: „Kabel und Seile, einschließlich verschlossener Seile, aus Eisen oder Stahl, ausgenommen nicht rostender Stahl, mit einer größten Querschnittsabmessung von mehr als 3 mm, auch ausgerüstet“. Vorgeschichte des Rechtsstreits 14      Die European Wire Rope Importers Association (EWRIA), eine der Klägerinnen des vorliegenden Rechtsstreits, ist ein Verband zur Interessenvertretung der europäischen Unternehmen, die die Einfuhr und den Handel mit Kabeln und Seilen aus Stahl betreiben. Die übrigen Klägerinnen des vorliegenden Rechtsstreits sind Mitglieder der EWRIA und Gesellschaften belgischen Rechts (Câbleries namuroises SA), dänischen Rechts (Ropenhagen A/S), deutschen Rechts (ESH Eisen‑ und Stahlhandelsgesellschaft mbH, Heko Industrieerzeugnisse GmbH, Interkabel Internationale Seil‑ und Kabel-Handels GmbH), spanischen Rechts (Jose Casañ Colomar, SA) und des Rechts des Vereinigten Königreichs (Denwire Ltd). 15      Am 12. Juni 2007 beantragte die EWRIA im Namen der übrigen Klägerinnen und einiger weiterer Gesellschaften bei der Kommission gemäß Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung, eine teilweise Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen durchzuführen, die zum einen mit der Verordnung Nr. 1858/2005 für die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika und der Ukraine und zum anderen mit der Verordnung Nr. 1601/2001 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 564/2005 des Rates vom 8. April 2005 (ABl. L 97, S. 1) geänderten Fassung für die Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in der Tschechischen Republik, Russland, Thailand und der Türkei ergriffen worden waren (im Folgenden: Überprüfungsantrag). 16      Der Überprüfungsantrag war auf eine Neudefinition der von den fraglichen Antidumpingmaßnahmen erfassten Produkte gerichtet, d. h. der Kabel oder Seile aus Eisen oder Stahl (im Folgenden zusammenfassend: SWR). Nach Ansicht der EWRIA hat sich die Situation seit der ersten Einführung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen erheblich geändert. Deshalb sei eine Änderung der Definition der betroffenen Ware aus folgenden Gründen gerechtfertigt: –        Die Definition der betroffenen Ware in den fraglichen Antidumpingmaßnahmen verstoße gegen die für Stahldraht (EN 10264) sowie für Stahlkabel und ‑seile (EN 12385) geltenden Gemeinschaftsnormen, nach denen offiziell zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR unterschieden werde; –        die derzeitigen Marktteilnehmer sähen Standard-SWR und Spezial-SWR nicht mehr als ein einziges Produkt, sondern als verschiedene Produkte an; –        seit Einführung der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen spiele die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft eine untergeordnete Rolle, denn die gemeinschaftlichen SWR-Hersteller produzierten heutzutage ganz überwiegend Spezial-SWR; –        die Bedingungen auf dem Gemeinschaftsmarkt für SWR hätten sich geändert, denn zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR gebe es keinen spürbaren Wettbewerb mehr, und die gemeinschaftlichen SWR-Hersteller würden durch die Einfuhren von Standard-SWR nicht mehr beeinträchtigt. 17      Die EWRIA schlug in ihrem Überprüfungsantrag vor, die Definition der betroffenen Ware in zwei Gruppen aufzuteilen, und zwar in Standard-SWR auf der einen und Hochleistungs-SWR oder Spezial-SWR auf der anderen Seite. Spezial-SWR sollten weiterhin den Antidumpingmaßnahmen unterliegen, Standard-SWR jedoch vom Anwendungsbereich dieser Maßnahmen ausgeschlossen sein. 18      Nach einem Zusammentreffen mit der EWRIA teilte die Kommission dieser mit Schreiben vom 8. April 2008 Folgendes mit: „Bei unserem Zusammentreffen am 8. April 2008 haben wir zur Kenntnis genommen, dass Sie Ihre Stellungnahme vom 12. Juni 2007 durch Beweise für die Schädigung und/oder das Dumping ergänzen wollen. Bis zum Erhalt weiterer Informationen stehen wir Ihnen zur Beantwortung etwaiger weiterer Fragen zu diesem Thema gerne zur Verfügung.“ 19      Mit Schreiben vom 30. April 2008 antwortete die EWRIA der Kommission wie folgt: „Wir nehmen in der genannten Sache auf unser Gespräch vom 8. April 2008 und auf Ihr Schreiben vom selben Tag Bezug. Hinsichtlich unseres Antrags vom 12. Juni 2007 auf eine Interimsüberprüfung teilen wir Ihnen mit, dass wir nicht die Absicht haben, diese Ausführungen zu ergänzen. Der Antrag enthält unserer Ansicht nach genügend Beweise für ‚veränderte Umstände‘ bezüglich der Definition der betroffenen Waren, seitdem die erste Antidumpingverordnung für SWR im Jahr 1999 erlassen wurde. Außerdem ist der Antrag bereits eingehend mit Herrn [P.‑C.] und Frau [C.‑N.] erörtert worden, die uns mitgeteilt haben, dass ihrer Ansicht nach die Aussichten für eine Interimsüberprüfung der Definition von als SWR eingestuften Waren ‚günstig‘ seien. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zu entsprechen und umgehend eine Interimsüberprüfung der Definition von als SWR eingestuften Waren einzuleiten. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihre Entscheidung in dem Fall, dass unser Antrag zurückgewiesen werden sollte, vor Gericht angefochten werden könnte.“ 20      Mit Schreiben vom 4. Juli 2008 (im Folgenden: streitiges Schreiben) teilte die Kommission der EWRIA Folgendes mit: „Ich nehme Bezug auf den Schriftwechsel, den Sie mit meinen Mitarbeitern und mir zu der Frage geführt haben, ob es möglich sei, eine teilweise Überprüfung der vorstehend genannten Maßnahmen betreffend SWR einzuleiten, um Standard-SWR von der Definition der betroffenen Waren auszuschließen. Gemäß ihrem Schreiben vom 30. April haben Sie nicht mehr die Absicht, Ihren Antrag in Bezug auf die Definition der Waren über die von Ihnen bereits zuvor übermittelten Angaben und Beweise hinaus durch weitere Beweise zu untermauern. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen bislang vorgelegten Informationen nicht den Schluss zulassen, dass eine teilweise Interimsüberprüfung eingeleitet werden muss, um Standard-SWR von der Definition der betroffenen Waren auszuschließen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gibt, dass die von den Maßnahmen betroffenen Warenarten, Standard-SWR und Spezial-SWR, nicht dieselben materiellen, technischen und chemischen Grundeigenschaften aufweisen. Ihre Ausführungen stützen sich auf eine Reihe von Gesichtspunkten – Schmiermittel, Kunststoffeinlagen, Rotationsgrad und bestimmte Eigenschaften der Drähte –, die zur Unterscheidung vieler Arten von SWR dienen. Dies reicht jedoch nicht aus, da alle SWR-Typen dieselben grundlegenden materiellen, technischen und chemischen Eigenschaften aufweisen. SWR bestehen aus drei Hauptbestandteilen: den Stahldrähten, die zu einer Litze verseilt sind; den Litzen, die um eine Einlage verseilt sind, und der Einlage selbst. Die Ausführung dieser Komponenten unterscheidet sich je nach den materiellen Erfordernissen der beabsichtigten Verwendung der SWR. Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass zwar eine Vielzahl materiell und technisch bis zu einem gewissen Grad unterschiedlicher SWR-Typen hergestellt werden, alle SWR-Typen aber über dieselben grundlegenden materiellen Eigenschaften (d. h., sie bestehen aus den Stahldrähten, die zu einer Litze verseilt sind, den Litzen, die um eine Einlage verseilt sind, und der Einlage selbst) und dieselben grundlegenden technischen Eigenschaften (alle weisen eine bestimmte Anzahl von Drähten in einer Litze, eine bestimmte Anzahl von Litzen in einem Seil, einen bestimmten Durchmesser und eine bestimmte Konstruktion auf) verfügen. Die Standardprodukte und die Spitzenprodukte sind untereinander nicht austauschbar, die Produkte benachbarter Gruppen aber sehr wohl. Daher wurde der Schluss gezogen, dass zwischen den verschiedenen SWR-Gruppen ein bestimmter Grad an Überschneidung und Wettbewerb besteht. Zudem weisen die Waren derselben Gruppen unter Umständen verschiedene Anwendungen auf. Ferner gibt es benachbarte Gruppen, in denen Standard-SWR mit Spezial-SWR konkurrieren, da sie zu denselben Zwecken verwendet werden können und daher austauschbar sind. Sollten Sie neue Informationen haben, die uns Ihrer Ansicht nach zu einer Änderung unserer Auffassung führen sollten, steht es Ihnen natürlich frei, uns diese zu übermitteln. Für die Beantwortung weiterer Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.“ Verfahren und Anträge der Parteien 21      Mit Klageschrift, die am 4. September 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben. 22      Die Klägerinnen beantragen, –        die Klage für zulässig zu erklären; –        die Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2008, mit der diese ihren Antrag, eine teilweise Interimsüberprüfung der für SWR geltenden Antidumpingmaßnahmen einzuleiten, um den Anwendungsbereich der Maßnahmen anzupassen und Standard-SWR von der Definition der betroffenen Ware auszuschließen, abgelehnt hat, für nichtig zu erklären; –        der Kommission aufzugeben, eine teilweise Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen für die Einfuhren von SWR einzuleiten, um den Anwendungsbereich der Maßnahmen anzupassen und Standard-SWR von der Definition der betroffenen Ware auszuschließen; –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 23      Die Kommission beantragt, –        die Klage als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen; –        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen. 24      Die Parteien haben in der Sitzung vom 18. März 2010 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Rechtliche Würdigung A –  Zur Zulässigkeit 1.     Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2008, keine teilweise Interimsüberprüfung der für SWR geltenden Antidumpingmaßnahmen einzuleiten a)     Vorbringen der Parteien 25      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Antrag unzulässig. Das streitige Schreiben sei keine Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG, da es für die Klägerinnen keine endgültigen Rechtswirkungen entfalte. Im Gegensatz zu dem Schreiben, das in der Rechtssache, in der das Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission (C‑521/06 P, Slg. 2008, I‑5829), ergangen sei, als Entscheidung eingestuft worden sei, sei das streitige Schreiben nicht darauf gerichtet, die Rechtsstellung der Klägerinnen in qualifizierter Weise zu ändern. 26      Erstens sei in Bezug auf den Wortlaut des streitigen Schreibens zu bemerken, dass es keine „endgültige und unwiderrufliche Weigerung“ enthalte, eine Interimsüberprüfung durchzuführen. Das streitige Schreiben stelle die Auffassung dar, zu der ihre Dienststellen „anhand der bisher vorgelegten Informationen“ gelangt seien. Der Referatsleiter und seine Mitarbeiter seien vorläufig der Ansicht, dass die Klägerinnen noch keine hinreichenden Beweise vorgelegt hätten, die die Einleitung einer Interimsüberprüfung rechtfertigen würden, jedoch schlössen sie die Einleitung einer Überprüfung nicht völlig aus. In dem streitigen Schreiben werde der EWRIA ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, neue Informationen zu liefern, die die Kommission davon überzeugen könnten, dass eine Interimsüberprüfung durchgeführt werden müsse. In diesem Zusammenhang sei hervorzuheben, dass die Kommission das vorliegende Verfahren nicht abgeschlossen habe. Aus diesen Gründen sei das streitige Schreiben mit dem, das im Urteil Athinaïki Techniki/Kommission (oben in Randnr. 25 angeführt) als Entscheidung eingestuft worden sei, nicht zu vergleichen. Es ähnele eher dem Schreiben, das vor jenem Schreiben übermittelt und in dem festgestellt worden sei, dass Athinaïki Techniki weitere Informationen beibringen könne. Hätten die Klägerinnen des vorliegenden Rechtsstreits ein weiteres Schreiben übermittelt oder die Gründe für ihren Überprüfungsantrag und für ihre Ansicht, dass die Kommission ihren Standpunkt ändern sollte, näher erläutert, so hätte die Kommission dies getan, ohne dass sie einen erneuten Antrag hätten stellen müssen. 27      Was zweitens den Urheber des streitigen Schreibens angehe, handele es sich um ein einfaches Schreiben ihrer Dienststellen und nicht von ihr selbst im Sinne des Beschlusses des Gerichts vom 14. Mai 2009, US Steel Košice/Kommission (T‑22/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 42). Der Referatsleiter, der das Schreiben unterzeichnet habe, habe auf verschiedene Schreiben Bezug genommen, die die Klägerinnen „mit [s]einen Mitarbeitern und [ihm selbst]“ gewechselt hätten, während im restlichen Text das Pronomen „wir“ als Bezeichnung des fraglichen Referatsleiters und seiner Mitarbeiter verwendet worden sei. Insofern sei das streitige Schreiben keine Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG. 28      Anders als in dem Fall, der dem Beschluss des Gerichts vom 4. Mai 1998, BEUC/Kommission (T‑84/97, Slg. 1998, II‑795, Randnr. 48), zugrunde gelegen habe, sei das streitige Schreiben eine „klare und endgültige Beurteilung“ des Überprüfungsantrags. 29      Nach Ansicht der Klägerinnen ist das streitige Schreiben gemäß den im Urteil AthinaïkiTechniki/Kommission (oben in Randnr. 25 angeführt) aufgestellten Kriterien eine Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG. b)     Würdigung durch das Gericht 30      Zunächst ist festzustellen, dass die Klage gemäß der Klageschrift gerichtet ist auf die Nichtigerklärung der „Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2008, mit der diese den Antrag der Klägerinnen abgelehnt hat, eine teilweise Überprüfung der Antidumpingmaßnahmen auf Stahldrahtseile vorzunehmen, um den Anwendungsbereich der Maßnahmen anzupassen und Standard-SWR von der für die Maßnahme geltenden Warendefinition auszuschließen“ (im Folgenden: angefochtene Handlung). 31      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 230 EG gegen alle Handlungen der Organe gegeben, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur oder Form – dazu bestimmt sind, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung berühren (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, vom 6. April 2000, Spanien/Kommission, C‑443/97, Slg. 2000, I‑2415, Randnr. 27, vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, Slg. 2006, I‑7795, Randnr. 54, und Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 29). 32      Außerdem ist nach einer ständigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Nichtigkeitsklagen für die Qualifizierung angefochtener Handlungen auf deren Wesen sowie auf die Absicht der Handelnden abzustellen. Anfechtbare Handlungen sind insoweit grundsätzlich Maßnahmen, die den Standpunkt der Kommission beim Abschluss eines Verwaltungsverfahrens endgültig festlegen und verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, die die Interessen des Klägers berühren, was Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen und keine solche Wirkung haben, ausschließt (Urteile des Gerichtshofs IBM/Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnrn. 9 und 10, vom 16. Juni 1994, SFEI u. a./Kommission, C‑39/93 P, Slg. 1994, I‑2681, Randnrn. 27 bis 33, vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, Slg. 2000, I‑4723, Randnrn. 26 und 27, Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 42, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 52). 33      Dagegen ist die Form, in der eine Handlung oder eine Entscheidung ergeht, für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage grundsätzlich ohne Bedeutung (Urteile des Gerichtshofs, IBM/Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 9, und vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, Slg. 2005, I‑6051, Randnr. 46, sowie Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 43). Wäre es anders, könnte die Kommission sich der Kontrolle durch den Unionsrichter durch die bloße Missachtung von Formerfordernissen entziehen. Aus der Rechtsprechung geht jedoch hervor, dass die Verfahrensmodalitäten für die beim Unionsrichter anhängigen Klagen – da die Europäische Union eine Rechtsgemeinschaft ist, in der die Handlungen ihrer Organe auf ihre Vereinbarkeit mit dem Vertrag hin überprüft werden – so weit wie möglich dahin auszulegen sind, dass sie zur Erreichung des Ziels beitragen, einen effektiven gerichtlichen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten (Urteil Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnrn. 44 und 45, vgl. ebenso in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. Juli 2002, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, C‑50/00 P, Slg. 2002, I‑6677, Randnrn. 38 und 39, und vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, Slg. 2007, I‑439, Randnr. 109). 34      Um festzustellen, ob es sich bei der angefochtenen Handlung um eine Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG handelt, ist demnach zu prüfen, ob die Kommission – wenn man das Wesen der Handlung und die Absicht dieses Organs sowie den Kontext betrachtet, in dem die Handlung ergangen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Internationaler Hilfsfonds/Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 58) – mit dieser Handlung ihren Standpunkt zum Überprüfungsantrag endgültig festgelegt hat. 35      Zunächst ist festzustellen, dass das streitige Schreiben auf das Schreiben der EWRIA vom 30. April 2008 hin ergangen ist, mit dem diese der Kommission mitgeteilt hat, sie beabsichtige, den Überprüfungsantrag nicht zu ergänzen, weil er genügend Beweise enthalte, und, falls ihr Antrag zurückgewiesen werden sollte, vor den Unionsgerichten Klage zu erheben. Die Formulierung in dem streitigen Schreiben „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass die von Ihnen bislang vorgelegten Informationen nicht den Schluss zulassen, dass eine teilweise Interimsüberprüfung eingeleitet werden muss, ...“ bringt zum Ausdruck, dass die Kommission entschieden hatte, dem Überprüfungsantrag nicht stattzugeben. Die Kommission nannte in diesem Zusammenhang den Klägerinnen die Gründe, weshalb sie entschieden habe, keine Überprüfung einzuleiten, und zwar mit den Worten: „Dies liegt hauptsächlich daran, dass es keine hinreichenden Beweise dafür gibt, dass die von den Maßnahmen betroffenen Warenarten, Standard-SWR und Spezial-SWR, nicht dieselben materiellen, technischen und chemischen Grundeigenschaften aufweisen.“ Am Ende des streitigen Schreibens wies die Kommission zwar darauf hin, dass die Klägerinnen jederzeit neue Informationen vorlegen könnten, die sie „zu einer Änderung [ihrer] Auffassung“ führen könnten, aber ihr war eindeutig mitgeteilt worden, dass der Überprüfungsantrag endgültig sei und durch keine weiteren Beweise ergänzt werden würde. 36      Angesichts des Vorstehenden ist offensichtlich, dass über diesen Antrag eine Entscheidung getroffen worden war und dass in dem Fall, dass neue Informationen übermittelt werden sollten, eine neue Entscheidung unter Berücksichtigung der genannten Informationen ergehen könnte. 37      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 der Grundverordnung (jetzt Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1225/2009) eine Interimsüberprüfung eingeleitet wird, wenn der Antrag ausreichende Beweise dafür enthält, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahme zum Ausgleich des Dumpings nicht mehr notwendig ist und/oder dass die Schädigung im Fall der Aufhebung oder Änderung der Maßnahme wahrscheinlich nicht anhalten oder erneut auftreten würde oder dass die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen. Im Gegensatz zu der Situation, in der die Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuss gemäß Art. 11 Abs. 6 der Grundverordnung entscheidet, eine Interimsüberprüfung durchzuführen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 14. März 1996, Dysan Magnetics und Review Magnetics/Kommission, T‑134/95, Slg. 1996, II‑181, Randnr. 23, und vom 25. Mai 1998, Broome & Wellington/Kommission, T‑267/97, Slg. 1998, II‑2191, Randnr. 29), handelt es sich bei der Weigerung, eine derartige Überprüfung ohne ausreichende Beweise durchzuführen, nicht um eine einleitende oder vorbereitende Maßnahme, da ihr keine weitere Handlung folgt, die im Wege einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteile SFEI u. a./Kommission, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 28, und Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 54). 38      Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob die Klägerinnen der Kommission noch weitere Informationen liefern könnten, die diese zu einem Überdenken ihres Standpunkts veranlassen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 55). 39      Zwar ist auf den Überprüfungsantrag hin, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, keine förmliche Entscheidung ergangen. Da jedoch Art. 5 Abs. 7 der Grundverordnung, der gemäß ihrem Art. 11 Abs. 5 auch für Interimsüberprüfungen gilt, bestimmt, dass ein Antrag auf Einleitung einer Untersuchung zurückgewiesen wird, wenn entweder die Beweise für das Dumping oder für die Schädigung nicht ausreichen, um eine Untersuchung des Falls zu rechtfertigen, und Art. 5 Abs. 9 der Grundverordnung vorsieht, dass, falls „die Beweise nicht ausreichen, der Antragsteller hiervon nach Konsultationen … unterrichtet [wird]“, ist festzustellen, dass die Kommission den Klägerinnen mit dem streitigen Schreiben ihre Entscheidung mitgeteilt hat, den Überprüfungsantrag zurückzuweisen. 40      Angesichts der Ausführungen in der vorstehenden Randnr. 35 und der Tatsache, dass die Kommission entschieden hat, dem Überprüfungsantrag nicht stattzugeben, ist festzustellen, dass sie, falls die Klägerinnen später weitere Informationen übermittelt hätten, gegebenenfalls veranlasst gewesen wäre, unter Berücksichtigung dieser neuen Informationen eine neue Entscheidung zu der Frage zu erlassen, ob in Anbetracht der ihr vorliegenden Beweise eine Interimsüberprüfung durchgeführt werden sollte. Die Übermittlung der neuen Informationen lässt jedoch die Tatsache, dass der erste Überprüfungsantrag bereits zurückgewiesen wurde, unberührt (vgl. in diesem Sinne Urteil Athinaïki Techniki/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 57). 41      Demzufolge stellt die angefochtene Handlung sowohl in Anbetracht ihres Gehalts als auch ihres Kontextes und der Absicht der Kommission eine endgültige Weigerung der Kommission dar, eine teilweise Interimsüberprüfung durchzuführen. Die angefochtene Handlung ist daher als Entscheidung im Sinne von Art. 230 EG anzusehen. 42      Der bloße Umstand, dass diese Beurteilung nur von den Dienststellen der Kommission und nicht von der Kommission selbst ausgegangen sein soll, stellt das Wesen dieser Entscheidung nicht in Frage (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 18. Mai 1994, BEUC und NCC/Kommission, T‑37/92, Slg. 1994, II‑285, Randnr. 38, und BEUC/Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 48). 43      Da mit dieser Entscheidung der Antrag zurückgewiesen wurde, im Rahmen eines Interimsüberprüfungsverfahrens nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung eine Untersuchung einzuleiten, um festzustellen, ob es aufgrund von angeblich veränderten Umständen notwendig ist, die fraglichen Antidumpingmaßnahmen aufrechtzuerhalten, erzeugt diese Entscheidung verbindliche Rechtswirkungen, die geeignet sind, die Interessen der Klägerinnen zu beeinträchtigen, und stellt gemäß Art. 230 EG eine anfechtbare Handlung dar. 2.     Zur Zulässigkeit des Antrags, der Kommission aufzugeben, eine teilweise Interimsüberprüfung durchzuführen a)     Vorbringen der Parteien 44      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Antrag unzulässig. Sie meint, dass es gemäß Art. 233 EG und der Rechtsprechung nicht Sache des Gerichts sei, ihr aufzugeben, wie sie einem Nichtigkeitsurteil nachzukommen habe. b)     Würdigung durch das Gericht 45      Der Unionsrichter ist im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Art. 230 EG lediglich befugt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Gericht bei der Wahrnehmung seiner Befugnisse den Unionsorganen keine Anordnungen erteilen oder sich an deren Stelle setzen (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Juli 1995, Parlament/Rat, C‑21/94, Slg. 1995, I‑1827, Randnr. 33, und vom 8. Juli 1999, DSM/Kommission, C‑5/93 P, Slg. 1999, I‑4695, Randnr. 36, Urteil des Gerichts vom 24. Februar 2000, ADT Projekt/Kommission, T‑145/98, Slg. 2000, II‑387, Randnr. 83). Wird die angefochtene Handlung für nichtig erklärt, ist es Sache des betreffenden Organs, gemäß Art. 233 EG die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen (Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, Slg. 1986, 1965, Randnr. 23, und Urteil ADT Projekt/Kommission, Randnr. 84). 46      Demzufolge ist der Antrag der Klägerinnen, die Kommission zu verurteilen, eine teilweise Interimsüberprüfung durchzuführen, als unzulässig zurückzuweisen. 3.     Zur Zulässigkeit der von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegründe a)     Vorbringen der Parteien 47      Zum ersten Klagegrund macht die Kommission geltend, dass die Klägerinnen, anstatt in der Klageschrift ihre Argumente vorzutragen, im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Überprüfungsantrag Bezug genommen hätten. Der erste Klagegrund und die übrigen von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe, die dieselben Unregelmäßigkeiten aufwiesen, seien daher unzulässig, da sie nicht in der Klageschrift selbst vorgebracht worden seien. b)     Würdigung durch das Gericht 48      Jede Klage muss gemäß Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen die Klage beruht, zumindest in gedrängter Form, jedenfalls aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst hervorgehen müssen (vgl. Urteil des Gerichts vom 3. Februar 2005, Chiquita Brands u. a./Kommission, T‑19/01, Slg. 2005, II‑315, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 49      Insoweit kann zwar der Text der Klageschrift zu bestimmten Punkten durch Bezugnahmen auf als Anlagen beigefügte Aktenauszüge untermauert und ergänzt werden, jedoch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, selbst wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der rechtlichen Ausführungen in der Klageschrift ausgleichen (Urteile des Gerichts vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, Slg. 2005, II‑5527, Randnr. 57, und vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 94). Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile des Gerichts vom 7. November 1997, Cipeke/Kommission, T‑84/96, Slg. 1997, II‑2081, Randnr. 34, vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T‑231/99, Slg. 2002, II‑2085, Randnr. 154, und Honeywell/Kommission, Randnr. 57). In der Klageschrift ist deshalb darzulegen, worin der Klagegrund besteht, auf den die Klage gestützt wird, so dass seine bloß abstrakte Nennung den Erfordernissen der Verfahrensordnung nicht entspricht (Urteile des Gerichts vom 12. Januar 1995, Viho/Kommission, T‑102/92, Slg. 1995, II‑17, Randnr. 68, und vom 22. November 2006, Italien/Kommission, T‑282/04, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 60). 50      Es ist festzustellen, dass die von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründe die vorstehend genannten Anforderungen erfüllen. 51      Erstens ergibt sich aus der Klageschrift ohne Zweifel ausdrücklich, dass mit der vorliegenden Klage die Feststellung begehrt wird, dass die Kommission dadurch gegen die Art. 1 Abs. 4, Art. 11 Abs. 3 und Art. 21 der Grundverordnung verstoßen hat, dass sie es abgelehnt hat, eine Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen durchzuführen. Außerdem ist die Klage auf die Feststellung gerichtet, dass die Kommission gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen hat. 52      Zweitens berufen sich die Klägerinnen zwar im Rahmen jedes Klagegrundes weitgehend auf den ihrer Klageschrift beigefügten Überprüfungsantrag, jedoch haben sie in ihrer Klageschrift auch die wichtigsten Argumente dargelegt, auf die sie ihre Klage stützen. Was den ersten Klagegrund angeht, wonach sich die Umstände in Bezug auf die Definition der betroffenen Waren, die Gemeinschaftsproduktion und die Schädigung verändert hätten, machen die Klägerinnen zunächst in den Nrn. 28 bis 35 der Klageschrift geltend, dass die ursprüngliche Definition der Ware aufgrund neuer Umstände im Zusammenhang mit bestimmten technischen und technologischen Entwicklungen hinfällig geworden sei. Sodann weisen sie in den Nrn. 36 bis 41 der Klageschrift darauf hin, dass die Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR nahezu ausgelaufen sei oder bereits nicht mehr existiere. In den Nrn. 42 bis 45 der Klageschrift tragen sie schließlich vor, es sei unwahrscheinlich, dass die Schädigung anhielte oder sich erneut einstellen würde, wenn die Einfuhren einer bestimmten Unterkategorie von Standard-SWR vom Anwendungsbereich der Maßnahmen ausgeschlossen wären. Zum zweiten Klagegrund, mit dem die Klägerinnen eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, nennen sie in den Nrn. 12 bis 15 und 46 bis 50 der Klageschrift die Gesichtspunkte, die bei ihnen ein berechtigtes Vertrauen im Hinblick darauf geweckt hätten, dass eine Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen eingeleitet werden würde. Zum dritten Klagegrund tragen die Klägerinnen in den Nrn. 51 bis 55 der Klageschrift vor, inwiefern die Kommission ihrer Ansicht nach dadurch gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung verstoßen habe, dass sie sich auf eine zu weite Definition der betroffenen Ware gestützt habe. 53      Das Vorbringen der Klägerinnen in ihrer Klageschrift ermöglicht also der Kommission, sich zu verteidigen und dem Gericht, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. Nach alledem ist die von der Kommission erhobene Rüge, dass das Vorbringen der Klägerinnen unzulässig sei, zurückzuweisen. B –  Zur Begründetheit 54      Die Klägerinnen machen drei Klagegründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß gegen die Art. 11 Abs. 3 und 21 der Grundverordnung, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und drittens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung. 1.     Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 11 Abs. 3 und 21 der Grundverordnung 55      Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission gegen die Art. 11 Abs. 3 und 21 der Grundverordnung verstoßen habe, indem sie es abgelehnt habe, eine teilweise Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen einzuleiten, obwohl sie dazu in Anbetracht der ausreichenden im Überprüfungsantrag aufgeführten Beweise zu den veränderten Umständen in Bezug auf die Definition der Waren, der Gemeinschaftsproduktion und der Schädigung verpflichtet gewesen sei. 56      Dieser Klagegrund besteht somit aus drei Teilen. Im Rahmen des ersten Teils machen die Klägerinnen geltend, dass die ursprüngliche Definition der Ware aufgrund neuer Umstände im Zusammenhang mit bestimmten technischen und technologischen Entwicklungen hinfällig geworden sei. Im Rahmen des zweiten Teils tragen sie vor, dass die Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR nahezu ausgelaufen sei oder bereits nicht mehr existiere. Im Rahmen des dritten Teils machen sie schließlich geltend, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Schädigung anhielte oder sich erneut einstellen würde, wenn die Einfuhren einer bestimmten Unterkategorie der betroffenen Ware vom Anwendungsbereich der Maßnahmen ausgeschlossen wären. a)     Zum ersten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf die Definition der betroffenen Ware verändert haben sollen Vorbringen der Parteien 57      Die Klägerinnen tragen unter Hinweis auf die Entscheidungspraxis der Kommission vor, dass die veränderten Umstände, die eine Interimsüberprüfung rechtfertigten, nicht nur das Dumping und/oder die Schädigung beträfen, sondern auch die Definition der betroffenen Ware. Die Umstände hätten sich in Bezug auf SWR verändert, so dass eine Anpassung der in den fraglichen Antidumpingmaßnahmen enthaltenen Definition der betroffenen Ware gerechtfertigt sei. 58      Die Kommission habe zwar im Rahmen der handelspolitischen Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Definition der betroffenen Waren ein weites Ermessen. Trotzdem hätte sie gemäß Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung eine Interimsüberprüfung einleiten müssen, da der Antrag der Klägerinnen ausreichende Beweise dafür enthalten habe, dass sich die technischen und wirtschaftlichen Umstände im Zusammenhang mit der Definition der betroffenen Ware geändert hätten. Die von der Kommission angeführten Urteile, denen zufolge sie bei handelspolitischen Schutzmaßnahmen ein weites Ermessen habe (Urteile des Gerichts vom 25. September 1997, Shanghai Bicycle/Rat, T‑170/94, Slg. 1997, II‑1383, Randnrn. 61 bis 71, und vom 17. Dezember 2008, HEG und Graphite India/Rat, T‑462/04, Slg. 2008, II‑3685, Randnr. 68), seien für den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht einschlägig, weil sie sich auf die Nichtigerklärung einer Antidumpingmaßnahme selbst und nicht auf die Entscheidung bezögen, keine Interimsüberprüfung einzuleiten. 59      Nach Ansicht der Klägerinnen ist die Einleitung einer Interimsüberprüfung nicht nur in den Fällen erforderlich, in denen eine Anpassung der bestehenden Maßnahmen unvermeidlich erscheine, sondern auch in den Fällen, in denen genügend Beweise dafür vorgelegt würden, dass sich bestimmte technische und wirtschaftliche Umstände geändert hätten, und in denen aufgrund dieser Änderungen eine Anpassung der bestehenden Maßnahmen erforderlich sein könne. 60      Die Kommission hätte in Anbetracht der von ihnen zur Stützung ihres Antrags vorgelegten Beweise zumindest eine Interimsüberprüfung einleiten müssen, um über eine etwaige Anpassung der Definition der betroffenen Ware entscheiden zu können. Trotzdem habe die Kommission, ohne eine Interimsüberprüfung einzuleiten, unter Verstoß gegen Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung entschieden, dass eine Anpassung der genannten Definition nicht erforderlich sei. 61      Die Klägerinnen hätten im Überprüfungsantrag dargetan, dass sich die Definition der betroffenen Ware in Bezug auf SWR, seitdem für SWR Antidumpingmaßnahmen eingeführt worden seien, verändert habe. 62      Als Erstes sei die Unterscheidung zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR am 12. November 2001 in der Norm EN 12385 des Europäischen Komitees für Normung (CEN) definiert worden. Standard-SWR, die „für allgemeine Hebezwecke“ bestimmt seien, seien in Teil 4 dieser Norm zusammengefasst worden, Spezial-SWR hingegen in den Teilen 5 bis 10 dieser Norm. Das CEN habe diese Unterscheidung im Jahr 2002 in der Norm EN 10264 in Bezug auf die Anforderungen für Stahldraht für Seile bestätigt und unterschieden zwischen „Seilen für allgemeine Verwendungszwecke“ in Teil 2 dieser Norm und „Draht … für hohe Beanspruchungen“ in deren Teil 3. 63      Die Kommission habe in diesem Zusammenhang in der Verordnung (EG) Nr. 1742/2000 vom 4. August 2000 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von bestimmtem Polyethylenteraphthalat (PET) mit Ursprung in Indien, Indonesien, Malaysia, der Republik Korea, Taiwan und Thailand (ABl. L 199, S. 48) bestätigt, dass die Normung für die Definition der betroffenen Waren höchst zweckdienlich sei. 64      Aufgrund der bei der Normung eingetretenen Veränderung halten die Klägerinnen es für erforderlich, den Anwendungsbereich der fraglichen Antidumpingmaßnahmen anzupassen und zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR zu unterscheiden. Die Kommission hätte dieses Thema im Rahmen einer Interimsüberprüfung eingehender untersuchen müssen, insbesondere in Bezug auf die spezifischen und abschließenden Beispiele, die sie in ihrem Antrag gegeben hätten. Die Kommission habe jedoch diese Beispiele nicht berücksichtigt, sondern sich lediglich auf ihr übliches Argument gestützt, wonach alle SWR dieselben grundlegenden materiellen, technischen und chemischen Eigenschaften aufwiesen und aus drei Hauptbestandteilen bestünden: den Stahldrähten, die zu einer Litze verseilt seien, den Litzen, die um eine Einlage verseilt seien, und der Einlage selbst. Dieses stark vereinfachende Argument ignoriere die heutige technische Wirklichkeit, die in den komplexen und umfangreicheren Erläuterungen zum Ausdruck komme, die in den Normen EN 12385 und EN 10264 aufgeführt seien. Außerdem könne die Definition der betroffenen Ware nicht verfeinert werden, da alle SWR aufgrund technischer Zwänge aus den drei genannten Hauptbestandteilen bestünden. Die Kommission habe daher einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung verstoßen, indem sie die durch die vorgenannten Normen eingeführten Änderungen unberücksichtigt gelassen und es abgelehnt habe, eine Interimsüberprüfung durchzuführen. 65      Als Zweites tragen die Klägerinnen vor, sie hätten mit dem Überprüfungsantrag Beweise dafür vorgelegt, dass sich die Wahrnehmung des Marktes geändert habe. Die auf dem Markt für SWR tätigen Wirtschaftsteilnehmer unterschieden nunmehr entgegen der früheren Praxis zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR. 66      Erstens hätten sie nachgewiesen, dass die Gemeinschaftshersteller zwischen diesen Typen von SWR auf ihren Internetseiten, in ihrer Werbung und in ihren Katalogen unterschieden. Sie betonten dort, dass sie in der Lage seien, Spezial-SWR nach Maß zu produzieren. 67      Zweitens hätten sie in dem Überprüfungsantrag nachgewiesen, dass sich Spezial-SWR von Standard-SWR anhand ihrer materiellen und technischen Merkmale unterschieden. Der Hinweis der Kommission auf die grundlegenden Eigenschaften der SWR könne daher ihr Argument, wonach Standard-SWR und Spezial-SWR aus der Sicht des Marktes unterschiedliche Produkte seien, nicht widerlegen. 68      Zunächst besäßen Spezial-SWR nicht nur die drei grundlegenden Eigenschaften von Standard-SWR, sondern darüber hinaus weitere Bestandteile (z. B. „Einlagen“ aus Kunststoff und/oder Kunststoffschichten, zusätzliche Füllstränge, Spezialschmierstoffe und verdichtete Litzen), die ihren Einsatz für hohe Beanspruchungen und unter hohen Sicherheitsanforderungen möglich machten. 69      Zudem würden die Litzen für Spezial-SWR einer Spezialbehandlung unterzogen, die ihnen außer einer größeren Flexibilität u. a. eine gegenüber Standard-SWR wesentlich höhere Bruch‑ und Abriebfestigkeit sowie einen viel besseren Korrosionsschutz verleihe. 70      Spezial-SWR hätten außerdem einen außergewöhnlichen Drallwiderstand, der weit über dem von Standard-SWR liege, so dass sie für besondere Einsatzzwecke verwendet werden könnten. 71      Spezial-SWR würden schließlich zu deutlich höheren Preisen als gleichartige Standard-SWR verkauft. 72      Im Überprüfungsantrag hätten sie den Beweis erbracht, dass sich Standard-SWR von Spezial-SWR klar abgrenzen ließen, und zwar anhand einer Tabelle, die die Unterschiede zwischen diesen SWR in Bezug auf ihre materiellen und technischen Eigenschaften und ihre Endverwendungen veranschauliche und als Richtschnur für die Neudefinition des Anwendungsbereichs der in Rede stehenden Maßnahmen dienen könne. 73      Angesichts dieser Tabelle sei es unverständlich, dass sich die Kommission weigere, zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR zu unterscheiden. Man könne sich dies nur mit der Sorge vor den „unabsehbaren Folgen“ erklären, von denen die Bediensteten der Kommission bei dem Zusammentreffen am 8. April 2008 im Hinblick auf den Ausschluss von Standard-SWR vom Anwendungsbereich der Antidumpingmaßnahmen gesprochen hätten, was die Einleitung einer neuen Untersuchung für sämtliche laufenden Antidumpingmaßnahmen für SWR bedeuten würde. Diese Sorge könne jedoch nicht die Aufrechterhaltung einer hinfällig gewordenen, mit den technischen und wirtschaftlichen Bedingungen des Marktes nicht mehr zu vereinbarenden Definition der betroffenen Ware rechtfertigen. 74      In der Verordnung (EG) Nr. 2537/1999 des Rates vom 29. November 1999 zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2861/93, (EG) Nr. 2199/94, (EG) Nr. 663/96, (EG) Nr. 1821/98 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Magnetplatten (3,5"-Mikroplatten) mit Ursprung in Japan, Taiwan, der Volksrepublik China, Hongkong, der Republik Korea, Malaysia, Mexiko, den Vereinigten Staaten von Amerika und Indonesien sowie der Verordnung (EG) Nr. 1335/1999 zur Wiedereinführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter von PT Betadiskindo Binatama hergestellter und zur Ausfuhr in die Gemeinschaft verkaufter Magnetplatten (3,5"-Mikroplatten) mit Ursprung in Indonesien (ABl. L 307, S. 1) sei anerkannt worden, dass ein Überprüfungsantrag im Hinblick auf den Ausschluss einer Ware vom Anwendungsbereich der Antidumpingmaßnahmen gerechtfertigt sei, wenn sich die betreffende Ware von der entsprechenden Ware im Hinblick auf ihre materiellen und technischen Merkmale, ihre Endverwendungen und ihre Preise offensichtlich unterscheide. Die Klägerinnen hätten mit dem Überprüfungsantrag genügend Beweise dafür vorgelegt, dass die vorstehend genannten Kriterien erfüllt seien, so dass die Kommission verpflichtet sei, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, um den Anwendungsbereich der Antidumpingmaßnahmen für SWR zu ändern. Die Missachtung dieser Verpflichtung stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung dar. 75      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen. Würdigung durch das Gericht 76      Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung verstoßen zu haben, indem sie es abgelehnt habe, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, um die Definition der betroffenen Ware zu ändern. 77      Zunächst ist zu beachten, dass die Gemeinschaftsorgane im Bereich handelspolitischer Schutzmaßnahmen wegen der Komplexität der von ihnen zu prüfenden wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Situationen über ein weites Ermessen verfügen (Urteil des Gerichtshofs vom 27. September 2007, Ikea Wholesale, C‑351/04, Slg. 2007, I‑7723, Randnr. 40, und Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, Huvis/Rat, T‑221/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38). Das Gleiche gilt für umfangreiche technische Beurteilungen durch die Unionsorgane (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469, Randnr. 13, sowie ebenfalls in diesem Sinne Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnrn. 88 und 89). 78      Außerdem ist nach der Rechtsprechung in diesem Bereich die Kontrolle der durch die Organe vorgenommenen Bewertungen durch den Unionsrichter auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der beanstandeten Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (vgl. Urteile des Gerichts vom 28. Oktober 2004, Shanghai Teraoka Electronic/Rat, T‑35/01, Slg. 2004, II‑3663, Randnrn. 48 und 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 4. Oktober 2006, Moser Baer India/Rat, T‑300/03, Slg. 2006, II‑3911, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 79      Es ist festzustellen, dass die Kommission nach der vorstehend in Randnr. 77 genannten Rechtsprechung bei der Entscheidung im Rahmen von Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung über ein weites Ermessen im Hinblick darauf verfügt, ob die Aufrechterhaltung von Antidumpingmaßnahmen notwendig ist und ob ein Antrag auf eine Interimsüberprüfung genügend Beweise dafür enthält, dass eine derartige Überprüfung erforderlich ist. 80      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie es angesichts der in dem Überprüfungsantrag enthaltenen Beweise abgelehnt hat, eine teilweise Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen durchzuführen. 81      Zu dem Vorbringen, dass sich die Umstände in Bezug auf die Definition der betroffenen Ware geändert hätten, ist darauf hinzuweisen, dass die Grundverordnung weder festlegt, wie die Ware oder das Warensortiment, die Gegenstand einer Dumpinguntersuchung sein können, definiert werden soll, noch eine genaue Klassifizierung der Ware verlangt (vgl. in diesem Sinne Urteil Shanghai Bicycle/Rat, oben in Randnr. 58 angeführt, Randnr. 61). 82      Die Gemeinschaftsorgane können bei der Definition der betroffenen Ware mehrere Kriterien berücksichtigen, wie materielle, technische oder chemische Merkmale der Waren, ihre Verwendung, ihre Austauschbarkeit, die Vorstellung, die sie beim Verbraucher erwecken, Vertriebswege, Herstellungsprozess, Produktionskosten usw. (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 4. März 2010, Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat, T‑401/06, Slg. 2010, II‑0000, Randnr. 131). 83      Was somit die den Ausschluss einer bestimmten Ware von der Definition der betroffenen Ware rechtfertigende Änderung der Umstände angeht, muss das Vorbringen, die Kommission habe dadurch, dass sie es abgelehnt habe, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, auf Gründen beruhen, mit denen dargetan werden soll, dass die Kommission im Rahmen ihrer Beurteilung der Frage der Einleitung einer Überprüfung die von ihr für einschlägig gehaltenen Kriterien falsch beurteilt hat oder dass diese Ware unter Anwendung anderer, einschlägigerer Kriterien von der Definition der betroffenen Ware hätte ausgeschlossen werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Brosmann Footwear [HK] u. a./Rat, oben in Randnr. 82 angeführt, Randnr. 132). 84      Die Kommission hat in der angefochtenen Maßnahme festgestellt, dass es nicht möglich sei, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, um Standard-SWR von der Definition der betroffenen Waren auszuschließen, insbesondere, weil der Überprüfungsantrag nicht genügend Beweise dafür enthalte, dass diese beiden SWR-Typen nicht dieselben materiellen, technischen und chemischen Grundeigenschaften aufwiesen. 85      Die Klägerinnen haben in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass sie die Erheblichkeit des Kriteriums der materiellen, technischen und chemischen Merkmale für die Definition der betroffenen Ware zwar nicht bestritten, jedoch der Ansicht seien, dass auch andere, einschlägigere Kriterien berücksichtigt werden müssten, insbesondere in Bezug auf die Festlegung gemeinsamer Normen, die Endverwendungen und den Preis der Ware. 86      Als Erstes verweisen die Klägerinnen auf die Unterscheidung, die das CEN bei den Normen EN 12385 und EN 10264 zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR getroffen habe, und werfen der Kommission vor, entgegen ihrer früheren Praxis das für die Definition der betroffenen Waren höchst zweckdienliche Kriterium der Normung verkannt zu haben. 87      Zu diesen Normen ist festzustellen, dass die Norm EN 12385 die Sicherheitsvorschriften für die Herstellung und Tests von SWR beinhaltet, während die Norm EN 10264 die Toleranzen bei den Abmessungen, die mechanischen Eigenschaften, die Anforderungen in Bezug auf die chemische Zusammensetzung von Stahldrähten und die Bedingungen enthält, die eine etwaige Ummantelung der Drähte erfüllen muss. Diese Normen legen zwar für einige Arten von Spezial-SWR besondere Vorschriften fest, doch ist das Bestehen derartiger Vorschriften allein kein Beweis dafür, dass Standard-SWR und Spezial-SWR im Hinblick auf die Anwendung der Antidumpingmaßnahmen nicht eine einzige „betroffene Ware“ sind. Zum einen enthält jede Norm außer der Definition der spezifischen Anforderungen an bestimmte Spezial-SWR eine allgemeine Einleitung, die für alle SWR – für Standard-SWR wie für Spezial-SWR – gilt. Zum anderen schließen sich die einzelnen in diesen Normen aufgeführten SWR-Typen nicht gegenseitig aus, d. h., Kabel und Seile, die den Anforderungen einer Kategorie genügen, können auch den Anforderungen anderer Kategorien genügen. Auf jeden Fall kann die Definition der durch die Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ware – selbst wenn die Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass in bestimmten Fällen die Definition einer betroffenen Ware einer in einer gemeinsamen Norm festgelegten Klassifizierung entsprechen könne – nicht von einer derartigen Klassifizierung abhängen. 88      Obwohl sich die einzelnen SWR-Typen anhand weiterer Bestandteile und nach Endverwendungen in Gruppen einteilen lassen, kann der Auffassung der Klägerinnen nicht gefolgt werden, dass es zwischen diesen einzelnen Gruppen eine klare Abgrenzung gebe. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu Recht geltend gemacht hat, gibt es kein objektives Kriterium, um bei der Einfuhr in die Gemeinschaft oder dem innergemeinschaftlichen Verkauf der einzelnen SWR-Typen die vorgesehene Verwendung oder die Endverwendung bestimmen zu können. Selbst die Waren ein und derselben Gruppe können nämlich für unterschiedliche Anwendungen bestimmt sein. Im Übrigen bestreiten die Klägerinnen nicht, dass Standard-SWR und Spezial-SWR – auch wenn SWR vom unteren Ende einer Warengruppe mit denjenigen vom oberen Ende nicht austauschbar sind – in bestimmten benachbarten Gruppen für dieselben Zwecke verwendet werden können und daher austauschbar sind. Insofern besteht zwischen SWR unterschiedlicher Gruppen ein bestimmter Grad an Überschneidung und Wettbewerb (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 10. März 1992, Canon/Rat, C‑171/87, Slg. 1992, I‑1237, Randnrn. 48 bis 52, Ricoh/Rat, C‑174/87, Slg. 1992, I‑1335, Randnrn. 35 bis 40, und Sharp Corporation/Rat, C‑179/87, Slg. 1992, I‑1635, Randnrn. 25 bis 30). 89      Die von den Klägerinnen angeführte Verordnung Nr. 1742/2000 stützt jedenfalls nicht ihr Vorbringen, dass die Festlegung gemeinsamer Normen durch das CEN für die Definition der fraglichen Waren durch die Kommission höchst zweckdienlich sei. Hierzu genügt der Hinweis darauf, dass sich die Kommission in dieser Verordnung bei der Definition der betroffenen Ware nur ganz am Rande auf das Bestehen gemeinsamer technischer Normen stützt. Die Unterscheidung zwischen den beiden Arten von Polyethylenteraphthalat wurde anhand der „Grenzviskositätszahl“ dieser Waren getroffen, und die fragliche Norm wurde in der genannten Verordnung lediglich als Maß für einige Viskositätstests verwendet. Ohne dass untersucht zu werden braucht, inwieweit die in der Verordnung Nr. 1742/2000 getroffenen Feststellungen für die Lösung des vorliegenden Rechtsstreits einschlägig sind, ist daher festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen auf einem falschen Verständnis der genannten Verordnung beruht und deshalb zurückzuweisen ist. 90      Als Zweites tragen die Klägerinnen im Hinblick auf eine Änderung der Wahrnehmung des Marktes zwei Argumente vor. 91      Erstens unterschieden die Gemeinschaftshersteller in ihren Katalogen, auf ihren Internetseiten und in ihrer Werbung zwischen zwei SWR-Typen. Diese Beispiele zeigen jedoch nicht, dass sich Standard-SWR von Spezial-SWR klar abgrenzen ließen, sondern eher, dass die Gemeinschaftshersteller eine umfassende Palette verschiedener SWR-Typen anbieten. Eine begrenzte Anzahl von Auszügen aus Katalogen, Internetseiten und Werbung einiger Gemeinschaftshersteller kann jedenfalls nicht die Feststellung in Frage stellen, dass die einzelnen SWR-Typen dieselben materiellen, technischen und chemischen Grundeigenschaften aufweisen und zwischen ihnen ein bestimmter Grad an Überschneidung und Wettbewerb besteht. 92      Zweitens machen die Klägerinnen geltend, dass sich die SWR durch weitere Bestandteile (z. B. Litzen, Kunststoffeinlagen und Schmiermittel), durch eine Spezialbehandlung (zu einer fünfeckigen oder elliptischen Form verdichtete Litzen), durch einen außergewöhnlich hohen Drallwiderstand, durch den höheren Preis von Spezial-SWR oder durch besondere Verwendungen von Spezial-SWR unterschieden. Diese Beispiele sind jedoch kein Beleg für die Schlussfolgerung der Klägerinnen, dass sich Standard-SWR von Spezial-SWR klar abgrenzen ließen. Auf der einen Seite kann das Vorbringen der Klägerinnen, wie in der vorstehenden Randnr. 88 festgestellt worden ist, die Feststellung der Kommission – obwohl es eine breite Palette von SWR-Typen mit weiteren Merkmalen und besonderen Verwendungen gibt – nicht widerlegen, dass SWR in bestimmten benachbarten Gruppen austauschbar sind und zwischen ihnen ein bestimmter Grad an Überschneidung und Wettbewerb besteht. Auf der anderen Seite sind die Organe nach keiner Vorschrift der Grundverordnung verpflichtet, dieselbe Ware je nach ihren verschiedenen Verwendungen unterschiedlich zu behandeln (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Januar 1998, Sinochem/Rat, T‑97/95, Slg. 1998, II‑85, Randnr. 53). 93      Auch der Hinweis der Klägerinnen auf die frühere Praxis der Organe kann nicht durchgreifen. Es ist nämlich, wie in den vorstehenden Randnrn. 77 bis 79 festgestellt worden ist, Sache der Organe, im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnis nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung bei einer Interimsüberprüfung die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung von Antidumpingmaßnahmen zu überprüfen. Dieses Ermessen ist von Fall zu Fall nach Maßgabe aller relevanten Tatsachen auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. März 1990, Gestetner Holdings/Rat und Kommission, C‑156/87, Slg. 1990, I‑781, Randnr. 43). Die in der Verordnung Nr. 2537/1999 vorgenommenen Beurteilungen stützen jedoch nicht die Auffassung der Klägerinnen, dass eine Überprüfung im Hinblick auf den Ausschluss von Standard-SWR von den fraglichen Antidumpingmaßnahmen deshalb gerechtfertigt sei, weil die Überprüfung, die dazu geführt habe, dass Mikroplatten großer Kapazität von der genannten Verordnung ausgenommen worden seien, eindeutig gezeigt habe, dass sich die beiden betroffenen Waren im Hinblick auf ihre materiellen und technischen Merkmale klar voneinander unterschieden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ergibt sich aus der Verordnung Nr. 2537/1999 nicht, dass die Organe die endgültige Verwendung und die Preise dieser Waren als maßgebliche Faktoren angesehen hätten. Der Rat hat die Endverwendungen lediglich im 27. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2537/1999 mit den Worten erwähnt „der Aspekt der Endverwendungen … [reicht] für sich genommen nicht aus, um daraus zu folgern, dass die herkömmlichen 3,5"-Mikroplatten und die [Mikroplatten großer Kapazität] eine einzige Ware sind“, ist jedoch auf die Preisunterschiede zwischen diesen beiden Waren in seinen Schlussfolgerungen nicht eingegangen. 94      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen, dass sich die technischen Normen des CEN oder die Wahrnehmung des Marktes geändert hätten, nicht dartun können, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, dass sie es abgelehnt habe, eine teilweise Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen im Licht der von ihnen vorgelegten Beweise durchzuführen, denen zufolge sich die Umstände in Bezug auf die Definition der betroffenen Ware verändert hätten. 95      Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. b)     Zum zweiten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft geändert haben sollen Vorbringen der Parteien 96      Die Klägerinnen tragen unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 495/2002 des Rates vom 18. März 2002 zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 904/98 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Faxgeräten für den Privatgebrauch mit Ursprung in der Volksrepublik China, Japan, der Republik Korea, Malaysia, Singapur, Taiwan und Thailand (ABl. L 78, S. 1) vor, dass der Rat die genannte Verordnung Nr. 904/98 aufgrund eines Antrags auf Durchführung einer Interimsüberprüfung mit der Begründung aufgehoben habe, dass die Herstellung von Faxgeräten für den Privatgebrauch durch die Gemeinschaftsindustrie stark zurückgegangen sei und in naher Zukunft zum Erliegen kommen werde (vgl. neunter Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 495/2002). 97      Es ergebe sich daher aus dieser Verordnung, dass die Aufrechterhaltung von Antidumpingmaßnahmen für eine Ware, deren Gemeinschaftsproduktion stark zurückgegangen sei und in naher Zukunft zum Erliegen kommen werde, dem Gemeinschaftsinteresse und folglich Art. 21 der Grundverordnung zuwiderlaufe. 98      Die Klägerinnen hätten im Überprüfungsantrag dargetan, dass die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft gering sei im Gegensatz zu den Jahren 1999 bis 2001, als Standard-SWR in der Gemeinschaft in erheblicher Menge produziert worden seien. Der Beweis für diese veränderten Umstände sei erbracht. 99      Erstens enthalte die vertrauliche Fassung des Überprüfungsantrags mehrere Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern als Nachweis dafür, dass Standard-SWR aus den Produktionsprogrammen gestrichen worden seien oder dass die genannten Hersteller Standard-SWR nicht mehr herstellen könnten. Zwar hätten die Klägerinnen diese Erklärungen zum Schutz ihres vertraulichen Charakters im vorliegenden Verfahren nicht vorgelegt, aber die Kommission kenne diese Erklärungen, da sie die vertrauliche Fassung des Überprüfungsantrags besitze. 100    Zweitens sei das Auslaufen dieser Produktion der Werbung, den Internetseiten und den Katalogen der Gemeinschaftshersteller zu entnehmen, die die Klägerinnen dem Überprüfungsantrag als Anlage 4 beigefügt hätten. Gemäß diesen Unterlagen stellten die betroffenen Gemeinschaftshersteller von SWR gegenwärtig hauptsächlich Spezial-SWR her. 101    Die Kommission habe sich dafür entschieden, diese Beweise zu ignorieren, denn in dem streitigen Schreiben habe sie das Auslaufen der Produktion von Standard-SWR mit keinem Wort erwähnt. Demzufolge seien die negativen Auswirkungen der Antidumpingzölle unverhältnismäßig, denn die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass die Aufrechterhaltung der Antidumpingmaßnahmen für die europäische Produktion von Standard-SWR keinerlei Vorteile habe. Die Kommission habe somit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 21 der Grundverordnung verstoßen. 102    Die Kommission macht zunächst geltend, dass dieser Teil des ersten Klagegrundes aus zwei Gründen unzulässig sei: Erstens hätten die Klägerinnen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zu keiner Zeit vorgetragen, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahmen dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufe und gegen Art. 21 der Grundverordnung verstoße. 103    Zweitens stützten die Klägerinnen ihr Vorbringen, dass die Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR auslaufe, auf Tatsachenbehauptungen, die in der der Klageschrift beigefügten nichtvertraulichen Fassung des Überprüfungsantrags nicht enthalten seien, und auf Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern, die der Klageschrift nicht beigefügt worden seien. 104    Selbst wenn dieser Teil des ersten Klagegrundes zulässig sein sollte, bestreite die Kommission die Behauptung der Klägerinnen, dass die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft unbedeutend geworden sei. Würdigung durch das Gericht –       Zur Zulässigkeit 105    Zu der von der Kommission mit der Begründung, das Argument des entgegenstehenden Gemeinschaftsinteresses sei im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht vorgetragen worden, geltend gemachten Unzulässigkeit des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass Teil IV des Überprüfungsantrags mit „Schrittweises Auslaufen der Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR“ überschrieben ist. Die Klägerinnen weisen darin auf eine rückläufige Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR hin und darauf, dass dies eine Veränderung sei, die es erforderlich mache, den Anwendungsbereich der fraglichen Antidumpingmaßnahmen neu zu definieren, um Standard-SWR von der Definition der betroffenen Ware auszunehmen. Zur Untermauerung ihres Vorbringens verweisen die Klägerinnen im Überprüfungsantrag auf die Verordnung Nr. 495/2002 (siehe oben, Randnr. 96). Der Rat hat in dieser Verordnung festgestellt, dass es im Rahmen einer Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung im Interesse der Gemeinschaft liege, die Antidumpingmaßnahmen in Bezug auf bestimmte Einfuhren von Faxgeräten für den Privatgebrauch aufzuheben, da die Gemeinschaftsproduktion der den Antidumpingmaßnahmen unterliegenden Waren in Kürze auslaufen werde. 106    Das Vorbringen zum schrittweisen Auslaufen der Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR ist in der Klageschrift in vollem Umfang wiederholt worden. Die Klägerinnen haben darin unter Hinweis auf den neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 495/2002 hervorgehoben, dass die Aufrechterhaltung der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen aufgrund der auslaufenden Produktion von Standard-SWR dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderlaufe und gegen Art. 21 der Grundverordnung verstoße. 107    Die Organe sind gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Grundverordnung (jetzt Art. 21 Abs. 1 Satz 2 und 3 der Verordnung Nr. 1225/2009) berechtigt, bestimmte Antidumpingmaßnahmen selbst dann nicht anzuwenden, wenn die übrigen Voraussetzungen für die Verhängung eines Antidumpingzolls – Dumping, Schädigung und Kausalzusammenhang – erfüllt sind, sofern sie der Auffassung sind, dass die Anwendung dieser Maßnahmen nicht im Interesse der Gemeinschaft liegt. Im Fall des Auslaufens der Gemeinschaftsproduktion von Waren, die Antidumpingmaßnahmen unterliegen, setzt die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses im Rahmen einer Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung die Prüfung der Notwendigkeit voraus, die betreffenden Antidumpingmaßnahmen aufrechtzuerhalten. 108    Die Rüge der Kommission, dass die Klägerinnen ein von ihnen im Verwaltungsverfahren nicht vorgebrachtes Argument geltend machten, beruht auf einer falschen Prämisse, denn der Überprüfungsantrag brachte zumindest indirekt das schwindende Gemeinschaftsinteresse durch die Feststellung, dass die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft auslaufe, und durch den Hinweis auf den neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 495/2002 zum Ausdruck, dass die in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen „im Hinblick auf den Schutz der [Gemeinschafts-]Produktion gegen mögliche unlautere Handelspraktiken keinen Nutzen haben“. 109    Daraus folgt, dass die fehlende ausdrückliche Erwähnung von Art. 21 der Grundverordnung im Überprüfungsantrag die Zulässigkeit dieses Teils des ersten Klagegrundes nicht berührt. 110    Sodann ist zu der fehlenden Vorlage der angeblich vertraulichen Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern zum Auslaufen der Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR festzustellen, dass dies eine Frage des Beweises der von den Klägerinnen aufgestellten Behauptungen ist; sie wird demzufolge im Rahmen der Prüfung der Begründetheit dieses Teils des ersten Klagegrundes behandelt. 111    Die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit des zweiten Teils des ersten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen. –       Zur Begründetheit 112    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie es abgelehnt habe, das Auslaufen der Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft festzustellen und demzufolge dem Überprüfungsantrag stattzugeben. 113    Dazu ist festzustellen, dass die Klägerinnen lediglich behaupten, dass die Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR gering sei, ohne jedoch den geringsten konkreten Beweis für diese Behauptung vorzulegen. 114    Zu den Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern, auf die sich die Klägerinnen stützen, um den Rückgang der Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR darzutun, ist festzustellen, dass solche vereinzelten Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern – abgesehen davon, dass sie im Rahmen dieser Klage nicht vorgelegt worden sind –, denen zufolge diese Hersteller gegebenenfalls Standard-SWR aus ihren Produktionsprogrammen gestrichen haben, als solche nicht als ausreichender Beweis für ein Auslaufen der Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR anzusehen sind, wenn sie nicht durch objektive Beweise wie z. B. Produktionsstatistiken untermauert werden. 115    Außerdem ist die Werbung in der Anlage zu dem der Klageschrift beigefügten Überprüfungsantrag kein Beleg dafür, dass die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft ausläuft, sondern eher dafür, dass die Gemeinschaftshersteller eine umfassende Palette verschiedener SWR-Typen anbieten, wobei mit dieser Werbung nicht nachgewiesen wird, ob die angebotenen SWR in der Gemeinschaft produziert oder eingeführt werden. Einige Ausschnitte aus der Werbung, von Internetseiten oder Katalogen von Gemeinschaftsherstellern, aus denen sich ergibt, dass diese sich auf die Produktion von Spezial-SWR spezialisiert haben, reichen jedenfalls nicht aus, um das Auslaufen der gesamten Gemeinschaftsproduktion von Standard-SWR zu beweisen. 116    Mit dem Vorbringen der Klägerin, dass sich die Umstände in Bezug auf das Auslaufen der Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft geändert hätten, lässt sich daher nicht dartun, dass die Kommission dadurch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie es abgelehnt hat, eine teilweise Interimsüberprüfung der fraglichen Antidumpingmaßnahmen im Licht der von den Klägerinnen vorgelegten Beweise durchzuführen. 117    Folglich ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. c)     Zum dritten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf das Vorliegen einer Schädigung geändert haben sollen Vorbringen der Parteien 118    Nach Ansicht der Klägerinnen wurde die Feststellung, dass den Gemeinschaftsherstellern durch die Einfuhren von Standard-SWR eine bedeutende Schädigung im Sinne von Art. 3 der Grundverordnung entstehe, zu einer Zeit getroffen, als die Gemeinschaftshersteller noch Standard-SWR produziert hätten, sie treffe jedoch heute nicht mehr zu. 119    Erstens hätten die Klägerinnen im Überprüfungsantrag dargetan, dass sich Standard-SWR und Spezial-SWR auf unterschiedlichen Märkten entwickelten, die durch die neuen europäischen Normen EN 12385 und EN 10264 abgegrenzt seien. Außerdem unterscheide sich der Markt für Standard-SWR von dem für Spezial-SWR dadurch, dass Erstere im Allgemeinen in Industrielänge gehandelt würden, während die in der Gemeinschaft hergestellten Spezial-SWR grundsätzlich einer zusätzlichen Bearbeitung unterlägen. 120    Zweitens hätten die Klägerinnen in der vertraulichen Fassung des Überprüfungsantrags Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern vorgelegt, die Standard-SWR in großen Mengen einführten, darunter auch aus Ländern, die den Antidumpingmaßnahmen für SWR unterlägen. Die genannten Einfuhren verursachten den Gemeinschaftsherstellern keine Schädigungen mehr, und diese würden sich niemals selbst schädigen. Zwar hätten die Klägerinnen diese Erklärungen zum Schutz ihres vertraulichen Charakters im vorliegenden Verfahren nicht vorgelegt, aber die Kommission kenne diese Unterlagen, da sie die vertrauliche Fassung des Überprüfungsantrags besitze. 121    Da es also derzeit keine Schädigung durch Einfuhren von Standard-SWR gebe, sei es wenig wahrscheinlich, dass die Schädigung anhalten oder erneut auftreten würde, falls diese Einfuhren vom Anwendungsbereich der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen ausgeschlossen würden. 122    Die Kommission habe dadurch, dass sie es abgelehnt habe, den Wegfall einer Schädigung im Sinne von Art. 3 der Grundverordnung festzustellen, und es demzufolge abgelehnt habe, dem Antrag auf Einleitung einer Überprüfung stattzugeben, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung verstoßen. 123    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen. Würdigung durch das Gericht 124    Wie bereits vorstehend in Randnr. 37 festgestellt worden ist, wird gemäß Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung eine Interimsüberprüfung eingeleitet, wenn der Antrag ausreichende Beweise dafür enthält, dass die Aufrechterhaltung der Maßnahme zum Ausgleich des Dumpings nicht mehr notwendig ist und/oder dass die Schädigung im Fall der Aufhebung oder Änderung der Maßnahme wahrscheinlich nicht anhalten oder erneut auftreten würde oder dass die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen. 125    Was zunächst das Vorbringen der Klägerinnen angeht, dass sich Standard-SWR und Spezial-SWR auf unterschiedlichen Märkten entwickelten, die durch die neuen Normen des CEN abgegrenzt seien, und dass es beim Vertrieb dieser SWR Unterschiede gebe, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen bereits vorstehend in den Randnrn. 86 bis 95 bei der Prüfung des ersten Teils des ersten Klagegrundes geprüft und zurückgewiesen worden ist. 126    Sodann ist zu der Behauptung der Klägerinnen, dass die Gemeinschaftshersteller Standard-SWR in großen Mengen einführten, darunter auch aus Ländern, die den Antidumpingmaßnahmen unterlägen, zum einen darauf hinzuweisen, dass die von den Klägerinnen geltend gemachten vereinzelten Erklärungen von Gemeinschaftsherstellern, denen zufolge diese große Mengen Standard-SWR einführen, im Rahmen dieser Klage nicht nur nicht vorgelegt worden sind, sondern als solche – soweit sie nicht durch objektive Beweise wie z. B. Statistiken über Einfuhren von Standard-SWR in die Gemeinschaft untermauert werden – auch nicht als ausreichender Beweis für derartige Einfuhren anzusehen sind. Zum anderen tun die Klägerinnen mit der bloßen Behauptung, dass es „wenig wahrscheinlich“ sei, dass die Schädigung anhalten oder erneut auftreten werde, nicht dar, dass die der Gemeinschaftsindustrie entstandene Schädigung nicht mehr besteht. 127    Das Vorbringen der Klägerinnen in Bezug auf veränderte Umstände hinsichtlich des Bestehens einer Schädigung genügt somit nicht, um darzutun, dass die Kommission mit ihrer Ablehnung, aufgrund der von den Klägerinnen vorgelegten Beweise eine teilweise Interimsüberprüfung der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen durchzuführen, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. 128    Somit ist der dritte Teil dieses Klagegrundes zurückzuweisen. 129    Demzufolge ist der erste Klagegrund in seiner Gesamtheit zurückzuweisen. 2.     Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes a)     Vorbringen der Parteien 130    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission sie dadurch, dass sie es abgelehnt habe, eine Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen durchzuführen, in ihrem schutzwürdigen Vertrauen verletzt habe. Nach ständiger Rechtsprechung könne sich auf den Schutz berechtigten Vertrauens jeder Einzelne berufen, der sich in einer Situation befinde, aus der sich ergebe, dass die Unionsverwaltung ihm bestimmte Zusicherungen gegeben und dadurch bei ihm begründete Erwartungen geweckt habe (Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Masdar [UK]/Kommission, T‑333/03, Slg. 2005, II‑4377, Randnr. 119). 131    Die Kommission habe bei ihnen ein berechtigtes Vertrauen begründet, indem sie ihnen vorgeschlagen habe, ihr Argument, wonach sich Standard-SWR von Spezial-SWR erheblich unterschieden, im Rahmen einer Interimsüberprüfung erneut vorzutragen. Diese Zusicherungen seien hinreichend bestimmt gewesen und stammten von zuständiger und zuverlässiger Seite. 132    Erstens habe die Kommission sie bei Abschluss des Überprüfungsverfahrens nach Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung in Bezug auf die mit der Verordnung Nr. 1796/1999 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika und der Ukraine erlassenen Antidumpingmaßnahmen ermutigt, einen Überprüfungsantrag zur Änderung des Anwendungsbereichs der fraglichen Maßnahmen zu stellen. Insbesondere habe einer der Bediensteten der Kommission die EWRIA kontaktiert, um ihr mitzuteilen, dass der Antrag der Klägerinnen auf Änderung des Anwendungsbereichs der Antidumpingmaßnahmen nicht im Zusammenhang mit einer Auslaufüberprüfung, sondern im Rahmen einer Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 der Grundverordnung gestellt werden müsse. Der Bedienstete der Kommission habe keinen Grund gehabt, die EWRIA zu kontaktieren, es sei denn, die Kommission habe den Anwendungsbereich der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen neu definieren wollen. Damit habe er die Klägerinnen ermutigt, einen Überprüfungsantrag zu stellen. 133    Zweitens komme zu diesem Vorschlag hinzu, dass sich die Delegation der Kommission bei einem Besuch am Geschäftssitz von Heko Industrieerzeugnisse, einer der Klägerinnen, im Rahmen des Auslaufüberprüfungsverfahrens nach Art. 11 Abs. 2 der Grundverordnung betreffend die mit der Verordnung Nr. 1601/2001 auf die Einfuhren bestimmter Kabel und Seile aus Stahl mit Ursprung in Russland, Thailand und der Türkei erlassenen Antidumpingmaßnahmen an einer Neudefinition des Anwendungsbereichs der Maßnahmen für SWR eindeutig interessiert gezeigt habe. 134    Drittens hätten die Bediensteten der Kommission den Klägerinnen bei dem informellen Gespräch über den Überprüfungsantrag den Eindruck vermittelt, dass die Kommission bereit sei, ihr Vorbringen im Rahmen einer teilweisen Interimsüberprüfung in Bezug auf die betroffenen Waren zu prüfen. Diese Bediensteten hätten die erste Fassung des Überprüfungsantrags der Klägerinnen gegengelesen und mehrere Empfehlungen für Änderungen dieser Fassung ausgesprochen. Die Klägerinnen hätten ihren Antrag aufgrund dieser Empfehlungen geändert und die von den genannten Bediensteten der Kommission vorgeschlagenen Argumente einbezogen. Einer der Bediensteten habe die Klägerinnen in Bezug auf die berichtigte Fassung kontaktiert und ihnen mitgeteilt, dass seiner Ansicht nach keine weitere Änderung notwendig sei und der Antrag der Kommission unverzüglich förmlich übermittelt werden sollte, da die in ihm enthaltenen Argumente „vielversprechend“ seien. 135    Als Beweis dafür, dass diese Kontakte tatsächlich stattgefunden haben, benennen die Klägerinnen gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung Herrn H., den Präsidenten der EWRIA, als Zeugen. 136    Dieses Verhalten der Kommission habe nahegelegt, dass sie beabsichtigt habe, ihren Standpunkt zur Definition der betroffenen Ware und der gleichartigen Ware bei den Antidumpingmaßnahmen gegenüber SWR zu ändern. Die Klägerinnen hätten allen Grund zu der Annahme gehabt, dass die Kommission, wenn sie fristgemäß die Einleitung einer Interimsüberprüfung beantragten, um den Anwendungsbereich der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen anpassen und Standard-SWR von der Definition der betroffenen Ware ausschließen zu lassen, das entsprechende Interimsüberprüfungsverfahren alsbald einleiten werde. 137    Die Klägerinnen seien von dieser Erwartung ausgegangen und hätten am 12. Juni 2007 unter entsprechendem Zeit‑ und Geldaufwand ihren Überprüfungsantrag gestellt. Die Unionsorgane hätten daher mit ihrer Weigerung, die beantragte Interimsüberprüfung durchzuführen, das berechtigte Vertrauen der Klägerinnen verletzt. 138    Die Kommission hält dem entgegen, dass sie den Klägerinnen keine präzisen Zusagen gemacht habe, dass eine Überprüfung stattfinden werde. b)     Würdigung durch das Gericht 139    Nach der Rechtsprechung kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, aus dessen Lage sich ergibt, dass die Unionsbehörden bei ihm begründete Erwartungen geweckt haben, indem sie ihm von zuständiger und zuverlässiger Seite stammende präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen gemacht haben (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Juli 1999, Forvass/Kommission, T‑203/97, Slg. ÖD 1999, I‑A‑129 und II‑705, Randnr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 26. September 2002, Borremans u. a./Kommission, T‑319/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑171 und II‑905, Randnr. 63, und vom 9. Juli 2008, Reber/HABM – Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli [Mozart], T‑304/06, Slg. 2008, II‑1927, Randnr. 64). Allerdings müssen diese Zusicherungen den geltenden Bestimmungen und Normen entsprechen, da Zusagen, die diesen Bestimmungen nicht entsprechen, beim Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen begründen können (vgl. Urteile des Gerichts vom 5. November 2002, Ronsse/Kommission, T‑205/01, Slg. ÖD 2002, I‑A‑211 und II‑1065, Randnr. 54, vom 16. März 2005, Ricci/Kommission, T‑329/03, Slg. ÖD 2005, I‑A‑69 und II‑315, Randnr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Mozart; vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 6. Februar 1986, Vlachou/Rechnungshof, 162/84, Slg. 1986, 481, Randnr. 6). 140    Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Akten nichts enthalten, was den Inhalt der angeblichen mündlichen Zusicherungen beweisen könnte. Die Kommission räumt zwar ein, in der Zeit von August 2004 bis November 2005 im Zuge der Überprüfung der auslaufenden, mit der Verordnung Nr. 1796/1999 eingeführten Antidumpingmaßnahmen und im Oktober 2006 vorab in Bezug auf den Überprüfungsantrag Kontakte mit den Klägerinnen gehabt zu haben. Sie bestreitet jedoch, präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherungen gemacht zu haben, die bei den Klägerinnen begründete Erwartungen hätten wecken können, dass das Überprüfungsverfahren eingeleitet werden würde. 141    Was erstens die Kontakte zwischen der Kommission und den Klägerinnen im Rahmen des Auslaufüberprüfungsverfahrens der Verordnung Nr. 1796/1999 angeht, behaupten Letztere, die Kommission habe sie „ermutigt“, einen Überprüfungsantrag zu stellen, und weisen darauf hin, dass der Kommissionsbedienstete mit ihnen Kontakt aufgenommen habe, um ihnen einige Verfahrensaspekte eines Überprüfungsantrags zu erläutern. Selbst wenn die Kommission jedoch bei den genannten Kontakten die Möglichkeit einer derartigen Überprüfung ins Auge gefasst haben sollte, ist festzustellen, dass es sich bei den vorgetragenen Angaben nicht um präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen handelt, dass eine Überprüfung stattfinden werde. 142    Was zweitens den Kontakt zwischen den Klägerinnen und den Bediensteten der Kommission bei deren Besuch am Geschäftssitz von Heko Industrieerzeugnisse im Rahmen des Verfahrens zur Auslaufüberprüfung der mit der Verordnung Nr. 1601/2001 eingeführten Antidumpingmaßnahmen angeht, behaupten die Klägerinnen lediglich, dass sich die Bediensteten der Kommission an einer Neudefinition des Anwendungsbereichs der fraglichen Antidumpingmaßnahmen „interessiert“ gezeigt hätten, was keine präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherung darstellt, dass eine Interimsüberprüfung eingeleitet werden würde. 143    Drittens tragen die Klägerinnen in Bezug auf das informelle Treffen, das sie mit der Kommission im Rahmen des Überprüfungsantrags hatten, der Gegenstand der vorliegenden Klage ist, lediglich vor, dass sie den „Eindruck“ gehabt hätten, dass die Kommission bereit gewesen sei, ihr Vorbringen im Rahmen einer Überprüfung zu untersuchen, und dass sie ihre Argumente als „vielversprechend“ bezeichnet habe. Bei derartigen Angaben handelt es sich jedoch nicht um präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen, dass eine Interimsüberprüfung eingeleitet werden würde. Außerdem ist, der Kommission folgend, festzustellen, dass deren Antwort auf Anfragen, mit denen vorab um eine technische Beratung ersucht wird, nicht als eine förmliche oder eine informelle Entscheidung der Kommission anzusehen ist, da die Prüfung der Akten erst anhand des in einem förmlichen Antrag enthaltenen Vorbringens und der dabei vorgelegten effektiven Beweise durchgeführt werden kann, so dass diese Antwort jedenfalls kein berechtigtes Vertrauen begründen konnte, dass eine Interimsüberprüfung eingeleitet werden würde. 144    In Anbetracht der Tatsache, dass nicht bestritten wird, dass diese Kontakte tatsächlich stattgefunden haben, und dass die geltend gemachten Kontakte bei den Klägerinnen keinesfalls ein berechtigtes Vertrauen auf die Einleitung einer Interimsüberprüfung begründen konnten, ist der von den Klägerinnen gestellte Beweisantrag zurückzuweisen. 145    Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen. 3.     Dritter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung a)     Vorbringen der Parteien 146    Die Klägerinnen machen geltend, die Unionsorgane hätten ihre Feststellungen bei den Antidumpingmaßnahmen betreffend SWR auf eine zu weite Definition der betroffenen Ware gestützt. Das habe dazu geführt, dass die Organe Waren miteinander verglichen hätten, die nicht gleichartig seien, und dass sie zu falschen Schlussfolgerungen gelangt seien. 147    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass sie dieses Argument in ihrem Überprüfungsantrag dargelegt und die Kommission gebeten hätten, den Anwendungsbereich der Maßnahmen zu ändern, indem sie die Einfuhr von Standard-SWR von diesen Maßnahmen ausnehme. Die Kommission habe ihr Vorbringen jedoch nicht berücksichtigt. Die Behauptungen der Kommission in dem streitigen Schreiben, wonach „alle SWR-Typen dieselben grundlegenden materiellen, technischen und … Eigenschaften aufweisen“ und wonach „[d]ie Standardprodukte und die Spitzenprodukte … untereinander nicht austauschbar [sind], … Produkte benachbarter Gruppen aber sehr wohl“, seien aus den folgenden bereits im Überprüfungsantrag dargelegten Gründen unzutreffend. 148    Erstens unterschieden sich Spezial-SWR von Standard-SWR in ihren materiellen und technischen Merkmalen insofern, als sie zusätzliche Eigenschaften aufwiesen und die Verwendung von Draht für hohe Beanspruchungen gemäß der Norm EN 10264 erforderten. 149    Zweitens unterscheide sich der Produktionsprozess für Spezial-SWR von dem für Standard-SWR deutlich, denn für ihn bedürfe es einer elektronisch gesteuerten Produktionsstraße und zusätzlicher Geräte. 150    Drittens unterscheide sich auch die Endverwendung dieser beiden SWR-Typen. Spezial-SWR kämen bei Spezialanwendungen zum Einsatz, die – im Gegensatz zu Standard-SWR – außergewöhnlich hohe Anforderungen an die materiellen und technischen Eigenschaften des SWR stellten. 151    Viertens seien Spezial-SWR und Standard-SWR nicht austauschbar. Standard-SWR könnten bei verschiedenen Spezialanwendungen nicht verwendet werden. 152    Fünftens gebe es heutzutage keine nennenswerte Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft. 153    In Anbetracht aller dieser Gesichtspunkte gebe es eine klare Abgrenzung zwischen Standard-SWR und Spezial-SWR. Die Kommission vergleiche jedoch weiterhin in der Gemeinschaft hergestellte Spezial-SWR mit eingeführten Standard-SWR, d. h. Waren, die nicht gleichartig seien, unter Hinweis auf die weite, auf die „grundlegenden Eigenschaften“ der SWR abstellende Definition der Ware. Mit ihrer Weigerung, eine Interimsüberprüfung der Antidumpingmaßnahmen durchzuführen, habe sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen und gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung verstoßen. 154    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen. b)     Würdigung durch das Gericht 155    Mit ihrem dritten Klagegrund machen die Klägerinnen geltend, dass die in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen auf einer zu weiten Definition der betroffenen Ware beruhten, so dass die Organe weiterhin Spezial-SWR mit Standard-SWR verglichen, obwohl diese Waren nicht gleichartig seien. Unter diesen Umständen stelle die Weigerung der Kommission, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung dar. 156    Es ist festzustellen, dass das Argument, die Weigerung, eine Interimsüberprüfung einzuleiten, stelle einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung dar, soweit die Kommission unter Hinweis auf die weite Definition der betroffenen Ware, die auf die grundlegenden Eigenschaften abstelle, weiterhin in der Gemeinschaft hergestellte Spezial-SWR mit eingeführten Standard-SWR vergleiche, darauf hinausläuft, die Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Antidumpingmaßnahmen in Frage zu stellen, insbesondere deren Definition der betroffenen Ware, obwohl die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen nicht Gegenstand der vorliegenden Klage ist. Diese ist vielmehr auf die Nichtigerklärung der Entscheidung gerichtet, mit der die Kommission es abgelehnt hat, eine teilweise Interimsüberprüfung einzuleiten. 157    Zu dem Argument, mit dem dargetan werden soll, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe, indem sie es abgelehnt habe, aufgrund angeblich veränderter Umstände hinsichtlich der Definition der betroffenen Ware, der Gemeinschaftsproduktion oder der erlittenen Schädigung eine Interimsüberprüfung einzuleiten, ist im Übrigen festzustellen, dass es sich mit dem Vorbringen zum ersten Klagegrund überschneidet, der vorstehend in den Randnrn. 55 bis 129 zurückgewiesen worden ist. 158    Folglich ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Kosten 159    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen, wie von der Kommission beantragt, die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Klage wird abgewiesen. 2.      Die European Wire Rope Importers Association (EWRIA), die Câbleries namuroises SA, die Ropenhagen A/S, die ESH Eisen- und Stahlhandelsgesellschaft mbH, die Heko Industrieerzeugnisse GmbH, die Interkabel Internationale Seil‑ und Kabel-Handels GmbH, die Jose Casañ Colomar SA und die Denwire Ltd tragen die Kosten. Martins Ribeiro Papasavvas Dittrich Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Dezember 2010. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Rechtlicher Rahmen A –  Antidumping-Grundverordnung B –  Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl geltenden Antidumpingmaßnahmen 1.  Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Stahl mit Ursprung in China, Indien, Südafrika und der Ukraine geltenden Antidumpingmaßnahmen 2.  Die für Einfuhren von Kabeln und Seilen aus Eisen oder Stahl mit Ursprung in Russland geltenden Antidumpingmaßnahmen Vorgeschichte des Rechtsstreits Verfahren und Anträge der Parteien Rechtliche Würdigung A –  Zur Zulässigkeit 1.  Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 4. Juli 2008, keine teilweise Interimsüberprüfung der für SWR geltenden Antidumpingmaßnahmen einzuleiten a)  Vorbringen der Parteien b)  Würdigung durch das Gericht 2.  Zur Zulässigkeit des Antrags, der Kommission aufzugeben, eine teilweise Interimsüberprüfung durchzuführen a)  Vorbringen der Parteien b)  Würdigung durch das Gericht 3.  Zur Zulässigkeit der von den Klägerinnen vorgebrachten Klagegründe a)  Vorbringen der Parteien b)  Würdigung durch das Gericht B –  Zur Begründetheit 1.  Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 11 Abs. 3 und 21 der Grundverordnung a)  Zum ersten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf die Definition der betroffenen Ware verändert haben sollen Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht b)  Zum zweiten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf die Produktion von Standard-SWR in der Gemeinschaft geändert haben sollen Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht –  Zur Zulässigkeit –  Zur Begründetheit c)  Zum dritten Teil, wonach sich die Umstände in Bezug auf das Vorliegen einer Schädigung geändert haben sollen Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht 2.  Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes a)  Vorbringen der Parteien b)  Würdigung durch das Gericht 3.  Dritter Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler und Verstoß gegen Art. 1 Abs. 4 der Grundverordnung a)  Vorbringen der Parteien b)  Würdigung durch das Gericht Kosten * Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 15. Dezember 2010.#E.ON Energie AG gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb - Verwaltungsverfahren - Entscheidung, mit der ein Siegelbruch festgestellt wird - Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 - Beweislast - Unschuldsvermutung - Verhältnismäßigkeit - Begründungspflicht.#Rechtssache T-141/08.
62008TJ0141
ECLI:EU:T:2010:516
2010-12-15T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-05761
Rechtssache T‑141/08 E.ON Energie AG gegen Europäische Kommission „Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung, mit der ein Siegelbruch festgestellt wird – Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Beweislast – Unschuldsvermutung – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht“ Leitsätze des Urteils 1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Beizubringende Beweismittel – Erforderlicher Grad der Beweiskraft (Art. 81 Abs. 1 EG) 2.      Unionsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Unschuldsvermutung – Verfahren in Wettbewerbssachen – Anwendbarkeit (Art. 6 Abs. 2 EU; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47) 3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine im Abschluss einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung bestehende Zuwiderhandlung festgestellt wird – Entscheidung, die auf unmittelbare Beweise gestützt ist – Beweisrechtliche Obliegenheiten von Unternehmen, die die Zuwiderhandlung bestreiten (Art. 81 EG und 82 EG) 4.      Wettbewerb – Geldbußen – Voraussetzungen für die Festsetzung von Geldbußen durch die Kommission – Vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlung – Entscheidung, mit der ein Siegelbruch festgestellt wird – Beweislast der Kommission – Grenzen (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 1 Buchst. e) 1.      Im Bereich des Wettbewerbsrechts hat die Kommission bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen. Hierzu muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat. (vgl. Randnr. 48) 2.      Der Grundsatz der Unschuldsvermutung, wie er u. a. in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegt ist, gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können. Dem Richter verbleibende Zweifel müssen dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen. Der Richter kann also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer eine Geldbuße verhängenden Entscheidung, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt. (vgl. Randnrn. 51-52, 238) 3.      Stellt die Kommission gestützt auf das Verhalten der betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln fest, erklärt der Unionsrichter die fragliche Entscheidung für nichtig, wenn das Vorbringen dieser Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lässt und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglicht als die der Kommission, dass eine Zuwiderhandlung vorliege. Wenn sich die Kommission jedoch auf direkte Beweismittel stützt, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Im Gegenteil muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich, rechtlich hinreichend nachweisen, dass der von ihm angeführte Umstand vorliegt und dass dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt. (vgl. Randnrn. 54, 56, 199) 4.      Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 EG und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln kann die Kommission Geldbußen festsetzen, wenn die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen angebrachten Siegel vorsätzlich oder fahrlässig erbrochen wurden. Nach dieser Bestimmung trägt somit die Kommission die Beweislast für den Siegelbruch. Sie muss jedoch nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde oder dass darin gelagerte Dokumente manipuliert wurden. (vgl. Randnrn. 85, 256) URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer) 15. Dezember 2010(*) „Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung, mit der ein Siegelbruch festgestellt wird – Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Beweislast – Unschuldsvermutung – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht“ In der Rechtssache T‑141/08 E.ON Energie AG mit Sitz in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte A. Röhling, C. Krohs, F. Dietrich und R. Pfromm, dann Rechtsanwälte A. Röhling, F. Dietrich und R. Pfromm, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouquet, V. Bottka und R. Sauer als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(2008) 377 endg. der Kommission vom 30. Januar 2008 zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates wegen Siegelbruch (Sache COMP/B-1/39.326 – E.ON Energie AG) erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter S. Papasavvas und N. Wahl, Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. April 2010 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen 1        Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sind „[d]ie mit den Nachprüfungen beauftragten Bediensteten der Kommission und die anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen … befugt, betriebliche Räumlichkeiten und Bücher oder Unterlagen jeder Art für die Dauer und in dem Ausmaß zu versiegeln, wie es für die Nachprüfung erforderlich ist“. 2        Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 kann „[d]ie Kommission … gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 1 % des im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) angebrachten Siegel erbrochen haben“. Vorgeschichte des Rechtsstreits 3        Mit Entscheidung vom 24. Mai 2006 ordnete die Kommission nach Art. 20 der Verordnung Nr. 1/2003 eine Nachprüfung in den Räumlichkeiten der E.ON AG und der von ihr kontrollierten Unternehmen an, um dem Verdacht der Beteiligung an wettbewerbswidrigen Absprachen nachzugehen. Die Nachprüfung bei der Klägerin, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der E.ON AG, begann am Nachmittag des 29. Mai 2006 in ihren Geschäftsräumen in München. Die Klägerin erklärte, nachdem sie von der Nachprüfungsentscheidung Kenntnis erlangt hatte, die Nachprüfung zu dulden. 4        Die Nachprüfung wurde durch vier Vertreter der Kommission und sechs Vertreter des Bundeskartellamts durchgeführt. Die bei der Nachprüfung am 29. Mai 2006 von diesen Vertretern für eine nähere Prüfung herausgesuchten Dokumente wurden in den Raum G.505 gebracht, der der Kommission von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden war. Da die Nachprüfung nicht am selben Tag abgeschlossen werden konnte, verschloss der Leiter des Nachprüfungsteams die aus lackierten Schalldämmtürblättern und einem Türrahmen aus eloxiertem Aluminium bestehende Tür dieses Raums und brachte ein amtliches Siegel in der Größe von 90 x 60 mm an (im Folgenden: streitiges Siegel). Dieses wurde zu etwa zwei Dritteln auf das Türblatt und im Übrigen auf den Türrahmen geklebt. Es wurde ein Versiegelungsprotokoll erstellt und von den Vertretern der Kommission, des Bundeskartellamts und der Klägerin unterzeichnet. Die Inspektoren verließen daraufhin die Räumlichkeiten der Klägerin und nahmen den ihnen ausgehändigten Schlüssel zur Tür des Raums G.505 mit. In Beantwortung eines Auskunftsverlangens teilte die Klägerin mit, dass sich neben diesem der Kommission ausgehändigten Schlüssel 20 weitere „Generalschlüssel“ für den Raum G.505 im Umlauf befanden (Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung). 5        Das streitige Siegel war ein Aufkleber in blauer Farbe mit gelben Streifen am oberen und unteren Rand und den gelben Sternen der Europäischen Union. Im unteren gelben Bereich befand sich ein Hinweis auf die Möglichkeit für die Kommission, bei Siegelbruch eine Geldbuße zu verhängen. Die im vorliegenden Fall zur Herstellung des streitigen Siegels verwendete Sicherheitsfolie (im Folgenden: Sicherheitsfolie) war von der 3M Europe SA (im Folgenden: 3M) im Dezember 2002 hergestellt worden. Die Sicherheitsfolie wurde sodann auf Bestellung der Kommission im ersten Quartal 2004 von einer Druckerei wie beschrieben bedruckt. 6        Wird ein Plastiksiegel wie das streitige Siegel gebrochen, bleibt der weiße Klebstoff, mit dem das Siegel auf dem Untergrund befestigt wird, in Form von auf der gesamten Fläche des Aufklebers verteilten, rund 12 Didot-Punkte (etwa 5 mm) großen „VOID“-Schriftzügen am Untergrund haften. Das abgelöste Siegel wird an diesen Stellen transparent, so dass auch auf dem Siegel die „VOID“-Schriftzüge sichtbar sind. 7        Bei seiner Rückkehr am Morgen des 30. Mai 2006 gegen 8.45 Uhr stellte das Nachprüfungsteam fest, dass sich der Zustand des streitigen Siegels, das weiterhin an der Tür des Raums G.505 klebte, verändert hatte. 8        Gegen 9.15 Uhr öffnete der Leiter des Nachprüfungsteams die Tür des Raums G.505. Dabei löste sich der auf dem Türblatt klebende Teil des streitigen Siegels, während der andere Teil am Türrahmen kleben blieb. 9        Es wurde ein Siegelbruchprotokoll erstellt, in dem insbesondere Folgendes festgehalten wurde: „… –        Das gesamte Siegel war in der Höhe und in der Seite um circa 2 mm verdreht, so dass am unteren und am rechten Rand des Siegels Klebespuren sichtbar waren. –        Der Schriftzug ‚VOID‘ war deutlich erkennbar und auf der gesamten Siegelfläche, die sich jedoch weiterhin quer vom Türrahmen bis zur Türfläche befand und nicht zerrissen war. –        Nach Öffnung der Tür durch die Kommissionsbeamten (Herr [K.]), bei der das Siegel intakt blieb, d. h. nicht zerriss, waren auf der Siegelrückseite (Klebefläche) weiße Spuren des ‚VOID‘-Schriftzugs zu erkennen. –        Beim Ablösen des Siegels verbleibt der weiße ‚VOID‘-Schriftzug normalerweise auf dem Untergrund, was hier auch weitgehend der Fall war, da dieser sich tatsächlich auf der Türfläche befand. –        Allerdings fanden sich zahlreiche weiße Spuren auch auf der Klebefläche des Siegels, und zwar nicht an, sondern neben den entsprechenden transparenten Stellen der ‚VOID‘-Schriftzüge auf der Siegelrückseite.“ 10      Das Siegelbruchprotokoll wurde von je einem Vertreter der Kommission und des Bundeskartellamts unterzeichnet. Die Klägerin weigerte sich, das Protokoll zu unterzeichnen. 11      Am Nachmittag des 30. Mai 2006 wurden mit einem Mobiltelefon Digitalfotografien des Siegels erstellt. 12      Am 31. Mai 2006 verfasste die Klägerin eine „Ergänzende Erklärung … zum Nachprüfungsprotokoll über die Versiegelung vom 30. Mai 2006“, die wie folgt lautet: „1.      Nach Öffnen der Tür wurde eine Veränderung an den im Raum gelagerten Akten nicht festgestellt. 2.      Bei Ablösen des Siegels am Abend des 30. Mai vor dem Neuversiegeln war der Schriftzug ‚void‘ am Türrahmen völlig unverwischt. 3.      Herr [K.] war bei der Befestigung des Siegels am Vorabend anwesend und hatte den Eindruck, dass sich diese auffällig hinzog.“ 13      Am 9. August 2006 richtete die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 ein Auskunftsverlangen an die Klägerin. Diese antwortete darauf mit Schreiben vom 23. August 2006. Weitere Auskunftsverlangen wurden am 29. August 2006 an 3M, am 31. August 2006 an die für die Klägerin tätige Reinigungsfirma (im Folgenden: Reinigungsfirma) und am 1. September 2006 an den Sicherheitsdienst der Klägerin gerichtet. 14      Die zehn Mitglieder des Nachprüfungsteams füllten Fragebögen zu ihren Beobachtungen im Zusammenhang mit der Versiegelung und dem Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 aus. 15      Am 2. Oktober 2006 übermittelte die Kommission der Klägerin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Sie gelangte darin auf der Grundlage der verfügbaren Informationen u. a. zu dem Ergebnis, dass das Siegel erbrochen worden und dieser Siegelbruch der Klägerin aufgrund ihrer Organisationsgewalt im fraglichen Gebäude zuzurechnen sei. 16      Mit Schreiben vom 13. November 2006 nahm die Klägerin zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung. 17      Am 6. Dezember 2006 fand auf Antrag der Klägerin eine Anhörung durch den Anhörungsbeauftragten statt, an der auch 3M teilnahm. 18      Am 21. Dezember 2006 bestätigte 3M auf Verlangen der Kommission schriftlich bestimmte bei der Anhörung gemachte Aussagen. 19      Während des Verwaltungsverfahrens übermittelte die Klägerin der Kommission drei Gutachten eines naturwissenschaftlichen und medizinischen Instituts (im Folgenden: Institut). 20      Im ersten Gutachten des Instituts vom 21. März 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten I) wird die Reaktion des streitigen Siegels auf Scher- und Schälbelastungen analysiert. 21      Am 11. April 2007 beauftragte die Kommission Herrn Kr., einen beeidigten Sachverständigen für Klebetechnik und das Werkstoffverhalten von Kunststoffen, mit der Erstellung eines Gutachtens über bestimmte Aspekte der Funktionsfähigkeit und Handhabung des streitigen Siegels. Sein erstes Gutachten (im Folgenden: KR-Gutachten I) wurde am 8. Mai 2007 erstellt. 22      Im zweiten Gutachten des Instituts vom 15. Mai 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten II) wird die Reaktion des streitigen Siegels auf Zug-Scherbelastungen, Druck-Scherbelastungen und Schälbelastungen nach Einwirkung des Reinigungsmittels Synto (im Folgenden: Synto) analysiert. 23      Mit Schreiben vom 6. Juni 2007 teilte die Kommission der Klägerin neue Tatsachen mit, die seit der Mitteilung der Beschwerdepunkte ermittelt worden waren, basierend auf den Aussagen von 3M und dem KR-Gutachten I, und gab ihr die Möglichkeit, dazu schriftlich Stellung zu nehmen. 24      Am 6. Juli 2007 übermittelte die Klägerin der Kommission eine schriftliche Stellungnahme und beantragte eine weitere Anhörung. Dieser Antrag wurde zurückgewiesen. 25      Am 1. Oktober 2007 übermittelte die Klägerin der Kommission das dritte Gutachten des Instituts vom 27. September 2007 (im Folgenden: Institutsgutachten III), in dem die Reaktion des streitigen Siegels auf Schälbelastungen nach Alterung sowie nach der Einwirkung von Synto und Luftfeuchtigkeit analysiert wird. 26      Die Kommission beauftragte daraufhin Herrn Kr., zu den Argumenten und Ausführungen Stellung zu nehmen, die im Schreiben der Klägerin vom 6. Juli 2007 und in den Institutsgutachten II und III enthalten waren. Herr Kr. erstellte am 20. November 2007 sein zweites Gutachten (im Folgenden: KR-Gutachten II). 27      Mit Schreiben vom 23. November 2007 teilte die Kommission die seit ihrem Schreiben vom 6. Juni 2007 zusätzlich ermittelten Tatsachen der Klägerin mit. Zugleich gewährte sie ihr Zugang zu den entsprechenden Dokumenten, insbesondere zum KR-Gutachten II. 28      Am 10. Dezember 2007 nahm die Klägerin zu den am 23. November 2007 übersandten Dokumenten Stellung. 29      Am 15. Januar 2008 erhielt die Kommission ein weiteres Schreiben der Klägerin, dem eidesstattliche Versicherungen von 20 Personen beigefügt waren, die nach Angabe der Klägerin am Abend des 29. Mai 2006 im Besitz eines Schlüssels für den Raum G.505 waren (im Folgenden: Schlüsselinhaber). In diesen Versicherungen erklären diese Personen, dass sie im fraglichen Zeitraum (29. Mai 2006, 19.00 Uhr, bis 30. Mai 2006, 9.30 Uhr) entweder sich nicht im Gebäude G aufgehalten oder aber die Tür dieses Raums nicht aufgeschlossen hätten (Randnr. 42 der angefochtenen Entscheidung). 30      Am 30. Januar 2008 erließ die Kommission die Entscheidung C(2008) 377 endg. zur Festsetzung einer Geldbuße gemäß Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung Nr. 1/2003 wegen Siegelbruch (Sache COMP/B-1/39.326 – E.ON Energie AG; im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. September 2008 (ABl. C 240, S. 6) veröffentlicht wurde. 31      Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet: „Artikel 1 Die E.ON Energie AG hat ein von Vertretern der Kommission nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe d) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 angebrachtes Siegel erbrochen und zumindest fahrlässig gegen Artikel 23 Absatz 1 Buchstabe e) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verstoßen. Artikel 2 Wegen des in Artikel 1 genannten Verstoßes wird gegen die E.ON Energie AG eine Geldbuße in Höhe von EUR 38 000 000 festgesetzt. …“ Verfahren und Vorbringen der Parteien 32      Mit Klageschrift, die am 15. April 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 33      Die Klägerin beantragt, –        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären; –        hilfsweise, die Höhe der auferlegten Geldbuße auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen; –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 34      Die Kommission beantragt, –        die Klage insgesamt abzuweisen; –        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. 35      Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 14. April 2010 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Entscheidungsgründe 36      Die Klägerin stützt ihre Klage auf neun Klagegründe. Die ersten sieben betreffen die Feststellung des Siegelbruchs, die letzten beiden die Höhe der Geldbuße. 37      Mit dem ersten Klagegrund rügt die Klägerin ein Verkennen der Beweislast, mit dem zweiten einen Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“, mit dem dritten die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung, mit dem vierten die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung, mit dem fünften die nach ihrer Ansicht unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission, mit dem sechsten ein Verkennen „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können, mit dem siebten ein Nichtbeachten der Unschuldsvermutung, mit dem achten einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, da kein Verschulden der Klägerin nachgewiesen worden sei, und schließlich mit dem neunten einen Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße. Zum ersten Klagegrund: Verkennung der Beweislast Vorbringen der Parteien 38      Die Klägerin macht geltend, nach dem Grundsatz in dubio pro reo, der in Art. 6 Abs. 2 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankerten Unschuldsvermutung und Art. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 1/2003 trage die Kommission in Kartellbußgeldverfahren die Beweislast. Da die Kommission verpflichtet sei, die grundlegenden Garantien des Strafrechts zu beachten und das Vorliegen einer Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend zu beweisen, müssten Zweifel, die der Kommission blieben, zugunsten des Belasteten sprechen. Nach der Rechtsprechung bedürfe es gegenüber Unterstellungen der Kommission, nach denen festgestellte Tatsachen nur mit einer Zuwiderhandlung zu erklären seien, nur der Substantiierung der Umstände, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen ließen und damit eine andere Erklärung des Sachverhalts ermöglichten. 39      Zum Vortrag der Kommission, die Veränderung des Siegels erbringe jedenfalls einen „Anscheinsbeweis“ für den Tatbestand des Siegelbruchs, macht die Klägerin geltend, ein solcher Beweis sei mit dem Grundsatz in dubio pro reo unvereinbar. Ein „Anscheinsbeweis“ stelle daher in einem Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 kein zulässiges Beweismittel dar und reiche für den Nachweis einer geldbußenbewehrten Handlung keinesfalls aus. Selbst wenn die Kommission unter Bezugnahme auf einen „Anscheinsbeweis“ tatsächlich einen Indizienbeweis habe führen wollen, habe sie keinen Nachweis erbracht, da sie keine Indizien aufgezeigt habe. 40      Die Beweislast der Kommission werde im vorliegenden Fall durch ihr eigenes Verhalten noch verstärkt. 41      Erstens habe die Kommission bei der Verwendung der Siegel keine geeigneten Maßnahmen zur Begrenzung des Risikos von positiven „Fehlreaktionen“ (nämlich dem Auftreten von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel, ohne dass dieses abgelöst worden wäre), insbesondere aufgrund der Überschreitung der Lagerfrist, ergriffen. Die Kommission hätte daher nachweisen müssen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 trotz Überschreitung seiner maximalen Lagerdauer geeignet und funktionsfähig gewesen sei. Herstellerangaben reichten hierfür nicht aus, zumal 3M in seinem Datenblatt zur Sicherheitsfolie (im Folgenden: Datenblatt) eine maximale Lagerdauer von zwei Jahren angebe und auch in der Beantwortung des Fragebogens der Kommission keine endgültige Stellungnahme zur genauen Lebensdauer des Produkts geben könne. Die Kommission habe einen entsprechenden Beweis auch nicht durch die Tests von Herrn Kr. erbracht, die im Übrigen nicht am streitigen Siegel selbst vorgenommen worden seien. Schließlich deuteten die Institutsgutachten auf eine höhere Sensibilität des Siegelaufklebers aufgrund der Art und Weise seiner Anbringung und der Luftfeuchtigkeit hin. 42      Zweitens habe die Kommission die an Ort und Stelle erforderlichen Beweissicherungsmaßnahmen, nämlich Fotoaufnahmen vom streitigen Siegel vor dem Öffnen der Tür, vernachlässigt, dies insbesondere in Anbetracht der Äußerungen zum Zustand des streitigen Siegels, die ihre Vertreter gegenüber den Vertretern der Kommission am Morgen des 30. Mai 2006 gemacht hätten. Das Siegelbruchprotokoll allein stelle in dieser Hinsicht keinen ausreichenden Beweis für den Zustand des streitigen Siegels dar, da es erst nach der Nachprüfung erstellt worden sei. 43      Angesichts des Grundsatzes in dubio pro reo und der Intensivierung der Beweisbelastung könne ein von der Klägerin zu verantwortender Siegelbruch nicht festgestellt werden. Die Kommission habe keinen über alle ernsthaften Zweifel erhabenen Beweis der Tatbestandsverwirklichung geführt. 44      Entgegen der Behauptung der Kommission sei der Klagegrund nicht abstrakt, sondern streite konkret dafür, dass nicht bewiesen sei, dass im Verantwortungsbereich der Klägerin liegende Umstände die Veränderung des Zustands des streitigen Siegels herbeigeführt hätten. Selbst ohne die von der Klägerin vorgelegten Gutachten wäre daher die Verhängung einer Sanktion in Form einer Geldbuße nicht gerechtfertigt. In einem Bußgeldverfahren sei es nicht Sache des betroffenen Unternehmens, entlastende Umstände oder „alternative Geschehensabläufe“ nachzuweisen. Vielmehr müsse die Kommission umfassend allen be- und entlastenden Umständen nachgehen und den uneingeschränkten und über alle ernstlichen Zweifel erhabenen Nachweis führen, dass der Klägerin zurechenbare Umstände den Zustand des streitigen Siegels maßgeblich verändert hätten. Die bloße Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung genüge für die Auferlegung einer Geldbuße nicht, zumal die Klägerin hinreichende Zweifel an der Beweisführung geweckt habe. 45      Selbst wenn man unterstelle, die Kommission habe zunächst scheinbar tragfähige Beweise für eine Verwirklichung des Tatbestands des Siegelbruchs beigebracht, habe die Klägerin erfolgreich den Gegenbeweis geführt. Jedenfalls habe sie Zweifel daran wecken können, dass die Beweise der Kommission für den Nachweis der Zuwiderhandlung genügten. Anders als die Kommission in Randnr. 44 der Entscheidung suggeriere, habe es die Klägerin nicht bei dem „bloße[n] Hinweis auf eine mögliche alternative Erklärung“ bzw. bei dem „Hinweis auf die theoretische Möglichkeit eines … atypischen Geschehensablaufs“ für das Vorliegen des Siegelbruchs bewenden lassen, sondern durch mehrere Gutachten des Instituts dargelegt und nachgewiesen, dass bestimmte Umstände, nämlich die Verwendung eines überalterten Siegels, Luftfeuchtigkeit, an Türblatt und Türrahmen auftretende Vibrationen und sich daraus ergebende Scherspannungen sowie die Einwirkung von Synto, eine leichte Kriechbewegung hätten hervorrufen und so zu dem vom Nachprüfungsteam beobachteten „Schadensbild“ hätten führen können. In einem Bußgeldverfahren könnten eventuelle Besonderheiten bei der Auswahl des Siegel-Vorprodukts (Sicherheitsfolie) und seiner Lagerung und Anwendung durch die Kommission nicht schlicht unerheblich sein. 46      Die Klägerin schlägt zum vorliegenden Klagegrund gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung vor, ihren Anwalt sowie einen Bediensteten von E.ON als Zeugen über den Zustand zu vernehmen, in dem sich das streitige Siegel am Morgen des 30. Mai 2006 befunden hat. 47      Nach Auffassung der Kommission ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, da er abstrakt und ohne Prüfung der konkreten Auswirkungen auf die Beweiswürdigung und die angefochtene Entscheidung formuliert sei. Hilfsweise tritt sie dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 48      Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen (Urteile des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Randnr. 58, und vom 6. Januar 2004, BAI und Kommission/Bayer, C‑2/01 P und C‑3/01 P, Slg. 2004, I‑23, Randnr. 62; Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601, Randnr. 688). Hierzu muss die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 28. März 1984, CRAM und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 127; Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999, Riviera Auto Service u. a./Kommission, T‑185/96, T‑189/96 und T‑190/96, Slg. 1999, II‑93, Randnr. 47). 49      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Handlung nachzuprüfen hat (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 174). 50      Demnach besteht die Rolle des Richters, der mit einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission befasst wird, mit der eine Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbsrechts festgestellt worden ist und den Adressaten der Entscheidung Geldbußen auferlegt worden sind, in der Prüfung, ob die von der Kommission in ihrer Entscheidung angeführten Beweise und sonstigen Darlegungen genügen, um das Vorliegen der festgestellten Zuwiderhandlung zu beweisen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 175). 51      Dem Richter verbleibende Zweifel müssen dem Unternehmen, an das die eine Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung gerichtet ist, zugutekommen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, Slg. 1978, 207, Randnr. 265). Der Richter kann also, besonders im Rahmen einer Klage auf Nichtigerklärung einer eine Geldbuße verhängenden Entscheidung, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 177). 52      In diesem Fall ist nämlich der insbesondere in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, der zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Februar 1984, Öztürk, Serie A, Nr. 73, und vom 25. August 1987 Lutz, Serie A, Nr. 123-A; Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Randnrn. 149 und 150, sowie Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Randnrn. 175 und 176; Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 178). 53      Die Klägerin stützt sich auf die Rechtsprechung zu den gemäß Art. 81 EG verbotenen aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, wonach ein Parallelverhalten der betroffenen Unternehmen nur dann als Beweis für eine gegen diese Vorschrift verstoßende Abstimmung angesehen werden kann, wenn es sich nur durch die Abstimmung einleuchtend erklären lässt (Urteil CRAM und Rheinzink/Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnr. 16). Bei aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen hat die Kommission daher im Licht des Vorbringens der betroffenen Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens sämtliche möglichen Erklärungen für das fragliche Verhalten zu prüfen und darf eine Zuwiderhandlung nur dann bejahen, wenn diese die einzige plausible Erklärung ist. 54      Stellt die Kommission gestützt auf das Verhalten der betroffenen Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln fest, erklärt der Unionsrichter die fragliche Entscheidung somit für nichtig, wenn das Vorbringen dieser Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lässt und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglicht als die der Kommission, dass eine Zuwiderhandlung vorliege (Urteile CRAM und Rheinzink/Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnr. 16, und Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 48 angeführt, Randnrn. 126 und 127). 55      Ebenso wie die betroffenen Unternehmen, wenn sich die Kommission im Rahmen der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Art. 81 EG und 82 EG auf schriftliche Beweismittel stützt, nicht nur eine plausible Alternative zur Auffassung der Kommission darzutun haben, sondern außerdem aufzeigen müssen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, Randnrn. 725 bis 728, sowie JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 187), müssen sie jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn sich die Kommission auf direkte Beweise stützt, dartun, dass die von der Kommission herangezogenen Beweise nicht genügen. Es ist bereits entschieden worden, dass eine solche Umkehr der Beweislast nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil Montecatini/Kommission, oben in Randnr. 52 angeführt, Randnr. 181). 56      Zudem ist festzustellen, dass ein Unternehmen die Beweislast nicht auf die Kommission abwälzen kann, indem es sich auf Umstände beruft, die es nicht beweisen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 262, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnr. 343). Stützt sich also die Kommission auf Beweismittel, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Vielmehr muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich (vgl. in diesem Sinne Urteile Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnrn. 261 und 262, sowie JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 49 angeführt, Randnrn. 342 und 343), rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt. 57      Die Klägerin trägt im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung einen über alle ernsthaften Zweifel erhabenen Beweis führen müssen, dass die am 30. Mai 2006 festgestellte Veränderung des Zustands des streitigen Siegels der Klägerin zurechenbar sei, nachdem sie aufgezeigt habe, dass sich dieser Zustand durch die verschiedenen von ihr angeführten Umstände nicht erklären lasse. Es sei nicht ihre Sache, entlastende Umstände oder „alternative Geschehensabläufe“ nachzuweisen. Eine bloße Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung genüge für die Auferlegung einer Geldbuße nicht, zumal die Klägerin hinreichende Zweifel an der Beweisführung geweckt habe. Die Klägerin verweist insoweit im Rahmen des ersten Klagegrundes auf die Überalterung des streitigen Siegels, Luftfeuchtigkeit, an Türblatt und Türrahmen auftretende Vibrationen und sich daraus ergebende Scherspannungen sowie die Einwirkung von Synto, die eine leichte Kriechbewegung des streitigen Siegels hätten hervorrufen und so zu dem vom Nachprüfungsteam beobachteten „Schadensbild“ hätten führen können. 58      Hierzu ist festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission der Klagegrund der Klägerin nicht abstrakt ist, da diese im Wesentlichen geltend macht, die Kommission habe, indem sie die Beweislastregeln des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts missachtet habe, nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die Veränderung des Zustands des streitigen Siegels durch der Klägerin zurechenbare Umstände herbeigeführt worden sei, so dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei. 59      Aus der angefochtenen Entscheidung geht jedoch hervor, dass die Kommission die Beweislastregeln des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts nicht missachtet hat. Zum einen heißt es nämlich in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich, dass es „Sache der Kommission ist, die für den Beweis des behaupteten Siegelbruchs notwendigen Tatsachen vorzutragen“. Zum anderen stützte die Kommission ihre Feststellung eines Siegelbruchs auf den Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006, das auf seiner gesamten Fläche den Schriftzug „VOID“ und auf der Rückseite Klebstoffreste aufgewiesen habe, wie insbesondere aus den Aussagen der Inspektoren der Kommission und des Bundeskartellamts und den Feststellungen im Siegelbruchprotokoll hervorgeht (Randnrn. 75 und 76 der angefochtenen Entscheidung). 60      Somit hat die Kommission insbesondere durch Bezugnahme auf die Aussagen der sechs vor Ort anwesenden Inspektoren und auf die Unterzeichnung des Versiegelungsprotokolls durch die Klägerin zunächst festgestellt, dass das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 ordnungsgemäß angebracht worden sei (Randnrn. 50 und 51 der angefochtenen Entscheidung). Sodann hat die Kommission, wie in vorstehender Randnr. 59 hervorgehoben, eine Veränderung des Zustands dieses Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 festgestellt, die die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs beweise. 61      Unabhängig von dem – im Rahmen der Klagegründe 3 bis 5 zu prüfenden – Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission gestützt hat, hat die Kommission in Randnr. 44 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass „der bloße Hinweis auf die theoretische Möglichkeit eines … atypischen Geschehensablaufs … nicht ausreichen [kann]“, um eine Zuwiderhandlung auszuschließen. Nach den oben in den Randnrn. 55 und 56 dargelegten Grundsätzen hatte die Klägerin nämlich nicht nur das Vorliegen der verschiedenen Umstände, die sie zur Erklärung des Zustands des streitigen Siegels am 30. Mai 2006 anführte, zu belegen, sondern auch nachzuweisen, dass diese Umstände den Beweiswert der von der Kommission vorgelegten Beweismittel in Frage stellen. 62      Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Alternativerklärungen für den Zustand des streitigen Siegels am 30. Mai 2006 geprüft. Sie gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass mit diesen Erklärungen nicht nachgewiesen werde, dass dieser Zustand auf andere Umstände als einen Siegelbruch zurückgehe (Randnrn. 62 bis 68 und 77 bis 98 der angefochtenen Entscheidung). Somit liegt kein Verstoß gegen die Grundsätze der Beweislast vor. 63      Schließlich geht die Behauptung der Klägerin fehl, die Beweislast der Kommission sei durch zwei Umstände, nämlich die angebliche Überalterung des streitigen Siegels und das Fehlen von Fotografien, auf denen der Zustand des streitigen Siegels vor Öffnung der Tür festgehalten ist, verschärft worden. Sofern das Vorliegen dieser Umstände hinreichend erwiesen ist, wird zu prüfen sein, ob die Beweismittel der Kommission im Licht des Vorbringens der Klägerin zu diesen Umständen für die Feststellung eines Siegelbruchs im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 rechtlich ausreichen. Diese Prüfung ist im Rahmen der Klagegründe 3 bis 5 vorzunehmen. 64      Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“ Vorbringen der Parteien 65      Die Klägerin verweist auf die Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission (56/64 und 58/64, Slg. 1966, 322), und vom 21. November 1991, Technische Universität München (C‑269/90, Slg. 1991, I‑5469), und trägt vor, dass die Kommission nach dem „Untersuchungsgrundsatz“ verpflichtet sei, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen. Gegen diesen „Grundsatz“ sei im vorliegenden Fall verstoßen worden. 66      Erstens hätte die Kommission den „offensichtlichen Unklarheiten“ hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto nachgehen müssen. Sie hätte sich nicht auf die Aussage beschränken dürfen, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für die Tests verwendet habe (Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung). Das Institut habe in Synto den Inhaltsstoff 2-(2-ButoxyEthoxy)Ethanol nachgewiesen (Institutsgutachten II). Dieser Inhaltsstoff greife eine Vielzahl organischer Substanzen an. Hingegen habe Herr Kr. die Zusammensetzung von Synto nicht selbst analysiert, sondern angenommen, es handele sich bei dem Reinigungsmittel um „eine wässrige tensidhaltige Lösung mit Anteilen von 2-Butoxyethanol und 2‑Propanol (Isopropylalkohol)“. Eine solche Substanz habe lediglich die Wirkung eines Alkohols, während die vom Institut nachgewiesene Substanz auch die Wirkung eines Ethers habe und damit zusätzliche lösende Wirkung gegenüber Klebstoffen, Filzschreiberspuren usw. entfalte. Die Untersuchungsergebnisse des Instituts hätten die Kommission zu weiteren Analysen hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto veranlassen müssen. Die Kommission habe darauf nicht allein deshalb verzichten können, weil die einzige Synto-Variante, die weitgehend wasserfrei sei (im Folgenden: Synto Forte), nach Herstellerangaben nicht in den verwendeten Einliterflaschen verkauft werde (Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung). Fehldeklarationen des Herstellers und/oder spätere Umfüllungen von Synto könnten nicht ausgeschlossen werden. 67      Die Kommission habe auch unberücksichtigt gelassen, dass die Reinigungsfirma kurz vor der Nachprüfung von ihrem zuvor verwendeten Reinigungsmittel (Synto Forte) auf Synto umgestellt habe, worauf die Klägerin die Kommission in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 19. Oktober 2007 hingewiesen habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Reinigungsfirma noch über restliches Synto Forte verfügt habe. Die Kommission hätte ohne Weiteres eine Analyse des verwendeten Reinigungsmittels durchführen können, da ihr die Klägerin angeboten habe, einen Teil des verbliebenen Flascheninhalts zu übersenden. 68      Zweitens habe die Kommission dadurch ihre Untersuchungspflicht verletzt, dass sie keine Ermittlungen hinsichtlich der Möglichkeit angestrengt habe, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde. Die Kommission verkenne in den Randnrn. 98 und 100 der angefochtenen Entscheidung, dass die Tür des fraglichen Raums neben der Versiegelung zusätzlich durch Verschließen vor unbefugtem Zutritt gesichert gewesen sei. Die eidesstattlichen Versicherungen der 20 Schlüsselinhaber zeigten, dass die Tür des betreffenden Raums in der fraglichen Nacht weder aufgeschlossen noch geöffnet worden sei. Die Klägerin beantragt gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung zum Beweis hierfür die Vernehmung dieser Personen als Zeugen. 69      Soweit die Kommission behaupte, dass sich andere Personen bei den Schlüsselinhabern einen Schlüssel für den Raum G.505 hätten beschaffen können (Randnr. 98 der angefochtenen Entscheidung), hätte sie angesichts ihrer Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts eine Erweiterung der eidesstattlichen Versicherungen fordern oder selbst zum Verbleib der Schlüssel ermitteln müssen. 70      Auch soweit die Kommission vortrage, die eidesstattlichen Versicherungen schlössen nicht aus, dass „die Tür auf andere Weise geöffnet wurde“ (Randnr. 98 der angefochtenen Entscheidung), hätte sie Untersuchungen am Schloss und an der Tür für den Raum G.505 zum Nachweis eines Einbruchs oder sonstigen Manipulationsversuchs durchführen müssen. Eine entsprechende Untersuchung der Materialoberflächen hätte zu der Erkenntnis geführt, dass eine Öffnung der Tür auf andere Weise ausgeschlossen werden könne. 71      Es sei nicht anzunehmen, dass sie gezielt einen der Schlüsselinhaber dazu veranlasst habe, das Siegel zu beschädigen bzw. die Tür zu öffnen. Durch eine falsche eidesstattliche Versicherung würde sich diese Person nach deutschem Recht möglicherweise strafbar machen und sich schwerwiegenden Regressansprüchen aussetzen. 72      Drittens habe die Kommission durch die Gestaltung der Frage 6 der Inspektorenbefragung, die die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren verhindert oder beeinflusst habe, den „Untersuchungsgrundsatz“ verletzt. 73      Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen, da die Klägerin nur allgemeine Erwägungen anstelle, ohne darzulegen, wie die erhobenen Vorwürfe die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen könnten. Hilfsweise tritt sie dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 74      Wie oben in den Randnrn. 48 und 49 hervorgehoben, hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend belegen. Hierzu muss sie hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat. 75      Ferner ist hervorzuheben, dass die Kommission nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Aufklärung des rechtserheblichen Sachverhalts beitragen muss (Urteil Consten und Grundig/Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, S. 395). 76      Zu den von der Gemeinschaftsrechtsordnung gewährten Garantien gehört u. a. die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil Technische Universität München, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 14, und Urteil des Gerichts vom 18. September 1995, Nölle/Rat und Kommission, T‑167/94, Slg. 1995, II‑2589, Randnr. 73). 77      Insoweit ist vorab festzustellen, dass die Klägerin mit ihrem Klagegrund dartun will, dass die Kommission nicht die relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls untersucht habe, da sie Unklarheiten hinsichtlich der Zusammensetzung von Synto nicht nachgegangen sei und hinsichtlich der Möglichkeit eines Zutritts zum Raum G.505 nicht ausreichend ermittelt habe. Sollten diese Unzulänglichkeiten gegebenenfalls den Beweiswert der Beweismittel mindern, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführt hat, wären sie geeignet, deren Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen. 78      Was als Erstes die Rüge der Klägerin angeht, die Kommission habe Unklarheiten hinsichtlich der Zusammensetzung des am 30. Mai 2006 verwendeten Reinigungsmittels nicht ausgeräumt, ist erstens festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung, anders als von der Klägerin vorgetragen, nicht lediglich ausführt, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für seine Tests verwendet habe. Die Kommission führt in dieser Randnummer zum einen aus, nach den KR-Gutachten I und II habe die Einwirkung von Synto auf die Oberfläche des streitigen Siegels keinen Einfluss auf dessen Funktionsweise. Zum anderen weist sie die Behauptung der Klägerin zurück, Herr Kr. habe für seine Tests nicht das Originalreinigungsmittel verwendet. 79      Zunächst weist die Kommission nämlich darauf hin, dass sie sich von der Reinigungsfirma selbst genau dasjenige Originalreinigungsmittel habe zusenden lassen, das in den Räumen der Klägerin in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 verwendet worden sei, und dass ausschließlich dieses Reinigungsmittel in den verschiedenen Testreihen verwendet worden sei. Sodann bezieht sich ihre Angabe in Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung, ihr sei unbekannt, welches Mittel das Institut für seine Tests verwendet habe, auf den Vortrag der Klägerin, das Institut habe das ihm von ihr zugesandte Mittel getestet und festgestellt, dass es sich um ein wasserfreies Lösungsmittel mit dem Hauptinhaltsstoff 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol handele. Nach Herstellerangaben wird Synto Forte, die einzige Synto-Variante, die weitgehend wasserfrei sei, nicht in den für die Reinigung der Tür des Raums G.505 verwendeten Einliterflaschen verkauft und nicht als Reinigungsmittel, sondern als Fleckenentferner eingesetzt. 80      Zweitens musste die Kommission die Zusammensetzung von Synto nicht analysieren, da sie für ihre Tests das Synto verwendete, das die Reinigungsfirma an der Tür des Raums G.505 benutzt und ihr unmittelbar zugesandt hatte, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage hierzu nicht bestritten hat. Überdies geht aus dem Schreiben der Reinigungsfirma vom 5. September 2006 an die Kommission, insbesondere ihrer Antwort auf die zweite Frage der Kommission, hervor, dass für die Reinigung der Tür des genannten Raums tatsächlich Synto verwendet wurde. Schließlich ist in dem Sicherheitsdatenblatt des Mittels Synto 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol nicht als Inhaltsstoff erwähnt. 81      Drittens bestreitet die Klägerin nicht, dass Synto Forte nach den Angaben des Herstellers auf dessen Internetseite nicht in den von der Reinigungsfirma verwendeten Einliterflaschen vertrieben wird. Insoweit ist das Vorbringen der Klägerin, Fehldeklarationen des Herstellers oder spätere Umfüllungen könnten nicht ausgeschlossen werden, nicht überzeugend und jedenfalls nicht belegt. 82      Viertens ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Reinigungsfirma noch über restliches Synto Forte, der zuvor verwendeten aggressiveren Variante von Synto, verfügt habe. Zum einen legt die Klägerin nämlich nicht dar, warum diese für Oberflächen aus Holz schädlichere Variante zur Reinigung der Türen ihrer Räume verwendet worden sein soll. Zum anderen geht aus Randnr. 85 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Kommission von der Reinigungsfirma selbst genau das in den Räumen der Klägerin am 30. Mai 2006 verwendete Reinigungsmittel zusenden ließ und dass ausschließlich dieses Reinigungsmittel in den verschiedenen Testreihen verwendet wurde. Diese Aussage hat die Klägerin nicht bestritten. 83      Da das Reinigungsmittel, mit dem der von der Kommission beauftragte Sachverständige seine Tests durchführte, genau dasselbe war wie das von der Reinigungsfirma in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 verwendete, bestand für die Kommission kein Grund, seine Zusammensetzung analysieren zu lassen. 84      Als Zweites rügt die Klägerin, die Kommission habe gegen den „Untersuchungsgrundsatz“ verstoßen, indem sie keine Ermittlungen hinsichtlich der Möglichkeit angestrengt habe, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde. 85      Nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission Geldbußen festsetzen, wenn „die von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen … angebrachten Siegel“ vorsätzlich oder fahrlässig erbrochen wurden. Nach dieser Bestimmung trägt somit die Kommission die Beweislast für den Siegelbruch. Sie muss jedoch nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde oder dass darin gelagerte Dokumente manipuliert wurden. Im vorliegenden Fall geht aus den Randnrn. 74 bis 76 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission tatsächlich annahm, dass das streitige Siegel erbrochen worden sei. Sie führt hierzu insbesondere aus (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung), dass „[d]er Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 … den eindeutigen Schluss darauf zu[lässt], dass das Siegel über Nacht von der Bürotür abgelöst wurde, so dass diese zwischenzeitlich geöffnet werden konnte“. Angesichts der vorstehenden Erwägungen gehen die Behauptungen der Klägerin, dass die Tür des betroffenen Raums in der fraglichen Nacht weder aufgeschlossen noch geöffnet worden sei, die durch die eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber belegt würden, ins Leere. 86      Jedenfalls können, wie die Kommission hervorhebt, die eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber, die zwischen dem 2. September und dem 22. Dezember 2007, also fast eineinhalb Jahre nach dem Ereignis, abgegeben wurden, nichts an dem Ergebnis ändern, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Vorliegens eines Siegelbruchs gelangt ist, da ausweislich der Antworten der Klägerin auf das Auskunftsverlangen der Kommission Dritte potenziell Zugang zu einem Schlüssel hatten, mit dem sich die Tür des Raums G.505 öffnen ließ. Die Kommission war daher nicht zu Ermittlungen verpflichtet hinsichtlich der etwaigen Möglichkeit, dass Dritten zu dem Raum G.505 von Schlüsselinhabern Zutritt verschafft oder der Raum auf andere Weise betreten wurde. 87      Als Drittes rügt die Klägerin, die Kommission habe durch die Gestaltung der Frage 6 der Inspektorenbefragung, die die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren verhindert oder beeinflusst habe, den „Untersuchungsgrundsatz“ verletzt. 88      Dem ist nicht zu folgen. Mit dieser Frage sollten die Mitglieder des Nachprüfungsteams nämlich nach Anhaltspunkten für einen Siegelbruch befragt werden, insbesondere im Hinblick auf die im Siegelbruchprotokoll getroffenen Feststellungen, dass „VOID“-Zeichen auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels lesbar gewesen seien und dass sich um den Rand des Siegels herum und auf dessen Rückseite Klebstoffreste befunden hätten. Durch die Gestaltung des Fragebogens wurde somit die Wiedergabe der eigenen Wahrnehmungen der Inspektoren nicht verhindert. 89      Im Übrigen geht aus den Antworten der Inspektoren auf diesen Fragebogen hervor, dass sie bei Frage 6 insoweit ihre einschlägigen persönlichen Erinnerungen angaben. So erklärte Herr Kl., dass er sofort den Eindruck gehabt habe, „dass das Siegel seit seiner Aufbringung verletzt worden war [und dass er die] Beobachtungen, die diesen Schluss zulassen, … schriftlich festgehalten und dem Siegelbruchprotokoll als Anlage beigefügt [hat]“. Herr Ko. erklärte, ihm sei „aufgefallen, dass das Siegel ‚verrutscht‘ war und die Schrift VOID zu sehen war“, er habe sich „aber die Rückseite des Siegels nicht angeschaut“. Herr L. gab an, er habe sich „persönlich … vom Zustand des Siegels am darauf folgenden Tag überzeugt“, „[e]s war ungefähr 2 mm verschoben“, aber er habe „nicht speziell darauf geachtet, dass es ein void-Zeichen gab auf dem Siegel“. Auch Herr N. gab an, „mir ist klar erinnerlich, dass auf dem gesamten Siegel das Zeichen ‚VOID‘ lesbar war“, und „[f]ür einen Siegelbruch sprachen auch Klebstoffreste an der Tür, knapp neben dem Rand des Siegels“. Herr M. schließlich gab an: „Die Protokollbeschreibung trifft zu. Punkt b) würde ich wie folgt konkreter fassen: Klebstoffreste an zwei Rändern des Siegels, bei denen es sich um ca. 1-2 mm lange Teile des Schriftzeichens ‚void‘ handelte“. 90      Daraus folgt, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist. Zum dritten Klagegrund: unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung Vorbringen der Parteien 91      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in Randnr. 5 unzutreffend als erwiesen angenommen, dass das streitige Siegel bei seiner Anbringung am Raum G.505 am 29. Mai 2006 unversehrt gewesen sei und fest auf Tür und Rahmen geklebt habe, als das Nachprüfungsteam die Geschäftsräume gegen 19.30 Uhr verlassen habe. 92      Erstens sei die ordnungsgemäße Anbringung des Siegels an der Tür nicht unstreitig. Bereits in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte habe sie das feste Haften des Siegels auf dem Untergrund bestritten. Dem Inhalt der Verwaltungsakte könne allenfalls entnommen werden, dass das streitige Siegel nach dem oberflächlichen Eindruck der anwesenden Inspektoren auf dem Untergrund festgehalten habe, was für die Feststellung ordnungsgemäßer Anbringung nicht genüge. Im Datenblatt heiße es, ein derartiges Siegel hafte auf verschiedenen Oberflächen, vorausgesetzt, sie seien vorher gereinigt worden. Eine solche Reinigung sei jedoch nicht erfolgt. Außerdem bestünden die betreffende Tür aus lackierten Schalldämmtürblättern und der Rahmen aus eloxiertem Aluminium, und diese Materialien seien im Datenblatt nicht genannt. 93      Es sei auch nicht nachgewiesen, dass das Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei. Selbst 3M gestehe die Möglichkeit einer Vorschädigung durch Falschbehandlung ein (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung). Aus dem Institutsgutachten III gehe hervor, dass das Aufbringen eines nicht den Herstellervorgaben entsprechenden Siegels nicht zwangsläufig zu einem sofortigen Erscheinen der „VOID“-Schriftzüge auf dem Siegel führe. Daher sei die Behauptung, dass jegliches Anzeichen für mangelnde Haftung des streitigen Siegels von den Anwesenden sofort bemerkt worden wäre (Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung), unhaltbar. Ferner treffe es nicht zu, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß von der Schutzfolie gelöst worden sei, ohne Probleme habe befestigt werden können, unversehrt und ohne sichtbare „VOID“-Schriftzüge an Tür und Türrahmen des Raums G.505 geklebt habe und gründlich von bestimmten Inspektoren begutachtet worden sei. Sie habe dies nicht feststellen können, und die Kommission habe keinen entsprechenden Beweis geführt. Die Aussagen der Inspektoren zum Hergang der Anbringung des streitigen Siegels seien in sich widersprüchlich. 94      Zu den Ausführungen in Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung trägt die Klägerin vor, es sei unwahrscheinlich, dass der Hersteller derart detaillierte Vorgaben zur Handhabung des Produkts mache, wenn diese in jedem Fall überflüssig seien. Außerdem habe 3M als Herstellerin kein Interesse daran, die Zuverlässigkeit ihres Produkts in Frage zu stellen. Die Kommission könne daher nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das streitige Siegel „unversehrt“ gewesen sei und „fest auf Tür und Rahmen des Raums G.505 [klebte]“ (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung). 95      Zweitens bestätige der Umstand, dass am 29. Mai 2006 ein Vertreter der Klägerin das Versiegelungsprotokoll unterzeichnet habe, lediglich die Durchführung einer behördlichen Versiegelung und nicht die Fehlerfreiheit der Anbringung, da die Klägerin Vorschäden oder Mängel der Anwendung des streitigen Siegels nicht sofort habe erkennen können. 96      Drittens seien die angeblichen Erfahrungen der Kommission und die Versuche von Herrn Kr. unerheblich. Der bloße Umstand, dass es angeblich bei anderen Siegeln aus derselben Produktion, die seit 2004 verwendet worden seien, keine Probleme mit der Haftung oder „positive Fehlreaktionen“ gegeben habe (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), erlaube nicht die Schlussfolgerung, dass eine positive Fehlreaktion ausgeschlossen oder unwahrscheinlich sei. Herr Kr. habe selbst eingeräumt, dass aufgrund seiner Untersuchungen nicht beurteilt werden könne, inwiefern sich seine Beobachtungen verallgemeinern ließen. Die Ergebnisse von Herrn Kr. hätten „statistisch abgesichert“ werden müssen. 97      Viertens sei die Behauptung der Kommission, bei Verwendung auf gewöhnlichen Bürotüren aus (lackiertem) Aluminium sei ein korrektes Funktionieren der Siegel zu erwarten (Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung), unhaltbar, da nie festgestellt worden sei, dass die Tür des Raums G.505 aus Aluminium hergestellt sei. Auch der betreffende Türrahmen bestehe nicht aus lackiertem, sondern aus eloxiertem – d. h. aus Korrosionsschutzgründen mit einer oxidischen Schutzschicht überzogenem – Aluminium. 98      Nach Auffassung der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen. Würdigung durch das Gericht 99      Es ist unstreitig, dass der Raum G.505 am 29. Mai 2006 gegen 19.15 Uhr mittels eines amtlichen Siegels der Kommission versiegelt wurde. Die Klägerin hält es jedoch nicht für erwiesen, dass dieses Siegel ordnungsgemäß angebracht wurde. Der oberflächliche Eindruck der bei der Anbringung des Siegels anwesenden Inspektoren lasse lediglich den Schluss zu, dass das streitige Siegel auf dem Untergrund festgehalten habe. Es könne jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 unversehrt und fest auf Tür und Rahmen des Raums G.505 geklebt habe. 100    Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt: „Die Versiegelung erfolgte … in korrekter Weise. Das Siegel haftete einwandfrei auf dem Untergrund bestehend aus Tür und Türrahmen und wies nach seiner Aufbringung … auf seiner blau-gelben Oberfläche keine VOID-Zeichen auf“ (Randnr. 50 der angefochtenen Entscheidung). 101    Sie stützte sich hierbei in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 5, 50 und 51) auf das Versiegelungsprotokoll und auf die Antworten der sechs bei der Anbringung des streitigen Siegels anwesenden Inspektoren auf die Frage 3 des an die Inspektoren gerichteten Fragebogens. 102    Als Erstes ist daher zu prüfen, ob die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß angebracht worden war. 103    Erstens ist in dem Versiegelungsprotokoll zum einen vermerkt, dass der Raum G.505 am 29. Mai 2006 um 19.15 Uhr gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 versiegelt wurde, und zum anderen, dass ein Vertreter der Klägerin, Herr P., über die Bestimmungen der Art. 20 Abs. 2 Buchst. d und 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 belehrt und darauf hingewiesen wurde, dass gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängt werden können, wenn Siegel vorsätzlich oder fahrlässig aufgebrochen werden. Das Protokoll wurde von Herrn Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, Herrn J., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, und dem Vertreter der Klägerin, Herrn P., unterzeichnet. 104    Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist mit dem Versiegelungsprotokoll hinreichend nachgewiesen, dass das streitige Siegel ordnungsgemäß angebracht wurde. Das fragliche Protokoll bestätigt nämlich eine Versiegelung „gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003“, die von einem Vertreter der Klägerin nach Belehrung über die einschlägigen Bestimmungen durch Unterzeichnung anerkannt wurde. Nur eine ordnungsgemäße Versiegelung kann jedoch als Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden. 105    Jedenfalls darf angenommen werden, dass die Klägerin, wenn sie am Abend des 29. Mai 2006 eine Unregelmäßigkeit bei der Anbringung des streitigen Siegels oder „VOID“-Zeichen darauf bemerkt hätte, dazu sogleich Stellung genommen hätte, da ihr die Bedeutung solcher Zeichen sehr wohl bekannt war (vgl. auch Randnr. 51 der angefochtenen Entscheidung). Zudem hat der Sicherheitsdienst der Klägerin, wie die Kommission hervorhebt, angegeben, dass bei zwei Rundgängen im Gebäude G nach der Überprüfung des streitigen Siegels mehrere Stunden nach dessen Anbringung keinerlei Veränderung festgestellt worden sei. Somit ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die „VOID“-Schriftzüge hätten aufgrund einer Vorschädigung des streitigen Siegels durch Falschbehandlung erst später erscheinen können. 106    Zweitens wird die ordnungsgemäße Anbringung des streitigen Siegels durch die Antworten der sechs bei der Versiegelung anwesenden Inspektoren der Kommission und des Bundeskartellamts bestätigt, auf die die Kommission in den Randnrn. 5 und 50 der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt. 107    So gab Herr Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, an: „Ich bin mir absolut sicher, dass das Siegel unversehrt war, …[und habe mich davon] persönlich und besonders gründlich überzeugt. [Das streitige Siegel] klebte fest an Tür und Türrahmen und kein ‚VOID‘-Zeichen war erkennbar“. 108    Auch Herr L., Mitarbeiter der Kommission, gab an: „… es ist sicher, dass das Siegel unversehrt war, als [die Inspektoren] das Gebäude verlassen haben. Wir haben uns das Siegel noch genau angeschaut und [nach]gesehen, ob es gut installiert war.“ 109    Frau W., Mitarbeiterin der Kommission, gab an: „Es ist sicher, dass [das streitige Siegel] richtig an der Tür haftete. Es war richtig angebracht worden … es sah ‚normal‘ aus. Es war an der richtigen Stelle auf der Tür angebracht. Es hatte die normalen Farben: dunkelblau und hellgelb. Es waren keine ‚void‘-Zeichen zu sehen.“ 110    Herr N., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „Nach meiner persönlichen Wahrnehmung war das Siegel unversehrt, als das Nachprüfungsteam das Gebäude verließ … [ich hatte mir] das Siegel noch näher betrachtet“. 111    Herr M., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „… nach der Anbringung des Siegels durch Herrn [Kl.] haben sich verschiedene Beamte, u. a. ich, von der korrekten Anbringung des Siegels überzeugt. Als das Nachprüfungsteam inkl. der Beamten des [Bundeskartellamts] den Flur, auf dem sich der versiegelte Raum befindet, verließ, war das Siegel ungebrochen. Das habe ich gesehen.“ 112    Schließlich gab Herr B., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, an: „H. [Kl.] und neben mir auch weitere Teammitglieder versicherten sich, dass das Siegel korrekt angebracht war. Nach meiner persönlichen Wahrnehmung war das Siegel unversehrt, als das Nachprüfungsteam das Gebäude verließ.“ 113    Drittens wird die Beweiskraft der genannten Beweismittel nicht durch die Antworten der vier anderen an der Nachprüfung in den Räumen der Klägerin beteiligten Inspektoren auf die Frage 3 des Fragebogens der Kommission in Frage gestellt. Ein Inspektor gab an, den Versiegelungsprozess nicht verfolgt zu haben, während drei Inspektoren weitere Anhaltspunkte dafür lieferten, dass das Siegel ordnungsgemäß angebracht worden war, und damit die Aussage der Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützte, bestätigten. 114    So gab Herr K. an, „das Siegel [war] nach meinem letzten Wissensstand unversehrt“. Herr Me. gab an, sich „allenfalls unbewusst selbst von der Unversehrtheit des Siegel überzeugt“ zu haben. Schließlich bestätigte Herr J.: „Nach meiner Erinnerung war das Siegel unversehrt, als das Inspektorenteam am 29. Mai 2006 den Gebäudetrakt verließ.“ 115    Nach alledem lassen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung stützte, die Feststellung zu, dass das streitige Siegel am 29. Mai 2006 ordnungsgemäß angebracht wurde, dass es mithin an der Tür und am Türrahmen des Raums G.505 haftete und dass es unversehrt war in dem Sinne, dass darauf kein Schriftzug „VOID“ zu sehen war, als das Nachprüfungsteam die Räumlichkeiten der Klägerin verließ. 116    Als Zweites ist zu prüfen, ob die von der Klägerin angeführten Umstände den Beweiswert der vorgenannten Beweismittel in Frage stellen können. Die Klägerin nennt insoweit erstens, dass die Tür und der Türrahmen des Raums G.505 vor der Anbringung des streitigen Siegels nicht gereinigt worden seien, zweitens, dass im Datenblatt nicht vermerkt sei, aus welchem Material die Tür und der Türrahmen bestehen, und drittens, dass nicht nachgewiesen sei, dass das streitige Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei. 117    Zum ersten Einwand ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, dass sich ihre Vertreter und die Vertreter des Bundeskartellamts „von der Sauberkeit des Untergrundes [überzeugten], so dass eine besondere Reinigung der fraglichen Tür und des Türrahmens nicht erforderlich war“ (Randnr. 49 der angefochtenen Entscheidung). 118    Zwar wird in dem Datenblatt empfohlen, den Untergrund vor der Anbringung eines Siegels zu reinigen, doch hängt diese Empfehlung damit zusammen, dass bei einer verschmutzten Oberfläche die Haftung des Siegels beeinträchtigt ist mit der Folge, dass es im Fall eines Siegelbruchs nicht zur Anzeige der „VOID“-Zeichen kommen könne. Das Datenblatt enthält den ausdrücklichen Hinweis: „Jede Verunreinigung der Oberfläche wird sich negativ auf die Haftung und die Zerstörungsanzeige auswirken.“ Der Hersteller der Siegel, 3M, hat im Übrigen ausdrücklich bestätigt, dass die Empfehlung zur vorherigen Reinigung des Untergrunds hauptsächlich die Fälle von Verunreinigung des Untergrunds durch Öl oder Fett betrifft. Der in Büros übliche Staub hat dem Hersteller zufolge keine Auswirkung auf die Funktionsfähigkeit des Siegels. 119    Die Klägerin, die für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, hat nicht nachgewiesen, dass die Oberfläche der Tür und des Türrahmens des Raums G.505 am Abend des 29. Mai 2006 anders als durch in Büros üblichen Staub verunreinigt war. Sie hat ferner nicht nachgewiesen, dass der Zustand der Oberfläche der genannten Tür und ihres Rahmens am Abend des 29. Mai 2006 derart war, dass dadurch die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels unter gewöhnlichen Umständen hätte beeinträchtigt werden können. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass die Tür des Raums G.505 von der Reinigungsfirma regelmäßig gereinigt wurde. Unter diesen Umständen ist der erste Einwand der Klägerin zurückzuweisen. 120    Was den zweiten Einwand der Klägerin betreffend das Material der Tür und des Türrahmens des Raums G.505 angeht, hat die Kommission in Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben: „Bei Verwendung auf gewöhnlichen Bürotüren aus (lackiertem) Aluminium ist … ein korrektes Funktionieren der Siegel zu erwarten.“ Weiter hat sie ausgeführt: „Dies wurde durch die vor Ort und im Labor seitens des von der Kommission beauftragten Gutachters durchgeführten Untersuchungen der Siegelprodukte und ihres Klebverhaltens auf dem tatsächlich vorgefundenen Untergrund eindeutig bestätigt.“ 121    Die Klägerin behauptet, der Rahmen der fraglichen Tür bestehe nicht aus lackiertem, sondern aus eloxiertem Aluminium. Sie trägt jedoch, obwohl sie für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, keinen Anhaltspunkt dafür vor, dass sich der Umstand, dass der Türrahmen aus eloxiertem und nicht aus lackiertem Aluminium besteht, auf die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels auswirkt. 122    Jedenfalls hat 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission ausgeführt, dass der für diesen Typ Siegel verwendete Klebstoff für praktisch jeden Untergrund geeignet sei, so dass die Auflistung der möglichen Untergründe im Datenblatt (Edelstahl, Acrylnitrile-Butadiene-Styrene [ABS], Polypropylene, angestrichenes Metall, Polyester, HDPE [Polyethylen hoher Dichte], Nylon, Glas und Polycarbonate) nicht erschöpfend sei, sondern lediglich einen ungefähren Hinweis auf die Arten und die Bandbreite von Oberflächen geben solle, auf denen das Produkt verwendet werden könne. Ein solches Siegel würde auf Türen aus Aluminium und gestrichenem Aluminium korrekt funktionieren. Sei die Anhaftung des Siegels am Untergrund zu gering, könne es bei Entfernen von diesem nicht zur Anzeige der „VOID“-Schriftzüge kommen, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Diese Angaben werden durch die Ausführungen im KR-Gutachten I und die Ausführungen von Herrn Kr. vom 9. Juli 2008 bestätigt. Unter diesen Umständen ist der zweite Einwand der Klägerin zurückzuweisen. 123    Zum dritten Einwand, es sei nicht nachgewiesen, dass das streitige Siegel nach den Herstellervorgaben von der Schutzfolie abgezogen worden sei, genügt die Feststellung, dass die Klägerin keinerlei Indiz für das tatsächliche Vorliegen des behaupteten Umstands beigebracht hat, so dass dieses Vorbringen zurückzuweisen ist. Jedenfalls hätte nach den Ausführungen von 3M eine Beschädigung des Produkts beim Abziehen von der Schutzfolie zur Folge, dass die „VOID“-Schriftzüge bereits vor Anbringen auf dem Untergrund aufträten; eine spätere „positive Fehlreaktion“ sei hingegen ausgeschlossen. Im KR‑Gutachten I wird ebenfalls ausgeschlossen, dass die Geschwindigkeit der Trennung des streitigen Siegels von der Schutzfolie für das Auftreten der „VOID“-Schriftzüge eine Rolle spiele oder dass sie erst nach einer bestimmten Zeitspanne auftreten könnten. Unter diesen Umständen ist auch der dritte Einwand der Klägerin zurückzuweisen. 124    Nach alledem greift der dritte Klagegrund nicht durch. Zum vierten Klagegrund: unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung Vorbringen der Parteien 125    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 9, 24, 55, 61 und 75 der angefochtenen Entscheidung) zu Unrecht angenommen, dass das streitige Siegel am 30. Mai 2006 den „VOID“-Schriftzug über seine gesamte Fläche habe erkennen lassen. 126    Erstens seien nach Wahrnehmung ihrer Vertreter die „VOID“-Schriftzüge nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen. Auch ein Beamter des Bundeskartellamts habe in der Beantwortung des Fragebogens der Kommission (Anlage A.17, S. 48 der Verwaltungsakte) angegeben, dass „das ‚void‘-Zeichen vielfach durch das Papier [schimmerte]“. Unter den Mitgliedern des Nachprüfungsteams und den Vertretern der Klägerin hätten zunächst Zweifel bestanden, ob überhaupt eine Veränderung des streitigen Siegels vorgelegen habe. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung ihres Rechtsanwalts als Zeugen vor. 127    Dass die Inspektoren den Zustand des streitigen Siegels mit dem Zustand in anderen Gebäudeteilen angebrachter Siegel hätten vergleichen wollen (Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung), bestätige, dass die „VOID“-Schriftzüge keinesfalls über die ganze Fläche des streitigen Siegels eindeutig erkennbar gewesen seien. Ohnehin könne in dieser Hinsicht von einer gänzlich übereinstimmenden Wahrnehmung der anwesenden Beamten keine Rede sein. Darüber hinaus stünden einige Aussagen der Inspektoren im Widerspruch zum Siegelbruchprotokoll. 128    Zweitens habe sich die Kommission zu Unrecht auf die erst am Nachmittag des 30. Mai 2006 mit einem Mobiltelefon angefertigten Fotografien des sich noch am Türrahmen des Raums G.505 befindlichen Teils gestützt. Insoweit sei das Vorbringen der Kommission, die Tür sei am Morgen des 30. Mai 2006 durch den Leiter des Nachprüfungsteams geöffnet worden, ohne das Siegel weiter zu beschädigen (Randnr. 10 der angefochtenen Entscheidung), unzutreffend. Durch das Ablösen des streitigen Siegels von der Tür habe die Klebefläche zwangsläufig Beschädigungen erleiden müssen. Da die Nachprüfung bereits gegen 9.30 Uhr intensiv fortgesetzt und die Tür des Raums G.505 entsprechend regelmäßig geöffnet und geschlossen worden sei, sei es zu einem häufigen Abreißen und Wiederanhaften des streitigen Siegels gekommen. Es sei unvermeidbar, dass es durch die dabei entstehenden Spannungen und Scherkräfte zu einer gewissen Verschiebung des Siegels gekommen sei, was überhaupt erst ein Erscheinen der „VOID“-Schriftzüge nach sich gezogen habe. Auch sei das streitige Siegel nach Fortsetzung der Nachprüfung nicht mehr laufend überwacht worden, und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es etwa angefasst worden sei oder Ähnliches. 129    In diesem Zusammenhang sei es widersprüchlich, dass die Kommission einerseits das bloße Erscheinen von „VOID“-Schriftzügen für die Annahme eines Siegelbruchs ausreichen lasse, andererseits jedoch argumentiere, sie habe sich ohne zusätzliches Ablösen des Siegels kein definitives Bild vom Vorliegen des Bruchs des streitigen Siegels machen können. Es sei auch widersprüchlich, dass nach den Aussagen einiger Inspektoren „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Fläche zu sehen gewesen seien, dies aber erst nach dessen Ablösung. 130    Ihre Antwort auf Frage 15 des Auskunftsverlangens der Kommission, auf die diese verweise, beziehe sich ausschließlich auf die Sichtbarkeit der „VOID“-Schriftzüge auf Tür und Türrahmen des Raums G.505 nach dem Öffnen der Tür durch die Inspektoren und nicht auf die Sichtbarkeit von „VOID“-Schriftzügen auf dem Siegel selbst bei erstmaliger Betrachtung am Morgen des 30. Mai 2006. Durch ihren Vortrag, die „VOID“-Schriftzüge seien je nach Untergrund mehr oder weniger kontrastreich und erschienen in der Farbe des streitigen Siegels, so dass ein genaueres Hinsehen erforderlich sei, habe die Kommission bestätigt, dass die „VOID“-Schriftzüge nur ganz schwach, bruchstückhaft und nicht durchgängig erkennbar gewesen seien. 131    Die Ergänzende Erklärung zum Protokoll vom 30. Mai 2006 habe hinsichtlich des Zustands des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 keine Beweiskraft. Sie enthalte dazu keine Aussage und ergänze nur eigene Beobachtungen der Kommission zum Zustand des Siegels nach dem Öffnen der Tür des Raums G.505. 132    Schließlich erkläre die Kommission nicht, wie „VOID“-Schriftzüge auf dem gesamten streitigen Siegel sichtbar gewesen sein sollten, während jedenfalls der auf dem Türrahmen des Raums G.505 klebende Teil nicht gelöst worden sei. Nach dem Vorbringen der Kommission könnten die „VOID“-Schriftzüge nämlich nur durch Ablösen des Siegels erscheinen (Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung). Zugleich solle es aber praktisch unmöglich sein, das Siegel exakt an der gleichen Stelle wieder anzubringen, so dass Klebstoffreste auf der Siegelrückseite die unvermeidbare Folge eines Ablösens wären (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung). Solche Klebstoffreste hätten sich aber auf dem türrahmenseitigen Teil des streitigen Siegels nicht befunden; vielmehr seien nach dem endgültigen Ablösen des streitigen Siegels die dortigen „VOID“-Schriftzüge unverwischt gewesen, und es hätten sich keine Klebstoffrückstände auf diesem Stück befunden (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung). Wenn jedoch der auf dem Türrahmen klebende Teil des streitigen Siegels nicht gelöst worden sei, sei nicht erklärlich, wie es zu sichtbaren „VOID“-Schriftzügen auf diesem Teil gekommen sein solle. Bei Zugrundelegung des Vortrags der Kommission, dass „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Fläche des streitigen Siegels sichtbar gewesen seien, müsse es sich daher um eine „positive Fehlreaktion“ gehandelt haben. 133    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 134    In der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass „[d]er Zustand des Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 … den eindeutigen Schluss darauf zu[lässt], dass das Siegel über Nacht von der Bürotür abgelöst wurde, so dass diese zwischenzeitlich geöffnet werden konnte“ (Randnr. 74 der angefochtenen Entscheidung). 135    Sie stützte sich hierfür in der angefochtenen Entscheidung auf das Siegelbruchprotokoll und auf die Antworten der acht Inspektoren, die bei der Feststellung des Siegelbruchs anwesend waren (Randnrn. 8, 12, 75 und 76 der angefochtenen Entscheidung). Ferner hob sie in Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die an diesem Tag bei der Nachprüfung anwesenden internen und externen Vertreter der Klägerin den veränderten Zustand des Siegels nicht bestritten, sich aber gleichwohl geweigert hätten, das Protokoll über den Siegelbruch zu unterzeichnen. 136    Als Erstes ist daher zu prüfen, ob die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel für die Feststellung eines Siegelbruchs ausreichten. 137    Erstens wird, wie aus Randnr. 7 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, anders als bei Papiersiegeln ein Siegelbruch bei Kunststoffsiegeln wie dem streitigen Siegel nicht durch ein Zerreißen des Siegels dokumentiert. Ist das Siegel einmal aufgeklebt, lässt es sich nicht mehr vom Untergrund ablösen, ohne dass das Ablösen des Siegels erkennbar bleibt. Ein Wiederanbringen ohne Hinterlassen von Spuren ist ausgeschlossen. So bleibt beim Ablösen der weiße Klebstoff in Form von auf der gesamten Fläche des Aufklebers verteilten, etwa 12 Didot-Punkte (etwa 5 mm) großen „VOID“-Schriftzügen am Untergrund haften. Das abgelöste Siegel wird an diesen Stellen transparent, so dass auch auf dem Siegel die „VOID“-Schriftzüge gut sichtbar sind. Insbesondere aufgrund der Vielzahl und Größe der „VOID“-Schriftzüge ist es letztlich unmöglich, das Siegel an exakt der gleichen Stelle anzubringen, an der es vorher klebte. Selbst wenn das gelingt, bleiben die „VOID“-Zeichen gut sichtbar. 138    Im Siegelbruchprotokoll (siehe oben, Randnr. 9) ist insoweit zum einen vermerkt, dass das gesamte Siegel in der Höhe und in der Seite um etwa 2 mm verdreht war, so dass am unteren und am rechten Rand des Siegels Klebespuren sichtbar waren, und zum anderen, dass der Schriftzug „VOID“ auf der gesamten Siegelfläche, die sich jedoch weiterhin quer vom Türrahmen bis zur Türfläche des Raums G.505 befand und nicht zerrissen war, deutlich erkennbar war. Entgegen dem Vortrag der Klägerin zeigen somit die Feststellungen in diesem Protokoll, das von Herrn Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, und Herrn J., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, unterzeichnet ist, zur Genüge, dass ein Siegelbruch vorliegt. 139    Zweitens wird dieses Ergebnis durch die Antworten der acht bei der Feststellung des Siegelbruchs anwesenden Inspektoren bestätigt, auf die die Kommission in Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt. 140    So gab Herr Kl., Mitarbeiter der Kommission und Leiter des Nachprüfungsteams, an, dass „sofort der Eindruck [entstand], dass das Siegel seit seiner Aufbringung verletzt worden war. Die Beobachtungen, die diesen Schluss zulassen, habe ich schriftlich festgehalten und dem Siegelbruchprotokoll als Anlage beigefügt.“ 141    Ebenso gab Herr Ko., Mitarbeiter der Kommission, an: „Mir fiel auf, dass das Siegel ‚verrutscht‘ war und die Schrift VOID zu sehen war.“ 142    Frau W., Mitarbeiterin der Kommission, gab ebenfalls an, sie habe bemerkt, dass „das Siegel nicht so aussah wie am Abend vorher“, dass der „VOID“-Schriftzug auf dem gesamten streitigen Siegel lesbar gewesen sei und dass sich Klebstoffreste 2 mm um den Rand des Siegels herum und auf der Rückseite des streitigen Siegels neben den „VOID“-Schriftzügen befunden hätten. Sie fügte hinzu, dass „das Siegel nicht mehr so dunkelblau war wie vorher, weil die ‚void‘-Zeichen sichtbar waren“. 143    Herr N., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „… ist mir klar erinnerlich, dass auf dem gesamten Siegel das Zeichen ‚VOID‘ lesbar war … Für einen Siegelbruch sprachen auch Klebstoffreste an der Tür, knapp neben dem Rand des Siegels.“ 144    Herr. M., Mitarbeiter des Bundeskartellamts, gab an: „Die Protokollbeschreibung trifft zu. Punkt b) würde ich wie folgt konkreter fassen: Klebstoffreste an zwei Rändern des Siegels, bei denen es sich um ca. 1-2 mm lange Teile des Schriftzeichens ‚void‘ handelte“. 145    Die Mitarbeiter des Bundeskartellamts Me., J. und B. machten ähnlich lautende Angaben. 146    Nach alledem ließen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zu, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. Daher braucht nicht über die Behauptung der Klägerin entschieden zu werden, dass die „VOID“-Schriftzüge am Türrahmen völlig „unverwischt“ gewesen seien, was bedeute, dass der auf dem Türrahmen klebende Teil des streitigen Siegels „VOID“-Schriftzüge trage, obwohl er nicht gelöst worden sei, und eine „positive Fehlreaktion“ belege. Jedenfalls hat sich die Kommission, wie sie vorgetragen hat, die Angaben der Klägerin in Nr. 2 ihrer Ergänzenden Erklärung vom 30. Mai 2006 (siehe oben, Randnr. 12) nicht zu eigen gemacht. Überdies kann die bloße Behauptung der Klägerin, „der Schriftzug ‚VOID‘ am Türrahmen [war] völlig unverwischt“, für sich allein nicht das Vorliegen einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels belegen. 147    Als Zweites ist zu prüfen, ob die von der Klägerin angeführten Umstände geeignet sind, den Beweiswert der vorgenannten Beweismittel in Frage zu stellen. Die Klägerin verweist insoweit darauf, dass die „VOID“-Schriftzüge auf dem streitigen Siegel nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen seien und dass sich die Kommission zu Unrecht auf die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien des sich noch am Türrahmen des Raums G.505 befindlichen Teils des streitigen Siegels gestützt habe. 148    Erstens stützt die Klägerin ihre Behauptung, die „VOID“-Schriftzüge seien auf dem streitigen Siegel nur ganz schwach und nicht durchgängig erkennbar gewesen, darauf, dass nach der Aussage eines Beamten des Bundeskartellamts das „VOID“-Zeichen vielfach durch das Papier geschimmert habe und dass unter den Mitgliedern des Nachprüfungsteams und den Vertretern der Klägerin zunächst Zweifel bestanden hätten, ob überhaupt eine Veränderung des streitigen Siegels vorgelegen habe, was dadurch bestätigt werde, dass sie in anderen Teilen des Gebäudes angebrachte Siegel vergleichend in Augenschein genommen hätten. Zudem stünden einige Aussagen der Inspektoren in Widerspruch zum Siegelbruchprotokoll. 149    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass am Morgen des 30. Mai 2006 auf dem streitigen Siegel oder zumindest auf einem Teil davon tatsächlich „VOID“-Schriftzüge sichtbar waren. Die Klägerin bestreitet auch nicht das Vorhandensein von Klebespuren am unteren und am rechten Rand des Siegels. Wie jedoch 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 5. September 2006 bestätigte, bedeutet das Auftreten von „VOID“-Zeichen, dass der Aufkleber entfernt wurde. Somit hat die Kommission im Siegelbruchprotokoll zu Recht festgestellt, dass das streitige Siegel erbrochen worden war. Im Übrigen hat die Klägerin, wie von der Kommission hervorgehoben, in ihrer Ergänzenden Erklärung zum Siegelbruchprotokoll, obwohl in dieses die Feststellungen zum Auftreten der „VOID“-Schriftzüge aufgenommen waren, nicht dazu Stellung genommen (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung). 150    Sodann wurde der Zustand des streitigen Siegels durch die Aussagen der acht vor Ort anwesenden Inspektoren bestätigt (siehe oben, Randnr. 139). Insoweit ist der Behauptung der Klägerin, die Aussagen einiger Inspektoren stünden in Widerspruch zu dem Siegelbruchprotokoll, nicht zu folgen. So stellen die Aussage von Frau P. „schimmerte das ‚void‘-Zeichen vielfach durch das Papier“ und die Aussage von Herrn L., er habe viereckige Flecken auf der Türe auf der linken Seite des streitigen Siegels gesehen und nicht speziell darauf geachtet, dass es auf dem streitigen Siegel ein „VOID“-Zeichen gegeben habe, weder die Feststellung des Auftretens von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel in Frage, noch können sie die im Siegelbruchprotokoll enthaltenen Feststellungen oder die oben in den Randnrn. 140 bis 145 angeführten Aussagen der anderen Inspektoren entkräften. 151    Schließlich ist zu dem Vergleich des Zustands des streitigen Siegels mit dem Zustand in anderen Gebäudeteilen angebrachter Siegel, der nach Auffassung der Klägerin Zweifel an einer Veränderung des streitigen Siegels bestätigt, festzustellen, dass es, wie die Kommission in Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, nachvollziehbar erscheint, dass sich die Inspektoren durch einen Vergleich mit den anderen Siegeln rückversicherten, weil es der erste Fall eines Siegelbruchs war und es sich nicht um ein Siegel handelte, das einen Siegelbruch durch Zerreißen anzeigt. Jedenfalls kann der Umstand, dass das Nachprüfungsteam das streitige Siegel mit in anderen Gebäudeteilen angebrachten Siegeln verglich, nicht die Feststellungen betreffend die physikalische Beschaffenheit des streitigen Siegels in Frage stellen, wie sie im Siegelbruchprotokoll getroffen wurden. Folglich ist die Behauptung der Klägerin unerheblich. 152    Zweitens beruht das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe sich, um den Zustand des streitigen Siegels festzustellen, zu Unrecht auf am Nachmittag des 30. Mai 2006 mit einem Mobiltelefon angefertigte Fotografien gestützt, auf einer unzutreffenden Prämisse. 153    Aus den Randnrn. 74 und 75 der angefochtenen Entscheidung geht nämlich hervor, dass die Kommission ihre Feststellung eines Siegelbruchs auf den Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 stützte, das insbesondere auf seiner gesamten Fläche den Schriftzug „VOID“ aufgewiesen habe. Als Beweis für diese Feststellung führte die Kommission in Randnr. 76 der angefochtenen Entscheidung an, dass der Verantwortliche des Nachprüfungsteams sowie ein Vertreter des Bundeskartellamts in Anwesenheit von Vertretern der Klägerin das Protokoll über den Siegelbruch angefertigt hätten. Zudem sei der darin beschriebene Zustand des streitigen Siegels, insbesondere das großflächige Auftreten von „VOID“-Schriftzügen, durch eine Befragung des Nachprüfungsteams einhellig bestätigt worden. Wie oben in Randnr. 146 festgestellt, ist damit die Zuwiderhandlung hinreichend nachgewiesen. 154    In diesem Kontext ist das Vorbringen der Klägerin, das auf den Umstand gestützt ist, dass die Fotografien von dem streitigen Siegel nach der Öffnung der Tür des Raums G.505 angefertigt wurden, nicht geeignet, den Beweiswert der in vorstehender Randnr. 153 genannten Beweismittel in Frage zu stellen, und es ist zurückzuweisen, ohne dass über den Beweiswert der genannten Fotografien entschieden zu werden braucht. 155    Demnach hat die Klägerin, die für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, nicht nachgewiesen, dass die Feststellung des Siegelbruchs am Morgen des 30. Mai 2006 fehlerhaft war. 156    Unter diesen Umständen ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen. Zum fünften Klagegrund: unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission Vorbringen der Parteien 157    Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe fehlerhaft angenommen, dass die Sicherheitsfolie für die behördliche Versiegelung in einem Ermittlungsverfahren geeignet sei. 158    Erstens sei die Sicherheitsfolie für den Nachweis konstruiert, dass ein „gesichertes Behältnis bzw. Produkt“ auf keinen Fall geöffnet worden sei. Der Verwender einer Sicherheitsfolie nehme hin, dass sich in dem Fall, dass sie eine positive Reaktion zeige, im Nachhinein nicht mehr feststellen lasse, ob es sich um eine „positive Fehlreaktion“ oder einen tatsächlichen Eingriff in das Produkt gehandelt habe. 159    In einem Verfahren nach der Verordnung Nr. 1/2003 sei es jedoch nicht angemessen, das Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ auf das betroffene Unternehmen zu verlagern, insbesondere in Anbetracht der für einen Siegelbruch vorgesehenen Geldbußen. Die Kommission müsse daher eine Folie verwenden, bei der das Auftreten einer „positiven Fehlreaktion“ von vornherein ausgeschlossen sei. 160    Die Kommission könne sich nicht auf die Aussage von 3M stützen, wonach bislang keine Beschwerden über eine mangelnde Funktionsfähigkeit von Folien der Art der Sicherheitsfolie bekannt geworden seien (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), da die anderen Verwender solcher Folien nur im Fall „negativer Fehlreaktionen“ Grund zur Beschwerde hätten. 161    Zweitens sei das streitige Siegel überaltert gewesen. Die Gutachten des Instituts zeigten jedoch, dass die Haftfähigkeit der Sicherheitsfolie mit steigendem Alter wesentlich abnehme und die Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“ wesentlich zunehme. 162    Zwar gebe 3M in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen vom 8. Dezember 2006 erstmals an, es sei zu erwarten, dass die Sicherheitsfolie nach einer Lagerzeit von über zwei Jahren ordnungsgemäß funktioniere, vermeide jedoch eine definitive Aussage zur Lebenserwartung der Sicherheitsfolie. Darüber hinaus verkenne 3M mit seiner Bagatellisierung altersbedingter Verschlechterungen der Sicherheitsfolie den Stand der Wissenschaft und Technik bei druckempfindlichen Haftmitteln. Ohnehin könnten Angaben des Herstellers nichts über die Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels zum Tatzeitpunkt beweisen und eine Beurteilung durch einen „neutralen Sachverständigen“ nicht entbehrlich machen. Die Gutachten von Herrn Kr. beseitigten die Zweifel an der Funktionsfähigkeit des streitigen Siegels nicht, da sie den Zeitablauf, die Auswirkungen von Synto auf das Siegel sowie die Folgen einer längeren Vorspannung im Bereich des Türspalts bei länger einwirkenden Türschwingungen und gleichzeitigen Scherspannungen nicht berücksichtigten. 163    Der Kritik der Kommission an der vom Institut verwendeten Alterungssimulation hält die Klägerin entgegen, diese genüge wissenschaftlichen Ansprüchen. Eine beschleunigte Alterung bei geringfügig erhöhter Temperatur sei erforderlich gewesen, weil sonst keine Möglichkeit zur Prüfung der Alterung bestanden habe. 164    Drittens sei der Ausschluss positiver Fehlreaktionen durch 3M (Randnr. 68 der angefochtenen Entscheidung) unerheblich und keinesfalls belegt. Dass möglicherweise keine Kundenbeschwerden über „positive Fehlreaktionen“ vorlägen, genüge als Begründung für die Unmöglichkeit solcher Fehlreaktionen nicht. Darüber hinaus seien die Aussagen von 3M zur unbegrenzten Haltbarkeit des Siegels unglaubwürdig und widersprächen den Angaben im Datenblatt. Aus dem Datenblatt gehe außerdem hervor, dass die Sicherheitsfolie bei drohenden erheblichen wirtschaftlichen Schäden als alleiniges Sicherungsmittel nicht geeignet sei. 3M empfehle dazu, bei drohenden schwerwiegenden Folgen zusätzliche Sicherungsmittel zu verwenden, so dass die Kommission mehrere Siegel pro Tür hätte verwenden können. Die Folgen unterlassener Zusatzmaßnahmen und die damit einhergehenden Beweisprobleme gingen daher zulasten der Kommission. 165    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 166    Mit diesem Klagegrund möchte die Klägerin dartun, dass die Sicherheitsfolie für den Nachweis konstruiert sei, dass ein „gesichertes Behältnis bzw. gesichertes Produkt“ unter keinen Umständen geöffnet worden sei. Es sei jedoch für amtliche Versiegelungen bei Ermittlungen der Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts ungeeignet. 167    Als Erstes ist festzustellen, dass, wie aus dem Datenblatt hervorgeht, diese Produktlinie so ausgelegt ist, dass eine Manipulation durch Zerstörung kenntlich gemacht wird, wenn ein Versuch der Entfernung des Etiketts unternommen wird. Dies entspricht genau der Anwendung derartiger Sicherheitsfolien durch die Kommission bei ihren Ermittlungen. 3M nennt zwar unter „Anwendungsbeispiele“ für eine solche Sicherheitsfolie: „Nicht übertragbare Etiketten für die Automobil-, Haushaltsgeräte- und Elektronikindustrie. Etiketten und Siegel mit Manipulationsanzeige für nicht verschreibungspflichtige Medikamente und sonstige Verpackungsanwendungen“. Doch kann der Umstand, dass die Anwendung der Sicherheitsfolie durch die Kommission bei ihren Ermittlungen im Datenblatt nicht ausdrücklich erwähnt ist, nicht so verstanden werden, dass diese Anwendung ausgeschlossen ist, da die Auflistung der Anwendungen durch den Hersteller nicht erschöpfend ist. Jedenfalls weist die Klägerin nicht nach, dass solche Sicherheitsfolien für den Einsatz bei Ermittlungen ungeeignet sind. 168    Zwar empfiehlt der Hersteller, wie die Klägerin hervorhebt, bei „möglicherweise sehr schwerwiegenden Folgen einer Manipulation wie … erheblichen finanziellen Verlusten“ zusätzliche Sicherungsmittel, doch ist festzustellen, dass, wie aus dem Datenblatt hervorgeht, 3M solche Maßnahmen insoweit empfiehlt, als sie die Möglichkeit einer „negativen Fehlreaktion“ nicht ausschließt. 169    Als Zweites ist, wie oben in Randnr. 103 ausgeführt, im Versiegelungsprotokoll vermerkt, dass die Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 erfolgte und dass gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängt werden können, wenn Siegel vorsätzlich oder fahrlässig aufgebrochen werden. Zudem wurde die Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 von einem Vertreter der Klägerin durch Unterzeichnung des Versiegelungsprotokolls anerkannt. Wie oben in Randnr. 104 ausgeführt, kann jedoch nur die Anbringung eines für eine solche Anwendung geeigneten Siegels als Versiegelung gemäß Art. 20 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1/2003 angesehen werden. Somit darf davon ausgegangen werden, dass die Klägerin, wenn sie Zweifel an der Eignung des von der Kommission für die Versiegelung gemäß der genannten Bestimmung verwendeten Sicherheitsfilms gehabt hätte, hierzu sogleich bei der Anbringung des streitigen Siegels, deren Bedeutung ihr genau bekannt war, Einwände erhoben hätte. Die Klägerin hat jedoch keine Stellungnahme dieser Art abgegeben. 170    Was als Drittes das Vorbringen der Klägerin angeht, das streitige Siegel sei überaltert, was seine Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“, länger einwirkende Türschwingungen und gleichzeitige Scherspannungen sowie die Verwendung von Synto beeinflusse, so betrifft es nicht die Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen, sondern vielmehr die Behauptung, die Kommission habe „alternative Geschehensabläufe“, die den am 30. Mai 2006 festgestellten Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können, verkannt, die Gegenstand des sechsten Klagegrundes ist. Dieses Vorbringen ist somit dort zu prüfen. 171    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen. Zum sechsten Klagegrund: Verkennung „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können Vorbringen der Parteien 172    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im Hinblick auf den Grundsatz in dubio pro reo keinen genügenden Nachweis für einen Siegelbruch erbracht. 173    Als Erstes trägt sie vor, sie habe anhand der Institutsgutachten nachgewiesen, dass andere „äußere Einflüsse“ als das Ablösen des streitigen Siegels auf diesem „VOID“-Schriftzüge hätten hervorrufen können. 174    Erstens sei die maximale Lagerdauer des streitigen Siegels abgelaufen gewesen. Ihre Sachverständigen hätten nachgewiesen, dass die Haftfähigkeit der Sicherheitsfolie mit steigendem Alter abnehme und damit gleichzeitig die Empfindlichkeit für „äußere Einflüsse“ zunehme. Es stehe fest, dass das streitige Siegel die vom Hersteller angegebene maximale Lagerdauer um gut eineinhalb Jahre überschritten habe. 175    Zweitens macht die Klägerin einen maßgeblichen Einfluss des Reinigungsmittels Synto geltend. Bereits in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen vom 9. August 2006 habe sie dargelegt, dass die Bedienstete der Reinigungsfirma nicht habe ausschließen können, das Siegel mit einem mit Synto befeuchteten Tuch überwischt zu haben. Das Institutsgutachten III beweise jedoch eine eingeschränkte Funktionsweise der Sicherheitsfolie und eine erheblich gesteigerte Neigung zu „positiven Fehlreaktionen“, wenn die Sicherheitsfolie zuvor mit Synto überwischt worden sei. Im Zusammenhang mit der Benetzung der Sicherheitsfolie mit Synto beschreibe das Institutsgutachten II auch die Möglichkeit eines Kriechvorgangs der Sicherheitsfolie aufgrund von Zug- bzw. Druck-Scherbelastungen. 176    Das benutzte Mikrofasertuch sei nach Aussage der Bediensteten der Reinigungsfirma extrem nass gewesen, als sie über das streitige Siegel gewischt habe, so dass der Kontakt des Siegels mit einer größeren Menge Synto nicht ausgeschlossen werden könne. Anders als von der Kommission vorgetragen, seien die Versuche des Instituts mit Synto und nicht mit Synto Forte durchgeführt worden. Der Name des fraglichen Produkts sage nichts über seine tatsächliche Zusammensetzung aus. Das Institutsgutachten II enthalte zwar Verweise auf Synto Forte, doch sei das verwendete Reinigungsmittel Synto gewesen. Die Klägerin bestreitet das Ergebnis der Gutachten von Herrn Kr., wonach Synto die Funktionsfähigkeit des Siegels nicht beeinträchtige. Herr Kr. habe nicht untersucht, wie sich ein seitliches Eindringen von Synto unter die Folie bei Einwirken von Tangentialkräften über längere Zeit auswirke, das zu Klebstoffresten neben dem Siegel führen könne. Er habe auch nicht ausgeschlossen, dass es durch die Einwirkung von Synto auf den feuchtigkeitssensiblen Acrylatklebstoff des Siegels im Zusammenwirken mit einer geringen mechanischen Belastung zur Ausbildung von „VOID“-Schriftzügen auf dem streitigen Siegel kommen könne. 177    Drittens verweist die Klägerin auf einen maßgeblichen Einfluss von Luftfeuchtigkeit. Aus dem Institutsgutachten III gehe nämlich hervor, dass eine Luftfeuchtigkeit von über 60 % die Funktionsweise der Sicherheitsfolie erheblich beeinflusse und zu einer verstärkten Neigung zu „positiven Fehlreaktionen“ führe. In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 habe in München eine Luftfeuchtigkeit von über 80 % geherrscht. 178    Die im Gebäudekomplex G der Klägerin installierte Klimaanlage werde grundsätzlich bei hoher Außenluftfeuchtigkeit nicht in Betrieb genommen, um die Bildung von Schwitzwasser an der Kühldecke zu verhindern. Im fraglichen Zeitraum seien zudem mehrfach Probleme mit der Regelungstechnik der Klimaanlage aufgetreten, die dazu geführt hätten, dass die sonst bei Erreichen einer bestimmten Außenluftfeuchtigkeit erfolgende Abschaltung der Zusatzbefeuchtung in der Klimaanlage nicht funktioniert habe, was von der Kommission nicht bestritten worden sei. 179    Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung der Kommission unerheblich, dass die Klägerin weder vorgetragen noch belegt habe, warum das streitige Siegel in erhöhtem Maße Feuchtigkeit ausgesetzt gewesen sein sollte (Randnr. 94 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission selbst habe im Verfahren der Luftfeuchtigkeit entscheidende Bedeutung beigemessen. In ihrem Auskunftsverlangen vom 19. Oktober 2007 habe die Kommission umfassende Informationen zur Luftfeuchtigkeit in der fraglichen Nacht angefordert. 180    Viertens macht die Klägerin einen maßgeblichen Einfluss von Vibrationen geltend. Aus dem Institutsgutachten I gehe hervor, dass der behauptete Zustand des streitigen Siegels mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch Vibrationen von Tür und Wand des Raums G.505 infolge der Nutzung der Nachbarräume sowie eines ausreichend großen Spiels selbst der abgeschlossenen Tür habe hervorgerufen werden können. Dies werde im Übrigen durch Filmaufnahmen dokumentiert, die die Klägerin im Rahmen der Anhörung durch den Anhörungsbeauftragten am 6. Dezember 2006 vorgeführt habe. Die Nachbarräume des Raums G.505 seien für den Folgetag für Besprechungen gebucht gewesen. Es habe ein reges Kommen und Gehen geherrscht, das zu einem Zuschlagen der Türen der benachbarten Räume und damit zu Vibrationen geführt haben könne. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass Personen, die sich in der Raumnummer geirrt hätten oder noch nicht von der Umbelegung des Raums G.505 informiert worden seien, an der Tür gerüttelt hätten. Der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dies nicht verhindert zu haben, da die Überempfindlichkeit der Sicherheitsfolie und ihre Tendenz zu „positiven Fehlreaktionen“ nicht vorhersehbar gewesen seien und sie daher habe sicher sein können, dass schon das Verschließen der Tür das Siegel hinreichend schütze. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung eines Bediensteten der E.ON Facility Management GmbH als Zeugen vor. 181    Fünftens habe wahrscheinlich die Kombination aus der Überschreitung der Lagerdauer des streitigen Siegels, der Einwirkung von Synto, der Luftfeuchtigkeit und den Vibrationen eine erhöhte Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie herbeigeführt, die den Zustand des streitigen Siegels hervorgerufen habe. 182    Sechstens ergebe sich aus den Ermittlungen über den Verbleib der Schlüssel zur fraglichen Tür des Raums G.505 sowie aus dem Verhalten der Schlüsselinhaber, dass die Tür in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht geöffnet worden sein könne. Die Klägerin beantragt zum Beweis hierfür die Vernehmung der Schlüsselinhaber als Zeugen gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung. 183    Als Zweites rügt die Klägerin, die Kommission nehme fehlerhaft an, dass die Versuchsbedingungen der Institutsgutachten in erheblichem Umfang von den technischen Gegebenheiten vor Ort abgewichen seien (Randnr. 67 der angefochtenen Entscheidung). 184    Erstens sei das Argument der Kommission, das Institut habe für die Versuche keines ihrer Originalsiegel verwendet, nicht stichhaltig (Randnrn. 27, 29 und 35 der angefochtenen Entscheidung). Der Gutachter der Klägerin habe nie zugestanden, dass die für ein Siegel bestimmter Größe gefundenen Ergebnisse nur Schlussfolgerungen für ein Siegel derselben Größe erlaubten. Er habe lediglich angemerkt, dass Festigkeitswerte nicht beliebig von „Klein auf Groß“ umgerechnet werden könnten. Zum Nachweis einer Tendenz der Siegel zu „positiven Fehlreaktionen“ komme es nicht auf die Feststellung oder Messung bestimmter absoluter Werte an. Da die vom Institut verwendeten Proben bei den durchgeführten Untersuchungen immer die gleichen Abmessungen gehabt hätten, seien seine Schlussfolgerungen richtig, selbst wenn sich die Absolutwerte unterscheiden sollten. Auch deshalb sei die Verwendung von Proben der gleichen Größe nicht erforderlich. 185    Für den Fall, dass es nach Auffassung des Gerichts maßgeblich auf die Eigenschaften des Originalsiegels ankomme, habe die Kommission eine den Verteidigungsrechten der Klägerin genügende Beweisführung verhindert und könne sich daher nicht auf die Nichtverwendung von Originalsiegeln durch die Gutachter des Instituts berufen. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2006 habe die Klägerin die Übersendung von Originalsiegeln erbeten (vgl. auch Randnr. 21 der angefochtenen Entscheidung), die die Kommission problemlos durch Lochen, Markierungen mit Permanentschreibern oder Ähnliches hätte entwerten können. Nach Ansicht der Klägerin wäre die Fälschungsgefahr minimal gewesen, und ihre Gutachter hätten darüber hinaus Verpflichtungserklärungen unterschreiben können. Die Kommission sei lediglich damit einverstanden gewesen, dass die Gutachter der Klägerin in Anwesenheit von Beamten der Kommission Untersuchungen an den Originalsiegeln vornähmen, was praktisch nicht möglich gewesen sei, da die „statistisch abgesicherte“ Durchführung vieler Versuche eine Vielzahl von Einzelprüfungen erfordert habe, die sich über mehrere Wochen hingezogen hätten und in einem Labor hätten durchgeführt werden müssen. Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Kommission bereit gewesen wäre, für die Dauer der Untersuchungen einen Mitarbeiter abzustellen. 186    Zweitens sei die Klägerin aufgrund der Weigerung, Originalsiegel zur Verfügung zu stellen, gezwungen gewesen, die Überschreitung der maximalen Lagerdauer zu simulieren. Hierbei habe die gewählte Alterungsformel aufgrund der Durchlässigkeit der Schutzfolie für Wasserdampf durchaus akkurate Ergebnisse liefern können. Ebenso sei das von der Kommission angeführte Fehlen von periodisch wiederkehrenden „Kraftspitzen“ in den Diagrammen der Institutsgutachten II und III, die in den Gutachten von Herrn Kr. jedoch festgestellt worden seien (Randnr. 67 der angefochtenen Entscheidung), durch die Tatsache zu erklären, dass das Institut eine Prüfvorrichtung verwendet habe, in der ein luftgelagerter Schlitten den für die Ausbildung dieser Kraftspitzen verantwortlichen „Slip-Stick-[Gleit-Haft-]Effekt“ weitgehend unterdrücke. Die Klägerin beantragt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung eines Gutachters des Instituts als Zeugen. 187    Drittens sei das Fehlen einer Reaktion der anderen am 29. Mai 2006 angebrachten Siegel unerheblich. Diese Siegel seien in einem anderen Gebäude verwendet worden, das eine gänzlich andere Bauart aufweise. Abgesehen von der unterschiedlichen Bausubstanz und einer unterschiedlichen Vibrationsanfälligkeit der Türen seien die anderen Siegel nicht notwendig der gleichen Luftfeuchtigkeit ausgesetzt gewesen (Randnr. 92 der angefochtenen Entscheidung). 188    Als Drittes rügt die Klägerin, dass die Gutachten von Herrn Kr. weder in tatsächlicher noch in naturwissenschaftlich-technischer Hinsicht überzeugten. 189    Erstens beruhten die Gutachten von Herrn Kr. auf der unzutreffenden Annahme, dass die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien den Zustand des streitigen Siegels am Vormittag des 30. Mai 2006 wiedergäben. Die Fotografien seien jedoch erst nach wiederholtem Öffnen und Schließen der Tür des Raums G.505 angefertigt worden. Mangels belastbarer Ausgangstatsache fehle es seinen Ausführungen an Überzeugungskraft. 190    Zweitens sei Herr Kr. von einem zu geringen „Versatz der Tür“ von 0,53 mm ausgegangen, während das Institut festgestellt habe, dass zwischen Türblatt und Rahmen ein Versatz von mindestens 2 mm entstehen könne. Somit sei die von Herrn Kr. angesetzte mögliche Dehnung des streitigen Siegels im Zusammenhang mit Vibrationen zu gering bemessen. Darüber hinaus könnten entgegen der Behauptung der Kommission (Randnr. 79 der angefochtenen Entscheidung) ein „Versatz der Tür“ um 2 mm und andere am fraglichen Tag herrschende Umstände ein Kriechen des Siegels auf dem Untergrund erklären. 191    Drittens gehe aus der angefochtenen Entscheidung hervor (Randnr. 91), dass die Kommission selbst zugestehe, dass die Sicherheitsfolie durchlässig für Luftfeuchtigkeit sei. Insoweit seien zunächst die Angaben von 3M im Datenblatt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da sie eine bloße Orientierungshilfe zu den Produkteigenschaften darstellten und sich nur auf eine Testoberfläche aus Edelstahl bezögen. Ferner sei die Sicherheitsfolie der Luftfeuchtigkeit nicht nur nach ihrem Abziehen vom Folienträger und ihrem Aufkleben auf die Tür ausgesetzt gewesen, sondern auch solange sie sich noch auf dem Folienträger befunden habe, der aus silikonisiertem Papier bestehe. Schließlich sei die nicht belegte Behauptung der Kommission, dass die Gruppe der Acrylate innerhalb der Haftklebestofftypen die höchste Feuchtigkeitsresistenz aufweise, unerheblich, da das Institut nachgewiesen habe, dass der auf dem streitigen Siegel verwendete Acrylatklebstoff nicht hinreichend feuchtigkeitsresistent sei. In den vorliegenden Gutachten von Herrn Kr. sei die Frage, ob die Einwirkung von Feuchtigkeit zu „positiven Fehlreaktionen“ der Sicherheitsfolie führen könne, d. h., ob die „VOID“-Schriftzüge auch ohne „äußere Einflüsse“ hätten auftreten können, nicht untersucht worden. 192    Viertens fehle es den vor Ort durchgeführten Tests an einer „statistischen Absicherung“, die für eine wissenschaftlich fundierte Aussage unabdingbar sei. Auch die im Labor von Herrn Kr. durchgeführten Versuche seien unergiebig, da der Großteil der Versuche auf pulverbeschichteten Blechen durchgeführt worden sei. Es sei Stand der Wissenschaft, dass sich Acrylatklebstoffe auf einem pulverlackierten Untergrund anders verhielten als auf eloxiertem Aluminium. Daher verböten sich Rückschlüsse auf die Tür des Raums G.505 schon im Ansatz. 193    Fünftens habe der Sachverständige im KR-Gutachten II die Möglichkeit verkannt, dass das streitige Siegel so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Rahmen unter Spannung gestanden sei. Herr Kr. habe beim Ortstermin am 26. April 2007 eine Spannung des streitigen Siegels im Bereich des Türspalts verhindert und außerdem die Tür mit mehreren Siegeln versehen, bevor er an ihr gerüttelt habe, wodurch es zu einer Schwächung der Kräfte der Türbewegung gekommen sei. Nach dem Institutsgutachten I sei die Siegelfolie bei längeren und mehrfach einwirkenden Kräften kriechempfindlich. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass das streitige Siegel am 29. Mai 2006 so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Rahmen unter Spannung gestanden habe. 194    Sechstens habe die Kommission auch nicht berücksichtigt, dass bei allen von ihrem Gutachter beim Ortstermin angebrachten Sicherheitsfolien nach ihrem Ablösen „Knibbelecken“ zu sehen gewesen seien. Ein Einwirken auf das streitige Siegel im Hinblick auf sein Ablösen hätte also deutlich sichtbare Beschädigungen hervorrufen müssen. An dem streitigen Siegel seien aber keine „Knibbelecken“ zu sehen gewesen. Das Siegel sei daher in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht von Hand abgezogen worden. Die Klägerin schlägt dazu gemäß Art. 65 Buchst. c der Verfahrensordnung die Vernehmung ihres Rechtsanwalts und eines Bediensteten von E.ON als Zeugen vor. 195    Siebtens habe Herr Kr. das möglicherweise kombinierte Auftreten bestimmter Effekte (wie Überalterung des streitigen Siegels, sonstige Vorschädigung, Vibrationen, hohe Luftfeuchtigkeit und Einwirken eines Reinigungsmittels) nicht hinreichend berücksichtigt. Das streitige Siegel sei rund 14 Stunden lang appliziert und damit „äußeren Einflüssen“ wie Luftfeuchtigkeit und möglichen Vibrationen ausgesetzt gewesen. Hinsichtlich der Anwendung des Reinigungsmittels verkenne Herr Kr. außerdem „denkbare Geschehensabläufe“. Insbesondere sei von ihm nur eine Einwirkzeit des Mittels von 30 Minuten unterstellt worden, während im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die schädigende Wirkung des Reinigungsmittels auf das streitige Siegel längere Zeit habe entfalten können. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass das über längere Zeit unter Spannung stehende Siegel Kriechbewegungen ausgeführt habe. 196    Als Viertes hebt die Klägerin hervor, dass nach den eigenen Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung „positive Fehlreaktionen“ möglich seien (Randnrn. 7, 74 und 75). Der Kommission zufolge könnten die Ausbildung von „VOID“-Schriftzügen und die Klebstoffreste auf der Siegelrückseite nur durch ein Ablösen und erneutes Aufkleben des Siegels erklärt werden. Daher stehe im Umkehrschluss fest, dass unversehrte „VOID“-Schriftzüge bewiesen, dass ein Ablösen und anschließendes Wiederanbringen des Siegels ausgeschlossen sei. In ihrer Ergänzenden Erklärung vom 31. Mai 2006 habe die Klägerin jedoch festgehalten, ohne dass die Kommission dies bestritten habe, dass die „VOID“-Schriftzüge am Türrahmen des Raums G.505 (und nicht, wie dies die Kommission behaupte, auf der Tür und dem Türrahmen; vgl. Randnr. 75 der angefochtenen Entscheidung) völlig unverwischt und damit völlig unversehrt gewesen seien, als das Siegel vor dem Neuversiegeln am Abend des 30. Mai 2006 abgelöst worden sei (Randnr. 13 der angefochtenen Entscheidung). Damit stehe nach dem eigenen Vortrag der Kommission fest, dass der Teil des streitigen Siegels, der auf dem Türrahmen des Raums G.505 gehaftet habe, im fraglichen Zeitraum nicht vom Untergrund abgelöst worden sei, aber gleichwohl „VOID“-Schriftzüge gezeigt habe. 197    Die Klägerin hält es für normal, dass ihre spontanen Erklärungsversuche zum Zustand des streitigen Siegels vom 30. Mai 2006 nicht völlig einheitlich gewesen seien. Weder ihren Bediensteten noch ihren Dienstleistern sei der konkrete Grund für die vermeintliche Veränderung des streitigen Siegels bekannt. 198    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 199    Wie oben in den Randnrn. 55 und 56 ausgeführt, kann hinsichtlich der Beweislast für eine Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbsrechts, wenn sich die Kommission auf direkte Beweismittel stützt, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweismittel nicht erschüttern konnte. Im Gegenteil muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich, rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt. 200    Wie oben in Randnr. 146 festgestellt, ließen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zu, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. Hinsichtlich der Umstände, die nach Ansicht der Klägerin den Beweiswert dieser Beweismittel in Frage stellen, ist daher zu prüfen, ob die Klägerin rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass zum einen diese Umstände vorliegen und zum anderen durch sie der Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage gestellt wird. 201    Als Erstes macht die Klägerin geltend, sie habe nachgewiesen, dass „äußere Einflüsse“ vorgelegen hätten, die auf dem streitigen Siegel „VOID“-Schriftzüge hervorgerufen hätten, darunter die Überalterung des streitigen Siegels, die Einwirkung des Reinigungsmittels Synto, die Luftfeuchtigkeit, Vibrationen bzw. eine Kombination dieser verschiedenen Faktoren. 202    Erstens ist zum Einwand der Klägerin, die „VOID“-Schriftzüge seien auf dem streitigen Siegel wegen dessen Überalterung aufgetreten, festzustellen, dass die Klägerin keinen Kausalzusammenhang zwischen einer etwaigen Überalterung des streitigen Siegels und dem Auftreten der „VOID“-Schriftzüge auf seiner Oberfläche nachweist; über ihr Vorbringen, das streitige Siegel habe die vom Hersteller angegebene maximale Lagerdauer um gut eineinhalb Jahre überschritten, braucht nicht entschieden zu werden. 203    Insoweit ist zum einen hervorzuheben, dass das streitige Siegel und die an anderen Türen, deren Öffnung untersagt wurde, verwendeten Siegel aus derselben Produktion stammten (Randnr. 69 der angefochtenen Entscheidung). Nur bei dem streitigen Siegel traten jedoch die „VOID“-Schriftzüge auf, womit ausgeschlossen ist, dass diese durch das angebliche Überschreiten der maximalen Lagerdauer des streitigen Siegels hervorgerufen wurden. Zum anderen wird in dem von der Klägerin vorgelegten Institutsgutachten III jedenfalls nicht nachgewiesen, dass bei Verwendung einer künstlich gealterten Sicherheitsfolie eine „positive Fehlreaktion“ auftritt, vielmehr wird darin auf eine „signifikante Abnahme der Klebkraft der im Zeitraffer gealterten Siegelfolie sowie eine signifikante erhöhte Empfindlichkeit in der Ausbildung der ‚VOID‘-Buchstaben“ hingewiesen. Folglich ist der erste Einwand zurückzuweisen. 204    Zweitens ist zum angeblich maßgeblichen Einfluss von Synto festzustellen, dass die Klägerin nicht nachweist, dass die Verwendung von Synto zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des Siegels führt. 205    Zunächst ist hervorzuheben, dass der Behauptung der Klägerin, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma das streitige Siegel mit einem Tuch überwischt habe, das stark mit Synto befeuchtet gewesen sei, die Feststellungen von Herrn Kr., die die Klägerin nicht bestritten hat, zu widersprechen scheinen, dass die Applikation von Synto auf das Siegel mit einem Tuch zum einem Abrieb führe, so dass die dunkelblaue Farbe des Siegels auf das Tuch abfärbe. Die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma hat jedoch zu keiner Zeit erwähnt, dass nach der Reinigung der Tür des Raums G.505 eine solche Veränderung des Zustands des streitigen Siegels eingetreten sei. Vielmehr erklärte die Reinigungsfirma am 6. September 2006 in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission, dass die Reinigungskraft nach der Reinigung dieser Tür keine Veränderung des streitigen Siegels festgestellt habe. Auch ergibt sich weder aus dem Siegelbruchprotokoll noch aus der Ergänzenden Erklärung der Klägerin, dass die Inspektoren bei der Feststellung des Siegelbruchs irgendeinen Abrieb der dunkelblauen Farbe des streitigen Siegels festgestellt hätten. 206    Sodann beweisen die von der Klägerin vorgelegten Gutachten nicht, dass die Verwendung eines Reinigungsmittels zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des Siegels führt, da sie nur eine „signifikant erhöhte Empfindlichkeit“ des Siegels zeigen. Zudem ist, falls durch die von der Klägerin vorgelegten Gutachten doch ein solches Risiko nachgewiesen sein sollte, nicht erwiesen, dass die Tests des Instituts mit Synto durchgeführt wurden, da in den Ergebnissen des Institutsgutachtens II mindestens einmal angegeben ist, dass für diese Tests Synto Forte verwendet worden sei. Insoweit ist bereits oben in Randnr. 80 ausgeführt worden, dass aus dem Schreiben der Reinigungsfirma vom 5. September 2006 an die Kommission, insbesondere ihrer Antwort auf die zweite Frage der Kommission, hervorgeht, dass für die Reinigung der Tür des Raums G.505 tatsächlich Synto (und nicht Synto Forte) verwendet wurde. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Verwendung von Synto Forte die Ergebnisse der Gutachten des Instituts beeinträchtigt hat. 207    Schließlich geht aus der Antwort von 3M auf ein Auskunftsersuchen der Kommission hervor, dass Reinigungsmittel grundsätzlich nicht auf die Siegel einwirken. So hat 3M angegeben: „Reinigungsmittel haben normalerweise keine Auswirkung auf das Produkt. Das Oberflächenmaterial des Produkts besteht aus Polyester, das lösungsmittelresistent ist. Das Produkt würde erwartungsgemäß einem Kontakt mit normalen gewerblichen Reinigungsmitteln standhalten.“ 3M räumte ein, „keine konkreten Tests bezüglich der vorstehend erwähnten Reinigungsmittel durchgeführt“ zu haben, führte jedoch aus, „unserer Ansicht nach bestünde … das Hauptrisiko der Verwendung von Reinigungsmitteln darin, dass sie den Oberflächenaufdruck des weiterverarbeiteten Produkts beeinträchtigen könnten – in diesem Fall die blauen und gelben Farben auf dem Siegel der Kommission. Reinigungsmittel sollten die Wirkweise der Klebeschicht auf der Rückseite des Produkts nicht beeinträchtigen.“ Gerade ein solcher bloßer Abriebeffekt wurde von dem Gutachter der Kommission bei seinen Tests festgestellt, wie oben in Randnr. 205 ausgeführt. Darüber hinaus hat der Gutachter der Kommission bei Applikation von Synto auf das Siegel keine „positive Fehlreaktion“ des Siegels festgestellt. 208    Jedenfalls lag es, wie die Kommission in Randnr. 84 der angefochtenen Entscheidung ausführt, im Verantwortungsbereich der Klägerin, die Reinigungsfirma über Bedeutung und Behandlung des streitigen Siegels zu informieren und sicherzustellen, dass das streitige Siegel nicht etwa von ihrer Bediensteten erbrochen wird, zumal diese, wie aus dem Protokoll über ein Gespräch mit der Bediensteten der Reinigungsfirma hervorgeht, vor der Reinigung der Besprechungsräume einen Plan mit deren Belegung erhält. 209    Was drittens das Vorbringen betreffend die Luftfeuchtigkeit angeht, hat die Klägerin eine Unterlage vorgelegt, die belegen soll, dass in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 in München eine Luftfeuchtigkeit von 80 % herrschte. Nach dem Institutsgutachten III wird bei einer Luftfeuchtigkeit von über 60 % die Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie signifikant erhöht. 210    Hierzu genügt die Feststellung, dass die Klägerin zum einen nicht bewiesen hat, dass im Gebäude G in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 eine Luftfeuchtigkeit von über 60 % herrschte. Die von der Klägerin vorgelegte Unterlage über die Luftfeuchtigkeit in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 betrifft die Luftfeuchtigkeit außerhalb des Gebäudes G und ist daher nicht unmittelbar beweiskräftig für die Luftfeuchtigkeit, die in diesem Gebäude geherrscht haben soll. Zu dieser gab die Klägerin gegenüber der Kommission an, dass ihr die Daten für den 29. und den 30. Mai 2006 nicht mehr vorlägen. In der von der Klägerin an ihre Mitarbeiter gerichteten „Mitarbeiterinfo“ vom 14. Juli 2006 ist für die vorausgegangenen Tage eine Luftfeuchtigkeit von 55 % außerhalb und 50 % innerhalb des Gebäudes G angegeben. Das Vorbringen der Klägerin zur Regelungstechnik der Klimaanlage bzw. zum Nichtfunktionieren der automatischen Abschaltung der Zusatzbefeuchtung in der Klimaanlage ab einer bestimmten Luftfeuchtigkeit vermag ebenso wenig zu überzeugen, da die Klägerin nicht nachweist, dass diese Vorkommnisse im Gebäude G in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 2006 zu einer höheren Luftfeuchtigkeit als 60 % führten. Zum anderen beweist die Klägerin auch nicht, dass eine erhöhte Luftfeuchtigkeit zum Auftreten von „positiven Fehlreaktionen“ führt, da im Institutsgutachten III lediglich eine „erhöhte Empfindlichkeit“ der Sicherheitsfolie für die Luftfeuchtigkeit erwähnt ist. 211    Jedenfalls stehen die Behauptungen der Klägerin in Widerspruch zu den Angaben im Datenblatt, wonach das Produkt bei 90 % Feuchtigkeit und 32 °C 168 Stunden lang beständig ist, was durch die Feststellungen des Gutachters der Kommission bestätigt wird. Folglich ist der dritte Einwand der Klägerin zurückzuweisen. 212    Viertens genügt hinsichtlich des angeblich maßgeblichen Einflusses von Vibrationen als Erklärung für den Zustand des streitigen Siegels die Feststellung, dass die Klägerin nicht beweist, dass Tür und Türrahmen des Raums G.505 Vibrationen ausgesetzt waren. Wie von der Kommission vorgetragen, ist nicht nachprüfbar, unter welchen Bedingungen die von der Klägerin vorgelegten Videoaufnahmen zustande gekommen sind, mit denen gezeigt werden soll, dass Vibrationen auf bestimmten Teilen eines an einer geschlossenen Tür angebrachten Siegels „VOID“-Schriftzüge hervorrufen können, und es ist auch nicht nachprüfbar, ob auf diesen Aufnahmen wirklich die Tür des Raums G.505 zu sehen ist. Zudem zeigen diese Aufnahmen, wie die Kommission hervorhebt, jedenfalls nicht das Auftreten von „positiven Fehlreaktionen“, sondern nur das Auftreten von „VOID“-Schriftzügen im Spaltbereich zwischen Tür und Türrahmen bei Vibrationen, die angeblich durch das heftige Schließen der Tür des Nachbarraums erzeugt wurden, was nicht den Feststellungen im Siegelbruchprotokoll entspricht. 213    Im Übrigen lässt sich der Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 nicht mit dem von der Klägerin hypothetisch vorgetragenen Umstand erklären, dass die Nachbarräume des Raums G.505 für eine Besprechung am Folgetag gebucht gewesen seien und es zu einem Zuschlagen der Tür des benachbarten Raums und damit zu Vibrationen habe kommen können, oder dass Personen, die sich im Raum geirrt hätten, an der Tür des Raums G.505 gerüttelt hätten. 214    Da das streitige Siegel am Abend des 29. Mai 2006 gegen 19.30 Uhr noch unversehrt war (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung) und das Nachprüfungsteam am folgenden Morgen gegen 8.45 Uhr die Veränderung des streitigen Siegels feststellte (Randnr. 8 der angefochtenen Entscheidung), impliziert die Annahme der Klägerin, dass im Raum G.506, dem einzigen Besprechungsraum neben dem Raum G.505, in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 ein „reges Kommen und Gehen“ geherrscht habe, was nicht bewiesen ist. Insoweit ergibt sich aus dem Büro-Belegungsplan, dass der Raum G.506 am 30. Mai 2006 nur von 10 bis 16 Uhr, also nach Feststellung des Siegelbruchs, belegt war. Die Klägerin hat zwar in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 9. August 2008 angegeben, dass die Tür dieses Raums gegen 5.00 Uhr vom Sicherheitsdienst aufgeschlossen wurde, doch behauptet die Klägerin nicht, dass der Sicherheitsdienst diese Tür heftig zugeschlagen habe, was die behaupteten Vibrationen verursacht habe. Im Übrigen genügt zu dem in der mündlichen Verhandlung wiederholten Vorbringen der Klägerin, eine Besprechung im Raum G.506 habe die Herbeischaffung von schwerem Material ab 5.00 Uhr morgens erfordert, die Feststellung, dass eine solche Behauptung angesichts der Tatsache, dass der fragliche Raum erst um 7.00 Uhr morgens gereinigt wurde und die Besprechung um 10.00 Uhr begann, nicht glaubhaft ist. 215    Schließlich greift das Vorbringen der Klägerin, Personen, die sich in der Raumnummer geirrt hätten oder noch nicht von der Umbelegung des Raums G.505 informiert worden seien, hätten an der Tür gerüttelt und so das streitige Siegel beschädigt, nicht durch, da die Tür dieses Raums abgeschlossen war und die Klägerin nicht bewiesen hat, dass zwischen einem etwaigen Rütteln an dieser Tür und dem Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 ein Kausalzusammenhang besteht. 216    Selbst wenn die oben in den Randnrn. 212 bis 215 angeführten Umstände erwiesen wären, lag es jedenfalls im Verantwortungsbereich der Klägerin, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, um ihre Belegschaft und etwaige in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 im Gebäude G anwesende Besucher über das Vorhandensein des streitigen Siegels und seine Behandlung zu informieren, damit jeglicher Bruch des Siegels vermieden würde. Folglich ist der vierte Einwand der Klägerin zurückzuweisen. 217    Fünftens ist zu dem Einwand, eine Kombination aus der Überschreitung der Lagerdauer des streitigen Siegels, der Einwirkung von Synto, der Luftfeuchtigkeit und den Vibrationen habe eine erhöhte Empfindlichkeit des streitigen Siegels herbeigeführt, festzustellen, dass weder das Vorliegen dieser Umstände, auch einzeln betrachtet, noch ihre Auswirkung auf das streitige Siegel rechtlich hinreichend nachgewiesen worden sind. Im Übrigen macht die Klägerin nicht geltend, dass die Kombination dieser Faktoren zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ führe, sondern nur, dass „eine Vorschädigung der Siegelfolie durch Alterung, durch Synto oder Kombinationen der Vorschädigung durch Alterung und Synto … bei erhöhter Luftfeuchtigkeit zu einer deutlichen Empfindlichkeitssteigerung [führt].“ Dieser Einwand ist daher ebenfalls zurückzuweisen. 218    Sechstens ist zu dem Vorbringen, die Tür des Raums G.505 sei in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht geöffnet worden, darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie oben in Randnr. 85 festgestellt, nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 die Beweislast für den Siegelbruch trägt. Sie muss jedoch nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde. Dieser Einwand greift daher nicht durch. 219    Aus alledem ergibt sich, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass Umstände vorliegen, durch die der Beweiswert der Beweismittel, auf die die Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung gestützt hat, in Frage gestellt werden kann. 220    Was als Zweites die von der Kommission beanstandeten Mängel der von der Klägerin vorgelegten Gutachten betrifft, sind sie hier unerheblich, da diese Gutachten, wie aus den vorstehenden Erwägungen hervorgeht, nicht beweisen, dass die oben genannten Umstände zu dem am Morgen des 30. Mai 2006 festgestellten Zustand des streitigen Siegels führen konnten. 221    Jedenfalls weisen diese Gutachten, wie die Kommission hervorhebt, tatsächlich mehrere Mängel auf. So wurden erstens die Tests des Instituts nicht anhand von Originalsiegeln der Kommission durchgeführt, sondern anhand von sehr kleinen Proben (4 cm² statt 54 cm²). Der Gutachter der Klägerin hat in diesem Kontext selbst ausgeführt, dass die Widerstandswerte der Siegel nicht beliebig von „Klein auf Groß“ umrechenbar sind. Außerdem wirkt sich die Größe eines Siegels auf die gutachterlichen Ergebnisse aus, was den etwaigen Einfluss von Synto, von Vibrationen und auch von Luftfeuchtigkeit auf die Funktionsfähigkeit des Siegels angeht. Insoweit kann dem Argument der Klägerin, die Kommission habe eine den Verteidigungsrechten der Klägerin genügende Beweisführung verhindert, indem sie es abgelehnt habe, ihr Originalsiegel zu übermitteln, nicht gefolgt werden. Die Klägerin bestreitet nämlich nicht, dass die Kommission ihr die Lieferung von Originalsiegeln unter der Bedingung angeboten hat, dass Bedienstete der Kommission an den Tests teilnehmen. Die Klägerin hat dieses Angebot jedoch abgelehnt (Randnr. 65 der angefochtenen Entscheidung). Insoweit kann auch der Behauptung der Klägerin, es sei wenig wahrscheinlich, dass die Kommission bereit gewesen wäre, für die Dauer der Untersuchungen einen Mitarbeiter abzustellen, nicht gefolgt werden, da eine solche Belastung gegebenenfalls von der Kommission und nicht von der Klägerin zu tragen ist, so dass sich die Klägerin nicht auf sie stützen kann, um zu rechtfertigen, dass keine Originalsiegel getestet wurden. 222    Zweitens hat die Klägerin, da sie ihre Tests nicht anhand von Originalsiegeln im Beisein eines Bediensteten der Kommission durchführen wollte, künstlich gealterte Siegel verwendet. Hierzu wurden die von der Klägerin verwendeten Siegel in einen Klimaschrank gelegt, in dem die Proben 40 Tage lang 60 % relativer Feuchte ausgesetzt wurden, was den im Datenblatt für die Lagerung empfohlenen Wert von 50 % relativer Feuchte übersteigt. 223    Drittens geht aus den Institutsgutachten II und III hervor, dass der Gutachter der Klägerin für die Durchführung seiner Tests oder zumindest einiger seiner Tests die Folienstreifen mit 100 mg Reinigungsmittel tränkte, was einer viel größeren Menge entspricht, als sie gegebenenfalls von der Reinigungskraft verwendet worden wäre, die angegeben hat: „Der Lappen war extrem nass – er war allerdings nicht mit großen Mengen an Putzmittel versehen.“ Sodann kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Institut für seine Versuche nicht Synto verwendete – das von der Reinigungskraft verwendet wurde und das der Kommission für ihre Versuche von der Reinigungsfirma selbst zugesandt worden war –, sondern die Synto-Variante Synto Forte. So ist in dem Institutsgutachten II ausdrücklich angegeben, dass bestimmte Tests mit der Variante Synto Forte durchgeführt worden seien. Zudem ist in den Institutsgutachten II und III angegeben, dass das für die Tests verwendete Produkt 2‑(2‑ButoxyEthoxy)Ethanol enthält, das nicht in Synto, sondern nur in dessen Variante Synto Forte enthalten ist. Es ist unstreitig, dass dieser Inhaltsstoff Synto Forte zu einem viel aggressiveren Reinigungsmittel macht. 224    Als Drittes ist festzustellen, dass die von der Klägerin beanstandeten Mängel der Gutachten von Herrn Kr. das oben in Randnr. 219 dargelegte Ergebnis nicht in Frage stellen können, da zum einen die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte (siehe oben, Randnr. 146), und da zum anderen die Klägerin, die für den von ihr angeführten Sachverhalt beweispflichtig ist, die von ihr geltend gemachten Umstände, die den so festgestellten Zustand des streitigen Siegels hervorgerufen haben sollen, nicht bewiesen hat. 225    Jedenfalls sind erstens die Gutachten von Herrn Kr. entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die Annahme gestützt, dass die am Nachmittag des 30. Mai 2006 angefertigten Fotografien den Zustand des streitigen Siegels am Vormittag des 30. Mai 2006 wiedergäben, denn die Verweisung auf die genannten Fotografien, die insbesondere im KR‑Gutachten II enthalten ist, stellt nur einen ergänzenden Hinweis auf den Zustand des streitigen Siegels dar, wie er sich aus den am 30. Mai 2006 aufgenommenen Fotografien ergibt. 226    Zweitens ist zu dem „Versatz der Tür“, der für die Tests von Herrn Kr. zu gering angesetzt worden sei, zunächst darauf hinzuweisen, dass Herr Kr. beim Ortstermin in Anwesenheit der Klägerin mit einem digitalen Messschieber einen maximalen Versatz von 0,53 mm feststellte und dieser Feststellung von der Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Statement of Facts bzw. in den Institutsgutachten II und III nicht widersprochen wurde. Jedenfalls wäre zum einen, wie aus Randnr. 79 hervorgeht, selbst bei einem Versatz von 2 mm die Dehnung des streitigen Siegels sehr gering geblieben. Zum anderen trägt die Klägerin nichts vor, was zu der Annahme berechtigen würde, dass ein größerer Versatz zum Risiko einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels hätte führen können. 227    Drittens ist in Bezug auf die Luftfeuchtigkeit festzustellen, dass die Klägerin nicht beweist, dass die Angaben des Datenblatts, auf die die Kommission ihre Stellungnahme in mehrfacher Hinsicht stützt, im vorliegenden Fall, u. a. wegen des Materials, aus dem die Tür und der Türrahmen des Raums G.505 bestehen, nicht anwendbar seien. Sie weist auch nicht nach, dass sich die Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie durch Luftfeuchtigkeit beim Abziehen von der Schutzfolie erhöht. Schließlich geht aus dem KR-Gutachten II entgegen dem Vortrag der Klägerin hervor, dass sogar eine erhöhte Feuchtigkeit nicht zu einer Beeinträchtigung des streitigen Siegels geführt hätte. 228    Viertens ist in Bezug auf das Fehlen einer „statistischen Absicherung“ der Tests von Herrn Kr. festzustellen, dass die Klägerin für die von ihr angeführten Umstände beweispflichtig ist, so dass das Fehlen einer „statistischen Absicherung, die für eine wissenschaftlich fundierte Aussage unabdingbar ist“, unerheblich ist. Jedenfalls hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die Versuchsanordnung mit pulverlackierten Blechen gegenüber Untersuchungen auf eloxiertem Aluminium besonders konservativ ist. 229    Fünftens ist die Behauptung der Klägerin zurückzuweisen, Herr Kr. habe die Möglichkeit verkannt, dass das streitige Siegel möglicherweise so angebracht worden sei, dass es an dem Spalt zwischen Türblatt und Türrahmen von Raum G.505 unter Spannung gestanden habe, was zu einer stärkeren Übertragung von Kräften auf das Siegel geführt hätte, als in dem KR-Gutachten II angenommen worden sei. Diese Behauptung ist durch nichts belegt. Jedenfalls hat Herr Kr. festgestellt, dass eine Dehnung des Siegels einen hohen Kraftaufwand voraussetze (Randnr. 89 der angefochtenen Entscheidung), was beim Anbringen eines Siegels mit den Händen ausgeschlossen sei. 230    Sechstens kann das angebliche Fehlen von „Knibbelecken“ an dem streitigen Siegel nicht beweisen, dass dieses in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 nicht entfernt worden ist. „Knibbelecken“ sind kein Merkmal eines Siegelbruchs. Zudem führt ein manuelles Ablösen nicht zwangsläufig zu „Knibbelecken“, da ein Siegel vorsichtig abgezogen und auch ausgehend von dem Spalt zwischen Tür und Türrahmen, auf die es aufgeklebt ist, abgelöst werden kann. Dieser Einwand ist daher ebenfalls zurückzuweisen. 231    Siebtens ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus dem KR‑Gutachten II, dass in dessen Rahmen das kombinierte Einwirken der von der Klägerin angeführten Umstände tatsächlich geprüft worden ist. Auch dieser Einwand greift folglich nicht durch. 232    Was als Viertes die angebliche Möglichkeit positiver Fehlreaktion betrifft, die sich aus den Ausführungen der Kommission in den Randnrn. 7, 74 und 75 der angefochtenen Entscheidung ergeben soll, so braucht angesichts des Ergebnisses in Randnr. 219 des vorliegenden Urteils darüber nicht entschieden zu werden. 233    Jedenfalls ist dieses Vorbringen, wie oben in Randnr. 146 ausgeführt, zurückzuweisen, da sich die Kommission die Angaben der Klägerin in Nr. 2 ihrer Ergänzenden Erklärung vom 30. Mai 2006 (siehe oben, Randnr. 12) nicht zu eigen gemacht hat und überdies die bloße Behauptung der Klägerin, „der Schriftzug ‚VOID‘ am Türrahmen [war] völlig unverwischt“, für sich allein nicht das Vorliegen einer „positiven Fehlreaktion“ des streitigen Siegels belegen kann. 234    Folglich ist der sechste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung Vorbringen der Parteien 235    Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe im Verwaltungsverfahren die Unschuldsvermutung nicht „hinreichend beachtet“. Am 16. Oktober 2007 habe die Kommission Herrn Kr. beauftragt, zu den Institutsgutachten II und III Stellung zu nehmen. Die Fragen der Kommission an Herrn Kr. zur Vorbereitung des KR‑Gutachtens II hätten großteils „suggestiven Charakter“, wodurch die Kommission gegen ihre Verpflichtung zu unvoreingenommenen, neutralen Ermittlungen verstoßen, die Unschuldsvermutung missachtet und das „Recht auf ein faires Verfahren“ verletzt habe. 236    Da die Kommission nicht neutral ermittelt habe, wie es der Grundsatz der Unschuldsvermutung erfordere, könne dahinstehen, ob ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Neutralität des Gutachters bestünden (Randnr. 37 der angefochtenen Entscheidung), da der Vorwurf der Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung nicht gegen den Sachverständigen der Kommission, sondern gegen die Kommission selbst gerichtet sei. Allein die Tatsache, dass ernsthafte Zweifel an der Neutralität der Kommission bestünden, reiche nämlich für einen Verstoß gegen die in der Unschuldsvermutung wurzelnde Pflicht zur Unparteilichkeit aus. Im Übrigen könne das Verhalten des Sachverständigen, d. h. die Umformulierung der Fragen, die Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung durch die Kommission nicht aufwiegen. 237    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 238    Der u. a. in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung gehört zu den Grundrechten, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte, durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 47 der Charta bekräftigt worden ist, in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung). 239    Der Grundsatz der Unschuldsvermutung bedeutet, dass jede beschuldigte Person bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt (Urteil vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnr. 106). 240    Im vorliegenden Fall sieht die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung darin, dass die Kommission Herrn Kr. mit Schreiben vom 16. Oktober 2007 einen Fragebogen übersandt habe, dessen Fragen „suggestiven Charakter“ hätten. 241    Die in diesem Schreiben Herrn Kr. gestellten Fragen lauten wie folgt (vgl. auch Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung): „1.      Bitte nehmen Sie Stellung zu den Methoden, Analysen und Schlussfolgerungen der [Instituts-]Gutachten, die der Kommission mit Schreiben vom 6.6.2007 und 1.10.2007 übersandt wurden. Erläutern Sie in Ihrer Stellungnahme insbesondere die Gründe, warum die genannten [Instituts‑]Gutachten Ihr eigenes Gutachten vom 8.5.2007 zur Funktionsfähigkeit der Kommissionssiegel im Hinblick auf Methoden, Analysen und Schlussfolgerungen nicht in Frage stellen. Sollten Sie zur Bestätigung/Untermauerung Ihrer bisherigen Aussagen weitere Versuche für notwendig erachten, beschreiben Sie diese kurz. 2.      Bitte beantworten Sie die vorgenannte Frage auch im Hinblick auf Argumente/Faktoren, die EON – über die [Instituts-]Gutachten hinaus – im Schriftsatz vom 6.7.2007 vorgebracht hat (z. B. fehlende statistische Relevanz Ihrer Tests). 3.      Bitte bestätigen Sie, dass die Kombination der von EON (bzw. [vom Institut]) vorgebrachten Faktoren/Argumente (u. a. fehlende Vorreinigung des Untergrunds, Abwischen des Siegels mit dem Putzmittel Synto, Rütteln an der Tür, Luftfeuchtigkeit, vermeintliche Überlagerung der Siegel) nicht zu einem positiven Fehlverhalten der Siegel (‚false positive‘) führen kann, ohne dass das Siegel von der Oberfläche abgelöst wurde. Bitte bestätigen Sie ebenfalls, dass die Kombination der vorgebrachten Faktoren/Argumente die übrigen von der Kommission am Morgen des 30.5.2006 beobachteten Umstände (Klebstoffreste um den Siegelrand und auf der Siegelunterseite) nicht zu erklären vermag. Sollten Sie zur Bestätigung/Untermauerung dieser Aussagen weitere Versuche für notwendig erachten, beschreiben Sie diese kurz.“ 242    Die Prüfung des vierten Klagegrundes hat ergeben, dass die Beweismittel, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 8, 9, 74 und 75) gestützt hat, angesichts der „VOID“-Schriftzüge auf der gesamten Oberfläche des streitigen Siegels und der Klebstoffreste daneben und auf dessen Rückseite am Morgen des 30. Mai 2006 den Schluss zuließen, dass das streitige Siegel in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 von der Tür des Raums G.505 entfernt worden war und dass diese Tür also in diesem Zeitraum geöffnet werden konnte. In diesem Kontext hatte das betroffene Unternehmen, wie sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes ergibt, rechtlich hinreichend nachzuweisen, dass zum einen die von ihm angeführten Umstände vorliegen und dass zum anderen durch sie der Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage gestellt wird. 243    In dieser Hinsicht ist festzustellen, dass, wie die Kommission ausführt, mit dem KR-Gutachten II nachgeprüft werden sollte, ob die Schlussfolgerungen des KR-Gutachtens I durch die Institutsgutachten II und III in Frage gestellt werden. Im KR-Gutachten I hatte der Gutachter der Kommission nämlich ausgeführt, dass ein im Institutsgutachten I postuliertes „Kriechen“ des Originalsiegels unabhängig von Alter, Anbringung und Abziehgeschwindigkeit des Siegels und auch nach vorheriger Reinigung mit Synto und nachfolgender Einwirkung von Scher- und Schälkräften als Ursache für eine „positive Fehlreaktion“ nicht in Betracht komme. 244    So sollte mit dem Fragebogen der Kommission angesichts der Aussage im KR-Gutachten I geklärt werden, ob diese Aussage durch die Institutsgutachten II und III in Frage gestellt wird. Die Kommission hat im Übrigen klargestellt – insoweit unwidersprochen seitens der Klägerin –, dass sich die Formulierung dieser Fragen auch aus ihrem Kontext ergeben habe, nämlich daraus, dass Herr Kr. zu den Feststellungen in den Institutsgutachten II und III bereits mündlich Bemerkungen abgegeben und gesagt habe, dass er keinen Grund sehe, an den Ergebnissen im KR-Gutachten I zu zweifeln. 245    Wie schließlich die Kommission in Randnr. 37 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ergibt sich aus der eigenen Formulierung dieser Fragen durch Herrn Kr. im KR-Gutachten II, dass er die Fragen als ergebnisoffen verstanden hat, denn sie sind wie folgt umformuliert: „Stellen die [Instituts-]Ergebnisberichte … die Schlussfolgerungen des letzten Gutachtens in Frage?“; „Stellen die [vom Anwalt der Klägerin] vorgebrachten Argumente die Schlussfolgerungen des letzten Gutachtens in Frage?“; „Kann ggf. eine Kombination der vorgebrachten Faktoren/Argumente zu einem positiven Fehlverhalten führen und die Umstände, unter denen das Siegel aufgefunden wurde, erklären?“ 246    Aus alledem folgt, dass die Kommission durch die Formulierung der Fragen in ihrem Schreiben vom 16. Oktober 2007 an Herrn Kr. nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoßen hat. 247    Der siebte Klagegrund ist daher zurückzuweisen. Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 Vorbringen der Parteien 248    Die Klägerin trägt vor, die Kommission werfe ihr in der angefochtenen Entscheidung einen fahrlässigen Siegelbruch vor, ohne deutlich zu machen, worin sie die fahrlässige Handlung erkenne. 249    Erstens richte sich Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ausschließlich an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, die durch ihre Angestellten oder sonstigen Vertreter, deren Verhalten ihnen daher zugerechnet werden könne, handelten. Die Klägerin rügt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission (100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97), die Kommission nehme in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht an, dass der Klägerin Verhaltensweisen Dritter zurechenbar seien. Kein Mitarbeiter oder Beauftragter der Klägerin habe die Tür des Raums G.505 geöffnet, was aus den von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen folge. In diesem Kontext stelle die angebliche Öffnung der Tür bzw. jede andere Ablösung des Siegels eine „Überschreitung der Befugnisse der handelnden Personen“ dar, die ihr nicht zugerechnet werden könne. Ob die Reinigungsfirma auf die Existenz des Siegels hingewiesen worden sei, sei unerheblich, da diese nicht über einen Schlüssel zum Raum G.505 verfügt habe. Der Zweck des Siegels, nämlich die Sicherung des nachzuprüfenden Aktenmaterials, habe insoweit nur durch die Schlüsselinhaber gefährdet werden können, so dass eine Benachrichtigung der Reinigungsfirma von der Existenz des Siegels nicht erforderlich gewesen sei. 250    Zweitens gehe der Fahrlässigkeitsvorwurf der Kommission fehl. Fahrlässigkeit liege nur dann vor, wenn die betreffende Person hätte erkennen können und müssen, dass sie den Tatbestand verwirkliche. Die Kommission stütze sich allein auf behauptete Veränderungen eines überalterten und unsachgemäß verwendeten Siegels. 251    Entgegen der Behauptung der Kommission (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung) habe die Bedienstete der Reinigungsfirma nicht wissen können, dass das bloße Überwischen des Siegels mit einem mit branchenüblichem Reinigungsmittel befeuchteten Tuch zur Ausbildung von Merkmalen führen könnte, die denen eines Siegelbruchs glichen. Der Klägerin könne auch nicht vorgeworfen werden, solchen Eingriffen nicht vorgebeugt zu haben (Fn. 176 der angefochtenen Entscheidung). Auf dem Siegel habe sich kein Hinweis auf eine Anfälligkeit gegen eine oberflächliche Reinigung befunden, und sie sei auf eine solche Anfälligkeit weder bei der Anbringung des Siegels noch im Versiegelungsprotokoll hingewiesen worden. Sie könne nur dafür verantwortlich gemacht werden, dass die versiegelte Tür nicht unbefugt geöffnet werde. Selbst die Mitglieder des Nachprüfungsteams hätten offensichtlich keine Kenntnis von der Funktionsweise des streitigen Siegels gehabt. 252    Darüber hinaus dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen, dass die Kommission sie nicht auf die Überschreitung der maximalen Lagerdauer des Siegels hingewiesen habe. Bei einer Überschreitung der maximalen Lagerdauer eines Siegels könnten Fehlfunktionen des Siegels nicht ausgeschlossen werden. Nach deutschem Recht stelle die bloße Überschreitung des Haltbarkeitsdatums einen Fehler der Sache dar. Im Licht der abgelaufenen maximalen Lagerdauer und in Anbetracht einer möglichen Geldbuße hätte die Kommission die Klägerin auf diesen Umstand jedenfalls hinweisen müssen. 253    Die Kommission bestreitet das Vorbringen der Klägerin. Würdigung durch das Gericht 254    Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt: „Außer in Fällen der Einwirkung von Naturgewalt ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich das Siegel nur durch eine vorsätzliche Handlung ablösen lässt. Hierfür spricht auch, dass das Siegel nach dem Entfernen augenscheinlich wieder in einer Art und Weise angebracht wurde, die den Siegelbruch verschleiern sollte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich im Gebäude lediglich von [der Klägerin] autorisierte Personen (darunter Mitarbeiter der [Reinigungsfirma], einer 100%igen Tochtergesellschaft der [Klägerin]) aufhielten“ (Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung). „Mindestens ist ein fahrlässiger Siegelbruch anzunehmen. Hierbei ist zu bedenken, dass Vertreter [der Klägerin] beim Anbringen des Siegels durch den Leiter des Nachprüfungsteams über die Bedeutung des Siegels und die Konsequenzen eines Siegelbruchs belehrt wurden … Der Hinweis darauf findet sich auch auf dem Siegel selbst“ (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). Somit ging die Kommission aufgrund der Art der Veränderung des Siegelzustands und angesichts der in Randnr. 9 der angefochtenen Entscheidung und im Siegelbruchprotokoll genannten Umstände davon aus, dass ein vorsätzlicher oder zumindest fahrlässiger Siegelbruch vorliege. 255    Mit dem vorliegenden Klagegrund rügt die Klägerin im Wesentlichen, die Kommission nehme in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht an, dass der Klägerin Verhaltensweisen Dritter zurechenbar seien, und macht geltend, im vorliegenden Fall könne von Fahrlässigkeit keine Rede sein, da die Mitarbeiterin der Reinigungsfirma nicht habe wissen können, dass sie den Tatbestand des Siegelbruchs verwirkliche. 256    Erstens ist bereits festgestellt worden, dass die Kommission nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen festsetzen kann, wenn „vorsätzlich oder fahrlässig“ von Bediensteten der Kommission oder anderen von ihr ermächtigten Begleitpersonen angebrachte Siegel erbrochen worden sind. Wie bei der Prüfung des zweiten Klagegrundes festgestellt, muss die Kommission nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 nicht aufzeigen, dass der versiegelte Raum tatsächlich betreten wurde. Das Vorbringen der Klägerin, die Tür des Raums G.505 sei nicht von Schlüsselinhabern geöffnet worden, was aus deren eidesstattlichen Versicherungen folge, und auch nicht von der Mitarbeiterin der Reinigungsfirma, da diese keinen Schlüssel zu diesem Raum gehabt habe, ist daher unerheblich. 257    Zweitens ist zu dem Vorbringen der Klägerin, kein Mitarbeiter oder Beauftragter der Klägerin habe die Tür des Raums G.505 geöffnet, was aus den eidesstattlichen Versicherungen der Schlüsselinhaber folge, und jede Ablösung des Siegels stelle eine Überschreitung der Befugnisse dieser Personen dar, festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass sich im Gebäude G lediglich von der Klägerin autorisierte Personen (darunter Mitarbeiter der Reinigungsfirma, einer 100%igen Tochtergesellschaft der Klägerin) aufgehalten hätten. Zudem hat die Kommission in Randnr. 103 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es könne ausgeschlossen werden, dass sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 2006 Unbefugte Zutritt zu dem Gebäude verschafft hätten, und die Klägerin habe ein unbefugtes Betreten des Gebäudes durch Dritte auch nicht behauptet. 258    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin diesen Behauptungen im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht widersprochen hat. Zudem sind Mitarbeiter oder Beauftragte der Klägerin als Personen anzusehen, die für sie und unter ihrer Leitung Arbeiten verrichten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnr. 539). In diesem Zusammenhang ist das von der Klägerin auf das Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission (oben in Randnr. 249 angeführt) gestützte Vorbringen zurückzuweisen, nur die Schlüsselinhaber seien Mitarbeiter oder Beauftragte. Wie von der Kommission hervorgehoben, setzt nämlich ihre Befugnis, ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, mit einer Sanktion zu belegen, nur die rechtswidrige Handlung einer Person voraus, die im Allgemeinen berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 277 und die dort angeführte Rechtsprechung). 259    Drittens beruht das Vorbringen, die Bedienstete der Reinigungsfirma habe nicht wissen können, dass das Überwischen des Siegels mit einem mit üblichem Reinigungsmittel befeuchteten Tuch zur Ausbildung von Merkmalen habe führen können, die denen eines Siegelbruchs glichen, auf der falschen Prämisse, dass erwiesen sei, dass der Zustand des streitigen Siegels am Morgen des 30. Mai 2006 dem angeblich von dieser Bediensteten verwendeten Reinigungsmittel zuzuschreiben sei. 260    Jedenfalls ist festzustellen, dass es, selbst wenn der Zustand des streitigen Siegels von dieser Bediensteten mit einem Lappen und Reinigungsmittel verändert worden sein könnte (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung), Sache der Klägerin war, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, dass es zu keiner Einwirkung auf das streitige Siegel kommt, zumal sie über dessen Bedeutung und die Konsequenzen eines Siegelbruchs deutlich belehrt worden war (Randnr. 5 der angefochtenen Entscheidung). 261    Viertens sind die Rüge der Klägerin, die Kommission stütze sich allein auf behauptete Veränderungen eines überalterten und unsachgemäß verwendeten Siegels, und ihre auf die maximale Lagerdauer des streitigen Siegels gestützte Rüge bereits bei der Prüfung des sechsten Klagegrundes zurückgewiesen worden. 262    Nach alledem hat die Kommission zu Recht die Auffassung vertreten, dass im vorliegenden Fall zumindest ein fahrlässiger Siegelbruch gegeben sei. 263    Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen. Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße Vorbringen der Klägerin 264    Die Klägerin macht hilfsweise geltend, dass keine Geldbuße zu verhängen sei, und weiter hilfsweise, dass die Geldbuße herabzusetzen sei. 265    Als Erstes rügt sie, die Geldbuße verstoße gegen das „Willkürverbot“ und gegen Art. 253 EG. Die Kommission habe nämlich in der angefochtenen Entscheidung nicht deutlich gemacht, nach welchen Kriterien sie die verhängte Geldbuße bemessen habe, so dass die Verhängung einer Geldbuße von 38 Millionen Euro unverständlich sei, da die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), selbst bei schweren Verstößen einen Grundbetrag von nur 20 Millionen Euro vorsähen. Angesichts der unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung habe die Klägerin ihre Verteidigungsrechte nicht wahrnehmen können. 266    Erstens habe sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 104 ff.) darauf beschränkt, einige Umstände aufzulisten, die entweder auf jeden Siegelbruch zuträfen oder pauschal erschwerende oder mildernde Umstände darstellten, ohne den Grundbetrag oder den Umfang der Erschwerungen oder Abmilderungen, weder in absoluten Zahlen noch in Prozentwerten, zu beziffern. Die Kommission habe es daher unter Verstoß gegen Art. 253 EG bezüglich eines wesentlichen Aspektes der angefochtenen Entscheidung versäumt, die maßgeblichen Beurteilungsgesichtspunkte anzugeben. 267    Zweitens erwecke die angefochtene Entscheidung den Eindruck, dass die Kommission von einem vorsätzlichen Verstoß ausgegangen sei, während sie in den relevanten Passagen der angefochtenen Entscheidung einen „zumindest fahrlässigen“ Verstoß angenommen habe (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). 268    Als Zweites rügt sie, die angeführten erschwerenden Gründe träfen tatsächlich nicht zu, gälten für jeden Fall eines Siegelbruchs und erschöpften sich in abstrakt-generellen Anmerkungen, die keinen Bezug zum konkreten Fall aufwiesen (vgl. Randnrn. 105 bis 108 der angefochtenen Entscheidung). Im vorliegenden Fall sei nach Ausmaß und Auswirkung des Siegelbruchs zu differenzieren. Die Kommission nehme jedoch zur konkreten Art und Weise der Verwirklichung des Siegelbruchs nicht Stellung. Die anderen in der angeführten Entscheidung angeführten Gründe, nämlich erstens die Verschärfung der Sanktionen für Siegelbrüche durch die Verordnung Nr. 1/2003 im Vergleich zur vorherigen Regelung, zweitens der Umstand, dass es sich um eine Nachprüfung in einer Wettbewerbssache gehandelt habe, drittens der Umstand, dass die Dokumente, die sich im Raum G.505 befunden hätten, nicht kopiert oder aufgelistet worden seien, viertens die Größe der Klägerin und fünftens die Unterlassung von Maßnahmen zur Sicherung des Siegels, seien für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes nicht relevant. 269    Als Drittes rügt sie, die Kommission habe mehrere für die Klägerin sprechende mildernde Umstände nicht hinreichend berücksichtigt, die eine wesentliche Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätten. 270    Erstens sei ein fahrlässiger Siegelbruch mit einer niedrigeren Geldbuße als ein vorsätzlicher Siegelbruch zu ahnden. Im vorliegenden Fall sei der Siegelbruch außerdem die Folge des Zusammentreffens mehr oder weniger zufälliger Umstände. 271    Zweitens hätten die Mitglieder des Nachprüfungsteams die Klägerin nicht über die besondere Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie informiert, was zum vermeintlich fahrlässigen Verhalten der Klägerin, nämlich dem Unterlassen von Sicherungsmaßnahmen, beigetragen habe. 272    Drittens habe nicht festgestellt werden können, ob sichergestellte Unterlagen aus dem Raum G.505 entfernt worden seien. 273    Viertens habe die Klägerin entgegen den Ausführungen in Randnr. 112 der angefochtenen Entscheidung überverpflichtungsgemäß mit der Kommission zusammengearbeitet, insbesondere durch die Übermittlung kostspieliger Gutachten. 274    Als Viertes rügt sie, der bloße Verweis auf den prozentualen Anteil der festgesetzten Geldbuße an ihrem Gesamtumsatz genüge nicht, um eine Rechtsverletzung bei der Festsetzung der Geldbuße auszuschließen. Die Höhe der Geldbuße stehe außer Verhältnis zum Tatvorwurf, zumal im vorliegenden Fall Zweifel am tatsächlichen Vorliegen eines der Klägerin zurechenbaren Siegelbruchs bestünden. Auch sei kein abschreckender Effekt der Geldbuße erforderlich. Darüber hinaus habe die niederländische Wettbewerbsbehörde (im Folgenden: NMa) in entsprechender Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jüngst einen Siegelbruch mit einer Geldbuße von 269 000 Euro bzw. 0,0028 % des Gesamtumsatzes des fraglichen Unternehmens belegt, obwohl die Wet houdende nieuwe regels omtrent de economische mededinging (Mededingingswet) (niederländisches Gesetz mit neuen Vorschriften über den wirtschaftlichen Wettbewerb [Wettbewerbsgesetz]) (Stb. 1997, Nr. 242) in der geänderten Fassung einen Bußgeldrahmen von bis zu 1 % des weltweiten Gesamtumsatzes eröffnet habe (Art. 70b Abs. 1 der Mededingingswet). 275    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Würdigung durch das Gericht 276    Als Erstes rügt die Klägerin, die angefochtene Entscheidung sei unzureichend begründet, da die Kommission nicht deutlich gemacht habe, nach welchen Kriterien sie die verhängte Geldbuße bemessen habe. Durch diese unzureichende Begründung sei die Klägerin in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt. 277    Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). 278    Vorliegend hat die Kommission zu den Kriterien, auf die sie bei der Bemessung der Geldbuße abgestellt hat, ausgeführt, dass sich die Höhe der Geldbuße insbesondere nach der Schwere des Verstoßes sowie den besonderen Umständen des Falles richte (Randnrn. 104 und 113 der angefochtenen Entscheidung). 279    Erstens sei unabhängig vom konkreten Fall davon auszugehen, dass ein Siegelbruch grundsätzlich schwerwiegend sei und dass eine Geldbuße wegen Siegelbruchs eine abschreckende Wirkung haben müsse (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung), weshalb es sich für ein Unternehmen, bei dem eine Nachprüfung durchgeführt werde, nicht lohnen dürfe, ein Siegel zu erbrechen. 280    Zweitens würden Nachprüfungen im Regelfall nur angeordnet, wenn es Anzeichen für Wettbewerbsverstöße gebe, was vorliegend der Fall gewesen sei. Insoweit sollte die Nachprüfung in den Räumlichkeiten der Klägerin es der Kommission ermöglichen, Anzeichen für Wettbewerbsverstöße nachzugehen; zudem hätten sich in dem versiegelten Raum am ersten Tag gefundene, noch nicht aufgelistete Dokumente befunden (Randnrn. 107 und 108 der angefochtenen Entscheidung). 281    Drittens habe sie bei der Bemessung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße den Umstand berücksichtigt, dass es sich um den ersten Anwendungsfall von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 handele, was allerdings nicht dazu führen könne, dass es bei einer Geldbuße bleibe, die nicht die abschreckende Wirkung dieser Bestimmung sichern könnte (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung). 282    Viertens hat sie darauf hingewiesen, dass die Bußgeldvorschriften für die Verletzung von Verfahrensvorschriften bereits drei Jahre vor den Inspektionen durch die Verordnung Nr. 1/2003 verschärft worden seien, dass wenige Wochen zuvor in Gebäuden desselben Konzerns bereits Versiegelungen erfolgt seien, dass die Klägerin eines der größten Energieunternehmen in Europa sei, das über umfangreiche kartellrechtliche Sachkunde verfüge, und dass die Klägerin bei der Versiegelung auf den erheblichen Bußgeldrahmen im Falle eines Siegelbruchs hingewiesen worden sei (Randnr. 110 der angefochtenen Entscheidung). 283    Sodann wies die Kommission das Vorbringen der Klägerin zur Wertung als mildernde Umstände zurück, dass die Kommission keinen spezifischen Beweis dafür erbracht habe, dass die Tür zum Raum G.505 tatsächlich geöffnet worden sei bzw. Dokumente entwendet worden seien oder dass die Klägerin mit der Kommission über das geschuldete Maß hinaus kooperiert habe (Randnrn. 111 und 112 der angefochtenen Entscheidung). 284    Da die Kommission zu Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 keine Leitlinien mit einer Berechnungsmethode erlassen hat, an die sie bei der Festsetzung von Geldbußen nach dieser Bestimmung gebunden wäre, und ihre Überlegungen in der angefochtenen Entscheidung klar und eindeutig zum Ausdruck kommen, brauchte sie entgegen der Auffassung der Klägerin den Grundbetrag oder den Umfang der Erschwerungen oder Abmilderungen weder in absoluten Zahlen noch in Prozentwerten zu beziffern. Folglich ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG zurückzuweisen. Die von der Klägerin erhobene Rüge einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte aufgrund der angeblich unzureichenden Begründung der angefochtenen Entscheidung ist ebenfalls zurückzuweisen. 285    Als Zweites rügt die Klägerin, die gegen sie festgesetzte Geldbuße sei unverhältnismäßig. 286    Insoweit ist zu beachten, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 96, und Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 223). 287    Demnach müssen die Geldbußen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen, d. h. zur Beachtung der Wettbewerbsregeln, stehen, und die Geldbuße, die gegen ein Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs verhängt wird, muss in angemessenem Verhältnis zu der Zuwiderhandlung als Ganzes unter Berücksichtigung u. a. ihrer Schwere stehen (Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 286 angeführt, Randnr. 224). Dabei ist die Schwere einer Zuwiderhandlung nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung zahlreicher Faktoren zu bestimmen, hinsichtlich deren die Kommission über ein Ermessen verfügt (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 43; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 240 bis 242). 288    Erstens hat die Kommission in den Randnrn. 105 bis 108 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Gründe dargelegt, aus denen die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs als solche eine besonders schwere Zuwiderhandlung ist, und hauptsächlich die Zielsetzung von Versiegelungen genannt, die darin besteht, zu verhindern, dass während der Nachprüfung Beweismittel verloren gehen, sowie das Erfordernis, dass die verhängte Geldbuße eine hinreichend abschreckende Wirkung haben muss. Insoweit ist außerdem hervorzuheben, dass der Gesetzgeber zum einen für die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs in der Verordnung Nr. 1/2003 schärfere Sanktionen als nach der alten Regelung vorgesehen hat, um der besonders schwerwiegenden Natur dieser Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen. Zum anderen ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen das Erfordernis berücksichtigen darf, deren hinreichende Abschreckungswirkung zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 249 angeführt, Randnr. 108); dem kommt für die Zuwiderhandlung eines Siegelbruchs noch größere Bedeutung zu, damit Unternehmen es nicht als für sie lohnend ansehen können, bei einer Nachprüfung ein Siegel zu erbrechen (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung). Angesichts der vorstehenden Erwägungen hat die Kommission, anders als die Klägerin meint, keine erschwerenden Umstände zu ihren Lasten berücksichtigt, sondern die Umstände genannt, die die Festsetzung einer hinreichend abschreckenden Geldbuße für Zuwiderhandlungen des Siegelbruchs generell rechtfertigen. 289    Was zweitens die angeblich nicht ausreichende Berücksichtigung von mildernden Umständen angeht, ist zum Ersten das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, der fahrlässig begangene Siegelbruch sei für das betroffene Unternehmen ein mildernder Umstand. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht von einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung ausgegangen ist, da sie es im vorliegenden Fall für erforderlich hielt, einzuräumen, dass es sich „mindestens“ um einen fahrlässigen Siegelbruch gehandelt habe (Randnr. 102 der angefochtenen Entscheidung). Ferner kann die Zuwiderhandlung des Siegelbruchs nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Wie von der Kommission hervorgehoben, lässt bereits das bloße Erbrechen des Siegels dessen Sicherungswirkung entfallen und reicht daher für eine Zuwiderhandlung aus. 290    Zum Zweiten ist hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die Kommission hätte sie über die besondere Empfindlichkeit der Sicherheitsfolie informieren müssen, festzustellen, dass, wie sich aus der Prüfung des fünften und des sechsten Klagegrundes ergibt, eine solche Empfindlichkeit nicht nachgewiesen worden, was die amtlichen Siegel der Kommission betrifft. Jedenfalls hat die Klägerin nicht dargetan, dass diese Empfindlichkeit „positive Fehlreaktionen“ des Siegels zur Folge haben könne. Zudem war es, wie sich aus der Prüfung des achten Klagegrundes ergibt, Sache der Klägerin, durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen, dass es zu keiner Einwirkung auf das streitige Siegel kommt. 291    Zum Dritten ist der Einwand unerheblich, dass nicht habe festgestellt werden können, ob sichergestellte Unterlagen aus dem Raum G.505 entfernt worden seien, da eine Versiegelung gerade dazu dient, jegliche Einwirkung auf in dem versiegelten Raum abgelegte Unterlagen in Abwesenheit der Nachprüfungsteams der Kommission zu verhindern. Im vorliegenden Fall waren die in dem Raum G.505 abgelegten Unterlagen, wie von der Kommission in den Randnrn. 11 und 111 der angefochtenen Entscheidung angegeben, insbesondere wegen ihrer großen Zahl nicht aufgelistet. Das Nachprüfungsteam konnte daher nicht nachprüfen, ob in diesem Raum abgelegte Unterlagen fehlten. 292    Zum Vierten können die behaupteten kostspieligen Aufwendungen der Klägerin für die Institutsgutachten bzw. die Befragungen der Mitarbeiter und Schlüsselinhaber nicht als überpflichtgemäße Aufklärung des Sachverhalts angesehen werden, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen würde, da diese Aufwendungen im Rahmen der Ausübung der Verteidigungsrechte der Klägerin erfolgten und die Ermittlungen der Kommission nicht erleichterten. 293    Drittens hat die Kommission jedenfalls den Umstand berücksichtigt, dass der in Rede stehende Siegelbruch der erste Anwendungsfall von Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1/2003 ist (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung), jedoch ausgeführt, dass, unabhängig von diesem Umstand, zum Ersten die Klägerin über umfangreiche kartellrechtliche Sachkunde verfügt, zum Zweiten die Änderung der Verordnung Nr. 1/2003 mehr als drei Jahre vor den Nachprüfungen erfolgt war, zum Dritten die Klägerin über die Konsequenzen eines Siegelbruchs informiert war, und zum Vierten einige Wochen vorher in Gebäuden anderer Unternehmen des Konzerns der Klägerin bereits Versiegelungen erfolgt waren. 294    Viertens kann eine Geldbuße von 38 Millionen Euro entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als gegenüber der Zuwiderhandlung unverhältnismäßig angesehen werden in Anbetracht dessen, dass ein Siegelbruch eine besonders schwerwiegende Zuwiderhandlung ist, und angesichts der Größe der Klägerin und des Erfordernisses, eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße zu gewährleisten, damit sich der Bruch eines von der Kommission im Rahmen einer Nachprüfung angebrachten Siegels für ein Unternehmen nicht lohnen kann. 295    Dem auf die Entscheidungspraxis der niederländischen NMa gestützten Vorbringen ist in diesem Zusammenhang nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass die Kommission jedenfalls nicht an die Entscheidungspraxis nationaler Wettbewerbsbehörden gebunden sein kann, ist festzustellen, dass der von der Klägerin gezogene Vergleich zwischen dem Prozentsatz der von der NMa verhängten Geldbuße vom Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens und dem Prozentsatz der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße von deren Umsatz unerheblich ist, da für diesen Vergleich bei der niederländischen Zuwiderhandlung auf den Umsatz des betroffenen Konzerns abgestellt wird, während im vorliegenden Fall lediglich der Umsatz der Klägerin und nicht der des gesamten E.ON-Konzerns herangezogen wird. 296    Aus alledem ergibt sich, dass die von der Kommission gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße, die etwa 0,14 % ihres Umsatzes entspricht, nicht unverhältnismäßig ist. 297    Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen, und die Klage ist in ihrer Gesamtheit abzuweisen, ohne dass den Anträgen der Klägerin auf prozessleitende Maßnahmen zu entsprechen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, Slg. 2007, I‑10005, Randnrn. 77 bis 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). Kosten 298    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. 299    Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Klage wird abgewiesen. 2.      Die E.ON Energie AG trägt die Kosten. Martins Ribeiro Papasavvas Wahl Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Dezember 2010. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Rechtlicher Rahmen Vorgeschichte des Rechtsstreits Verfahren und Vorbringen der Parteien Entscheidungsgründe Zum ersten Klagegrund: Verkennung der Beweislast Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den „Untersuchungsgrundsatz“ Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum dritten Klagegrund: unzutreffende Annahme ordnungsgemäßer Siegelanbringung Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum vierten Klagegrund: unzutreffende Annahme eines „auffälligen Zustands“ des streitigen Siegels am Tag nach der Nachprüfung Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum fünften Klagegrund: unzutreffende Annahme der Eignung der Sicherheitsfolie für amtliche Versiegelungen durch die Kommission Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum sechsten Klagegrund: Verkennung „alternativer Geschehensabläufe“ durch die Kommission, die den Zustand des streitigen Siegels hätten hervorrufen können Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum achten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 Vorbringen der Parteien Würdigung durch das Gericht Zum neunten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 253 EG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße Vorbringen der Klägerin Würdigung durch das Gericht Kosten * Verfahrenssprache: Deutsch.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 7. Dezember 2010.#Sofiane Fahas gegen Rat der Europäischen Union.#Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik - Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus - Einfrieren von Geldern - Nichtigkeitsklage - Verteidigungsrechte - Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz - Begründung - Schadensersatzklage.#Rechtssache T-49/07.
62007TJ0049
ECLI:EU:T:2010:499
2010-12-07T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-05555
Rechtssache T-49/07 Sofiane Fahas gegen Rat der Europäischen Union „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Nichtigkeitsklage – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Begründung – Schadensersatzklage“ Leitsätze des Urteils 1.      Nichtigkeitsklage – Natürliche oder juristische Personen – Handlungen, die sie unmittelbar und individuell betreffen – Beschluss über das Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Organisationen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden – Beschluss, mit dem die Liste der erfassten Personen, Vereinigungen oder Körperschaften überprüft und ergänzt wird, ohne den früheren Beschluss aufzuheben – Klage einer Person, die in diesem Beschluss nicht genannt ist – Zulässigkeit (Art. 263 AEUV; Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 6; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates, Art. 2 Abs. 3; Beschlüsse Nr. 2006/379 und Nr. 2006/1008 des Rates) 2.      Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang – Beschluss über das Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Organisationen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden – Beschluss, mit dem die Liste der erfassten Personen, Vereinigungen oder Körperschaften überprüft wird und einige Personen auf dieser Liste belassen werden (Art. 296 AEUV, Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 6; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates, Art. 2 Abs. 3) 3.      Unionsrecht – Grundsätze – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Beschluss über das Einfrieren von Geldern bestimmter Personen und Organisationen, die terroristischer Handlungen verdächtigt werden – Beschluss, mit dem die Liste der erfassten Personen, Vereinigungen oder Körperschaften überprüft wird und einige Personen auf dieser Liste belassen werden – Gerichtliche Überprüfung durch den Unionsrichter – Voraussetzungen (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47; Gemeinsamer Standpunkt 2001/931 des Rates, Art. 1 Abs. 6; Verordnung Nr. 2580/2001 des Rates, Art. 2 Abs. 3) 1.      Der Beschluss 2006/1008 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus hebt den Beschluss 2006/379 nicht auf, sondern fügt der mit diesem Beschluss erstellten Liste bestimmte Namen und Körperschaften hinzu. Daher ist die Zulässigkeit einer Klage gegen den Beschluss 2006/1008, die von einer in diesem Beschluss nicht ausdrücklich genannten Person erhoben wurde, vor allem im Licht zweier Erwägungen zu beurteilen. Erstens muss der Rat die Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind, gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus mindestens einmal pro Halbjahr überprüfen. Zweitens ergibt sich aus dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2006/1008, dass dieser die mit dem Beschluss 2006/379 erstellte Liste ergänzt, ohne sie aufzuheben. Darin kommt der Wille des Rates zum Ausdruck, die Personen, deren Namen im Beschluss 2006/379 aufgeführt sind, auf der streitigen Liste zu belassen, was zur Folge hat, dass ihre Gelder weiter eingefroren bleiben. Eine im Beschluss 2006/379 genannte Person ist folglich auch in Bezug auf den Beschluss 2006/1008 als unmittelbar und individuell betroffen und ihre Klage gegen diesen Beschluss als zulässig anzusehen. (vgl. Randnrn. 34-36) 2.      Sowohl die Begründung eines Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern als auch die Begründung der Folgebeschlüsse müssen sich nicht nur auf die rechtlichen Voraussetzungen der Anwendung der Verordnung Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, insbesondere das Vorliegen eines nationalen Beschlusses einer zuständigen Behörde, beziehen, sondern auch auf die besonderen und konkreten Gründe, aus denen der Rat in Ausübung seines Ermessens annimmt, dass der Betroffene einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern zu unterwerfen ist. Gemäß Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, auf den auch Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 verweist, wird die Überprüfung der Situation des Betroffenen, die vor Erlass der Folgebeschlüsse über das Einfrieren von Geldern durchgeführt werden muss, mit dem Ziel vorgenommen, sich zu vergewissern, dass sein Belassen auf der Liste von Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind, gegebenenfalls auf der Grundlage neuer Informationen oder Beweise nach wie vor gerechtfertigt ist. Sind die Gründe für einen Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern im Wesentlichen die gleichen wie diejenigen, die schon in einem früheren Beschluss geltend gemacht worden sind, kann jedoch eine einfache Erklärung dazu ausreichen, insbesondere wenn es sich bei dem Betroffenen um eine Vereinigung oder Körperschaft handelt. Da der Rat zudem über ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Umstände verfügt, die beim Erlass oder bei der Aufrechterhaltung einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern zu berücksichtigen sind, kann nicht verlangt werden, dass er spezifischer angibt, inwieweit das Einfrieren der Gelder einer von einer solchen Maßnahmen betroffenen Person konkret zur Bekämpfung des Terrorismus beiträgt, oder Beweise dafür liefert, dass der Betroffene seine Mittel zur Begehung oder Erleichterung künftiger terroristischer Handlungen nutzen könnte. (vgl. Randnrn. 53-55, 57) 3.      Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt und in den Art. 6 und 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist; er ist im Übrigen auch in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden. Insoweit setzt die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle – die sich u. a. auf die Rechtmäßigkeit der Gründe erstrecken können muss, auf die die Aufnahme des Namens einer Person oder einer Körperschaft in die dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus als Anhang angefügte Liste gestützt ist, die zur Folge hat, dass der Betroffene einer Reihe restriktiver Maßnahmen unterworfen wird – voraus, dass die betreffende Gemeinschaftsbehörde der betroffenen Person oder Körperschaft diese Gründe so weit wie möglich entweder in dem Zeitpunkt, in dem die Aufnahme in die Liste beschlossen wird, oder zumindest schnellstmöglich im Anschluss daran mitteilt, um den Betroffenen eine fristgemäße Ausübung ihres Klagerechts zu ermöglichen. Hinsichtlich der Folgebeschlüsse über das Einfrieren von Geldern, die der Rat im Rahmen der in Art. 1 Abs. 6 des genannten Gemeinsamen Standpunkts vorgesehenen, mindestens einmal pro Halbjahr stattfindenden regelmäßigen Überprüfung fasst, ob der Verbleib der Betroffenen auf der streitigen Liste gerechtfertigt ist, ist es nicht mehr notwendig, einen Überraschungseffekt zu wahren, um die Wirksamkeit der Sanktionen zu gewährleisten. Vor jedem Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern muss deshalb erneut die Möglichkeit einer Anhörung bestehen und sind gegebenenfalls die neuen zur Last gelegten Unstände mitzuteilen. (vgl. Randnrn. 59-60) URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer) 7. Dezember 2010(*) „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus – Einfrieren von Geldern – Nichtigkeitsklage – Verteidigungsrechte – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz – Begründung – Schadensersatzklage“ In der Rechtssache T‑49/07 Sofiane Fahas, wohnhaft in Mielkendorf (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. Zillmer, Kläger, gegen Rat der Europäischen Union, zunächst vertreten durch M. Bishop, E. Finnegan und S. Marquardt, dann durch M. Bishop, J.‑P. Hix und E. Finnegan als Bevollmächtigte, Beklagter, unterstützt durch Italienische Republik, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato, Streithelferin, wegen zum einen teilweiser Nichtigerklärung zuletzt des Beschlusses 2008/583/EG des Rates vom 15. Juli 2008 zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG (ABl. L 188, S. 21), soweit er den Kläger betrifft, sowie Verurteilung des Rates, den Namen des Klägers in seinen zukünftigen Beschlüssen nicht mehr zu erwähnen, solange keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt, und zum anderen Schadensersatzes erlässt DAS GERICHT (Zweite Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová, der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso (Berichterstatter), Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2009 folgendes Urteil Rechtlicher Rahmen 1        Am 28. September 2001 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im Folgenden: Sicherheitsrat) die Resolution 1373 (2001), mit der Strategien für die Bekämpfung des Terrorismus mit allen Mitteln und insbesondere der Finanzierung des Terrorismus festgelegt wurden. Art. 1 Buchst. c dieser Resolution bestimmt u. a., dass alle Staaten unverzüglich Gelder und sonstige finanzielle Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen von Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern, von Institutionen, die im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen stehen, sowie von Personen und Institutionen, die im Namen oder auf Anweisung dieser Personen und Institutionen handeln, einfrieren werden. 2        In der Erwägung, dass die Europäische Gemeinschaft tätig werden muss, um die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats im Einklang mit den Pflichten der EG-Mitgliedstaaten aus der Charta der Vereinten Nationen umzusetzen, nahm der Rat der Europäischen Union am 27. Dezember 2001 nach den Art. 15 EU und 34 EU den Gemeinsamen Standpunkt 2001/930/GASP über die Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 90) und den Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 93) an. 3        Nach Art. 1 Abs. 1 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 gilt dieser „für die im Anhang aufgeführten Personen, Vereinigungen und Körperschaften, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind“. 4        Nach Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 wird die Liste im Anhang auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten erstellt, aus denen sich ergibt, dass eine zuständige Behörde – gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien – gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften einen Beschluss gefasst hat, bei dem es sich um die Aufnahme von Ermittlungen oder um Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine terroristische Handlung zu begehen, daran teilzunehmen oder sie zu erleichtern, oder um eine Verurteilung wegen derartiger Handlungen handelt. Unter dem Ausdruck „zuständige Behörde“ ist eine Justizbehörde zu verstehen oder, sofern die Justizbehörden keine Zuständigkeit in diesem Bereich haben, eine entsprechende zuständige Behörde in diesem Bereich. 5        Nach Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 werden die Namen von Personen oder Körperschaften, die in der Liste im Anhang aufgeführt sind, mindestens einmal pro Halbjahr einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen, um sicherzustellen, dass ihr Verbleib auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist. 6        Nach den Art. 2 und 3 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 ordnet die Gemeinschaft im Rahmen der ihr durch den EG-Vertrag übertragenen Zuständigkeiten das Einfrieren der Gelder und sonstigen Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen der im Anhang aufgeführten Personen, Gruppen und Körperschaften an und stellt sicher, dass ihnen keine Gelder, Vermögenswerte oder wirtschaftliche Ressourcen oder Finanz- oder andere damit zusammenhängende Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar zur Verfügung gestellt werden. 7        In der Erwägung, dass es zur Umsetzung der im Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 beschriebenen Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene einer Verordnung bedarf, erließ der Rat am 27. Dezember 2001 auf der Grundlage der Art. 60 EG, 301 EG und 308 EG die Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344, S. 70). Aus dieser Verordnung geht hervor, dass vorbehaltlich der darin zugelassenen Ausnahmen alle Gelder, die einer in der Liste nach Art. 2 Abs. 3 aufgeführten natürlichen oder juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft gehören, eingefroren werden müssen. Ebenso ist es untersagt, für diese Personen, Vereinigungen oder Körperschaften Gelder oder finanzielle Dienstleistungen bereitzustellen. Der Rat erstellt, überprüft und ändert einstimmig und im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 bis 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 die Liste der dieser Verordnung unterfallenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften. 8        Die ursprüngliche Liste von Personen, Vereinigungen oder Körperschaften, auf die die Verordnung Nr. 2580/2001 Anwendung findet, wurde mit dem Beschluss 2001/927/EG des Rates vom 27. Dezember 2001 zur Aufstellung der Liste nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 (ABl. L 344, S. 83) erstellt. 9        Seitdem hat der Rat die im Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 und in der Verordnung Nr. 2580/2001 vorgesehenen Listen durch eine Reihe von Gemeinsamen Standpunkten und Beschlüssen aktualisiert. Vorgeschichte des Rechtsstreits 10      Der Kläger, Herr Sofiane Fahas, ist algerischer Staatsangehöriger und lebt seit 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Er heiratete am 18. September 2003 eine deutsche Staatsangehörige. 11      Der für die Voruntersuchungen zuständige Richter in Neapel (Italien) ordnete am 9. Oktober 2000 Präventivhaft für den Kläger an. In dieser Anordnung wurde der Kläger beschuldigt, sich einer Verschwörung angeschlossen zu haben, um in Italien eine Zelle der Gruppe „Al-Takfir und Al-Hijra“ (Al Takfir Wal Hijra) aufzubauen, die in Algerien seit 1992 aktiv sei und terroristische Tätigkeiten unterstütze, sowie zugunsten terroristischer Vereinigungen in Algerien Waffenhandel betrieben und Dokumente gefälscht zu haben. Mit Beschluss vom 30. Mai 2008 ordnete der Giudice dell’udienza preliminare del Tribunale di Napoli (für das Vorverfahren zuständiger Richter des Gerichts von Neapel) wegen vier Straftaten, darunter drei in Verbindung mit der genannten terroristischen Vereinigung, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Kläger an. 12      Mit dem Gemeinsamen Standpunkt 2002/976/GASP vom 12. Dezember 2002 betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2002/847/GASP (ABl. L 337, S. 93) aktualisierte der Rat das Verzeichnis der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, für die der Gemeinsame Standpunkt 2001/931 gilt. Unter Nr. 1 des Anhangs des Gemeinsamen Standpunkts 2002/976 wurde wie folgt zum ersten Mal der Name des Klägers aufgeführt: „FAHAS, Sofiane Yacine, geboren am 10.9.1971 in Algier (Algerien) (Mitglied von al-Takfir und al-Hijra)“. 13      Seit dem 12. Dezember 2002 erging eine Vielzahl von Beschlüssen, in denen der Name des Klägers in der in Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 vorgesehenen Liste (im Folgenden: streitige Liste) aufgeführt wird, was insbesondere das Einfrieren seiner Gelder zur Folge hatte. Nachstehend werden die Beschlüsse angeführt, zu denen die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits Ausführungen gemacht haben. 14      Am 12. Dezember 2002 erließ der Rat den Beschluss 2002/974/EG zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung des Beschlusses 2002/848/EG (ABl. L 337, S. 85). Nach Art. 1 des Beschlusses 2002/974 enthält die streitige Liste den Namen des Klägers. 15      Am 2. April 2004 nahm der Rat den Gemeinsamen Standpunkt 2004/309/GASP betreffend die Aktualisierung des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und zur Aufhebung des Gemeinsamen Standpunkts 2003/906/GASP (ABl. L 99, S. 61) an. Der Name des Klägers wird in der Liste im Anhang aufgeführt. Am selben Tag erließ der Rat den Beschluss 2004/306/EG zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/902/EG (ABl. L 99, S. 28). 16      Mit dem Beschluss 2006/379/EG vom 29. Mai 2006 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/930/EG (ABl. L 144, S. 21) wurde der Name des Klägers auf der streitigen Liste belassen. 17      In dem Beschluss 2006/1008/EG vom 21. Dezember 2006 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 (ABl. L 379, S. 123, Berichtigung ABl. 2007, L 150, S. 16) stellte der Rat fest, dass bestimmte weitere Personen, Vereinigungen und Körperschaften in die durch den Beschluss 2006/379 erstellte streitige Liste aufgenommen werden sollten, ohne dass diese Liste aufgehoben wurde. Der Name des Klägers ist im Beschluss 2006/1008 nicht aufgeführt. 18      Mit dem Beschluss 2008/583/EG des Rates vom 15. Juli 2008 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/868/EG (ABl. L 188, S. 21) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) wurde der Name des Klägers auf der streitigen Liste belassen. Verfahren und Anträge der Parteien 19      Mit Klageschrift, die am 20. Februar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. 20      Die Klage war ursprünglich gegen den Beschluss 2002/848 und alle seitdem angenommenen Beschlüsse gerichtet, einschließlich des Beschlusses 2006/1008. 21      Am 30. März 2007 hat der Kläger die Mängel, mit denen die Klageschrift behaftet war, behoben, indem er die Klage auf den Beschluss 2006/1008 beschränkt hat. 22      Mit besonderem Schriftsatz, der am 20. Juni 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Durch Beschluss der Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts vom 22. September 2008 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten worden. 23      Am 1. Oktober 2008 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung die Frage an den Kläger gerichtet, ob er in Anbetracht des Erlasses des angefochtenen Beschlusses seine Anträge und sein Vorbringen anpassen wolle. Am 17. Oktober 2008 hat der Kläger seine Anträge dahin angepasst, dass er seine Klage ausschließlich gegen den angefochtenen Beschluss richtet. 24      Mit Schriftsatz, der am 2. April 2009 bei der Kanzlei eingereicht worden ist, hat die Italienische Republik beantragt, in der vorliegenden Rechtssache als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Die Präsidentin der Zweiten Kammer des Gerichts hat die Streithilfe nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 14. Mai 2009 gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung zugelassen. 25      Der Kläger beantragt, –        den angefochtenen Beschluss, soweit dieser ihn betrifft, für nichtig und in Bezug auf ihn für unanwendbar zu erklären; –        den Rat zu verurteilen, es zu unterlassen, ihn in künftigen Beschlüssen des Rates zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001, die auf den angefochtenen Beschluss folgen, zu erwähnen, solange nicht durch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt ist, dass er als Mitglied von „Al-Takfir“ und „Al-Hijra“ oder auf andere Weise den Terrorismus unterstützt; –        den Rat zu verurteilen, ihm Schadensersatz für den erlittenen Schaden in Höhe von mindestens 2 000 Euro zu zahlen; –        dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 26      Der Rat beantragt, –        die Klage auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses als unbegründet abzuweisen; –        den Antrag des Klägers auf Schadensersatz als unzulässig oder auf jeden Fall als unbegründet abzuweisen; –        den Antrag des Klägers auf Unterlassung als unzulässig abzuweisen; –        dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 27      Die Italienische Republik unterstützt die Anträge des Rates. Rechtliche Würdigung 1.     Zum Antrag auf Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses Zur Zulässigkeit Zum Antrag auf Erteilung einer Weisung 28      Der Rat macht geltend, der Antrag des Klägers, der im Wesentlichen darauf gerichtet sei, ihn zu verpflichten, den Namen des Klägers nicht in künftige Listen aufzunehmen, solange nicht durch eine gerichtliche Entscheidung rechtskräftig festgestellt sei, dass er den Terrorismus unterstütze, sei unzulässig. 29      Dieser Antrag ist als Antrag auf Erteilung einer Weisung an den Rat auszulegen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Rahmen einer auf Art. 230 EG gestützten Klage nicht befugt ist, den Organen Weisungen zu erteilen (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 29. November 1993, Koelman/Kommission, T‑56/92, Slg. 1993, II‑1267, Randnr. 18, und Urteil des Gerichts vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, Slg. 1998, II‑3141, Randnr. 53). 30      Daher ist der Antrag, dem Rat eine Weisung zu erteilen, als unzulässig zurückzuweisen. Zur Klagebefugnis des Klägers in Bezug auf den ursprünglich angefochtenen Beschluss –       Vorbringen der Parteien 31      Nach Auffassung des Rates ist die Klage hinsichtlich des Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses 2006/1008 unzulässig, da in dessen Anhang der Name des Klägers nicht aufgeführt sei und dieser daher nicht individuell durch den Beschluss betroffen sei. Der Beschluss 2006/1008 hebe den Beschluss 2006/379 nicht auf, sondern füge lediglich Namen zu der Liste hinzu, die mit dem Beschluss 2006/379, der weiter Rechtswirkung entfalte, erstellt worden sei. Die Anpassung der Anträge könne keine Auswirkung auf die Unzulässigkeit der ursprünglichen Klage haben. 32      Der Kläger macht geltend, die Klage gegen den Beschluss 2006/1008 sei zulässig, da dieser Beschluss ihn trotz fehlender ausdrücklicher Aufführung seines Namens individuell betreffe. Der Beschluss 2006/1008 sei eine Erweiterung der Liste im Anhang des Beschlusses 2006/379. –       Würdigung durch das Gericht 33      Der Rat macht geltend, die Klage gegen den Beschluss 2006/1008 sei unzulässig, da der Kläger darin nicht genannt sei. In der Tat ist festzustellen, dass der Name des Klägers im Beschluss 2006/1008 nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Daher ist zu prüfen, ob der Kläger durch diesen Beschluss unmittelbar und individuell betroffen ist. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine andere Person als der Adressat einer Handlung nur dann geltend machen, im Sinne des Art. 230 Abs. 4 EG individuell betroffen zu sein, wenn diese Handlung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen tatsächlicher Umstände, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben, berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1963, Plaumann/Kommission, 25/62, Slg. 1963, 213, 238). 34      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss 2006/1008 den Beschluss 2006/379 nicht aufhebt, sondern der mit diesem Beschluss erstellten Liste bestimmte Namen und Körperschaften hinzufügt. 35      Die Zulässigkeit der Klage gegen den Beschluss 2006/1008 ist vor allem im Licht zweier Erwägungen zu beurteilen. Erstens muss der Rat die streitige Liste gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 mindestens einmal pro Halbjahr überprüfen. Zweitens ergibt sich aus dem zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2006/1008, dass dieser die mit dem Beschluss 2006/379 erstellte Liste ergänzt, ohne sie aufzuheben. Darin kommt der Wille des Rates zum Ausdruck, den Kläger auf der streitigen Liste zu belassen, was zur Folge hat, dass seine Gelder weiter eingefroren bleiben. Da der Kläger im Beschluss 2006/379 genannt ist, ist er auch in Bezug auf den Beschluss 2006/1008 als unmittelbar und individuell betroffen anzusehen. 36      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass im Einklang mit der Rechtsprechung in der Rechtssache Othman/Rat und Kommission (Urteil des Gerichts vom 11. Juni 2009, T‑318/01, Slg. 2009, II‑1627, Randnr. 53) die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen und die Klage, soweit sie sich auf den Beschluss 2006/1008 bezieht, als zulässig anzusehen ist. Es ist festzustellen, dass der Antrag vom 17. Oktober 2008 auf Anpassung der Anträge daher ebenfalls zulässig ist und dass die vorliegende Klage die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betrifft, was die Parteien, wie im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten, übereinstimmend anerkennen. Zur Begründetheit 37      Die Rügen des Klägers sind in zwei Klagegründe zusammenzufassen, erstens einen Klagegrund der Verletzung seiner Grundrechte und des Verstoßes gegen die Begründungspflicht und zweitens einen Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, der Rat habe einen Beurteilungsfehler und einen Ermessensmissbrauch begangen. Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Grundrechten und Verstoß gegen die Begründungspflicht –       Vorbringen der Parteien 38      Nach Ansicht des Klägers trägt die Gewährleistung der Verteidigungsrechte dazu bei, die ordnungsgemäße Ausübung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen. Die Verordnung Nr. 2580/2001 und der Gemeinsame Standpunkt 2001/931, auf den diese Verordnung verweise, sähen kein Verfahren für die Mitteilung des angefochtenen Beschlusses und der zur Last gelegten Umstände vor, die zur Aufnahme des Klägers in die streitige Liste geführt hätten. Ebenso wenig sehe diese Verordnung eine vorherige oder nachträgliche Anhörung des Betroffenen vor, um seine Streichung von der streitigen Liste bewirken zu können. Dem Kläger sei es somit zu keiner Zeit möglich gewesen, sich gegen die Nennung seines Namens auf der streitigen Liste zu verteidigen. Durch den angefochtenen Beschluss seien ihm gegenüber wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen in Form des Einfrierens von Geldern verhängt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sei das Recht, sich zu verteidigen, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der zu jeder Zeit sichergestellt werden müsse. 39      Durch die Resolution 1373 (2001) des Sicherheitsrats sei kein Verfahren festgelegt worden, das die Anfechtung der Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern erlaube. Es sei Aufgabe der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, konkret die Personen, Vereinigungen und Einrichtungen festzulegen, deren Gelder gemäß dieser Resolution einzufrieren seien. Da eine Ermessensentscheidung der Gemeinschaft erforderlich sei, müssten die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich die Verteidigungsrechte der Betroffenen wahren (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2006, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran/Rat, T‑228/02, Slg. 2006, II‑4665, im Folgenden: Urteil OMPI, Randnrn. 101 ff.). 40      Des Weiteren sei der Kläger durch den Erlass eines Beschlusses zur Durchführung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 in seinem Recht auf einen effektiven gerichtlichen Schutz seiner Rechte verletzt, die sich aus der Gemeinschaftsrechtsordnung herleiten ließen. Dem Kläger seien die konkreten Gründe für die Aufführung seines Namens in der streitigen Liste nicht bekannt gegeben worden, so dass er nicht in der Lage sei, seine Klage vor dem Gericht sachgerecht zu führen. 41      Der Kläger beruft sich auf Art. 253 EG, wonach der Rat die von ihm erlassenen Rechtsakte zu begründen habe. Der angefochtene Beschluss sei nicht begründet worden. Nach ständiger Rechtsprechung diene die Pflicht zur Begründung von beschwerenden Rechtsakten dem Zweck, den Betroffenen ausreichend zu unterrichten. Der Betroffene müsse erkennen können, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet sei. Nur so könne er feststellen, ob eine Anfechtung vor dem Gemeinschaftsrichter zulässig und dem Gemeinschaftsrichter die Möglichkeit zur Rechtmäßigkeitsüberprüfung gegeben sei (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission, C‑199/99 P, Slg. 2003, I‑11177, Randnr. 145). Zudem sei dem Kläger der Erlass des beschwerenden Rechtsakts nicht mitgeteilt worden. Schließlich stelle die Bezugnahme des Rates auf das gegen den Kläger in Italien eröffnete Ermittlungsverfahren keine hinreichende Begründung dar. 42      Vorsorglich macht der Kläger geltend, dass die Nennung von Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und Art. 1 Abs. 4 und 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 keine ausreichende Begründung des angefochtenen Beschlusses sei. 43      In seiner Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts macht der Kläger einen Verstoß gegen die Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts geltend, die sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren, dem Recht auf einen unparteiischen Richter, dem Grundsatz der Unschuldsvermutung und dem Recht auf Eigentum gemäß der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) ergäben, ohne dies zu substantiieren. Schließlich macht er in seiner Erwiderung geltend, dass es ihm verboten sei, zu arbeiten. 44      Der Rat, unterstützt durch die Streithelferin, tritt dem gesamten Vorbringen entgegen, auf das der Kläger den ersten Klagegrund stützt. –       Würdigung durch das Gericht 45      Nach ständiger Rechtsprechung sind die Grundrechte integraler Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat. Der Gerichtshof und das Gericht lassen sich dabei von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Hierbei kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C‑305/05, Slg. 2007, I‑5305, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). 46      Aus der Rechtsprechung ergibt sich weiter, dass die Achtung der Menschenrechte eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaft ist (Gutachten des Gerichtshofs vom 28. März 1996, 2/94, Slg. 1996, I‑1759, Randnr. 34) und dass Maßnahmen, die mit der Achtung dieser Rechte unvereinbar sind, in der Gemeinschaft nicht als rechtens anerkannt werden können (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659, Randnr. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). 47      Die Wahrung der Verteidigungsrechte ist nach ständiger Rechtsprechung in allen Verfahren gegen eine Person, die zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der auch dann sichergestellt werden muss, wenn eine Regelung für das betreffende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass jede möglicherweise von einer Sanktion betroffene Person zu den ihr zur Last gelegten Umständen, auf die sich die Verhängung der Sanktion stützt, sachgerecht Stellung nehmen kann (vgl. Urteil OMPI, Randnr. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung). 48      Im Zusammenhang mit einem Beschluss über das Einfrieren von Geldern verlangt der allgemeine Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte, dass dem Betroffenen die zur Last gelegten Umstände so weit wie möglich mitgeteilt werden, entweder gleichzeitig mit dem Erlass des Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern oder so früh wie möglich im Anschluss daran, es sei denn, dem stehen zwingende Erwägungen der Sicherheit der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten oder der Gestaltung ihrer internationalen Beziehungen entgegen. Unter denselben Einschränkungen müssen jedem Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern grundsätzlich eine Mitteilung der neuen zur Last gelegten Umstände und eine Anhörung vorausgehen (Urteil OMPI, Randnr. 137). 49      Im vorliegenden Fall hat der Rat dem Kläger nach Erlass des Beschlusses 2007/868/EG des Rates vom 20. Dezember 2007 zur Durchführung von Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 und zur Aufhebung des Beschlusses 2007/445/EG (ABl. L 340, S. 100), dessen Wortlaut mit dem der früheren Beschlüsse übereinstimmt, in denen der Name des Klägers aufgeführt ist, am 3. Januar 2008 eine Begründung übersandt. Der Kläger hat dazu mit Schreiben vom 14. März 2008 Stellung genommen. Der Rat hat dessen Inhalt geprüft, bevor er entschieden hat, den Namen des Klägers mit dem angefochtenen Beschluss in der streitigen Liste zu belassen. In dem Schreiben vom 15. Juli 2008, das sowohl den angefochtenen Beschluss als auch eine Begründung enthielt, die mit der Begründung der früheren Beschlüsse, in denen der Name des Klägers genannt war, übereinstimmte, hat der Rat ausgeführt, dass er nach Prüfung des Schreibens des Klägers vom 14. März 2008 der Auffassung sei, dass den Akten keine neuen Umstände zu entnehmen seien, die eine Änderung seines Standpunkts rechtfertigten, und dass die dem Kläger zuvor übermittelte Begründung weiterhin gelte. Hinsichtlich des Rechts auf Anhörung ergibt sich daraus, dass der Rat dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, zu der Begründung Stellung zu nehmen. 50      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rüge der Verletzung der Verteidigungsrechte des Klägers, insbesondere seines Rechts auf Anhörung, zurückzuweisen ist. 51      Was den vom Kläger geltend gemachten Verstoß gegen die Begründungspflicht betrifft, folgt diese Pflicht aus dem Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht zur Begründung von beschwerenden Rechtsakten dem Zweck dient, zum einen den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, dass er erkennen kann, ob der Rechtsakt sachlich richtig oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der seine Anfechtung vor dem Gemeinschaftsrichter zulässt, und zum anderen dem Gemeinschaftsrichter die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Rechtsakts zu ermöglichen (Urteile des Gerichtshofs Corus UK/Kommission, Randnr. 145, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 462). 52      Im Urteil OMPI (Randnrn. 138 bis 151) hat das Gericht festgelegt, welchen Gegenstand die mit der Begründungspflicht zusammenhängende Garantie im Kontext des Erlasses eines Beschlusses über das Einfrieren von Geldern nach Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 hat und welche Beschränkungen dieser Garantie gegenüber den Betroffenen in einem solchen Kontext rechtmäßig vorgenommen werden können. 53      Insbesondere ergibt sich aus den Randnrn. 143 bis 146 und 151 des Urteils OMPI, dass sich sowohl die Begründung eines Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern als auch die Begründung der Folgebeschlüsse nicht nur auf die rechtlichen Voraussetzungen der Anwendung der Verordnung Nr. 2580/2001, insbesondere das Vorliegen eines nationalen Beschlusses einer zuständigen Behörde, beziehen müssen, sondern auch auf die besonderen und konkreten Gründe, aus denen der Rat in Ausübung seines Ermessens annimmt, dass der Betroffene einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern zu unterwerfen ist. 54      Außerdem ergibt sich sowohl aus Randnr. 145 des Urteils OMPI als auch aus Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931, auf den auch Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 verweist, dass die „Überprüfung“ der Situation des Betroffenen, die vor Erlass der Folgebeschlüsse über das Einfrieren von Geldern durchgeführt werden muss, mit dem Ziel vorgenommen wird, sich zu vergewissern, dass sein Belassen auf der streitigen Liste gegebenenfalls auf der Grundlage neuer Informationen oder Beweise „nach wie vor gerechtfertigt ist“. 55      Insoweit hat das Gericht jedoch ausgeführt, dass, wenn die Gründe für einen Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern im Wesentlichen die gleichen sind wie diejenigen, die schon in einem früheren Beschluss geltend gemacht worden sind, eine einfache Erklärung dazu ausreichen kann, insbesondere wenn es sich bei dem Betroffenen um eine Vereinigung oder Körperschaft handelt (Urteil des Gerichts vom 30. September 2009, Sison/Rat, T‑341/07, Slg. 2009, II‑3625, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Begründung, die dem Schreiben beigefügt war, mit dem der angefochtene Beschluss mitgeteilt wurde, dass die Aufnahme des Namens des Klägers in die streitige Liste darauf beruht, dass der für die Voruntersuchungen zuständige Richter in Neapel am 9. Oktober 2000 Präventivhaft für den Kläger angeordnet hatte. Dieser wurde beschuldigt, sich einer Verschwörung angeschlossen zu haben, um in Italien eine Zelle der Gruppe „Al-Takfir und Al-Hijra“ (Al Takfir Wal Hijra) aufzubauen, die in Algerien seit 1992 aktiv sei und terroristische Tätigkeiten unterstütze, sowie zugunsten terroristischer Vereinigungen in Algerien Waffenhandel betrieben und Dokumente gefälscht zu haben. Diese gerichtliche Untersuchung in Italien war im Gange, was die Aufnahme des Klägers in die streitige Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 rechtfertigte. 57      Darüber hinaus ist auf das weite Ermessen hinzuweisen, über das der Rat bei der Beurteilung der Umstände verfügt, die beim Erlass oder bei der Aufrechterhaltung einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern zu berücksichtigen sind. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, dass er spezifischer angibt, inwieweit das Einfrieren der Gelder des Klägers konkret zur Bekämpfung des Terrorismus beiträgt, oder Beweise dafür liefert, dass der Betroffene seine Mittel zur Begehung oder Erleichterung künftiger terroristischer Handlungen nutzen könnte (Urteile OMPI, Randnr. 159, und Sison/Rat, Randnrn. 65 und 66). 58      Unter Berücksichtigung dieser tatsächlichen Umstände ist die Rüge des Verstoßes gegen die Begründungspflicht zurückzuweisen. 59      Außerdem trägt der Kläger vor, er habe keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz genossen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt und in den Art. 6 und 13 EMRK verankert ist; er ist im Übrigen auch in Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bekräftigt worden (Urteil des Gerichtshofs vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 37). 60      Darüber hinaus ist hier in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu anderen Bereichen (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a., 222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 15, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 462 und 463) festzustellen, dass die Wirksamkeit der gerichtlichen Kontrolle – die sich u. a. auf die Rechtmäßigkeit der Gründe erstrecken können muss, auf die im vorliegenden Fall die Aufnahme des Namens einer Person oder einer Körperschaft in die dem Gemeinsamen Standpunkt 2001/931 als Anhang angefügte streitige Liste gestützt ist, die zur Folge hat, dass der Betroffene einer Reihe restriktiver Maßnahmen unterworfen wird – voraussetzt, dass die betreffende Gemeinschaftsbehörde der betroffenen Person oder Körperschaft diese Gründe so weit wie möglich entweder in dem Zeitpunkt, in dem die Aufnahme in die Liste beschlossen wird, oder zumindest schnellstmöglich im Anschluss daran mitteilt, um den Betroffenen eine fristgemäße Ausübung ihres Klagerechts zu ermöglichen. Hinsichtlich der Folgebeschlüsse über das Einfrieren von Geldern, die der Rat im Rahmen der in Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 vorgesehenen, mindestens einmal pro Halbjahr stattfindenden regelmäßigen Überprüfung fasst, ob der Verbleib der Betroffenen auf der streitigen Liste gerechtfertigt ist, ist es nicht mehr notwendig, einen Überraschungseffekt zu wahren, um die Wirksamkeit der Sanktionen zu gewährleisten. Vor jedem Folgebeschluss über das Einfrieren von Geldern muss deshalb erneut die Möglichkeit einer Anhörung bestehen und sind gegebenenfalls die neuen zur Last gelegten Unstände mitzuteilen (Urteil OMPI, Randnr. 131; vgl. hierzu auch Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 338, und Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Sison/Rat, T‑47/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 212 und 213). 61      Aus den Randnrn. 55 und 56 ergibt sich, dass der angefochtene Beschluss und eine Begründung dem Kläger mit einem Schreiben übermittelt wurden, das vom Tag des Erlasses dieses Beschlusses datiert. Damit hat der Rat es dem Kläger ermöglicht, seine Rechte zu verteidigen und in Kenntnis der Sachlage über die Zweckmäßigkeit einer Anrufung des Gemeinschaftsrichters zu entscheiden sowie diesen umfassend in die Lage zu versetzen, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses zu überprüfen. 62      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rüge der Verletzung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz im vorliegenden Fall zurückzuweisen ist. 63      Was den in Art. 6 Abs. 2 EMRK und Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Union niedergelegten Grundsatz der Unschuldsvermutung betrifft, handelt es sich bei diesem um ein Grundrecht, das den Einzelnen Rechte verleiht, deren Achtung der Gemeinschaftsrichter gewährleistet (Urteile des Gerichts vom 4. Oktober 2006, Tillack/Kommission, T‑193/04, Slg. 2006, II‑3995, Randnr. 121, und vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, Slg. 2007, II‑4225, Randnr. 75). 64      Die Achtung der Unschuldsvermutung verlangt, dass jede wegen einer Straftat angeklagte Person bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Dieser Grundsatz steht jedoch dem Erlass von Sicherungsmaßnahmen nicht entgegen, die keine Sanktionen darstellen und der Feststellung der Schuld oder Unschuld der von ihnen betroffenen Person in keiner Weise vorgreifen. Solche Sicherungsmaßnahmen müssen insbesondere gesetzlich vorgesehen, von einer zuständigen Stelle erlassen und zeitlich begrenzt sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 2. September 2009, El Morabit/Rat, T‑37/07 und T‑323/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 40). 65      Gemäß Art. 2 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 ordnet die Gemeinschaft das Einfrieren der Gelder der Personen, Vereinigungen und Körperschaften an, die in der Liste nach Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts aufgeführt sind. Somit ist das Einfrieren der Gelder des Klägers im Gemeinschaftsrecht vorgesehen. 66      Gemäß Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 hat der Rat die Liste mindestens einmal pro Halbjahr einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen, um sicherzustellen, dass der Verbleib der Namen der betreffenden Personen und Körperschaften auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist. Damit wurde das Einfrieren der Gelder des Klägers von einer zuständigen Stelle angeordnet und ist zeitlich begrenzt. 67      Zudem führen die fraglichen restriktiven Maßnahmen, die der Rat zur Bekämpfung des Terrorismus erlassen hat, nicht zu einer Einziehung der Vermögenswerte der Betroffenen als Erträge aus einer Straftat, sondern zu einem vorsorglichen Einfrieren. Diese Maßnahmen stellen daher keine Sanktion dar und enthalten auch keinen strafrechtlichen Vorwurf (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2007, Sison/Rat, Randnr. 101). 68      Mit dem Beschluss des Rates, der insbesondere auf einer Entscheidung einer zuständigen nationalen Behörde beruht, wird nämlich nicht festgestellt, dass tatsächlich eine Straftat begangen wurde; der Beschluss wird vielmehr im Rahmen und zu Zwecken eines Verwaltungsverfahrens erlassen, das eine Sicherungsfunktion erfüllt und dessen einziges Ziel es ist, dem Rat zu ermöglichen, die Finanzierung des Terrorismus wirksam zu bekämpfen. 69      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass im Fall der Anwendung des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 – Bestimmungen, die eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus schaffen – aus diesem Grundsatz die Verpflichtung für den Rat folgt, sich zumindest dann, wenn es sich um eine Justizbehörde handelt, so weit wie möglich auf die Beurteilung durch die zuständige nationale Behörde zu verlassen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der „ernsthaften und schlüssigen Beweise oder Indizien“, auf die sich ihr Beschluss stützt (Urteil OMPI, Randnr. 124). 70      Aus dem Sachverhalt des vorliegenden Falles ergibt sich, dass der Rat im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und der Verordnung Nr. 2580/2001 gehandelt hat. Indem er sich auf eine Entscheidung des für die Voruntersuchungen zuständigen Richters eines Mitgliedstaats gestützt und dem Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2008 die Gründe für seine Aufnahme in die streitige Liste mitgeteilt hat, ist er den Verpflichtungen nachgekommen, die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegen. 71      Nach alledem ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung zurückzuweisen. 72      Was die behauptete Verletzung des Rechts auf einen unparteiischen Richter und die Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren angeht, hat der Kläger nicht genügend Umstände dargelegt, die sein Vorbringen stützen. Diese Rügen sind auf der Grundlage von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts zurückzuweisen. Jedenfalls ist das Gericht nicht für die Kontrolle der Einhaltung des nationalen Strafverfahrens zuständig. Eine solche Kontrolle obliegt allein den italienischen Behörden oder auf einen Rechtsbehelf des Betroffenen hin dem zuständigen nationalen Gericht. Ebenso hat der Rat grundsätzlich nicht darüber zu befinden, ob das gegen den Betroffenen eingeleitete, im anwendbaren Recht des Mitgliedstaats vorgesehene Verfahren, in dem der betreffende Beschluss ergangen ist, ordnungsgemäß geführt wurde oder ob die Grundrechte des Betroffenen von den nationalen Behörden gewahrt wurden. Dies ist nämlich ausschließlich Sache der zuständigen nationalen Gerichte oder gegebenenfalls des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Urteil OMPI, Randnr. 121, und entsprechend Urteil des Gerichts vom 10. April 2003, Le Pen/Parlament, T‑353/00, Slg. 2003, II‑1729, Randnr. 91, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Le Pen/Parlament, C‑208/03 P, Slg. 2005, I‑6051). 73      Hinsichtlich der Einschränkungen des Eigentumsrechts und des Rechts auf Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, auf die sich der Kläger beruft, ist darauf hinzuweisen, dass die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen können und ihre Ausübung Beschränkungen unterworfen werden kann, die durch dem Gemeinwohl dienende Ziele der Gemeinschaft gerechtfertigt sind. So hat jede restriktive wirtschaftliche oder finanzielle Maßnahme definitionsgemäß Auswirkungen, die das Eigentumsrecht und die freie Berufsausübung beeinträchtigen und so insbesondere Einrichtungen schädigen, die Aktivitäten ausüben, die mit den in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen verhindert werden sollen. Die Bedeutung der Ziele, die mit der streitigen Regelung verfolgt werden, kann selbst erhebliche negative Konsequenzen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 30. Juli 1996, Bosphorus, C‑84/95, Slg. 1996, I‑3953, Randnrn. 21 bis 23, sowie Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, Randnrn. 355 und 361). 74      Im vorliegenden Fall werden das Recht des Klägers auf Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit und sein Eigentumsrecht durch den Erlass des angefochtenen Beschlusses erheblich beschränkt, da er über seine im Gemeinschaftsgebiet befindlichen Gelder außer nach besonderer Genehmigung nicht verfügen kann. Angesichts der überragenden Bedeutung der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sind die verursachten Nachteile gemessen an den angestrebten Zielen jedoch nicht unangemessen oder unverhältnismäßig, zumal Art. 5 der Verordnung Nr. 2580/2001 bestimmte Ausnahmen vorsieht, die es den von Maßnahmen des Einfrierens von Geldern betroffenen Personen erlauben, ihre grundlegenden Ausgaben zu bestreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil El Morabit/Rat, Randnr. 62). 75      Nach alledem ist der Klagegrund der Verletzung von Grundrechten und des Verstoßes gegen die Begründungspflicht zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler und Ermessensmissbrauch –       Vorbringen der Parteien 76      Nach Ansicht des Klägers stellt die Bezugnahme des Rates auf das seit 2001 ausgesetzte gerichtliche Verfahren in Italien keine ausreichende Rechtfertigung für das Belassen seines Namens auf der streitigen Liste dar. Er sieht dieses Verfahren als abgeschlossen und sich selbst als freigesprochen an. 77      Der Kläger macht daher geltend, dass der Rat einen Beurteilungsfehler hinsichtlich seiner Verwicklung in terroristische Aktivitäten und einen Ermessensmissbrauch begangen habe. 78      Der Rat, unterstützt durch die Streithelferin, tritt dem gesamten Vorbringen entgegen, auf das der Kläger seinen zweiten Klagegrund stützt. –       Würdigung durch das Gericht 79      Was den vom Kläger geltend gemachten Beurteilungsfehler betrifft, werden, wie das Gericht bereits in den Randnrn. 115 und 116 des Urteils OMPI ausgeführt hat, die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, von denen die Anwendung einer Maßnahme des Einfrierens von Geldern auf eine Person, Vereinigung oder Körperschaft abhängt, durch Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 bestimmt. 80      Im vorliegenden Fall ist die einschlägige Regelung Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001, wonach der Rat einstimmig und im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 bis 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 die Liste der dieser Verordnung unterfallenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften erstellt, überprüft und ändert. Die fragliche Liste ist also nach Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten zu erstellen, aus denen sich ergibt, dass eine zuständige Behörde – gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien – gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften einen Beschluss gefasst hat, bei dem es sich um die Aufnahme von Ermittlungen oder um Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine terroristische Handlung zu begehen, daran teilzunehmen oder sie zu erleichtern, oder um eine Verurteilung wegen derartiger Handlungen handelt. Unter „zuständige Behörde“ ist eine Justizbehörde zu verstehen oder, sofern die Justizbehörden keine Zuständigkeit in diesem Bereich haben, eine entsprechende zuständige Behörde in diesem Bereich. Zudem sind nach Art. 1 Abs. 6 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 die Namen von Personen oder Körperschaften, die in der Liste aufgeführt sind, mindestens einmal pro Halbjahr einer regelmäßigen Überprüfung zu unterziehen, um sicherzustellen, dass ihr Verbleib auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist (Urteil OMPI, Randnr. 116). 81      In Randnr. 117 des Urteils OMPI und in Randnr. 131 des Urteils des Gerichts vom 23. Oktober 2008, People’s Mojahedin Organization of Iran/Rat (T‑256/07, Slg. 2008, II‑3019, im Folgenden: Urteil PMOI), hat das Gericht aus diesen Bestimmungen den Schluss gezogen, dass das Verfahren, das nach der einschlägigen Regelung zum Einfrieren von Geldern führen kann, auf zwei Ebenen stattfindet, auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene. Zunächst muss eine zuständige nationale Behörde, in der Regel eine Justizbehörde, einen Beschluss, auf den die Definition in Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 zutrifft, gegenüber dem Betroffenen fassen. Handelt es sich um einen Beschluss über die Aufnahme von Ermittlungen oder der Strafverfolgung, so muss dieser auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien gestützt sein. Sodann muss der Rat auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten, aus denen sich ergibt, dass ein solcher Beschluss gefasst wurde, einstimmig beschließen, den Betroffenen auf die streitige Liste zu setzen. In der Folge muss sich der Rat regelmäßig, mindestens einmal pro Halbjahr, vergewissern, dass der Verbleib des Betroffenen auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist. Insoweit ist die Überprüfung, ob ein Beschluss einer nationalen Behörde vorliegt, auf den die genannte Definition zutrifft, eine wesentliche Voraussetzung für den Erlass des Ausgangsbeschlusses über das Einfrieren von Geldern durch den Rat, während die Überprüfung der weiteren Entwicklung hinsichtlich dieses Beschlusses auf nationaler Ebene für den Erlass eines Folgebeschlusses über das Einfrieren von Geldern unerlässlich ist. 82      Wie in Randnr. 134 des Urteils PMOI entschieden wurde, liegt die Beweislast dafür, dass das Einfrieren der Gelder einer Person, Vereinigung oder Körperschaft nach den einschlägigen Rechtsvorschriften gerechtfertigt ist oder bleibt, zwar beim Rat, doch ist der Gegenstand dieser Beweislast auf der Ebene des Gemeinschaftsverfahrens zum Einfrieren von Geldern relativ beschränkt. Im Fall eines Folgebeschlusses nach Überprüfung bezieht sich die Beweislast im Wesentlichen auf die Frage, ob das Einfrieren der Gelder unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände dieses Falles und insbesondere der weiteren Entwicklung hinsichtlich des Beschlusses der zuständigen nationalen Behörde nach wie vor gerechtfertigt ist. 83      Was die vom Gericht ausgeübte Kontrolle angeht, hat dieses in Randnr. 159 des Urteils OMPI anerkannt, dass der Rat bei der Beurteilung der Umstände, die bei der Verhängung von wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen auf der Grundlage der Art. 60 EG, 301 EG und 308 EG in Übereinstimmung mit einem im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik angenommenen Gemeinsamen Standpunkt zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt. Dieses Ermessen betrifft insbesondere die Zweckmäßigkeitserwägungen, auf denen diese Beschlüsse beruhen. Auch wenn das Gericht in diesem Bereich einen Ermessensspielraum des Rates anerkennt, bedeutet dies jedoch nicht, dass es die Auslegung der maßgeblichen Daten durch dieses Organ nicht überprüfen darf. Der Gemeinschaftsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung der Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen. Im Rahmen dieser Kontrolle darf das Gericht jedoch nicht die Zweckmäßigkeitsbeurteilung seitens des Rates durch seine eigene ersetzen (Urteil PMOI, Randnr. 138; vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 22. November 2007, Spanien/Lenzing, C‑525/04 P, Slg. 2007, I‑9947, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 84      Daher ist zu prüfen, ob die Entscheidung des für die Voruntersuchungen zuständigen Richters in Neapel die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 erfüllt. Nach dieser Bestimmung muss der Rat die Aufnahme in die streitige Liste „auf der Grundlage genauer Informationen bzw. der einschlägigen Akten [vornehmen], aus denen sich ergibt, dass eine zuständige Behörde – gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien – gegenüber den betreffenden Personen, Vereinigungen oder Körperschaften einen Beschluss gefasst hat, bei dem es sich um die Aufnahme von Ermittlungen oder um Strafverfolgung wegen einer terroristischen Handlung oder des Versuchs, eine terroristische Handlung zu begehen, daran teilzunehmen oder sie zu erleichtern, oder um eine Verurteilung für derartige Handlungen handelt. … Im Sinne dieses Absatzes bezeichnet der Ausdruck ‚zuständige Behörde‘ eine Justizbehörde oder, sofern die Justizbehörden keine Zuständigkeit in dem von diesem Absatz erfassten Bereich haben, eine entsprechende zuständige Behörde in diesem Bereich“. 85      Im vorliegenden Fall hat eine Justizbehörde eines Mitgliedstaats, nämlich der für die Voruntersuchungen zuständige Richter in Neapel, Präventivhaft gegen den Kläger angeordnet, der beschuldigt wurde, sich an terroristischen Aktivitäten im Sinne des Art. 1 Abs. 3 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 beteiligt zu haben. 86      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Fall der Anwendung des Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2580/2001 – Bestimmungen, die eine besondere Form der Zusammenarbeit zwischen dem Rat und den Mitgliedstaaten bei der gemeinsamen Bekämpfung des Terrorismus schaffen – aus diesem Grundsatz die Verpflichtung für den Rat folgt, sich zumindest dann, wenn es sich um eine Justizbehörde handelt, so weit wie möglich auf die Beurteilung durch die zuständige nationale Behörde zu verlassen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der „ernsthaften und schlüssigen Beweise oder Indizien“, auf die sich ihr Beschluss stützt (Urteil OMPI, Randnr. 124). 87      Aus dem Sachverhalt des vorliegenden Falls ergibt sich, dass der Rat im Einklang mit Art. 1 Abs. 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931 und der Verordnung Nr. 2580/2001 gehandelt hat. Indem er sich auf die Entscheidung eines nationalen Richters gestützt und dem Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2008 die Gründe für seine Aufnahme in die streitige Liste mitgeteilt hat, ist der Rat den Verpflichtungen nachgekommen, die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegen. Die Rüge eines Beurteilungsfehlers ist daher zurückzuweisen. 88      Was den Ermessensmissbrauch angeht, hat der Kläger keine genauen Angaben gemacht, die diese Behauptung stützen und beweisen, dass der Rat mit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses einen anderen Zweck verfolgt hat als denjenigen, zu dem ihm seine Befugnisse übertragen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 4. Februar 1982, Buyl u. a./Kommission, 817/79, Slg. 1982, 245, Randnr. 28). Jedenfalls ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen, dass der Rat im Rahmen der Zuständigkeiten und Befugnisse gehandelt hat, die ihm durch den Vertrag und das einschlägige Unionsrecht übertragen worden sind, so dass die Rüge des Ermessensmissbrauchs zurückzuweisen ist. 89      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der zweite Klagegrund zurückzuweisen ist. 2.     Zum Antrag auf Schadensersatz Vorbringen der Parteien 90      Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs macht der Kläger geltend, ihm seien durch die Aufführung seines Namens in der streitigen Liste private und berufliche Nachteile in nicht nur geringfügigem Umfang entstanden. Seine Ehefrau und er seien Opfer einer Stigmatisierung, die sich nachteilig auf sein privates und soziales Leben ausgewirkt habe. Es sei ihm nicht mehr möglich, in Deutschland ein Visum zu erhalten und zu arbeiten. Da ihm kein konkreter Vorwurf gemacht werde, könne er sich nicht verteidigen. Der Kläger begehrt daher Ersatz seines immateriellen Schadens, dessen Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellt. Er hält einen Betrag von 2 000 Euro für einen Mindestbetrag. 91      Nach Ansicht des Rates ist der Schadensersatzantrag wegen mangelnden Vorbringens unzulässig. Hilfsweise tritt er, unterstützt durch die Streithelferin, dem gesamten Vorbringen entgegen, auf das der Kläger seinen Antrag auf Schadensersatz stützt. Würdigung durch das Gericht 92      Das Gericht hält es für zweckmäßig, vorab die Begründetheit des Schadensersatzantrags zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung tritt die in Art. 288 Abs. 2 EG vorgesehene außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe nur dann ein, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005, FIAMM und FIAMM Technologies/Rat und Kommission, T‑69/00, Slg. 2005, II‑5393, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung). 93      Da diese drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung kumulativ sind, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt, ohne dass es erforderlich wäre, die übrigen Voraussetzungen zu prüfen (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, CAS Succhi di Frutta/Kommission, T‑226/01, Slg. 2006, II‑2763, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). 94      Im vorliegenden Fall sind sämtliche Argumente, die der Kläger angeführt hat, um die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses darzutun, geprüft und zurückgewiesen worden. Somit besteht keine Haftung der Union aufgrund einer geltend gemachten Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses. 95      Daher ist der Schadensersatzantrag des Klägers jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, die vom Rat erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu prüfen. 96      Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Kosten 97      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des Rates die Kosten aufzuerlegen. 98      Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Italienische Republik trägt daher ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Klage wird abgewiesen. 2.      Herr Sofiane Fahas trägt seine eigenen Kosten und die Kosten des Rates der Europäischen Union. 3.      Die Italienische Republik trägt ihre eigenen Kosten. Pelikánová Jürimäe Soldevila Fragoso Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Dezember 2010. Unterschriften * Verfahrenssprache: Deutsch.
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Zweite Kammer) 30. September 2010.#Jean-François Vivier gegen Europäische Kommission.#Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Einstufung in die Besoldungsgruppe – Im Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen vorgesehene Besoldungsgruppen – Änderung der Vorschriften über die Einstufung von Bediensteten – Übergangsvorschriften – Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts – Entsprechende Anwendung.#Rechtssache F-29/05.
62005FJ0029
ECLI:EU:F:2010:114
2010-09-30T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62005FJ0029 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62005FJ0029 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62005FJ0029 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Zweite Kammer) 30. September 2010.#Gergely Toth gegen Europäische Kommission.#Öffentlicher Dienst – Bediensteter auf Zeit – Einstufung in die Besoldungsgruppe – Im Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen angegebene Besoldungsgruppen – Änderung der Vorschriften über die Einstufung von Bediensteten auf Zeit nach Veröffentlichung des Aufrufs zur Einreichung von Bewerbungen – Einstufung in die Besoldungsgruppe nach den weniger günstigen neuen Vorschriften – Übergangsbestimmungen – Entsprechende Anwendung – Art. 12 Abs. 3 des Anhangs XIII des Statuts – Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.#Rechtssache F‑107/05.
62005FJ0107
ECLI:EU:F:2010:118
2010-09-30T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62005FJ0107 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62005FJ0107 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62005FJ0107 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 15. Juli 2010.#Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland.#Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes - Direktvergabe von Verträgen ohne unionsweite Ausschreibung an Versorgungsträger, die in einem zwischen Sozialpartnern geschlossenen Tarifvertrag dazu bestimmt wurden.#Rechtssache C-271/08.
62008CJ0271
ECLI:EU:C:2010:426
2010-07-15T00:00:00
Gerichtshof, Trstenjak
Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-07091
Rechtssache C‑271/08 Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes – Direktvergabe von Verträgen ohne unionsweite Ausschreibung an Versorgungsträger, die in einem zwischen Sozialpartnern geschlossenen Tarifvertrag dazu bestimmt wurden“ Leitsätze des Urteils 1.        Grundrechte – Recht auf Kollektivverhandlungen – Vereinbarkeit mit den vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten – Niederlassungsfreiheit – Freier Dienstleistungsverkehr – Richtlinien im Bereich der öffentlichen Aufträge (Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 28; Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 92/50 des Rates) 2.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge –Richtlinien 92/50 und 2004/18 – Geltungsbereich (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates; Richtlinie 92/50 des Rates) 3.        Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge –Richtlinien 92/50 und 2004/18 – Geltungsbereich – Auftragswert (Richtlinie 2004/18 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 9 Abs. 8; Richtlinie 92/50 des Rates, Art. 7 Abs. 4 und 5) 1.        Der Grundrechtscharakter des Rechts auf Kollektivverhandlungen und die sozialpolitischen Zielsetzungen eines Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst als Ganzes gesehen können als solche die kommunalen Arbeitgeber nicht ohne Weiteres der Verpflichtung entheben, die Erfordernisse aus den Richtlinien 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge zu beachten, die dem Schutz der Niederlassungsfreiheit und des freien Verkehrs von Dienstleistungen im öffentlichen Auftragswesen dienen. Klauseln von Tarifverträgen sind nämlich nicht dem Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Freizügigkeit entzogen. Außerdem kann die Ausübung eines Grundrechts wie des Rechts auf Kollektivverhandlungen bestimmten Beschränkungen unterworfen werden. Insbesondere ist, auch wenn das Recht auf Kollektivverhandlungen in einem Mitgliedstaat verfassungsrechtlichen Schutz genießt, dieses Recht nach Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gleichwohl im Einklang mit dem Unionsrecht auszuüben. Ferner lässt sich nicht sagen, dass mit der Wahrnehmung der Freiheit der Sozialpartner selbst und des Rechts auf Kollektivverhandlungen zwangsläufig eine Beeinträchtigung der Richtlinien verbunden wäre, die dem Schutz der Niederlassungsfreiheit und des freien Verkehrs von Dienstleistungen im öffentlichen Auftragswesen dienen. Schließlich berührt im Unterschied zu dem zwischen den Sozialpartnern vereinbarten Ziel, das Rentenniveau der Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Dienst zu verbessern, die Bestimmung von Einrichtungen und Unternehmen, an die Dienstleistungsverträge über die betriebliche Altersversorgung vergeben werden sollen, in einem Tarifvertrag das Recht auf Kollektivverhandlungen nicht in seinem Kern. (vgl. Randnrn. 41-43, 47, 49) 2.        Ein Mitgliedstaat hat gegen die Verpflichtungen verstoßen, die sich für ihn bis zum 31. Januar 2006 aus Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und seit dem 1. Februar 2006 aus Art. 20 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ergaben, soweit Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung von kommunalen Verwaltungen oder Unternehmen, die hinsichtlich der Beschäftigtenzahl die kritische Größe erreicht hatten, jenseits deren der Auftragswert dieser Verträge den für die Anwendung dieser Richtlinien maßgebenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet, ohne Ausschreibung auf der Ebene der Europäischen Union direkt an in einem Kollektivvertrag genannte Einrichtungen oder Unternehmen vergeben wurden. Die Ausübung des Grundrechts auf Kollektivverhandlungen muss nämlich mit den Erfordernissen aus den durch den AEU-Vertrag geschützten Freiheiten in Einklang gebracht werden und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Im Zuge der Berücksichtigung der jeweiligen Interessen, die in der Verbesserung des Rentenniveaus der betreffenden Arbeitnehmer auf der einen und der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie der Öffnung für den Wettbewerb auf Unionsebene auf der anderen Seite bestehen, ist das rechte Gleichgewicht durch eine tarifvertragliche Bestimmung nicht gewahrt, die darauf hinausläuft, die Anwendung der sich aus den Richtlinien 92/50 und 2004/18 ergebenden Regeln im Bereich der Altersvorsorge der kommunalen Beschäftigten vollständig und für unbestimmte Zeit auszuschließen, obwohl sich die Beachtung der Richtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungsaufträge nicht als unvereinbar mit der Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels erweist, das die Vertragsparteien des Tarifvertrags verfolgt haben. Im Übrigen sind die Voraussetzungen, von denen diese Richtlinien die Einstufung als „öffentliche Aufträge“ abhängig machen, erfüllt, da zum einen die kommunalen Arbeitgeber, auch wenn sie auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung eine tarifvertraglich vorgegebene Auswahlentscheidung umsetzen, gleichwohl öffentliche Auftraggeber sind, und zum anderen für die öffentlichen Auftraggeber an diesen von ihnen geschlossenen Verträgen ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse besteht, so dass es sich um entgeltliche Verträge handelt. Insoweit ist der Umstand, dass die Letztbegünstigten der Versorgungsleistungen die Arbeitnehmer sind, die an dieser Maßnahme teilnehmen, nicht geeignet, den entgeltlichen Charakter eines solchen Vertrags in Frage zu stellen. (vgl. Randnrn. 44, 52-53, 66, 75, 80, 89, 105 und Tenor) 3.        Bei Aufträgen über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes durch die Umwandlung von Teilen des Entgelts entspricht der „geschätzte Auftragswert“ im Sinne von Art. 7 Abs. 4 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und von Art. 9 Abs. 8 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge dem geschätzten Wert der Versicherungsprämien, also der Beiträge, die aufgrund der Entgeltumwandlung vom Entgelt der teilnehmenden Arbeitnehmer der betreffenden kommunalen Behörde oder des betreffenden kommunalen Betriebs einbehalten werden und die zur Finanzierung der endgültigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmt sind. Diese Versicherungsprämien stellen nämlich die hauptsächliche Gegenleistung für die Dienstleistungen dar, die der leistende Träger oder das leistende Unternehmen dem kommunalen Arbeitnehmer im Rahmen der Erfüllung dieser Leistungen erbringt. In einem Kontext, in dem eine genaue Angabe des Gesamtwerts dieser Versicherungsprämien zum Zeitpunkt der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags dadurch unmöglich gemacht wird, dass dem einzelnen Beschäftigten die Entscheidung überlassen bleibt, ob er sich an der Entgeltumwandlung beteiligt oder nicht, und in Anbetracht der Laufzeit eines solchen Auftrags, die lang oder sogar von unbestimmter Dauer ist, schreiben sowohl Art. 7 Abs. 5 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 92/50 als auch Art. 9 Abs. 8 Buchst. b Ziff. ii der Richtlinie 2004/18 vor, den „Vertragswert aus der monatlichen Zahlung multipliziert mit 48“ bzw. „Monatswert … multipliziert mit 48“ zur Grundlage für die Berechnung des geschätzten Werts dieses Auftrags zu machen. Daher ist zunächst die Berechnung auf eine Schätzung des monatlichen Durchschnittsbetrags der Entgeltumwandlung je Beschäftigten multipliziert mit 48 zu stützen, sodann unter Berücksichtigung des sich aus dieser Multiplikation ergebenden Produkts zu ermitteln, wie viele Beschäftigte sich individuell an der Entgeltumwandlung beteiligen mussten, um den für die Anwendung der Vergabevorschriften der Union maßgebenden Schwellenwert zu erreichen, und schließlich auf der Grundlage einer Schätzung der Quote der Beteiligung der Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes an der Entgeltumwandlung die hinsichtlich der Beschäftigtenzahl kritische Größe festzulegen, jenseits deren die kommunalen Arbeitgeber Aufträge vergeben haben, die diesen Schwellenwert erreichten oder überschritten. (vgl. Randnrn. 86-89) URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer) 15. Juli 2010(*) „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer des kommunalen öffentlichen Dienstes – Direktvergabe von Verträgen ohne unionsweite Ausschreibung an Versorgungsträger, die in einem zwischen Sozialpartnern geschlossenen Tarifvertrag dazu bestimmt wurden“ In der Rechtssache C‑271/08 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 24. Juni 2008, Europäische Kommission, vertreten durch G. Wilms und D. Kukovec als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin, gegen Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Königreich Dänemark, vertreten durch B. Weis Fogh und C. Pilgaard Zinglersen als Bevollmächtigte, Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk und A. Engman als Bevollmächtigte, Streithelfer, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts (Berichterstatter) und J.‑C. Bonichot, der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter K. Schiemann, P. Kūris, E. Juhász, G. Arestis, T. von Danwitz, A. Arabadjiev und J.‑J. Kasel, Generalanwältin: V. Trstenjak, Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2010, nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. April 2010 folgendes Urteil 1        Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland bis zum 31. Januar 2006 gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) und seit 1. Februar 2006 gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 20 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) verstoßen hat, indem kommunale Behörden und Betriebe mit mehr als 1 218 Beschäftigten Dienstleistungsverträge über die betriebliche Altersversorgung ohne Ausschreibung auf der Ebene der Europäischen Union direkt an in § 6 des Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) genannte Einrichtungen und Unternehmen vergeben haben. 2        In ihrer Erwiderung hat die Kommission den Gegenstand ihrer Klage umformuliert und beantragt, den behaupteten Verstoß insoweit festzustellen, als kommunale Behörden und Betriebe, die in den Jahren 2004–2005 mehr als 2 044 Beschäftigte hatten, in den Jahren 2006–2007 mehr als 1 827 Beschäftigte hatten und seit dem Jahr 2008 mehr als 1 783 Beschäftigte haben, solche Verträge ohne unionsweite Ausschreibung direkt an in § 6 des TV-EUmw/VKA genannte Einrichtungen und Unternehmen vergeben haben. 3        In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission den Gegenstand ihrer Klage umformuliert und beantragt, diesen Verstoß insoweit festzustellen, als kommunale Behörden und Betriebe, die in den Jahren 2004–2005 mehr als 2 697 Beschäftigte und in den Jahren 2006–2007 mehr als 2 402 Beschäftigte hatten, solche Verträge vergeben haben. Rechtlicher Rahmen Unionsrecht Richtlinie 92/50 4        Nach dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/50 fällt „[d]ie Erbringung von Dienstleistungen … nur insoweit unter diese Richtlinie, wie sie aufgrund von Aufträgen erfolgt. Andere Grundlagen für die Dienstleistung, wie Gesetz oder Verordnungen oder Arbeitsverträge, werden nicht erfasst“. 5        Gemäß Art. 1 Buchst. a Ziff. viii der Richtlinie 92/50 gelten als „öffentliche Dienstleistungsaufträge“ im Sinne dieser Richtlinie „die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge“, ausgenommen namentlich „Arbeitsverträge“. 6        Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50 lautet: „[A]ls ‚öffentliche Auftraggeber‘ gelten der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen. Als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts‘ gilt jede Einrichtung, –        die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und –        die Rechtspersönlichkeit besitzt und –        die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind. …“ 7        Art. 7 Abs. 1, 4 und 5 der Richtlinie 92/50 bestimmt: „(1)      a) Diese Richtlinie gilt … –        für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die Dienstleistungen des Anhangs [IA] zum Gegenstand haben … … ii)      die von den in Artikel 1 Buchstabe b) genannten Auftraggebern, die nicht zugleich in Anhang I der Richtlinie 93/36/EWG [des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1)] genannt sind, vergeben werden und deren geschätzter Wert ohne Mehrwertsteuer mindestens dem Gegenwert von 200 000 [Sonderziehungsrechten (SZR)] in Ecu entspricht. … (4)      Bei der Berechnung des geschätzten Auftragswerts für die folgenden Arten von Dienstleistungen sind gegebenenfalls zu berücksichtigen: –        bei Versicherungsleistungen die Versicherungsprämie; … (5)      Bei Aufträgen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird, ist Berechnungsgrundlage für den voraussichtlichen Vertragswert: –        bei zeitlich begrenzten Verträgen der geschätzte Gesamtwert für die Laufzeit des Vertrages, soweit diese 48 Monate nicht überschreitet; –        bei Verträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten der Vertragswert aus der monatlichen Zahlung multipliziert mit 48.“ 8        Die deutschen kommunalen Behörden und Betriebe werden in Anhang I der Richtlinie 93/36 nicht genannt. 9        Gemäß Art. 8 der Richtlinie 92/50 „[werden] Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, … nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben“. 10      Die in Art. 8 der Richtlinie 92/50 genannten Abschnitte betreffen die Wahl der Vergabeverfahren und die Durchführung von Wettbewerben (Abschnitt III), gemeinsame technische Vorschriften (Abschnitt IV), gemeinsame Bekanntmachungsvorschriften (Abschnitt V) und gemeinsame Teilnahmebestimmungen, Eignungskriterien und Zuschlagskriterien (Abschnitt VI). 11      Zu den in Anhang IA der Richtlinie 92/50 aufgezählten „Dienstleistungen im Sinne von Artikel 8“ gehören unter Kategorie 6 „Finanzielle Dienstleistungen“, die wiederum „Versicherungsleistungen“ (Buchst. a) sowie „Bankenleistungen und Wertpapiergeschäfte“ (Buchst. b) umfassen. Richtlinie 2004/18 12      Der 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 lautet: „Beruf und Beschäftigung sind Schlüsselelemente zur Gewährleistung gleicher Chancen für alle und tragen zur Eingliederung in die Gesellschaft bei. In diesem Zusammenhang tragen geschützte Werkstätten und geschützte Beschäftigungsprogramme wirksam zur Eingliederung oder Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt bei. Derartige Werkstätten sind jedoch möglicherweise nicht in der Lage, unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten. Es ist daher angemessen, vorzusehen, dass Mitgliedstaaten das Recht, an Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge teilzunehmen, derartigen Werkstätten oder die Ausführung eines Auftrags geschützten Beschäftigungsprogrammen vorbehalten können.“ 13      Die Richtlinie 2004/18 definiert „Öffentliche Aufträge“ in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d als „zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie“ und „Öffentliche Dienstleistungsaufträge“ als „öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind“. 14      Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 definiert die „Rahmenvereinbarung“ als „eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge“. 15      Die Richtlinie 2004/18 enthält in Art. 1 Abs. 9 eine Definition der „Öffentlichen Auftraggeber“ die weitgehend jener in Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50 entspricht. 16      Nach Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 gilt diese Richtlinie für die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer 249 000 Euro erreicht oder überschreitet. Dieser Betrag wurde schrittweise durch die Verordnung (EG) Nr. 1874/2004 der Kommission vom 28. Oktober 2004 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe (ABl. L 326, S. 17) auf 236 000 Euro und dann durch die Verordnung (EG) Nr. 2083/2005 der Kommission vom 19. Dezember 2005 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für die Anwendung auf Verfahren zur Auftragsvergabe (ABl. L 333, S. 28) auf 211 000 Euro herabgesetzt. 17      Art. 9 Abs. 1, 8 und 9 der Richtlinie 2004/18 bestimmt: „(1)      Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes ist der Gesamtwert ohne [Mehrwertsteuer], der vom öffentlichen Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen ist. Bei dieser Berechnung ist der geschätzte Gesamtwert einschließlich aller Optionen und der etwaigen Verlängerungen des Vertrags zu berücksichtigen. … (8)      Bei Dienstleistungsaufträgen wird der geschätzte Auftragswert wie folgt berechnet: a)      je nach Art der Dienstleistung: i)      bei Versicherungsleistungen: auf der Basis der Versicherungsprämie und sonstiger Entgelte; … b)      bei Aufträgen, für die kein Gesamtpreis angegeben wird: i)      bei zeitlich begrenzten Aufträgen mit einer Laufzeit von bis zu 48 Monaten: auf der Basis des geschätzten Gesamtwerts für die Laufzeit des Vertrages; ii)      bei Verträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit einer Laufzeit von mehr als 48 Monaten: auf der Basis des Monatswerts multipliziert mit 48. (9)      Der zu berücksichtigende Wert einer Rahmenvereinbarung … ist gleich dem geschätzten Gesamtwert ohne [Mehrwertsteuer] aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung … geplanten Aufträge.“ 18      Nach Art. 16 Buchst. e der Richtlinie 2004/18 findet diese Richtlinie keine Anwendung auf „öffentliche Dienstleistungsaufträge, die [Arbeitsverträge] zum Gegenstand haben“. 19      Nach Art. 20 der Richtlinie 2004/18 werden „Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A … nach den Artikeln 23 bis 55 vergeben“. 20      Die Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18 enthalten besondere Vorschriften über die Verdingungsunterlagen und die Auftragsunterlagen (Art. 23 bis 27), Verfahrensvorschriften (Art. 28 bis 34), Bekanntmachungs‑ und Transparenzvorschriften (Art. 35 bis 43) und Vorschriften über den Ablauf des Verfahrens (Art. 44 bis 55). 21      Zu den in Anhang II Teil A der Richtlinie 2004/18 aufgezählten Dienstleistungen gehören unter Kategorie 6 „Finanzielle Dienstleistungen“, die wiederum „Versicherungsdienstleistungen“ (Buchst. a) sowie „Bankendienstleistungen und Wertpapiergeschäfte“ (Buchst. b) umfassen. 22      Das Verzeichnis der Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Kategorien solcher Einrichtungen nach Art. 1 Abs. 9 Unterabs. 2 der Richtlinie 2004/18, das in Anhang III dieser Richtlinie unter der der Bundesrepublik Deutschland gewidmeten Rubrik (III) zu finden ist, enthält „[d]ie bundes-, landes- und gemeindeunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts“. Nationales Recht 23      Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610, im Folgenden: BetrAVG) in der durch § 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2940) geänderten Fassung sieht in § 1 unter der Überschrift „Zusage des Arbeitgebers auf betriebliche Altersvorsorge“ vor: „(1)      Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt. (2)      Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn … 3.      künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder 4.      der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.“ 24      § 1a Abs. 1 BetrAVG sieht unter der Überschrift „Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung“ vor: „Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Die Durchführung des Anspruchs des Arbeitnehmers wird durch Vereinbarung geregelt. Ist der Arbeitgeber zu einer Durchführung über einen Pensionsfonds oder eine Pensionskasse (§ 1b Abs. 3) bereit, ist die betriebliche Altersversorgung dort durchzuführen; andernfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber für ihn eine Direktversicherung (§ 1b Abs. 2) abschließt. Soweit der Anspruch geltend gemacht wird, muss der Arbeitnehmer jährlich einen Betrag in Höhe von mindestens einem Hundertsechzigstel der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch für seine betriebliche Altersversorgung verwenden. Soweit der Arbeitnehmer Teile seines regelmäßigen Entgelts für betriebliche Altersversorgung verwendet, kann der Arbeitgeber verlangen, dass während eines laufenden Kalenderjahres gleich bleibende monatliche Beträge verwendet werden.“ 25      § 17 BetrAVG sieht unter der Überschrift „Persönlicher Geltungsbereich und Tariföffnungsklausel“ in Abs. 3 und 5 vor: „(3)      Von den §§ 1a … kann in Tarifverträgen abgewichen werden. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen diesen die Anwendung der einschlägigen tariflichen Regelung vereinbart ist. Im Übrigen kann von den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. … (5)      Soweit Entgeltansprüche auf einem Tarifvertrag beruhen, kann für diese eine Entgeltumwandlung nur vorgenommen werden, soweit dies durch Tarifvertrag vorgesehen oder durch Tarifvertrag zugelassen ist.“ 26      Am 18. Februar 2003 wurde zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V. der TV-EUmw/VKA geschlossen. Die VKA schloss einen gleichartigen Tarifvertrag mit einer weiteren Gewerkschaft, der dbb tarifunion. 27      Die §§ 2 und 3 des TV-EUmw/VKA gewähren Arbeitnehmern, die in den Geltungsbereich der in dessen § 1 angeführten Tarifverträge fallen, das Recht, von ihrem Arbeitgeber zu verlangen, dass ihre künftigen Entgeltansprüche innerhalb des vom BetrAVG festgelegten Rahmens durch Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Nach § 5 des TV-EUmw/VKA ist dieser Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Gemäß derselben Vorschrift ist der Arbeitnehmer an die Vereinbarung mit dem Arbeitgeber über die Umwandlung von Teilen seines künftigen Entgelts mindestens für den Zeitraum eines Jahres gebunden. 28      § 6 des TV-EUmw/VKA sieht unter der Überschrift „Durchführungsweg“ vor: „Die Entgeltumwandlung im Rahmen der durch das [BetrAVG] vorgesehenen Durchführungswege ist vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 bei öffentlichen Zusatzversorgungseinrichtungen durchzuführen. Der Arbeitgeber kann im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach Satz 1 auch von der Sparkassen-Finanzgruppe oder den Kommunalversicherern angebotene Durchführungswege bestimmen. Durch landesbezirklichen Tarifvertrag können bei Bedarf abweichende Regelungen zu den Sätzen 1 und 2 getroffen werden.“ 29      Nach § 7 Abs. 1 TV-EUmw/VKA tritt dieser Tarifvertrag mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in Kraft. § 7 Abs. 2 TV-EUmw/VKA bestimmt, dass der Tarifvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalenderjahrs, frühestens zum 31. Dezember 2008, gekündigt werden kann. Vorverfahren 30      Auf eine Beschwerde hin teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit Mahnschreiben vom 18. Oktober 2005 mit, diese könnte dadurch, dass eine Reihe von deutschen kommunalen Behörden oder Betrieben Verträge über die betriebliche Altersversorgung ohne unionsweite Ausschreibung an die in § 6 des TV-EUmw/VKA genannten Einrichtungen und Unternehmen vergeben hätten, gegen Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50 sowie jedenfalls gegen die Prinzipien der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit verstoßen haben. 31      Mit Schreiben vom 29. März 2006 machte die Bundesrepublik Deutschland geltend, dass kommunale Behörden bzw. Betriebe nicht als „öffentliche Auftraggeber“ im Sinne der Richtlinie 92/50 handelten, wenn sie im Bereich der betrieblichen Altersversorgung ihre Arbeitgeberfunktion erfüllten. Die betreffenden Versicherungsverträge gehörten zum Arbeitsverhältnis und seien folglich keine öffentlichen Aufträge, da die kommunalen Arbeitgeber nur als Zahlstelle für den Leistungsaustausch zwischen den Arbeitnehmern, die sich für die teilweise Entgeltumwandlung entschieden hätten, und den Versorgungsträgern fungierten. Außerdem widerspräche die Anwendung des Vergaberechts auf die Vergabe der streitigen Verträge der in Art. 9 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes grundrechtlich geschützten Tarifautonomie. 32      Die Kommission gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und richtete am 4. Juli 2006 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Bundesrepublik Deutschland, in der sie klarstellte, dass sich ihre Vorwürfe seit dem 1. Februar 2006 auch auf einen Verstoß gegen Art. 20 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18 bezögen, die im Wesentlichen die in ihrem Mahnschreiben angeführten Bestimmungen der Richtlinie 92/50 übernommen hätten. 33      In ihrer Antwort vom 15. November 2006 auf die mit Gründen versehene Stellungnahme hielt die Bundesrepublik Deutschland an ihrem Standpunkt unter Vorlage eines Gutachtens fest, mit dem dargetan werden sollte, dass die fragliche Entgeltumwandlung unter den Entgeltbegriff falle. Zudem würden die Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberegeln der Union im vorliegenden Fall nicht erreicht, da auf die Einzelverträge als solche abzustellen sei. Schließlich könne sie jedenfalls keine Abhilfe gegen eine mögliche Verletzung des Unionsrechts schaffen, da sie nicht befugt sei, den Tarifvertragsparteien Anweisungen zu geben. 34      Mit Schreiben vom 30. Januar 2007 ersuchte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland um Auskünfte, insbesondere um beurteilen zu können, ob sozialpolitische Gründe eine Ausnahme vom Vergaberecht der Union rechtfertigen könnten. 35      Da die Kommission der Auffassung war, dass die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Antwort vom 1. März 2007 auf dieses Ersuchen keine entsprechende Rechtfertigung geliefert habe, hat sie die vorliegende Klage erhoben. Zur Klage Zur Anwendbarkeit der Richtlinien 92/50 und 2004/18 auf die Vergabe von Verträgen an in § 6 des TV-EUmw/VKA genannte Einrichtungen oder Unternehmen 36      Zunächst ist zu prüfen, ob, wie die Bundesrepublik Deutschland sowie das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden vortragen, die Vergabe von Verträgen an in § 6 des TV-EUmw/VKA genannte Einrichtungen oder Unternehmen (im Folgenden: streitige Vertragsvergabevorgänge) aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands dem Anwendungsbereich der Richtlinien 92/50 und 2004/18 entzogen ist. Diese Mitgliedstaaten empfehlen, die Ausführungen des Gerichtshofs in den Urteilen vom 21. September 1999, Albany (C‑67/96, Slg. 1999, I‑5751), und vom 21. September 2000, van der Woude (C‑222/98, Slg. 2000, I‑7111), auf den vorliegenden Kontext zu übertragen, und stützen ihr Vorbringen darauf, dass mit den genannten Vertragsvergabevorgängen ein zwischen Sozialpartnern ausgehandelter Tarifvertrag, genauer § 6 des TV-EUmw/VKA, durchgeführt worden sei. 37      Hierzu ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Kollektivverhandlungen, das im vorliegenden Fall die Vertragsparteien des TV-EUmw/VKA ausgeübt haben, sowohl in den Bestimmungen unterschiedlicher internationaler Rechtsakte, bei denen die Mitgliedstaaten mitgewirkt haben oder denen sie beigetreten sind – wie Art. 6 der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten und am 3. Mai 1996 in Straßburg revidierten Europäischen Sozialcharta –, als auch in den Bestimmungen von Rechtsakten anerkannt wird, die die Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene oder im Rahmen der Union erarbeitet haben, wie Nr. 12 der anlässlich der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 angenommenen Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer und Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), der Art. 6 EUV den gleichen rechtlichen Rang verleiht, wie er den Verträgen zuerkannt wird. 38      Art. 28 der Charta in Verbindung mit ihrem Art. 52 Abs. 6 ist zu entnehmen, dass beim Schutz des Grundrechts auf Kollektivverhandlungen u. a. den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist. 39      Im Übrigen erkennt die Union nach Art. 152 AEUV die Rolle der Sozialpartner auf der Ebene der Union unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeit der nationalen Systeme an und fördert sie. 40      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass, wie zwischen den Parteien des Rechtsstreits unstreitig ist, der TV-EUmw/VKA allgemein eine sozialpolitische Zielsetzung verfolgt. Mit ihm soll nämlich das Niveau der Altersrenten der betroffenen Arbeitnehmer dadurch erhöht werden, dass im Einklang mit dem BetrAVG die Entwicklung der Altersvorsorge durch die Umwandlung von Teilen des Entgelts der interessierten Arbeitnehmer gefördert wird. 41      Der Grundrechtscharakter des Rechts auf Kollektivverhandlungen und die sozialpolitische Zielsetzung des TV-EUmw/VKA als Ganzes gesehen können als solche die kommunalen Arbeitgeber jedoch nicht ohne Weiteres der Verpflichtung entheben, die Erfordernisse aus den Richtlinien 92/50 und 2004/18 zu beachten, mit denen die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr im öffentlichen Auftragswesen durchgeführt werden. 42      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Klauseln von Tarifverträgen nicht dem Anwendungsbereich der Bestimmungen über die Freizügigkeit entzogen sind (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2007, International Transport Workers’ Federation und Finnish Seamen’s Union, „Viking Line“, C‑438/05, Slg. 2007, I‑10779, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 43      Außerdem kann die Ausübung eines Grundrechts wie des Rechts auf Kollektivverhandlungen bestimmten Beschränkungen unterworfen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Viking Line, Randnr. 44, und vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri, C‑341/05, Slg. 2007, I‑11767, Randnr. 91). Insbesondere genießt zwar das Recht auf Kollektivverhandlungen in Deutschland den verfassungsrechtlichen Schutz, der allgemein durch Art. 9 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes dem Recht verliehen wird, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, doch ist dieses Recht nach Art. 28 der Charta im Einklang mit dem Unionsrecht auszuüben. 44      Die Ausübung des Grundrechts auf Kollektivverhandlungen muss demnach mit den Erfordernissen aus den durch den AEU-Vertrag geschützten Freiheiten in Einklang gebracht werden, deren Durchführung im vorliegenden Fall die Richtlinien 92/50 und 2004/18 dienen, und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile Viking Line, Randnr. 46, und Laval un Partneri, Randnr. 94). 45      Es trifft zwar zu, dass der Gerichtshof insbesondere in den Urteilen Albany und van der Woude entschieden hat, dass ein Tarifvertrag zwischen Organisationen, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer vertreten, und mit dem in einem bestimmten Sektor ein Zusatzrentensystem geschaffen wird, das durch einen Rentenfonds verwaltet wird, bei dem die Mitgliedschaft verbindlich vorgeschrieben ist, trotz der ihm immanenten wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. 46      Diese Feststellung nimmt jedoch keineswegs die Antwort auf die hiervon zu unterscheidende und in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfene Frage vorweg, ob bei der Bestimmung der Versorgungsträger, die mit der Durchführung der in Rede stehenden Entgeltumwandlung betraut werden, die Unionsvorschriften über den Schutz der Freiheiten der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs im öffentlichen Auftragswesen im Rahmen eines Tarifvertrags zu beachten sind, der öffentliche Auftraggeber betrifft. 47      Es lässt sich insoweit nicht sagen, dass mit der Wahrnehmung der Freiheit der Sozialpartner selbst und des Rechts auf Kollektivverhandlungen zwangsläufig eine Beeinträchtigung der Richtlinien verbunden wäre, die dem Schutz der Niederlassungsfreiheit und des freien Verkehrs von Dienstleistungen im öffentlichen Auftragswesen dienen (vgl. in diesem Sinne Urteil Viking Line, Randnr. 52). 48      Außerdem hat der Umstand, dass eine Vereinbarung oder eine Tätigkeit dem Anwendungsbereich der Vertragsbestimmungen über den Wettbewerb entzogen ist, nicht ohne Weiteres zur Folge, dass diese Vereinbarung oder diese Tätigkeit auch der Beachtung der sich aus den Bestimmungen dieser Richtlinien ergebenden Erfordernisse entzogen wäre, da diese Bestimmungen jeweils eigenen Anwendungsvoraussetzungen gehorchen (vgl. in diesem Sinne Urteil Viking Line, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 49      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass im Unterschied zu dem zwischen den Sozialpartnern vereinbarten Ziel, das Rentenniveau der Beschäftigten im kommunalen öffentlichen Dienst zu verbessern, die Bestimmung von Einrichtungen und Unternehmen in einem Tarifvertrag wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Recht auf Kollektivverhandlungen nicht in seinem Kern berührt. 50      Demnach führt der Umstand, dass die streitigen Vertragsvergabevorgänge in Durchführung eines Tarifvertrags erfolgen, als solcher nicht dazu, dass der vorliegende Fall dem Anwendungsbereich der Richtlinien 92/50 und 2004/18 entzogen ist. 51      Damit stellt sich die Frage, wie die Erfordernisse im Zusammenhang mit der Verwirklichung des im vorliegenden Fall von den Tarifvertragsparteien verfolgten sozialpolitischen Ziels mit den sich aus den Richtlinien 92/50 und 2004/18 ergebenden Erfordernissen in Einklang zu bringen sind. 52      Die Beantwortung dieser Frage setzt voraus, dass anhand des Akteninhalts geprüft wird, ob bei der Festlegung des Inhalts von § 6 des TV-EUmw/VKA, den die Kommission in ihrer Klage als die Vorschrift nennt, die die Grundlage für die streitigen Vertragsvergabevorgänge gebildet hat, im Zuge der Berücksichtigung der jeweiligen Interessen, die in der Verbesserung des Rentenniveaus der betreffenden Arbeitnehmer auf der einen und der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie der Öffnung für den Wettbewerb auf Unionsebene auf der anderen Seite bestehen, das rechte Gleichgewicht gewahrt worden ist (vgl. entsprechend Urteil vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659, Randnrn. 81 und 82). 53      Zwar ist § 6 des TV-EUmw/VKA Teil eines Tarifvertrags, der, wie in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, allgemein eine sozialpolitische Zielsetzung verfolgt, doch ist insoweit festzustellen, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 176 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, diese Vorschrift darauf hinausläuft, die Anwendung der sich aus den Richtlinien 92/50 und 2004/18 ergebenden Regeln im Bereich der Altersvorsorge der kommunalen Beschäftigten vollständig und für unbestimmte Zeit auszuschließen, was die Bundesrepublik Deutschland nicht bestritten hat. 54      Dieser Mitgliedstaat macht jedoch erstens geltend, dass § 6 des TV‑EUmw/VKA eine gemeinsame Lösung unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessen der Parteien dieses Tarifvertrags zum Ausdruck bringe. Die Bestimmung der Versorgungseinrichtungen und ‑unternehmen, die allein mit der Durchführung der im kommunalen öffentlichen Dienst eingeführten Entgeltumwandlung betraut werden könnten, in diesem Tarifvertrag ermögliche eine stärkere Einbeziehung der Arbeitnehmer und eine bessere Berücksichtigung ihrer Interessen, als wenn der oder die Versorgungsträger von jedem einzelnen kommunalen Arbeitgeber im Rahmen eines Verfahrens zur Auftragsvergabe ausgewählt würden. 55      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es möglich ist, die Anwendung der Verfahren zur Auftragsvergabe mit der Anwendung der Mechanismen in Einklang zu bringen, die sich u. a. im deutschen Sozialrecht herausgebildet haben und die innerhalb der betroffenen kommunalen Behörden oder Betriebe die Beteiligung der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter an der Entscheidung über die Auswahl des oder der Träger gewährleisten, die mit der Durchführung der Entgeltumwandlung betraut werden, was die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten hat. 56      Im Übrigen schließt eine Anwendung der Verfahren zur Auftragsvergabe keineswegs aus, dass den interessierten Bietern in der Ausschreibung Bedingungen vorgeschrieben werden, die die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer widerspiegeln. 57      Die Bundesrepublik Deutschland macht, in diesem Punkt durch das Königreich Dänemark unterstützt, zweitens geltend, dass die Angebote der in § 6 des TV-EUmw/VKA genannten Einrichtungen und Unternehmen auf dem Solidaritätsgrundsatz beruhten. In der mündlichen Verhandlung ist hervorgehoben worden, dass es ein Versicherungsvertrag dank der Risikoverteilung ermögliche, zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken insbesondere dann einen Ausgleich herbeizuführen, wenn die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Form einer laufenden Rente bis zum Tod des Begünstigten gezahlt würden. Ferner ist betont worden, dass diese Einrichtungen und Unternehmen in keiner Form eine auf medizinische Kriterien gestützte Auslese der interessierten Bewerber vornähmen. 58      Hierzu ist jedoch festzustellen, dass die Wahrung dieser solidarischen Elemente nicht von Natur aus mit der Anwendung eines Verfahrens der Auftragsvergabe unvereinbar ist. Die Verteilung der Risiken, auf der jede Versicherungstätigkeit beruht, kann nämlich auch durch einen Versorgungsträger oder ein Versicherungsunternehmen gewährleistet werden, die nach Abschluss einer unionsweiten Ausschreibung ausgewählt worden sind. Im Übrigen hindert nichts in den Richtlinien über öffentliche Aufträge einen kommunalen Arbeitgeber daran, im Ausschreibungstext die Bedingungen anzugeben, die die Bieter einzuhalten haben, um die Auslese der an der Entgeltumwandlung interessierten Arbeitnehmer anhand medizinischer Kriterien auszuschließen oder ihr einen Rahmen zu setzen. 59      Die Bundesrepublik Deutschland hebt drittens auf die Erfahrung und die finanzielle Solidität der in § 6 des TV-EUmw/VKA genannten Einrichtungen und Unternehmen ab. Ferner sei die Auswahl dieser Einrichtungen und Unternehmen geeignet, die Attraktivität der Entgeltumwandlung für die Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes zu gewährleisten. 60      Es kann jedoch abgesehen davon, dass die Vergaberichtlinien der Union Regeln enthalten, die es den öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, sich der fachlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Bieter zu vergewissern, nicht davon ausgegangen werden, dass diese Faktoren der Erfahrung und der finanziellen Solidität bei anderen als den in § 6 des TV-EUmw/VKA genannten Versorgungsträgern oder Versicherungsunternehmen im Allgemeinen nicht gegeben wären. 61      Hierzu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. L 345, S. 1) die privaten Unternehmen, die Gruppenversicherungen anbieten, auf Unionsebene koordinierten Aufsichtsregeln unterworfen sind, mit denen insbesondere ihre finanzielle Solidität gewährleistet werden soll. 62      Für die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung gelten gleichartige Regeln nach der Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (ABl. L 235, S. 10). Zweck dieser auf Unionsebene koordinierten Regeln ist es, ein hohes Maß an Sicherheit für die zukünftigen Rentner zu gewährleisten, denen die Leistungen dieser Träger zugutekommen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik, C‑343/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45). 63      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach den Angaben der Bundesrepublik Deutschland Versicherungsverträge auf der Grundlage von § 6 Satz 3 des TV-EUmw/VKA von kommunalen Arbeitgebern direkt an andere als die in § 6 Sätze 1 und 2 zwei genannten Einrichtungen vergeben wurden. Im Lauf des vorliegenden Verfahrens wurde weder dargetan noch auch nur behauptet, dass diese Lösung das Interesse der betroffenen Arbeitnehmer an der Entgeltumwandlung verringert hätte. 64      Viertens trägt dieser Mitgliedstaat vor, dass § 6 des TV-EUmw/VKA es den kommunalen Arbeitgebern ermögliche, sich ein individuelles Verfahren zur Auswahl der Einrichtung oder der Einrichtungen, die mit der Durchführung der Entgeltumwandlung auf der Ebene der eigenen Behörde oder des eigenen Betriebs betraut würden, zu ersparen. Außerdem seien die Verwaltungskosten, die von den in dieser Bestimmung genannten Einrichtungen und Unternehmen aufgewandt würden, nur gering. 65      Derartige Erwägungen können jedoch nicht rechtfertigen, dass Bestimmungen und Verfahren umgangen werden, mit denen im Interesse der kommunalen Arbeitgeber und ihrer Beschäftigten der Zugang zu einem erweiterten Angebot an Dienstleistungen auf Unionsebene gewährleistet werden soll. 66      In Anbetracht der in den Randnrn. 53 bis 65 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen ist daher der Schluss zu ziehen, dass sich die Beachtung der Richtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungsaufträge nicht als unvereinbar mit der Verwirklichung des sozialpolitischen Ziels erweist, das die Vertragsparteien des TV‑EUmw/VKA in Ausübung ihres Rechts auf Kollektivverhandlungen verfolgt haben. 67      Folglich ist zu prüfen, ob die streitigen Vertragsvergabevorgänge die Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinien 92/50 und 2004/18 erfüllen. Zur Einstufung der in Rede stehenden Verträge als öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne der Richtlinien 92/50 und 2004/18 68      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens unstreitig ist, dass die in Rede stehenden Verträge Versicherungsdienstleistungen im Sinne der Kategorie 6 Buchst. a der Anhänge IA der Richtlinie 92/50 bzw. II Teil A der Richtlinie 2004/18 betreffen. 69      Ebenso unstreitig ist zwischen diesen Parteien, dass diese Verträge schriftlich im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50 bzw. von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 geschlossen wurden. 70      Demgegenüber bestreitet die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch das Königreich Schweden, erstens, dass die weiteren Voraussetzungen, von denen diese Bestimmungen die Einstufung als „öffentliche Aufträge“ im Sinne dieser Richtlinien abhängig machen, im vorliegenden Fall erfüllt seien. 71      Die kommunalen Arbeitgeber handelten nicht als öffentliche Auftraggeber, wenn sie lediglich eine tarifvertraglich vorgegebene Auswahlentscheidung auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung umsetzten, ohne dass ihnen eine autonome Willensbildung möglich wäre, die sie zu einer beliebigen Bevorzugung eines bestimmten Bieters veranlassen könnte. 72      Zudem seien die in Rede stehenden Verträge nicht entgeltlich. Ein wirtschaftliches Austauschverhältnis bestehe nämlich nur zwischen dem Versorgungsträger und dem Arbeitnehmer, der für die Entgeltumwandlung optiert habe. Der Arbeitgeber beschränke sich darauf, für den Arbeitnehmer die zum Zweck dieser Umwandlung von dessen Entgelt einbehaltenen Versicherungsprämien an diesen Träger weiterzuleiten. Gegenstand dieser Verträge sei die Durchführung einer Maßnahme, die den Arbeitnehmern zugutekomme, während es an einem Beschaffungselement zugunsten der öffentlichen Hand fehle. 73      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass weder Art. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/50 noch Art. 1 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 zwischen öffentlichen Aufträgen, die ein öffentlicher Auftraggeber vergibt, um seine im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu erfüllen, und solchen Aufträgen unterscheidet, die nicht im Zusammenhang mit diesen Aufgaben stehen. Das Fehlen einer solchen Unterscheidung erklärt sich aus dem Zweck dieser Richtlinien, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber auszuschließen (vgl. entsprechend Urteil vom 15. Januar 1998, Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., C‑44/96, Slg. 1998, I‑73, Randnrn. 32 und 33). 74      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der TV-EUmw/VKA, insbesondere sein § 6, u. a. von Vertretern der kommunalen Arbeitgeber ausgehandelt wurde. Diese Arbeitgeber haben somit, zumindest mittelbar, Einfluss auf den Inhalt dieser Vorschrift genommen. 75      Schließlich impliziert die Bedingung des entgeltlichen Charakters der in Rede stehenden Verträge, dass geprüft wird, ob für die öffentlichen Auftraggeber an diesen von ihnen geschlossenen Verträgen ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse besteht (vgl. entsprechend Urteil vom 25. März 2010, Helmut Müller, C‑451/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 48 und 49). 76      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Bereich des kommunalen öffentlichen Dienstes § 6 des TV-EUmw/VKA zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Entgeltumwandlung bei den in § 6 Satz 1 genannten öffentlichen Trägern durchführen oder – tut er dies nicht – von den in § 6 Satz 2 genannten Unternehmen für diese Maßnahme angebotene Durchführungswege bestimmen muss. 77      Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG steht der Arbeitgeber „für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt“. 78      Der kommunale Arbeitgeber handelt somit die Bedingungen eines Gruppenversicherungsvertrags mit einem gewerblichen Versicherer aus, der besonderen aufsichtsrechtlichen Vorgaben unterliegt, die seine finanzielle Solidität garantieren. Die von diesem erbrachten Dienstleistungen ermöglichen es dem Arbeitgeber, seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung dieser Form der sich aus der Entgeltumwandlung ergebenden aufgeschobenen Entgeltzahlung nachzukommen. Sie entlasten ihn auch von der Verwaltung dieser Maßnahme. 79      Im Rahmen eines solchen Vertrags zahlt der kommunale Arbeitgeber dem betreffenden Träger oder Unternehmen Versicherungsprämien, die er von dem Entgelt einbehalten hat, das er den betreffenden Arbeitnehmern schuldet, als Gegenleistung für den Erhalt von Dienstleistungen, die notwendig mit seiner in § 1 Abs. 1 BetrAVG genannten Verpflichtung zusammenhängen, für die Erfüllung der Versorgungsleistungen zugunsten der Arbeitnehmer einzustehen, die mit seiner Zustimmung für die Entgeltumwandlung optiert haben. 80      Der Umstand, dass die Letztbegünstigten der Versorgungsleistungen die Arbeitnehmer sind, die an dieser Maßnahme teilnehmen, ist nicht geeignet, den entgeltlichen Charakter eines solchen Vertrags in Frage zu stellen. 81      Die Bundesrepublik Deutschland macht, insoweit durch das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden unterstützt, zweitens geltend, dass sich die in Art. 1 Buchst. a Ziff. viii der Richtlinie 92/50 bzw. in Art. 16 Buchst. e der Richtlinie 2004/18 vorgesehene Ausnahme für Arbeitsverträge auf jede Dienstleistung erstrecke, die – wie im vorliegenden Fall – auf einem derartigen Vertrag oder einem Tarifvertrag, der Bestandteil dieses Vertrags sei, beruhe und die ihrem Gegenstand nach dem Arbeitsrecht unterliege. 82      Angesichts der in den Randnrn. 4 und 12 des vorliegenden Urteils enthaltenen Angaben kann sich jedoch diese Ausnahme, die als Abweichung von der Anwendung der Richtlinien über öffentliche Dienstleistungsaufträge eng auszulegen ist, nicht auf Dienstleistungen erstrecken, die wie hier nicht auf einem Arbeitsvertrag, sondern auf einem Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem Versorgungsträger beruhen und die zudem nichts mit dem besonderen Anliegen zu tun haben, das der Unionsgesetzgeber im 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 zum Ausdruck gebracht hat. Zur Festsetzung des Auftragswerts und zur Überschreitung der Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinien 92/50 und 2004/18 83      Zunächst ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht die Richtigkeit der Schwellenwerte von 236 000 Euro und 211 000 Euro bestritten hat, die die Kommission für den Zeitraum 2004–2005 bzw. für den Zeitraum 2006–2007 zugrunde gelegt hat, um in der vorliegenden Rechtssache die Aufträge abzugrenzen, die aufgrund ihres Werts in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 bzw. in den der Richtlinie 2004/18 fallen. 84      Die Bundesrepublik Deutschland beanstandet dagegen den Rechenweg, mit dem die Kommission die hinsichtlich der Beschäftigtenzahl kritische Größe ermittelt habe, jenseits deren sie den kommunalen Arbeitgebern unterstelle, Versicherungsverträge abgeschlossen zu haben, deren Wert den für die Anwendung der Richtlinie 92/50 oder der Richtlinie 2004/18 maßgebenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet. 85      In erster Linie trägt dieser Mitgliedstaat vor, dass die Berechnung des Auftragswerts im Sinne dieser Richtlinien im vorliegenden Fall ausschließlich auf die Höhe der Verwaltungskosten zu stützen sei, die von dem Unternehmen für die Abgeltung der erbrachten Dienstleistungen gefordert würden, nicht aber auf den Gesamtbetrag der im Rahmen der Entgeltumwandlung gezahlten Versicherungsprämien, da dieser Betrag beim Abschluss des Versicherungsvertrags tatsächlich nicht genau bestimmt werden könne. 86      Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass bei Aufträgen über Versicherungsdienstleistungen im Sinne der Kategorie 6 Buchst. a der Anhänge IA der Richtlinie 92/50 bzw. II Teil A der Richtlinie 2004/18, sowohl Art. 7 Abs. 4 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/50 als auch Art. 9 Abs. 8 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2004/18 „die Versicherungsprämie“ als Grundlage für die Berechnung des geschätzten Werts des betreffenden Auftrags nennen. 87      Bei Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung entspricht der „geschätzte Auftragswert“ im Sinne der in Randnr. 86 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen daher, wie die Kommission zutreffend ausgeführt hat, dem geschätzten Wert der Versicherungsprämien, im vorliegenden Fall also der Beiträge, die aufgrund der Entgeltumwandlung vom Entgelt der teilnehmenden Arbeitnehmer der betreffenden kommunalen Behörde oder des betreffenden kommunalen Betriebs einbehalten werden und die zur Finanzierung der endgültigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bestimmt sind. Diese Versicherungsprämien stellen nämlich im vorliegenden Fall die hauptsächliche Gegenleistung für die Dienstleistungen dar, die der leistende Träger oder das leistende Unternehmen dem kommunalen Arbeitnehmer im Rahmen der Erfüllung dieser Leistungen erbringt. 88      In einem Kontext wie dem des vorliegenden Falles, in dem eine genaue Angabe des Gesamtwerts dieser Versicherungsprämien zum Zeitpunkt der Vergabe des in Rede stehenden Auftrags dadurch unmöglich gemacht wird, dass dem einzelnen Beschäftigten die Entscheidung überlassen bleibt, ob er sich an der Entgeltumwandlung beteiligt oder nicht, und in Anbetracht der Laufzeit eines solchen Auftrags, die lang oder sogar von unbestimmter Dauer ist, wie die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, schreiben sowohl Art. 7 Abs. 5 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 92/50 als auch Art. 9 Abs. 8 Buchst. b Ziff. ii der Richtlinie 2004/18 vor, den „Vertragswert aus der monatlichen Zahlung multipliziert mit 48“ bzw. „Monatswert … multipliziert mit 48“ zur Grundlage für die Berechnung des geschätzten Werts dieses Auftrags zu machen. 89      Wie die Generalanwältin in Nr. 150 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hat die Kommission in der vorliegenden Rechtssache daher, wie es die betroffenen kommunalen Arbeitgeber hätten tun müssen, zu Recht ihre Berechnung zunächst auf eine Schätzung des monatlichen Durchschnittsbetrags der Entgeltumwandlung je Beschäftigten multipliziert mit 48 gestützt, sodann unter Berücksichtigung des sich aus dieser Multiplikation ergebenden Produkts ermittelt, wie viele Beschäftigte sich individuell an der Entgeltumwandlung beteiligen mussten, um den für die Anwendung der Vergabevorschriften der Union maßgebenden Schwellenwert zu erreichen, und schließlich auf der Grundlage einer Schätzung der Quote der Beteiligung der Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes an der Entgeltumwandlung die hinsichtlich der Beschäftigtenzahl kritische Größe festgelegt, jenseits deren die kommunalen Arbeitgeber Aufträge vergeben haben, die diesen Schwellenwert erreichten oder überschritten. 90      Die Bundesrepublik Deutschland trägt zweitens vor, die Kommission habe es bei ihren Berechnungen zu Unrecht unterlassen, den bereits im vorprozessualen Verfahren hervorgehobenen Umstand zu berücksichtigen, dass eine Reihe kommunaler Arbeitnehmer für die Durchführung der Entgeltumwandlung auf der Ebene ihrer eigenen Behörde oder ihres eigenen Betriebs mehrere Verträge mit einzelnen Einrichtungen oder Unternehmen geschlossen hätten. Dieser Umstand hätte die Kommission veranlassen müssen, den geschätzten Auftragswert anhand jedes einzelnen vom kommunalen Arbeitgeber geschlossenen Versicherungsvertrags zu berechnen. 91      Jedoch geht, welche Gründe auch immer die kommunalen Arbeitgeber veranlasst haben mögen, diese Praxis anzuwenden, und unabhängig davon, ob die streitigen Verträge – was die Kommission geltend macht, die Bundesrepublik Deutschland jedoch bestreitet – Rahmenvereinbarungen im Sinne von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2004/18 darstellen, schon aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie, der die allgemeine Regelung für die Berechnung des geschätzten Werts eines öffentlichen Auftrags festlegt, hervor, dass Grundlage für diese Berechnung der vom öffentlichen Auftraggeber voraussichtlich zu zahlende „Gesamtwert“ dieses Auftrags ist. 92      Im vorliegenden Fall muss die maßgebende Berechnung daher auf dem geschätzten Gesamtwert des Auftrags über die betriebliche Altersversorgung auf der Ebene der betroffenen Behörde oder des betroffenen Betriebs entsprechend den mit der Entgeltumwandlung in Zusammenhang stehenden Versicherungsprämien beruhen. 93      Wie die Kommission geltend gemacht hat, würde bei einem solchen Auftrag, dessen Gegenstand seinem Wesen nach einheitlich ist, eine Berechnung, wie von der Bundesrepublik Deutschland empfohlen, anhand der Zahl der von dem betreffenden kommunalen Arbeitgeber geschlossenen Versicherungsverträgen zu einer künstlichen Aufspaltung dieses Auftrags führen, die geeignet wäre, ihn dem Anwendungsbereich der Vergabevorschriften der Union zu entziehen, obwohl sein geschätzter Gesamtwert den für die Anwendung dieser Vorschriften maßgebenden Schwellenwert erreichen oder überschreiten würde. 94      Außerdem würde bei einer solchen Berechnung der Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt, da zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser etwaigen einzelnen Verträge deren Einzelwert nicht einmal geschätzt werden kann, da nicht auch nur annähernd vorhersehbar ist, in welchem Verhältnis die spätere Entscheidung der einzelnen Beschäftigten, die sich an der Entgeltumwandlung beteiligen möchten, auf die einzelnen betroffenen Unternehmen fallen wird. Eine entsprechende Berechnung, die auf eine rein mathematische Division des geschätzten Gesamtwerts des Auftrags nach Maßgabe der Anzahl der in Aussicht genommenen Versicherungsverträge gestützt wäre, könnte somit dazu führen, die Gesamtheit dieser Verträge dem Anwendungsbereich der Vergabevorschriften der Union zu entziehen, während sich anschließend herausstellen könnte, dass der Wert einiger dieser Verträge aufgrund der Zahl der teilnehmenden Beschäftigten und der Höhe der an das betreffende Unternehmen gezahlten Versicherungsprämien den maßgebenden Schwellenwert erreicht oder überschreitet. 95      Die Bundesrepublik Deutschland hat drittens während des gesamten Verfahrens vor dem Gerichtshof die von der Kommission zugrunde gelegten Zahlen über die Quote der an der Entgeltumwandlung beteiligten Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes bestritten. 96      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in jedem Abschnitt des Verfahrens vor dem Gerichtshof ihre Berechnung auf die zuverlässigsten Zahlenangaben gestützt hat, die die Bundesrepublik Deutschland zur Quote der an der Entgeltumwandlung beteiligten kommunalen Beschäftigten vorgelegt hat, was sie dazu veranlasst hat, den Gegenstand ihrer Klage für den Zeitraum von 2004 bis 2007 letztlich in dem in Randnr. 3 des vorliegenden Urteils angegebenen Sinne zu begrenzen. 97      Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass sich der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits auf streitige Vertragsvergabevorgänge erstrecken kann, die nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, also nach dem 4. September 2006, erfolgt sind, da diese Vergabevorgänge ein Verhalten derselben Art wie die in dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme angesprochenen darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 1983, Kommission/Frankreich, 42/82, Slg. 1983, 1013, Randnr. 20, vom 4. Februar 1988, Kommission/Italien, 113/86, Slg. 1988, 607, Randnr. 11, und vom 9. November 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑236/05, Slg. 2006, I‑10819, Randnr. 12). 98      Dagegen verkennt die Entscheidung der Kommission, bei ihren im Lauf des vorliegenden Verfahrens vorgenommenen Berechnungen auf den gesamten von ihrer Klage erfassten Zeitraum die Zahlen für das Jahr 2006, in dem die genannte Frist ablief, anzuwenden, den Umstand, dass die kommunalen Arbeitgeber, die in den Jahren 2004 oder 2005 streitige Verträge vergeben haben, den betreffenden Auftrag nur auf der Grundlage der Schätzungen für das eine oder für das andere dieser beiden Jahre bewerten konnten. Es war daher Sache der Kommission, bei ihren Berechnungen für die Jahre 2004 bzw. 2005 die Zahlen des entsprechenden Jahres zu berücksichtigen. 99      Nach den von der Bundesrepublik Deutschland in der Gegenerwiderung gemachten Angaben stellen sich diese Zahlen für den durchschnittlichen monatlichen Entgeltumwandlungsbetrag je Beschäftigten bzw. die Quote der an der Entgeltumwandlung beteiligten Beschäftigten des kommunalen öffentlichen Dienstes wie folgt dar: –        für 2004: 77,95 Euro und 1,40 % sowie –        für 2005: 89,14 Euro und 1,76 %. 100    In Anbetracht dieser Angaben und der anwendbaren Berechnungsmethode, wie sie in Randnr. 89 des vorliegenden Urteils dargestellt worden ist, ist im Kontext dieser Rechtssache der behauptete Verstoß insoweit festzustellen, als Versicherungsverträge ohne unionsweite Ausschreibung direkt an in § 6 des TV-EUmw/VKA genannte Einrichtungen oder Unternehmen vergeben wurden: –        im Jahr 2004 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 4 505 Beschäftigte hatten; –        im Jahr 2005 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 3 133 Beschäftigte hatten, und –        in den Jahren 2006 und 2007 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 2 402 Beschäftigte hatten. 101    Die Bundesrepublik Deutschland trägt viertens vor, dass die Städte Berlin, Bremen und Hamburg zu Unrecht als Mitglieder eines Landesverbands der VKA angesehen und mithin in den Anwendungsbereich des TV-EUmw/VKA einbezogen worden seien. 102    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission auf die von der Bundesrepublik Deutschland im Lauf des vorliegenden Verfahrens gegebenen Erläuterungen hin Berlin vom Gegenstand ihrer Klage ausgenommen hat. 103    Was Bremen und Hamburg betrifft, hat dieser Mitgliedstaat, wie den Angaben der Kommission in ihrer Erwiderung zu entnehmen ist, eingeräumt, dass diese beiden Städte Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbands Bremen e. V. bzw. der Arbeitsrechtlichen Vereinigung Hamburg e. V. waren, die Mitglieder der VKA sind. 104    Darüber hinaus hat dieser Mitgliedstaat die Behauptung in seiner Gegenerwiderung, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dieser beiden Städte fielen aufgrund des Sonderstatus der Mitglieder jedes dieser beiden in Randnr. 103 des vorliegenden Urteils genannten Landesverbände nicht in den Anwendungsbereich des TV-EUmw/VKA, durch keinen konkreten Anhaltspunkt untermauert. 105    Nach alledem ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Verpflichtungen verstoßen hat, die sich für sie bis zum 31. Januar 2006 aus Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50 und seit dem 1. Februar 2006 aus Art. 20 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18 ergaben, soweit Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung im Jahr 2004 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 4 505 Beschäftigte hatten, im Jahr 2005 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 3 133 Beschäftigte hatten, und in den Jahren 2006 und 2007 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 2 402 Beschäftigte hatten, ohne unionsweite Ausschreibung direkt an in § 6 des TV-EUmw/VKA genannte Einrichtungen oder Unternehmen vergeben wurden. 106    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten 107    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der Gerichtshof kann nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall die Kommission und die Bundesrepublik Deutschland mit einzelnen Rügen jeweils unterlegen sind, sind ihnen jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. 108    Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen die Verpflichtungen verstoßen, die sich für sie bis zum 31. Januar 2006 aus Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge und seit dem 1. Februar 2006 aus Art. 20 in Verbindung mit den Art. 23 bis 55 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge ergaben, soweit Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung im Jahr 2004 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 4 505 Beschäftigte hatten, im Jahr 2005 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 3 133 Beschäftigte hatten, und in den Jahren 2006 und 2007 durch kommunale Behörden oder Betriebe, die damals mehr als 2 402 Beschäftigte hatten, ohne Ausschreibung auf der Ebene der Europäischen Union direkt an in § 6 des Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/‑innen im kommunalen öffentlichen Dienst genannte Einrichtungen oder Unternehmen vergeben wurden. 2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3.      Die Europäische Kommission, die Bundesrepublik Deutschland, das Königreich Dänemark und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten. Unterschriften * Verfahrenssprache: Deutsch.
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Kate Armitage-Wilson gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑36/09.
62009FJ0036
ECLI:EU:F:2010:62
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0036 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0036 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0036 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Breige Martin gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑38/09.
62009FJ0038
ECLI:EU:F:2010:64
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0038 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0038 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0038 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Margaret Doyle gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑37/09.
62009FJ0037
ECLI:EU:F:2010:63
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0037 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0037 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0037 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Jacques Pierre Roumimper gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑41/09.
62009FJ0041
ECLI:EU:F:2010:66
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0041 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0041 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0041 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Rudolf Sluiter gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑34/09.
62009FJ0034
ECLI:EU:F:2010:60
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0034 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0034 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0034 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Brigitte Knöll gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑44/09.
62009FJ0044
ECLI:EU:F:2010:68
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0044 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0044 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0044 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Anne Esneau-Kappé gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑42/09.
62009FJ0042
ECLI:EU:F:2010:67
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0042 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0042 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0042 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Michael Kipp gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑28/09.
62009FJ0028
ECLI:EU:F:2010:59
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0028 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0028 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0028 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Jacqueline Goddijn gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑39/09.
62009FJ0039
ECLI:EU:F:2010:65
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0039 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0039 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0039 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Maria Teresa Visser-Fornt Raya gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑35/09.
62009FJ0035
ECLI:EU:F:2010:61
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0035 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0035 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0035 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 29. Juni 2010.#Ingo Hanschmann gegen Europäisches Polizeiamt (Europol).#Öffentlicher Dienst – Bedienstete von Europol – Nichtverlängerung eines Vertrags – Unbefristeter Vertrag – Art. 6 des Statuts der Bediensteten von Europol – Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte.#Rechtssache F‑27/09.
62009FJ0027
ECLI:EU:F:2010:58
2010-06-29T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0027 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0027 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0027 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 20. Mai 2010.#Bundesrepublik Deutschland gegen Europäische Kommission.#Auf öffentliche Aufträge anwendbare Vorschriften - Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen - Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen - Anfechtbare Handlung - Handlung, die Rechtswirkungen entfalten soll.#Rechtssache T-258/06.
62006TJ0258
ECLI:EU:T:2010:214
2010-05-20T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-02027
Rechtssache T‑258/06 Bundesrepublik Deutschland gegen Europäische Kommission „Auf öffentliche Aufträge anwendbare Vorschriften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen – Anfechtbare Handlung – Handlung, die Rechtswirkungen entfalten soll“ Leitsätze des Urteils 1.      Nichtigkeitsklage – Anfechtbare Handlungen – Begriff – Handlungen mit verbindlichen Rechtswirkungen – Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (Art. 230 EG; Mitteilung 2006/C 179/02 der Kommission) 2.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags einzuhalten (Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17, neunter Erwägungsgrund, und 2004/18, zweiter Erwägungsgrund; Mitteilung 2006/C 179/02 der Kommission) 3.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags einzuhalten (Mitteilung 2006/C 179/02 der Kommission) 4.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags einzuhalten (Art. 12 EG, 43 EG, 47 EG und 49 EG; Mitteilung 2006/C 179/02 der Kommission) 5.      Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags einzuhalten (Mitteilung 2006/C 179/02 der Kommission) 1.      Die Nichtigkeitsklage ist gegen alle Handlungen der Organe gegeben, die dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen, ohne dass es auf ihre Rechtsnatur oder ‑form ankäme. Um beurteilen zu können, ob eine Mitteilung der Kommission, die in Teil C des Amtsblatts veröffentlicht wurde und zur Kundmachung der allgemeinen Vorgehensweise der Kommission bei der Anwendung aller Grundanforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge, die sich unmittelbar aus den Vorschriften und Grundsätzen des Vertrags ergeben, auf die Vergabe von Aufträgen, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, dient, Rechtswirkungen erzeugen soll, die gegenüber denen, die sich aus der Anwendung der tragenden Grundsätze des Vertrags ergeben, neu sind, ist ihr Inhalt zu prüfen. Die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, erläutert aber nur die Bestimmungen über den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr, das Diskriminierungsverbot, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie die Regeln der Transparenz und der gegenseitigen Anerkennung, die für Aufträge gelten, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, und legt gegenüber diesen Bestimmungen, Grundsätzen und Regeln in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs keine spezifischen oder neuen Verpflichtungen fest. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die geeignet sind, die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten zu berühren. (vgl. Randnrn. 25-28, 162) 2.      Die in den Gemeinschaftsrichtlinien zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen besonderen, strengen Verfahren gelten nur für Verträge, deren Auftragswert den in der jeweiligen Richtlinie ausdrücklich festgelegten Schwellenwert überschreitet. Die Vorschriften dieser Richtlinien gelten daher nicht für Aufträge, deren Wert den dort festgelegten Schwellenwert nicht erreicht. Das heißt jedoch nicht, dass solche Aufträge vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen sind. Bei der Vergabe dieser Aufträge sind die Auftraggeber nämlich gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs schließen insbesondere eine Verpflichtung zur Transparenz ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob diese Grundsätze beachtet worden sind. Bestätigt wird dies durch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und durch den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge. Demnach haben die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen diese Transparenzpflicht, kraft deren zugunsten aller potenziellen Bieter ein angemessener Grad von Öffentlichkeit sichergestellt werden muss, der den Markt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden, bei der Vergabe sämtlicher öffentlicher Aufträge zu beachten. Diese Pflicht umfasst eine Form der Bekanntmachung vor der Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags, mit anderen Worten eine vorherige Bekanntmachung. Eine nachträgliche Bekanntgabe kann eine angemessene Bekanntmachung nämlich nicht gewährleisten. (vgl. Randnrn. 73-74, 76-77, 79-80) 3.      Da die Grundregeln des Vertrags auf alle öffentlichen Aufträge Anwendung finden, auch wenn diese nicht von den Vergaberichtlinien erfasst werden, kann nicht allein deshalb, weil ein öffentlicher Auftrag die Schwellenwerte für die Anwendung dieser Richtlinien unterschreitet, davon ausgegangen werden, dass seine Auswirkungen auf den Binnenmarkt nahezu unbedeutend wären. Solche Aufträge sind nämlich nicht vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen. Könnte jede Auswirkung dieser Aufträge auf den Binnenmarkt von vornherein ausgeschlossen werden, fände das Gemeinschaftsrecht keine Anwendung. Zwar ist es durchaus vorstellbar, dass wegen besonderer Umstände, etwa einer sehr geringen wirtschaftlichen Bedeutung, vernünftigerweise angenommen werden könnte, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dem die einen bestimmten öffentlichen Auftrag ausschreibende Stelle angehört, kein Interesse an dem in Rede stehenden Auftrag hätte und dass die Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten daher zu zufällig und zu mittelbar wären, als dass auf ihre Verletzung geschlossen werden könnte. Die Schlussfolgerung, dass keine Verletzung der Grundfreiheiten vorliegt, kann sich jedoch nur aus einer Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls ergeben, und sie kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Wert des fraglichen Auftrags eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet. Insoweit ist es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers, vor der Festlegung der Bedingungen der Bekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen, dessen geschätzter Wert unter dem in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Schwellenwert liegt, wobei diese Prüfung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dies schließt nicht aus, dass durch eine Regelung auf nationaler oder lokaler Ebene objektive Kriterien aufgestellt werden können, die für ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse sprechen, und ebenso wenig, dass die administrativen Möglichkeiten der ausschreibenden Stelle Berücksichtigung finden. (vgl. Randnrn. 85, 87-88, 93-95) 4.      Im Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags müssen in jedem Stadium einschließlich dem der Auswahl der Bewerber im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht gewahrt sein, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Im Rahmen der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, müssen die Mittel zur Erreichung der gleichen Wettbewerbsbedingungen dazu dienen, dass sowohl diese Grundsätze als auch der freie Dienstleistungsverkehr gewahrt werden. Unter diesen Mitteln ergibt sich das Erfordernis einer diskriminierungsfreien Beschreibung des Auftragsgegenstands aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Das Ziel, den Wirtschaftsteilnehmern unabhängig von ihrer Herkunft gleichen Zugang zu den ausgeschriebenen Aufträgen zu sichern, ergibt sich aus der Beachtung der Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie des freien Wettbewerbs und insbesondere des Gleichbehandlungsgrundsatzes in seiner Ausprägung durch das in Art. 12 EG aufgestellte Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise bringt nur einen den Grundfreiheiten des Vertrags innewohnenden Grundsatz zum Ausdruck, wobei diesem Grundsatz nicht dadurch ein Teil seiner rechtlichen Bedeutung genommen wird, dass Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen erlassen werden. Der Zweck des Erfordernisses angemessener Fristen, die es Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, eine fundierte Einschätzung vorzunehmen und ein Angebot zu erstellen, besteht darin, die Gefahr einer gegen das Diskriminierungsverbot verstoßenden Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber auszuschalten. Das Erfordernis einer transparenten und objektiven Vorgehensweise bezweckt, allen potenziellen Bietern vor der Vorbereitung ihrer Angebote Kenntnis von den Zuschlagskriterien, denen diese Angebote entsprechen müssen, und der relativen Bedeutung dieser Kriterien zu verschaffen um sicherzustellen, dass alle potenziellen Bieter bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen. Demnach dienen diese Mittel den oben genannten Grundsätzen und stellen keine neuen Verpflichtungen dar. (vgl. Randnrn. 111, 113, 116, 120, 122, 124-125, 128) 5.      Die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen sind an die Vorschriften und Grundsätze des Vertrags gebunden. Soweit sich demnach aus diesen Vorschriften und Grundsätzen Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung ergeben, können sich die Mitgliedstaaten oder die ausschreibenden Stellen, die einen öffentlichen Auftrag vergeben, der nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fällt, ipso iure auf diese Ausnahmen berufen. Die Grundsätze des Vertrags sind dann nicht berührt, wenn ein Mitgliedstaat oder eine ausschreibende Stelle sich auf eine Vorschrift des Vertrags berufen kann, die – wie Art. 86 Abs. 2 EG oder die Art. 296 EG oder 297 EG – die Anwendung des Primärrechts generell ausschließt, wenn einer der ausdrücklich in diesem Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe greift (wie z. B. die öffentliche Ordnung und die Gesundheit nach den Art. 46 EG und 55 EG sowie die öffentliche Gewalt nach den Art. 45 EG und 55 EG) oder wenn die Voraussetzungen eines von der Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgrundes gegeben sind. In solchen Fällen findet daher die aus den Grundsätzen des Vertrags resultierende Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags keine Anwendung. Es kann keine Bekanntmachungspflicht bestehen, wenn in den Vergaberichtlinien eine Ausnahme ausdrücklich zugelassen ist, die Voraussetzungen für diese Ausnahme vorliegen und ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Aufforderung zur Einreichung eines Angebots möglich ist. Die sich aus dem Vertrag ergebenden Grundsätze können demnach kein Öffentlichkeitserfordernis für Aufträge aufstellen, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen. (vgl. Randnrn. 139-141) URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer) 20. Mai 2010(*) „Auf öffentliche Aufträge anwendbare Vorschriften – Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen – Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen – Anfechtbare Handlung – Handlung, die Rechtswirkungen entfalten soll“ In der Rechtssache T‑258/06 Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze‑Bahr als Bevollmächtigte, Klägerin, unterstützt durch Französische Republik, zunächst vertreten durch G. de Bergues, dann durch G. de Bergues und J.‑C. Gracia und schließlich durch G. de Bergues und J.‑S. Pilczer als Bevollmächtigte, durch Republik Österreich, vertreten durch M. Fruhmann, C. Pesendorfer und C. Mayr als Bevollmächtigte, durch Republik Polen, zunächst vertreten durch E. Ośniecka‑Tamecka, dann durch T. Nowakowski, dann durch M. Dowgielewicz, dann durch M. Dowgielewicz, K. Rokicka und K. Zawisza und schließlich durch M. Szpunar als Bevollmächtigte, durch Königreich der Niederlande, zunächst vertreten durch H. Sevenster, dann durch C. Wissels und M. de Grave und schließlich durch C. Wissels, M. de Grave und Y. de Vries als Bevollmächtigte, durch Europäisches Parlament, vertreten durch U. Rösslein und J. Rodrigues als Bevollmächtigte, durch Hellenische Republik, vertreten durch D. Tsagkaraki und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte, und durch Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, zunächst vertreten durch Z. Bryanston‑Cross, dann durch L. Seeboruth als Bevollmächtigte, Streithelfer, gegen Europäische Kommission, vertreten durch X. Lewis und B. Schima als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. 2006, C 179, S. 2), erlässt DAS GERICHT (Fünfte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter M. Prek und V. M. Ciucă (Berichterstatter), Kanzler: T. Weiler, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2009 folgendes Urteil Sachverhalt 1        Am 23. Juni 2006 erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf das „Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“ (im Folgenden: Mitteilung). In Bezug auf die Vergabe öffentlicher Aufträge hatte die Europäische Gemeinschaft nämlich 2004 die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1) und die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) mit detaillierten Vorschriften für wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren erlassen (im Folgenden zusammen: Vergaberichtlinien). 2        Bestimmte Aufträge fallen jedoch nicht oder nur teilweise unter diese Richtlinien. Nach dem Wortlaut der Mitteilung betrifft sie Aufträge unterhalb der Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien und Aufträge gemäß Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18 und Anhang XVII Teil B der Richtlinie 2004/17, die die Schwellenwerte dieser Richtlinien überschreiten (im Folgenden: II‑B-Aufträge). 3        Ferner wird in der Mitteilung darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Binnenmarktregeln auch für Aufträge gälten, die nicht unter die Vergaberichtlinien fielen. Die Kommission erläutert darin ihr Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs und stellt bewährte Verfahren vor, um die Mitgliedstaaten darin zu unterstützen, die Möglichkeiten des Binnenmarkts voll auszuschöpfen. In der Mitteilung heißt es jedoch, dass sie keine neuen rechtlichen Regeln einführe. 4        In der Mitteilung werden die bei der Auftragsvergabe zu beachtenden Grundanforderungen dargestellt, die sich direkt aus den Vorschriften des EG-Vertrags in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof ergäben. 5        Die Mitteilung unterscheidet demnach zwischen öffentlichen Aufträgen, die für den Binnenmarkt nicht relevant sind und für die die aus dem EG‑Vertrag abgeleiteten Anforderungen nicht gelten, und Aufträgen, die in hinreichendem Zusammenhang mit dem Funktionieren des Binnenmarkts stehen und diese Anforderungen erfüllen müssen. Die Binnenmarktrelevanz jedes öffentlichen Auftrags sei im Einzelfall von den Auftraggebern zu beurteilen. Wenn die Prüfung des öffentlichen Auftrags ergebe, dass er für den Binnenmarkt relevant sei, müsse die Vergabe unter Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Grundanforderungen erfolgen. 6        Punkt 2 der Mitteilung behandelt die Grundanforderungen für die Vergabe von Aufträgen mit Binnenmarktrelevanz. Hier leitet die Kommission aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verpflichtung zur Transparenz ab, wonach der Auftraggeber einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen müsse, der den Markt dem Wettbewerb öffne. In Punkt 2.1.1 der Mitteilung folgert sie daraus, dass sich die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs festgelegten Erfordernisse nur erfüllen ließen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht werde. Ferner werden in Punkt 2.1.2 der Mitteilung eine Reihe konkreter Wege der Bekanntmachung genannt, die angemessen und gängig seien. Hierzu gehörten das Internet, nationale Amtsblätter, Ausschreibungsblätter, regionale oder überregionale Zeitungen und Fachpublikationen, lokale Medien sowie das Amtsblatt der Europäischen Union/die TED-Datenbank (Tenders Electronic Daily, im Internet verfügbare Datenbank europäischer öffentlicher Aufträge). 7        Die Vergabe öffentlicher Aufträge muss nach Punkt 2.2 der Mitteilung im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags erfolgen, wobei insbesondere das Diskriminierungsverbot und der Transparenzgrundsatz zu beachten seien. Ein angemessener Grad von Öffentlichkeit, der den Markt dem Wettbewerb öffne und die Nachprüfung ermögliche, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien, lasse sich am besten durch eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands, gleichen Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten, gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise, angemessene Fristen sowie einen transparenten und objektiven Ansatz erreichen. 8        Schließlich wird unter Punkt 2.3 der Mitteilung hervorgehoben, wie wichtig es für den Rechtsschutz sei, dass nachgeprüft werden könne, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien. Verfahren 9        Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Klageschrift, die am 12. September 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. 10      Am 19. Dezember 2006 hat die Französische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 14. Juni 2007 hat die Französische Republik ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. 11      Am 5. Januar 2007 hat die Republik Österreich beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 14. Juni 2007 hat die Republik Österreich ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. 12      Am 10. Januar 2007 hat die Republik Polen beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 12. Juni 2007 hat die Republik Polen ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht. 13      Am 18. Januar 2007 hat das Königreich der Niederlande beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 13. Juni 2007 hat das Königreich der Niederlande seinen Streithilfeschriftsatz eingereicht. 14      Am 22. Januar 2007 hat das Europäische Parlament beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. März 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben. Am 13. Juni 2007 hat das Europäische Parlament seinen Streithilfeschriftsatz eingereicht. 15      Am 27. März 2007 hat die Hellenische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 14. Mai 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und der Hellenischen Republik gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts gestattet, in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. 16      Am 13. August 2007 hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Bundesrepublik Deutschland zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland gemäß Art. 116 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts gestattet, in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. 17      Die Kommission hat ihre Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen der Französischen Republik, der Republik Österreich, der Republik Polen, des Königreichs der Niederlande und des Parlaments am 18. September 2007 eingereicht. Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen eingereicht. 18      Im Zuge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab 25. September 2007 ist der Berichterstatter der Fünften Kammer zugeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache deshalb zugewiesen worden ist. 19      Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 29. April 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat nicht an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Anträge der Verfahrensbeteiligten 20      Die Bundesrepublik Deutschland beantragt, –        die Mitteilung für nichtig zu erklären; –        der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen. 21      Die Französische Republik, die Republik Österreich und das Königreich der Niederlande beantragen, –        die Mitteilung für nichtig zu erklären; –        der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 22      Das Parlament und die Republik Polen beantragen, die Mitteilung für nichtig zu erklären. 23      Die Kommission beantragt, –        die Klage als unzulässig abzuweisen; –        der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen. Zur Zulässigkeit A –  Vorbemerkungen 24      Die Kommission stellt, ohne eine förmliche Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung in Abrede, die Mitteilung sei keine mit einer Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung. Da sie Auslegungsfragen betreffe, sei sie ihrer Form nach ein Akt, der zur Kategorie der Empfehlungen und Stellungnahmen gehöre, die nach dem EG-Vertrag nicht verbindlich seien. Die Wahl dieser Rechtsform lege deshalb bereits den Schluss nahe, dass der Akt keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugen solle. Eine Auslegungsmitteilung diene in der Regel zur Erläuterung der Rechte und Pflichten, die sich aus Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, ergäben. Daraus folge, dass eine Auslegungsmitteilung ihrer Natur nach kein Akt sei, der verbindliche Rechtswirkungen für Dritte erzeugen und mit einer Nichtigkeitsklage angegriffen werden könne. Ferner ergebe sich aus dem Wortlaut der Mitteilung, dass die Kommission nicht die Absicht gehabt habe, rechtlich verbindliche Regeln aufzustellen; er zeige vielmehr, dass die Mitteilung entweder die Rechtsprechung des Gerichtshofs wiedergebe oder durch unverbindliche Empfehlungen auf ihr Verständnis dieser Rechtsprechung hinweise. 25      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Nichtigkeitsklage gegen alle Handlungen der Organe gegeben ist, die dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen, unabhängig von Rechtsnatur oder Form dieser Handlungen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, C‑57/95, Slg. 1997, I‑1627, Randnr. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung). 26      Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine von der Kommission stammende Mitteilung, die in vollem Umfang in Teil C des Amtsblatts veröffentlicht wurde. Wie sich aus der Akte ergibt, dient die Mitteilung zur Kundmachung der allgemeinen Vorgehensweise der Kommission bei der Anwendung aller Grundanforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge, die sich unmittelbar aus den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags, insbesondere dem Diskriminierungsverbot und dem Grundsatz der Transparenz, ergeben, auf die Vergabe von Aufträgen, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen. 27      Um beurteilen zu können, ob die Mitteilung Rechtswirkungen erzeugen soll, die gegenüber denen, die sich aus der Anwendung der tragenden Grundsätze des EG-Vertrags ergeben, neu sind, ist daher ihr Inhalt zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Oktober 1990, Frankreich/Kommission, C‑366/88, Slg. 1990, I‑3571, Randnr. 11, vom 13. November 1991, Frankreich/Kommission, C‑303/90, Slg. 1991, I‑5315, Randnr. 10, und vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 9). 28      Somit ist zu prüfen, ob die Mitteilung nur die Bestimmungen über den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr, das Diskriminierungsverbot, die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit sowie die Regeln der Transparenz und der gegenseitigen Anerkennung erläutert, die für Aufträge gelten, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen, oder ob sie gegenüber diesen Bestimmungen, Grundsätzen und Regeln spezifische oder neue Verpflichtungen festlegt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission, C‑325/91, Slg. 1993, I‑3283, Randnr. 14, und vom 20. März 1997, Frankreich/Kommission, oben in Randnr. 25 angeführt, Randnr. 13). 29      Daher lässt der von der Kommission geltend gemachte Umstand, dass sich eine Mitteilung zu Auslegungsfragen ihrer Form, ihrer Natur oder ihrem Wortlaut nach nicht als Akt darstellt, der Rechtswirkungen erzeugen soll, für sich genommen nicht den Schluss zu, dass sie keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt. 30      Die Bundesrepublik Deutschland räumt zwar ein, dass es Mitteilungen der Kommission mit unverbindlichem Charakter gebe, die veröffentlicht würden. Im vorliegenden Fall sei die Veröffentlichung der Mitteilung jedoch ein Umstand, der bei der Beurteilung ihrer Rechtswirkungen nicht vernachlässigt werden dürfe. Die Veröffentlichung sei nämlich eine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines Rechtssatzes, und die Mitteilung sei wie ein Rechtssatz auf Außenwirkung angelegt. 31      Hierzu geht aus den obigen Ausführungen hervor, dass die Klage, wenn die Prüfung des Inhalts der Mitteilung ergibt, dass sie spezifische oder neue Verpflichtungen festlegt, für zulässig zu erklären ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Mitteilung veröffentlicht wurde. Fehlt es hingegen an solchen Verpflichtungen, kann allein aus der Veröffentlichung der Mitteilung nicht geschlossen werden, dass es sich bei ihr um einen Rechtsakt handelt, der mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden kann. B –  Zum Inhalt der Mitteilung 32      Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, beruft sich im Wesentlichen darauf, dass die Mitteilung ein verbindlicher Akt sei, da sie neue Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge enthalte, die über die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergebenden Verpflichtungen hinausgingen und rechtliche Wirkungen für die Mitgliedstaaten erzeugten; daraus ergebe sich die mangelnde Zuständigkeit der Kommission für den Erlass solcher Regeln. 33      Die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer tragen hierzu erstens vor, die Mitteilung schaffe, insbesondere in Punkt 2.1, für Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und für II‑B-Aufträge eine Verpflichtung zur vorherigen (ex ante) Bekanntmachung, die in den Grundprinzipien des EG-Vertrags nach ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht vorgesehen sei. Die Bundesrepublik Deutschland trägt zweitens vor, die sich aus Punkt 2.2 der Mitteilung ergebenden Verpflichtungen gingen deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse. Drittens macht sie geltend, dass die Ausnahmebestimmungen, die die Vergaberichtlinien für eine freihändige Auftragsvergabe vorsähen, in Punkt 2.1.4 der Mitteilung ohne Weiteres auf Aufträge außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien übertragen würden. Schließlich leitet sie eine Rechtswirkung aus Punkt 1.3 der Mitteilung ab, der die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG bei Nichtbefolgung der Mitteilung vorsehe. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer ist aus alldem zu schließen, dass die Mitteilung Rechtswirkungen erzeugen solle. 1.     Zur ersten Rüge: Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.1 der Mitteilung) a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten Bundesrepublik Deutschland 34      Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Mitteilung sehe insbesondere in Punkt 2.1.1 vor, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet seien, beabsichtigte Auftragsvergaben, also auch öffentliche Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und II‑B-Aufträge, vorher bekannt zu geben. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich die Mitteilung stütze, lasse sich aber keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung und damit zur Schaffung von Ex-ante-Transparenz ableiten. Eine solche Verpflichtung lasse sich somit den Grundprinzipien des EG-Vertrags oder ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht entnehmen. 35      In ihren mündlichen Ausführungen hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, auch wenn einige nach Erlass der Mitteilung ergangene Urteile des Gerichtshofs eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung beträfen, könne diese Entwicklung der Rechtsprechung eine solche Verpflichtung nicht rückwirkend begründen. 36      Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich die Mitteilung stütze, und insbesondere die Urteile vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress (C‑324/98, Slg. 2000, I‑10745, im Folgenden: Urteil Telaustria), vom 21. Juli 2005, Coname (C‑231/03, Slg. 2005, I‑7287), und vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen (C‑458/03, Slg. 2005, I‑8585), beträfen nur Dienstleistungskonzessionen, d. h. einen Bereich, auf den die Mitteilung nicht anwendbar sei. 37      Zudem unterschieden sich Dienstleistungskonzessionen von den unterhalb der genannten Schwellenwerte liegenden öffentlichen Aufträgen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, da sie im Allgemeinen die europäischen Anwendungsschwellen überschritten und sich so den von den Vergaberichtlinien erfassten öffentlichen Aufträgen annäherten. Während ein umfassendes Transparenzerfordernis daher bei Dienstleistungskonzessionen angemessen sein möge, sei dies bei den Aufträgen, die Gegenstand der Mitteilung seien, gerade nicht der Fall. Daher sei eine unmittelbare Übertragung der Rechtsprechung zu Dienstleistungskonzessionen auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte nicht möglich. 38      Auch die beiden anderen in der Mitteilung genannten Entscheidungen, die unterhalb der Schwellenwerte liegende Aufträge beträfen (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. Dezember 2001, Vestergaard, C‑59/00, Slg. 2001, I‑9505, und Urteil des Gerichtshofs vom 20. Oktober 2005, Kommission/Frankreich, C‑264/03, Slg. 2005, I‑8831), könnten keine Verpflichtung zu vorheriger Bekanntmachung begründen. Der Gerichtshof habe sich in keiner der Entscheidungen zu einem etwaigen Transparenzerfordernis geäußert, sondern lediglich für den ihm vorliegenden Fall das Diskriminierungsverbot für anwendbar erklärt (Beschluss Vestergaard, Randnrn. 20 und 24, und Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 32 und 33). Die Verpflichtung zu Ex-ante-Transparenz werde somit nicht auf die von der Mitteilung erfassten Aufträge übertragen. 39      Jedenfalls seien die öffentlichen Aufträge unterhalb der Schwellenwerte in der Regel als wirtschaftlich geringwertig anzusehen und tangierten nicht die Grundfreiheiten, weil die Auswirkungen auf diese eher zufällig und mittelbar seien (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 20). Diese Auffassung werde auch von Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Finnland (Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 2007, C‑195/04, Slg. 2007, I‑3351, I‑3353, Nrn. 83 und 85) geteilt. 40      Zudem gehe die Mitteilung über das für II‑B-Aufträge bestehende Recht hinaus, denn solche Aufträge hätten typischerweise einen besonderen lokalen Bezug und wiesen ein geringeres Potenzial für grenzüberschreitende Geschäfte auf; dies erkläre, warum der Gemeinschaftsgesetzgeber sie nur einer Verpflichtung zur Transparenz ex post unterwerfe und nicht ex ante, wie es die Mitteilung jetzt vorschreibe. 41      Außerdem könne die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung der Auftragsvergabe nur dann sinnvoll und effektiv sein, wenn sie auf eine Weise erfolge, die auch dem Ziel der Marktöffnung zuträglich sei. Das sei aber nicht der Fall, wenn es gar keine oder nur wenige ausländische Bieter gebe, die überhaupt ein potenzielles Interesse an den entsprechenden von der Mitteilung erfassten Aufträgen haben könnten. Der Gerichtshof habe hierzu im Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) ausgeführt, dass es Aufträge gebe, bei denen die Auswirkungen auf die einschlägigen Grundprinzipien des EG-Vertrags zu zufällig und mittelbar seien, um deren Verletzung annehmen zu können. Punkt 1.3 der Mitteilung offenbare, dass die Kommission sich bewusst sei, dass die geringe wirtschaftliche Bedeutung einiger Aufträge diese in den Augen ausländischer Unternehmen unattraktiv werden ließen; dies rechtfertige, dass es in solchen Fällen keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gebe. 42      Mit der Festlegung von Schwellenwerten in den Vergaberichtlinien habe der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass unterhalb dieser Schwellen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass eine Binnenmarktwirkung eher „zufällig oder mittelbar“ sei und somit ein Interesse ausländischer Bieter zu verneinen sein werde. Diese Wertung des Gesetzgebers sei von der Kommission zu respektieren. Diese Ansicht werde auch von Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt, Nrn. 85 und 96) geteilt. Zudem sei es den öffentlichen Auftraggebern bei vernünftiger Betrachtung nicht zuzumuten, wie in Punkt 1.3 der Mitteilung vorgesehen, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Binnenmarktrelevanz gegeben sei; die Auftraggeber müssten vielmehr die ihnen obliegenden Transparenzpflichten rasch feststellen können. In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, dass der in Punkt 1.3 der Mitteilung verfolgte konkret-individuelle Ansatz insbesondere gegen das Urteil des Gerichtshofs vom 15. Mai 2008, SECAP und Santorso (C‑147/06 und C‑148/06, Slg. 2008, I‑3565), verstoße, in dem der Gerichtshof eine abstrakt-generelle Bestimmung der Binnenmarktrelevanz eines öffentlichen Auftrags zugelassen habe. 43      Es sei den öffentlichen Auftraggebern auch nicht zuzumuten, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein II‑B-Auftrag oder ein Auftrag unterhalb der Schwellenwerte für den Binnenmarkt relevant sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit mache es nämlich erforderlich, dass die nationalen Behörden die anwendbaren Bekanntmachungspflichten rasch feststellen könnten. Genau diesem Grundsatz entsprächen die festgelegten Schwellenwerte und die Liste von II‑B-Aufträgen. 44      Die in der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gehe über das Verbot von Diskriminierungen im Vergabeverfahren (etwa Bevorzugungen deutscher Bieter gegenüber ausländischen Bietern) hinaus. Diese Verpflichtung führe zu einer Handlungspflicht der öffentlichen Auftraggeber zwecks Ermöglichung und Förderung grenzüberschreitender Angebote. 45      Die nach der Mitteilung erforderliche Bekanntmachung nähere sich den in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Anforderungen an und erweise sich als zeitintensiv und teuer. Nach den Schlussanträgen von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) sei es Sache der Mitgliedstaaten, den Transparenzgrundsatz auszugestalten. Nr. 98 dieser Schlussanträge sei auch zu entnehmen, dass die Festlegung des angemessenen Grades an Öffentlichkeit für geringwertige Aufträge Sache des nationalen Rechts sei. 46      In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hierzu erläutert, sie beanstande insbesondere, dass die Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums nach dem ersten Absatz von Punkt 2.1.2 der Mitteilung Sache des jeweiligen Auftraggebers sei. Indem die Kommission auf den jeweiligen Auftraggeber abstelle, verfolge sie einen konkret-individuellen Ansatz, der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht ableiten lasse. Die Bundesrepublik Deutschland hat insoweit ergänzend ausgeführt, dass sie den Katalog mit Hinweisen auf Wege der angemessenen Bekanntmachung in Punkt 2.1.2 der Mitteilung nicht in Frage stelle. 47      Somit ist die Bundesrepublik Deutschland der Ansicht, dass es bei den von der Mitteilung erfassten Aufträgen gerade keine aus dem Gemeinschaftsrecht folgende Verpflichtung zu umfassender Transparenz gebe. Die sich aus der Mitteilung ergebende Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gehe deshalb deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse. Streithelfer 48      Nach Ansicht der Französischen Republik ist zu prüfen, ob die Mitteilung lediglich die Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags, die sich auf die Vergabe öffentlicher Aufträge bezögen, erläutere oder in Bezug auf diese Vorschriften und Grundsätze neue Verpflichtungen begründe. Nach ihrer Meinung fügt die Mitteilung dem bestehenden Recht etwas hinzu. 49      Insbesondere habe der Gerichtshof im Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) keine allgemeine Verpflichtung zur Sicherstellung einer angemessenen Bekanntmachung in Bezug auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte aufgestellt; vielmehr betreffe dieser Beschluss die Anwendung des Diskriminierungsverbots und nicht die Transparenzpflicht. In Randnr. 20 des Beschlusses Vestergaard habe der Gerichtshof ausgeführt, dass bestimmte Verträge zwar vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge ausgenommen seien, die Auftraggeber, die sie schlössen, aber gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags zu beachten hätten, und er habe daraus abgeleitet, dass Art. 28 EG es einem öffentlichen Auftraggeber untersage, in die Verdingungsunterlagen zu einem Auftrag eine Klausel aufzunehmen, die für die Durchführung des Auftrags die Verwendung von Material einer bestimmten Marke ohne den Zusatz „oder gleichwertiger Art“ vorschreibe (Beschluss Vestergaard, Randnr. 24). 50      Eine solche allgemeine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung in Bezug auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte ergebe sich auch nicht aus dem Urteil Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt). In Randnr. 32 dieses Urteils habe der Gerichtshof nämlich festgestellt, dass manche Verträge zwar vom Anwendungsbereich der Gemeinschaftsrichtlinien auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens ausgenommen seien, die Auftraggeber, die sie schlössen, aber gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten müssten. Für den Gerichtshof folge daraus aber nur, dass die streitige französische Bestimmung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG darstelle, weil sie im Ergebnis die Aufgabe der Baubetreuung den in einer abschließenden Liste aufgeführten juristischen Personen französischen Rechts vorbehalten habe (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 68). 51      Ferner habe der Gerichtshof im Urteil Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) auf eine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung verwiesen, weil es sich um eine wirtschaftlich hochwertige Konzession gehandelt habe. Dieses Ergebnis werde im Wege des Umkehrschlusses durch das Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) bestätigt, das Aufträge mit ganz geringer wirtschaftlicher Bedeutung betroffen habe. 52      Sollte der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verpflichtung zu angemessener Bekanntmachung zu entnehmen sein, könne diese jedenfalls nicht in einer Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung bestehen, wie sie Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorsehe. 53      Zudem ergebe sich aus den Schlussanträgen von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt, Slg. 2000, I‑10747), dass die Transparenzpflicht keine Verpflichtung zur Bekanntmachung impliziere, wie sie Punkt 2.1.2 der Mitteilung vorsehe. 54      Zu den II‑B-Aufträgen vertritt die Französische Republik die Ansicht, dass die Gründe, aus denen der Rat sie keiner Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung unterworfen habe, in den Erwägungsgründen 18 und 19 der Richtlinie 2004/18 erläutert würden. Daraus ergebe sich, dass die II‑B-Aufträge nicht der vollen Anwendung der Richtlinie, d. h. insbesondere keiner Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung, unterlägen, sondern Gegenstand einer Beobachtung sein sollten, wobei das hierfür vorgesehene Instrument den Betroffenen die einschlägigen Informationen zugänglich machen solle. 55      In der Richtlinie 2004/18 habe der Rat die II‑B-Aufträge hinsichtlich der Bekanntmachung eindeutig einer speziellen und vollständigen Regelung unterwerfen wollen, die ein erleichtertes Vergabeverfahren sei. 56      Die Republik Österreich ist ebenfalls der Ansicht, dass die Mitteilung eine Handlung sei, die Rechtswirkungen erzeuge, da eine generelle Verpflichtung zur Ex-ante-Bekanntmachung eingeführt worden sei, die sich weder aus dem EG-Vertrag noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe. 57      Die Republik Österreich ergänzt insoweit zum Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, auch die Schlussanträge der Generalanwältinnen Stix-Hackl und Sharpston in den Rechtssachen Kommission/Irland (Urteil des Gerichtshofs vom 13. November 2007, C‑507/03, Slg. 2007, I‑9777, I‑9780) und Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) zeigten, dass die Rechtslage hinsichtlich der Transparenzpflicht bei Auftragsvergaben, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fielen, unklar bzw. strittig sei. Während Generalanwältin Stix-Hackl zu dem Ergebnis komme, dass bei der Vergabe von Aufträgen für nicht prioritäre Dienstleistungen zumindest in der Regel eine Bekanntmachung erforderlich sei, verneine Generalanwältin Sharpston eine generelle Verpflichtung zur Ex-ante-Transparenz bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung habe noch keine Entscheidung des Gerichtshofs in diesen beiden Rechtssachen vorgelegen. Wenn die Kommission in ihrer Mitteilung somit bei allen derartigen Auftragsvergaben (also für nicht prioritäre Dienstleistungen und für geringwertige Aufträge gleichermaßen) eine vorherige Veröffentlichungspflicht annehme, schaffe sie neue Rechtswirkungen. 58      Die den öffentlichen Auftraggebern in den Punkten 1.3 und 2.1.2 der Mitteilung auferlegten Verpflichtungen seien – so die Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung – mit dem Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) nicht zu vereinbaren, weil in der Mitteilung nicht – wie in Randnr. 32 dieses Urteils vorgesehen – die Möglichkeiten des Auftraggebers berücksichtigt würden. 59      Ein angemessener Grad von Öffentlichkeit, der im Sinne des Urteils Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffne und die Nachprüfung ermögliche, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden seien, setze keineswegs zwingend eine vorherige Bekanntmachung voraus. Denn wie sich aus der derzeit stattfindenden Überarbeitung der Richtlinien über Rechtsmittel in Vergabeverfahren ergebe (vgl. dazu das Dokument 2006/0066/COD sowie die darin vorgeschlagenen neuen Art. 2e bis 2g der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge [ABl. L 395, S. 33]), könne auch nachträglicher Rechtsschutz – ohne vorherige Bekanntmachung der Auftragsvergabe – eine effektive Überprüfung der unparteiischen Durchführung eines Vergabeverfahrens ermöglichen. 60      Auch wenn die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im öffentlichen Auftragswesen und im Beihilfenrecht nicht völlig deckungsgleich seien, sei ferner auf die De-minimis-Regel im Beihilfenrecht hinzuweisen, nach der Beihilfen unterhalb bestimmter Schwellenwerte den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten oder zu verfälschen drohten. Bei einer vergleichenden Betrachtung beider Sachverhalte erscheine es nicht unplausibel, davon auszugehen, dass eine Binnenmarktrelevanz, die zur Öffnung des Wettbewerbs eine Ex-ante-Bekanntmachung zwingend gebieten würde, bei Auftragsvergaben unterhalb der Schwellenwerte nicht gegeben sei. Denn die Beihilfen kämen unmittelbar den Unternehmen zugute, während die vergaberechtlichen Schwellenwerte an den Auftragswert anknüpften, wobei der (insoweit mit einer Beihilfe vergleichbare) Gewinn des Unternehmens nur einen geringen Bruchteil des Auftragswerts ausmache. 61      Schließlich lasse sich dem neunzehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 implizit entnehmen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber es für Aufträge über nicht prioritäre Dienstleistungen (II‑B-Aufträge) nicht als erforderlich angesehen habe, alle Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels auszunutzen. Der Grund für diese Unterscheidung könne aber wohl nur darin liegen, dass den von der vollen Anwendung der Richtlinie ausgenommenen Auftragsvergaben keine hinreichende Binnenmarktrelevanz beigemessen werde, um eine volle Ausnutzung der Möglichkeiten für eine Zunahme des grenzüberschreitenden Handels – wozu eine generelle Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung von Auftragsvergaben zu zählen sei – zu rechtfertigen. 62      Das Königreich der Niederlande macht geltend, die Kommission gehe bei ihrer Auslegung des Gemeinschaftsrechts über die Rechtsprechung hinaus, indem sie eine umfassende Regelung schaffe, die den Mitgliedstaaten eine Verpflichtung zur Ex-ante-Transparenz für alle von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge auferlege, wohingegen der Gerichtshof bisher nicht über diese Frage entschieden habe. 63      Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit müsse die Frage, ob mit der Mitteilung neue Verpflichtungen geschaffen würden, auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Erlasses der Mitteilung bekannten Rechtsprechung entschieden werden. Der später ergangenen Rechtsprechung sei aber zu entnehmen, dass die Mitteilung deren Entwicklung offensichtlich vorgreife. Kommission 64      In Bezug auf den konkreten Inhalt der Mitteilung und die von der Bundesrepublik Deutschland angeführten rechtsetzenden Elemente, bei denen es sich im Wesentlichen um die Umgehung der Schwellenwerte der Vergaberichtlinien und die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung handelt, bestreitet die Kommission, dass diese Elemente der Mitteilung neue Rechtsregeln aufstellten. Sie beschränkten sich im Einklang mit Art. 211 EG auf eine nähere Erläuterung der Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags nach ihrer Auslegung in der Rechtsprechung des Gerichtshofs. 65      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer entgegen, dass die Mitteilung die Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufe, Vorschriften über die Bekanntmachung nur für öffentliche Aufträge vorzusehen, die bestimmte Schwellenwerte erreichten. Sie trägt hierzu vor, der Gesetzgeber habe nur oberhalb der Schwellenwerte der Richtlinien detaillierte Regelungen für erforderlich gehalten, unterhalb dieser Schwellenwerte dagegen die Anwendung der Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags für ausreichend gehalten. Jedoch habe er die Anwendung dieser Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags für öffentliche Aufträge unterhalb des Schwellenwerts durch die Richtlinien weder ausschließen wollen noch ausschließen können. 66      Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere aus den Urteilen Telaustria (oben in Randnr. 36 angeführt) und Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt). Der Gerichtshof habe im Urteil Telaustria ausgeführt, dass die öffentlichen Auftraggeber bei Verträgen, die von den Vergaberichtlinien ausgenommen seien, gleichwohl die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten hätten (Urteil Telaustria, Randnr. 60). Diese Erwägungen würden durch Randnr. 33 des Urteils Kommission/Frankreich untermauert. Ebenso habe der Gerichtshof im Urteil Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) bestätigt, dass für Verträge außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie, etwa für Konzessionsverträge, weiterhin die allgemeinen Regeln des EG-Vertrags gälten. Der europäische Gesetzgeber habe diese Rechtsprechung beim Erlass der Vergaberichtlinien im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 berücksichtigt. 67      Der Gerichtshof habe auch den Inhalt der Transparenzpflicht konkretisiert und festgestellt, dass in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über den jeweiligen Auftrag haben müssten, so dass sie gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt dieses Auftrags bekunden könnten (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21). b)     Würdigung durch das Gericht 68      Die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer tragen vor, in Punkt 2.1.1 der Mitteilung werde eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten eingeführt, beabsichtigte Auftragsvergaben grundsätzlich vorher bekannt zu geben; dies stelle gegenüber den Grundsätzen des EG-Vertrags eine neue Verpflichtung dar. 69      Hinsichtlich der auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen mit Binnenmarktrelevanz anwendbaren Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags (Punkt 1.1 der Mitteilung) sieht die Mitteilung in Punkt 2.1 die für die Bekanntmachung geltenden Grundanforderungen vor. Hierzu bestimmt Punkt 2.1.1 unter der Überschrift „Verpflichtung zur Sicherstellung einer angemessenen Bekanntmachung“: „Gemäß dem [Gerichtshof] schließen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung eine Verpflichtung zur Transparenz ein, wonach der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Markt dem Wettbewerb öffnet. Die Verpflichtung zur Transparenz bedeutet, dass in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen vor der Vergabe Zugang zu angemessenen Informationen über den jeweiligen Auftrag haben müssen, so dass sie gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt dieses Auftrags bekunden können. Das Kontaktieren einer bestimmten Anzahl potenzieller Bieter ist nach Auffassung der Kommission nicht ausreichend, selbst wenn der Auftraggeber auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbezieht oder versucht, alle potenziellen Anbieter zu erreichen. Bei einem solch selektiven Ansatz ist nämlich nicht auszuschließen, dass potenzielle Bieter aus anderen Mitgliedstaaten – insbesondere neue Marktteilnehmer – diskriminiert werden. Das Gleiche gilt für alle Formen ‚passiver‘ Information, bei denen der Auftraggeber Aufträge nicht aktiv bekannt macht, sondern nur auf Informationsgesuche von Bewerbern reagiert, die durch eigene Initiative von der beabsichtigten Auftragsvergabe erfahren haben. Auch ein einfacher Verweis auf als Informationsquellen zu nutzende Medienberichte, parlamentarische oder politische Debatten oder bestimmte Ereignisse wie beispielsweise Kongresse stellt keine angemessene Bekanntmachung dar. Daher lassen sich die vom [Gerichtshof] festgelegten Erfordernisse nur erfüllen, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird. Diese Bekanntmachung sollte von dem öffentlichen Auftraggeber mit dem Ziel veröffentlicht werden, den Auftrag auf der Grundlage echten Wettbewerbs zu vergeben.“ 70      Die ersten beiden Absätze von Punkt 2.1.1 der Mitteilung geben die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Urteilen Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) wieder und werden weder von der Bundesrepublik Deutschland noch von einem der Streithelfer beanstandet. Im Übrigen wurde der dritte Absatz von Punkt 2.1.1 der Mitteilung im schriftlichen Verfahren nicht beanstandet. Der letzte Absatz von Punkt 2.1.1 der Mitteilung enthält das Ergebnis, dass die Verpflichtung, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, erfüllt sei, wenn vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht werde. 71      Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, trägt im Wesentlichen vor, dass dieser Punkt der Mitteilung für die in ihren Anwendungsbereich fallenden öffentlichen Aufträge eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung begründe, die sich den Grundsätzen und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die in diesem Punkt angeführt seien, nicht entnehmen lasse. Damit werde eine neue Verpflichtung geschaffen, die der fraglichen Mitteilung den Charakter einer Handlung mit verbindlichen Rechtswirkungen verleihe und mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden könne. 72      Daher ist zu prüfen, ob die Mitteilung lediglich diese sich für die Mitgliedstaaten aus den tragenden Grundsätzen des EG-Vertrags ergebende Verpflichtung erläutert oder ob sie, wie die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer geltend machen, neue Verpflichtungen begründet. 73      Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die in den Gemeinschaftsrichtlinien zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen besonderen, strengen Verfahren nur für Verträge gelten, deren Auftragswert den in der jeweiligen Richtlinie ausdrücklich festgelegten Schwellenwert überschreitet (Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 19, und Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 33). Die Vorschriften dieser Richtlinien gelten daher nicht für Aufträge, deren Wert den dort festgelegten Schwellenwert nicht erreicht. 74      Das heißt jedoch nicht, dass solche Aufträge vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgenommen sind (Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 19). Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vergabe von Aufträgen, die aufgrund des Auftragswerts nicht den in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Verfahren unterliegen, sind die Auftraggeber nämlich gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des EG-Vertrags im Allgemeinen (Beschluss Vestergaard, Randnr. 20, und Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 32) und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1999, Unitron Scandinavia und 3 S, C‑275/98, Slg. 1999, I‑8291, Randnr. 29, oben in Randnr. 36 angeführte Urteile Telaustria, Randnr. 62, Coname, Randnr. 16, und Parking Brixen, Randnr. 46, sowie Urteil vom 6. April 2006, ANAV, C‑410/04, Slg. 2006, I‑3303, Randnr. 18). 75      Bestätigt wird dies im Übrigen durch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17, wonach für „Aufträge, deren Wert unter dem Schwellenwert für die Anwendung der Bestimmungen über die Gemeinschaftskoordinierung liegt, … auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs verwiesen [sei], der zufolge die genannten Vorschriften und Grundsätze der Verträge [der Grundsatz der Gleichbehandlung, von dem das Diskriminierungsverbot nur eine besondere Ausprägung ist, der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Transparenzpflicht] Anwendung finden“, sowie durch die Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2004/18, in denen von der Anwendung dieser Grundsätze auf die Vergabe aller in den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge, unterhalb oder oberhalb der Schwellenwerte, gesprochen wird. 76      Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit schließen, wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, insbesondere eine Transparenzpflicht ein, damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob diese Grundsätze beachtet worden sind (Urteile des Gerichtshofs Unitron Scandinavia und 3‑S, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 31, Telaustria, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 61, vom 18. Juni 2002, HI, C‑92/00, Slg. 2002, I‑5553, Randnr. 45, Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 49, und ANAV, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 21), wobei diese Verpflichtung durch den neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/17 und den zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 bestätigt wird. Demnach haben die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen diese Transparenzpflicht in deren Auslegung durch den Gerichtshof bei der Vergabe sämtlicher öffentlicher Aufträge zu beachten. 77      Weiter hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Auftraggeber kraft dieser Transparenzpflicht zugunsten aller potenziellen Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden (Urteile Telaustria, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 62, Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 49, und ANAV, oben in Randnr. 74 angeführt, Randnr. 21). 78      Die den öffentlichen Auftraggebern obliegende Transparenzpflicht umfasst nach Auffassung des Gerichtshofs insbesondere Erfordernisse, die geeignet sind, einem Unternehmen, das in einem anderen als dem in Rede stehenden Mitgliedstaat niedergelassen ist, vor der Vergabe des öffentlichen Auftrags Zugang zu angemessenen Informationen über ihn zu ermöglichen, so dass dieses Unternehmen gegebenenfalls sein Interesse am Erhalt des Auftrags hätte bekunden können (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21). 79      Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, dass die Transparenzpflicht im Sinne einer angemessenen Bekanntmachung eine Form der Bekanntmachung vor der Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags, mit anderen Worten eine vorherige Bekanntmachung, umfasst. Folglich hat die Mitteilung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer mit der Forderung, dass „vor der Auftragsvergabe eine hinreichend zugängliche Bekanntmachung veröffentlicht wird“, keine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten geschaffen, sondern lediglich an eine bestehende Verpflichtung erinnert, wie sie sich nach der Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, das für die von der fraglichen Mitteilung erfassten Aufträge gilt. 80      Dies wird im Übrigen, wie die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, durch die nach Veröffentlichung der Mitteilung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt. Nach dieser Rechtsprechung gelten nämlich zum einen die im Primärrecht gründenden Gebote der Gleichbehandlung und der Transparenz ipso iure für Aufträge, an denen, auch wenn sie vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien ausgenommen sind, ein bestimmtes grenzüberschreitendes Interesse besteht (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge [ABl. L 199, S. 1] und einen Auftrag mit einem Wert unterhalb des Schwellenwerts dieser Richtlinie Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis, C‑6/05, Slg. 2007, I‑4557, Randnr. 33, in Bezug auf die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge [ABl. L 209, S. 1] und einen II‑B-Auftrag Urteil Kommission/Irland, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 30, 31 und 32, und in Bezug auf die Richtlinien 92/50, 93/36, 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge [ABl. L 199, S. 54] und 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor [ABl. L 199, S. 84] Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 2008, Kommission/Italien, C‑412/04, Slg. 2008, I‑619, Randnrn. 66, 81 und 82). Zum anderen kann eine nachträgliche Bekanntgabe nach Auffassung des Gerichtshofs eine angemessene Bekanntmachung im Sinne der Urteile Telaustria und Coname (oben in Randnr. 36 angeführt) nicht gewährleisten, so dass der öffentliche Auftrag aufgrund der sich aus den Grundsätzen des EG-Vertrags ergebenden Transparenzpflicht vor der Vergabe bekannt gemacht werden muss (Urteil Kommission/Irland, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 30 und 32). 81      Die Feststellung, dass die in Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zu vorheriger Bekanntmachung nicht über das hinausgeht, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lässt, wird durch die verschiedenen Argumente der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer nicht in Frage gestellt. 82      Die Bundesrepublik Deutschland macht erstens geltend, dass die Urteile Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) öffentliche Aufträge über Dienstleistungskonzessionen beträfen, die zwar nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fielen, ihrem Wert nach aber mit den in den Anwendungsbereich dieser Richtlinien fallenden öffentlichen Aufträgen vergleichbar seien und dass daher die sich aus diesen Urteilen ergebende Rechtsprechung auf die von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge nicht anwendbar sei. 83      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Urteilen, auf die sich die Bundesrepublik Deutschland stützt, um ihr Vorbringen zu untermauern, zu Konzessionsverträgen bereits entschieden hat, dass die Vergabe einer solchen Konzession zwar nicht durch eine der Vergaberichtlinien geregelt wird, für solche Verträge aber weiterhin die allgemeinen Regeln des EG-Vertrags gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 16, bestätigt durch das Urteil Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 33). Ferner ergibt sich nach dieser Rechtsprechung die Transparenzpflicht unmittelbar aus den allgemeinen Regeln des EG-Vertrags, insbesondere aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskriminierungsverbot (oben in Randnr. 36 angeführte Urteile Telaustria, Randnr. 61, und Parking Brixen, Randnr. 49), wobei diese Transparenzpflicht ihrerseits eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, Randnr. 21). Hingegen wird der Umstand, dass die Aufträge, um die es in diesen Urteilen ging, in ihrem Umfang mit den öffentlichen Aufträgen vergleichbar sind, für die die Vergaberichtlinien gelten, in diesen Urteilen nicht erwähnt, um die Verpflichtung zur angemessenen und insbesondere vorherigen Bekanntmachung zu begründen. Folglich lässt sich diese Rechtsprechung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auf die von der Mitteilung betroffenen öffentlichen Aufträge übertragen, für die auch, wie bereits ausgeführt, der Grundsatz der Gleichbehandlung und die sich aus ihm ergebende Transparenzpflicht gelten. 84      Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dies im Übrigen durch die nach Veröffentlichung der Mitteilung ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt wird. In Randnr. 33 des Urteils Medipac-Kazantzidis (oben in Randnr. 80 angeführt) hat der Gerichtshof in Bezug auf einen öffentlichen Bauauftrag auf eine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach öffentliche Auftraggeber bei der Auftragsvergabe, auch wenn der Wert eines ausgeschriebenen Auftrags den Schwellenwert für die Anwendung der Vergaberichtlinien, mit denen der Gemeinschaftsgesetzgeber den Bereich des öffentlichen Auftragswesens geregelt hat, nicht erreicht und der betreffende Auftrag folglich nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinien fällt, doch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts wie den Grundsatz der Gleichbehandlung und die daraus folgende Transparenzpflicht zu beachten haben, und er hat in derselben Randnummer die Urteile Telaustria, Coname und Parking Brixen (oben in Randnr. 36 angeführt) als ständige Rechtsprechung angeführt. Damit hat der Gerichtshof die Lösungen, die er hinsichtlich der Modalitäten für den Abschluss von Verträgen über öffentliche Dienstleistungskonzessionen entwickelt hat, auf die Vorschriften für die Vergabe von Aufträgen ausgedehnt, deren finanzielles Volumen unterhalb der Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinien bleibt (Urteil Medipac‑Kazantzidis, Randnr. 33). 85      Zweitens genügt zu dem oben in Randnr. 38 zusammengefassten Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach der Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) und das Urteil Kommission/Frankreich (oben in Randnr. 38 angeführt) nur das Diskriminierungsverbot beträfen und daher keine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung rechtfertigen könnten, der Hinweis, dass die Verpflichtung zur Transparenz, insbesondere im Wege einer angemessenen Bekanntmachung, nach der oben in Randnr. 76 angeführten Rechtsprechung gerade dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit entstammt. Da diesen Entscheidungen zu entnehmen ist, dass die Grundregeln des EG-Vertrags auf alle öffentlichen Aufträge Anwendung finden, auch wenn diese nicht von den Vergaberichtlinien erfasst werden (Beschluss Vestergaard, Randnr. 19, und Urteil Kommission/Frankreich, Randnrn. 32 und 33), hat die Kommission diesen Beschluss und dieses Urteil in der Mitteilung zu Recht angeführt. 86      Drittens kann auch das Vorbringen keinen Erfolg haben, mit der Festlegung von Schwellenwerten in den Vergaberichtlinien habe der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich vorgesehen, dass unterhalb dieser Schwellen grundsätzlich davon auszugehen sei, dass eine Binnenmarktwirkung eher „zufällig oder mittelbar“ sei und somit ein Interesse ausländischer Bieter zu verneinen sein werde. 87      Hierzu ist festzustellen, dass nicht allein deshalb, weil ein öffentlicher Auftrag die Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien unterschreitet, davon ausgegangen werden kann, dass seine Auswirkungen auf den Binnenmarkt nahezu unbedeutend wären. Dieser Auffassung steht die oben in den Randnrn. 73 und 74 angeführte Rechtsprechung entgegen, wonach solche Aufträge nicht vom Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen sind. Könnte jede Auswirkung dieser Aufträge auf den Binnenmarkt von vornherein ausgeschlossen werden, fände das Gemeinschaftsrecht keine Anwendung. 88      Zwar ist es, wie der Gerichtshof anerkennt, durchaus vorstellbar, dass wegen besonderer Umstände, etwa einer sehr geringen wirtschaftlichen Bedeutung, vernünftigerweise angenommen werden könnte, dass ein Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen, dem die einen bestimmten öffentlichen Auftrag ausschreibende Stelle angehört, kein Interesse an dem in Rede stehenden Auftrag hätte und dass die Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten daher zu zufällig und zu mittelbar wären, als dass auf ihre Verletzung geschlossen werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Schlussfolgerung, dass keine Verletzung der Grundfreiheiten vorliegt, kann sich jedoch nur aus einer Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls ergeben, und sie kann nicht allein darauf gestützt werden, dass der Wert des fraglichen Auftrags eine bestimmte Schwelle nicht überschreitet. 89      So sieht Punkt 1.3 der Mitteilung Folgendes vor: „Die Entscheidung, inwieweit ein Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, obliegt den einzelnen Auftraggebern. Nach Auffassung der Kommission muss dieser Entscheidung eine Prüfung der Umstände des jeweiligen Falls vorausgehen, wobei Sachverhalte wie der Auftragsgegenstand, der geschätzte Auftragswert, die Besonderheiten des betreffenden Sektors (Größe und Struktur des Marktes, wirtschaftliche Gepflogenheiten usw.) sowie die geografische Lage des Orts der Leistungserbringung zu berücksichtigen sind. Kommt der Auftraggeber zu dem Schluss, dass der fragliche Auftrag für den Binnenmarkt relevant ist, muss die Vergabe unter Einhaltung der aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleiteten Grundanforderungen erfolgen.“ 90      Viertens trägt die Bundesrepublik Deutschland jedoch vor, die Mitteilung begründe dadurch, dass sie von den öffentlichen Auftraggebern verlange, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Binnenmarktrelevanz gegeben sei, um insbesondere festzustellen, ob die in Punkt 2.1.1 der Mitteilung vorgesehene Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung gelte, eine neue Verpflichtung und erzeuge somit verbindliche Rechtswirkungen. 91      In Bezug auf einen nicht vom Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien erfassten öffentlichen Auftrag hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aber bereits eine Verpflichtung des Auftraggebers in Betracht gezogen, unter der Kontrolle der zuständigen Gerichte zu beurteilen, ob die Modalitäten der Ausschreibung den Besonderheiten des betreffenden Auftrags angemessen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 49 und 50). Es lässt sich also nicht geltend machen, dass Punkt 1.3 der Mitteilung in Verbindung mit deren Punkt 2.1.1 eine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten begründe. 92      Die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich haben hierzu in der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen, dass eine spezifische Beurteilung, wie sie Punkt 1.3 der Mitteilung vorsehe, im Widerspruch zum Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt, Randnrn. 30 bis 32) stehe, in dem eine abstrakt-generelle Feststellung der Binnenmarktrelevanz eines öffentlichen Auftrags angestrebt werde. 93      Hierzu ist festzustellen, dass Randnr. 30 des Urteils SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) die oben in Randnr. 91 gezogene Schlussfolgerung bestätigt, dass es grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, vor der Festlegung der Bedingungen der Bekanntmachung ein etwaiges grenzüberschreitendes Interesse an einem Auftrag zu prüfen, dessen geschätzter Wert unter dem in den Gemeinschaftsvorschriften vorgesehenen Schwellenwert liegt, wobei diese Prüfung der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. 94      Überdies besteht kein Widerspruch zwischen der Mitteilung, insbesondere ihrem Punkt 1.3, und dem Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt). Die Mitteilung schließt nämlich nicht aus, dass durch eine Regelung auf nationaler oder lokaler Ebene objektive Kriterien aufgestellt werden können, die für ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse sprechen, was nach Randnr. 31 des Urteils SECAP und Santorso möglich ist. Die öffentlichen Auftraggeber, die eine solche nationale Regelung anwenden, sind gleichwohl verpflichtet, die Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu beachten (Urteil SECAP und Santorso, Randnr. 29). 95      Auch Randnr. 32 des Urteils SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) steht nicht im Widerspruch zu den Punkten 1.3 und 2.1.2 der Mitteilung. Diese Randnummer betrifft nämlich den automatischen Ausschluss bestimmter Angebote wegen ihres ungewöhnlich niedrigen Preises, selbst wenn ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht, und gilt somit für ein anderes Stadium der Vergabe eines öffentlichen Auftrags als das in Punkt 1.3 der Mitteilung behandelte Stadium der Entscheidung darüber, inwieweit ein öffentlicher Auftrag möglicherweise für Wirtschaftsteilnehmer eines anderen Mitgliedstaats von Interesse sein könnte, oder das in Punkt 2.1.2 der Mitteilung behandelte Stadium der Wahl des für die Bekanntmachung am besten geeigneten Mediums. Jedenfalls schließen diese Punkte der Mitteilung eine Berücksichtigung der administrativen Möglichkeiten der ausschreibenden Stelle nicht aus und können daher keine neue Verpflichtung der Mitgliedstaaten oder ihrer ausschreibenden Stellen begründen. 96      Fünftens ist entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland (siehe oben, Randnr. 46) Punkt 2.1.2 der Mitteilung, wonach „[d]ie Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums … Sache des jeweiligen Auftraggebers [ist]“, nicht unvereinbar damit, dass in einer nationalen Regelung allgemeine Kriterien für diese Wahl festgelegt werden, wobei die Anwendung solcher Kriterien die Einhaltung der Grundregeln des EG-Vertrags, zu denen insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gehört, nicht in Frage stellen darf. Wie bereits oben in Randnr. 91 ausgeführt, ist es nämlich Sache der konzessionserteilenden öffentlichen Stelle, unter der Kontrolle der zuständigen Gerichte zu beurteilen, ob die Modalitäten der Ausschreibung den Besonderheiten des betreffenden öffentlichen Auftrags angemessen sind. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs überlässt die Mitteilung also den öffentlichen Auftraggebern die Entscheidung über Umfang und Wege einer angemessenen Bekanntmachung (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 49 und 50). Somit heißt es in Punkt 2.1.2 der Mitteilung zu Recht, dass „[d]ie Wahl des für die Vergabebekanntmachung am besten geeigneten Mediums … Sache des jeweiligen Auftraggebers [ist]“. Daher begründet sie für die öffentlichen Auftraggeber keine neue rechtliche Verpflichtung. 97      Zum Vorbringen der Republik Österreich, das auf einen Vergleich der Schwellenwerte für die Anwendung der Vergaberichtlinien mit der für staatliche Beihilfen geltenden De-minimis-Regel gestützt ist, genügt im Übrigen der Hinweis, dass diesen Richtlinien nicht zu entnehmen ist, dass die fraglichen Schwellenwerte auf Erwägungen beruhen, die denen entsprechen, die die De‑minimis-Regel im Bereich staatlicher Beihilfen rechtfertigen. 98      Sechstens ist festzustellen, dass das Vorbringen der Französischen Republik, wonach die Mitteilung in Punkt 2.1.2 eine Bekanntmachungspflicht einführe, nach der die betreffenden Aufträge in schriftlicher Form bekannt gemacht werden müssten, auf einer irrigen Annahme beruht. In der Mitteilung ist nämlich an keiner Stelle von einer Bekanntmachungspflicht die Rede, nach der die von der Mitteilung erfassten Aufträge in schriftlicher Form bekannt gemacht werden müssten. Zum einen wird in Punkt 2.1.3 Abs. 1 der Mitteilung auf die Rechtsprechung hingewiesen, wonach das Transparenzerfordernis nicht notwendigerweise eine Verpflichtung zu einer förmlichen Ausschreibung umfasst (Urteil Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 21). Zum anderen heißt es in Punkt 2.1.2 Abs. 3: „Angemessene und gängige Veröffentlichungsmedien sind u. a.: –        das Internet …“ Wie die Bundesrepublik Deutschland und die Streithelfer im Übrigen einräumen, handelt es sich dabei um eine Aufzählung mit Beispielcharakter, die andere Wege der angemessenen Bekanntmachung keineswegs ausschließt. 99      Siebtens betrifft das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik, wonach der Ausschluss der Praxis, eine bestimmte Zahl potenzieller Bieter zu kontaktieren, selbst wenn die ausschreibende Stelle auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten einbeziehe oder versuche, alle potenziellen Anbieter zu erreichen, durch die mit der Mitteilung eingeführte Transparenzpflicht (Punkt 2.1.1 Abs. 3 der Mitteilung) ein Element sei, mit dem gegenüber den Grundsätzen des EG-Vertrags spezielle Verpflichtungen begründet würden, einen Teil der Mitteilung, der weder in der Klageschrift noch im Streithilfeschriftsatz in Frage gestellt worden ist. Hierzu ist festzustellen, dass Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung es zwar unter bestimmten Umständen zulässt, dass im Lauf des Verfahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht werden; er darf aber auf keinen Fall so ausgelegt werden, dass er dem Kläger gestattet, das Gericht mit neuen Anträgen zu befassen und damit den Streitgegenstand zu ändern (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Banatrading/Rat, T‑3/99, Slg. 2001, II‑2123, Randnr. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist das fragliche Vorbringen unzulässig, da es darauf abzielt, durch Einbeziehung eines in der Klageschrift nicht angesprochenen Teils der Mitteilung den Streitgegenstand zu erweitern. 100    Jedenfalls ist festzustellen, dass die Mitteilung diese Praxis nicht absolut und definitiv ausschließt. Wie die Punkte 2.2.2 und 2.1.3 der Mitteilung vorsehen, haben die ausschreibenden Stellen die Möglichkeit, die Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, auf ein angemessenes Maß zu beschränken. Dabei sind nach der Mitteilung jedoch das Diskriminierungsverbot und die Transparenzpflicht zu beachten (Punkt 2.2.2 der Mitteilung), damit ein angemessener Wettbewerb gewährleistet ist. Um die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus der Transparenzpflicht überdies, dass eine von den Auftraggebern ausgehende aktive Offenlegung erforderlich ist, da ihnen die angemessene Gestaltung der Modalitäten der vorherigen Ausschreibung obliegt (Urteil Parking Brixen, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 50). Daher begründet der von der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik beanstandete Inhalt von Punkt 2.1.1 Abs. 3 der Mitteilung keine speziellen Verpflichtungen. 2.     Zur zweiten Rüge: Konkretisierung der Bekanntmachungspflichten (Punkt 2.2 der Mitteilung) a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten Bundesrepublik Deutschland 101    Die Bundesrepublik Deutschland macht geltend, die sich aus Punkt 2.2 der Mitteilung ergebenden Verpflichtungen gingen deutlich über das hinaus, was sich der Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags durch den Gerichtshof entnehmen lasse. Die Kommission habe zunächst in Punkt 2.2 der Mitteilung festgelegt, dass die Grundprinzipien des EG-Vertrags bei der Auftragsvergabe in der Weise zu beachten seien, dass zwischen allen interessierten Bietern faire Wettbewerbsbedingungen gälten, und dann aus dieser allgemeinen Verpflichtung verschiedene konkrete Pflichten in Bezug auf die Bekanntmachung der Vergabeabsicht abgeleitet. 102    Insbesondere müssten die Mitgliedstaaten nach Punkt 2.2 der Mitteilung darauf achten, dass der Auftragsgegenstand für alle potenziellen Bieter gleich verständlich umschrieben werde und dass Wirtschaftsteilnehmern aus allen Mitgliedstaaten gleiche Zugangschancen eröffnet würden. Weiterhin müssten die Behörden, sofern schriftliche Nachweise von den Bietern angefordert würden, auch in anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Unterlagen akzeptieren. Die den Bietern gewährten Fristen müssten so bemessen sein, dass auch Bieter aus anderen Mitgliedstaaten sie einhalten könnten. Schließlich müsse das Verfahren für alle Teilnehmer transparent sein. Dieser Regelkatalog werde abgerundet durch Verfahrensvorschriften für Mitgliedstaaten, die bei der Vergabe eine Vorauswahl potenzieller Bieter treffen wollten (Punkt 2.2.2 der Mitteilung), sowie durch Anforderungen an die Vergabeentscheidung (Punkt 2.2.3 der Mitteilung). 103    Während sich die im ersten Gedankenstrich des Katalogs von Punkt 2.2.1 der Mitteilung aufgeführte Pflicht zur diskriminierungsfreien Beschreibung des Auftragsgegenstands möglicherweise noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 24) ergebe, enthielten die übrigen Pflichten in Punkt 2.2.1 der Mitteilung konkrete Handlungsanweisungen, die ihren Ursprung nicht im bestehenden Gemeinschaftsrecht hätten. Dies werde durch die Angabe der Kommission bestätigt, wonach die genannten Prinzipien in der Praxis geeignet seien, die Einhaltung der Grundprinzipien des EG-Vertrags abzusichern (Punkt 1.2 der Mitteilung). Es handele sich also nicht um eine Beschreibung der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern um neue Vergaberegeln. Die Bundesrepublik Deutschland beanstandet somit im Wesentlichen die verschiedenen in Punkt 2.2.1 der Mitteilung aufgeführten Erfordernisse, mit denen ihrer Ansicht nach neue Verpflichtungen eingeführt werden. Streithelfer 104    In Bezug auf die Konkretisierung der Bekanntmachungspflichten in Punkt 2.2 der Mitteilung trägt die Republik Österreich vor, dass einige der dort angesprochenen Aspekte, wie das Erfordernis ausreichend langer Fristen und die Zahl der nach der Vorauswahl verbleibenden Bewerber, bei Auftragsvergaben, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fielen, ebenfalls neue verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollten. Diese Pflichten ließen sich der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht entnehmen. 105    Das Europäische Parlament schließt sich dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zu Punkt 2.2 der Mitteilung an, hebt aber einige zusätzliche Aspekte hervor, die die Argumentation der Bundesrepublik Deutschland untermauerten. Seines Erachtens legt die Kommission in diesem Punkt detaillierte Standards zu Inhalt und Fristen der Ausschreibungen, zu einem eventuellen Vorauswahlverfahren sowie zum Rechtsschutz fest. 106    Die Republik Polen macht geltend, soweit die Kommission Modalitäten und Inhalt der Bekanntmachung festlege und sogar Regeln für die Verfahrensfristen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aufstelle, nenne sie zur Untermauerung ihres Standpunkts keine Urteile des Gerichtshofs. Nach Ansicht der Kommission diene die Mitteilung zur Auslegung der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Dies erkläre, weshalb die Angabe der Kommission, dass in der Mitteilung die Rechtsprechung zusammengefasst werde, durch ihren Inhalt nicht gestützt werde. Kommission 107    Die Kommission weist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer, das sich gegen die in Punkt 2.2.1 der Mitteilung vorgesehenen Kriterien richtet, zurück. Die Grundsätze des gleichen Zugangs für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten und der gegenseitigen Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen sowie das Erfordernis angemessener Fristen und einer transparenten und objektiven Vorgehensweise ergäben sich aus dem EG-Vertrag. Es handele sich dabei keineswegs um neue Vergaberegeln, sondern um die Übertragung der allgemeinen Regeln des Gemeinschaftsrechts auf den Bereich der öffentlichen Aufträge. b)     Würdigung durch das Gericht 108    Punkt 2.2 der Mitteilung betrifft die „Auftragsvergabe“. 109    Hierzu bestimmt Punkt 2.2.1 der Mitteilung: „Grundsätze In seinem Urteil in der Rechtssache Telaustria hat der Gerichtshof festgestellt, dass der Auftraggeber kraft der Verpflichtung zur Transparenz zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen muss, der den Markt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Die Verpflichtung zur Sicherstellung einer transparenten Bekanntmachung geht mithin automatisch mit der Pflicht zur Gewährleistung eines fairen und unparteiischen Verfahrens einher. Die Auftragsvergabe muss somit im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags erfolgen, damit für alle an dem Auftrag interessierten Wirtschaftsteilnehmer faire Wettbewerbsbedingungen gelten. Dies lässt sich in der Praxis am besten wie folgt erreichen: –        Diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands In der Beschreibung der verlangten Produkt‑ oder Dienstleistungsmerkmale darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren oder auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist und der Verweis nicht mit dem Zusatz ‚oder gleichwertig‘ versehen ist. Allgemeinere Beschreibungen der Leistung oder der Funktionen sind in jedem Fall vorzuziehen. –        Gleicher Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten Die Auftraggeber dürfen keine Bedingungen stellen, die potenzielle Bieter in anderen Mitgliedstaaten direkt oder indirekt benachteiligen, wie beispielsweise das Erfordernis, dass Unternehmen, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen möchten, im selben Mitgliedstaat oder in derselben Region wie der Auftraggeber niedergelassen sein müssen. –        Gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise Müssen Bewerber oder Bieter Bescheinigungen, Diplome oder andere schriftliche Nachweise vorlegen, die ein entsprechendes Gewährleistungsniveau aufweisen, so sind gemäß dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise auch Dokumente aus anderen Mitgliedstaaten zu akzeptieren. –        Angemessene Fristen Die Fristen für Interessensbekundungen und für die Angebotsabgabe müssen so lang sein, dass Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten eine fundierte Einschätzung vornehmen und ein Angebot erstellen können. –        Transparenter und objektiver Ansatz Alle Teilnehmer müssen in der Lage sein, sich im Voraus über die geltenden Verfahrensregeln zu informieren, und müssen die Gewissheit haben, dass diese Regeln für jeden gleichermaßen gelten.“ Vorbemerkungen 110    Zunächst ist festzustellen, dass das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland auf der Annahme beruht, dass es bei den von der Mitteilung erfassten Aufträgen keine sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende allgemeine Transparenzpflicht gebe. Wie oben ausgeführt (vgl. Randnrn. 68 bis 100), ist diese Annahme jedoch falsch. 111    Sodann weist das Gericht darauf hin, dass Punkt 2.2.1 der Mitteilung darauf abzielt, zum einen die in Punkt 2.1 der Mitteilung genannte Bekanntmachungspflicht und zum anderen die Auftragsvergabe im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des EG-Vertrags sicherzustellen. Zu diesem Zweck stützt sich die Mitteilung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach im Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in jedem Stadium und insbesondere bei der Auswahl der Bewerber im Rahmen eines nicht offenen Verfahrens sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht gewahrt sein müssen, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen (vgl. in diesem Sinne – in Bezug auf das Stadium des Vergleichs der Angebote – Urteile des Gerichtshofs vom 25. April 1996, Kommission/Belgien, C‑87/94, Slg. 1996, I‑2043, Randnr. 54, und vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a., C‑470/99, Slg. 2002, I‑11617, Randnr. 93). 112    Außerdem verbietet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gleichbehandlungsgrundsatz, von dem die Art. 43 EG und 49 EG eine besondere Ausprägung sind, nicht nur augenfällige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (Urteile des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, Boussac Saint-Frères, 22/80, Slg. 1980, 3427, Randnr. 7, und vom 5. Dezember 1989, Kommission/Italien, C‑3/88, Slg. 1989, 4035, Randnr. 8), damit die öffentlichen Aufträge in den verschiedenen Mitgliedstaaten für alle Unternehmen der Gemeinschaft zugänglich sind. Schließlich hat der Gerichtshof den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter aufgestellt (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Juni 1993, Kommission/Dänemark, C‑243/89, Slg. 1993, I‑3353, Randnr. 23, und Kommission/Belgien, oben in Randnr. 111 angeführt, Randnr. 51). Daher sind die verschiedenen in Punkt 2.2.1 der Mitteilung genannten Erfordernisse im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen. Zu Punkt 2.2.1 der Mitteilung –       Zu Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung 113    Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung sieht eine diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstands vor. Wie die Bundesrepublik Deutschland selbst einräumt, geht dieses Erfordernis bereits aus dem Beschluss Vestergaard (oben in Randnr. 38 angeführt) hervor. Für die Auftragsvergabe ergibt sich dieses Ziel nämlich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dessen besondere Ausprägung die Grundfreiheiten sind. So hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung festgestellt, dass die Rechtmäßigkeit einer Klausel in den Verdingungsunterlagen eines Auftrags, der nicht den Schwellenwert der Richtlinie 93/37 erreicht und somit nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, anhand der Grundregeln des EG-Vertrags zu beurteilen ist, zu denen der in Art. 28 EG genannte freie Warenverkehr gehört (Beschluss Vestergaard, Randnr. 21). 114    In Bezug auf die in Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung gegebene Erläuterung weist das Gericht darauf hin, dass nach der Rechtsprechung auf dem Gebiet der öffentlichen Lieferaufträge das Weglassen des Zusatzes „oder gleichwertiger Art“ nach der Benennung eines bestimmten Produkts in den Verdingungsunterlagen nicht nur die Wirtschaftsteilnehmer, die ihm entsprechende Produkte verwenden, davon abhalten kann, an der Ausschreibung teilzunehmen, sondern auch entgegen Art. 28 EG die Einfuhrströme im innergemeinschaftlichen Handel behindern kann, indem der Markt den Bietern vorbehalten bleibt, die beabsichtigen, das speziell genannte Produkt zu verwenden (Urteile des Gerichtshofs vom 22. September 1988, Kommission/Irland, 45/87, Slg. 1988, 4929, Randnr. 22, und vom 24. Januar 1995, Kommission/Niederlande, C‑359/93, Slg. 1995, I‑157, Randnr. 27, und Beschluss Vestergaard, oben in Randnr. 38 angeführt, Randnr. 24). 115    Daher entspricht der Inhalt von Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags. –       Zu Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung 116    Zu Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung, dem gleichen Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten, vertritt das Gericht die Auffassung, dass sich dieses Ziel, den Wirtschaftsteilnehmern unabhängig von ihrer Herkunft gleichen Zugang zu den ausgeschriebenen Aufträgen zu sichern, aus der Beachtung der Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs sowie des freien Wettbewerbs (vgl. hierzu Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., Urteil des Gerichtshofs vom 15. Januar 1998, C‑44/96, Slg. 1998, I‑73, I‑77, Nr. 47, aufgegriffen in den Schlussanträgen von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Kommission/Frankreich, Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 2001, C‑237/99, Slg. 2001, I‑939, I‑941, Nr. 49), und insbesondere des Gleichbehandlungsgrundsatzes (siehe oben, Randnr. 112) in seiner Ausprägung durch das in Art. 12 EG aufgestellte Verbot von Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt. 117    Es versteht sich von selbst, dass das Diskriminierungsverbot – wie in Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung vorgesehen – einem Auftraggeber verbietet, Bedingungen zu stellen, die eine direkte oder indirekte Benachteiligung nach sich ziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs müssen die allgemeinen Bedingungen in den Verdingungsunterlagen alle einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und insbesondere die Verbote, die aus den im EG-Vertrag verankerten Grundsätzen auf dem Gebiet des Niederlassungsrechts und des freien Dienstleistungsverkehrs folgen, sowie das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 9. Juli 1987, CEI und Bellini, 27/86 bis 29/86, Slg. 1987, 3347, Randnr. 15, und vom 20. September 1988, Beentjes, 31/87, Slg. 1988, 4635, Randnrn. 29 und 30). 118    Dementsprechend ist der Inhalt von Punkt 2.2.1 erster und zweiter Gedankenstrich der Mitteilung durch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter gedeckt. –       Zu Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung 119    In Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung wird der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung eingeführt, der es ermöglicht, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten, ohne dass eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erforderlich wäre (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Februar 1979, Rewe-Zentral, 120/78, Slg. 1979, 649). Danach müssen die Behörden eines Mitgliedstaats sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise belegten Fachkenntnisse und diese Erfahrung mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen (vgl. entsprechend, insbesondere für den Zugang zum Beruf, Urteile des Gerichtshofs vom 7. Mai 1991, Vlassopoulou, C‑340/89, Slg. 1991, I‑2357, Randnrn. 16, 19 und 20, vom 9. Februar 1994, Haim, C‑319/92, Slg. 1994, I‑425, Randnrn. 27 und 28, vom 14. September 2000, Hocsman, C‑238/98, Slg. 2000, I‑6623, Randnr. 23, und vom 22. Januar 2002, Dreessen, C‑31/00, Slg. 2002, I‑663, Randnr. 24). 120    Der Gerichtshof hat betont, dass diese Rechtsprechung nur einen den Grundfreiheiten des EG-Vertrags innewohnenden Grundsatz zum Ausdruck bringt, wobei diesem Grundsatz nicht dadurch ein Teil seiner rechtlichen Bedeutung genommen wird, dass Richtlinien für die gegenseitige Anerkennung von Diplomen erlassen werden (oben in Randnr. 119 angeführte Urteile Hocsman, Randnrn. 24 und 31, und Dreessen, Randnr. 25), und dass die Mitgliedstaaten folglich ihre sich aus der Auslegung der Art. 43 EG und 47 EG durch den Gerichtshof ergebenden Verpflichtungen in Bezug auf die gegenseitige Anerkennung beachten müssen (vgl. entsprechend, insbesondere für den Zugang zum Beruf, Urteil Dreessen, oben in Randnr. 119 angeführt, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die gegenseitige Anerkennung es den innerstaatlichen Behörden ermöglichen muss, objektiv festzustellen, ob ein ausländisches Diplom seinem Inhaber die gleichen oder zumindest gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie das innerstaatliche Diplom bescheinigt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 1987, Heylens u. a., 222/86, Slg. 1987, 4097, Randnr. 13). 121    Folglich begründet der mit Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung verfolgte Zweck keine neuen Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten. –       Zu Punkt 2.2.1 vierter Gedankenstrich der Mitteilung 122    Was das Erfordernis angemessener Fristen betrifft, die es Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten ermöglichen sollen, eine fundierte Einschätzung vorzunehmen und ein Angebot zu erstellen, ist darauf hinzuweisen, dass die Auftraggeber den Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs und das Diskriminierungsverbot beachten müssen, die die Interessen der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer schützen sollen, die den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen öffentlichen Auftraggebern Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten (Urteile des Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge, C‑380/98, Slg. 2000, I‑8035, Randnr. 16, vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 41, HI, oben in Randnr. 76 angeführt, Randnr. 43, und Universale-Bau u. a., oben in Randnr. 111 angeführt, Randnr. 51). Ihr Zweck besteht darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber auszuschalten (vgl. in diesem Sinne Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). 123    Demnach ergibt sich der Zweck von Punkt 2.2.1 vierter Gedankenstrich der Mitteilung, der darin besteht, zu verhindern, dass ein Auftraggeber durch die den Bietern eingeräumten Fristen einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer von der Teilnahme ausschließen kann, aus den Grundsätzen des EG-Vertrags, so dass auch dieser Teil der Mitteilung keine neue Verpflichtung einführt. –       Zu Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung 124    In Bezug auf den Inhalt von Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung vertritt das Gericht die Auffassung, dass, wie der Gerichtshof bereits ausgeführt hat, die Gewährleistung einer Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung aller Bieter und der Transparenz gerade bezweckt, allen potenziellen Bietern vor der Vorbereitung ihrer Angebote Kenntnis von den Zuschlagskriterien, denen diese Angebote entsprechen müssen, und der relativen Bedeutung dieser Kriterien zu verschaffen (zu dem mit Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 93/37 im Wesentlichen wortgleichen Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 90/531/EWG des Rates vom 17. September 1990 betreffend die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor [ABl. L 297, S. 1] vgl. die oben in Randnr. 111 angeführten Urteile Kommission/Belgien, Randnrn. 88 und 89, und Universale-Bau u. a., Randnr. 99). Somit soll Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung sicherstellen, dass im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs alle potenziellen Bieter bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen. 125    Demnach dienen die Mittel zur Erreichung der in den verschiedenen Gedankenstrichen von Punkt 2.2.1 der Mitteilung genannten gleichen Wettbewerbsbedingungen nach Auffassung des Gerichts dazu, dass bei der Auftragsvergabe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs (oben in Randnr. 111 angeführte Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93) sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch die Transparenzpflicht sowie der freie Dienstleistungsverkehr gewahrt werden, und führen daher keine neuen Verpflichtungen ein. Zu Punkt 2.2.2 der Mitteilung 126    Punkt 2.2.2 der Mitteilung sieht Folgendes vor: „Begrenzung der Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden Auftraggebern steht es frei, durch bestimmte Maßnahmen die Zahl der Bewerber auf ein angemessenes Maß zu beschränken, sofern dies auf transparente und diskriminierungsfreie Weise geschieht. Dazu können sie beispielsweise objektive Kriterien wie die einschlägige Erfahrung der Bewerber, die Unternehmensgröße und die betriebliche Infrastruktur, die technische und berufliche Leistungsfähigkeit oder andere Kriterien heranziehen. Sie können sich sogar für eine Auslosung entscheiden, und zwar entweder als alleiniges Auswahlkriterium oder gekoppelt mit anderen Kriterien. In jedem Fall müssen nach der Vorauswahl so viele Bewerber übrig bleiben, dass ein angemessener Wettbewerb gewährleistet ist. Alternativ dazu können Auftraggeber auch Prüfungssysteme in Betracht ziehen, bei denen im Rahmen eines hinreichend bekannt gemachten, transparenten und offenen Verfahrens ein Verzeichnis der geprüften Wirtschaftsteilnehmer erstellt wird. Wenn später im Rahmen des Systems einzelne Aufträge vergeben werden, kann der öffentliche Auftraggeber aus dem Verzeichnis der geprüften Wirtschaftsteilnehmer auf nicht diskriminierende Weise (z. B. im Rotationsverfahren) Akteure auswählen, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden.“ 127    Punkt 2.2.2 der Mitteilung betrifft die Begrenzung der Zahl der Bewerber, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden, auf ein angemessenes Maß und enthält Beispiele für bestimmte Modalitäten und Möglichkeiten, die die Auftraggeber nutzen können, sofern dies auf transparente und diskriminierungsfreie Weise und mit dem Ziel geschieht, einen angemessenen Wettbewerb zu gewährleisten. Dieser Punkt der Mitteilung verlangt u. a. die Anwendung objektiver Kriterien und eines hinreichend bekannt gemachten, transparenten und offenen Verfahrens. 128    Hierzu ist festzustellen, dass diese Erfordernisse voll und ganz im Einklang mit den Grundsätzen des EG-Vertrags und der Rechtsprechung des Gerichtshofs stehen. Sie sind insbesondere der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen, wonach das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in jedem Stadium und insbesondere bei der Auswahl der Bewerber in einem nicht offenen Verfahren sowohl den Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter als auch den Grundsatz der Transparenz wahren muss, damit alle Betroffenen bei der Abfassung ihrer Teilnahmeanträge oder Angebote über die gleichen Chancen verfügen (vgl. in diesem Sinne – in Bezug auf das Stadium des Vergleichs der Angebote – die oben in Randnr. 111 angeführten Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93). Zu Punkt 2.2.3 der Mitteilung 129    Punkt 2.2.3 der Mitteilung lautet: „Entscheidung über die Auftragsvergabe Wichtig ist, dass die letztendliche Entscheidung über die Vergabe des Auftrags den zu Anfang festgelegten Verfahrensregeln entspricht und dass den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung voll und ganz Rechnung getragen wird. Von besonderer Bedeutung ist dies bei Verfahren, in denen Verhandlungen mit ausgewählten Bietern vorgesehen sind. Solche Verhandlungen sind so zu organisieren, dass keiner der Bieter Zugang zu mehr Informationen als andere hat und dass jegliche ungerechtfertigte Bevorteilung einzelner Bieter ausgeschlossen ist.“ 130    Punkt 2.2.3 der Mitteilung sieht vor, dass bei der abschließenden Entscheidung über die Vergabe des Auftrags das Diskriminierungsverbot und der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden müssen. Dieser Zweck und seine inhaltliche Ausgestaltung gehen nicht weiter als die Grundsätze, auf die sich Punkt 2.2.3 stützt. 131    Nach alledem soll der in Punkt 2.2 der Mitteilung in Bezug auf die Auftragsvergabe aufgeführte Mittelkatalog im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs gewährleisten, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung potenzieller Bieter, die Transparenzpflicht sowie die Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs (oben in Randnr. 111 angeführte Urteile Kommission/Belgien, Randnr. 54, und Universale-Bau u. a., Randnr. 93) und des freien Wettbewerbs (Urteil vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 49) gewahrt werden; er führt daher keine neuen Verpflichtungen ein, die mit einer Nichtigkeitsklage angefochten werden können. 3.     Zur dritten Rüge: Ausnahmen von der vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.4 der Mitteilung) a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 132    Die Bundesrepublik Deutschland trägt vor, die Kommission habe in Punkt 2.1.4 der Mitteilung neue rechtliche Verpflichtungen festgelegt, indem sie die in den Vergaberichtlinien für eine freihändige Vergabe vorgesehenen Ausnahmebestimmungen auf Vergaben unterhalb der Schwellenwerte übertragen habe, obwohl die Anwendung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen an die Erreichung der genannten Schwellenwerte geknüpft sei. 133    Weiter widerspricht die Bundesrepublik Deutschland dem Vorbringen der Kommission, dass es sich bei der Erstreckung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Richtlinien um eine zulässige Analogie handele, die aufgrund einer Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags gerechtfertigt sei. Eine solche Analogie wäre nämlich nur dann zulässig, wenn eine Regelungslücke vorläge, was hier nicht der Fall sei, da sich der Gesetzgeber durch die Festlegung der Schwellenwerte ausdrücklich gegen solche Bekanntmachungsanforderungen bei bestimmten Vergaben entschieden habe. 134    In der mündlichen Verhandlung hat die Bundesrepublik Deutschland hinzugefügt, dass die in Punkt 2.1.4 der Mitteilung vorgesehenen Ausnahmen abschließend und daher keine weiteren Ausnahmen möglich seien. Die Mitteilung enthalte somit ein sehr strenges und abschließendes Konzept der möglichen Ausnahmen, das im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten stehe, etwa der möglichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung mit objektiven Umständen. In Verbindung mit ihrem Punkt 2.1.1 führe die Mitteilung daher eine unbedingte Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung ein und schließe jede andere Form der Transparenz aus. 135    Im Wortlaut von Punkt 2.1.4 der Mitteilung, insbesondere in dessen letztem Satz, werde eindeutig eine Verbindung zu den Ausnahmeregelungen der Vergaberichtlinien hergestellt; er beschränke somit die Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung auf diese Ausnahmeregelungen. Daher würden weitere, sich aus dem Primärrecht ergebende Ausnahmen durch die Mitteilung ausgeschlossen. Dieses abschließende Konzept der Ausnahmen verstoße gegen das Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt), wonach weitere Ausnahmen Berücksichtigung finden könnten. 136    Das Parlament macht zu den in Punkt 2.1.4 der Mitteilung vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der vorherigen Bekanntmachung geltend, die Kommission übertrage die Ausnahmeregelungen der Vergaberichtlinien zu freihändigen Verfahren auf Aufträge unterhalb der Schwellenwerte der Richtlinien. An diesem Beispiel werde besonders deutlich, dass die Kommission in ihrer Mitteilung eigenständige Vergaberegeln geschaffen habe, ganz abgesehen davon, dass die Voraussetzungen für eine solche Analogie, nämlich eine planwidrig vom Gemeinschaftsgesetzgeber gelassene Lücke außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien, gerade nicht gegeben seien. 137    Die Kommission ist der Ansicht, dass die in der Mitteilung vorgeschlagene Analogie, die darin bestehe, die in den Vergaberichtlinien enthaltenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinien zu übertragen, nur die von ihr vorgeschlagene Auslegung der Grundprinzipien des EG-Vertrags wiedergebe und keine Rechtsetzung darstelle. Zudem sei Punkt 2.1.4 der Mitteilung nicht restriktiv, sondern nenne lediglich die wichtigsten Ausnahmen in nicht abschließender Weise. Mit ihrer Stellungnahme zu dem speziellen Punkt der Anwendung der in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung auf die von der Mitteilung erfassten Aufträge habe die Kommission nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass keine andere, mit den erwähnten Grundsätzen vereinbare Ausnahme von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung zulässig sei. b)     Würdigung durch das Gericht 138    Punkt 2.1.4 der Mitteilung gilt nach seiner Überschrift für „Verfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung“. Er bestimmt: „Die Vergaberichtlinien enthalten Ausnahmeregelungen, nach denen unter bestimmten Bedingungen Verfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung zulässig sind. Die wichtigsten Ausnahmen betreffen hierbei Situationen, in denen aufgrund nicht voraussehbarer Ereignisse dringendes Handeln geboten ist, sowie Aufträge, die aus technischen oder künstlerischen Gründen oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden können. Nach Auffassung der Kommission können die entsprechenden Ausnahmeregelungen auch bei der Vergabe von nicht unter die Richtlinien fallenden Aufträgen zur Anwendung kommen. Daher können Auftraggeber solche Aufträge ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben, sofern die in den Richtlinien festgelegten Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelungen erfüllt sind.“ 139    Das Gericht ist zunächst der Ansicht, dass Punkt 2.1.4 der Mitteilung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland keineswegs ausschließt, dass es weitere Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung geben kann. Wie nämlich im Übrigen in den Punkten 1.1 und 1.2 der Mitteilung ausgeführt wird, sind die Mitgliedstaaten und ihre ausschreibenden Stellen an die Vorschriften und Grundsätze des EG-Vertrags gebunden. Soweit sich demnach aus diesen Vorschriften und Grundsätzen Ausnahmen von der Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung ergeben, können sich die Mitgliedstaaten oder die ausschreibenden Stellen, die einen von der Mitteilung erfassten öffentlichen Auftrag vergeben, ipso iure auf diese Ausnahmen berufen. 140    Hierzu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Grundsätze des EG-Vertrags dann nicht berührt sind, wenn der Mitgliedstaat oder die ausschreibende Stelle sich auf eine Vorschrift des EG-Vertrags berufen kann, die – wie Art. 86 Abs. 2 EG oder die Art. 296 EG oder 297 EG – die Anwendung des Primärrechts generell ausschließt, wenn einer der ausdrücklich in diesem Vertrag vorgesehenen Rechtfertigungsgründe greift (wie z. B. die öffentliche Ordnung und die Gesundheit nach den Art. 46 EG und 55 EG sowie die öffentliche Gewalt nach den Art. 45 EG und 55 EG) oder wenn die Voraussetzungen eines von der Rechtsprechung anerkannten Rechtfertigungsgrundes gegeben sind (vgl. für einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses das Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2005, Kommission/Spanien, C‑158/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). In solchen Fällen findet daher die aus den Grundsätzen des EG-Vertrags resultierende Bekanntmachungspflicht auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags keine Anwendung. 141    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Punkt 2.1.4 der Mitteilung den ausschreibenden Stellen lediglich gestatten soll, sich auf die in den Vergaberichtlinien vorgesehenen Ausnahmen von der Bekanntmachungspflicht zu berufen, wobei die dafür in diesen Richtlinien festgelegten Voraussetzungen zu beachten sind, und zwar auch dann, wenn die Richtlinien auf die von der Mitteilung erfassten öffentlichen Aufträge keine Anwendung finden. Wie Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Italien (Urteil des Gerichtshofs vom 27. Oktober 2005, C‑525/03, Slg. 2005, I‑9405, I‑9407, Nrn. 46 bis 49) ausgeführt hat, kann keine Bekanntmachungspflicht bestehen, wenn in den Vergaberichtlinien eine Ausnahme ausdrücklich zugelassen ist, die Voraussetzungen für diese Ausnahme vorliegen und ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Aufforderung zur Einreichung eines Angebots möglich ist. Die sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Grundsätze können demnach kein Öffentlichkeitserfordernis aufstellen, wenn die Richtlinien ausdrücklich eine Befreiung vorsehen, denn sonst wäre diese Befreiung wirkungslos (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache Coname, oben in Randnr. 36 angeführt, Slg. 2005, I‑7289, Nr. 93). 142    Folglich begründet Punkt 2.1.4 der Mitteilung keineswegs neue Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, sondern ist für sie insofern eher günstig, als er ihnen, falls die Voraussetzungen für seine Anwendung vorliegen, gestattet, die Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung nicht zu beachten. 143    Zu dem auf das Urteil SECAP und Santorso (oben in Randnr. 42 angeführt) gestützten Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland (siehe oben, Randnr. 135) ist festzustellen, dass es auf einer irrigen Annahme beruht, da Punkt 2.1.4 der Mitteilung weitere Ausnahmen nicht ausschließt. 4.     Zur vierten Rüge: Vertragsverletzungsverfahren (Punkt 1.3 der Mitteilung) a)     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten 144    Die Bundesrepublik Deutschland, unterstützt durch die Streithelfer, trägt schließlich vor, die Ankündigung der Kommission in Punkt 1.3 der Mitteilung, im Fall der Nichtbefolgung des vorgesehenen Verfahrens ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, mache deutlich, dass den Mitgliedstaaten mit ihr Verpflichtungen auferlegt werden sollten. Dies werde durch das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4043 gegen die Bundesrepublik Deutschland, das die Vergabe eines II‑B-Auftrags ohne vorherige Bekanntmachung betreffe, bestätigt; die Mitteilung werde dort gleichsam wie eine ergänzende Rechtsgrundlage zitiert. Zudem betreibe die Kommission bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen einige Mitgliedstaaten, um die nunmehr in der Mitteilung formulierten Grundsätze für Auftragsvergaben außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinien durchzusetzen. Zu nennen seien dabei die Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und vom 13. November 2007, Kommission/Irland (oben in Randnr. 57 angeführt), ergangen seien. Die von der Mitteilung erzeugten Rechtswirkungen ergäben sich daher aus ihrem Punkt 1.3 und aus ihrer Verknüpfung mit dem Vertragsverletzungsverfahren. 145    Außerdem ergäben sich aus Punkt 1.3 der Mitteilung keine bloß informatorischen, sondern darüber hinaus verhaltenssteuernde, also rechtsetzende Wirkungen. Dies werde von der Kommission eingeräumt, die der Mitteilung verhaltenssteuernde Wirkung beimesse. Eine verbindliche Wirkung der Mitteilung ergebe sich auch aus der angekündigten Absicht der Kommission, die Mitteilung ihrer eigenen Praxis in Vertragsverletzungsverfahren zugrunde zu legen. 146    Das Parlament trägt zu Punkt 1.3 der Mitteilung vor, die Kommission als Verfasserin der Mitteilung habe zugleich die Stellung als zentrales Exekutivorgan der Gemeinschaft und als Hüterin der Verträge inne. Deshalb müssten die öffentlichen Auftraggeber der Mitgliedstaaten dem Inhalt der Mitteilung Folge leisten, um Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden, bei deren Einleitung die Kommission die in ihrer eigenen Mitteilung gesetzten Standards als Maßstab heranziehe. 147    Die Republik Polen fügt hinzu, es sei zu erwarten, dass die in der Mitteilung enthaltenen Leitlinien von den Prüfern der Kommission als Bezugsgröße herangezogen würden, wenn sie Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge überprüften, die aus dem Haushalt der Europäischen Union, u. a. aus Strukturmitteln, kofinanziert worden seien. Bei etwaigen Abweichungen der durchgeführten Verfahren von den in der Mitteilung enthaltenen Leitlinien würden die Prüfer dazu neigen, den Ausgaben die Erstattungsfähigkeit aus Unionsmitteln abzusprechen. Entgegen der Behauptung in der Einleitung der Mitteilung würden die in ihr enthaltenen Leitlinien auf diese Weise „als Recht“ angewandt. Wenn man aber die Bedeutung der finanziellen Unterstützung aus dem Haushalt der Europäischen Union in Polen berücksichtige, dürfte eine solche Haltung der Prüfer ausreichen, um die Leitlinien als unmittelbar verbindlich anzusehen. 148    Die Kommission macht geltend, entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, wonach sich aus Punkt 1.3 der Mitteilung rechtliche Wirkungen ergäben, führe der mögliche Einfluss der Mitteilung auf die Politik der Kommission bei Vertragsverletzungsverfahren nicht zu Rechtswirkungen für Dritte, sondern löse lediglich Wirkungen für die Kommission selbst aus. Die Kommission könne nämlich durch ihre Politik in Vertragsverletzungsverfahren nicht die Pflichten der Mitgliedstaaten festlegen. Der Umfang der Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten werde im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens erst durch den Gerichtshof in rechtlich verbindlicher Weise festgestellt. b)     Würdigung durch das Gericht 149    Punkt 1.3 letzter Absatz der Mitteilung bestimmt: „Erhält die Kommission Kenntnis von einer möglichen Verletzung der Grundanforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht unter die Vergaberichtlinien fallen, prüft sie die Binnenmarktrelevanz des fraglichen Auftrags vor dem Hintergrund der fallspezifischen Umstände. Sie wird nur dann ein Verfahren nach Artikel 226 [EG] einleiten, wenn dies angesichts der Schwere der Vertragsverletzung und ihrer Auswirkungen auf den Binnenmarkt angemessen erscheint.“ 150    Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission ohne Weiteres ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG gegen einen Mitgliedstaat einleiten kann, wenn dieser Staat die Verpflichtungen, die sich für die ausschreibenden Stellen der Mitgliedstaaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aus den im EG-Vertrag festgelegten Vorschriften und Grundsätzen ergeben, nicht einhält. Folglich beweist der bloße Umstand, dass Punkt 1.3 der Mitteilung auf die Möglichkeit der Einleitung eines solchen Verfahrens hinweist, entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland keineswegs, dass diese Mitteilung neue Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge begründet und somit eine Handlung mit verbindlichen Rechtswirkungen ist. 151    Ein Mitgliedstaat kann zwar durch diesen Punkt der Mitteilung auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, dass ihm im Fall der Nichtbeachtung seiner sich aus dem primären Gemeinschaftsrecht ergebenden und in der Mitteilung wiedergegebenen Verpflichtungen ein Vertragsverletzungsverfahren droht, doch ist dies lediglich eine tatsächliche Folge, nicht aber eine verbindliche Rechtswirkung (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission, 60/81, Slg. 1981, 2639, Randnr. 19, und vom 1. Dezember 2005, Italien/Kommission, C‑301/03, Slg. 2005, I‑10217, Randnr. 30). 152    Das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland geht vor allem deshalb ins Leere, weil die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG keine Handlung darstellt, die eine Bindungs- oder Zwangswirkung entfaltet. Im Rahmen dieses Verfahrens, dessen der Anrufung des Gerichtshofs vorausgehender Teil dazu dient, den Mitgliedstaat aufzufordern, seinen Verpflichtungen nachzukommen, gibt die Kommission dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung und bringt erst danach ihre Auffassung in Form einer Stellungnahme zum Ausdruck. In diesem Verfahrensabschnitt kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keiner Maßnahme der Kommission bindende Kraft zu (Urteil des Gerichtshofs vom 1. März 1966, Lütticke u. a./Kommission, 48/65, Slg. 1966, 28, 39). 153    Außerdem kann sich nach dem System der Art. 226 EG bis 228 EG nur aus einem Urteil des Gerichtshofs ergeben, welche Rechte und Pflichten die Mitgliedstaaten haben und wie ihr Verhalten zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. Mai 1981, Essevi und Salengo, 142/80 und 143/80, Slg. 1981, 1413, Randnrn. 15 und 16, und vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg. 1998, I‑5449, Randnr. 45). Folglich kann entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nur ein Urteil des Gerichtshofs in diesem Bereich eine verbindliche Wirkung entfalten. 154    Daher ist das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zurückzuweisen, dass sich aus der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens im Fall der Nichtbeachtung des in der Mitteilung vorgesehenen Verfahrens eine verbindliche Wirkung ergebe. 155    Dieses Ergebnis wird nicht durch das Argument der Bundesrepublik Deutschland in Frage gestellt, wonach sich Generalanwalt Tesauro in Nr. 6 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Frankreich/Kommission (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1993, oben in Randnr. 28 angeführt, Slg. 1993, I‑3292) ausdrücklich dafür ausgesprochen habe, der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens verbindliche Rechtswirkungen beizumessen. 156    Anders als im vorliegenden Fall hatte die Kommission während des gesamten Verfahrens, das dem Urteil vom 16. Juni 1993, Frankreich/Kommission (oben in Randnr. 28 angeführt), zugrunde lag, die verbindliche Kraft der in Rede stehenden Handlung nie in Zweifel gezogen. Auf dieser Grundlage wertete Generalanwalt Tesauro die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens als weiteres Indiz dafür, dem Gerichtshof vorzuschlagen, die Klage nicht von Amts wegen für unzulässig zu erklären, sondern inhaltlich zu prüfen (Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Frankreich/Kommission, Nr. 6). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich der Gerichtshof in dem genannten Urteil diese Argumentation, auf die sich das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland stützt, nicht zu Eigen gemacht hat. 157    In Anbetracht der oben in den Randnrn. 150 bis 153 getroffenen Feststellungen ist auch das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, des Königreichs der Niederlande und der Republik Polen, wonach durch die Mitteilung eine Selbstbindung der Kommission eingetreten sei, als zumindest ins Leere gehend zurückzuweisen. Überdies geht aus dem Wortlaut von Punkt 1.3 der Mitteilung hervor, dass die Kommission nicht beabsichtigt, in allen ihr zur Kenntnis gelangenden Fällen einer Vertragsverletzung ein Verfahren einzuleiten, sondern dass sie dies nur vor dem Hintergrund der fallspezifischen Umstände tun und sich dabei von zwei Hauptkriterien leiten lassen wird, nämlich der Schwere der Vertragsverletzung und ihrer Auswirkungen auf den Binnenmarkt. 158    Schließlich kann dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland, die Kommission nehme auf die Mitteilung wie auf einen Rechtsakt Bezug und habe bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren durchgeführt, um deren Grundsätze durchzusetzen, nicht gefolgt werden. 159    Zu dem von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2005/4043 ist festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 7 der mit Gründen versehenen Stellungnahme tatsächlich auf die Mitteilung Bezug nimmt. Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland wird die Mitteilung dort jedoch nicht als Rechtsgrundlage herangezogen, sondern es wird lediglich am Ende dieser Randnummer in Klammern auf sie verwiesen. Der verfügende Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme ist auf die Art. 43 EG und 49 EG sowie auf den Grundsatz der Gleichbehandlung, das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Transparenz gestützt. 160    Das Gleiche gilt für die beiden von der Bundesrepublik Deutschland angeführten Rechtssachen, in denen die Urteile Kommission/Finnland (oben in Randnr. 39 angeführt) und vom 13. November 2007, Kommission/Irland (oben in Randnr. 57 angeführt), ergangen sind. In der Rechtssache Kommission/Finnland hat der Gerichtshof die Klage der Kommission für unzulässig erklärt, da sie in ihrer auf bestimmte Grundregeln des EG-Vertrags und insbesondere auf das Diskriminierungsverbot, das die Transparenzpflicht einschließt, gestützten Klage keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen hatte, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, die Tragweite des dem Mitgliedstaat vorgeworfenen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht genau zu erfassen (Urteil Kommission/Finnland, Randnr. 32). Dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Irland ist zu entnehmen, dass eine nachträgliche Bekanntmachung keine angemessene Bekanntmachung sicherstellen kann, und es bestätigt, dass eine Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung besteht, wie die Bundesrepublik Deutschland in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat. 161    Zum Vorbringen der Republik Polen, die Mitgliedstaaten könnten durch die Mitteilung auf die Gefahr aufmerksam gemacht werden, dass bestimmte Ausgaben im Rahmen der gemeinschaftlichen Finanzierung nicht anerkannt würden, ist festzustellen, dass es sich dabei wiederum um eine bloße tatsächliche Folge und nicht um eine verbindliche Rechtswirkung der Mitteilung handelt (siehe oben, Randnr. 151). 162    Nach alledem enthält die Mitteilung keine neuen Regeln für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die über die Verpflichtungen hinausgehen, die sich aus dem bestehenden Gemeinschaftsrecht ergeben. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitteilung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die geeignet sind, die Rechtsstellung der Bundesrepublik Deutschland und der Streithelfer zu berühren; daher ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Kosten 163    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission deren Kosten aufzuerlegen. 164    Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Im vorliegenden Fall tragen die zur Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland beigetretenen Streithelfer ihre eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. 2.      Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission. 3.      Die Französische Republik, die Republik Österreich, die Republik Polen, das Königreich der Niederlande, das Europäische Parlament, die Hellenische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten. Vilaras Prek Ciucă Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Mai 2010. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Sachverhalt Verfahren Anträge der Verfahrensbeteiligten Zur Zulässigkeit A –  Vorbemerkungen B –  Zum Inhalt der Mitteilung 1.  Zur ersten Rüge: Verpflichtung zur vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.1 der Mitteilung) a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten Bundesrepublik Deutschland Streithelfer Kommission b)  Würdigung durch das Gericht 2.  Zur zweiten Rüge: Konkretisierung der Bekanntmachungspflichten (Punkt 2.2 der Mitteilung) a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten Bundesrepublik Deutschland Streithelfer Kommission b)  Würdigung durch das Gericht Vorbemerkungen Zu Punkt 2.2.1 der Mitteilung –  Zu Punkt 2.2.1 erster Gedankenstrich der Mitteilung –  Zu Punkt 2.2.1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung –  Zu Punkt 2.2.1 dritter Gedankenstrich der Mitteilung –  Zu Punkt 2.2.1 vierter Gedankenstrich der Mitteilung –  Zu Punkt 2.2.1 fünfter Gedankenstrich der Mitteilung Zu Punkt 2.2.2 der Mitteilung Zu Punkt 2.2.3 der Mitteilung 3.  Zur dritten Rüge: Ausnahmen von der vorherigen Bekanntmachung (Punkt 2.1.4 der Mitteilung) a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b)  Würdigung durch das Gericht 4.  Zur vierten Rüge: Vertragsverletzungsverfahren (Punkt 1.3 der Mitteilung) a)  Vorbringen der Verfahrensbeteiligten b)  Würdigung durch das Gericht Kosten * Verfahrenssprache: Deutsch.
URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST (Erste Kammer) 11. Mai 2010.#Allan Maxwell gegen Europäische Kommission.#Öffentlicher Dienst – Beamte – Abordnung im dienstlichen Interesse – Urlaub aus persönlichen Gründen – Unterkunfts‑ und Schulbesuchskosten – Schadensersatzklage – Verschuldenshaftung – Ungerechtfertigte Bereicherung.#Rechtssache F‑55/09.
62009FJ0055
ECLI:EU:F:2010:44
2010-05-11T00:00:00
Gericht für den öffentlichen Dienst
Sammlung der Rechtsprechung – Sammlung von Rechtssachen im öffentlichen Dienst
EUR-Lex - CELEX:62009FJ0055 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62009FJ0055 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62009FJ0055 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Neunte erweiterte Kammer) vom 12. Dezember 2018 (Auszüge).#Servier SAS u. a. gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Kartelle – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird – Grundsatz der Unparteilichkeit – Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Kürze der Klagefrist im Verhältnis zur Länge des angefochtenen Beschlusses – Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Lizenzvereinbarungen – Vereinbarungen über den Erwerb von Technologie – Alleinbezugsvereinbarung – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung – Abstimmung zwischen Wettbewerbsrecht und Patentrecht – Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen oder als einheitliche Zuwiderhandlung – Definition des relevanten Marktes auf der Ebene des Moleküls des betreffenden Arzneimittels – Geldbußen – Kumulierung von Geldbußen nach den Art. 101 und 102 AEUV – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Umsatz – Berechnungsmethode im Fall der Kumulierung von Zuwiderhandlungen auf denselben Märkten.#Rechtssache T-691/14.
62014TJ0691
ECLI:EU:T:2018:922
2018-12-12T00:00:00
Gericht
62014TJ0691 URTEIL DES GERICHTS (Neunte erweiterte Kammer) 12. Dezember 2018 (*1) (i ) „Wettbewerb – Kartelle – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für das Herz-Kreislauf-Medikament Perindopril (Originalpräparat und Generika) – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen die Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird – Grundsatz der Unparteilichkeit – Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf – Kürze der Klagefrist im Verhältnis zur Länge des angefochtenen Beschlusses – Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten – Lizenzvereinbarungen – Vereinbarungen über den Erwerb von Technologie – Alleinbezugsvereinbarung – Potenzieller Wettbewerb – Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung – Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung – Abstimmung zwischen Wettbewerbsrecht und Patentrecht – Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen oder als einheitliche Zuwiderhandlung – Definition des relevanten Marktes auf der Ebene des Moleküls des betreffenden Arzneimittels – Geldbußen – Kumulierung von Geldbußen nach den Art. 101 und 102 AEUV – Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen – Umsatz – Berechnungsmethode im Fall der Kumulierung von Zuwiderhandlungen auf denselben Märkten“ In der Rechtssache T‑691/14, Servier SAS mit Sitz in Suresnes (Frankreich), Servier Laboratories Ltd mit Sitz in Wexham (Vereinigtes Königreich), Les Laboratoires Servier SAS mit Sitz in Suresnes, Prozessbevollmächtigte: zunächst I. S. Forrester, QC, J. Killick, Barrister, Rechtsanwalt O. de Juvigny und M. Utges Manley, Solicitor, dann J. Killick, O. de Juvigny, M. Utges Manley sowie Rechtsanwälte J. Jourdan und T. Reymond, Klägerinnen, unterstützt durch European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) mit Sitz in Genf (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Carlin, Barrister, N. Niejahr und C. Paillard, Streithelferin, gegen Europäische Kommission, vertreten zunächst durch T. Christoforou, B. Mongin, C. Vollrath, F. Castilla Contreras und T. Vecchi, dann durch T. Christoforou, B. Mongin, C. Vollrath, F. Castilla Contreras und J. Norris-Usher als Bevollmächtigte, Beklagte, betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), soweit er die Klägerinnen betrifft, hilfsweise, auf Herabsetzung der mit diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße, erlässt DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter), der Richter E. Bieliūnas, L. Madise und R. da Silva Passos sowie der Richterin K. Kowalik-Bańczyk, Kanzler: G. Predonzani, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. bis 9. Juni 2017 folgendes Urteil (1 ) I. Sachverhalt A. Die Klägerinnen 1 Die Servier-Gruppe, die u. a. aus der Servier SAS, ihrer in Frankreich niedergelassenen Muttergesellschaft, der Laboratoires Servier SAS und der Servier Laboratories Ltd (im Folgenden einzeln oder zusammen: Servier oder Klägerinnen) besteht, umfasst pharmazeutische Unternehmen weltweit. Die alleinige Kontrolle der Verwaltung der Muttergesellschaft der Gruppe liegt bei der Stichting FIRS, einer Stiftung ohne Gewinnzweck niederländischen Rechts. B. Perindopril und seine Patente 1. Perindopril 2 Servier entwickelte Perindopril, ein Herz-Kreislauf-Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung von arterieller Hypertonie und Herzinsuffizienz durch Hemmung des Angiotensin-konvertierenden Enzyms (im Folgenden: ACE) bestimmt ist. 3 Der pharmazeutische Wirkstoff von Perindopril, also die biologisch aktive chemische Substanz, die die gewünschte therapeutische Wirkung hervorruft, liegt in Form eines Salzes vor. Das ursprünglich eingesetzte Salz war Erbumin (oder tert-Butylamin), das wegen des von Servier zu seiner Synthese verwendeten Verfahrens Kristallform hat. 2. Patent für das Molekül 4 Das Patent für das Perindopril-Molekül (Patent EP0049658) wurde am 29. September 1981 beim Europäischen Patentamt (EPA) angemeldet. Es sollte am 29. September 2001 ablaufen, sein Schutz wurde aber in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats (ABl. 1992, L 182, S. 1) verlängert, darunter im Vereinigten Königreich bis zum 22. Juni 2003. In Frankreich wurde es bis zum 22. März 2005 und in Italien bis zum 13. Februar 2009 verlängert. 3. Sekundärpatente 5 1988 meldete Servier beim EPSA zudem mehrere Patente für Verfahren zur Herstellung des Perindopril-Moleküls an, die am 16. September 2008 abliefen: Patente EP0308339, EP0308340, EP0308341 und EP0309324 (im Folgenden: Patent 339, Patent 340, Patent 341 und Patent 324). 6 2001 meldete Servier beim EPA neue Patente für Erbumin und Verfahren zu seiner Herstellung an, darunter das Patent EP1294689 (sogenanntes Beta-Patent, im Folgenden: Patent 689), das Patent EP1296948 (sogenanntes Gamma-Patent, im Folgenden: Patent 948) und das Patent EP1296947 (sogenanntes Alpha-Patent, im Folgenden: Patent 947). 7 Das Patent 947 betreffend die Alpha-Kristallform von Erbumin und das Verfahren zu ihrer Zubereitung wurde am 6. Juli 2001 angemeldet und am 4. Februar 2004 vom EPA erteilt. 8 Servier meldete auch nationale Patente in mehreren Mitgliedstaaten der Union an, bevor diese dem Europäischen Patentübereinkommen, das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnet wurde und am 7. Oktober 1977 in Kraft trat (im Folgenden: EPÜ), beitraten. Zum Beispiel meldete Servier dem Patent 947 entsprechende Patente in Bulgarien (BG 107532), in der Tschechischen Republik (PV2003‑357), in Estland (P200300001), in Ungarn (HU225340), in Polen (P348492) und in der Slowakei (PP0149‑2003) an. Alle diese Patentanmeldungen trugen dasselbe Einreichungsdatum, den 6. Juli 2001. Die Patente wurden am 16. Mai 2006 in Bulgarien, am 17. August 2006 in Ungarn, am 23. Januar 2007 in der Tschechischen Republik, am 23. April 2007 in der Slowakei und am 24. März 2010 in Polen erteilt. 4. Perindopril der zweiten Generation 9 2002 begann Servier mit der Entwicklung eines Perindoprils der zweiten Generation, das auf der Basis eines anderen Salzes als Erbumin, nämlich Arginin, hergestellt wurde. Perindopril-Arginin sollte Verbesserungen hinsichtlich der Haltbarkeit (drei statt zwei Jahre), der Stabilität (einheitliche Darreichungsform für alle Klimazonen) und der Lagerung (keine besonderen Lagerbedingungen) aufweisen. 10 Servier meldete für Perindopril-Arginin am 17. Februar 2003 ein europäisches Patent an (Patent EP1354873B, im Folgenden: Patent 873). Das Patent 873 wurde am 17. Juli 2004 mit Ablaufdatum 17. Februar 2023 erteilt. Die Einführung von Perindopril-Arginin auf den Märkten der Union begann 2006. C. Die Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril 1. Streitigkeiten vor dem EPA 11 Zehn Generikahersteller, darunter die Niche Generics Ltd (im Folgenden: Niche), die Krka Tovarna Zdravil d.d. (im Folgenden: Krka), die Lupin Ltd und die Norton Healthcare Ltd, Tochtergesellschaft der Ivax Europe (im Folgenden: Ivax), die später mit der Teva Pharmaceuticals Ltd fusionierte (im Folgenden einzeln oder zusammen mit den anderen Gesellschaften der Teva-Gruppe: Teva), legten 2004 beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 ein, um dessen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten. 12 Am 27. Juli 2006 bestätigte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit des Patents 947 (im Folgenden: Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006). Sieben Gesellschaften legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Niche zog sich am 9. Februar 2005, Krka am 11. Januar 2007 und Lupin am 5. Februar 2007 vom Einspruchsverfahren zurück. Mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 hob die Technische Beschwerdekammer des EPA die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 auf und widerrief das Patent 947. Der von Servier gestellte Antrag auf Überprüfung dieser Entscheidung wurde am 19. März 2010 zurückgewiesen. 13 Niche legte am 11. August 2004 beim EPA ebenfalls Einspruch gegen das Patent 948 ein, zog sich aber am 14. Februar 2005 vom Verfahren zurück. 14 Teva legte am 13. April 2005 Einspruch gegen das Patent 873 ein. Die Einspruchsabteilung wies diesen Einspruch mit der Begründung zurück, Teva habe nicht nachgewiesen, dass dieses Patent auf einer unzureichenden erfinderischen Tätigkeit beruhe. Teva legte gegen diese Entscheidung am 22. Dezember 2008 Beschwerde ein, die sie am 8. Mai 2012 zurücknahm. 2. Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten 15 Das Patent 947 wurde von Generikaherstellern zudem vor den Gerichten einiger Mitgliedstaaten, u. a. der Niederlande und des Vereinigten Königreichs, angefochten. a) Rechtsstreit zwischen Servier und Niche sowie Matrix 16 Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 25. Juni 2004 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer], Vereinigtes Königreich) unter Berufung auf ihre Patente 339, 340 und 341 eine Klage wegen Patentverletzung gegen Niche, nachdem diese Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen einer generischen Version von Perindopril im Vereinigten Königreich gestellt hatte, die sie in Zusammenarbeit mit der Matrix Laboratories Ltd (im Folgenden: Matrix) auf der Grundlage einer am 26. März 2001 geschlossenen Vereinbarung (im Folgenden: Niche-Matrix-Vereinbarung) entwickelt hatte. Am 9. Juli 2004 stellte Niche Servier eine Gegenklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 zu. 17 Die mündliche Verhandlung vor dem vorgenannten Gericht über die Begründetheit der geltend gemachten Patentverletzung wurde auf den 7. und 8. Februar 2005 anberaumt, dauerte jedoch nur einen halben Tag, da Servier und Niche am 8. Februar 2005 einen Vergleich schlossen, mit dem der Rechtsstreit zwischen diesen beiden Parteien beendet wurde. 18 Matrix wurde von Niche über den Verlauf dieses Gerichtsverfahrens informiert und in dieses auch einbezogen und gab vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) Erklärungen im Namen von Niche ab. Servier übersandte Matrix am 7. Februar 2005 im Übrigen ein förmliches Abmahnungsschreiben, in dem sie dieser Gesellschaft die Verletzung der Patente 339, 340 und 341 vorwarf und ihr mit der Erhebung einer Patentverletzungsklage drohte. 19 Im Herbst 2004 begann Servier, einen Erwerb von Niche zu erwägen. Zu diesem Zweck ließ Servier eine Due-Diligence-Prüfung durchführen, deren erste Phase am 10. Januar 2005 abgeschlossen wurde; an diesem Tag legte sie ein nicht bindendes Vorangebot für den Erwerb des Kapitals von Niche für einen Betrag zwischen 15 und 45 Mio. Pfund Sterling (GBP) vor. Im Anschluss an die zweite Phase der Due-Diligence-Prüfung, die am 21. Januar 2005 stattfand, teilte Servier Niche am 31. Januar 2005 mündlich mit, dass sie deren Erwerb nicht mehr beabsichtige. b) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Ivax sowie Teva 20 Im Vereinigten Königreich erhob Ivax am 9. August 2005 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) eine Klage auf Widerruf des Patents 947. Servier und Ivax verständigten sich jedoch im Oktober 2005 auf eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Erlass des endgültigen Beschlusses im Einspruchsverfahren vor dem EPA. Im Gegenzug verpflichtete sich Servier gegenüber Ivax, ihren Lizenznehmern und ihren Kunden, für die Dauer der Aussetzung und im Vereinigten Königreich keine rechtlichen Schritte einzuleiten, keine Erstattung von Gewinnen und keinen anderen finanziellen Ausgleich als eine angemessene Gebühr für die Verletzung des Patents 947 zu verlangen und keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz oder Aushändigung von Waren zu stellen. Servier verpflichtete sich ferner, das Verfahren vor dem EPA zügig weiterzuverfolgen und keine einstweilige Verfügung im Rahmen einer Patentverletzungsklage nach Abschluss des Verfahrens vor dem EPA zu beantragen. 21 In den Niederlanden erhob die Pharmachemie BV, eine Tochtergesellschaft von Teva, bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) am 15. August 2007 eine Klage auf Widerruf des Patents 947 in der in den Niederlanden bestätigten Fassung wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie Nichtreproduzierbarkeit. Das angerufene Gericht gab dieser Klage am 11. Juni 2008 statt. Servier legte gegen dieses Urteil am 7. Oktober 2008 Berufung ein, reichte jedoch in der Folge keine Berufungsbegründung ein. c) Rechtsstreit zwischen Servier und Krka 22 Am 30. Mai 2006 stellte Servier in Ungarn einen Antrag auf einstweilige Verfügung, um den Vertrieb einer von Krka auf den Markt gebrachten generischen Version von Perindopril wegen Verletzung des Patents 947 verbieten zu lassen. Dieser Antrag wurde im September 2006 zurückgewiesen. 23 Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 28. Juli 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 340. Am 2. August 2006 erhob sie gegen Krka zudem eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Am 1. September 2006 erhob Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 und am 8. September 2006 eine weitere Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 340. Am 3. Oktober 2006 gab das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung statt und wies den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens (motion of summary judgment) zur Ungültigerklärung des Patents 947 zurück. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das anhängige Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt, und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben. d) Rechtsstreit zwischen Servier und Lupin 24 Am 18. Oktober 2006 erhob Lupin beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) eine Klage auf Ungültigerklärung des Patents 947 in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung und auf Feststellung, dass keine Verletzung dieses Patents durch die generische Version von Perindopril vorliege, die sie in diesem Land vertreiben wolle. e) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Apotex 25 Im Vereinigten Königreich erhob Servier am 1. August 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen die Apotex Inc., die am 28. Juli 2006 eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht hatte, eine Klage wegen Verletzung des Patents 947. Apotex erhob eine Widerklage auf Nichtigerklärung dieses Patents. Am 8. August 2006 erging eine einstweilige Verfügung, mit der Apotex untersagt wurde, Perindopril einzuführen, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen. Am 6. Juli 2007 entschied das angerufene Gericht, dass das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Patent 341 ungültig sei. Die einstweilige Verfügung wurde demgemäß mit sofortiger Wirkung aufgehoben, und Apotex konnte den Verkauf ihrer generischen Version von Perindopril auf dem Markt des Vereinigten Königreichs wieder aufnehmen. Die von Servier gegen das vorgenannte Urteil eingelegte Berufung wies der Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) am 9. Mai 2008 zurück. 26 Am 9. Oktober 2008 erkannte der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) Apotex wegen der während der Geltung der einstweiligen Verfügung erlittenen Umsatzeinbuße Schadensersatz in Höhe von 17,5 Mio. GBP zu. Am 29. März 2011 gab dieses Gericht Apotex jedoch auf, Servier diesen Betrag zurückzuerstatten, wobei es sich auf den Grundsatz ex turpi causa stützte, da Perindopril bis 2018 durch ein gültiges kanadisches Patent geschützt sei und Apotex ihr Arzneimittel in Kanada herstelle und verkaufe. Der Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung]) hob diese Entscheidung indes mit Urteil vom 3. Mai 2012 auf. Am 29. Oktober 2014 wies der Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) das von Servier gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsmittel zurück. 27 In den Niederlanden erhob die Katwijk Farma BV, eine Tochtergesellschaft von Apotex, bei der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) am 13. November 2007 eine Klage auf Nichtigerklärung des Patents 947 in der in den Niederlanden bestätigten Fassung. Servier stellte am 7. Dezember 2007 einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Katwijk Farma, der am 30. Januar 2008 von diesem Gericht zurückgewiesen wurde. Nachdem die Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag) am 11. Juni 2008 das Patent 947 im Verfahren über die von Pharmachemie erhobene Klage für die Niederlande für nichtig erklärt hatte, zogen sich Servier und Katwijk Farma aus den laufenden Verfahren zurück. D. Die Vergleiche in den Rechtsstreitigkeiten über die Patente 28 Servier schloss eine Reihe von Patentvergleichsvereinbarungen mit mehreren Generikaunternehmen, mit denen sie Patentrechtsstreitigkeiten führte. Mit Apotex schloss sie jedoch keinen Vergleich. 1. Von Servier mit Niche und Unichem und mit Matrix geschlossene Vereinbarungen 29 Am 8. Februar 2005 schloss Servier zwei Vergleichsvereinbarungen, die eine mit Niche und deren Muttergesellschaft, der Unichem Laboratories Ltd (im Folgenden: Unichem), und die andere mit Matrix. Am selben Tag schloss Niche einen Lizenz- und Liefervertrag mit Biogaran, einer 100%igen Tochtergesellschaft von Laboratoires Servier. 30 Die von Servier mit Niche und Unichem geschlossene Vereinbarung im Folgenden: Niche-Vereinbarung) galt für alle Länder, in denen die Patente 339, 340, 341 und 947 bestanden (Art. 3). 31 Mit der Niche-Vereinbarung verpflichteten sich Niche und Unichem, bis zum gebietlichen Ablaufdatum dieser Patente kein generisches Perindopril, das nach dem von Niche entwickelten Verfahren hergestellt worden war und von Servier als Verletzung der Patente 339, 340 und 341 in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung angesehen wurde, oder das nach einem im Wesentlichen gleichartigen Verfahren oder nach irgendeinem anderen Verfahren, durch das die Patente 339, 340 und 341 verletzt werden könnten, hergestellt worden war (im Folgenden: streitiges Verfahren), herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, seine Lieferung anzubieten oder darüber zu verfügen (Art. 3). Dagegen sollten sie gemäß der Niche-Vereinbarung nach dem streitigen Verfahren ohne Verletzung dieser Patente hergestelltes Perindopril nach deren Ablauf frei vertreiben können (Art. 4 und 6). Niche war zudem verpflichtet, alle von ihr bereits geschlossenen Verträge über nach dem streitigen Verfahren hergestelltes Perindopril und über Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen solchen Perindoprils bis zum Ablauf dieser Patente aufzuheben, zu kündigen oder auszusetzen (Art. 11). Ferner verpflichteten sich Niche und Unichem, keinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von nach dem streitigen Verfahren hergestelltem Perindopril zu stellen und keinen Dritten dabei zu unterstützen, eine solche Genehmigung zu erlangen (Art. 10). Schließlich mussten sie es unterlassen, Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 bis zu deren Ablauf außer zur Verteidigung im Rahmen einer Patentverletzungsklage zu erheben (Art. 8). Niche willigte außerdem darin ein, ihre beim EPA erhobenen Einsprüche gegen die Patente 947 und 948 zurückzuziehen (Art. 7). 32 Im Gegenzug verpflichtete sich Servier zum einen, gegen Niche und Unichem keine auf die Patente 339, 340, 341 und 947 gestützte Klage wegen vermeintlicher Patentverletzungshandlungen aus der Zeit vor Abschluss der Niche-Vereinbarung zu erheben (Art. 5), und zum anderen, an Niche und an Unichem einen Betrag von 11,8 Mio. GBP in zwei Raten zu zahlen (Art. 13). Dieser Betrag stellte die Gegenleistung dar für die von Niche und Unichem eingegangenen Verpflichtungen sowie die „erheblichen Kosten und die potenzielle Haftung von Niche und Unichem wegen Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von nach dem [streitigen] Verfahren hergestelltem Perindopril“. 33 Zudem schloss Niche am 8. Februar 2005 einen Lizenz- und Liefervertrag mit Biogaran (im Folgenden: Biogaran-Vereinbarung) betreffend die Überlassung zum einen aller im Besitz von Niche befindlichen und für die Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen erforderlichen Informationen und Daten zu drei Arzneimitteln und zum anderen ihrer französischen Genehmigung für das Inverkehrbringen für eines dieser Arzneimittel. Im Gegenzug sollte Biogaran an Niche einen Betrag von 2,5 Mio. GBP zahlen, der nicht rückzahlbar war, und zwar auch dann nicht, wenn Biogaran die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht erhalten sollte. Biogaran musste ferner nach Erlangung ihrer Genehmigungen für das Inverkehrbringen die betreffenden Erzeugnisse bei Niche bestellen. Falls die Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Vereinbarung erteilt würden, sollte diese automatisch aufgelöst werden (Art. 14.4), ohne dass eine der Parteien Anspruch auf eine Entschädigung hätte (Art. 14.5). 34 Die zwischen Servier und Matrix geschlossene Vereinbarung (im Folgenden: Matrix-Vereinbarung) galt für alle Länder, in denen die Patente 339, 340, 341 und 947 bestanden, mit Ausnahme eines nicht zum Europäischen Wirtschaftraum (EWR) gehörenden Staates (Abschnitt 1 Abs. 1 Ziff. xiii der Matrix-Vereinbarung). 35 Mit der Matrix-Vereinbarung verpflichtete sich Matrix, bis zum gebietlichen Ablaufdatum dieser Patente kein nach dem streitigen Verfahren hergestelltes generisches Perindopril herzustellen, herstellen zu lassen, zu besitzen, einzuführen, zu liefern, seine Lieferung anzubieten oder darüber zu verfügen (Art. 1 und 2). Dagegen sollte Matrix gemäß der Vereinbarung nach dem streitigen Verfahren ohne Verletzung dieser Patente hergestelltes Perindopril nach deren Ablauf frei vertreiben können (Art. 4). Matrix war zudem verpflichtet, alle von ihr bereits geschlossenen Verträge über nach dem streitigen Verfahren hergestelltes Perindopril und über Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen solchen Perindoprils bis zum 30. Juni 2005 aufzuheben, zu kündigen oder auszusetzen (Art. 7 und 8). Ferner verpflichtete sie sich, keinen Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen von nach dem streitigen Verfahren hergestelltem Perindopril zu stellen und keinen Dritten dabei zu unterstützten, eine solche Genehmigung zu erlangen (Art. 6). Schließlich musste es Matrix unterlassen, Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 bis zu deren Ablauf außer zur Verteidigung im Rahmen einer Patentverletzungsklage zu erheben (Art. 5). 36 Im Gegenzug verpflichtete sich Servier zum einen, gegen Matrix keine auf die Patente 339, 340, 341 und 947 gestützte Klage wegen vermeintlicher Patentverletzungshandlungen aus der Zeit vor Abschluss der Matrix-Vereinbarung zu erheben (Art. 3), und zum anderen, an Matrix einen Betrag von 11,8 Mio. GBP in zwei Raten zu zahlen (Art. 9). Dieser Betrag stellte die Gegenleistung dar für die von Matrix eingegangenen Verpflichtungen sowie die „erheblichen Kosten und die potenzielle Haftung vom Matrix wegen Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von nach dem [streitigen] Verfahren hergestelltem Perindopril“. 2. Von Servier mit Teva geschlossene Vereinbarung 37 Am 13. Juni 2006 schloss Servier mit Teva eine Vergleichs- und Alleinbezugsvereinbarung (im Folgenden: Teva-Vereinbarung). Die Teva-Vereinbarung bezog sich auf Perindopril-Erbumin (Art. 1.12). 38 Gemäß den Klauseln betreffend den Vergleich verpflichtete sich Teva, sämtliches in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle stehendes und zum Verkauf im Vereinigten Königreich bestimmtes Perindopril zu vernichten (Art. 2.2). Teva durfte zudem im Vereinigten Königreich bis zur Kündigung oder zum Auslaufen der Teva-Vereinbarung oder bis zum Ablauf der Patente 339, 340, 341 und 947 kein generisches Perindopril, das nach dem von ihr entwickelten Verfahren hergestellt worden war und von Servier als Verletzung dieser Patente in der im Vereinigten Königreich bestätigten Fassung angesehen wurde, herstellen, herstellen lassen, besitzen, einführen, liefern, seine Lieferung anbieten oder darüber verfügen (Art. 2.3). Ferner verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung im Vereinigten Königreich die vorgenannten Patente nicht anzufechten, wobei es ihr nicht verwehrt war, ihr Einspruchsverfahren gegen die streitigen Patente beim EPA weiterzuverfolgen (Art. 2.4). 39 Als Gegenleistung für die von Teva eingegangenen Verpflichtungen verpflichtete sich Servier, auf alle Ansprüche gegen Teva aus einer etwaigen Verletzung der streitigen Patente im Vereinigten Königreich aus der Zeit vor Inkrafttreten der Teva-Vereinbarung zu verzichten (Art. 2.1). 40 Gemäß den Klauseln betreffend die Alleinbezugsverpflichtung verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung ihren gesamten Bedarf an zum Vertrieb im Vereinigten Königreich bestimmtem generischem Perindopril bei Servier zu decken (Art. 3.1 und 1.14). Für den Fall der Nichtlieferung durch Servier stand Teva kein Klage- oder Kündigungsrecht, sondern ein Anspruch auf eine pauschale Entschädigung in Höhe von monatlich 500000 GBP zu (Art. 1.8 und 3.8.3). 41 Gemäß ihren allgemeinen Bestimmungen wurde die Teva-Vereinbarung für eine Laufzeit von drei Jahren geschlossen und konnte um zwei weitere Jahre verlängert werden (Art. 8.1 und 8.2). Ferner sollte Servier bei Unterzeichnung der Teva-Vereinbarung gegen Vorlage einer „angemessenen Rechnung“ an Teva einen Betrag von 5 Mio. GBP zahlen als „Beitrag zu den Teva bei der Vorbereitung dieser Vereinbarung entstandenen Kosten, einschließlich und ohne Begrenzung der Kosten im Zusammenhang mit der Kündigung ihrer für das Vereinigte Königreich bestehenden Lieferverträge“ (Art. 10). 42 Am 23. Februar 2007 vereinbarten Servier und Teva einen Zusatz zur Teva-Vereinbarung (im Folgenden: Zusatz zur Teva-Vereinbarung), mit dem die tatsächliche Durchführung der Alleinbezugsverpflichtung bestätigt und ein Zeitpunkt festgesetzt wurde, ab dem Teva das von Servier gelieferte generische Perindopril sollte vertreiben können. Dieser Zeitpunkt sollte entweder einseitig von Servier festgelegt werden oder aber dem Zeitpunkt des Widerrufs bzw. des Ablaufs des Patents 947 oder dem Zeitpunkt entsprechen, zu dem Apotex im Anschluss an die Beendigung des Rechtsstreits zwischen ihr und Servier mit dem Vertrieb des generischen Perindoprils im Vereinigten Königreich beginnen würde. 3. Von Servier mit Krka geschlossene Vereinbarungen 43 Am 27. Oktober 2006 schloss Servier mit Krka eine Vergleichs- und eine Lizenzvereinbarung, die durch einen Zusatz vom 2. November 2006 ergänzt wurde. 44 Nach der mit Krka geschlossenen Vergleichsvereinbarung deckte das Patent 947 auch die entsprechenden nationalen Patente ab (Anhang B). 45 Mit dieser Vergleichsvereinbarung, die bis zum Ablauf oder bis zum Widerruf der Patente 947 oder 340 in Kraft war, verpflichtete sich Krka, auf jeden in Bezug auf das Patent 947 weltweit und in Bezug auf das Patent 340 im Vereinigten Königreich bestehenden Anspruch zu verzichten und weltweit keines dieser beiden Patente künftig anzufechten (Art. I Ziff. ii). Zudem war es Krka und ihren Tochtergesellschaften untersagt, eine das Patent 947 verletzende generische Version von Perindopril während der Laufzeit dieses Patents in den Ländern, in denen es noch gültig war, ohne ausdrückliche Genehmigung durch Servier auf den Markt zu bringen oder zu vertreiben (Art. V). Ferner durfte Krka eine das Patent 947 verletzende generische Version von Perindopril nicht ohne ausdrückliche Genehmigung durch Servier an Dritte liefern (Art. V Abs. 2) Im Gegenzug war Servier verpflichtet, die weltweit gegen Krka anhängigen, auf eine Verletzung der Patente 947 und 340 gestützten Rechtsbehelfe zurückzunehmen, einschließlich ihrer Anträge auf einstweilige Verfügung (Art. I Ziff. i). 46 Mit der mit Krka für die Dauer der Gültigkeit des Patents 947 geschlossenen Lizenzvereinbarung (Art. 5) gewährte Servier Krka eine „exklusive“ und unwiderrufliche Lizenz für das Patent 947, um ihre eigenen die Alpha-Kristallform von Erbumin enthaltenden Erzeugnisse (Art. 2) in der Tschechischen Republik, in Lettland, in Litauen, in Ungarn, in Polen, in Slowenien und in der Slowakei zu verwenden, herzustellen, zu verkaufen, zum Verkauf anzubieten, zu bewerben und einzuführen (Art. 1). Im Gegenzug war Krka verpflichtet, an Servier eine Gebühr in Höhe von 3 % ihrer Nettoverkäufe in sämtlichen genannten Gebieten abzuführen (Art. 3). Servier durfte in diesen Staaten das Patent 947 direkt oder indirekt (d. h. für eine ihrer Tochtergesellschaften oder für einen einzigen Dritten je Staat) verwenden (Art. 2). 47 Am 5. Januar 2007 schloss Servier zudem eine Übertragungs- und Lizenzvereinbarung mit Krka. 48 Gemäß der Übertragungs- und Lizenzvereinbarung übertrug Krka zwei Patentanmeldungen auf Servier, die ein Verfahren zur Synthese von Perindopril (WO 2005 113500) bzw. die Zubereitung von Perindopril-Präparaten (WO 2005 094793) betrafen (Art. 1). Die durch diese Patentanmeldungen geschützte Technologie wurde für die Herstellung des Perindoprils von Krka verwendet. 49 Krka verpflichtete sich, die Patente, die auf der Grundlage der betreffenden Anmeldungen erteilt würden, nicht anzufechten (Art. 3). 50 Als Gegenleistung für diese Übertragung zahlte Servier an Krka einen Betrag von 15 Mio. Euro für jede dieser Anmeldungen (Art. 2). 51 Servier gewährte Krka ebenfalls eine nicht ausschließliche, unwiderrufliche, nicht übertragbare und gebührenfreie Lizenz ohne Recht zur Gewährung von Unterlizenzen (außer an ihre Tochtergesellschaften) an den Anmeldungen oder den auf diese hin erteilten Patenten, wobei diese Lizenz zeitlich, räumlich und hinsichtlich ihrer möglichen Verwendung unbegrenzt war (Art. 4). 4. Von Servier mit Lupin geschlossene Vereinbarung 52 Am 30. Januar 2007 schloss Servier mit Lupin eine Vergleichsvereinbarung (im Folgenden: Lupin-Vereinbarung). 53 Damit legten beide Parteien ihre Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril bei (Art. 1.1, 1.2 und 1.4). 54 Zudem verpflichtete sich Lupin, nicht zu versuchen, sei es unmittelbar oder mittelbar, und keinen Dritten dabei zu unterstützen oder damit zu beauftragen, das Patent 947 oder irgendein von Servier oder deren Tochtergesellschaften gehaltenes Patent zum Schutz von Perindopril in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates zu widerrufen oder für ungültig erklären zu lassen oder sonst anzufechten (Art. 1.3). Ferner durften Lupin und ihre Tochtergesellschaften keine Arzneimittel, die als pharmazeutischen Wirkstoff „Perindopril[‑]Erbumin … und eines seiner Salze“ enthielten, in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates verkaufen oder zum Verkauf anbieten (Art. 1.6). Lupin durfte jedoch von Servier gelieferte Erzeugnisse oder ihr eigenes Perindopril in den Ländern vertreiben, in denen eine von Servier genehmigte generische Version von Perindopril auf dem Markt war, oder wenn sämtliche einschlägigen Patente von Servier abgelaufen waren, oder in den Ländern, in denen ein Dritter eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht und Servier keine einstweilige Verfügung zum Verbot ihres Verkaufs beantragt hatte (Art. 1.6 und 4.1). 55 Ferner schlossen Servier und Lupin im Rahmen der Lupin-Vereinbarung auch eine Vereinbarung über die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums und eine Lizenzvereinbarung. 56 Damit erwarb Servier drei von Lupin eingereichte Anmeldungen von Verfahrenspatenten für Perindopril: – die Anmeldung WO 2004/075889 (EP1603558 B1) betreffend ein neues Verfahren zur Zubereitung von Perindopril und Salzen davon für 20 Mio. Euro; – die Anmeldung WO 2006/097941 (EP1861367 A) betreffend ein neues verbessertes Verfahren zur Reinigung von Perindopril für 10 Mio. Euro; – die Anmeldung WO 2005/037788 (EP1675827 A 1) betreffend ein neues Verfahren zur Zubereitung von Perindopril-„Erbumin kristallin“ für 10 Mio. Euro. 57 Servier gewährte Lupin zudem eine nicht ausschließliche, nicht übertragbare, nicht unterlizenzfähige, gebührenfreie, permanente und unwiderrufliche Lizenz für diese drei Patentanmeldungen zur Herstellung von Perindopril in den von diesen Anmeldungen betroffenen Ländern (Art. 3.1). 58 Die Lupin-Vereinbarung sah schließlich den Abschluss eines Liefervertrags zwischen den Parteien binnen vier Wochen vor, der indes nicht abgeschlossen wurde. E. Der Erwerb von Enabling-Technologien 59 Am 3. September 2001 schlossen die Klägerinnen mit der Rolabo, SL eine Vereinbarung über den Verkauf einer von dieser am 24. Juli 2001 eingereichten Patentanmeldung betreffend einen pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril und ein chemisches Dossier für den pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril für 10 Mio. US‑Dollar (USD). 60 Am 9. November 2004 schlossen die Klägerinnen mit der Azad Pharmaceutical Ingredients AG (im Folgenden: Azad) eine Vereinbarung zur Übertragung einer von Letzterer eingereichten Patentanmeldung für zwei neue polymorphe Formen von Perindopril, Delta und Epsilon, und des entsprechenden Know-hows weltweit für 13374243 Euro. 61 Am 15. Oktober 2007 schlossen die Klägerinnen eine Grundsatzvereinbarung mit der Sandoz AG, wonach sie die von Sandoz entwickelte Technologie des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril, wenn sich diese Technologie als patentfrei und als eine gewerblich lebensfähige Quelle von Wettbewerb erweisen sollte, für einen Betrag, der 50 Mio. USD übersteigen konnte, erwerben sollten. Die Verhandlungen wurden bis Juli 2008 fortgesetzt, führten jedoch nicht zum Abschluss einer Vereinbarung. F. Die Sektoruntersuchung 62 Am 15. Januar 2008 beschloss die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, eine Untersuchung des Arzneimittelsektors auf der Grundlage von Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) einzuleiten, um zum einen die Ursachen für den Rückgang der Innovation in diesem Sektor, gemessen an der Zahl der neu auf den Markt gelangenden Arzneimittel, und zum anderen die Gründe für die Verzögerung des Markteintritts bestimmter Generika zu ermitteln. 63 Die Kommission veröffentlichte am 28. November 2008 einen Vorabbericht über die Ergebnisse ihrer Untersuchung, auf den eine öffentliche Anhörung folgte. Am 8. Juli 2009 erließ sie eine Mitteilung mit einer Zusammenfassung ihres Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors. Darin heißt es u. a., es sei angezeigt, die von den Herstellern des Originalpräparats und den Generikaherstellern in Patentrechtsstreitigkeiten geschlossenen Vergleiche weiterhin zu überwachen, um besser zu verstehen, wie diese Vereinbarungen eingesetzt würden, und um diejenigen Vereinbarungen zu ermitteln, die den Markteintritt von generischen Arzneimitteln zum Nachteil der Verbraucher der Union verzögerten und Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln darstellen könnten. Die Kommission legte in der Folge sechs Jahresberichte über die Überwachung der Vergleichsvereinbarungen in Patentsachen vor. G. Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss 64 Am 24. November 2008 führte die Kommission u. a. in den Geschäftsräumen von Servier nicht angekündigte Nachprüfungen durch. Im Januar 2009 richtete sie Auskunftsverlangen an mehrere Gesellschaften, darunter Servier. Am 2. Juli 2009 erließ die Kommission einen Beschluss über die Einleitung des Verfahrens. 65 Im August 2009 und sodann von Dezember 2009 bis Mai 2012 richtete die Kommission weitere Auskunftsverlangen an Servier. Da diese die Beantwortung verschiedener Teile der Auskunftsverlangen vom 7. Februar und 11. April 2011 betreffend die Biogaran-Vereinbarung verweigert hatte, erließ die Kommission einen Beschluss nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003. Servier lieferte die verlangten Angaben am 7. November 2011. 66 Zwischen 2009 und 2012 wurde Servier zur Teilnahme an mehreren Treffen zum Verfahrensstand eingeladen. 67 Am 27. Juli 2012 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die an mehrere Gesellschaften gerichtet war, darunter auch Servier, die am 14. Januar 2013 darauf antwortete. 68 Nach der Anhörung der betroffenen Gesellschaften am 15., 16., 17. und 18. April 2013 wurden weitere Treffen zum Verfahrensstand abgehalten und weitere Auskunftsverlangen an Servier gesandt. 69 Am 18. Dezember 2013 gewährte die Kommission Servier Einsicht in die nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gesammelten oder weiter offengelegten Beweise und übersandte eine Darstellung des Sachverhalts, auf die Servier am 31. Januar 2014 antwortete. Der Anhörungsbeauftragte legte am 7. Juli 2014 seinen Abschlussbericht vor. 70 Am 9. Juli 2014 erließ die Kommission den Beschluss C(2014) 4955 final in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]), der den Klägerinnen am 11. Juli 2014 bekannt gegeben wurde. 71 Die Kommission befand, dass die Klägerinnen zum einen gegen Art. 101 AEUV verstoßen hätten, indem sie sich an fünf Pay-for-Delay-Vergleichen über Patente beteiligt hätten (Art. 1 bis 5 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen gegen Art. 102 AEUV, indem sie eine Ausschlussstrategie, die den Markt für Perindopril-Präparate in Frankreich, in den Niederlanden, in Polen und im Vereinigten Königreich sowie den Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril abdecke, erarbeitet und durch einen Technologieerwerb sowie fünf Vergleichsvereinbarungen durchgeführt hätten (Art. 6 des angefochtenen Beschlusses). 72 Wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen folgende Geldbußen in Höhe von insgesamt 289727200 Euro (Art. 7 Abs. 1 bis 5 des angefochtenen Beschlusses): – wegen der Niche-Vereinbarung 131532600 Euro, gemeinschaftlich und gesamtschuldnerisch mit Biogaran; – wegen der Matrix-Vereinbarung 79121700 Euro; – wegen der Teva-Vereinbarung 4309000 Euro; – wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen 37661800 Euro; – wegen der Lupin-Vereinbarung 37102100 Euro. 73 Wegen der Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV verhängte die Kommission gegen die Klägerinnen eine Geldbuße von 41270000 Euro (Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses). II. Verfahren und Anträge der Parteien 74 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 21. September 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. 75 Die Klägerinnen beantragen, – die Art. 1 bis 8 des angefochtenen Beschlusses ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, soweit diese sie betreffen; – hilfsweise, die ihnen auferlegten Geldbußen für nichtig zu erklären oder ganz erheblich herabzusetzen; – ihnen eine vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses im Rahmen der von Biogaran und den übrigen Adressaten dieses Beschlusses erhobenen Klagen zugutekommen zu lassen; – der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 76 Die Kommission beantragt, – die Klage abzuweisen; – den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen. 77 Mit am 2. Februar 2015 eingereichtem Schriftsatz hat die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (im Folgenden: EFPIA oder Streithelferin) beantragt, sie als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zum Rechtsstreit zuzulassen. 78 Die Klägerinnen und die Kommission haben beantragt, bestimmte Angaben in der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung, der Gegenerwiderung, der Antwort auf bestimmte prozessleitende Maßnahmen, den Stellungnahmen zu diesen Antworten und der Stellungnahme der Klägerinnen zum Streithilfeschriftsatz vertraulich zu behandeln. 79 Mit Beschluss vom 14. Oktober 2015 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die EFPIA als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen zugelassen. Da die EFPIA den Anträgen auf vertrauliche Behandlung nicht entgegengetreten ist, hat das Gericht nicht über deren Begründetheit entschieden. 80 Die Streithelferin beantragt, – den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft; – ihre Kosten der Kommission aufzuerlegen. 81 Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a und d der Verfahrensordnung des Gerichts ist die Kommission zur Vorlage von Dokumenten aufgefordert worden, die insbesondere die Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen, die Berechnung der Geldbuße und die im angefochtenen Beschluss als vertraulich behandelten Daten zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen betreffen. Sie hat ihre Antworten fristgemäß übermittelt. 82 Im Zuge einer Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts ist der Berichterstatter der Neunten Kammer zugeteilt worden, der deshalb die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist. 83 Auf Vorschlag der Neunten Kammer hat das Gericht gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper verwiesen. 84 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. a der Verfahrensordnung schriftliche Fragen zur Beantwortung in der mündlichen Verhandlung gestellt. 85 Am 24. Februar 2017 hat das Gericht die Parteien gemäß Art. 89 Abs. 3 Buchst. e zu einer informellen Sitzung vor dem Präsidenten der Neunten Kammer und Berichterstatter geladen, um die Einzelheiten des Ablaufs der mündlichen Verhandlung und die vertrauliche Behandlung bestimmter Daten zu erörtern. Die Klägerinnen und die Kommission haben an dieser Sitzung teilgenommen, die am 3. Mai 2017 beim Gericht stattgefunden hat. 86 Die Parteien haben in der Sitzung, die vom 6. bis 9. Juni 2017 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. III. Rechtliche Würdigung A. Zur Zulässigkeit 1. Zur Zulässigkeit des dritten Klageantrags a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 89 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Klagen unverzichtbare Prozessvoraussetzungen, deren Vorliegen der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und gegebenenfalls muss (Urteile vom 21. März 2002, Joynson/Kommission,T‑231/99, EU:T:2002:84, Rn. 154, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 53). Obwohl die Kommission die Zulässigkeit des dritten Klageantrags nicht in ihren Schriftsätzen, sondern lediglich in der Sitzung in Beantwortung einer Frage des Gerichts bestritten hat, hat das Gericht sie folglich von Amts wegen zu prüfen. 90 Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Verfahren vor dem Gericht Anwendung findet, und Art. 44 § 1 Buchst. c und d der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991, die zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage anwendbar war, muss die Klageschrift den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Mit diesem Erfordernis wird bezweckt, hinreichend klare und genaue Angaben zu erhalten, damit der Beklagte sich zweckmäßig verteidigen und der Unionsrichter – gegebenenfalls ohne sich auf weitere Informationen zu stützen – seine gerichtliche Kontrolle ausüben kann (Urteile vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission, T‑37/91, EU:T:1995:119, Rn. 42, vom 24. Februar 2000, ADT Projekt/Kommission, T‑145/98, EU:T:2000:54, Rn. 66, und vom 16. März 2004, Danske Busvognmænd/Kommission, T‑157/01, EU:T:2004:76, Rn. 45). Somit genügt, wie die Kommission in der Sitzung geltend gemacht hat, eine allgemeine Bezugnahme auf die Klagegründe und Argumente, die zur Stützung einer in einer konnexen Rechtssache erhobenen Klage angeführt werden, diesem Erfordernis nicht (Urteil vom 24. März 2011, Legris Industries/Kommission, T‑376/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:107, Rn. 32). 91 Allerdings hat der Unionsrichter bisweilen nicht ausdrücklich in der Klageschrift dargestellte Klagegründe wegen einer solchen Verweisung als ordnungsgemäß geltend gemacht zugelassen, wenn der Kläger auf seine eigenen Schriftsätze in einer anderen Rechtssache verwiesen hat (Urteil vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 61 und 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). In diesen Fällen waren die Parteien identisch, wie auch die sie vertretenden Bevollmächtigten und Anwälte. Demgegenüber ist das Gericht der Ansicht, dass es eine Umgehung der zwingenden Anforderungen von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ermöglichen würde, wenn Klagegründe, die nicht ausdrücklich in der Klageschrift dargestellt worden sind, mit der Begründung als zulässig angesehen würden, dass sie von einem Dritten in einer anderen Rechtssache geltend gemacht worden sind, auf die in der Klageschrift verwiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 63 und 64, vom 27. September 2012, Dura Vermeer Infra/Kommission, T‑352/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:483, Rn. 25 und 26, vom 27. September 2012, Koninklijke BAM Groep/Kommission, T‑355/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:486, Rn. 26 und 27, und vom 27. September 2012, Heijmans/Kommission, T‑360/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:490, Rn. 25 und 26). Schließlich ist zu beachten, dass nach dem namentlich in Art. 43 § 1 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 niedergelegten Grundsatz jede Partei für den Inhalt der von ihr eingereichten Schriftsätze selbst verantwortlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Juni 1995, ICI/Kommission, T‑37/91, EU:T:1995:119, Rn. 46, und vom 14. Dezember 2005, Honeywell/Kommission, T‑209/01, EU:T:2005:455, Rn. 66). Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Klägerinnen sich auf eine gegebenenfalls von Dritten erwirkte Nichtigerklärung zu berufen wünschen und dass folglich weder die Parteien noch ihre Vertreter identisch sind. 92 Zudem stellt ein mehrere Unternehmen betreffender Wettbewerbsbeschluss, obgleich er in Form eines einzigen Beschlusses abgefasst und veröffentlicht worden ist, ein Bündel von Einzelbeschlüssen dar, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten des Beschlusses sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und diesem gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 49, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 100). Wie der Gerichtshof entschieden hat, wird der Unionsrichter, wenn ein Adressat eines Beschlusses Nichtigkeitsklage erhebt, nur mit den Teilen des Beschlusses befasst, die diesen Adressaten betreffen, während diejenigen Teile, die andere Adressaten betreffen, die den Beschluss nicht angefochten haben, nicht Teil des Streitgegenstands sind, über den der Unionsrichter zu entscheiden hat (Urteile vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 53, vom 29. März 2011, ArcelorMittal Luxembourg/Kommission und Kommission/ArcelorMittal Luxembourg u. a., C‑201/09 P und C‑216/09 P, EU:C:2011:190, Rn. 142, und vom 11. Juli 2013, Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66). Folglich hat nach Ansicht des Gerichtshofs ein Punkt der Begründung eines Nichtigkeitsurteils keine Verbindlichkeit für Personen, die nicht Partei des Verfahrens waren und für die das Urteil daher keine wie auch immer geartete Entscheidung enthalten kann (Urteil vom 14. September 1999, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., C‑310/97 P, EU:C:1999:407, Rn. 55). Somit entfaltet die Nichtigerklärung eines Einzelfallbeschlusses zwar Erga-omnes-Wirkung und ist für jedermann verbindlich, sie kommt aber – anders als bei der Nichtigerklärung eines Rechtsakts mit allgemeiner Geltung – nicht jedem zugute (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, Emesa-Trefilería und Industrias Galycas/Kommission, T‑406/10, EU:T:2015:499, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). 93 Allerdings hat der Gerichtshof diesen Grundsatz im Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 43 bis 49), nuanciert, in dem er befunden hat, dass das Gericht, weil sich die Haftung der Muttergesellschaft ausschließlich von der Haftung der Tochtergesellschaft ableitete und Mutter- und Tochtergesellschaft Parallelklagen mit demselben Streitgegenstand erhoben hatten, nicht ultra petita entschieden hat, indem es das Ergebnis der von der Tochtergesellschaft erhobenen Klage berücksichtigt und die streitige Entscheidung für den fraglichen Zeitraum auch hinsichtlich der Muttergesellschaft für nichtig erklärt hat, obwohl diese das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den gesamten von ihrer Tochtergesellschaft bestrittenen Zeitraum nicht selbst bestritten hatte. Nach Ansicht des Gerichtshofs setzt jedoch die Anwendung einer solchen Lösung auf die gegen eine Muttergesellschaft, deren Haftung sich ausschließlich von der Haftung ihrer Tochtergesellschaft ableitet, verhängte Geldbuße voraus, dass besondere Umstände vorliegen, namentlich, dass die beiden Gesellschaften Klagegründe mit „demselben Streitgegenstand“ angeführt haben und dass die klagende Muttergesellschaft solche Umstände geltend macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocation/Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66). 94 Der Gerichtshof hat den Begriff „derselbe Streitgegenstand“ jedoch nicht definiert und seine Haltung zu der Frage, ob das Vorliegen besonderer Umstände, wie sie im Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), in Rede standen, vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist, weiterentwickelt. Er hat diese Lösung zunächst in dem Fall angewandt, in dem die beiden Gesellschaften die Dauer der Zuwiderhandlung bestritten hatten und ein Teil dieses Zeitraums identisch war (Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins, C‑286/11 P, EU:C:2013:29, Rn. 43 und 44). Er hat aber auch ein Urteil des Gerichts, in dem dieses in einem Fall, in dem die Tochtergesellschaft eine Herabsetzung der ihr auferlegten Geldbuße wegen fehlerhafter Berücksichtigung ihrer Zusammenarbeit nach der Kronzeugenregelung erwirkt hatte, so vorgegangen war, unter Hinweis darauf bestätigt, dass im vorliegenden Fall die Muttergesellschaft hilfsweise beantragt hatte, die ihrer Tochtergesellschaft und ihr selbst gesamtschuldnerisch auferlegte Geldbuße herabzusetzen, und dass einige ihrer Klagegründe „u. a. die Rechtfertigung einer solchen Herabsetzung zum Gegenstand hatten“ (Urteil vom 26. September 2013, Alliance One International/Kommission, C‑679/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:606, Rn. 103 bis 107). Schließlich hat der Gerichtshof mit einem Urteil vom 17. September 2015, Total/Kommission (C‑597/13 P, EU:C:2015:613, Rn. 31 bis 42), ein Urteil des Gerichts aufgehoben, mit dem dieses in dem die Muttergesellschaft betreffenden Urteil die Herabsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt hatte, die ihrer Tochtergesellschaft in einem an demselben Tag erlassenen Urteil wegen der von der Kommission bei der Berechnung der Geldbuße angewandten Methode zur Bestimmung des Multiplikationsfaktors für die Dauer der Zuwiderhandlung gewährt worden war. Die Muttergesellschaft hatte indes weder einen solchen Klagegrund geltend gemacht (sie hatte dagegen die Dauer der Zuwiderhandlung bestritten) noch beantragt, ihr eine Herabsetzung der Geldbuße zugutekommen zu lassen, falls ihrer Tochtergesellschaft eine solche gewährt werden sollte. 95 Im vorliegenden Fall hat Biogaran, eine Tochtergesellschaft von Servier, ebenfalls eine Klage (über die mit Urteil vom heutigen Tag, Biogaran/Kommission, T‑677/14, entschieden worden ist) gegen die Art. 1, 7 und 8 des angefochtenen Beschlusses erhoben. Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, unterscheiden sich jedoch die Umstände der vorliegenden Rechtssache von denen in der Rechtssache, die mit dem Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, EU:C:2013:29), entschieden worden ist, und denen, zu der die darauffolgende Rechtsprechung ergangen ist, und zwar insbesondere dadurch, dass die Haftung der Klägerinnen nicht ausschließlich von der ihrer Tochtergesellschaft Biogaran abgeleitet ist (Rn. 3006 bis 3013 des angefochtenen Beschlusses). Zudem kann der Antrag der Klägerinnen, ihnen eine zugunsten von Biogaran ausgesprochene Nichtigerklärung zugutekommen zu lassen, jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die von Biogaran in der Rechtssache, in der das Urteil vom heutigen Tag, Biogaran/Kommission (T‑677/14), ergangen ist, erhobene Klage abgewiesen worden ist. 96 Die Klägerinnen machen auch geltend, eine von einem anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses erwirkte Nichtigerklärung müsse ihnen zugutekommen, „um jede unterschiedliche Behandlung von rechtlich und tatsächlich identischen Situationen zu vermeiden“. Ein solches Vorgehen sei sowohl wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung als auch durch eine „allgemeine Kohärenzpflicht“ geboten. 97 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerter allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der es gebietet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission u. a., C‑550/07 P, EU:C:2010:512, Rn. 54 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Ein mehrere Unternehmen betreffender Wettbewerbsbeschluss stellt aber, obgleich er in Form eines einzigen Beschlusses abgefasst und veröffentlicht worden ist, ein Bündel von Einzelbeschlüssen dar, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten des Beschlusses sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und ihm gegebenenfalls eine Geldbuße auferlegt wird (siehe oben, Rn. 92). Diese Unternehmen befinden sich somit a priori und vorbehaltlich von Ausnahmen in unterschiedlichen Situationen. Demzufolge erlaubt es der Grundsatz der Gleichbehandlung dem Unionsrichter nicht, von den für die Zulässigkeit der Anträge geltenden Verfahrensregeln abzuweichen und einem Unternehmen, das Adressat eines wettbewerbsrechtlichen Beschlusses ist, eine Nichtigerklärung dieses Beschlusses zugutekommen zu lassen, die ein anderer Adressat desselben auf der Grundlage von nur von ihm geltend gemachten Klagegründen erwirkt hat. 98 Zudem kann die Pflicht des Gerichts zur Begründung seiner Urteile nicht so weit gehen, dass es die in einer Rechtssache gewählte Lösung gegenüber der in einer anderen von ihm entschiedenen Rechtssache gewählten zu rechtfertigen hätte, selbst wenn sie denselben Beschluss betreffen sollte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2013, Team Relocation/Kommission, C‑444/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:464, Rn. 66). 99 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der dritte Antrag der Klägerinnen, ihnen eine Nichtigerklärung zugutekommen zu lassen, die etwa von anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage der von diesen geltend gemachten Klagegründe erwirkt worden ist, unzulässig ist. Selbst wenn dieser Antrag zulässig sein sollte, ist er im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen, da die Klägerinnen, wie sich aus den vorstehenden Rn. 92 bis 98 ergibt, eine zugunsten der anderen Adressaten des angefochtenen Beschlusses gewählte Lösung nicht mit Erfolg zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen können. 2. Zur Zulässigkeit einiger Anlagen zur Klageschrift a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 102 Die Kommission macht in erster Linie geltend, die Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift seien gemäß dem Grundsatz iura novit curia unzulässig. Die Anlagen, die lediglich eine Beweis- und Hilfsfunktion hätten, könnten nicht verwendet werden, um eine Auffassung zu einer Frage des Unionsrechts geltend zu machen oder zu vertiefen, deren Beurteilung allein Sache des Gerichts sei. Sie beruft sich hierfür auf die Urteile vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM (C‑263/09 P, EU:C:2011:452, Rn. 53), und vom 20. März 2013, El Corte Inglés/HABM – Chez Gerard (CLUB GOURMET) (T‑571/11, EU:T:2013:145, Rn. 35), wonach der Grundsatz iura novit curia nur für das Unionsrecht und nicht für nationales Recht gelte. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz bedeutet, dass die Bestimmung des Sinns des Gesetzes allein Sache des Richters und nicht der Parteien ist. Die Rechtsprechung hat diesen Grundsatz angewandt, um hervorzuheben, dass der Richter, obzwar er nur über das Begehren der Parteien zu entscheiden hat, deren Sache es ist, den Rahmen des Rechtsstreits abzugrenzen, nicht verpflichtet sein kann, allein die Argumente zu berücksichtigen, auf die diese ihr Vorbringen gestützt haben, da er seine Entscheidung sonst gegebenenfalls auf unzutreffende rechtliche Erwägungen stützen müsste (Beschlüsse vom 27. September 2004, UER/M6 u. a., C‑470/02 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:565, Rn. 69, und vom 13. Juni 2006, Mancini/Kommission, C‑172/05 P, EU:C:2006:393, Rn. 41, sowie Urteile vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 65, und vom 8. Juli 2010, Kommission/Putterie-De-Beukelaer, T‑160/08 P, EU:T:2010:294, Rn. 65). Nach diesem Grundsatz fällt die Bestimmung des Sinns einer Rechtsvorschrift auch nicht in den Geltungsbereich eines Grundsatzes, wonach die Parteien über den Rechtsstreit frei verfügen können, so dass der Unionsrichter nicht verpflichtet ist, den Parteien die Auslegung, die er vornehmen wird, mitzuteilen, damit diese hierzu Stellung nehmen können (vgl. Urteil vom5. Oktober 2009, Kommission/Roodhuijzen, T‑58/08 P, EU:T:2009:385, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung), solange der Richter die Verpflichtung beachtet, den Parteien die Kenntnis sowohl der tatsächlichen wie der rechtlichen Umstände zu ermöglichen, die für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sind (Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 56). Dieser Grundsatz kann jedoch nicht bedeuten, dass Anlagen zur Klageschrift, die sich auf die Auslegung des Unionsrechts beziehen, unzulässig wären. 103 Die von der Kommission erhobene Rüge der Unzulässigkeit scheint zudem dadurch motiviert zu sein, dass die beiden fraglichen Anlagen Gutachten zugunsten der Klägerinnen enthalten, die Sir Jacobs und Frau Macken als Anwälte erstattet haben, wobei deren Eigenschaft als ehemalige Mitglieder des Gerichtshofs allgemein bekannt ist und die Klägerinnen sich auf diese Eigenschaft berufen. Auf die in der Sitzung gestellte Frage, ob sie durch das Bestreiten der Zulässigkeit dieser Rechtsgutachten geltend machen wolle, dass diese ehemaligen Mitglieder des Gerichtshofs ihre Pflichten aus dem Verhaltenskodex für die ehemaligen Mitglieder des Gerichtshofs der Europäischen Union (ABl. 2007, C 223, S. 1), insbesondere aus dessen Art. 6 über die Verpflichtung der Mitglieder nach dem Ende ihrer Amtszeit, missachtet hätten, hat die Kommission geantwortet, dass dies nicht ihre Absicht sei. Das Gericht hat dies im Sitzungsprotokoll vermerkt. 104 Hilfsweise macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung sei ein der Klageschrift als Anlage beigefügtes Rechtsgutachten nur zulässig, um die wesentlichen Gesichtspunkte, die in der Klageschrift enthalten sein müssten, zu untermauern und zu ergänzen, sofern die einschlägigen Abschnitte der Anlagen in der Klageschrift genau bezeichnet und in Bezug genommen seien. Hinsichtlich einiger Klagegründe enthielten aber im vorliegenden Fall die Ausführungen und Argumente in den Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift das wesentliche, wenn nicht gar das gesamte Vorbringen der Klägerinnen. 105 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 90 angeführten Rechtsprechung gemäß Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991, die zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage anwendbar war, die Klageschrift den Streitgegenstand, die Anträge und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass es für die Zulässigkeit eines Klagegrundes erforderlich ist, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die er gestützt ist, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus dem Text der Klageschrift ergeben. 106 Der Text der Klageschrift kann zwar zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Elemente der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach den oben genannten Vorschriften in der Klageschrift enthalten sein müssen. Es ist nicht Sache des Gerichts, die Gründe und Argumente, auf die sich der Rechtsbehelf möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann das Gericht im vorliegenden Fall die Anlagen A 2 und A 3 zur Klageschrift nur insoweit berücksichtigen, als sie Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen, die die Klägerinnen in der Klageschrift ausdrücklich angeführt haben, und genau bestimmt werden kann, welche darin enthaltenen Elemente die fraglichen Klagegründe oder Argumente untermauern oder ergänzen (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 99). 107 Was im Einzelnen die Anlage A 2 zur Klageschrift angeht, ist entgegen dem Vorbringen der Kommission festzustellen, dass die wesentliche Argumentation der Klägerinnen sehr wohl in der Klageschrift selbst enthalten ist und dass die in dieser Anlage dargelegten Elemente nur Klagegründe und Argumente in bestimmten Punkten untermauern und ergänzen, die in der Klageschrift enthalten sind und die das Gericht unschwer bestimmen kann. 108 So haben die Klägerinnen in Rn. 103 der Klageschrift festgestellt, im angefochtenen Beschluss werde anerkannt, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten im Allgemeinen ein legitimes Ziel verfolgten und dass die Mitgliedstaaten den Abschluss solcher Vergleiche förderten. In Rn. 24 der Anlage A 2 zur Klageschrift, auf die in deren Rn. 103 verwiesen wird, heißt es ebenfalls, dass die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten von hohem öffentlichem Interesse sei, dass zahlreiche nationale Rechtssysteme das Bemühen um einen Vergleich förderten oder gar vorschrieben, bevor eine Klage bei Gericht erhoben werden könne, und dass der angefochtene Beschluss dadurch, dass er das Recht zum Abschluss eines Vergleichs beschränke, dieser Politik zuwiderlaufe und den Beteiligten sowie den Gerichten unnötige Kosten verursache. Da die Klägerinnen damit in Rn. 24 der Anlage A 2 zur Klageschrift Argumente angeführt haben, durch die die in der Klageschrift selbst ausdrücklich angeführten Gesichtspunkte lediglich untermauert und ergänzt werden, sind diese Argumente zulässig. 109 In Bezug auf die Rn. 29 und 818 der Klageschrift, zu denen die Kommission geltend macht, die Klägerinnen hätten dort lediglich auf das Gutachten von Sir Jacobs Bezug genommen, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in den Rn. 816 bis 822 der Klageschrift eingehend ihre Auffassung dargelegt haben, dass die Kommission wegen der Neuheit und Unvorhersehbarkeit des von ihr vertretenen Standpunkts gegen sie keine Geldbuße habe verhängen können, und dass die Rn. 70 und 76 der Anlage A 2 zur Klageschrift in dieser Hinsicht keine neuen Argumente oder Ausführungen enthalten. 110 Zu Rn. 147 der Klageschrift, in der die Klägerinnen ausführen, dass der von ihnen vertretene Ansatz zur Bestimmung der Art. 101 AEUV zuwiderlaufenden Vergleichsvereinbarungen im Einklang mit dem Urteil des Supreme Court of the United States vom 17. Juni 2013, Federal Trade Commission v. Actavis (570 U. S. [2013], im Folgenden: Urteil Actavis), stehe, ist festzustellen, dass dort in Fn. 153 auf die Rn. 32 und 33 der Anlage A 2 zur Klageschrift verwiesen wird. In Rn. 32 dieser Anlage untermauern die Klägerinnen jedoch lediglich dieses Argument, und in Rn. 33 dieser Anlage machen sie nur geltend, dass die Bedeutung des Urteils Actavis nicht auf einen nicht unter das Unionsrecht fallenden nationalen Zusammenhang beschränkt werden könne und dass der Standpunkt des Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) wegen des Rufes und der Erfahrung dieses Gerichts im Wettbewerbsrecht besondere Beachtung verdiene. Folglich sind diese Argumente zulässig. 111 Zur Anlage A 3 zur Klageschrift ist mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerinnen zwar in Rn. 11 der Klageschrift die Haltung der Kommission als nicht neutral im Hinblick auf die Rechte des geistigen Eigentums bezeichnen, sich aber mit einem Verweis auf die Rn. 8, 15, 31, 34 und 41 der Anlage A 3 zur Klageschrift begnügen, in denen Frau Macken ausführt, dass zwischen den einzelnen Bereichen des geistigen Eigentums unterschieden werden müsse, dass die Einräumung eines Monopols auf Patente das Gegenstück zur Offenlegung der Erfindung gegenüber dem Publikum sei und dass die Kommission den Begriff „Marktexklusivitätsrecht“ im angefochtenen Beschluss unrichtig verwendet und das EPÜ fehlerhaft ausgelegt habe. Folglich sind diese Argumente unzulässig, mit Ausnahme desjenigen zur Einräumung eines Monopols auf Patente als Gegenstück zur Offenlegung der Erfindung gegenüber dem Publikum. In Rn. 67 der Klageschrift haben die Klägerinnen nämlich darauf hingewiesen, dass die Kommission „diesen wesentlichen Aspekt der Patente – ihre der Verbreitung der Erfindungen dienende Veröffentlichung – völlig ignoriert“ habe. 112 In Rn. 68 der Klageschrift machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe die Ausführungen des Richters des Court of Appeal (England & Wales) (Civil division) (Berufungsgericht [England und Wales] [Zivilabteilung]) im Urteil vom 9. Mai 2008, mit dem das von Servier eingelegte Rechtsmittel gegen das Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) zurückgewiesen worden sei, verzerrt zitiert, und werfen der Kommission vor, das Gutachten von Professor S., das die Klägerinnen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt hätten, nicht berücksichtigt zu haben. Sie verweisen darüber hinaus auf die Rn. 113 bis 117 der Anlage A 3 zur Klageschrift. In diesen Randnummern beschränkt sich jedoch Frau Macken nicht auf die Ergänzung oder Vertiefung dieser Argumente, sondern führt aus, die Kommission habe die Beweise, die ihr den Schluss auf die Ungültigkeit des Patents 947 erlaubt hätten, fehlerhaft herangezogen. Damit bringt sie Argumente vor, mit denen die Auslegung in Frage gestellt werden soll, die die Kommission der in den Rn. 127 und 185 des angefochtenen Beschlusses erwähnten Erklärung der für Patente zuständigen Direktorin der Klägerin, der in Rn. 883 dieses Beschlusses genannten Erklärung des Rechtsberaters von Krka und der in Rn. 895 dieses Beschlusses erwähnten Erklärung des Verkaufsdirektors von Krka für Osteuropa gegeben hat. Diese Argumente sind daher unzulässig. 113 Zu Rn. 76 der Klageschrift ist mit der Kommission ebenfalls festzustellen, dass die Klägerinnen zwar in Fn. 79 der Klageschrift die Übersendung von Mahnschreiben als legitim bezeichnet, sich jedoch damit begnügt haben, auf die Rn. 58 bis 67 der Anlage A 3 zur Klageschrift zu verweisen, um die Gründe darzulegen, die die Feststellung erlaubten, dass diese Übersendung legitim gewesen sei. Die in der Anlage A 3 zur Klageschrift hierzu vorgetragenen Argumente sind daher unzulässig. 114 In Rn. 103 der Klageschrift stellen die Klägerinnen lediglich fest, dass im angefochtenen Beschluss anerkannt werde, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten im Allgemeinen ein legitimes Ziel verfolgten und dass die Mitgliedstaaten den Abschluss solcher Vergleiche förderten. Dagegen wird in den Rn. 50 bis 54 der Anlage A 3 zur Klageschrift, auf die in Rn. 103 der Klageschrift (Fn. 113) verwiesen wird, der Kommission vorgeworfen, die eingehend dargelegten weltweit angewandten Vergleichspraktiken nicht ausreichend evaluiert zu haben. 115 In Rn. 46 der Erwiderung machen die Klägerinnen geltend, der Gedanke, es sei vorzuziehen, dass jeder Rechtsstreit zu einem Urteil führe, laufe „den derzeitigen Überlegungen zum Gerichtsverfahren zuwider“, wobei sie auf Rn. 112 der Anlage A 3 zur Klageschrift verweisen, in der es heißt, dass der Ansatz der Kommission der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2008, L 136, S. 3) zuwiderlaufe. Da diese Argumente nicht lediglich die in der Klageschrift selbst ausdrücklich angeführten Gesichtspunkte untermauern oder ergänzen, sind sie unzulässig. 116 Schließlich haben die Klägerinnen in Rn. 262 der Klageschrift ausgeführt, für Teva sei es von wesentlicher Bedeutung gewesen, als einer der ersten Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs einzutreten, wobei sie auf Rn. 90 der Anlage A 3 zur Klageschrift verwiesen haben. Entgegen dem Vorbringen der Kommission haben die Klägerinnen in dieser Randnummer der Anlage A 3 zur Klageschrift diesen Vortrag lediglich untermauert und ergänzt mit dem Hinweis auf die Gründe, aus denen ein Generikahersteller nur dann am Eintritt in einen Markt interessiert sei, wenn er dabei zu den Ersten gehöre. Demzufolge sind die hierzu in der Anlage A 3 zur Klageschrift vorgebrachten Argumente zulässig. B. Zur Begründetheit 1. Zur Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit und des Rechts auf gute Verwaltung a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 119 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zu den Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, u. a. der in Art. 41 der Charta der Grundrechte verankerte Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gehört, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, EU:T:2003:245, Rn. 404, und vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, EU:T:2012:478, Rn. 170). Dieses Unparteilichkeitsgebot umfasst zum einen die subjektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass kein mit der Sache betrautes Mitglied des betroffenen Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile zum Ausdruck bringen darf, und zum anderen die objektive Unparteilichkeit in dem Sinne, dass das Organ hinreichende Garantien bieten muss, um jeden berechtigten Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen (Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 155 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) eingestuft werden kann, so dass das Verwaltungsverfahren vor der Kommission in Kartellsachen Art. 41 der Charta der Grundrechte und nicht deren Art. 47 unterliegt (vgl. Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission, C‑439/11 P, EU:C:2013:513, Rn. 154 und die dort angeführte Rechtsprechung). 120 Die Klägerinnen berufen sich auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR). Als Erstes führen sie das Urteil des EGMR vom 25. März 2008, Vitan/Rumänien (CE:ECHR:2008:0325JUD004208402), an, das die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Unschuldsvermutung betrifft und in dem der EGMR eine Verletzung dieser Bestimmung festgestellt hat, weil der mit den strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Kläger beauftragte Staatsanwalt diesen bei einer Pressekonferenz als der missbräuchlichen Einflussnahme schuldig bezeichnet hat, obwohl dessen Schuld noch nicht rechtmäßig festgestellt war, und weil er „seine Äußerungen nicht nuanciert und nicht darauf geachtet hat, sie in den Zusammenhang des Strafverfahrens gegen den Kläger zu stellen“ (§§ 70 und 71). Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR eine Verletzung der Unschuldsvermutung nicht nur von einem Richter oder einem Gericht ausgehen kann, sondern auch von anderen Behörden, dass es von großer Bedeutung ist, wie die Staatsbediensteten ihre Worte in den Erklärungen wählen, die sie abgeben, bevor gegen eine Person ein Urteil ergeht und sie schuldig gesprochen wird, und dass es für die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EMRK auf den wirklichen Sinn der Erklärungen und nicht auf ihren Wortlaut ankommt (vgl. EGMR, 15. März 2011, Begu/Rumänien, CE:ECHR:2011:0315JUD002044802, § 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der EGMR erkennt jedoch an, dass Art. 6 Abs. 2 EMRK in Anbetracht ihres Art. 10, der die Freiheit der Meinungsäußerung schützt, die Behörden nicht daran hindern kann, die Öffentlichkeit über laufende Strafverfahren zu unterrichten, aber verlangt, dies mit der Diskretion und Zurückhaltung zu tun, die die Wahrung der Unschuldsvermutung gebietet (EGMR, 10. Februar 1995, Allenet de Ribemont/Frankreich, CE:ECHR:1995:0210JUD001517589, § 38). 121 Als Zweites führen die Klägerinnen das Urteil des EGMR vom 16. September 1999, Buscemi/Italien (CE:ECHR:1999:0916JUD002956995), an, in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK und des Rechts jeder Person darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen und unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren gehört wird, festgestellt hat, weil der Vorsitzende des Gerichts öffentlich Ausdrücke, die eine negative Beurteilung der Sache des Klägers nahelegten, verwendet hat, bevor er den Vorsitz des zur Entscheidung dieser Rechtssache berufenen Gerichts geführt hat (§§ 68 und 69). Der EGMR hat in diesem Urteil weiter ausgeführt, dass die zur Entscheidung berufenen Gerichte zu größtmöglicher Diskretion verpflichtet sind, um ihr Bild als unparteiische Richter zu gewährleisten, und dass diese Diskretion sie dazu veranlassen muss, sich nicht der Presse zu bedienen, und zwar auch nicht zur Antwort auf Provokationen (§ 67). Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte die Kommission nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 EMRK einzustufen ist (siehe oben, Rn. 119). 122 Die Klägerinnen führen ferner das Urteil vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, EU:T:2008:257, Rn. 210 bis 219), an, in dem das Gericht im Rahmen einer Schadensersatzklage festgestellt hat, dass das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der guten Verwaltung sowie seine Pflicht zur Vertraulichkeit verletzt hat, indem es die Verbreitung sensibler Punkte von Untersuchungen in der Presse herbeigeführt und angegeben hat, dass die Kläger eines „groß angelegten Vorhabens zur Plünderung von [Unions]mitteln“ verdächtig sind (Rn. 216). 123 Das Gericht hat zudem bereits Klarstellungen zur Pflicht zur Unparteilichkeit und zur Wahrung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung vorgenommen, die der Kommission in Wettbewerbssachen obliegt. So hat es im Urteil vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission (T‑31/99, EU:T:2002:77, Rn. 99 und 107), einen Klagegrund zurückgewiesen, mit dem die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung in einem Fall geltend gemacht worden war, in dem sich die Klägerin bei ihrer Anhörung vor der Kommission einer abwertenden Bemerkung in Bezug auf ihren Ruf und einer Reihe tendenziöser Fragen zu von ihr nicht mehr bestrittenen Tatsachen seitens eines mit dem Fall, der Gegenstand des angefochtenen Beschlusses war, betrauten Beamten der Kommission ausgesetzt gesehen hatte und sich derselbe Beamte bei einer Konferenz zu Fragen des Wettbewerbsrechts unter Verwendung eines Zitats geäußert hatte, das die Aktivitäten der Klägerin diskreditierte. Das Gericht hat anerkannt, dass diese Bemerkungen von unbedachten Verhaltens- und Ausdrucksweisen eines Mitglieds der bei der Kommission mit dem vorliegenden Fall betrauten Gruppe zeugten, und darauf hingewiesen, dass sich der Generaldirektor der Generaldirektion (GD) Wettbewerb der Kommission im Anschluss an diese bei der Konferenz gefallene Bemerkung bei der Klägerin entschuldigt hat; es hat diese Bemerkungen jedoch nicht als geeignet angesehen, Zweifel an der Sorgfalt und Unparteilichkeit zu wecken, mit der die Kommission ihre Untersuchung der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung durchgeführt hat, und befunden, dass das bedauerliche Verhalten eines Mitglieds der mit einer Sache betrauten Gruppe für sich genommen die Rechtmäßigkeit der vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffenen Entscheidung nicht beeinträchtigt. 124 Zur Kumulierung der Funktionen der Ermittlung und der Sanktion von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln durch die Kommission hat der Gerichtshof entschieden, dass sie für sich genommen nicht gegen Art. 6 EMRK in seiner Auslegung durch den EGMR verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2013, Schindler Holding u. a./Kommission, C‑501/11 P, EU:C:2013:522, Rn. 33 und 34), und das Gericht hat in ihr keine Verletzung des Gebots der Unparteilichkeit gesehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 65 bis 67). Das Fehlen einer Trennung zwischen der Ermittlungs- und der Sanktionsfunktion innerhalb der Dienststellen der Kommission bedingt jedoch eine besondere Verantwortung der Mitglieder der Kommission, insbesondere des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds, sich jeder Parteinahme bei der Ermittlung von Wettbewerbsverstößen und der Führung der Verfahren zu ihrer Ahndung zu enthalten, weil sie die Befugnis haben, am Ende dieser Verfahren Sanktionen gegen die betreffenden Unternehmen zu verhängen. 125 Das Gericht hat zudem festgestellt, dass die Bekundung ihrer Entschlossenheit, die an wettbewerbswidrigen Kartellen Beteiligten nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen ohne unionsrechtliche Sanktion davonkommen zu lassen, durch die Kommission keine Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit ist, sondern nur die Erklärung eines klaren, voll im Einklang mit dem Auftrag der Kommission stehenden Willens, im Einzelfall festgestellte Verfahrensfehler zu beseitigen, um die Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union nicht zu schwächen (Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 73 und 74). 126 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter bereits einen Klagegrund der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren oder des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung wegen öffentlicher Stellungnahmen der Kommission oder eines ihrer Bediensteten während des Verwaltungsverfahrens mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass die Akten keine Anhaltspunkte für die Annahme enthielten, dass die angefochtene Entscheidung ohne die umstrittenen Äußerungen nicht ergangen oder inhaltlich anders ausgefallen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, EU:C:1975:174, Rn. 91, und vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission, T‑43/92, EU:T:1994:79, Rn. 29). Nach der Rechtsprechung ist es somit Sache des Klägers, zumindest Anhaltspunkte für eine solche Schlussfolgerung vorzubringen (Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 606). 127 Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit der Kommission dem aus Art. 250 AEUV folgenden Kollegialprinzip unterliegt, das auf der Gleichheit der Kommissionsmitglieder bei der Teilnahme an der Beschlussfassung beruht und insbesondere bedingt, dass die Beschlüsse gemeinsam beraten werden und dass alle Mitglieder des Kollegiums für sämtliche gefassten Beschlüsse politisch gemeinsam verantwortlich sind. Dies gilt insbesondere für die ausdrücklich als Beschlüsse gekennzeichneten Rechtsakte, die die Kommission gegenüber Unternehmen im Interesse der Einhaltung der Wettbewerbsregeln erlässt und die darauf gerichtet sind, eine Zuwiderhandlung gegen diese Regeln festzustellen, Anordnungen gegenüber diesen Unternehmen zu erlassen und ihnen finanzielle Sanktionen aufzuerlegen. Da der verfügende Teil und die Begründung eines Beschlusses somit ein unteilbares Ganzes bilden, ist es nach dem Kollegialprinzip ausschließlich Sache des Kollegiums, beide zugleich anzunehmen (Urteil vom 27. September 2012, Heijmans Infrastructuur/Kommission, T‑359/06, nicht veröffentlicht,EU:T:2012:489, Rn. 126 und 127). Das Gericht hat zudem auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen entschieden, dass eine Meinungsäußerung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds über ein anhängiges Verfahren, soweit sie streng persönlich ist und zurückhaltend formuliert wurde, nur diesem Mitglied zuzurechnen ist und der Beurteilung nicht vorgreift, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt (Urteil vom 8. Juli 1999, Vlaamse Televisie Maatschappij/Kommission, T‑266/97, EU:T:1999:144, Rn. 49 und 54). Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitglieder der Kommission in ihrer Beurteilungsfreiheit von einem unangebrachten Gefühl der Solidarität gegenüber ihrem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kollegen beeinflusst wurden (Urteil vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, EU:T:2006:74, Rn. 610). 128 Was die objektive Unparteilichkeit betrifft, bei der es darum geht, dass das Unionsorgan hinreichende Garantien für den Ausschluss jedes berechtigten Zweifels bieten muss, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie sie in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts dargelegt hat, mehrere interne Regelungen erlassen hat, die sie zur Einhaltung bestimmter Regeln bei der öffentlichen Kommunikation verpflichten. Im Einzelnen heißt es in dem 2011 angenommenen Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder (C[2011] 2904) in Punkt 1.7, dass es das Kollegialitätsprinzip gebietet, dass sich die Kommissionsmitglieder jeglicher Äußerung enthalten, die einen Beschluss der Kommission in Frage stellt, und sie über die Beratungen der Kommission Stillschweigen zu wahren haben. Des Weiteren heißt es im Anhang des Beschlusses 2000/633/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 17. Oktober 2000 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. 2000, L 267, S. 63) mit dem Titel „Kodex für gute Verwaltungspraxis in den Beziehungen der Bediensteten der Europäischen Kommission zur Öffentlichkeit“, dass „[h]ohe Qualität … voraus[setzt], dass sich die Kommission und ihre Bediensteten höflich, sachlich und unparteiisch verhalten“, und in Nr. 2 betreffend Objektivität und Unparteilichkeit, dass „Bedienstete … stets objektiv und unparteiisch sowie im Interesse der [Union] und zum Wohl der Allgemeinheit [handeln]“ und dass sie „[i]nnerhalb des von der Kommission festgelegten politischen Rahmens … in voller Unabhängigkeit [entscheiden], ohne sich von persönlichen oder nationalen Interessen leiten zu lassen oder politischem Druck nachzugeben“. Ebenso wird in dem am 28. Juni 2010 angenommenen Ethik- und Integritätskodex der GD Wettbewerb deren Bediensteten empfohlen, hinsichtlich der Freiheit der Meinungsäußerung jede Erörterung einer Sache, zu der die Kommission noch keine offizielle Stellungnahme festgelegt hat, zu vermeiden und hinsichtlich der Kontakte mit den Medien zu vermeiden, von einer Sache zu sprechen, die noch Gegenstand einer Ermittlung ist und zu der die Kommission noch keine offizielle Stellungnahme festgelegt hat. 129 Die Klägerinnen machen geltend, der Bürgerbeauftragte habe bereits einen Fall von Missstand in der Verwaltungstätigkeit bezüglich desselben Kommissionsmitglieds für Wettbewerbsfragen festgestellt, das zur Zeit des Erlasses des angefochtenen Beschlusses im Amt gewesen sei, weil dieses Mitglied – wie in der vorliegenden Rechtssache – öffentliche Äußerungen getätigt habe, die so zu verstehen gewesen seien, dass es bereits vor Abschluss der Untersuchung zu einer Schlussfolgerung gelangt sei. 130 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten, mit denen dieser einen „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ feststellt, den Unionsrichter nicht binden und nur ein einfacher Anhaltspunkt für die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung durch das betreffende Unionsorgan sein können. Das Verfahren vor dem Bürgerbeauftragten, der nicht zum Erlass bindender Entscheidungen befugt ist, ist im Verhältnis zu einer Klage vor dem Unionsrichter ein alternativer, außergerichtlicher Weg für die Unionsbürger, für den besondere Kriterien gelten und der nicht notwendig dasselbe Ziel hat wie eine Klage (Urteil vom 25. Oktober 2007, Komninou u. a./Kommission, C‑167/06 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2007:633, Rn. 44). Daher sind Auslegungen des Unionsrechts durch den Bürgerbeauftragten erst recht nicht geeignet, den Unionsrichter zu binden. 131 Im vorliegenden Fall werfen die Klägerinnen, was die subjektive Unparteilichkeit betrifft, bei der es darum geht, dass kein mit der Sache betrautes Mitglied des betreffenden Organs Voreingenommenheit oder persönliche Vorurteile zum Ausdruck bringen darf, den beiden nacheinander für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitgliedern, Frau N. Kroes und Herrn J. Almunia, vor, sich bei drei Gelegenheiten zum Ausgang des die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsverfahrens geäußert zu haben. Wie die Klägerinnen in der Sitzung hervorgehoben haben, waren diese beiden Kommissionsmitglieder bei der Annahme des angefochtenen Beschlusses noch im Amt, haben bei der Annahme mitgewirkt und waren während unterschiedlicher Zeiträume unmittelbar mit der Ermittlung in der Sache betraut. Der angefochtene Beschluss ist im Übrigen von Herrn Almunia unterzeichnet. 132 Als Erstes geht aus den Akten hervor, dass sich Frau Kroes bei der Pressekonferenz zur Vorlage der Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts betreffend den Arzneimittelsektor dahin gehend äußerte, dass „[d]er Bericht … leider [bestätigt], dass es Wettbewerbsprobleme im Arzneimittelsektor gibt“, und dass „[d]er Bericht … insbesondere zu dem Schluss [kommt], dass die Hersteller des Originalpräparats aktiv versuchen, den Eintritt von Generika in den Markt zu verzögern“ (auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlichte Rede). Den Klägerinnen zufolge soll Frau Kroes weiter ausgeführt haben, dass „[i]nsgesamt … festgestellt werden [kann], dass etwas faul im Königreich ist“ (zitiert nach der Website der Onlinezeitung EU Observer). Die Kommission macht in der Gegenerwiderung geltend, diese Äußerungen seien nur von einem Journalisten berichtet worden und der Artikel bestätige, dass sich der Ausdruck „faul“ auf die Sektoruntersuchung und nicht auf die Klägerinnen bezogen habe. Bei derselben Pressekonferenz sprach dasselbe für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied in einem gesonderten Teil „Wettbewerb und Kontrolle“ die Einleitung eines Verfahrens gegen die Klägerinnen und bestimmte Generikahersteller an und führte aus, dass es „um vermutete Verstöße gegen die Regeln des [AEUV] betreffend den Wettbewerb einschränkende Handelspraktiken (Art. [101 AEUV]) wie auch den Missbrauch einer beherrschenden Stellung (Art. [102 AEUV]) [geht]“, dass „[i]m Rahmen dieser Sache … die Vereinbarungen zwischen Servier und einer Reihe von Generikaherstellern untersucht [werden]“, und dass „[d]iese Vereinbarungen … den Eintritt von generischen Konkurrenzerzeugnissen von Perindopril, einem sehr wichtigen Arzneimittel zur Behandlung von Herzkrankheiten und arterieller Hypertonie, verzögert [haben]“. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied unterschied somit sehr wohl zwischen den Ergebnissen der Sektoruntersuchung und dem Beschluss, ein Verfahren gegen die Klägerinnen einzuleiten. Hinsichtlich dieses Verfahrens wies das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied ausdrücklich darauf hin, dass es um mögliche Verletzungen der Wettbewerbsregeln gehe. Der Umstand allein, dass dieses Kommissionsmitglied im folgenden Satz von einer Beeinträchtigung des Markteintritts der Generika durch die fraglichen Vereinbarungen sprach, kann unter Berücksichtigung des im Satz davor dargestellten Kontexts nicht so verstanden werden, als sei das Kommissionsmitglied der Ansicht gewesen, dass eine Verletzung der Wettbewerbsregeln vorliege. Das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied hat sich damit bei dieser Pressekonferenz darauf beschränkt, die Öffentlichkeit mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung über ein laufendes Verfahren zu unterrichten. 133 Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Herr Almunia am 8. Oktober 2012 in einer Rede zur Vorstellung des Tätigkeitsberichts der Kommission auf dem Gebiet des Wettbewerbs im Europäischen Parlament u. a. das Verfahren betreffend die streitigen Vereinbarungen erwähnte und ausführte, dass „[i]m Arzneimittelsektor … Servier die Beschwerdepunkte [der Kommission] vor dem Sommer mitgeteilt [wurden]“, dass er „befürchte[t], dass diese Gesellschaften ihre Patente missbraucht haben, um den Eintritt preiswerterer Generika in den Markt zu behindern“, und dass er „hoff[t], dass die – idealerweise 2013 – zu erlassenden Beschlüsse eine Änderung der gegenwärtigen Praktiken bestimmter Akteure dieses Sektors, die sehr zu wünschen übrig lassen, bewirken werden“ (auf der Website der GD Wettbewerb veröffentlichte Rede). Mit der Angabe, dass die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerinnen und andere Unternehmen versandt habe und dass 2013 Beschlüsse erlassen würden, hat das Kommissionsmitglied jedoch seine Verpflichtung zur Unparteilichkeit nicht verletzt und das Parlament lediglich mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung über ein laufendes Verfahren unterrichtet. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nämlich nur ein vorläufiges Dokument, dem durch die Unionsverordnungen der Zweck zugewiesen ist, den Unternehmen alle erforderlichen Angaben zur Verfügung zu stellen, damit sie sich sachgerecht verteidigen können, bevor die Kommission einen endgültigen Beschluss erlässt (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, EU:T:2012:488, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). So darf die Kommission zwar nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ihre endgültige Entscheidung nur auf Beschwerdepunkte stützen, zu denen sich die Parteien äußern konnten, sie ist jedoch nicht verpflichtet, auf alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Umstände einzugehen, zumal wenn diese ungenügend erscheinen. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte ist daher ihrem Wesen nach vorläufig und Änderungen anlässlich der späteren Beurteilung zugänglich, die die Kommission auf der Grundlage der von den Beteiligten vorgelegten Stellungnahmen und weiterer Tatsachenfeststellungen vornimmt (Urteil vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 63). Zudem besteht nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte, mit der die Kommission aufgrund einer ersten Prüfung ihre Ansicht bekundet, dass eine Zuwiderhandlung begangen wurde, nicht unbedingt mehr eine so weitgehende Pflicht des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zur Zurückhaltung, denn dieses kann in öffentlichen Erklärungen mit aller gebotenen Vorsicht, da es sich um eine vorläufige Beurteilung handelt, die in diesem Stadium des Verfahrens gegen ein Unternehmen erhobenen Vorwürfe erwähnen. 134 Schließlich ist als Drittes festzustellen, dass nach den Akten Herr Almunia am 12. April 2013 in einer vor der amerikanischen Anwaltskammer in Washington gehaltenen und in der Presse wiedergegebenen Rede gesagt haben soll, dass „die Kommission … sich in den kommenden Monaten zur Rechtmäßigkeit der zwischen den Arzneimittelherstellern zur Verzögerung des Markteintritts preiswerterer Generika geschlossenen Vereinbarungen äußern“ werde und dass „die Ergebnisse der Sektoruntersuchung in Beschlüsse in den Sachen … und Servier umgewandelt“ würden (zitiert nach der Website MLex). Es ist zu beachten, dass in diesem Artikel die Äußerungen des Kommissionsmitglieds nur indirekt wiedergegeben werden. Zudem können diese Äußerungen, sollte das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied sie tatsächlich getätigt haben, nur in dem Sinne ausgelegt werden, dass der Erlass eines Beschlusses in der in Rede stehenden Sache möglich war (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 8. Juli 1999, Vlaamse Televisie Maatschappij/Kommission, T‑266/97, EU:T:1999:144, Rn. 53). Somit hat sich das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied darauf beschränkt, die Öffentlichkeit mit der zur Wahrung der Unschuldsvermutung gebotenen Diskretion und Zurückhaltung von der laufenden Untersuchung zu unterrichten. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass diese Äußerungen nur eine Meinungsbekundung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zu einem laufenden Verfahren darstellten, die nur diesem Mitglied zuzurechnen ist und der Beurteilung nicht vorgreift, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt ist (siehe oben, Rn. 127). 135 Folglich ist das Argument der Klägerinnen, der angefochtene Beschluss wäre ohne diese Erklärungen der Kommissionsmitglieder anders ausgefallen, zurückzuweisen. 136 Die Klägerinnen stützen diesen Klagegrund ferner auf den Vorwurf, dass das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied und sein Kabinett während des Großteils der Anhörung nicht zugegen gewesen seien. Der von den Klägerinnen in der Sitzung hervorgehobene Umstand, dass Herr Almunia an ihrer Anhörung vor der Kommission nicht teilgenommen und sich durch einen Mitarbeiter seines Kabinetts habe vertreten lassen, ist nicht geeignet, zu beweisen, dass der Sanktionsbeschluss im Grundsatz bereits vor dieser Anhörung getroffen worden wäre. Zudem ist die Teilnahme des Kommissionsmitglieds oder eines Mitarbeiters seines Kabinetts an der Anhörung in keiner Bestimmung vorgeschrieben. Nach Auffassung des Unionsrichters lässt sich jedoch unter Berufung auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umwandeln, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, EU:T:2012:488, Rn. 242). 137 Die Klägerinnen werfen der Kommission weiter vor, die geltenden Beweisregeln und ‑maßstäbe verkannt zu haben, und verweisen dazu auf mehrere Randnummern des angefochtenen Beschlusses, gegen die sie sich mit anderen Klagegründen wenden (Verfälschung von Tatsachen, Fehler hinsichtlich des für die Einstufung als bezweckte Zuwiderhandlung geltenden rechtlichen Kriteriums, zu weite Auslegung des Begriffs des potenziellen Wettbewerbs usw.). In der Erwiderung führen sie aus, mit diesen Beispielen solle die Verzerrung nachgewiesen werden, die die Untersuchung beeinträchtige. Wie die Kommission geltend macht, fällt dieses Vorbringen der Klägerinnen jedoch mit der Frage zusammen, ob die im angefochtenen Beschluss getroffenen Tatsachenfeststellungen durch die von der Kommission vorgelegten Beweise gebührend untermauert sind und ob diese bei ihrer Analyse Rechtsfehler begangen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 1991, Atochem/Kommission, T‑3/89, EU:T:1991:58, Rn. 39). Dieses Vorbringen wird daher später, im Rahmen der materiellen Klagegründe, geprüft. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen auf bloße Behauptungen gegründet und nicht zum Beweis dafür geeignet ist, dass die Kommission tatsächlich dem Ausgang des Verwaltungsverfahrens vorgegriffen oder voreingenommen ermittelt hätte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T‑62/98, EU:T:2000:180, Rn. 272). 138 Die Klägerinnen machen schließlich geltend, das Fehlen einer Gegenuntersuchung der Sache durch ein internes Panel der GD Wettbewerb zeige die Parteilichkeit des angefochtenen Beschlusses und rechtfertige seine Nichtigerklärung wegen Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und von Art. 41 der Charta der Grundrechte. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass keine Verordnungsbestimmung oder für die Kommission geltende interne Regel dieser vorschreibt, eine Gegenuntersuchung sämtlicher Sachen durch ein internes Panel durchzuführen, und dass der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umwandeln kann, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (siehe oben, Rn. 136). 2004 wurde zwar ein System der Peer-Review eingeführt. Aus einem im September 2011 von der Kommission veröffentlichten Dokument mit dem Titel „Verfahren für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV: Hauptakteure und Kräftegleichgewicht“ geht jedoch hervor, dass der Generaldirektor der GD Wettbewerb im Einvernehmen mit dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglied entscheidet, in welchen Sachen dieses interne Panel eingesetzt wird, dass die Entscheidung für ein solches Panel und dessen Zusammensetzung nicht öffentlich bekannt gegeben werden und dass in die Peer-Review einer Sache keinesfalls die von dem Verfahren Betroffenen oder irgendein Dritter einbezogen sind. Die Durchführung einer solchen Gegenuntersuchung durch die GD Wettbewerb ist somit nicht in allen Verfahren vorgeschrieben, so dass nicht zu beanstanden ist, dass die Kommission im vorliegenden Fall keine derartige Gegenuntersuchung durchgeführt hat. 139 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen. 2. Zum Fehlen einer wirksamen Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 142 Art. 14 der Verordnung Nr. 1/2003, der zu deren Kapitel IV betreffend die Zusammenarbeit zwischen der Kommission auf der einen und den Wettbewerbsbehörden und den Gerichten der Mitgliedstaaten auf der anderen Seite gehört, sieht in Abs. 1 vor, dass die Kommission „[v]or jeder Entscheidung, die nach Maßgabe der Artikel 7, 8, 9, 10 und 23, Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 29 Absatz 1 [dieser Verordnung] ergeht, … einen Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen [hört]“. Nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 setzt sich „[f]ür die Erörterung von Einzelfällen … der Beratende Ausschuss … aus Vertretern der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zusammen“. Gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 nimmt der Beratende Ausschuss zu dem vorläufigen Entscheidungsvorschlag der Kommission schriftlich Stellung, und nach Art. 14 Abs. 5 dieser Verordnung berücksichtigt „[d]ie Kommission … so weit wie möglich die Stellungnahme des Ausschusses [und] unterrichtet [ihn] darüber, inwieweit sie seine Stellungnahme berücksichtigt hat“. Zudem werden „[a]uf Antrag eines oder mehrerer Mitglieder … die in der Stellungnahme aufgeführten Standpunkte mit einer Begründung versehen“ (Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003). Nach Ziff. 58 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (ABl. 2004, C 101, S. 43, im Folgenden: Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden) ist zudem „[d]er Beratende Ausschuss … das Forum, in dem Fachleute aus den verschiedenen Wettbewerbsbehörden Einzelfälle und allgemeine Fragen des europäischen Wettbewerbsrechts erörtern“. 143 Auf verfahrensrechtlicher Ebene sieht Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass die Anhörung des Beratenden Ausschusses „in einer von der Kommission einberufenen Sitzung, in der die Kommission den Vorsitz führt, frühestens 14 Tage nach Absendung der Einberufung, der eine Darstellung des Sachverhalts unter Angabe der wichtigsten Schriftstücke sowie ein vorläufiger Entscheidungsvorschlag beigefügt wird, erfolgen [kann]“. Gleichwohl kann, wenn „eine von der Kommission abgesendete Einberufung zu einer Sitzung eine kürzere Ladungsfrist als die vorerwähnten Fristen [enthält], … die Sitzung zum vorgeschlagenen Zeitpunkt stattfinden, wenn kein Mitgliedstaat einen Einwand erhebt“. So heißt es auch in Ziff. 66 der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, dass „[d]ie Ratsverordnung … vor[sieht], dass die Mitgliedstaaten einem kürzeren Zeitraum zwischen der Absendung der Einladung und der Sitzung zustimmen können“. Nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 kann der Beratende Ausschuss zudem „seine Stellungnahme auch dann abgeben, wenn einzelne Mitglieder des Ausschusses nicht anwesend und nicht vertreten sind“. In Art. 14 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1/2003 schließlich heißt es: „Die Anhörung kann auch im Wege des schriftlichen Verfahrens erfolgen. Die Kommission muss jedoch eine Sitzung einberufen, wenn ein Mitgliedstaat dies beantragt. Im Fall eines schriftlichen Verfahrens setzt die Kommission den Mitgliedstaaten eine Frist von mindestens 14 Tagen für die Übermittlung ihrer Bemerkungen, die an die anderen Mitgliedstaaten weitergeleitet werden.“ 144 Das Dokument „Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses“ vom 19. Dezember 2008, das die Kommission auf eine prozessleitende Maßnahme hin am 6. November 2015 vorgelegt hat, legt die einzelnen der Anhörung des Beratenden Ausschusses vorausgehenden Abschnitte fest, insbesondere diejenigen, in denen die nationalen Wettbewerbsbehörden je nach Fortgang der Ermittlung in der Sache Kenntnis von der Akte nehmen können. 145 Als Erstes ist hierzu auf Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hinzuweisen, der wie folgt lautet: „Die Kommission übermittelt den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten eine Kopie der wichtigsten Schriftstücke, die sie zur Anwendung der Artikel 7, 8, 9, 10 und 29 Absatz 1 zusammengetragen hat. Die Kommission übermittelt der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats auf Ersuchen eine Kopie anderer bestehender Unterlagen, die für die Beurteilung des Falls erforderlich sind.“ Art. 11 Abs. 6 dieser Verordnung sieht vor: „Leitet die Kommission ein Verfahren zum Erlass einer Entscheidung nach Kapitel III ein, so entfällt damit die Zuständigkeit der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Artikel [101 und 102 AEUV]. Ist eine Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats in einem Fall bereits tätig, so leitet die Kommission ein Verfahren erst ein, nachdem sie diese Wettbewerbsbehörde konsultiert hat.“ In Anwendung dieser Bestimmungen übermittelt die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden die ursprüngliche Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens, die an das betroffene Unternehmen gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte, dessen Antwort hierauf und die wichtigsten Dokumente der Sache unmittelbar nach deren Bekanntgabe an oder deren Erhalt durch dieses Unternehmen (vgl. Rn. 6 und 7 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses). 146 Als Zweites ist zu beachten, dass nach den Rn. 33 bis 36 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses die Kommission für jede Sache, in der sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an ein Unternehmen richtet, binnen 45 Tagen nach Übersendung dieser Mitteilung an die Betroffenen nach einer dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union entsprechenden Reihenfolge eine der nationalen Wettbewerbsbehörden als Berichterstatterin (im Folgenden: berichterstattende NWB) benennt, sofern nicht im Interesse der Objektivität die Wahl einer anderen nationalen Wettbewerbsbehörde geboten ist, in welchem Fall die Kommission vorbehaltlich der Zustimmung der ersten nationalen Wettbewerbsbehörde die dieser im Verzeichnis des turnusmäßigen Wechsels der Präsidentschaft folgende Wettbewerbsbehörde wählen kann (Rn. 28, 33 und 34). Die berichterstattende NWB soll zum Verständnis der Sache durch die anderen nationalen Wettbewerbsbehörden beitragen und diese von den wesentlichen Abschnitten der Ermittlung in der Sache unterrichten und arbeitet zu diesem Zweck eng mit der Kommission zusammen (Rn. 40 und 42). In den Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses wird der berichterstattenden NWB ebenfalls empfohlen, mindestens fünf Tage vor dem Zusammentreten des Beratenden Ausschusses eine Liste der für die Sache wesentlichen Fragen in Umlauf zu bringen (Rn. 44 Ziff. i) sowie die Sache und die mit ihr aufgeworfenen Probleme zu Beginn der Sitzung des Beratenden Ausschusses vorzustellen (Rn. 44 Ziff. ii). 147 Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101 und 102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) „[d]ie Kommission … den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit zur Äußerung [gibt], bevor sie den Beratenden Ausschuss nach Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 1/2003 hört“. Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 sieht zudem vor: „Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten werden von der Kommission zu der Anhörung eingeladen. Die Kommission kann auch Beamte und Bedienstete anderer Behörden der Mitgliedstaaten einladen.“ Nach Rn. 12 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses dient die Teilnahme der nationalen Wettbewerbsbehörden der wirksamen Arbeit des Beratenden Ausschusses. Dagegen weist keine Bestimmung der berichterstattenden NWB eine besondere Rolle bei der Anhörung zu. 148 Nach der Rechtsprechung zu den entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [101 und 102 AEUV] (ABl. 1962, 13, S. 204), deren Nachfolgeregelung die Verordnung Nr. 773/2004 ist, stellt die Anhörung des Beratenden Ausschusses eine wesentliche Förmlichkeit dar, deren Verletzung die Rechtmäßigkeit der endgültigen Entscheidung beeinträchtigt, sofern erwiesen ist, dass der Beratende Ausschuss seine Stellungnahme nicht in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte. Der Inhalt der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen und die Frage, ob es sich um wesentliche Verpflichtungen handelt, sind in jedem Einzelfall aufgrund dieses Zwecks der Vorlage der Schriftstücke zu prüfen, der darin besteht, es dem Ausschuss zu ermöglichen, seine beratenden Funktionen in voller Kenntnis der Umstände auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 1991, RTE/Kommission, T‑69/89, EU:T:1991:39, Rn. 21 und 23, und vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 742). 149 Hinsichtlich der dem Beratenden Ausschuss zu übermittelnden Dokumente ist entschieden worden, dass, obwohl die Anhörung im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten erfolgt und nicht bezweckt, ein kontradiktorisches Verfahren gegenüber den betroffenen Unternehmen durchzuführen, der Ausschuss insbesondere in aller Objektivität über den Standpunkt und die wesentlichen Argumente dieser Unternehmen unterrichtet sein muss, wie sie in deren Erklärungen zu allen von der Kommission im Anschluss an die Untersuchung gegen sie erhobenen Beschwerdepunkten zum Ausdruck gekommen sind. So gehört u. a. die Niederschrift über die Anhörung grundsätzlich zu den wichtigsten Schriftstücken im Sinne des Art. 10 Abs. 5 der Verordnung Nr. 17 und muss dem Ausschuss somit bei seiner Einberufung übermittelt werden. Die Übersendung der Niederschrift über die Anhörung stellt jedoch nur dann eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie im gegebenen Fall erforderlich ist, damit der Beratende Ausschuss seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben kann, d. h., ohne durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in einem wesentlichen Punkt irregeführt zu werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Niederschrift über die Anhörung keine wichtigen neuen Informationen enthält, die in den der Einberufung des Beratenden Ausschusses beigefügten schriftlichen Antworten des betroffenen Unternehmens auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthalten sind. In einem solchen Fall beeinträchtigt nämlich der Umstand, dass die Kommission dem Beratenden Ausschuss die Niederschrift über die Anhörung bei dessen Einberufung nicht übersendet, nicht die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens und hat auch keine Auswirkungen auf den Ausgang des Anhörungsverfahrens. Deshalb ist eine solche Unterlassung nicht geeignet, das gesamte Verwaltungsverfahren ungültig zu machen und dadurch die Rechtmäßigkeit der endgültigen Entscheidung in Frage zu stellen (Urteil vom 10. Juli 1991, RTE/Kommission, T‑69/89, EU:T:1991:39, Rn. 21 bis 23). 150 Des Weiteren ist darin, dass die Kommission den Beratenden Ausschuss nicht über den genauen Betrag der Geldbußen unterrichtet hatte, keine Verletzung der wesentlichen Förmlichkeit der Anhörung des Beratenden Ausschusses gesehen worden, da sie diesem alle wesentlichen für die Ausarbeitung einer Stellungnahme zu den Geldbußen erforderlichen Unterlagen übermittelt hatte. Der Beratende Ausschuss muss nur über die für die Verhängung der Geldbußen vorgesehenen Kriterien unterrichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, EU:T:2000:77, Rn. 747 und 748). So wird in Rn. 23 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Vertraulichkeit der Erörterungen in diesem Ausschuss, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Geldbuße, sicherzustellen. Rn. 24 dieser Bestimmungen sieht bezüglich der Festsetzung der Geldbuße vor, dass die Kommission in der Sitzung des Beratenden Ausschusses ein Dokument verteilt, in dem die gewählte Berechnungsmethode unter Bezugnahme auf die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2; im Folgenden: Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen) erläutert wird, dass die Mitglieder des Beratenden Ausschusses um zusätzliche Zeit für die Prüfung dieses Dokuments ersuchen können und dass das Dokument am Ende der Sitzung an die Kommission zurückgegeben wird. 151 Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen als Erstes geltend, die Kommission habe keine wirksame Anhörung des Beratenden Ausschusses durchgeführt, weil der die Geldbußen betreffende Teil des vorläufigen Beschlussvorschlags und die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht übermittelt worden seien, der vorläufige Vorschlag für den angefochtenen Beschluss den Ausschussmitgliedern erst kurz vor der Sitzung übermittelt worden sei, die den nationalen Wettbewerbsbehörden übersandte Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags Lücken aufgewiesen habe und die Begründung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses unzureichend gewesen sei. Diese verschiedenen Argumente sind anhand der Akten und insbesondere der von der Kommission am 6. November 2015 auf eine prozessleitende Maßnahme hin und in der Sitzung gegebenen tatsächlichen Erläuterungen zu prüfen. 152 Ihr Argument, der die Geldbußen betreffende Teil des vorläufigen Beschlussvorschlags und die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte seien nicht übermittelt worden, haben die Klägerinnen in der Sitzung fallen gelassen; dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden. In der Sitzung haben die Klägerinnen zwar geltend gemacht, den nationalen Wettbewerbsbehörden sei bei den Sitzungen des Beratenden Ausschusses die Methode zur Berechnung der Geldbuße nicht mitgeteilt worden, doch geht dieses Vorbringen in tatsächlicher Hinsicht fehl, denn ausweislich der Akten übersandte die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden am 3. Juli 2014 das Kapitel 10 betreffend die Geldbußen, das eine Erläuterung der wesentlichen Elemente dieser Methode enthielt, zusammen mit einer Erinnerung an die Einberufung des Beratenden Ausschusses zur zweiten Sitzung am 7. Juli 2014. Hierbei ist zu beachten, dass an die nationalen Wettbewerbsbehörden zuvor am 23. Juli 2013 die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 19. Dezember 2013 eine Sachverhaltsdarstellung und am 13. Februar 2014 die Antworten der Unternehmen auf Letztere gesandt worden waren. Am 20. Mai 2014 schließlich hatte ihnen die Kommission eine Sachverhaltsdarstellung betreffend die Zurechnung der Zuwiderhandlungen sowie die Antworten von Mylan, Niche und Unichem auf diese übersandt. 153 Hinsichtlich des Zeitpunkts der Übermittlung des vorläufigen Beschlussvorschlags geht aus den Akten hervor, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten diesen Entwurf in drei Stufen übermittelte: Die Kapitel 1 bis 4 wurden ihnen am 12. Juni 2014 mit der Einberufung des Beratenden Ausschusses zur ersten Sitzung am 30. Juni 2014 übermittelt, die Kapitel 5 bis 9 am 20. Juni 2014 mit einer Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags und Kapitel 10 betreffend die Geldbußen (mit Ausnahme der genauen Beträge) am 3. Juli 2014 mit einer Erinnerung an die am 30. Juni 2014 übersandte Einberufung des Beratenden Ausschusses zur zweiten Sitzung am 7. Juli 2014, in der der vorläufige Beschlussvorschlag in seiner Gesamtheit behandelt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass, wie die Klägerinnen geltend machen, die Bestimmungen des Verfahrenshandbuchs für den Bereich der Wettbewerbspolitik der GD Wettbewerb in Nr. 10 auf S. 109 zwar vorsehen, dass im Allgemeinen zwei Sitzungen dieses Ausschusses abgehalten werden, von denen die eine die materiell-rechtlichen Aspekte der Sache und die andere die Höhe der Geldbußen betrifft, dass sie aber keine systematische Einhaltung dieses Organisationsschemas vorschreiben. Zudem geht aus den Akten hervor, dass im vorliegenden Fall die Kommission in der am 30. Juni 2014 versandten Einberufung zur zweiten Sitzung und in einer E‑Mail vom 3. Juli 2014 darauf hinwies, dass die Tagesordnung der Sitzung vom 7. Juli 2014 die Erörterung der Sache in ihrer Gesamtheit betreffe. 154 Es trifft zu, dass eine solche abgestufte Übersendung der Dokumente, die in einzelnen Fällen unter Missachtung der 14‑Tage-Frist erfolgte, eine Form von Eile erkennen lässt, die möglicherweise damit zusammenhing, dass die Kommission schon bei der Übersendung der Einberufung zu der Sitzung vom 30. Juni 2014 gegenüber den nationalen Wettbewerbsbehörden ihre Absicht angekündigt hatte, ihren Beschluss am 9. Juli 2014 zu erlassen, und dass sie für die Ausschussmitglieder nicht die besten Bedingungen für eine Stellungnahme schuf. Es ist jedoch festzustellen, dass keine nationale Wettbewerbsbehörde Einwände gegen die Termine dieser Sitzungen erhob, obwohl solche Einwände gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die Abhaltung der Sitzungen verhindert hätten. Zudem geht aus den Akten hervor, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden am 6. Juli 2009 die ursprüngliche Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens, am 31. Juli 2012 die an die betroffenen Unternehmen gerichtete Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 23. Juli 2013 die Antworten der Unternehmen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, am 19. Dezember 2013 eine Sachverhaltsdarstellung, am 13. Februar 2014 die Antworten der Unternehmen auf diese und am 20. Mai 2014 eine Sachverhaltsdarstellung betreffend die Zurechnung der Zuwiderhandlungen sowie die Antworten von Mylan, Niche und Unichem auf diese übersandte. Überdies übersandte die Kommission diesen Unternehmen am 25. Juni 2014 den vom Anhörungsbeauftragten erstellten Vorentwurf des Protokolls der Anhörung. 155 Folglich mag es zwar insbesondere wegen der Länge der Kapitel 5 bis 9 des vorläufigen Beschlussvorschlags (fast 600 Seiten) und deren Komplexität als bedauerlich angesehen werden, dass diese den nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten von der Kommission erst zehn Tage vor der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses übersandt wurden, doch ist unter Berücksichtigung sämtlicher in den vorstehenden Rn. 153 und 154 aufgeführten Gesichtspunkte festzustellen, dass die Mitglieder des Beratenden Ausschusses hinreichend über den Gehalt der Akte und den Inhalt des vorläufigen Beschlussvorschlags unterrichtet waren und der Beratende Ausschuss somit seine Stellungnahme in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte. 156 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 noch Ziff. 66 der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden der Kommission vorschreibt, die vorherige ausdrückliche Zustimmung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zu einer Abweichung von der 14‑Tage-Frist zwischen der Versendung der Einberufung an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses und dessen Sitzung einzuholen. Nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 ist es nämlich, wenn die Kommission die Einberufung zu einer Sitzung weniger als 14 Tage vor dieser versendet, Sache der Mitgliedstaaten, sich gegebenenfalls dagegen auszusprechen; andernfalls findet die Sitzung an dem von der Kommission festgelegten Datum statt. Soweit eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung gerügt wird, ist überdies erneut darauf hinzuweisen, dass unter Berufung auf den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht in eine Verpflichtung umgewandelt werden kann, was der Gesetzgeber nicht als eine solche angesehen hat (siehe oben, Rn. 136). 157 Zur Stellungnahme der Beratenden Ausschusses ist darauf hinzuweisen, dass diese zum einen gemäß Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht systematisch veröffentlicht wird und dass es nach der Rechtsprechung nicht gegen den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verstößt, wenn sie den betroffenen Unternehmen nicht übermittelt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 35 und 36), und dass zum anderen nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die in der Stellungnahme aufgeführten Standpunkte nur auf Antrag mindestens eines der Mitglieder mit einer Begründung versehen werden und ein solcher Antrag im vorliegenden Fall nicht gestellt worden ist. Zudem haben nach Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Parteien, gegen die sich ein Verfahren der Kommission nach Art. 101 AEUV richtet, kein Recht auf Einsicht in die Korrespondenz zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten oder zwischen den Letztgenannten, einschließlich der gemäß den Art. 11 und 14 dieser Verordnung erstellten Schriftstücke. Ferner sind nach Art. 28 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Beamten und Bediensteten der Kommission und der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten verpflichtet, keine Informationen preiszugeben, die sie bei der Anwendung dieser Verordnung erlangt oder ausgetauscht haben und die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, eine Verpflichtung, die auch für alle Vertreter und Experten der Mitgliedstaaten gilt, die an Sitzungen des Beratenden Ausschusses nach Art. 14 teilnehmen. Demgemäß können die Klägerinnen nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses nicht hinreichend begründet gewesen sei. Auch der Umstand, dass die Stellungnahme kurz und wenig detailliert war, bedeutet angesichts der anwendbaren Bestimmungen nicht, dass der Beratende Ausschuss nicht über alle Informationen verfügte, um in Kenntnis der Umstände zu befinden, und ebenso wenig, dass dieser Ausschuss sich nicht in voller Kenntnis der Umstände geäußert hat, auch wenn diese Äußerung knapp war. 158 Schließlich machen die Klägerinnen geltend, da die Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags, die die Kommission an die Mitglieder des Beratenden Ausschusses versandt habe, parteiisch und unvollständig gewesen sei, habe der Ausschuss nicht in voller Kenntnis der Umstände befinden können. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenfassung, wie die Kommission geltend macht, nicht den Zweck hat, die Verteidigungsargumente des betroffenen Unternehmens aufzuführen, sondern dass sie die Erörterung des vorläufigen Beschlussvorschlags im Beratenden Ausschuss erleichtern soll. Jedenfalls geht im vorliegenden Fall aus der Antwort der Kommission auf die prozessleitende Maßnahme hervor, dass die Kommission in ihrer Zusammenfassung des vorläufigen Beschlussvorschlags die wesentlichen Punkte dieses Vorschlags dargestellt und dabei die heikelsten Aspekte ihrer Analyse (Kriterien für das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, Marktdefinition, Anwendung von Art. 102 AEUV) hervorgehoben hat. Aus dem bloßen Umstand, dass sie in dieser Zusammenfassung nicht den Stand aller Rechtsstreitigkeiten über das Patent 947, die Auslegung der Bedeutung bestimmter Klauseln der Vergleichsvereinbarungen, die nach der Ungültigerklärung des Patents 947 durch das EPA liegenden Tatsachen oder die Unterschiede zwischen dem Erwerb der Technologie von Rolabo und der eines anderen Unternehmens erwähnt hat, folgt nicht, dass der Beratende Ausschuss, der im Übrigen über eine beträchtliche Anzahl von Dokumenten zu der Sache und insbesondere über die Argumente verfügte, die die Klägerinnen in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte und zur Sachverhaltsdarstellung vorgetragen hatten (siehe oben, Rn. 152 bis 154), seine Stellungnahme nicht in voller Kenntnis der Umstände abgeben konnte. 159 Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, der Beratende Ausschuss sei nicht ordnungsgemäß gehört worden, da nur eine geringe Anzahl seiner Mitglieder bei den Sitzungen anwesend gewesen sei, und die in der Sache berichterstattende NWB, die erst spät benannt worden sei, sei bei der Anhörung der Parteien und der zweiten Sitzung des Beratenden Ausschusses nicht zugegen gewesen. 160 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, die berichterstattende NWB nicht binnen 45 Tagen nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte benannt und bewusst eine nationale Wettbewerbsbehörde gewählt zu haben, die bei der Anhörung nicht anwesend gewesen sei. 161 Es steht fest, dass die Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses vorsehen, dass die berichterstattende NWB grundsätzlich binnen 45 Tagen nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Unternehmen und nach einem objektiven Kriterium, nämlich in einer dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union entsprechenden Reihenfolge, benannt wird (siehe oben, Rn. 146). Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass das Verfahren der Bestimmung der berichterstattenden NWB am 7. Mai 2014 begann und dass die Bundeswettbewerbsbehörde (Österreich; im Folgenden: BWB) am 3. Juni 2014 als berichterstattende NWB benannt wurde, d. h. nach der Anhörung, jedoch deutlich vor den Sitzungen des Beratenden Ausschusses, und dass diese Benennung nach einem objektiven Kriterium, nämlich gemäß dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat, erfolgte. In der bloßen Nichteinhaltung der 45‑Tage-Frist für die Benennung der berichterstattenden NWB, die die Kommission in der Sitzung eingeräumt hat, kann im vorliegenden Fall kein Umstand gesehen werden, der den Beratenden Ausschuss daran gehindert hat, seine Aufgaben in Kenntnis der Umstände wahrzunehmen. Die Rolle der berichterstattenden NWB für das Verständnis der Sache durch die nationalen Wettbewerbsbehörden und deren Information wird erst im Stadium der Vorbereitung der Sitzungen des Beratenden Ausschusses besonders wichtig (siehe unten, Rn. 164), und in diesem Verfahrensabschnitt war im vorliegenden Fall die berichterstattende NWB bereits bestimmt. Zur Benennung der BWB als berichterstattende NWB ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen nichts dafür vorgetragen haben, dass diese im Zusammenhang mit dem Fehlen dieser nationalen Wettbewerbsbehörde bei der Anhörung vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 gestanden hätte, und dass diese Benennung jedenfalls nach einem rein objektiven Kriterium, nämlich dem turnusmäßigen Wechsel der Präsidentschaft im Rat, erfolgte. 162 Die Klägerinnen machen auch geltend, der Beratende Ausschuss habe sich nicht in voller Kenntnis der Umstände äußern können, weil die berichterstattende NWB weder an der Anhörung der Parteien vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 noch an der Sitzung des Beratenden Ausschusses vom 7. Juli 2014 teilgenommen habe. Die Kommission meint, dass die obligatorische Teilnahme der berichterstattenden NWB an der Anhörung in keiner Bestimmung vorgesehen sei, und trägt vor, dass acht Mitgliedstaaten bei der Anhörung zugegen gewesen seien. 163 Es ist darauf hinzuweisen, dass zwar nach Rn. 12 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses die Teilnahme der nationalen Wettbewerbsbehörden der wirksamen Arbeit des Beratenden Ausschusses dient, dass aber keine Bestimmung die Anwesenheit der berichterstattenden NWB bei der Anhörung vorschreibt und Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 773/2004 nur vorsieht, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden zu der Anhörung eingeladen werden, zumal alle nationalen Wettbewerbsbehörden eine Abschrift des Protokolls der Anhörung erhalten. Zudem wurden, wie die Kommission geltend macht, die nationalen Wettbewerbsbehörden ordnungsgemäß zu der Anhörung eingeladen, und acht von ihnen waren tatsächlich bei dieser vertreten (vgl. zu einem Fall, in dem die nationalen Wettbewerbsbehörden nicht zu der Anhörung eingeladen worden waren, Urteil vom 21. September 2017, Feralpi/Kommission, C‑85/15 P, EU:C:2017:709, Rn. 38 bis 44). Ferner ist zu beachten, dass die Rolle der berichterstattenden NWB für das Verständnis der Sache durch die Wettbewerbsbehörden und deren Information besonders wichtig vor dem Beratenden Ausschuss ist, nicht aber im Stadium der Anhörung. In den Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses wird demgemäß der berichterstattenden NWB empfohlen, mindestens fünf Tage vor dem Zusammentreten des Beratenden Ausschusses eine Liste der für die Sache wesentlichen Fragen in Umlauf zu bringen, um insbesondere festzustellen, ob die Wettbewerbsbehörden dem vorläufigen Beschlussvorschlag insgesamt zustimmen können, ob sie Bemerkungen zu bestimmten Aspekten haben und ob sie eine Veröffentlichung der Stellungnahme wünschen (Rn. 44 Ziff. i), sowie die Sache und die mit ihr aufgeworfenen Hauptprobleme zu Beginn der Sitzung des Beratenden Ausschusses vorzustellen (Rn. 44 Ziff. ii). Wie aus den Akten hervorgeht, erörterte die BWB mit der Kommission, welche Fragen diese den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses zur Prüfung übersenden sollte, und nahm an der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses teil, in der sie ihren Bericht vorlegte; die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die BWB bei dieser Gelegenheit ihre Rolle als berichterstattende NWB in vollem Umfang wahrnahm. Zudem lässt der bloße Umstand, dass die Kommission den nationalen Wettbewerbsbehörden die Liste der für die Sache wesentlichen Fragen am Morgen des 26. Juni 2014, also vier Tage vor der ersten Sitzung des Beratenden Ausschusses, übermittelte, während die Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses hierfür eine Frist von fünf Tagen vorsehen, nicht den Schluss zu, dass der Beratende Ausschuss nicht in der Lage war, sich in voller Kenntnis der Umstände zu äußern. Anders als die Klägerinnen meinen, war die Kommission ferner nicht verpflichtet, eine andere berichterstattende NWB zu benennen, denn Rn. 38 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses sieht nur die Möglichkeit der Ersetzung einer die nationale Wettbewerbsbehörde vertretenden natürlichen Person durch eine andere natürliche Person vor, wenn dies erforderlich ist. Folglich hinderte die Tatsache, dass im vorliegenden Fall die BWB nicht an der Anhörung vom 15., 16., 17. und 18. April 2013 und, was bedauerlich ist, an der zweiten Sitzung des Beratenden Ausschusses vom 7. Juli 2015 teilgenommen hat, den Beratenden Ausschuss nicht daran, sich in voller Kenntnis der Umstände zu äußern. 164 Was die Rüge betrifft, bei den Sitzungen des Beratenden Ausschusses sei nur eine begrenzte Anzahl von Mitgliedstaaten zugegen gewesen, geht aus den Akten hervor, dass in der Sitzung vom 30. Juni 2014 nur fünf nationale Wettbewerbsbehörden (die des Königreichs Spanien, der Italienischen Republik, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden) und in der Sitzung vom 7. Juli 2014 nur zwei nationale Wettbewerbsbehörden (die der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland) vertreten waren. Somit war im vorliegenden Fall in der Tat nur eine begrenzte Anzahl von Vertretern der Mitgliedstaaten an der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses beteiligt, da nach den Rn. 20 und 21 der Bestimmungen über die Arbeitsweise des Beratenden Ausschusses nur die Kommentare und Bemerkungen der in der Sitzung anwesenden Mitglieder in der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses berücksichtigt werden. Auf eine in der mündlichen Verhandlung gestellte Frage nach den Gründen für eine so geringe Beteiligung und der Möglichkeit einer Verschiebung der Sitzungen des Beratenden Ausschusses hat die Kommission dargelegt, sie habe Kenntnis von Eisenbahnstreiks gehabt und habe die Mitglieder des Ausschusses kontaktiert, um zu erfahren, ob sie spezielle Kommentare abzugeben hätten, sie habe aber keine Verschiebung der Sitzungen erwogen. 165 Auch wenn unter solchen Umständen eine Verschiebung der Sitzungen durch die Kommission angebracht gewesen wäre, kann doch aus der geringen Zahl von Vertretern der Mitgliedstaaten in den Sitzungen nicht geschlossen werden, dass die Kommission das wesentliche Formerfordernis der Anhörung des Beratenden Ausschusses missachtet hat. 166 Zunächst ist nämlich festzustellen, dass keine Bestimmung ein Quorum für die Annahme der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses vorsieht, auch wenn dies ungewöhnlich und mit einer bestimmten Vorstellung von ordnungsgemäßer Verwaltung schwer vereinbar erscheint. Zudem kann nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 der Beratende Ausschuss „seine Stellungnahme auch dann abgeben, wenn einzelne Mitglieder des Ausschusses nicht anwesend und nicht vertreten sind“. Sodann ist zu beachten, dass die Kommission den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ermöglichen muss, im Beratenden Ausschuss mitzuwirken, und dass sie im vorliegenden Fall alles hierfür Erforderliche getan hat, da sie ihnen die Einladungen zu den Sitzungen des Beratenden Ausschusses vom 30. Juni und 7. Juli 2014 sowie alle notwendigen Dokumente seit der Einleitung des Verfahrens übersandt hat (siehe oben, Rn. 153 und 154), und dass keine Einwände gegen die Termine dieser Sitzungen erhoben wurden (siehe oben, Rn. 154). Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beratende Ausschuss nur dann, wie im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen, als Diskussionsforum dazu beitragen kann, dass die Wettbewerbsregeln der Union einheitlich angewandt werden, wenn die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bereit sind, dort wirksam mitzuarbeiten, da die Kommission insoweit über keinerlei Zwangsgewalt verfügt. 167 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen. 3. Zur Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der Waffengleichheit a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 170 Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der nunmehr in Art. 47 der Grundrechtecharta zum Ausdruck kommt (Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 52). Dieser Grundsatz umfasst mehrere Elemente, zu denen u. a. die Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Waffengleichheit, das Recht auf Zugang zu den Gerichten sowie das Recht, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, gehören (Urteil vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 48). Der Grundsatz der Waffengleichheit, der eine logische Folge aus dem Begriff des fairen Verfahrens ist, gebietet, dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen (Urteile vom 6. November 2012, Otis u. a., C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 71, und vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363, Rn. 31). 171 Die Klägerinnen machen geltend, die Vorgaben für die Erhebung ihrer Klage hätten sie gegenüber der Kommission in eine deutlich nachteilige Position versetzt, die ihrerseits bei der Abfassung des angefochtenen Beschlusses keinerlei Vorgaben hinsichtlich Zeit oder Umfang unterlegen habe. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung von Art. 6 Abs. 1 EMRK, die gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta der Grundrechte heranzuziehen ist, kein absolutes Recht auf ein Gericht besteht. Die Ausübung dieses Rechts unterliegt Beschränkungen, u. a. hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage (Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 43). Die Betroffenen müssen zwar mit der Anwendung dieser Regeln rechnen, doch darf ihre Anwendung die Bürger nicht daran hindern, einen verfügbaren Rechtsbehelf in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 28. Februar 2013, Überprüfung Arango Jaramillo u. a./EIB, C‑334/12 RX‑II, EU:C:2013:134, Rn. 43). Nach der Rechtsprechung des EGMR dürfen die Beschränkungen den freien Zugang eines Bürgers mithin nicht in einer Weise oder so sehr einschränken, dass sein Recht auf ein Gericht in seinem Wesensgehalt angetastet wird, da sie nur dann mit Art. 6 Abs. 1 EMRK im Einklang stehen, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen und wenn die eingesetzten Mittel in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel stehen (vgl. EGMR, 6. Dezember 2011, Anastasakis/Griechenland, CE:ECHR:2011:1206JUD004195908, § 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). 172 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs entspricht die strikte Anwendung der unionsrechtlichen Vorschriften über die Verfahrensfristen dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden (vgl. Urteil vom 15. Januar 1987, Misset/Rat, 152/85, EU:C:1987:10, Rn. 11 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 8. November 2007, Belgien/Kommission, C‑242/07 P, EU:C:2007:672, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung), und beeinträchtigt in keiner Weise das Recht auf effektiven Rechtsschutz (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 17. Mai 2002, Deutschland/Parlament und Rat, C‑406/01, EU:C:2002:304, Rn. 20). Wie die Kommission geltend macht, gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit nicht, dass die Frist für die Erhebung der Nichtigkeitsklage der Dauer des Verwaltungsverfahrens entsprechen muss. Das Verwaltungsverfahren soll der Kommission die Untersuchung im Hinblick darauf ermöglichen, ob ein Beschluss, mit dem eine Verletzung der Art. 101 und 102 AEUV festgestellt wird, zu erlassen ist, und den Unternehmen erlauben, sich zu verteidigen. Die Wahrung der Verteidigungsrechte erfordert es, dem betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände sowie zu den von ihr zur Stützung ihres Vorbringens, dass eine Zuwiderhandlung gegen den Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung zu nehmen (Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, EU:C:1983:158, Rn. 10, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 66). In diesem Sinne sieht die Verordnung Nr. 1/2003 vor, dass den Beteiligten eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt wird, in der alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angegeben werden müssen. Diese Darstellung kann jedoch in gedrängter Form erfolgen, und der Beschluss braucht nicht notwendig ein Abbild der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu sein, da es sich bei dieser um ein vorbereitendes Schriftstück handelt, dessen tatsächliche und rechtliche Wertungen lediglich vorläufiger Natur sind. Aus diesem Grund kann die Kommission die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens berücksichtigen – und muss dies sogar –, um etwa Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich als nicht ausreichend begründet erwiesen haben (Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 67). 173 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Frist von zwei Monaten und zehn Tagen ab Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, über die die Klägerinnen gemäß Art. 263 Abs. 6 AEUV und Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 für die Erhebung ihrer Klage gegen diesen Beschluss verfügten, zwar die Erstellung der Klageschrift angesichts der außergewöhnlichen Länge des angefochtenen Beschlusses, der zudem noch im Sommer bekannt gegeben wurde, besonders schwierig machte, dass sie jedoch während des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit zu umfangreichem Meinungsaustausch mit der Kommission über die Sache gehabt hatten. Die Kommission richtete im Januar 2009, im August 2009 sowie von Dezember 2009 bis Mai 2012 Auskunftsverlangen an die Klägerinnen. Diese wurden zudem zur Teilnahme an mehreren Sitzungen zum Verfahrensstand von 2009 bis 2012 eingeladen. Am 27. Juli 2012 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf welche die Klägerinnen am 14. Januar 2013 antworteten. Die Klägerinnen wurden sodann am 15., 16., 17. und 18. April 2013 angehört, es wurden weitere Sitzungen zum Verfahrensstand abgehalten, und den Klägerinnen wurden weitere Auskunftsverlangen übersandt. Am 18. Dezember 2013 gewährte die Kommission den Klägerinnen Einsicht in die nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte gesammelten oder weiter offengelegten Beweise und übersandte eine Darstellung des Sachverhalts, auf die die Klägerinnen am 31. Januar 2014 antworteten. Zudem wurden den Klägerinnen im schriftlichen Abschnitt des Verfahrens vor dem Gericht alle von ihnen beantragten Fristverlängerungen gewährt, so dass sie sich trotz der besonderen Vorgaben, denen sie sich bei der Erhebung ihrer Klage gegenübersahen, im vorliegenden Verfahren insgesamt nicht in einer gegenüber der Kommission deutlich nachteiligen Position befanden. 174 Zur Länge der Klageschrift ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des EGMR die Regeln über die bei der Erhebung von Klagen einzuhaltenden Förmlichkeiten eine geordnete Rechtspflege sicherstellen sollen und die Betroffenen mit der Anwendung dieser Regeln rechnen müssen (EGMR, 6. Dezember 2011, Anastasakis/Griechenland, CE:ECHR:2011:1206JUD004195908, § 24). Im Verfahren vor dem Gericht ist gemäß Nr. 15 der Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht vom 24. Januar 2012 (ABl. 2012, L 68, S. 23), die bei Klageerhebung in Kraft waren, die Länge der Klageschrift grundsätzlich auf 50 Seiten begrenzt, hängt aber immer von der rechtlichen und/oder tatsächlichen Komplexität der betreffenden Rechtssache ab (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 10. April 2014, Langguth Erben/HABM, C‑412/13 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:269, Rn. 63). Im vorliegenden Fall ist den Klägerinnen, die sich auf die rechtliche Komplexität der Rechtssache berufen haben, vom Gericht gestattet worden, eine Klageschrift von 186 Seiten mit reduziertem Zeilenabstand nebst 10158 Seiten Anlagen einzureichen. Es trifft zwar zu, dass der angefochtene Beschluss besonders lang ist und in mancher Hinsicht Wiederholungen enthält, doch erklärt sich dies, wie die Kommission geltend macht, mit der Zahl der den Klägerinnen vorgeworfenen Zuwiderhandlungen, die bestimmte Gemeinsamkeiten aufweisen, und mit den von der Unionsrechtsprechung bei Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV angelegten Beweismaßstäben. Zudem hatten die Klägerinnen, wie die Kommission ausführt, Gelegenheit, auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mit einer Länge von 755 Seiten unter Vorlage eines über 600‑seitigen Schriftstücks zu antworten. Die Länge der Klageschrift und die Zahl der geltend gemachten Klagegründe zeigen im Übrigen, dass die Klägerinnen Zeit hatten, ihr Vorbringen, wenn auch unter zweifellos erheblichen Anstrengungen, vorzubereiten. Sie können daher nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätten sich unüberwindlichen Schwierigkeiten für ihren Zugang zum Gericht gegenübergesehen und sich insgesamt in einer gegenüber der Kommission deutlich nachteiligen Position befunden. 175 Zu dem Vorbringen, das die in dem angefochtenen Beschluss enthaltenen Wiederholungen und Verweise betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es nach Art. 296 AEUV Sache der Kommission ist, ihre Überlegungen so klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen, dass die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Dieses Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Heijmans Infrastructuur/Kommission, T‑359/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:489, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung). Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen genügt der Umstand allein, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss an vielen Stellen dieselben Dokumente erwähnt und zahlreiche Verweise auf andere Teile dieses Beschlusses vorgenommen hat, nicht für den Nachweis, dass der angefochtene Beschluss ihnen nicht erlaubt hätte, die Begründung der erlassenen Maßnahme zu erkennen, oder das Gericht daran hinderten, seine Kontrollaufgabe wahrzunehmen. 176 Das Vorbringen zum Fehlen eines klaren rechtlichen Kriteriums entspricht den Klägerinnen zufolge anderen Klagegründen. Demgemäß ist darauf im Rahmen dieser Klagegründe einzugehen. 177 Schließlich greift auch das Vorbringen nicht durch, dass die Klägerinnen auf die Urteile des EGMR vom 27. Oktober 1993, Dombo Beheer B. V./Niederlande (CE:ECHR:1993:1027JUD001444888), vom 15. Juli 2003, Ernst u. a./Belgien (CE:ECHR:2003:0715JUD003340096), und vom 18. April 2006, Vezon/Frankreich (CE:ECHR:2006:0418JUD006601801), stützen. Die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in diesen Rechtssachen unterscheiden sich erheblich von denen der vorliegenden Rechtssache. So ging es in der Rechtssache, in der das Urteil des EGMR vom 27. Oktober 1993, Dombo Beheer B. V./Niederlande (CE:ECHR:1993:1027JUD001444888), ergangen ist und in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 EMRK festgestellt hat, um einen Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen, in dem sich die eine der beiden Parteien gegenüber der anderen in einer deutlich nachteiligen Position befand, da nur Letztere sich auf eine Zeugenaussage stützen konnte. In der Rechtssache, in der das Urteil des EGMR vom 15. Juli 2003, Ernst u. a./Belgien (CE:ECHR:2003:0715JUD003340096), ergangen ist und in dem der EGMR eine Verletzung von Art. 6 EMRK verneint hat, ging es um die Frage, ob ein Staat den Zugang zu den Gerichten für einen Kläger auf eine die Zulässigkeit betreffende Vorfrage mit der Begründung einschränken konnte, dass dessen Klage gegen einen Richter gerichtet sei, der als solcher einen privilegierten Gerichtsstand genoss. In der Rechtssache schließlich, in der das Urteil des EGMR vom 18. April 2006, Vezon/Frankreich (CE:ECHR:2006:0418JUD006601801), ergangen ist, ging es um eine Verletzung des Rechts auf einen fairen Prozess durch ein Eingreifen des Gesetzgebers, durch das in bei den nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten materielle Ansprüche abschließend und rückwirkend geregelt wurden, ohne dass dies durch einen hinreichenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt war. 178 Nach alledem ist dieser Klagegrund, seine Geeignetheit zur Stützung des Vorwurfs der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses unterstellt, jedenfalls unbegründet. 4. Zur Verfälschung von Tatsachen a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 184 Die Kommission bezweifelt die Zulässigkeit dieses Klagegrundes vor dem Hintergrund von Art. 44 § 1 Buchst. c der im vorliegenden Fall anwendbaren Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991, wonach die Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (Beschluss vom 28. April 1993, De Hoe/Kommission, T‑85/92, EU:T:1993:39, Rn. 20). Im Einzelnen hat der Gerichtshof entschieden, dass es zwar bei der Angabe der Klagegründe nicht unbedingt erforderlich ist, auf die Ausdrucksweise und die Aufzählung in Art. 263 Abs. 2 AEUV zurückzugreifen; es reicht aus, wenn das Vorbringen des Klägers seinem Inhalt nach den Klagegrund erkennen lässt, ohne diesen außerdem in der Sprache des Vertrags ausdrücklich zu bezeichnen; Voraussetzung ist jedoch, dass aus der Klageschrift deutlich genug hervorgeht, welcher der im Vertrag genannten Klagegründe geltend gemacht wird (Urteil vom 15. Dezember 1961, Fives Lille Cail u. a./Hohe Behörde, 19/60, 21/60, 2/61 und 3/61, EU:C:1961:30, S. 588). 185 Im vorliegenden Fall werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, sie habe bestimmte Tatsachen nicht objektiv dargestellt und nicht relevante Tatsachen angeführt, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festzustellen. Obwohl sie diesen Klagegrund als gegen die „Verfälschung des tatsächlichen Kontexts, in dem die Verhaltensweisen zu sehen sind, die Gegenstand des Beschlusses sind“, gerichtet bezeichnen, haben die Klägerinnen aber nicht im Einzelnen dargelegt, auf welche Rechtsvorschrift die Klage gestützt werden kann, und die dazu in der Klageschrift gemachten Angaben sind nicht hinreichend klar und genau, um der Kommission die Antwort auf die angeführten Argumente und dem Gericht die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe zu ermöglichen. Die von ihnen entwickelten Argumente könnten nämlich unter den Klagegrund eines Tatsachenfehlers, den einer fehlerhaften rechtlichen Qualifizierung, den einer Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit oder der Sorgfaltspflicht, den eines Amtsfehlers oder den einer Rufschädigung, die die Erhebung einer Schadensersatzklage rechtfertigen könnte, fallen. 186 Somit ist dieser Klagegrund aus diesem Grund für unzulässig zu erklären. 187 Hilfsweise macht die Kommission geltend, dieser Klagegrund sei auch deshalb unzulässig, weil die Klägerinnen nur durch die Teile des angefochtenen Beschlusses, mit denen ihr Verhalten als Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV eingestuft worden sei, beschwert seien und nur diese Teile Gegenstand einer Klage sein könnten. 188 Nach der Rechtsprechung kann nur der verfügende Teil einer Entscheidung Rechtswirkungen erzeugen und damit eine Beschwer darstellen, während die in den Gründen enthaltenen Beurteilungen nicht als solche Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können. Diese Beurteilungen können der Rechtmäßigkeitskontrolle durch den Unionsrichter nur unterliegen, soweit sie als Begründung einer beschwerenden Maßnahme die tragenden Gründe für den verfügenden Teil dieser Maßnahme darstellen (Beschluss vom 28. Januar 2004, Niederlande/Kommission, C‑164/02, EU:C:2004:54, Rn. 21, und Urteil vom 17. September 1992, NBV und NVB/Kommission, T‑138/89, EU:T:1992:95, Rn. 31) und wenn diese Begründung insbesondere geeignet ist, den materiellen Gehalt des verfügenden Teils der fraglichen Maßnahme zu ändern (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, EU:T:2007:306, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Begründung eines Rechtsakts ist zu berücksichtigen, um zu bestimmen, was im verfügenden Teil entschieden worden ist (Urteile vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, EU:C:1997:241, Rn. 21, und vom 20. November 2002, Lagardère und Canal+/Kommission, T‑251/00, EU:T:2002:278, Rn. 67). 189 Im vorliegenden Fall ist daher zu bestimmen, ob die von den Klägerinnen beanstandeten, in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Elemente die tragenden Gründe für den verfügenden Teil dieser Maßnahme darstellen und ob diese Beurteilungen geeignet sind, den materiellen Gehalt dessen zu ändern, was im verfügenden Teil entschieden worden ist. 190 Die Kommission führt in den Rn. 85 und 110 des angefochtenen Beschlusses, in denen die einzelnen die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente (u. a. Bildung eines „Patent-Clusters“ mit „Papierpatenten“ und allmählicher Übergang zu Argininsalz) dargestellt werden, aus, dass die Beschreibung der Verhaltensweisen, die nicht in den Abschnitten 5 (Prüfung der Vergleiche anhand von Art. 101 AEUV) und 8 (Prüfung des Technologieerwerbs und der Vergleiche anhand von Art. 102 AEUV) des angefochtenen Beschlusses geprüft würden, die Frage ihrer wettbewerbsrechtlichen Rechtmäßigkeit unberührt lasse. So heißt es in Rn. 2764 des angefochtenen Beschlusses, dass kein Bestandteil der allgemeinen Strategie der Klägerinnen „als per se problematisch aus der Sicht des Wettbewerbsrechts der Union eingestuft werden“ könne. In den Rn. 2917 und 2960 heißt es zudem: „Hinsichtlich des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung ist Gegenstand dieses Beschlusses die umfassende Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV, die in der Kombination einer Folge von Patentvergleichsvereinbarungen und des Erwerbs der Technologie von Azad besteht.“ Im Übrigen haben die Klägerinnen selbst beim Gericht beantragt, zahlreiche Abschnitte des angefochtenen Beschlusses betreffend ihre Antigenerika-Strategie gegenüber der Streithelferin vertraulich zu behandeln, weil diese Tatsachen und ihre Interpretation nicht von den ihnen von der Kommission zur Last gelegten Beschwerdepunkten umfasst seien und ihre Offenlegung sie durch Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung und ihres Rufes schwer schädigen würde. Da die die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente von der Kommission demnach nicht als Zuwiderhandlung eingestuft wurden, wurden sie folglich für die Feststellung und Ahndung der im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses genannten Zuwiderhandlungen nicht berücksichtigt. 191 Die Klägerinnen machen jedoch geltend, in Rn. 2766 in Abschnitt 8 des angefochtenen Beschlusses habe die Kommission dargelegt, dass die Prüfung der nach Art. 102 AEUV geahndeten Verhaltensweisen „den vollständigen Sachverhalt berücksichtigen [wird], einschließlich der aus dieser Strategie folgenden übrigen Verhaltensweisen, für die im vorliegenden Beschluss der Beitrag zur Ausschlusswirkung nicht nachgewiesen wird“. Zudem habe die Kommission in Rn. 2772 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass die in Abschnitt 4 beschriebene Antigenerika-Strategie der Klägerinnen, u. a. die Bildung von Patent-Clustern, „wichtige Tatsachen dar[stellt], mit denen sich erklären lässt, z. B. bei der Prüfung der wettbewerbswidrigen Ausschlusswirkung des Verhaltens von Servier, warum der Grad des (potenziellen) Wettbewerbs bei der Lieferung von generischem Perindopril besonders begrenzt ist“. 192 In ihrer Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, sie sei verpflichtet gewesen, im angefochtenen Beschluss Verhaltensweisen darzulegen, die zur Antigenerika-Strategie der Klägerinnen gehörten, aber nicht als Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV eingestuft worden seien, um die Zuwiderhandlungen in ihrem rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Kontext prüfen zu können. In der Sitzung hat die Kommission die Bedeutung von Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses für das Verständnis der umfassenden Strategie von Servier gegenüber den Generikaherstellern und die Tragweite dieser Verhaltensweisen für den Markt betont und dabei zwischen dem tatsächlichen Kontext dieser Verhaltensweisen, der insbesondere im genannten Abschnitt 4 erläutert werde, und deren Charakter als Zuwiderhandlungen unterschieden. In Rn. 2766 des angefochtenen Beschlusses sei diese Unterscheidung klar getroffen worden. 193 Nach ständiger Rechtsprechung ist zwar bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs darstellt, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV angesehen zu werden, u. a. auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, abzustellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zur Beurteilung der in Rede stehenden Vereinbarung ist diese in dem wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext zu betrachten, in dem die Parteien sie geschlossen haben; ein solches Vorgehen kann nicht als Eingriff in Rechtsgeschäfte oder Rechtsverhältnisse angesehen werden, die nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Kommission waren (Urteil vom 13. Juli 1966, Consten und Grundig/Kommission, 56/64 und 58/64, EU:C:1966:41, S. 497). Im Rahmen der Beurteilung dieses Kontexts sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (vgl. Urteile vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung). 194 Ebenso muss die Kommission bei ihrer Untersuchung des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung und für die Zwecke der Feststellung eines etwaigen Missbrauchs einer solchen Stellung alle relevanten tatsächlichen Umstände dieses Verhaltens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2007, British Airways/Kommission, C‑95/04 P, EU:C:2007:166, Rn. 67, und vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 26). Insoweit ist zudem festzustellen, dass die Kommission, wenn sie das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung bewertet, wobei es sich um eine Untersuchung handelt, die unerlässlich ist, um zu einem Ergebnis in Bezug auf das Vorliegen eines Missbrauchs einer solchen Stellung zu gelangen, zwangsläufig die Geschäftsstrategie des Unternehmens beurteilen muss. In diesem Rahmen erscheint es normal, dass die Kommission subjektive Faktoren wie die der betreffenden Geschäftsstrategie zugrunde liegenden Motive anführt (Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 19). 195 Wie sich aus den vorstehenden Rn. 193 und 194 ergibt, ist die Kommission zwar gehalten, zur Prüfung der Vereinbarkeit des Verhaltens eines Unternehmens mit den Art. 101 und 102 AEUV den Kontext zu berücksichtigen, in den sich dieses Verhalten einfügt, doch darf diese Berücksichtigung sie nicht dazu führen, die Feststellung einer Zuwiderhandlung aus einem anderen Verhalten abzuleiten oder durch ein solches bestätigt zu sehen, das für wettbewerbswidrig oder kaum im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht stehend befunden wird, ohne jedoch selbst als Zuwiderhandlung eingestuft zu werden. 196 Im vorliegenden Fall geht aus dem angefochtenen Beschluss (siehe oben, Rn. 190) hervor, dass die die Antigenerika-Strategie der Klägerinnen konstituierenden Elemente, die in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses genannt sind und ein negatives Bild des Vorgehens von Servier zeichnen, von der Kommission nicht als Zuwiderhandlung eingestuft und nicht für die Einstufung der mit einer Geldbuße geahndeten Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung berücksichtigt worden sind. Hätte die Kommission sie tatsächlich herangezogen, um die geahndeten Verhaltensweisen als Zuwiderhandlung einzustufen, hätte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Feststellung von Zuwiderhandlungen auf Verdächtigungen oder Behauptungen zu stützen, die auf andere Verhaltensweisen zurückgehen als die Verhaltensweisen, die sie zu ahnden beschlossen hat. Ein solches Vorgehen könnte dazu führen, dass der vermeintlich schlechte Ruf eines Unternehmens, der aus bloßen Behauptungen oder nicht klar bewiesenen Tatsachen abgeleitet wird, als ein Parameter der Prüfung der ihm vorgeworfenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen angesehen würde. Die Unparteilichkeit und Objektivität, die die Einstufung von Zuwiderhandlungen und ihre Verfolgung durch die Kommission bestimmen müssen, sowie das Recht auf Wahrung der Unschuldsvermutung schließen jedoch derartige Vorannahmen aus. Die Mehrdeutigkeit, die die Kommission hinsichtlich der Bedeutung dieser sehr kritischen, in Abschnitt 4 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Elemente des Verhaltens von Servier unterhält, von denen sie gleichzeitig behauptet, sie seien für ihre Analyse wichtig, könnten aber nicht vor Gericht beanstandet werden, offenbart die Zweifel, die diese Gründe des angefochtenen Beschlusses hervorrufen können. 197 Schließlich ist selbst dann, wenn diese verschiedenen Aspekte der umfassenden Antigenerika-Strategie der Klägerinnen zu den Elementen gehören sollten, die den Kontext der mit dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen konstituieren, doch nicht zu erkennen, dass diese Beurteilungen den verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses substanziell hätten verändern können. Bei der Feststellung des wettbewerbswidrigen Zwecks kann nämlich die Berücksichtigung des Kontexts nicht das Fehlen der tatsächlichen Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks heilen (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 44). Zudem muss die Kommission im Rahmen von Art. 102 AEUV bei ihrer Untersuchung des Verhaltens eines Unternehmens in beherrschender Stellung und für die Zwecke der Identifizierung eines etwaigen Missbrauchs einer solchen Stellung zwar alle relevanten tatsächlichen Umstände dieses Verhaltens berücksichtigen, doch ist das Vorliegen einer etwaigen wettbewerbswidrigen Absicht nur einer der tatsächlichen Umstände, die berücksichtigt werden können, um einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission, C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 18 bis 20). 198 Folglich ist dieser Klagegrund jedenfalls als ins Leere gehend zurückzuweisen, da er gegen Gründe des angefochtenen Beschlusses gerichtet ist, die sich nicht auf die Verhaltensweisen und Praktiken der Klägerinnen beziehen, die Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht darstellen und mit diesem Beschluss geahndet werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass zahlreiche tatsächliche Elemente, die die Klägerinnen im Rahmen dieses Klagegrundes rügen (u. a. der Erwerb alternativer Technologien und die Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten), direkt mit den von der Kommission als Zuwiderhandlung eingestuften Verhaltensweisen zusammenhängen und auch im Rahmen anderer Klagegründe behandelt werden, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend macht. Diese Elemente können ebenfalls relevant sein und werden bei der Untersuchung dieser Klagegründe geprüft. 5. Zu den Rechtsfehlern betreffend die Bestimmung des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung [nicht wiedergegeben] 211 Mit diesem Klagegrund machen die Klägerinnen und die Streithelferin geltend, die Kommission habe mit der Einstufung der Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen Rechtsfehler begangen und die Reichweite der Rechte des geistigen Eigentums, die die Patente darstellten, verkannt. Folglich hat das Gericht zu bestimmen, ob und unter welchen Umständen solche Vergleichsvereinbarungen eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sein können, wobei zu prüfen ist, ob die Kommission bei ihrer Analyse den Schutzbereich der Patente verkannt hat. 212 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission dargelegt, wie nach ihrer Ansicht die Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten mit Blick auf Art. 101 Abs. 1 AEUV zu beurteilen seien und dass solche Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten (Rn. 1102 bis 1155 des angefochtenen Beschlusses). 213 Die Kommission hat zwar grundsätzlich das Recht der Unternehmen anerkannt, einen Rechtsstreit, auch einen solchen über Patente, durch Vergleich beizulegen (Rn. 1118 des angefochtenen Beschlusses), war jedoch der Auffassung, dass Patentvergleichsvereinbarungen das Wettbewerbsrecht der Union, insbesondere Art. 101 Abs. 1 AEUV, beachten müssten (vgl. u. a. Rn. 1119, 1122 und 1123 des angefochtenen Beschlusses). 214 Die Kommission hat auch den besonderen Kontext berücksichtigt, in dem sich im Arzneimittelsektor der Wettbewerb zwischen den Originalpräparate- und den Generikaherstellern vollzieht (Rn. 1125 bis 1132 des angefochtenen Beschlusses). 215 Vor diesem Hintergrund hat die Kommission befunden, dass es für die Parteien grundsätzlich gerechtfertigt sein könne, einen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits zu schließen und in diesen Vergleich sogar Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln aufzunehmen (Rn. 1133 und 1136 des angefochtenen Beschlusses). 216 Allerdings könne je nach den besonderen Umständen der Sache eine Patentvergleichsvereinbarung, mit der ein Generikahersteller gegen eine Wertübertragung in Form der Zahlung eines signifikanten Geldbetrags oder eines anderen signifikanten Anreizes Beschränkungen seiner Fähigkeit und der Anreize, mit seinen Wettbewerbern in Wettbewerb zu treten, akzeptiere, eine Art. 101 AEUV zuwiderlaufende bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen (Rn. 1134 des angefochtenen Beschlusses). In diesem Fall ergebe sich nämlich der Verzicht des Generikaherstellers auf seine eigenständigen Bemühungen um Marktzugang nicht aus der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Patents, sondern aus der Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller (Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses) und somit aus einer Ausschlusszahlung, mit der ein Verzicht auf Wettbewerb gekauft werde (Rn. 1140 des angefochtenen Beschlusses). 217 Die Kommission hat daher angekündigt, dass sie für die Prüfung, ob die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen seien, eine Einzelfallprüfung der jede dieser Vereinbarungen betreffenden Tatsachen vornehmen werde. Hierfür werde sie im Einzelnen prüfen, ob erstens „der Generikahersteller und der Hersteller des Originalpräparats zumindest potenzielle Wettbewerber waren“, ob zweitens „der Generikahersteller sich in der Vereinbarung verpflichtet hat, seine unabhängigen Bemühungen, ein Generikum auf einem oder mehreren EU-Märkten in den Verkehr zu bringen, zu beschränken“, und ob drittens „die Vereinbarung mit einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats als wesentlichem Anreiz verbunden war, der das Interesse des Generikaherstellers an der Fortsetzung seiner unabhängigen Bemühungen, das Generikum auf einem oder mehreren EU-Märkten in den Verkehr zu bringen, erheblich verringert hat“ (Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses). 218 Die Kommission hat sodann die drei in der vorstehenden Rn. 217 genannten Kriterien auf jede der in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen angewandt und ist für jede von ihnen zu dem Schluss gekommen, dass diese drei Kriterien erfüllt und diese Vergleiche folglich u. a. als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen einzustufen seien. a) Zu dem ihrem Zweck nach beschränkenden Charakter von Patentvergleichsvereinbarungen 1) Zu den bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen 219 Nach Art. 101 Abs. 1 AEUV sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von Unternehmen verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem niederländischen Markt oder einem Teil davon „bezwecken oder bewirken“. Nach ständiger Rechtsprechung seit dem Urteil vom 30. Juni 1966, LTM (56/65, EU:C:1966:38, S. 303), ergibt sich aus dem durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichneten alternativen Charakter dieser Voraussetzung die Notwendigkeit, zunächst den eigentlichen Zweck der abgestimmten Verhaltensweise in Betracht zu ziehen, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind. Lässt jedoch die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sind ihre Auswirkungen zu untersuchen, und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Voraussetzungen vorliegen, aus denen sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (vgl. Urteile vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 116 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Steht dagegen der wettbewerbswidrige Zweck einer Vereinbarung fest, brauchen ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht geprüft zu werden (vgl. Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). Demnach hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zu Recht darauf hingewiesen, dass zum einen der wettbewerbswidrige Zweck und die wettbewerbswidrige Wirkung einer Vereinbarung alternative und nicht kumulative Kriterien für die Prüfung seien, ob eine Vereinbarung unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV falle (Rn. 1109), und dass es zum anderen nicht erforderlich sei, die konkreten wettbewerbswidrigen Wirkungen eines Verhaltens darzutun, wenn dessen wettbewerbswidriger Zweck bereits nachgewiesen sei (Rn. 1112). 220 Der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung kann nur auf bestimmte Arten der Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden, die schon ihrer Natur nach das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs hinreichend beeinträchtigen, um davon ausgehen zu können, dass die Prüfung ihrer Wirkungen nicht notwendig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 282, 303 f., vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49, 50 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 31, und vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 20). 221 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung zwischen Unternehmen eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV aufgefasst zu werden, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie steht, abzustellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2015, ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:484, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Rahmen der Beurteilung dieses Kontexts sind auch die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen (vgl. Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu beachten ist jedoch, dass die Prüfung der tatsächlichen Bedingungen des Funktionierens und der Struktur des betreffenden Marktes das Gericht nicht dazu führen darf, die Wirkungen der fraglichen Koordinierung zu beurteilen (vgl. Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 72 bis 82), soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung die praktische Wirksamkeit genommen werden. 222 Ferner ist es den Wettbewerbsbehörden sowie den innerstaatlichen Gerichten und denen der Union nicht verwehrt, die Absicht der Beteiligten zu berücksichtigen, auch wenn sie kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (vgl. Urteil vom 19. März 2015, Dole Food und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, C‑286/13 P, EU:C:2015:184, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, hindert jedoch nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 21; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 25, und vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 64). 223 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, rechtsfehlerhaft befunden zu haben, dass der Umstand allein, dass sich eine Vereinbarung negativ auf den Wettbewerb auswirken könne, ausreiche, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen. Es trifft zu, dass die Kommission in Rn. 1111 des angefochtenen Beschlusses unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a., C‑8/08, EU:C:2009:343, Rn. 31, und vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 35 bis 38) ausgeführt hat, dass es „[f]ür die Einstufung einer Vereinbarung als wettbewerbswidrig genügt …, dass sie sich negativ auf den Wettbewerb auswirken kann. Mit anderen Worten muss die Vereinbarung lediglich geeignet sein, in einem konkreten Fall und unter Berücksichtigung ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen.“ 224 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zutreffend auf die oben in den Rn. 219 bis 222 angeführte Rechtsprechung zur Definition des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung Bezug genommen hat. Wie sich aus den Rn. 1109 und 1110, 1112 bis 1117 und 1211 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission diese Rechtsprechung rechtsfehlerfrei angeführt und sie bei der Prüfung jeder Vereinbarung herangezogen (vgl. u. a. Rn. 1369 bis 1375, 1475 bis 1481, 1622 bis 1627, 1763, 1804 bis 1810 und 1994 bis 2000 des angefochtenen Beschlusses). Es ist unerheblich, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht den Ausdruck „hinreichende Beeinträchtigung“ verwendet hat, da aus diesem Beschluss hervorgeht, dass sie den Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung richtig erfasst hat. Im Einzelnen hat sie in den Rn. 1110 und 1113 dieses Beschlusses ausgeführt, dass es sich um Beschränkungen handle, die „schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden können“, dass „bei der Prüfung der Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung enthält, auf den Inhalt ihrer Bestimmungen und die mit ihr verfolgten Ziele sowie auf den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext, in dem sie steht, abzustellen ist“ und dass „bei der Bestimmung dieses Kontexts auch die Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, die auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und die Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte zu berücksichtigen sind“. Zu Recht hat sie auch darauf hingewiesen, dass „es der Kommission und den Unionsgerichten, auch wenn die Absicht der Beteiligten kein für die Bestimmung des dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Vereinbarung notwendiges Element ist, nicht verwehrt ist, sie zu berücksichtigen“ (Rn. 1113 des angefochtenen Beschlusses). 225 Sodann ist zu beachten, dass der Gerichtshof in Rn. 31 des Urteils vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a. (C‑8/08, EU:C:2009:343), die in Rn. 38 des Urteils vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a. (C‑32/11, EU:C:2013:160), wieder aufgegriffen wird, nicht sagen wollte, dass eine wenig schädliche und sich somit eventuell negativ auf den Wettbewerb auswirkende Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen kann, sondern nur, dass zum einen die Bestimmung der konkreten Wirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb für die Prüfung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht relevant ist und dass zum anderen der Umstand allein, dass eine Vereinbarung nicht umgesetzt worden ist, ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht entgegensteht. Liest man Rn. 31 des Urteils vom 4. Juni 2009, T‑Mobile Netherlands u. a. (C‑8/08, EU:C:2009:343), u. a. im Licht der Rn. 29 und 30 dieses Urteils sowie von Nr. 46 der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache, auf die das Urteil ausdrücklich verweist, und Nr. 47 dieser Schlussanträge, so lässt sie sich in den Kontext der Unterscheidung zwischen bewirkten und bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen einordnen. 226 Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe in Rn. 1111 des angefochtenen Beschlusses einen Rechtsfehler begangen, zurückzuweisen. 227 Die Klägerinnen und die Streithelferin machen ferner unter Berufung auf das Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204), geltend, der Begriff der bezweckten Zuwiderhandlung müsse entgegen dem von der Kommission im angefochtenen Beschluss verfolgten Ansatz eng ausgelegt werden. 228 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 58), befunden hat, dass der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur auf bestimmte Arten von Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden kann, die den Wettbewerb so hinreichend beeinträchtigen, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist, und nicht auf Vereinbarungen, bei denen überhaupt nicht feststeht, dass sie schon ihrer Natur nach schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind. Er hat demzufolge die Feststellung des Gerichts, der Begriff der bezweckten Zuwiderhandlung sei nicht eng auszulegen, als rechtsfehlerhaft beanstandet. Der Gerichtshof hat jedoch nicht die Rechtsprechung in Frage gestellt, wonach die in Art. 101 Abs. 1 Buchst. a bis e AEUV genannten Arten von Vereinbarungen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 23; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 58), wie sich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Art. 101 Abs. 1 AEUV ergibt (Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:467, Nr. 46). 229 Sodann ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall im Einklang mit dem Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:2204), vorgegangen ist, indem sie die streitigen Vereinbarungen anhand der oben in den Rn. 219 bis 222 genannten Kriterien geprüft hat (siehe oben, Rn. 224), die als solche restriktiv sind, da sie die Feststellung eines hinreichenden Schädlichkeitsgrades voraussetzen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin musste die Kommission bei ihrer Prüfung nicht a priori einen restriktiveren Maßstab anlegen, als er durch die Kriterien des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung vorgegeben ist, sondern diese Prüfung erforderte die Feststellung einer hinreichend schädlichen Wettbewerbsbeschränkung oder in Ermangelung einer solchen die Prüfung der konkreten wettbewerbswidrigen Wirkungen der streitigen Vereinbarungen. 230 Die Klägerinnen führen ferner aus, das Fehlen von Präzedenzfällen stehe einer Einstufung als bezweckte Beschränkung entgegen, und machen geltend, der mit der Sache befasste frühere Referatsleiter habe öffentlich deren Neuartigkeit anerkannt, wie auch die Kommission im angefochtenen Beschluss selbst. Es ist jedoch zu beachten, dass die in Art. 101 Abs. 1 Buchst. a bis e AEUV genannten Verhaltensweisen keine abschließende Liste der verbotenen Kollusionen darstellen (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 23) und dass, obwohl die Erfahrung unbestreitbar bestätigen kann, dass bestimmte Arten der Kooperation per se für den Wettbewerb schädlich sind (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51), der Umstand, dass die Kommission in der Vergangenheit Vereinbarungen eines bestimmten Typs nicht als schon ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend angesehen hat, als solcher kein Hinderungsgrund ist, dies künftig aufgrund einer eingehenden Einzelprüfung der streitigen Maßnahmen im Hinblick auf ihren Inhalt, Zweck und Kontext zu tun (vgl. Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 438 und die dort angeführte Rechtsprechung). 231 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen steht auch der bloße Umstand, dass eine Einzelfallprüfung nötig ist, um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festzustellen, einer solchen Einstufung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung ist es nicht erforderlich, dass eine Vereinbarung auf den ersten Blick oder zweifelsfrei – ohne eine eingehende Prüfung ihres Inhalts, ihres Zwecks sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht, durch die Kommission oder den Unionsrichter – hinreichend schädlich für den Wettbewerb ist, um sie als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV einstufen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Allianz Hungária Biztosító u. a., C‑32/11, EU:C:2013:160, Rn. 51, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 775). 232 Die Klägerinnen und die Streithelferin rügen ferner eine widersprüchliche Begründung des angefochtenen Beschlusses, weil es in Rn. 2764 heiße, dass Patentvergleiche nicht als solche wettbewerbswidrig im Sinne von Art. 102 AEUV seien. Aus dem strittigen Satz der Rn. 2764 des angefochtenen Beschlusses geht jedoch klar hervor, dass die Kommission nur auf die Verhaltensweisen Bezug nimmt, die im angefochtenen Beschluss als Teil der Antigenerika-Strategie der Klägerinnen beschrieben werden, aber dort nicht als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft worden sind. Folglich bezieht sich dieser Satz nicht auf die von den Klägerinnen geschlossenen Vergleiche. Im Übrigen ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss, insbesondere seinem Abschnitt 8.3, dass die Kommission die von den Klägerinnen geschlossenen Vergleiche als missbräuchliches Verhalten angesehen hat, das zu der umfassenden einheitlichen und fortgesetzten Ausschlussstrategie beigetragen habe, die eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV darstelle. Mithin ist der angefochtene Beschluss nicht wegen widersprüchlicher Begründung fehlerhaft. 233 Nach dieser Darstellung der Tatbestandsmerkmale des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und der Prüfung der von den Klägerinnen gegen die Auslegung dieses Begriffs erhobenen Rügen ist darauf hinzuweisen, dass die im vorliegenden Fall streitigen Vereinbarungen den Klägerinnen zufolge dem Zweck dienten, Rechtsstreitigkeiten zwischen den Vertragsparteien gütlich beizulegen, und im besonderen Kontext des Patentrechts geschlossen worden waren, denn diese Rechtsstreitigkeiten betrafen die Patente der Klägerinnen. Da die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung des Inhalts, der Ziele und des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der in Rede stehenden Vereinbarung voraussetzt (siehe oben, Rn. 221), sind im vorliegenden Fall die Nichtangriffsklauseln betreffend die Patente und die Vermarktungsverbote für diese Patente verletzende Erzeugnisse, die in den Vergleichen im Allgemeinen und in den streitigen Vereinbarungen im Besonderen enthalten sind, mit Blick auf ihren Zweck, die Patentrechtsstreitigkeiten gütlich beizulegen, und den besonderen patentrechtlichen Kontext zu prüfen, um festzustellen, ob die Kommission diese Vereinbarungen zu Recht und anhand angemessener rechtlicher Kriterien als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft hat. 2) Zu den Rechten des geistigen Eigentums und insbesondere den Patenten 234 Der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums lässt sich dahin kennzeichnen, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9). Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses Rechts verpflichtet sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362). 235 Die Ausübung der Rechte aus einem nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats erteilten Patent bedeutet für sich allein keinen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags (Urteil vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 111). Die Regeln im Bereich des geistigen Eigentums sind für die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt sogar wesentlich (Urteil vom 16. April 2013, Spanien und Italien/Rat, C‑274/11 und C‑295/11, EU:C:2013:240, Rn. 22). Zum einen trägt nämlich das Patentrecht dadurch, dass es einen Ausgleich für die schöpferische Tätigkeit des Erfinders bietet, zur Förderung eines innovations- und investitionsfreundlichen Umfelds bei, und zum anderen zielt es darauf ab, die Funktionsweise der Erfindungen öffentlich zu machen und weitere Fortschritte zu ermöglichen. So heißt es in Rn. 7 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die in vollem Umfang als Rn. 7 in die Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen übernommen worden ist: „[Es gibt keinen] immanenten Konflikt zwischen Rechten des geistigen Eigentums und den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft … Hauptziel beider Rechtsbereiche ist die Förderung des Wohls der Verbraucher und eine effiziente Ressourcenallokation. Innovation ist ein wesentlicher und dynamischer Bestandteil einer offenen und wettbewerbsfähigen Marktwirtschaft. Die Rechte des geistigen Eigentums tragen zu einem dynamischen Wettbewerb bei, indem sie Unternehmen dazu motivieren, in die Entwicklung neuer oder verbesserter Erzeugnisse und Verfahren zu investieren. Dies gilt auch für den Wettbewerb, der Unternehmen ebenfalls zur Innovation veranlasst. Daher sind sowohl gewerbliche Schutzrechte als auch Wettbewerb notwendig, um Innovationen zu fördern und deren wettbewerbsfähige Verwertung sicherzustellen.“ 236 Nach ständiger Rechtsprechung gehört das Eigentumsrecht, zu dem die Rechte des geistigen Eigentums gehören, zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (Urteil vom 29. Januar 2008, Promusicae, C‑275/06, EU:C:2008:54, Rn. 62; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). 237 Das Recht des geistigen Eigentums und namentlich das Patentrecht kann jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und mit anderen Grundrechten abgestimmt werden, und es kann Beschränkungen unterworfen werden, um dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Union zu entsprechen, ohne dass diese jedoch einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Gerichtshof hat z. B. in Rechtsstreitigkeiten betreffend die Auslegung der Verordnung (EG) Nr.o469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. 2009, L 152, S. 1) befunden, dass zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und denen der Volksgesundheit abzuwägen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. März 2015, Actavis Group PTC und Actavis UK, C‑577/13, EU:C:2015:165, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). 238 Gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV errichtet die Union einen Binnenmarkt, der nach dem dem Vertrag von Lissabon beigefügten Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb (ABl. 2010, C 83, S. 309), das nach Art. 51 EUV den Verträgen im Rang gleichsteht, ein System umfasst, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt. Die Art. 101 und 102 AEUV gehören zu den Wettbewerbsregeln im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b AEUV, die für das Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. Diese Regeln sollen nämlich gerade verhindern, dass der Wettbewerb entgegen dem öffentlichen Interesse und zum Schaden der einzelnen Unternehmen und der Verbraucher verfälscht wird, und sollen damit zum wirtschaftlichen Wohl in der Union beitragen (Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 20 bis 22). 239 Auch wenn die Verträge nie ausdrücklich eine Abstimmung zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem Wettbewerbsrecht vorgesehen haben, sah doch Art. 36 EG, dessen Bestimmungen in Art. 36 AEUV übernommen worden sind, eine Abstimmung zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vor, indem er feststellte, dass die Vertragsbestimmungen über das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten Einfuhr‑, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder ‑beschränkungen nicht entgegenstehen, die u. a. aus Gründen des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, wobei diese Verbote oder Beschränkungen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen dürfen. Nach Ansicht des Gerichtshofs unterscheidet Art. 36 EG damit zwischen der Existenz eines von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten Rechts auf Schutz des geistigen und künstlerischen Eigentums, das durch die Bestimmungen des Vertrags nicht berührt werden kann, und der Ausübung dieses Rechts, die unter Umständen eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 1982, Coditel u. a., 262/81, EU:C:1982:334, Rn. 13). 240 Der Unionsgesetzgeber hat im Übrigen auf die Notwendigkeit einer solchen Abstimmung hingewiesen. So heißt es in der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. 2004, L 157, S. 45), mit der die nationalen Rechtsvorschriften einander angenähert werden sollen, um ein hohes, gleichwertiges und homogenes Schutzniveau für geistiges Eigentum im Binnenmarkt zu gewährleisten (zehnter Erwägungsgrund), und die „im Einklang mit Artikel 17 Absatz 2 der Charta [der Grundrechte] die uneingeschränkte Achtung geistigen Eigentums sicherstellen [soll]“ (32. Erwägungsgrund), dass sie „die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften, insbesondere der Artikel [101] und [102 AEUV], nicht berühren [darf]“ und dass die „in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen … nicht dazu verwendet werden dürfen, den Wettbewerb entgegen den Vorschriften des Vertrags unzulässig einzuschränken“ (zwölfter Erwägungsgrund). 241 Der Gerichtshof hat eine Rechtsprechung zu den verschiedenen Arten von Rechten des geistigen Eigentums entwickelt, mit der die Wettbewerbsregeln und die Ausübung dieser Rechte aufeinander abgestimmt werden sollen, ohne dass diese in ihrer Substanz beeinträchtigt werden, wobei er dieselben Überlegungen wie bei der Abstimmung zwischen diesen Rechten und dem freien Warenverkehr zugrunde gelegt hat. Demgemäß geht es dem Gerichtshof darum, den anormalen Gebrauch der Rechte des geistigen Eigentums zu ahnden, nicht aber ihre legitime Ausübung, die der Gerichtshof anhand ihres spezifischen Gegenstands definiert, ein Begriff, der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als Synonym für die Begriffe der eigentlichen Substanz dieser Rechte und der wesentlichen Befugnisse ihrer Inhaber verwendet wird. Dem Gerichtshof zufolge betrifft die Ausübung von Befugnissen, die zum spezifischen Gegenstand eines Immaterialgüterrechts gehören, dessen Existenz (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Gulmann in der Rechtssache RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P, EU:C:1994:210, Nrn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber kann jedoch nach Ansicht des Gerichtshofs unter außergewöhnlichen Umständen auch ein wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (Urteil vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 50; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 691). 242 Wie der Gerichtshof zu Patenten entschieden hat, ist nicht auszuschließen, dass die Vorschriften dieses Artikels angewendet werden können, wenn Unternehmen sich über die Verwertung eines oder mehrerer Patente abstimmen und dadurch eine Lage schaffen, die unter die Begriffe Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen geeignet ist (Urteil vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 112). 1974 hat er erneut entschieden, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt werden, dass ihre Ausübung jedoch unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Zweck, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40). 243 Da es an einer Harmonisierung des im vorliegenden Fall anwendbaren Patentrechts in der Union fehlt, ist der Umfang des Patentschutzes für ein von einem nationalen Patentamt oder vom EPA erteiltes Patent nicht anhand von Vorschriften des Unionsrechts, sondern solchen des nationalen Rechts oder des EPÜ zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 1999, Farmitalia, C‑392/97, EU:C:1999:416, Rn. 26, und vom 24. November 2011, Medeva, C‑322/10, EU:C:2011:773, Rn. 22 und 23). Hat der Unionsrichter im Rahmen einer gegen einen Beschluss der Kommission gerichteten Nichtigkeitsklage einen Vergleich zur Beilegung eines Patentrechtsstreits zu prüfen, ist es folglich nicht seine Sache, den Schutzbereich dieses Patents zu bestimmen oder sich zu seiner Gültigkeit zu äußern. Im vorliegenden Fall hat die Kommission im Übrigen zwar in den Rn. 113 bis 123 des angefochtenen Beschlusses von einer Strategie der Klägerinnen der Bildung eines „Patent-Clusters“ und von „Papierpatenten“ gesprochen, sie hat sich jedoch nicht zur Gültigkeit der streitigen Patente bei Abschluss der Vergleiche geäußert. 244 Auch wenn es weder Sache der Kommission noch des Gerichts ist, sich zur Gültigkeit eines Patents zu äußern, muss doch dessen Bestehen bei der Prüfung im Rahmen der Wettbewerbsregeln der Union berücksichtigt werden. Wie der Gerichtshof bereits befunden hat, ist es zwar nicht Sache der Kommission, den Schutzbereich eines Patents zu bestimmen, doch kann sie sich in dieser Hinsicht nicht jeder Beurteilung enthalten, wenn dieser Schutzbereich für die Frage von Bedeutung ist, ob ein Verstoß gegen die Art. 101 und 102 AEUV vorliegt. Die Kommission muss nämlich selbst dann, wenn der tatsächliche Schutzbereich eines Patents Gegenstand eines Rechtsstreits vor einem inländischen Gericht ist, ihre Befugnisse gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1/2003 wahrnehmen können. Diese greifen den Würdigungen der innerstaatlichen Gerichte in den dort anhängigen Patentrechtsstreitigkeiten in keiner Weise vor, und die Entscheidung der Kommission unterliegt der Nachprüfung durch den Gerichtshof (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 26 und 27). 245 Zu beachten ist schließlich, dass die Rechte des geistigen Eigentums durch die Charta der Grundrechte geschützt sind. Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte, die gemäß dem Vertrag von Lissabon den Verträgen im Rang gleichsteht (Art. 6 Abs. 1 EUV) sieht vor: „Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.“ Nach Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte wird zudem „[g]eistiges Eigentum … geschützt“. Folglich gelten die Garantien des Art. 17 Abs. 1 der Charta der Grundrechte auch für die Rechte des geistigen Eigentums. Der Gerichtshof hat befunden, dass sich aus der Anerkennung der Rechte des geistigen Eigentums in der Charta der Grundrechte das Erfordernis eines Schutzes dieser Rechte auf hohem Niveau ergibt und dass die Erhaltung eines freien Wettbewerbs, zu dessen Schutz das Primärrecht, insbesondere die Art. 101 und 102 AEUV, die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung verbietet, und die notwendige Gewährleistung der Rechte des geistigen Eigentums des Patentinhabers und dessen Recht auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, die in Art. 17 Abs. 2 der Charta der Grundrechte garantiert werden, gegeneinander abzuwägen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 42 und 58). 3) Zu den Vergleichen in Patentrechtsstreitigkeiten 246 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die folgenden Ausführungen nicht die Fälle von betrügerisch erlangten Patenten, „fiktiven“ Rechtsstreitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten, die noch nicht vor Gericht gelangt sind, betreffen. Denn wie die Kommission in Rn. 1170 des angefochtenen Beschlusses eingeräumt hat, waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichsvereinbarungen die Klägerinnen und die Generikahersteller sämtlich Parteien oder Beteiligte eines Rechtsstreits vor einem nationalen Gericht oder vor dem EPA über die Gültigkeit bestimmter Patente der Klägerinnen oder über die Frage, ob das von dem Generikahersteller entwickelte Erzeugnis eine Patentverletzung darstellt. 247 Zunächst ist festzustellen, dass es für die Parteien eines Patentrechtsstreits a priori legitim ist, einen Vergleich zu schließen, statt einen Rechtsstreit vor einem Gericht fortzusetzen. Wie die Kommission zutreffend in Rn. 1102 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, sind Unternehmen im Allgemeinen befugt, Rechtsstreitigkeiten, eingeschlossen Patentrechtsstreitigkeiten, durch Vergleich zu beenden, da solche Vergleiche oft für beide Parteien des Rechtsstreits vorteilhaft sind und eine effizientere Ressourcenallokation ermöglichen, als wenn der Rechtsstreit bis zum Erlass eines Urteils fortgesetzt würde. Ein Kläger ist nämlich nicht verpflichtet, einen Rechtsstreit fortzusetzen, den er selbst aus freiem Willen vor Gericht gebracht hat. Zudem kann die Beendigung von Rechtsstreitigkeiten durch gerichtliche Entscheidung, abgesehen davon, dass sie der Allgemeinheit Kosten verursacht, nicht als der privilegierte und ideale Weg der Konfliktlösung angesehen werden. Die Vervielfachung von Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten kann Ausdruck von Funktionsstörungen oder Unzulänglichkeiten sein, für die es andere Formen der Abhilfe oder geeignete Vorbeugungsmaßnahmen geben kann. Sollten in den nationalen Systemen der Patenterteilung oder im System des EPA derartige Schwierigkeiten bestehen, etwa indem Verfahren ohne Erfindungscharakter zu großzügig Schutz zuerkannt wird, können diese Probleme keine Verpflichtung oder auch nur eine Ermunterung der Unternehmen rechtfertigen, Patentrechtsstreitigkeiten bis zu einer gerichtlichen Klärung fortzusetzen. 248 Zudem wird in den Rn. 204 und 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die zumindest auf Technologie-Lizenzvereinbarungen anwendbar sind, die Möglichkeit anerkannt, Anspruchsregelungs- und ‑verzichtsvereinbarungen, einschließlich Lizenzvereinbarungen, zu schließen, und festgestellt, dass Nichtangriffsklauseln in Anspruchsregelungs- und ‑verzichtsvereinbarungen in der Regel nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. In Rn. 235 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen, die an die Stelle der Leitlinien von 2004 getreten sind, heißt es ebenfalls: „Streitbeilegungsvereinbarungen im Zusammenhang mit Technologiestreitigkeiten sind, ebenso wie in vielen anderen Bereichen der Wirtschaftskonflikte, grundsätzlich eine legitime Möglichkeit, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss in einer Bona-fide-Rechtsstreitigkeit zu finden. Die Parteien ziehen es möglicherweise vor, die Auseinandersetzung oder Streitigkeit einzustellen, da sie sich als zu kostspielig oder zu zeitaufwändig erweist und/oder zu ungewiss erscheint. Infolge von Streitbeilegungen brauchen Gerichte und/oder zuständige Verwaltungsorgane ferner möglicherweise nicht über die Sache zu entscheiden, was sich wohlstandsfördernd auswirkt.“ 249 Die Kommission selbst macht im Übrigen von einem Verwaltungsverfahren in Kartellfällen Gebrauch, das in bestimmten Aspekten einem Vergleich ähnelt. Ziel des mit der Verordnung (EG) Nr. 622/2008 der Kommission vom 30. Juni 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hinsichtlich der Durchführung von Vergleichsverfahren in Kartellfällen (ABl. 2008, L 171, S. 3) eingeführten Vergleichsverfahrens ist nämlich die Vereinfachung und Beschleunigung der Verwaltungsverfahren sowie die Reduzierung der vor den Unionsgerichten erhobenen Klagen, damit die Kommission bei gleichbleibenden Ressourcen mehr Fälle bearbeiten kann (Urteil vom 20. Mai 2015, Timab Industries und CFPR/Kommission, T‑456/10, EU:T:2015:296, Rn. 59 und 60). 250 Ferner sind nach der Rechtsprechung die Befugnis des Rechteinhabers, seine Rechte gerichtlich geltend zu machen, und die darauf beruhende gerichtliche Kontrolle Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegt und auch in den Art. 6 und 13 EMRK verankert ist. Da der Zugang zu den Gerichten ein Grundrecht ist und ein allgemeines Prinzip darstellt, das die Wahrung des Rechts sicherstellt, kann die Erhebung einer Klage nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellen (Urteil vom 17. Juli 1998, ITT Promedia/Kommission, T‑111/96, EU:T:1998:183, Rn. 60). Wie der Gerichtshof entschieden hat, impliziert das Erfordernis des hohen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums, dass ihrem Inhaber grundsätzlich nicht die Möglichkeit genommen werden kann, gerichtliche Schritte zu unternehmen, durch die gewährleistet wird, dass seine ausschließlichen Rechte tatsächlich beachtet werden (Urteil vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 58). Entsprechend ist die Entscheidung eines Unternehmens, auf den Rechtsweg zu verzichten und stattdessen eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreits zu suchen, nur Ausdruck derselben Freiheit in der Wahl der Mittel zur Verteidigung seiner Rechte und kann grundsätzlich keine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht darstellen. 251 Der Zugang zu den Gerichten ist zwar ein Grundrecht, er kann jedoch nicht als Verpflichtung angesehen werden, auch wenn er dazu beitragen sollte, den Wettbewerb zwischen Wirtschaftsteilnehmern zu beleben. Zum einen besteht nämlich trotz der Vielfalt der Verfahren und Systeme zur Erteilung von Patenten, die zur Zeit der hier in Rede stehenden Sachverhalte in den Mitgliedstaaten der Union und vor dem EPA herrschte, normalerweise die Vermutung, dass ein von einer öffentlichen Stelle eingeräumtes Recht des geistigen Eigentums gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362). Zum anderen liegt es zwar im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92 und 93), und ist allgemein anerkannt, dass die öffentlichen Budgets, namentlich die zur Deckung der Gesundheitskosten bestimmten, erheblichen Zwängen unterliegen und dass der Wettbewerb, insbesondere der von Produkten der Generikahersteller ausgehende, wirksam zur Begrenzung dieser Budgets beitragen kann, doch ist auch zu beachten, dass, wie die Kommission in Rn. 1201 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, jedem Unternehmen die Entscheidung freisteht, Klage gegen die von den Originalherstellern gehaltenen Patente an den Originalpräparaten zu erheben oder nicht. Zudem hindert die Entscheidung für oder gegen die Erhebung einer solchen Klage oder für einen Vergleich zur Beilegung eines Rechtsstreits andere Unternehmen grundsätzlich nicht daran, sich für die Anfechtung dieser Patente zu entscheiden. 252 Aus alledem ergibt sich, dass zur Abstimmung des Patentrechts mit dem Wettbewerbsrecht im besonderen Rahmen des Abschlusses von Vergleichen zwischen Parteien eines Patentrechtsstreits ein Ausgleich zu finden ist zwischen einerseits der Notwendigkeit, den Unternehmen den Abschluss von für die Allgemeinheit günstigen Vergleichen zu ermöglichen, und andererseits der Notwendigkeit, der Gefahr eines zweckwidrigen, dem Wettbewerbsrecht zuwiderlaufenden Einsatzes von Vergleichsvereinbarungen vorzubeugen, der zur Aufrechterhaltung von ungültigen Patenten und insbesondere im Arzneimittelsektor zu einer nicht gerechtfertigten finanziellen Belastung der öffentlichen Haushalte führt. 4) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und Wettbewerbsrecht 253 Der Abschluss eines Vergleichs in einem Patentrechtsstreit stellt die Parteien nicht von der Anwendung des Wettbewerbsrechts frei (vgl. Urteile vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 15, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 118; vgl. entsprechend Urteil vom 30. Januar 1985, BAT Cigaretten-Fabriken/Kommission, 35/83, EU:C:1985:32, Rn. 33; vgl. auch Rn. 204 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen und Rn. 237 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen). 254 Demgemäß hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Abrede über die Unterlassung von Angriffen gegen ein Patent auch dann, wenn sie in einem Vertrag enthalten ist, durch den ein vor Gericht anhängiger Rechtsstreit beendet werden soll, aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, den Wettbewerb im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV beschränken kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 14 bis 16). 255 Daher sind die Merkmale zu bestimmen, anhand deren auf den dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakter einer Abrede über die Unterlassung eines Angriffs gegen ein Patent und allgemeiner einer Patentvergleichsvereinbarung geschlossen werden kann, wobei die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung des Inhalts der in Rede stehenden Vereinbarung, der mit ihr verfolgten Ziele sowie des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem sie steht, voraussetzt (siehe oben, Rn. 221). 256 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit nicht unbedingt negative Auswirkungen auf den Wettbewerb haben muss. Dies ist z. B. dann nicht der Fall, wenn die Parteien der Vereinbarung das streitige Patent einvernehmlich für ungültig erachten und daher den sofortigen Markteintritt des Generikaherstellers vorsehen. 257 Die hier in Rede stehenden Vereinbarungen gehören nicht zu dieser Kategorie, da sie Nichtangriffsklauseln betreffend Patente und Vermarktungsverbote für Erzeugnisse enthalten, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind. Denn die Nichtangriffsklausel läuft dem öffentlichen Interesse zuwider, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92), und das Vermarktungsverbot führt zum Ausschluss eines Wettbewerbers des Patentinhabers. 258 Die Aufnahme solcher Klauseln kann jedoch legitim sein, allerdings nur, soweit ihr die Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents (und damit des rechtsverletzenden Charakters der betreffenden Generika) durch die Parteien zugrunde liegt. 259 Zum einen sind nämlich Wettbewerbsverbots- und Nichtangriffsklauseln zur gütlichen Beilegung bestimmter Patentrechtsstreitigkeiten nötig. Könnten die Parteien des Rechtsstreits solche Klauseln nicht verwenden, verlöre die gütliche Beilegung des Rechtsstreits jedes Interesse für Rechtsstreitigkeiten, in denen beide Parteien von der Gültigkeit des Patents ausgehen. Im Übrigen bezeichnet es die Kommission in Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen als „charakteristisch für solche Vereinbarungen, dass sich die Parteien darauf einigen, die betreffenden Rechte des geistigen Eigentums nicht im Nachhinein anzugreifen. Es ist ja gerade der Sinn dieser Vereinbarung, bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden.“ Zur Erreichung dieses Ziels ist es ebenso notwendig, dass sich die Parteien darauf einigen, dass kein rechtsverletzendes Erzeugnis vertrieben werden kann. 260 Zum anderen werden mit der Aufnahme von Vermarktungsverbotsklauseln zum Teil nur die bereits bestehenden rechtlichen Wirkungen eines Patents bestätigt, das die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend als gültig anerkennen. Das Patent bewirkt nämlich zugunsten seines Inhabers normalerweise, dass Wettbewerber daran gehindert sind, das den Gegenstand des Patents bildende Erzeugnis oder das Erzeugnis, das durch das den Gegenstand des Patents bildende Verfahren gewonnen wurde, zu vertreiben (siehe oben, Rn. 234). Mit der Unterwerfung unter ein Vermarktungsverbot verpflichtet sich der Generikahersteller, keine Erzeugnisse zu verkaufen, die eine Verletzung des in Rede stehenden Patents darstellen können. Wenn sich dieses Verbot auf den Geltungsbereich des streitigen Patents beschränkt, kann angenommen werden, dass es im Wesentlichen die Wirkungen dieses Patents wiedergibt, da es auf der Anerkennung von dessen Gültigkeit beruht. Was Nichtangriffsklauseln betrifft, lässt sich das Patent nicht in dem Sinne auslegen, dass es auch gegen Angriffe auf die Gültigkeit eines Patents Schutz gewährt (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92). Die Wirkungen dieser Klauseln decken sich demnach nicht mit denen des Patents. Wird jedoch eine Nichtangriffsklausel im Rahmen einer gütlichen Beilegung eines wirklichen Rechtsstreits vereinbart, in dem der Wettbewerber bereits Gelegenheit zur Anfechtung des Patents hatte und schließlich dessen Gültigkeit anerkennt, kann sie nicht als dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufend angesehen werden, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (siehe oben, Rn. 257). 261 Die Kommission selbst hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln in der Regel jedem Vergleich inhärent seien. Es sei „wenig wahrscheinlich, dass ein Vergleich, der im Rahmen einer Patentauseinandersetzung oder eines Patentrechtsstreits auf der Grundlage der Einschätzung dieses Streits durch jede Partei geschlossen wird, gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, auch wenn der Vergleich die Verpflichtung für den Generikahersteller vorsieht, die durch das Patent geschützte Erfindung während der Schutzdauer nicht zu verwenden (z. B. durch ein Vermarktungsverbot) und/oder das in Rede stehende Patent nicht gerichtlich anzufechten (z. B. durch eine Nichtangriffsklausel)“ (Rn. 1136 des angefochtenen Beschlusses). 262 Somit erlaubt die bloße Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Wirkungen auf die des betreffenden Patents beschränkt sind, in Vergleichsvereinbarungen trotz des Umstands, dass diese Klauseln als solche wettbewerbsbeschränkend sind (siehe oben, Rn. 257), nicht den Schluss auf eine Beschränkung des Wettbewerbs, die hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden, wenn diesen Vergleichen die Anerkennung der Gültigkeit des Patents (und damit des rechtsverletzenden Charakters der betreffenden Generika) durch die Parteien zugrunde liegt. 263 Die Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Reichweite sich auf die des Patents beschränkt, ist dagegen problematisch, wenn der Unterwerfung des Generikaherstellers unter diese Klauseln nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch diesen zugrunde liegt. Wie die Kommission zu Recht ausführt, stellen, „[s]elbst wenn sie nicht über den materiellen Geltungsbereich des Patents hinausgehen, … die in dem Vergleich enthaltenen Beschränkungen der kaufmännischen Autonomie des Generikaherstellers einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV dar, wenn diese Beschränkungen nicht gerechtfertigt werden können und sich nicht aus der Beurteilung des Bestehens des ausschließlichen Rechts selbst durch die Parteien ergeben“ (vgl. Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses). 264 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer „umgekehrten Zahlung“, d. h. einer Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller, im Rahmen einer Vergleichsvereinbarung doppelt verdächtig ist. Denn erstens soll durch das Patent die schöpferische Tätigkeit des Erfinders dadurch vergütet werden, dass er einen angemessenen Gewinn aus seiner Investition ziehen kann (siehe oben, Rn. 234), und ein gültiges Patent muss daher grundsätzlich einen Werttransfer an seinen Inhaber – z. B. durch eine Lizenzvereinbarung – und nicht in die umgekehrte Richtung ermöglichen. Zweitens erregt das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung insofern Verdacht, als unklar ist, ob dem Vergleich die Anerkennung der Gültigkeit des fraglichen Patents durch die Parteien der Vereinbarung zugrunde liegt. 265 Allerdings lässt das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung allein nicht den Schluss auf eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass bestimmte umgekehrte Zahlungen, wenn sie dem Vergleich inhärent sind, gerechtfertigt sind (siehe unten, Rn. 277 bis 280). Dagegen ist im Fall einer nicht gerechtfertigten umgekehrten Zahlung bei Abschluss des Vergleichs davon auszugehen, dass der Generikahersteller durch diese Zahlung dazu angereizt wurde, sich der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel zu unterwerfen, und auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zu schließen. In diesem Fall hängen die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel nicht mehr mit dem Patent zusammen, sondern sind mit der Gewährung eines Vorteils zu erklären, durch den der Generikahersteller dazu angereizt werden soll, auf seine Wettbewerbsanstrengungen zu verzichten. 266 Zwar sind weder die Kommission noch die Unionsgerichte dafür zuständig, über die Gültigkeit des Patents zu entscheiden (siehe oben, Rn. 243 und 244), doch können sie im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten und ohne Entscheidung über die Gültigkeit des Patents selbst das Vorliegen eines anormalen Gebrauchs desselben feststellen, der nichts mit dem spezifischen Gegenstand des Patents zu tun hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 29. Februar 1968, Parke, Davis and Co., 24/67, EU:C:1968:11, S. 111 bis 113, und vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 7 und 8; vgl. auch entsprechend Urteile vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission, C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 50, und vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 104 bis 106). 267 Einen Wettbewerber dazu anzureizen, Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in dem oben in Rn. 265 beschriebenen Sinne zu akzeptieren, oder ihn dazu zu bringen, sich aufgrund eines solchen Anreizes derartigen Klauseln zu unterwerfen, stellt einen anormalen Gebrauch des Patents dar. 268 Wie die Kommission in Rn. 1137 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, „sieht das Patentrecht nicht das Recht vor, seine wirklichen oder potenziellen Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben oder vor einem Markteintritt von der Anfechtung eines Patents absehen“. Die Patentinhaber sind auch, so die Kommission weiter, „nicht berechtigt, Generikahersteller zu bezahlen, um sie vom Markt fernzuhalten und die vom Wettbewerb ausgehenden Risiken zu verringern, sei es im Rahmen einer Patentvergleichsvereinbarung oder auf anderem Wege“ (Rn. 1141 des angefochtenen Beschlusses). Wie die Kommission schließlich zutreffend meint, „gehört es nicht zu irgendeinem mit den Patenten zusammenhängenden Recht und entspricht keinem der im Patentrecht zur Durchsetzung der Patente vorgesehenen Mittel, potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen oder auf andere Weise dazu anzureizen, dem Markt fernzubleiben“ (Rn. 1194 des angefochtenen Beschlusses). 269 Ist das Bestehen eines Anreizes festgestellt, können die Parteien nicht mehr geltend machen, sie hätten die Gültigkeit des Patents im Rahmen des Vergleichs anerkannt. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang. 270 Es ist dann der Anreiz und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien des Vergleichs, der als eigentlicher Grund für die mit der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel eingeführte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen ist (siehe oben, Rn. 257), für die es in diesem Fall keinerlei Rechtfertigung gibt und die daher hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können. 271 Bei Bestehen eines Anreizes müssen die in Rede stehenden Vereinbarungen somit als Marktausschlussvereinbarungen angesehen werden, mit denen die im Markt verbleibenden die aus diesem ausscheidenden Unternehmen entschädigen. Derartige Vereinbarungen stellen aber in Wirklichkeit einen Abkauf von Wettbewerb dar und müssen deshalb als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden, wie sich aus dem Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 31 bis 34), und den Schlussanträgen von Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:467, Nr. 77) ergibt, die u. a. in den Rn. 1139 und 1140 des angefochtenen Beschlusses angeführt werden. Zudem stellt der Marktausschluss von Wettbewerbern eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435), die in einem Kontext wie dem der streitigen Vereinbarungen umso wettbewerbsschädlicher ist, als die ausgeschlossenen Unternehmen Generikahersteller sind, deren Markteintritt grundsätzlich wettbewerbsfördernd ist und außerdem zum öffentlichen Interesse beiträgt, die Gesundheitskosten zu senken. Schließlich wird dieser Ausschluss in den streitigen Vereinbarungen dadurch verstärkt, dass die Generikahersteller das streitige Patent nicht anfechten können. 272 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass im Kontext von Patentvergleichsvereinbarungen die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen als Anreiz wirkenden Vorteil für den Generikahersteller als auch eine entsprechende Beschränkung der Anstrengungen dieses Herstellers enthält, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung wegen des Grades der Schädlichkeit dieser Vereinbarung für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs geboten. 273 Somit erlaubt im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter (siehe oben, Rn. 257) nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, und zwar auch dann, wenn ein echter Rechtsstreit besteht, wenn die Vergleichsvereinbarung Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren Reichweite nicht über die des streitigen Patents hinausgeht, und wenn dieses Patent in Anbetracht insbesondere der Entscheidungen der zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichte von den Parteien der Vereinbarung bei deren Abschluss zu Recht als gültig angesehen werden könnte. 274 In dem angefochtenen Beschluss hat die Kommission zu Recht geprüft, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfassten, die einen „signifikanten“, d. h. geeigneten, Anreiz darstellte, Letzteren dazu zu veranlassen, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, um daraus angesichts eines solchen Anreizes zu folgern, dass eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorlag. 275 Indem die Kommission so auf das Kriterium des Anreizes abgestellt hat, um zwischen Vergleichsvereinbarungen, die eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, und solchen, bei denen das nicht der Fall ist, zu unterscheiden – im Folgenden als Kriterium des „Anreizes“ oder des „als Anreiz wirkenden Vorteils“ bezeichnet –, hat sie nach alledem ihren Beschluss nicht mit einem Rechtsfehler belastet. 276 Ein solcher Rechtsfehler lässt sich auch nicht aus einer vermeintlichen Nichtberücksichtigung des Zusammenhangs, in dem die streitigen Vereinbarungen stehen, ableiten (vgl. zum Begriff des Zusammenhangs Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 53), denn aus den vorstehenden Ausführungen geht auch hervor, dass das Kriterium des Anreizes auf einer Analyse des Inhalts der streitigen Vereinbarungen anhand nicht nur ihres erklärten Gegenstands – der gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten –, sondern auch ihres spezifischen Kontexts beruht, der dadurch gekennzeichnet ist, dass im Arzneimittelsektor ausschließliche Rechte einräumende Patente bestehen, die als gültig vermutet werden und deren Innehabung normalerweise zur Folge hat, dass die Wettbewerber ferngehalten werden (siehe oben, Rn. 234). Der Kontext, in dem die streitigen Vereinbarungen geschlossen wurden, ist im vorliegenden Fall umso mehr berücksichtigt worden, als die Kommission für jede dieser Vereinbarungen dargetan hat, dass der betreffende Generikahersteller ein potenzieller Wettbewerber von Servier war, d. h., dass es ihm tatsächlich und konkret möglich war, in den Markt einzutreten (siehe unten, Rn. 317 ff.). Um die Antwort auf den Klagegrund zu vervollständigen, die Kommission habe rechtsfehlerhaft auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erkannt, und um sodann prüfen zu können, ob der Kommission für jede Vereinbarung ein Beurteilungsfehler unterlaufen ist, muss noch geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen das Bestehen eines Anreizes festgestellt werden kann. 5) Zum Anreiz 277 Für die Feststellung, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz dazu darstellt, Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob die umgekehrte Zahlung dem Vergleich inhärente Kosten (im Folgenden: vergleichsinhärente Kosten) deckt. Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission daher zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach (Rn. 1333 ff., 1461 ff., 1592 ff. und 1969 ff. des angefochtenen Beschlusses). 278 Wenn durch die umgekehrte Zahlung, die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehen ist, die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgeglichen werden sollen, so kann diese Zahlung grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Dass diese Kosten durch den Vergleich bedingt sind, bedeutet, dass sie als solche auf der Anerkennung der Gültigkeit der streitigen Patente beruhen, die mit diesem Vergleich festgeschrieben werden soll, indem der Streit über diese Gültigkeit und die mögliche Verletzung dieser Patente beendet wird. Daher kann nicht gesagt werden, dass eine solche umgekehrte Zahlung Verdacht hinsichtlich der Frage erregt, ob der Vergleich auf der Anerkennung der Gültigkeit des in Rede stehenden Patents durch die Parteien der Vereinbarung beruht (siehe oben, Rn. 264 und 265). Die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ist in diesem Fall gleichwohl nicht ausgeschlossen. Sie setzt aber den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (vgl. in diesem Sinne Rn. 1338, 1465, 1600 und 1973 des angefochtenen Beschlusses). Ein solches Missverhältnis würde dazu führen, dass die betreffenden Kosten nicht mehr als vergleichsinhärent anzusehen wären und dass aus der Erstattung dieser Kosten nicht gefolgert werden könnte, dass die fragliche Vergleichsvereinbarung auf der Anerkennung der Gültigkeit der streitigen Patente beruht. 279 Wie die Klägerinnen und die Kommission in der Sitzung eingeräumt haben, decken die vergleichsinhärenten Kosten u. a. die Kosten, die der Generikahersteller in dem von ihm mit dem Hersteller des Originalpräparats geführten Rechtsstreit zu tragen hat. Diese Kosten sind nämlich nur für die Zwecke der Auseinandersetzungen über die Gültigkeit oder die Verletzung der in Rede stehenden Patente angefallen, die mit dem Vergleich gerade durch die einvernehmliche Anerkennung der Gültigkeit der Patente beendet werden sollten. Ihre Übernahme steht daher in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Wenn die Beträge der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien des Vergleichs nachgewiesen sind, kann folglich die Kommission ihren Anreizcharakter nur feststellen, indem sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind. In dieser Hinsicht sind als unverhältnismäßig Beträge anzusehen, die Rechtsverfolgungskosten entsprechen, für die nicht auf der Grundlage genauer und detaillierter Unterlagen nachgewiesen ist, dass sie für die Führung des streitigen Verfahrens in Anbetracht namentlich der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit der behandelten Fragen und des wirtschaftlichen Interesses, das der Generikahersteller an dem Rechtsstreit hat, objektiv unerlässlich sind. 280 Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die dem Lagerwert dieser Erzeugnisse entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieses Erzeugnisses angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Solche Kosten und Aufwendungen fallen nämlich a priori unabhängig von der Entstehung von Rechtsstreitigkeiten und ihrer Beilegung an und schlagen sich nicht in Verlusten aufgrund dieser Beilegung nieder, was sich insbesondere daran zeigt, dass die betreffenden Erzeugnisse oft trotz des mit der Vergleichsvereinbarung erfolgten Vermarktungsverbots auf nicht von dieser Vereinbarung erfassten Märkten verkauft werden und die entsprechenden Forschungen für die Entwicklung anderer Erzeugnisse genutzt werden können. Gleiches gilt für Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Solche Aufwendungen zur Auflösung von Verträgen mit Dritten oder zu deren Entschädigung sind im Allgemeinen in den betreffenden Verträgen zwingend vorgesehen oder stehen in direktem Zusammenhang mit diesen Verträgen, die der Generikahersteller überdies unabhängig von jedem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats oder von seiner Beilegung geschlossen hat. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache, darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dazu darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen Wettbewerbsverbote zu akzeptieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 360). 281 Zum Abschluss der Prüfung, ob die Kommission rechtsfehlerhaft das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, sind noch drei von den Klägerinnen und der Streithelferin angeführte Nebenargumente zu untersuchen, mit denen die Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf die in Rede stehenden Vereinbarungen, die Auswirkungen des amerikanischen Rechts auf die Entscheidung des Rechtsstreits und die ambivalenten Wirkungen von Patentvergleichsvereinbarungen geltend gemacht werden. 6) Zur Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf Vergleichsvereinbarungen 282 Die Klägerinnen und die Streithelferin machen geltend, wegen des rechtmäßigen Ziels der Vergleichsvereinbarungen in Patentrechtsstreitigkeiten hätte die Kommission das Kriterium der objektiven Notwendigkeit anwenden müssen, das es erlaube, Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht auf eine Vereinbarung anzuwenden, wenn diese einem rechtmäßigen Ziel diene und die mit ihr eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen objektiv notwendig und verhältnismäßig seien. 283 Vorab ist festzustellen, dass die Klägerinnen sich während des Verwaltungsverfahrens nicht auf die Anwendung der Theorie der Nebenabreden berufen haben und dass diese Theorie in dem angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird. 284 Nach der Rechtsprechung fällt, wenn eine bestimmte Maßnahme oder Tätigkeit wegen ihrer Neutralität für oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht vom grundsätzlichen Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst wird, auch eine Beschränkung der kaufmännischen Selbständigkeit eines oder mehrerer an dieser Maßnahme oder Tätigkeit Beteiligten nicht unter dieses grundsätzliche Verbot, wenn sie für die Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit objektiv notwendig ist und zu den Zielen der einen oder der anderen in einem angemessenen Verhältnis steht (vgl. Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wenn nämlich eine solche Beschränkung nicht von der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit unterschieden werden kann, ohne deren Bestehen oder Ziele zu gefährden, muss die Vereinbarkeit dieser Beschränkung mit Art. 101 AEUV zusammen mit der Vereinbarkeit der Hauptmaßnahme oder Haupttätigkeit, zu der sie eine Nebenabrede bildet, untersucht werden, und dies auch dann, wenn die Beschränkung als solche auf den ersten Blick unter das grundsätzliche Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV zu fallen scheint (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 90). 285 Die Kommission macht geltend, die Voraussetzung für die Anwendung des Kriteriums der objektiven Notwendigkeit sei nicht erfüllt, da ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit grundsätzlich nicht als Maßnahme eingestuft werden könne, die wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig sei. Nach ständiger Rechtsprechung stellt zwar der Vergleich in einem Rechtsstreit die Parteien nicht von der Anwendung des Wettbewerbsrechts frei, da Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zwischen Vereinbarungen, mit denen ein Rechtsstreit beendet werden soll, und solchen unterscheidet, mit denen andere Ziele verfolgt werden (siehe oben, Rn. 253). Wie jedoch die Klägerinnen und die Streithelferin zu Recht ausführen, schließt die Rechtsprechung nicht aus, dass ein Vergleich in einem Rechtsstreit wegen seiner wettbewerblichen Neutralität oder seiner positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht unter das grundsätzliche Verbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. Die Anwendung des Kriteriums der objektiven Notwendigkeit in einem gegebenen Fall setzt nämlich voraus, dass die Hauptmaßnahme oder die Haupttätigkeit wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig ist, verlangt aber nicht, dass die Hauptmaßnahme oder die Haupttätigkeit ihrer Natur nach und unabhängig von den Umständen des Einzelfalls nicht wettbewerbswidrig ist. Nach der Rechtsprechung kann im Übrigen die Prüfung der Hauptmaßnahme oder der Haupttätigkeit nicht abstrakt, sondern nur aufgrund der im Einzelfall bestehenden Nebenklauseln oder ‑abreden erfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. Januar 1986, Pronuptia de Paris, 161/84, EU:C:1986:41, Rn. 14, vom 15. Dezember 1994, DLG, C‑250/92, EU:C:1994:413, Rn. 31, und vom 12. Dezember 1995, Oude Luttikhuis u. a., C‑399/93, EU:C:1995:434, Rn. 12 bis 14). Zudem wird die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten in zahlreichen unionsrechtlichen Bestimmungen befürwortet (siehe oben, Rn. 247 bis 250). 286 Die Kommission kann sich nicht auf das Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), berufen, um grundsätzlich jede Möglichkeit der Anwendung der Theorie der Nebenabreden auf die gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten auszuschließen. In diesem Urteil ist der Gerichtshof zwar dem Vorbringen der Kommission, dass eine in einem Lizenzvertrag enthaltene Nichtangriffsabrede als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar anzusehen sei, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt seien, nicht gefolgt und hat ausgeführt, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht zwischen Vereinbarungen, die zur Beendigung eines Rechtsstreits geschlossen werden, und solchen, mit denen andere Zwecke verfolgt werden, differenziert; er hat indes nicht ausgeschlossen, dass eine Vereinbarung über die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthält, aufgrund ihres rechtlichen und wirtschaftlichen Kontexts keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 21). Dieses Urteil ist zudem nicht im Kontext eines Vergleichs in einem Rechtsstreit, sondern in dem eines Lizenzvertrags ergangen. 287 Auch wenn ein Vergleich in einem Patentrechtsstreit, der eine neutrale oder positive Wirkung auf den Wettbewerb hat, nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Theorie der Nebenabreden ausgeschlossen werden kann, ist doch die Reichweite der wettbewerbsbeschränkenden Nebenabrede in zweifacher Hinsicht zu prüfen. Zum einen ist zu untersuchen, ob die Einschränkung für die Durchführung der Hauptmaßnahme objektiv notwendig ist, und zum anderen, ob sie im rechten Verhältnis zu ihr steht (Urteile vom 18. September 2001, M6 u. a./Kommission, T‑112/99, EU:T:2001:215, Rn. 106, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 64). 288 Was die erste Voraussetzung angeht, ist nach der Rechtsprechung zu ermitteln, ob die Durchführung dieser Maßnahme oder dieser Tätigkeit ohne die fragliche Beschränkung unmöglich wäre. Daher verleiht der Umstand, dass die Maßnahme ohne die Beschränkung nur schwerer durchführbar oder weniger rentabel wäre, dieser Beschränkung nicht den für ihre Qualifizierung als Nebenabrede erforderlichen Charakter einer objektiv notwendigen Beschränkung. Eine solche Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, diesen Begriff auf Beschränkungen auszudehnen, die für die Durchführung der Hauptmaßnahme nicht strikt unerlässlich sind. Dieses Ergebnis würde die praktische Wirksamkeit des in Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgesprochenen Verbots beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 91). 289 Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln sind nur bestimmten Vergleichen inhärent, und zwar denen, die auf der Anerkennung der Gültigkeit des oder der in Rede stehenden Patente beruhen (siehe oben, Rn. 259). Solche Klauseln spiegeln die Anerkennung der Gültigkeit des betreffenden Patents durch jede Partei wider, und ihre Reichweite ist auf die des Patents begrenzt, so dass sie die erste Voraussetzung für die von der Theorie der Nebenabreden vorgesehene Abweichung erfüllen können. 290 Was die zweite Voraussetzung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung zur Durchführung einer Hauptmaßnahme oder einer Haupttätigkeit objektiv erforderlich ist, noch geprüft werden muss, ob ihre Dauer und ihr materieller, zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich nicht über das hinausgehen, was zur Durchführung dieser Maßnahme oder Tätigkeit erforderlich ist. Geht die Dauer oder der Geltungsbereich der beschränkenden Abrede über das für die Verwirklichung der Maßnahme Notwendige hinaus, so ist sie getrennt im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen (Urteil vom 18. September 2001, M6 u. a./Kommission, T‑112/99, EU:T:2001:215, Rn. 113). Folglich könnte auf eine Vergleichsvereinbarung, deren Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht über die Laufzeit und den Geltungsbereich des Patents hinausgehen, dessen Gültigkeit mit ihr anerkannt wird, die Theorie der Nebenabreden Anwendung finden. 291 Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch zu Recht nicht geprüft, ob die Theorie der Nebenabreden anzuwenden war, da sie der Ansicht war, dass die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht auf einer Anerkennung der Gültigkeit des Patents beruhten, sondern auf einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, die einen Anreiz für dieses Unternehmen darstellte, keinen Wettbewerbsdruck auf den Inhaber des Patents auszuüben. In diesem Fall stellt die Vergleichsvereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar, die nicht als Maßnahme angesehen werden kann, die wegen ihrer wettbewerblichen Neutralität oder ihrer positiven Wirkung auf den Wettbewerb nicht wettbewerbswidrig ist. Zudem können Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nur notwendige Nebenabreden einer Vergleichsvereinbarung sein, die auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien dieser Vereinbarung beruht (siehe oben, Rn. 289). Bei Bestehen eines Anreizes beruht aber der Vergleich nicht auf einer solchen Anerkennung. Die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln können dann nicht als für einen solchen Vergleich notwendig angesehen werden. 7) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und amerikanischem Wettbewerbsrecht 292 Die Klägerinnen berufen sich auf das Urteil Actavis und machen geltend, der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) habe die im vorliegenden Fall von der Kommission vertretene Ansicht verworfen. Die Kommission, die dieses Urteil in dem angefochtenen Beschluss angeführt hat (Rn. 1199), macht jedoch geltend, sie habe dieselbe Auffassung vertreten wie der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten), indem sie befunden habe, dass es keine Vermutung der Rechtswidrigkeit von Vergleichsvereinbarungen gebe, die eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfassten. 293 Das Urteil Actavis betrifft Vergleichsvereinbarungen im Arzneimittelsektor, in dem sich Generikahersteller verpflichtet hatten, bis zu einem vor dem Ablaufdatum des Patents des Herstellers des Originalpräparats liegenden Zeitpunkt (65 Monate vor dem Ablauf des Patents für Actavis) nicht in den Markt einzutreten und das betreffende Arzneimittel gegen erhebliche Zahlungen bei den Ärzten zu fördern (für Actavis jährliche Zahlungen von 19 bis 30 Mio. USD während neun Jahren). 294 Nach ständiger Rechtsprechung können nationale Praktiken, selbst wenn sie allen Mitgliedstaaten gemeinsam wären, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht vorgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, EU:C:1984:9, Rn. 40), was umso mehr gilt, wenn es sich um nationale Praktiken von Drittstaaten handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2002, Compagnie générale maritime u. a./Kommission, T‑86/95, EU:T:2002:50, Rn. 341 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen unterscheidet sich das Wettbewerbsrecht der Union vom amerikanischen Antitrustrecht, das Wettbewerbsbeschränkungen per se, die auf Fälle beschränkt sind, in denen die wettbewerbswidrigen Wirkungen so offenkundig sind, dass sie nur eine rasche und nicht vertiefte Prüfung (quick look approach) ohne Berücksichtigung des Kontexts erfordern, und die zwingend und unheilbar verboten sind, von Verstößen unterscheidet, die nach einer „rule of reason“ nachzuweisen sind, d. h. aufgrund einer Abwägung der wettbewerbsfördernden und der wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vereinbarung. Zum einen gilt aber nach dem Unionsrecht keine Wettbewerbsbeschränkung als zwingend und unheilbar rechtswidrig, denn eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung kann grundsätzlich unter die Ausnahmen nach Art. 101 Abs. 3 AEUV fallen. Zum anderen gibt es nach der Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht der Union keine „rule of reason“ (Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission, T‑65/98, EU:T:2003:281, Rn. 106). Zudem machen es die Unterschiede zwischen dem in den Vereinigten Staaten und dem in der Union bestehenden rechtlichen Rahmen noch schwieriger, das Urteil Actavis im vorliegenden Rechtsstreit entsprechend heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 513). 295 Folglich ist das auf eine Verkennung der Position des Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) gestützte Vorbringen der Klägerinnen als ins Leere gehend zurückzuweisen. 8) Zu den ihrer Natur nach ambivalenten Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen 296 Nach Ansicht der Klägerinnen sind die Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen ihrer Natur nach ambivalent und können deshalb nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden. 297 Sie machen als Erstes geltend, solche Vereinbarungen hätten im Fall paralleler Rechtsstreitigkeiten ambivalente potenzielle Auswirkungen auf die Anfechtung von Patenten, denn in den Verfahren vor dem EPA verhindere die Rücknahme eines Einspruchs durch eine Partei nicht die Fortsetzung des Verfahrens, da deren Argumente von der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer von Amts wegen aufgegriffen werden könnten. Zudem sei in dem angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt worden, dass die Vergleichsvereinbarungen nur ambivalente Wirkungen auf künftige Rechtsstreitigkeiten hätten, da es den Generikaherstellern freistehe, kostspielige Gerichtsverfahren einzuleiten oder nicht, und da sich diese jedenfalls in manchen Mitgliedstaaten als nutzlos erweisen könnten, wenn ein Verfahren beim EPA anhängig sei. 298 Als Zweites meinen die Klägerinnen, die potenziellen Auswirkungen dieser Vereinbarungen auf den Markteintritt der Generika seien je nach den Bestimmungen der Vereinbarungen und dem Kontext ihres Abschlusses ebenfalls ambivalent. So müssten das Bestehen des Rechtsstreits und die Erfolgsaussichten der Parteien, das Bestehen anderer Rechtsstreitigkeiten und die Möglichkeit der Entwicklung alternativer Formen des Erzeugnisses berücksichtigt werden. Zudem könnten diese Vereinbarungen einen schnelleren Markteintritt der Generika ermöglichen. Schließlich müsse die Kommission die Fähigkeit und die Absicht der Generikahersteller berücksichtigen, einen Risikomarkteintritt zu vollziehen. 299 Als Drittes führen die Klägerinnen aus, die Kommission könne Patentvergleichsvereinbarungen nicht ahnden, ohne deren konkrete Auswirkungen auf den Markt zu beurteilen, wie es der Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) im Urteil Actavis getan habe. 300 Nach Ansicht der Kommission geht dieses Argument ins Leere, da für die Frage, ob eine Vereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstelle, nicht deren Auswirkungen zu berücksichtigen seien und eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung sogar in bestimmten Fällen wegen später eintretender Umstände keinerlei Auswirkung haben könne. Zur Prüfung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung brauche daher nicht dargetan zu werden, welche kontrafaktischen Situationen sich ohne die Vereinbarungen ergeben könnten. 301 Hilfsweise führt die Kommission zu den Auswirkungen der Patentvergleichsvereinbarungen auf die Anfechtung der Patente aus, dass sich die Klägerinnen im vorliegenden Fall bemüht hätten, Vereinbarungen mit allen ihren potenziellen Wettbewerbern zu schließen, und dass nur zwei der fünf von ihnen geschlossenen Vereinbarungen einen Markteintritt der Generikahersteller im Fall der Nichtigerklärung des streitigen Patents erlaubt hätten. 302 Zudem habe die Kommission in dem angefochtenen Beschluss die Fähigkeit und die Absicht der Generikahersteller berücksichtigt, einen Risikomarkteintritt zu vollziehen. 303 Schließlich stehe der angefochtene Beschluss nicht im Widerspruch zu der vom Supreme Court of the United States (Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten) im Urteil Actavis eingenommenen Haltung, berücksichtige man die Unterschiede zwischen dem europäischen Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und dem amerikanischen Begriff der Wettbewerbsbeschränkung per se. In der Rechtsprechung der Union sei auch die Geltung einer „rule of reason“ nicht anerkannt, vielmehr seien die Vorteile einer Vereinbarung für den Wettbewerb im Rahmen von Art. 101 Abs. 3 AEUV zu prüfen. 304 Den Klägerinnen folgend ist festzustellen, dass die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen dürfen (Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84). Ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind nämlich solche, die den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, weil sie derart negative wettbewerbswidrige Auswirkungen haben können, dass der Nachweis konkreter Auswirkungen auf den Markt als überflüssig erachtet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49 und 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich können Vereinbarungen, die angesichts ihres Kontexts ambivalente potenzielle Auswirkungen auf den Markt haben, nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen angesehen werden (Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 56). 305 Da die Klägerinnen jedoch im vorliegenden Fall ihr Vorbringen zu den ambivalenten potenziellen Wirkungen der streitigen Vereinbarungen im Wesentlichen auf Argumente im Zusammenhang mit den einzelnen Vereinbarungen und ihrem Kontext stützen, ist auf dieses Vorbringen im Rahmen der Behandlung der Rügen einzugehen, die gegen die Einstufung jeder einzelnen Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerichtet sind, zumal das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung für jede Vereinbarung als Ganzes zu beurteilen ist, ohne dass die Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters der Nichtangriffs- von der der Vermarktungsverbotsklauseln zu trennen ist. 306 Daher wird bei der Behandlung der Klagegründe, die gegen die Beurteilung jeder einzelnen der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerichtet sind, die Frage geprüft werden, ob die Kommission trotz der behaupteten potenziellen wettbewerbsfördernden Wirkungen, die sich namentlich aus dem Kontext des Abschlusses dieser Vereinbarungen ergeben sollen, zutreffend das Vorliegen einer solchen Wettbewerbsbeschränkung angenommen hat, wobei nur diejenigen Wirkungen Berücksichtigung finden werden, die sich im Rahmen der Prüfung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen bewegen (siehe unten, Rn. 525, 644 und 989). 307 Darüber hinaus können sich die Klägerinnen, wie aus den Rn. 293 bis 295 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht mit Erfolg auf das Urteil Actavis berufen. b) Zu den von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 308 Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, das sich speziell auf jedes der drei Hauptkriterien bezieht, die die Kommission für die Einstufung der in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen herangezogen hat; dies sind erstens die Eigenschaft der Generikahersteller als potenzielle Wettbewerber, zweitens die Verpflichtung dieser Unternehmen, ihre Bemühungen um einen Markteintritt mit einem Generikum zu begrenzen, und drittens eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, die einen signifikanten Anreiz für Letzteren darstellt, seine Markteintrittsbemühungen zu begrenzen (Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses). 1) Zum Kriterium des potenziellen Wettbewerbs i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 316 Die Klägerinnen werfen der Kommission im Wesentlichen vor, rechtsfehlerhaft irrige Kriterien herangezogen zu haben, um die Generikahersteller, die die streitigen Vereinbarungen mit ihnen geschlossen hätten, als potenzielle Wettbewerber einzustufen. Sie rügen zudem die Beurteilung der sich aus ihren Patenten ergebenden Hindernisse für das Vorliegen dieses potenziellen Wettbewerbs durch die Kommission. – Zu den Kriterien für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs Zur Definition des Begriffs des potenziellen Wettbewerbers 317 Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe sich für die Feststellung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb zwischen den Parteien der streitigen Vereinbarungen mit der Prüfung begnügt, ob unüberwindliche Hindernisse für den Markteintritt der Generikahersteller bestanden hätten, und habe nicht geprüft, ob diese Unternehmen tatsächliche und konkrete Markteintrittsmöglichkeiten gehabt hätten (siehe oben, Rn. 309). 318 Nach der von den Klägerinnen angeführten Rechtsprechung ist ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber, wenn tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestehen, dass es in den genannten Markt eintreten und den dort etablierten Unternehmen Konkurrenz machen kann. Um dies darzutun, genügt keine bloße Annahme, sondern es müssen dafür tatsächliche Gegebenheiten oder eine Untersuchung der Strukturen des relevanten Marktes angeführt werden. So kann ein Unternehmen nicht als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden, wenn sein Markteintritt nicht mit einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie einhergeht (Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 86; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 166 und 167 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zwar die Markterschließungsabsicht eines Unternehmens für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, gegebenenfalls von Bedeutung ist, dass aber der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem eine solche Einstufung beruhen muss, in der Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens besteht (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 168, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 87). 319 In anderen Zusammenhängen ist zudem entschieden worden, dass ein Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber ist, wenn für seinen Markteintritt kein unüberwindliches Hindernis besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission, T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263, Rn. 230, bestätigt durch Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission, C‑373/14 P, EU:C:2016:26, Rn. 28, 29, 32 und 34, und vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 181). 320 Somit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass je nach dem Kontext und dem in Rede stehenden rechtswidrigen Verhalten die Schwelle für das Bestehen von potenziellem Wettbewerb unterschiedlich hoch sein kann. Werden nur die unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt geprüft, genügt jede auch nur theoretische Möglichkeit des Markteintritts für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb, während die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Eintrittsmöglichkeiten dazu führt, das Bestehen von potenziellem Wettbewerb nur im Fall realistischer Eintrittsmöglichkeiten anzuerkennen, die sich ohne beschränkende Maßnahme hätten verwirklichen können. 321 Gleichwohl stellt die Untersuchung, ob bestimmte Hindernisse für den Markteintritt, die im vorliegenden Fall vor allem in den Patenten und in der Notwendigkeit der Erlangung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen bestehen, unüberwindlich sind, weder die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Eintrittsmöglichkeiten der Generikahersteller in Frage, die auf der Prüfung ihrer Eintrittsfähigkeit und ‑absicht beruht, noch steht sie zu dieser Prüfung im Widerspruch. Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Fn. 1666) und in der Sitzung zutreffend ausgeführt hat, diente die Untersuchung, ob unüberwindliche Hindernisse fehlen, „der Feststellung, ob es trotz der allgemeinen Fähigkeit der Generikahersteller und ihrer nachgewiesenen Absicht, in den Markt einzutreten, objektive Gründe gab, die deren Markteintritt unmöglich machten“, und damit der Vervollständigung der auf dem Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten beruhenden Analyse. Bei Bestehen unüberwindlicher Hindernisse für den Eintritt in einen Markt kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer tatsächliche und konkrete Eintrittsmöglichkeiten hat. Wenn also ein Markt durch Eintrittshindernisse gekennzeichnet ist, vervollständigt die objektive Prüfung, ob diese unüberwindlich sind, in sachdienlicher Weise die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten, die auf den individuellen Kriterien der Eintrittsfähigkeit und ‑absicht des betreffenden Unternehmens beruht. 322 Entgegen der Ansicht der Klägerinnen lässt sich demnach aus der mehrfachen Bezugnahme auf das Kriterium der unüberwindlichen Hindernisse in dem angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1125 und 1181) nicht ableiten, dass die Kommission eine nur auf dieses Kriterium gestützte Definition des potenziellen Wettbewerbs herangezogen hat. 323 Dies gilt umso mehr, als die Kommission neben dem Urteil vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission (T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263), in dem das Kriterium der unüberwindlichen Hindernisse angewandt worden ist (siehe oben, Rn. 319), die Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission (T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198), und vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), in denen das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten herangezogen worden ist, angeführt und überdies in der Einleitung zu ihrer Darstellung der Regeln zur Bestimmung der potenziellen Wettbewerber (vgl. Rn. 1156 und 1157 des angefochtenen Beschlusses) erwähnt hat sowie einige weitere Urteile, in denen diese Definition des potenziellen Wettbewerbs herangezogen worden ist, darunter das Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332) (siehe oben, Rn. 318). Sie hat zudem klar dargelegt, dass die Fähigkeit zum Eintritt in einen Markt, die für das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten kennzeichnend ist (siehe oben, Rn. 318), „der ausschlaggebende Aspekt für den Nachweis des potenziellen Wettbewerbs [bleibt]“ (Rn. 1163 des angefochtenen Beschlusses). Vor allem aber hat die Kommission schließlich im Rahmen ihrer Prüfung, ob jeder der in Rede stehenden Generikahersteller ein potenzieller Wettbewerber war, aus verschiedenen konkreten und individuellen Daten jedes einzelnen Herstellers betreffend seine Produktionskapazitäten, seine Lagerbestände, seine Handelsverträge, seine Schritte zur Erlangung der Genehmigung für das Inverkehrbringen und seiner Klagen gegen Servier abgeleitet, dass alle tatsächliche und konkrete Markteintrittsmöglichkeiten hatten (siehe unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722). Eine solche eingehende Analyse anhand der individuellen Daten jedes vermeintlichen potenziellen Wettbewerbers ist kennzeichnend für die Prüfung seiner tatsächlichen und konkreten Markteintrittsmöglichkeiten und unterscheidet sich von der auf unüberwindliche Hindernisse für den Eintritt in einen bestimmten Markt beschränkten Prüfung, die zur Feststellung von potenziellem Wettbewerb allein deshalb führen kann, weil irgendein Wirtschaftsteilnehmer in den betreffenden Markt eingetreten ist. 324 Diese Feststellungen werden nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, die Kommission habe sich im Wesentlichen auf die Absicht der Generikahersteller, in den Markt einzutreten, und auf eine Anhäufung nicht realistischer Hypothesen gestützt (siehe oben, Rn. 309), da aus der Erwiderung hervorgeht, dass die Klägerinnen mit diesem Vorbringen nicht dem herangezogenen Kriterium, sondern der Anwendung des Kriteriums der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten im vorliegenden Fall entgegentreten, die im Folgenden im Rahmen der Behandlung der gegen die Beurteilung der einzelnen Vereinbarungen geprüft wird. 325 Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen den potenziellen Wettbewerb auf dem relevanten Markt anhand des Kriteriums der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten beurteilt. 326 Überdies ist zu beachten, dass sich die Kommission entgegen ihrem Vorbringen in der Gegenerwiderung unter Berufung auf das Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26) (siehe oben, Rn. 312), im vorliegenden Fall nicht auf die Prüfung des Bestehens unüberwindlicher Hindernisse für den Markteintritt beschränken konnte, um aus deren Fehlen auf das Bestehen von potenziellem Wettbewerb auf diesem Markt zu schließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 99 bis 101). 327 Aus den Rn. 28, 29, 32 und 34 des Urteils vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), geht zwar hervor, dass bei Vereinbarungen über die Aufteilung von Märkten die Analyse des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die Verhaltensweise steht, auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt werden kann, um auf das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zu schließen, und insoweit insbesondere die Feststellung genügt, dass die Hindernisse für den Markteintritt nicht als unüberwindbar eingestuft werden können (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 28. Juni 2016, Portugal Telecom/Kommission, T‑208/13, EU:T:2016:368, Rn. 177 und 181). 328 Zunächst ist jedoch festzustellen, dass aus dem Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), unter Berücksichtigung der Schlussanträge von Generalanwalt Wathelet in der Rechtssache Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2015:427, Nrn. 69, 70, 89 und 90) hervorgeht, dass sich die in diesem Urteil erfolgte Beschränkung der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts aus der besonderen Offenkundigkeit bestimmter bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen ergibt, die, weil die in Rede stehenden Vereinbarungen weder atypisch noch komplex sind, keiner vertieften Analyse des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts für den Nachweis bedürfen, dass sie ihrer Natur nach hinreichend wettbewerbsschädlich sind. 329 Im vorliegenden Fall war es aber möglich, dass die Rechtswidrigkeit und insbesondere der dem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Charakter der streitigen Vereinbarungen, die in der Form von Patentvergleichen geschlossen worden waren, für einen Außenstehenden nicht offenkundig waren. In dieser Hinsicht ist bezeichnend, dass die Kommission sowohl den wettbewerbswidrigen Zweck als auch die wettbewerbswidrige Wirkung der Vereinbarungen geprüft hat. Bestätigt wird dies auch durch die Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Urteils vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers (C‑209/07, EU:C:2008:643), durch die Kommission, ohne dass an dieser Stelle auf diese Einstufung einzugehen ist. Auch wenn nach Rn. 34 dieses Urteils Marktausschlussvereinbarungen „offenkundig“ dem Grundgedanken der Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags zuwiderlaufen, hat der Gerichtshof nicht entschieden, dass die in jener Rechtssache in Rede stehenden Vereinbarungen für einen Außenstehenden offenkundig Marktausschlussvereinbarungen und somit bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen waren, die keiner eingehenden Analyse ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts bedurften. Er hat im Gegenteil eine solche Analyse dieses Kontexts sowie der Klauseln und der Ziele dieser Vereinbarungen vorgenommen, um daraus zu schließen, dass es sich um Marktausschlussvereinbarungen und folglich „offenkundig“ ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen handelte (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 31 bis 40). 330 Sodann ist hervorzuheben, dass in der Rechtssache, in der das Urteil vom 20. Januar 2016, Toshiba Corporation/Kommission (C‑373/14 P, EU:C:2016:26), ergangen ist, die Fähigkeit der an den streitigen Praktiken beteiligten Hersteller zu Produktion und Vermarktung nicht bestritten war und auf dem relevanten Markt kein Monopol bestand. Im vorliegenden Fall wird indes gerade die Fähigkeit der Generikahersteller zur Produktion und Vermarktung des streitigen Erzeugnisses bestritten, namentlich wegen der ausschließlichen Rechte, die die Patente darstellen (siehe oben, Rn. 234, und unten, Rn. 357). Aus diesem Urteil kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Feststellung des ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Vereinbarung im Allgemeinen und unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen im Besonderen nicht die Prüfung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten eines Eintritts der Parteien der Vereinbarung in den in Rede stehenden Markt erfordert. 331 Nach alledem ist die Rüge der Anwendung einer irrigen Definition des potenziellen Wettbewerbs zurückzuweisen. Zum Kriterium des hinreichend schnellen Markteintritts 332 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission, gestützt auf die Urteile vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, EU:T:2003:100), und vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), ausgeführt, der wesentliche Gesichtspunkt für die Einstufung eines Unternehmens als potenzieller Wettbewerber sei, dass es hinreichend schnell in den Markt eintreten könne, um Druck auf die Marktteilnehmer auszuüben. Zwar könnten Kosten- und Zeitprobleme zu Verzögerungen führen, die den Markteintritt wirtschaftlich weniger attraktiv machen könnten, doch stellten derartige Verzögerungen als solche nicht die Fähigkeit zum Markteintritt oder den Druck auf Servier oder auf die anderen Generikahersteller in Frage. Folglich erschienen bei Zugrundelegung der Zeitangaben in Freistellungsverordnungen und in den Leitlinien der Kommission – u. a. den Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 [AEUV] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2011, C 11, S. 1, im Folgenden: Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011), die einen Zeitraum von höchstens drei Jahren vorsähen – sowie der indikativen und tatsächlichen Dauer von Gerichtsverfahren, der Verfahren zur Erlangung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen und der Entwicklung der pharmazeutischen Wirkstoffe die von den Klägerinnen angeführten Verzögerungen nicht lang genug, um das Fehlen eines Wettbewerbsdrucks seitens des Generikaherstellers anzunehmen (Rn. 1158, 1159 und 1182 sowie Fn. 1669 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch Rn. 1125, 1126 und 1296 dieses Beschlusses). 333 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen entspricht diese von der Kommission in zeitlicher Hinsicht vorgenommene Analyse des potenziellen Wettbewerbs den geltenden Grundsätzen. 334 Nach ständiger Rechtsprechung muss, um einen Wirtschaftsteilnehmer als potenziellen Wettbewerber einstufen zu können, dessen potenzieller Markteintritt so schnell erfolgen können, dass er disziplinierend auf die Marktbeteiligten wirkt und so einen Wettbewerbsdruck auf sie ausübt (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 189; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 114). 335 Diese Rechtsprechung berücksichtigt die Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel [101 AEUV] auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit (ABl. 2001, C 3, S. 2, im Folgenden: Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001) (vgl. auch die Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011), in denen nicht nur das Erfordernis eines hinreichend schnellen Markteintritts aufgestellt wird, sondern auch Richtwerte dafür genannt werden, was ein hinreichend schneller Markteintritt sein kann – je nach Fall höchstens ein oder drei Jahre –, wobei auf andere Leitlinien und auf Gruppenfreistellungsverordnungen verwiesen wird. 336 Wie jedoch aus diesen Leitlinien (Fn. 9 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001 und Fn. 3 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011) und aus der Rechtsprechung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 171 und 189) hervorgeht, sind diese Zeiträume nur als Richtwerte genannt, und der Begriff des „hinreichend schnellen“ Markteintritts hängt vom jeweiligen Sachverhalt und von seinem rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext ab, die für die Feststellung berücksichtigt werden müssen, ob das marktfremde Unternehmen einen Wettbewerbsdruck auf die aktuell auf dem betreffenden Markt tätigen Unternehmen ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 169). 337 Im vorliegenden Fall hat die Kommission die Besonderheiten des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Sache berücksichtigt, indem sie die Dauer jedes einzelnen für den Markteintritt erforderlichen Abschnitts beurteilt hat. Es ist darauf hinzuweisen, dass gerade wegen der Besonderheiten des Arzneimittelsektors, nämlich u. a. der verschiedenen dort zu durchlaufenden Abschnitte und des Bestehens von Patenten, die Generikahersteller Schritte zum Markteintritt häufig schon lange vor dem Ablauf der Patente unternehmen, um die erforderlichen Abschnitte spätestens zu diesem Zeitpunkt durchlaufen zu haben. Von diesen Schritten kann demnach schon vor oder sogar schon lange vor dem Ablauf der Patente und dem tatsächlichen Markteintritt der Generikahersteller ein Wettbewerbsdruck auf den Hersteller des Originalpräparats ausgehen (siehe unten, Rn. 356; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 108, vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 163, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 77 bis 79). 338 Wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen (siehe oben, Rn. 311), lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, dass ein Generikahersteller schon dann und allein deshalb als einer ihrer potenziellen Wettbewerber angesehen werden kann, wenn und weil er mit der Entwicklung eines generischen Perindoprils begonnen hat. Die Kommission hat zwar in Rn. 1125 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass der potenzielle Wettbewerb der Generikahersteller beginne, wenn diejenigen, die ein Generikum auf den Markt bringen wollten, die Entwicklung von wirtschaftlich lebensfähigen Technologien für die Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs und des Endprodukts aufnähmen. Aus den weiteren Ausführungen in dieser Randnummer, in denen auf die spätere Prüfung der Frage verwiesen wird, ob die in Rede stehenden Generikahersteller jeweils potenzielle Wettbewerber seien, und insbesondere aus dieser Prüfung und aus den allgemeinen Erwägungen im angefochtenen Beschluss zum Kriterium des hinreichend schnellen Markteintritts (siehe oben, Rn. 332) geht jedoch hervor, dass die Kommission den Beginn der Ausübung eines Wettbewerbsdrucks nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Entwicklung des Generikums legen, sondern hervorheben wollte, dass von diesem Zeitpunkt an die Möglichkeit der Ausübung eines Wettbewerbsdrucks bestand, falls die Voraussetzungen für die Ausübung eines solchen Drucks erfüllt wären. Jedenfalls wäre auch bei einer Auslegung von Rn. 1125 in dem Sinne, dass darin der Beginn des potenziellen Wettbewerbs auf den Zeitpunkt der Aufnahme der Entwicklung des Generikums gelegt wird, die gegen diese Beurteilung gerichtete Kritik als ins Leere gehend zurückzuweisen, da die Kommission sich nicht auf diese Randnummer gestützt hat, um festzustellen, dass die in Rede stehenden Generikahersteller potenzielle Wettbewerber seien. Die Kommission war nämlich, wie sie zutreffend ausführt, zum Zeitpunkt der Beurteilung der Frage, ob die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, oder zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen der Ansicht, dass diese Unternehmen ein fortgeschrittenes Stadium der Entwicklung ihres Perindoprils erreicht hätten, und hat sich nicht zu der Frage geäußert, ob diese früher, zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Entwicklung, potenzielle Wettbewerber waren (siehe oben, Rn. 315). 339 Ebenso hat die Kommission zwar in Fn. 1840 zu Rn. 1296 des angefochtenen Beschlusses auf den in den Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011 genannten Zeitraum von drei Jahren hingewiesen, daraus aber für den vorliegenden Fall keine entscheidende Schlussfolgerung gezogen, so dass die Rügen, sie habe diesen Zeitraum insbesondere bei der für die Entwicklung von Perindopril erforderlichen Zeit berücksichtigt (Rn. 3137 des angefochtenen Beschlusses), als ins Leere gehend zurückzuweisen sind. 340 Ferner hat sich die Kommission auf den Gedanken des von potenziellem Wettbewerb notwendig ausgehenden Wettbewerbsdrucks gestützt, um zu befinden, dass die von den Generikaherstellern eventuell verzeichneten Verzögerungen beim Markteintritt allein nicht ausreichten, um ihre Eigenschaft als potenzielle Wettbewerber auszuschließen, wenn sie aufgrund ihrer Fähigkeit zum Markteintritt weiter einen solchen Druck ausübten, und hat hierfür das Urteil vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission (T‑114/02, EU:T:2003:100), angeführt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat sich die Kommission zu Recht auf dieses Urteil gestützt, da sich das Gericht dort zwar zu einem von dem des vorliegenden Falles sehr verschiedenen Kontext geäußert, gleichwohl aber zu der Frage Stellung genommen hat, wie sich die mehrfache Verschiebung ihres Markteintritts durch BaByliss auf deren Eigenschaft als potenzieller Wettbewerber ausgewirkt hat, wobei eben diese Auswirkung in der angefochtenen Entscheidung geprüft worden war. Das Gericht hat dazu entschieden, ohne dass die Klägerinnen dies im Übrigen bestreiten, dass die Verschiebungen des Markteintritts die Eigenschaft von BaByliss als potenzieller Wettbewerber nicht in Frage stellten, und hat sich dafür auf mehrere Faktoren gestützt, aus denen hervorging, dass von der Markteintrittsfähigkeit von BaByliss ein Wettbewerbsdruck ausging (Urteil vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission, T‑114/02, EU:T:2003:100, Rn. 102 bis 106). Da sich das Interesse der Generikahersteller, die Ersten auf dem Markt zu sein, allenfalls auf ihre Markteintrittsabsicht nach Maßgabe der erwarteten Gewinne auswirken kann, nicht aber als solches auf ihre Fähigkeit zum Markteintritt, hat die Kommission in Rn. 1182 des angefochtenen Beschlusses entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zu Recht dieses Interesse der Generikahersteller als irrelevant für ihre Beurteilung der geltend gemachten Verzögerungen angesehen. Die Fähigkeit zum Markteintritt ist nämlich anhand des Kriteriums der lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie (siehe oben, Rn. 318) zu prüfen; sie ist schon bei einem schlicht einträglichen Eintritt und nicht erst bei der einträglichsten von mehreren Eintrittsmöglichkeiten gegeben, da der betreffende Generikahersteller als Erster in den Markt eintreten würde und er allein während eines bestimmten Zeitraums mit dem Hersteller des Originalpräparats im Wettbewerb stünde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 124). 341 Folglich sind sämtliche Rügen, die sich gegen die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs in zeitlicher Hinsicht durch die Kommission richten, zurückzuweisen. Zum Kriterium der Wahrnehmung der auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer 342 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission, gestützt auf die Urteile vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission (T‑112/07, EU:T:2011:342), und vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission (T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263), ausgeführt, dass die Wahrnehmung eines bereits auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers bei der Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs eine Rolle spiele. Wenn ein solcher Wirtschaftsteilnehmer, der über Erfahrung verfüge, eine Wettbewerbsbedrohung durch Generikahersteller wahrnehme, könne von einer solchen Wahrnehmung ein Wettbewerbsdruck auf sein Marktverhalten ausgehen und diese sei für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs relevant. Nach dem Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), könne der potenzielle Wettbewerb von der bloßen Existenz eines marktfremden Unternehmens ausgehen, und schon diese könne zu einem in der Wahrscheinlichkeit des Markteintritts liegenden Wettbewerbsdruck führen (Rn. 1160 bis 1162). Folglich sei für die Frage, ob die Generikahersteller einen Wettbewerbsdruck auf Servier ausgeübt hätten, auch die Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers, Servier, und der übrigen Generikahersteller berücksichtigt worden (Rn. 1163). Im vorliegenden Fall seien die Generikahersteller sowohl von Servier als auch von ihren Generika-Rivalen als potenzielle Wettbewerber wahrgenommen worden (Rn. 1183). 343 Es ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers als eines von mehreren Kriterien dafür herangezogen hat, ob die Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, wie das in der vorstehenden Rn. 342 erwähnte Adverb „auch“ und die Prüfung der übrigen Kriterien zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs für jedes dieser Unternehmen zeigen (siehe unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722). 344 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen steht die Verwendung des Kriteriums der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers als eines von mehreren Kriterien zur Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung, wie sie von den Klägerinnen angeführt wird. 345 Anders als die Klägerinnen geltend machen, hat das Gericht nämlich das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers im Urteil vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission (T‑112/07, EU:T:2011:342), klar für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb berücksichtigt. Wie sich aus den Rn. 90, 226 und 319 dieses Urteils, auf die in Rn. 1160 des angefochtenen Beschlusses verwiesen wird, ergibt, waren die zwischen den europäischen und den japanischen Herstellern geschlossenen Vereinbarungen nicht nur ein gewichtiges Indiz, dass Letztere von Ersteren als ernsthafte Wettbewerber auf dem europäischen Markt wahrgenommen wurden, sondern zeigten auch, dass es für die japanischen Hersteller Möglichkeiten zum Eindringen in den europäischen Markt gab (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 21. Mai 2014, Toshiba/Kommission, T‑519/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:263, Rn. 231). Das Gericht hat zwar auch den potenziellen Wettbewerb objektiv analysiert, indem es u. a. die Fähigkeit der japanischen Hersteller geprüft hat, in den europäischen Markt einzutreten (Urteil vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, EU:T:2011:342, Rn. 157 und 160), worauf im Übrigen die Kommission in Rn. 1160 des angefochtenen Beschlusses hinweist. Diese objektive Analyse zeigt jedoch nur, dass das subjektive Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers nur eines von mehreren Kriterien für die Beurteilung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb ist. 346 In dem von den Klägerinnen angeführten Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 115), hat das Gericht entschieden, dass das Bestehen einer Vereinbarung und damit die Wahrnehmung der Parteien dieser Vereinbarung allein nicht ausreichte, um das Bestehen von potenziellem Wettbewerb zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung darzutun oder notwendig zu implizieren. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist in diesem Urteil somit nicht entschieden worden, dass das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers irrelevant ist, sondern nur, dass die Wahrnehmung dieses Wirtschaftsteilnehmers allein nicht für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb genügt, wenn dafür weitere Anhaltspunkte fehlen. 347 Folglich ist nach der Rechtsprechung das Kriterium der Wahrnehmung des auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmers ein relevantes, aber nicht ausreichendes Kriterium für die Beurteilung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb. Wie die Klägerinnen zutreffend geltend machen, kann nämlich allein aufgrund der Wahrnehmung der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer – auch wenn sie erfahren sind – wegen des subjektiven und damit je nach Wirtschaftsteilnehmer variablen Charakters ihrer Kenntnis des Marktes wie auch ihrer Beziehungen zu ihren hypothetischen Wettbewerbern ein bestimmter anderer Wirtschaftsteilnehmer nicht als einer ihrer potenziellen Wettbewerber angesehen werden. Dagegen kann diese Wahrnehmung die Fähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers zum Eintritt in einen Markt bestätigen und damit zu seiner Einstufung als potenzieller Wettbewerber beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 103 und 104, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 88). 348 Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen rügen, dass die Kommission die Wahrnehmung der auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer für den Nachweis des Bestehens von potenziellem Wettbewerb berücksichtigt hat, ist folglich zurückzuweisen. – Zu den durch die Patente der Klägerinnen gebildeten Hindernissen für den potenziellen Wettbewerb 349 Die Klägerinnen und die Streithelferin werfen der Kommission vor, sie habe die Generikahersteller trotz der Hindernisse, die die von Servier gehaltenen Patente für deren Markteintritt darstellten, als potenzielle Wettbewerber eingestuft. 350 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission ausgeführt, die Parteien könnten nicht unter Berufung auf das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362), mit Erfolg geltend machen, dass der Markteintritt unmöglich sei, weil das Bestehen eines Patents jede Wettbewerbsmöglichkeit ausschließe, und daraus ableiten, dass die Patente von Servier eine „einseitige Sperre“ im Sinne der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen schüfen, die überdies im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien (Rn. 1167 und 1168 sowie Fn. 1638). 351 Die Kommission hat dem hinzugefügt, erstens hätten die Generikahersteller jedenfalls die Möglichkeit gehabt, die Patente von Servier anzufechten. Sie verweist hierzu auf das Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92), wonach es im öffentlichen Interesse liege, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten, insbesondere durch Klagen gegen die Gültigkeit des Patents auszuräumen, und auf das Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission (C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 108), dem sich entnehmen lasse, dass potenzieller Wettbewerb schon vor Ablauf des Patents auf das Molekül bestehen könne (Rn. 1132, 1165 und 1169 sowie Fn. 1640 des angefochtenen Beschlusses). Der Umstand, dass Servier eine Verletzung ihrer Patente geltend gemacht habe oder geltend machen werde, sei ohne Belang für die Frage, ob diese Patente den Markteintritt für die Generika hätten versperren können, wobei zu beachten sei, dass es keine Vermutung für eine Patentverletzung gebe und keine Gerichtsentscheidung vorliege, mit der eine solche Patentverletzung während des relevanten Zeitraums festgestellt worden sei (Rn. 1169 bis 1171 des angefochtenen Beschlusses). Was die wahrgenommene Möglichkeit der Ungültigkeit oder der Verletzung der Patente von Servier angehe, werde sich die Kommission auf die Einschätzungen durch die Parteien selbst und durch Dritte stützen, wie sie in Dokumenten dargelegt seien, die aus der Zeit vor dem Abschluss der streitigen Vereinbarungen oder der Zeit dieses Abschlusses stammten (Rn. 1172 des angefochtenen Beschlusses). 352 Nach Ansicht der Kommission boten sich den Generikaherstellern zweitens auch alternative Wege für den Zugang zu den Märkten, auf denen die Rechtsstreitigkeiten geführt worden seien (Rn. 1175). Zum einen habe es ihnen freigestanden, Perindopril auf die Gefahr hin auf den Markt zu bringen, dass der Hersteller des Originalpräparats eine Verletzungsklage erhebe. Wegen der Praxis der Einreichung des Verfahrenspatents nach Ablauf des Patents für das Molekül seien nahezu alle Verkäufe nach diesem Ablauf riskant gewesen, und der Risikomarkteintritt von Apotex im Jahr 2006 habe zu einem Urteil geführt, mit dem das Patent 947 für ungültig erklärt und Servier zu Schadensersatz verurteilt worden sei (Rn. 1176 und 1177 des angefochtenen Beschlusses). Zum anderen hätten die Generikahersteller ihre Verfahren zur Vermeidung von Verletzungsvorwürfen anpassen können, sei es direkt oder durch einen Wechsel des Anbieters des pharmazeutischen Wirkstoffs. Auch wenn diese Änderungen gegebenenfalls zu genehmigungsrechtlichen Verzögerungen geführt hätten, seien sie doch ein gangbarer alternativer Weg für den Marktzugang gewesen (Rn. 1178 des angefochtenen Beschlusses). 353 Die Kommission hat in Rn. 1179 des angefochtenen Beschlusses festgestellt: „[D]ie Vergleiche wurden geschlossen, als das Patent auf das Molekül abgelaufen war und alle Generikahersteller direkt oder indirekt in Gerichtsverfahren oder Streitigkeiten verwickelt waren, die eines oder mehrere der verbleibenden Patente von Servier betrafen, sei es als Beklagte in Verletzungsverfahren oder als Kläger oder Widerkläger in Verfahren zur Ungültigerklärung dieser Patente. Die Generikahersteller konnten auch andere patentrechtliche Schritte als mögliche Wege für den Marktzugang wählen. Die Kommission wird eingehend prüfen, ob die Generikahersteller, die die patentrechtlichen Hindernisse überwinden und ihr generisches Perindopril auf den Markt bringen wollen, trotz der Patente von Servier eine Quelle von Wettbewerbsdruck für diese waren. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass alle von dem vorliegenden Beschluss erfassten Vereinbarungen zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, da Ungewissheit darüber bestand, ob irgendeines der Patente verletzt worden war, und insbesondere, ob das Patent 947 ungültig sein konnte. Das bloße Bestehen der Patente von Servier und die Berufung auf sie haben somit nicht jede Möglichkeit potenziellen oder tatsächlichen Wettbewerbs verhindert.“ 354 Die Klägerinnen und die Streithelferin machen im Wesentlichen geltend, diese Analyse der Kommission lasse die mit einem für gültig erklärten oder als gültig vermuteten Patent verbundenen Wirkungen, wie sie in den Rechtsvorschriften vorgesehen oder in der Rechtsprechung anerkannt seien, außer Betracht. Zudem habe die Kommission die Leitlinien von 2004 und die von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen und bestimmte Erwägungen nicht beachtet, die sie im angefochtenen Beschluss und in anderen Beschlüssen bei der Beurteilung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier angestellt habe. Zur Nichtbeachtung der Wirkungen der für gültig erklärten oder als gültig vermuteten Patente von Servier 355 Nach Ansicht der Klägerinnen und der Streithelferin stellt ein als gültig vermutetes Patent zumindest ab der Gültigerklärung und bis zu seinem Ablauf ein gesetzliches Verbot des Eindringens in den Markt dar, das jeden potenziellen Wettbewerb ausschließe. 356 Aus Rn. 108 des Urteils vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission (C‑457/10 P, EU:C:2012:770), das die Kommission im angefochtenen Beschluss anführt (siehe oben, Rn. 351), ergibt sich jedoch, dass ein potenzieller Wettbewerb auch schon vor Ablauf eines Patents bestehen kann. Im Einzelnen hat der Gerichtshof entschieden, dass ergänzende Schutzzertifikate, mittels deren die Wirkungen eines Patents verlängert werden sollen, eine erhebliche Ausschlusswirkung nach Ablauf der Grundpatente haben, dass sie aber auch die Marktstruktur verändern, indem sie den potenziellen Wettbewerb bereits vor Patentablauf beeinträchtigen, wobei die Ausübung eines potenziellen Wettbewerbs vor Ablauf der Patente unabhängig davon festgestellt wurde, dass die in Rede stehenden ergänzenden Schutzzertifikate auf betrügerische oder unrechtmäßige Weise erlangt worden waren (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten EU:T:2016:449, Rn. 164). Somit hindert das ausschließliche Recht, das das Patent darstellt, nicht die Entfaltung von potenziellem Wettbewerb während des betreffenden Ausschließlichkeitszeitraums. 357 Wie die Klägerinnen und die Streithelferin ausführen, hat nämlich ein solches ausschließliches Recht zwar normalerweise zur Folge, die Wettbewerber fernzuhalten, weil sie dieses ausschließliche Recht aufgrund staatlicher Vorschriften beachten müssen (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362; siehe auch oben, Rn. 234), doch betrifft diese Wirkung des Ausschlusses von Wettbewerb tatsächliche Wettbewerber, die patentverletzende Erzeugnisse vermarkten. Das Patent verleiht seinem Inhaber das ausschließliche Recht, eine Erfindung für die Herstellung und das erste Inverkehrbringen von Industrieerzeugnissen zu nutzen, sowie das Recht, sich gegen jede Patentverletzung zur Wehr zu setzen (Urteile vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9, und vom 16. Juli 2015, Huawei Technologies, C‑170/13, EU:C:2015:477, Rn. 46; siehe auch oben, Rn. 234), es hindert aber als solches Wirtschaftsteilnehmer nicht daran, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um bei Ablauf des Patents in den betreffenden Markt eintreten zu können, und so auf den Inhaber des Patents einen Wettbewerbsdruck auszuüben, der für einen potenziellen Wettbewerb vor dem Ablauf des Patents kennzeichnend ist. Ebenso wenig hindert es Wirtschaftsteilnehmer daran, die für die Herstellung und die Vermarktung eines nicht patentverletzenden Erzeugnisses nötigen Maßnahmen zu treffen, um ab ihrem Markteintritt als tatsächliche Wettbewerber des Patentinhabers und bis dahin gegebenenfalls als potenzielle Wettbewerber angesehen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 164). 358 Dies gilt umso mehr, als im Arzneimittelsektor, in dem die Bestimmungen über die Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die für den Vertrieb eines Arzneimittels auf dem Markt erforderlich sind, den zuständigen Behörden erlauben, eine Genehmigung für das Inverkehrbringen zu erteilen, obwohl das Referenzerzeugnis durch ein Patent geschützt ist. Nach der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in geänderter Fassung können nämlich Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen von Generika in einem abgekürzten Verfahren behandelt werden, in dem die Test- und Versuchsergebnisse zugrunde gelegt werden, die mit den für das Originalpräparat gestellten Anträgen auf Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen übermittelt wurden, und die Daten betreffend diese Ergebnisse können herangezogen werden und erlauben daher die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen vor Ablauf des Patents für das Originalpräparat (Art. 10 der Richtlinie 2001/83; vgl. auch Rn. 74 und 75 des angefochtenen Beschlusses). Somit sehen die Bestimmungen über die Vermarktung von Arzneimitteln selbst vor, dass ein Generikahersteller während des für das Patent des Herstellers des Originalpräparats bestehenden Schutzzeitraums dank einer rechtmäßig erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen in den Markt eintreten oder zumindest das Verfahren zur Erlangung einer solchen Genehmigung einleiten kann. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen gilt dies auch für die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2001/83, da sich aus dem von ihnen angeführten Abschlussbericht der Kommission über die Untersuchung im Arzneimittelsektor vom 8. Juli 2009 ergibt, dass die slowakischen Behörden ihre Rechtsvorschriften in diesem Sinne geändert haben und die ungarischen Behörden nur eine „Patenterklärung“ verlangen, mit der sich der Generikahersteller verpflichtet, vor Ablauf des in Rede stehenden Patents kein rechtsverletzendes Erzeugnis zu vermarkten. Der von den Klägerinnen hervorgehobene Umstand, dass nach einer internen E‑Mail von Servier „die Perindopril-Vorgänge [bestimmter Generikahersteller] anscheinend von den [slowakischen Behörden] so lange blockiert werden, wie das Patent 947 in Kraft ist“, kann diese Feststellung nicht in Frage stellen. 359 Das System des Patentschutzes ist vielmehr so ausgestaltet, dass zwar eine Vermutung zugunsten der Gültigkeit von Patenten besteht, sobald sie eingetragen sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362), diese Gültigkeitsvermutung aber nicht ipso facto bedeutet, dass alle auf den Markt gebrachten Erzeugnisse rechtsverletzend sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 121 und 122). Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (siehe oben, Rn. 351) zu Recht ausführt und ohne dass die Klägerinnen dem speziell widersprochen hätten, wird eine Rechtsverletzung nicht vermutet, sondern muss vielmehr von einem Gericht festgestellt werden. Nach dem Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 52), könnte nämlich ein privater Wirtschaftsteilnehmer und Inhaber eines Patents, wenn er seine eigene Beurteilung des Vorliegens einer Verletzung seines Patentrechts an die Stelle derjenigen der zuständigen Behörde setzen könnte, diese Beurteilung zur Erweiterung des Schutzbereichs seines Patents nutzen (vgl. auch Rn. 1171 und Fn. 1642 des angefochtenen Beschlusses). Folglich hat ein Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, das Risiko eines Markteintritts mit einem das gültige Patent möglicherweise verletzenden Erzeugnis einzugehen, wobei dieser Markteintritt oder diese Markteinführung, die mit Risiken verbunden sind (vgl. u. a. Rn. 75 und 1176 des angefochtenen Beschlusses), erfolgreich sein kann, wenn der Patentinhaber von der Erhebung einer Patentverletzungsklage absieht oder wenn eine solche Klage, wäre sie erhoben worden, abgewiesen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 128 und 165). Diese Möglichkeit eines Risikomarkteintritts deutet darauf hin, dass die Patente keine unüberwindlichen Hindernisse für einen Markteintritt der Generikahersteller sind, sie bedeutet aber als solche nicht, dass diese über tatsächliche und konkrete Eintrittsmöglichkeiten verfügen, die von ihrer Fähigkeit und ihrer Absicht abhängen, einen solchen Risikomarkteintritt vorzunehmen. 360 Entgegen dem Vorbringen der Streithelferin kehrt dieser Ansatz der Kommission nicht die an Patente geknüpfte Gültigkeitsvermutung um, indem das Bestehen von potenziellem Wettbewerb angenommen wird, wenn nicht ein Gericht die Gültigkeit des Patents bestätigt und die Verletzung des gültigen Patents festgestellt hat. Die Streithelferin geht von einem unzutreffenden Verständnis des angefochtenen Beschlusses aus, da die Kommission dort im Wesentlichen und zu Recht befunden hat (siehe die vorstehenden Rn. 357 bis 359), dass bis zum Erlass einer gerichtlichen Entscheidung über die Gültigkeit des Patents und das Bestehen einer Verletzung die Vermutung der Gültigkeit des Patents nicht an einem Risikomarkteintritt hindert (Rn. 1171 und 1176 des angefochtenen Beschlusses), nicht aber, dass bis zum Erlass einer solchen Entscheidung die Ungültigkeit des Patents vermutet wird. 361 Es ist hervorzuheben, dass auch dann, wenn eine zuständige Behörde das in Rede stehende Patent für gültig erklärt, keine Vermutung einer Rechtsverletzung besteht. Da nämlich ein Patent als solches Wettbewerber nicht an einem tatsächlichen oder potenziellen Markteintritt hindert, schließt die Gültigerklärung dieses Patents, wenn sie nicht mit der Feststellung einer Rechtsverletzung verbunden ist, einen potenziellen Wettbewerb ebenso wenig aus. Somit genügt entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der Umstand, dass das EPA mit Entscheidung vom 27. Juli 2006 das Patent 947 für gültig erklärt hat, allein nicht, um die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs zu verhindern. 362 Diese Erwägungen werden durch die von der Streithelferin angeführte Rechtsprechung nicht in Frage gestellt. 363 Zum einen betrafen nämlich die Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission (T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198), und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332), nicht Rechte des geistigen Eigentums, sondern Ausschließlichkeitsrechte, die die Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen und den Zugang zur Infrastruktur tatsächlich oder rechtlich verhinderten. Selbst wenn die im Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 102), erwähnten „faktischen Gebietsmonopole“ den ausschließlichen Rechten, die Patente darstellen (siehe oben, Rn. 234), nicht unähnlich sind, geht aus diesem Urteil hervor, dass das Gericht das Fehlen von potenziellem Wettbewerb nicht aus dem bloßen Bestehen dieser Monopole, sondern daraus abgeleitet hat, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend dargetan hatte, dass für einen anderen Gasanbieter tatsächliche und konkrete Möglichkeiten bestanden, trotz dieser Monopole in den deutschen Gasmarkt einzutreten, womit es anerkannt hat, dass solche Monopole als solche nicht ausreichen, um das Bestehen von potenziellem Wettbewerb auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 103 bis 107). 364 Zum anderen sind zwar die Urteile vom 31. Mai 1979, Hugin Kassaregister und Hugin Cash Registers/Kommission (22/78, EU:C:1979:138), und vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, EU:T:1994:246), zu Rechten des geistigen Eigentums – das zweite zu Patenten – ergangen, doch kann ihnen nicht entnommen werden, dass die in Rede stehenden Patente und anderen Rechte des geistigen Eigentums unüberwindliche Hindernisse für einen Markteintritt darstellten, die das Bestehen von potenziellem Wettbewerb ausschlössen. Im Urteil vom 31. Mai 1979, Hugin Kassaregister und Hugin Cash Registers/Kommission (22/78, EU:C:1979:138, Rn. 9), hat der Gerichtshof das Bestehen eines Monopols, das die Klägerin im Übrigen eingeräumt hatte, und damit das Fehlen eines tatsächlichen Wettbewerbs auf dem Markt für die von der Klägerin hergestellten Registrierkassen aus einem Bündel von „wirtschaftlichen Gründen“ abgeleitet, von denen einer, aber nicht der einzige – wie im Übrigen näher aus dem Sitzungsbericht in dieser Rechtssache (S. 1885) hervorgeht – die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs über das Urheberrecht an Mustern und Modellen waren. Im Urteil vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T‑83/91, EU:T:1994:246, Rn. 110), hat das Gericht zwar befunden, dass die zahlreichen in Rede stehenden Patente dem Zugang neuer Wettbewerber zum Markt für aseptische Maschinen entgegenstanden. Angesichts der vom Gericht hervorgehobenen Vielzahl von Patenten, des Bestehens technologischer Schranken, das ebenfalls für die Feststellung von Hindernissen berücksichtigt wurde, und vor allem des Vorhandenseins eines Wettbewerbers mit einem Marktanteil von 10 % kann daraus aber nicht abgeleitet werden, dass die Patente als solche als unüberwindliche Hindernisse für den Eintritt in diesen Markt angesehen wurden. 365 Die vorstehenden Erwägungen werden auch nicht durch den ebenfalls von den Klägerinnen angeführten Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48 in Frage gestellt, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen Gerichte die Möglichkeit haben, auf Antrag des Antragstellers gegen den angeblichen Verletzer eine einstweilige Maßnahme anzuordnen, um eine drohende Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums zu verhindern oder einstweilig die Fortsetzung angeblicher Verletzungen dieses Rechts zu untersagen. 366 Derartige einstweilige gerichtliche Maßnahmen oder Anordnungen verhindern zwar den Markteintritt eines mutmaßlichen Verletzers und so die Ausübung eines tatsächlichen Wettbewerbs auf diesem Markt während des in diesen Maßnahmen festgelegten Zeitraums. Wegen dieser Einstweiligkeit und des Fehlens einer Entscheidung, mit der endgültig über das Vorliegen einer Rechtsverletzung befunden und eine solche festgestellt wird sowie die gebotenen Abhilfemaßnahmen getroffen werden, sind diese einstweiligen Maßnahmen oder Anordnungen nur temporäre und keine unüberwindlichen Hindernisse, mit denen Schritte zur Vermarktung des angeblich rechtsverletzenden Erzeugnisses und so die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs verhindert werden. 367 Angesichts der begrenzten Zeit, über die die zuständige Behörde für ihre Prüfung und den Erlass ihrer Entscheidung verfügt, und der nach Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2004/48 für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme geltenden Anforderungen, insbesondere der Notwendigkeit einer hinreichend sicheren Überzeugung, dass ein Recht des geistigen Eigentums verletzt ist, ist der Erlass solcher einstweiliger Entscheidungen nur auf eine Prima-facie‑, notwendig summarische Prüfung der behaupteten Rechtsverletzung gestützt, die nach einer eingehenderen Würdigung der für die Feststellung einer Rechtsverletzung erforderlichen Voraussetzungen bestätigt oder gegebenenfalls verneint wird. Zudem haben die betreffenden Generikahersteller die Möglichkeit, den Erlass einer für sie ungünstigen Entscheidung zu verhindern, und zwar nicht nur durch den Vortrag von Gegenargumenten im Hauptsacheverfahren, sondern auch, indem sie parallel die Gültigkeit dieses Patents im Wege einer Widerklage in Frage stellen. Somit kann der Erlass einer einstweiligen Maßnahme oder Anordnung und erst recht die bloße Gefahr eines solchen Erlasses in Anbetracht u. a. des Erlasses solcher einstweiligen Entscheidungen gegenüber anderen Generikaherstellern als solcher nicht die Eigenschaft des tatsächlich oder potenziell von einer solchen Entscheidung betroffenen Generikaherstellers als potenzieller Wettbewerber ausschließen. 368 Zudem hat eine Entscheidung in der Sache, mit der das Vorliegen einer Rechtsverletzung festgestellt würde, selbst vorläufigen Charakter, solange mögliche Rechtsbehelfe nicht ausgeschöpft sind. Entgegen dem Vorbringen der Streithelferin hat die Kommission nämlich zu Recht in den Rn. 1132 und 1169 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass die Anfechtung der Patente und der zu diesen ergangenen Entscheidungen „Ausdruck … des Wettbewerbs“ im Patentbereich sei. In Anbetracht der Gefahr der Rechtsverletzung, der jeder Generikahersteller ausgesetzt ist, und der fehlenden Zuständigkeit privater Wirtschaftsteilnehmer für die Entscheidung über das Vorliegen der Rechtsverletzung, auf die bereits hingewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 359), ist eine gerichtliche Klage eines der dem Generikahersteller zur Verfügung stehenden Mittel, um diese Gefahr zu verringern und in den Markt einzutreten, indem er entweder eine Erklärung, dass keine Rechtsverletzung vorliegt, oder die Ungültigerklärung des möglicherweise verletzten Patents erwirkt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 122). Daraus ergibt sich auch, dass, solange dem Generikahersteller Rechtsbehelfe offenstehen, um die betreffenden Patente anzufechten und ihre Verletzung zu bestreiten und ihm so einen Zugang zum Markt zu eröffnen, angenommen werden kann, dass diese Patente grundsätzlich keine unüberwindlichen Hindernisse für diesen Zugang darstellen. Zur Nichtbeachtung der Leitlinien von 2004 und der von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen 369 Es ist nicht zu erkennen, dass die Kommission die Leitlinien von 2004 und die von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen, ihre Anwendbarkeit im vorliegenden Fall vorausgesetzt, in dem angefochtenen Beschluss nicht beachtet hätte. 370 Erstens wird entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin in den Entscheidungen, mit denen die Gültigkeit der in Rede stehenden Patente festgestellt wird, insbesondere in der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006, nicht festgestellt, dass wegen der Patente eine „Sperrposition“ im Sinne der Leitlinien von 2004 und der von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen besteht, durch die die Entfaltung eines potenziellen Wettbewerbs verhindert wird. In den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen (Rn. 32) wie in denen von 2014 (Rn. 32) werden Sperrpositionen als Situationen definiert, in denen ein Wirtschaftsteilnehmer nicht in den Markt eintreten kann, ohne die Rechte des geistigen Eigentums eines anderen Wirtschaftsteilnehmers zu verletzen. Entscheidungen, mit denen die Gültigkeit eines Patents festgestellt wird, hindern aber als solche nicht an einem Risikomarkteintritt, der nur durch eine Entscheidung verhindert werden kann, mit der die Verletzung des betreffenden Rechts des geistigen Eigentums, also des in Rede stehenden Patents festgestellt wird (siehe oben, Rn. 359 und 361). Somit sind mit den in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen (Rn. 32) genannten „Gerichtsentscheidungen“ und den in den Leitlinien von 2014 genannten „rechtskräftigen Gerichtsentscheidung[en]“, die als sicherer Nachweis einer Sperrposition gelten, nicht Entscheidungen gemeint, mit denen die Gültigkeit eines Patents, sondern solche, mit denen die Verletzung dieses Patents festgestellt wird. 371 Zweitens ist der Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen auch keine Nichtbeachtung der in den Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltenen Empfehlungen für die Prüfung des potenziellen Wettbewerbs bei Fehlen einer durch Gerichtsentscheidung festgestellten Sperrposition vorzuwerfen. Nach Rn. 31 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen kann ein Wirtschaftsteilnehmer „als potenzieller Wettbewerber auf dem Produktmarkt betrachtet werden, wenn er ohne die Vereinbarung im Falle einer geringfügigen, aber dauerhaften Erhöhung der Produktpreise wahrscheinlich die notwendigen zusätzlichen Investitionen tätigen würde, um in den relevanten Markt einzutreten. Die Wahrscheinlichkeit des Markteintritts sollte auf der Grundlage realistischer Annahmen, das heißt des Sachverhalts des jeweiligen Falls, bewertet werden.“ Ferner heißt es in Rn. 33 dieser Leitlinien: „Wenn in Ermangelung beispielsweise einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung keine Sicherheit in Bezug auf das Vorliegen einer Sperrposition besteht, müssen die Parteien bei der Beurteilung der Frage, ob sie potenzielle Wettbewerber voneinander sind, alle zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Umstände berücksichtigen, einschließlich der Möglichkeit, dass Rechte des geistigen Eigentums verletzt werden, sowie der Frage, ob es eine wirksame Möglichkeit gibt, bestehende Rechte des geistigen Eigentums zu umgehen. Wenn weit fortgeschrittene Pläne zum Eintritt in einen bestimmten Markt bestehen oder im Hinblick darauf bereits erhebliche Investitionen getätigt wurden, kann dies dafür sprechen, dass die Parteien zumindest potenzielle Wettbewerber sind, wenngleich eine Sperrposition nicht ausgeschlossen werden kann. …“ 372 Wie sich aber aus den Rn. 323 und 325 des vorliegenden Urteils ergibt, hat die Kommission in diesem Fall das Kriterium der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten für die Feststellung herangezogen, dass die in Rede stehenden Generikahersteller potenzielle Wettbewerber waren, und hat sich somit im Einklang mit den vorstehend angeführten Randnummern der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen nicht darauf gestützt, dass ein Eintritt nicht unmöglich war, sondern auf dessen Wahrscheinlichkeit, beurteilt anhand realistischer Motive und der verfügbaren Daten, die u. a. den Streitstand zwischen den Parteien, den Stand der Entwicklung ihrer Erzeugnisse und ihre Schritte zur Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen betrafen (siehe auch unten, Rn. 432 bis 438, 579 bis 585 und 718 bis 722). Soweit das Vorbringen der Klägerinnen dahin zu verstehen sein sollte, dass sie damit die von der Kommission getroffene Feststellung der Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts der Generikahersteller in Frage stellen, wird es nachstehend im Rahmen der Prüfung der Rügen untersucht, mit denen die Eigenschaft jedes einzelnen dieser Unternehmen als potenzieller Wettbewerber bestritten wird. 373 Hinzuzufügen ist auch, dass entgegen dem Vorbringen der Streithelferin aus dieser Untersuchung der Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts der Generikahersteller, wie sie in den Leitlinien von 2004 und den von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen verlangt wird und von der Kommission durchgeführt worden ist, hervorgeht, dass das Bestehen von potenziellem Wettbewerb nicht ipso facto aus dem festgestellten Fehlen einer Sperrposition abzuleiten ist, sondern dass ihr Nachweis eine echte Untersuchung erfordert, die dazu führen kann, dass einem Unternehmen trotz des Fehlens einer durch die Patente bedingten Sperrposition die Eigenschaft des potenziellen Wettbewerbers nicht zuerkannt wird. Zu dem im angefochtenen Beschluss enthaltenen Widerspruch 374 Nach Ansicht der Klägerinnen widerspricht die Position der Kommission deren im angefochtenen Beschluss vorgenommener Beurteilung des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier. Insbesondere habe sie in widersprüchlicher Weise die Ausschlusswirkung der Patente von Servier in dem Teil des angefochtenen Beschlusses anerkannt, der dem Missbrauch der beherrschenden Stellung von Servier gewidmet sei (Rn. 2572, 2857 und 2972), und die Gefahr des Ausschlusses der Generikahersteller vom Markt infolge dieser Patente in dem Teil des angefochtenen Beschlusses verneint, der Art. 101 AEUV betreffe. 375 Dieser Vorwurf eines Widerspruchs kann schon an dieser Stelle zurückgewiesen werden, ohne dass auf die Definition der relevanten Märkte einzugehen ist, die die Kommission im Rahmen ihrer Untersuchung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen und des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch Servier vorgenommen hat. 376 Erstens ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 2857 und 2972) zwar das Fehlen einer tatsächlich lebensfähigen Quelle von Wettbewerb auf dem Markt festgestellt hat, dass sich aber der Begriff der Lebensfähigkeit, der in diesen Randnummern zur Definition des relevanten Marktes – der vorgelagerte Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril – und zur Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung auf diesem Markt zum Zweck der Anwendung von Art. 102 AEUV verwendet wird, von dem Begriff unterscheidet, anhand dessen im Rahmen der Anwendung von Art. 101 AEUV beurteilt wird, ob ein Markteintritt wirtschaftlich lebensfähig ist. Er hat eine weitere Bedeutung im Sinne einer „wirtschaftlichen und rechtlichen Lebensfähigkeit“, und diese rechtliche Lebensfähigkeit ist eng dahin zu verstehen, dass sie ausgeschlossen ist, wenn auf dem Markt ein Patent besteht, da dieses verhindert, die patentgeschützte Technologie als durch die in Rede stehende Technologie austauschbar anzusehen (Fn. 3386 des angefochtenen Beschlusses; vgl. auch Rn. 2748 und 2754 des angefochtenen Beschlusses). Um die Relevanz der Ausführungen der Kommission in den Rn. 2857 und 2972 des angefochtenen Beschlusses im vorliegenden Zusammenhang auszuschließen, sei noch darauf hingewiesen, dass diese das Bestehen eines tatsächlichen und wirksamen Wettbewerbs auf dem in Rede stehenden Markt und nicht die Aussichten für einen Markteintritt von potenziellen Wettbewerbern betreffen. 377 Ferner ist zweitens darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den anderen von den Klägerinnen angeführten Passagen des angefochtenen Beschlusses (Rn. 2571 und 2572), die der Definition des Marktes für das Endprodukt und der Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung auf diesem Markt gewidmet sind, im Wesentlichen befunden hat, dass die Patente von Servier erhebliche, aber keine absoluten Schranken für einen Markteintritt seien, was im Einklang mit ihrer Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs auf diesem Markt steht. Zum Widerspruch zwischen dem angefochtenen Beschluss und anderen Entscheidungen oder Beschlüssen der Kommission 378 Nach Ansicht der Klägerinnen und der Streithelferin steht die Haltung der Kommission im Widerspruch zu einigen ihrer früheren Beschlüsse (Entscheidung 94/770/EG der Kommission vom 6. Oktober 1994 zu einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens [Sache IV/34.776 – Pasteur Merieux/Merck] und Beschluss C[2013] 8535 final der Kommission vom 26. November 2013 zu einem Verfahren nach Artikel 6 der Verordnung Nr. 139/2004 [Sache COMP/M.6944 – Thermo Fisher Scientific/Life Technologies]). Während die Kommission in diesen anderen Beschlüssen aus dem Bestehen der Patente oder von Patentrechtsstreitigkeiten abgeleitet habe, dass es keinen starken Wettbewerbsdruck seitens der Generikahersteller gegeben habe, habe sie im angefochtenen Beschluss die Generikahersteller trotz des Bestehens solcher Rechtsstreitigkeiten, die zu deren Ausschluss vom Markt führen könnten, als potenzielle Wettbewerber von Servier angesehen, die in der Lage seien, einen starken Wettbewerbsdruck auf das Perindopril von Servier auszuüben. 379 Hierzu ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss jedenfalls nicht im Widerspruch zu den von den Klägerinnen und der Streithelferin angeführten Beschlüssen der Kommission steht. Zunächst ist, da die Patente grundsätzlich keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt eines Wettbewerbers darstellen, solche Hindernisse aber je nach Ausgang des Patentrechtsstreits schaffen und sich auf die tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten zum Eintritt auswirken können (siehe oben, Rn. 359 bis 368, und unten, Rn. 442 bis 453, 589 bis 597 sowie 726 bis 735), nicht ausgeschlossen, dass die Kommission in einigen ihrer Beschlüsse, darunter den beiden vorgenannten, aus dem Bestehen von Patenten das Fehlen eines potenziellen Wettbewerbs ableiten konnte. Sodann hat die Kommission in diesen beiden Beschlüssen die Feststellung des Bestehens von Markteintrittsschranken oder des Fehlens eines potenziellen Wettbewerbs nicht nur auf das Bestehen von Patenten oder von Patentrechtsstreitigkeiten gestützt, sondern auch auf andere Faktoren wie die Schwierigkeit der Erlangung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen, den Umfang der nötigen Investitionen oder die bestehenden Geschäftsbeziehungen, so dass nicht gefolgert werden kann, dass das Bestehen von Patenten oder von Patentrechtsstreitigkeiten als solches die Entfaltung von potenziellem Wettbewerb verhindert. 380 Aus alledem folgt, dass die Kommission rechtsfehlerfrei in den Patenten von Servier im vorliegenden Fall keine unüberwindlichen Hindernisse für den Markteintritt der Generikahersteller gesehen hat. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen lag nämlich keine endgültige Entscheidung über eine Verletzungsklage vor, mit der der rechtsverletzende Charakter der Erzeugnisse dieser Unternehmen festgestellt worden war. 381 Zu prüfen bleibt, ob die Kommission auch zutreffend angenommen hat, dass die Generikahersteller unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen besonderen Merkmale tatsächliche und konkrete Möglichkeiten des Eintritts in den betreffenden Markt hatten; hierzu ist auf die im Rahmen des spezifischen Vorbringens zu jeder dieser Vereinbarungen angeführten Argumente einzugehen, mit denen das Bestehen solcher Möglichkeiten in Abrede gestellt wird. Diese Prüfung der Rügen, die gegen die Beurteilung der tatsächlichen und konkreten Markteintrittsmöglichkeiten der Generikahersteller durch die Kommission gerichtet sind, muss anhand der folgenden vier Grundsätze und Erwägungen erfolgen. 382 Erstens ist nach der Rechtsprechung zum Bestehen tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten des Eintritts in einen Markt (siehe oben, Rn. 318) der wesentliche Gesichtspunkt, auf dem die Einstufung als potenzieller Wettbewerber beruhen muss, die Markterschließungsfähigkeit des Unternehmens, während seine Markterschließungsabsicht für die Prüfung, ob es als potenzieller Wettbewerber auf dem betreffenden Markt angesehen werden kann, zwar von Bedeutung ist, aber nur ergänzend berücksichtigt wird. Genauer gesagt ist die Absicht, in einen Markt einzutreten, weder erforderlich für die Feststellung des Bestehens von potenziellem Wettbewerb auf diesem Markt (Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission, T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 169), noch kann sie dieses in Frage stellen, sie ist jedoch, wenn sie nachgewiesen ist, geeignet, die Fähigkeit zum Markteintritt zu bestätigen und so zur Einstufung eines Wirtschaftsteilnehmers als potenzieller Wettbewerber beizutragen. 383 Auch das Kriterium, dass der Markteintritt einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie, wie sie von der genannten Rechtsprechung gefordert wird, entspricht, ist kein autonomes und von dem Hauptkriterium der Markteintrittsfähigkeit und dem ergänzenden Kriterium der Eintrittsabsicht verschiedenes Kriterium (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 81). Zum einen wird es nämlich in den genannten Urteilen als Erläuterung des tatsächlichen und konkreten Charakters der Markteintrittsmöglichkeiten angeführt und geht der mit der Wendung „Daraus ergibt sich zwangsläufig“ eingeleiteten Nennung des Hauptkriteriums der Markteintrittsfähigkeit und des ergänzenden Kriteriums der Eintrittsabsicht voraus. Zum anderen wird es in diesen Urteilen nicht gesondert und unabhängig von der Prüfung der Markteintrittsfähigkeit und ‑absicht untersucht, da aus dem Umstand, dass ein Unternehmen sowohl die – an seinen Produktions- und Vermarktungsmitteln sowie seinen finanziellen Ressourcen zu erkennende – Fähigkeit zum Markteintritt als auch die – u. a. auf den Gewinn- und Rentabilitätsaussichten beruhende – Markteintrittsabsicht hat, vernünftigerweise geschlossen werden kann, dass dieser Markteintritt einer lebensfähigen wirtschaftlichen Strategie für das betreffende Unternehmen entspricht. 384 Zweitens können, wie die Kommission zu Recht im angefochtenen Beschluss (Rn. 1172; siehe auch oben, Rn. 351) ausführt, die von den Parteien selbst vorgenommenen Einschätzungen der Möglichkeiten, dass die Patente der Klägerinnen ungültig sind oder dass eine Verletzung dieser Patente vorliegt, für die Feststellung berücksichtigt werden, ob die Generikahersteller tatsächliche und konkrete Möglichkeiten des Markteintritts hatten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 141). Da nämlich eine Entscheidung einer öffentlichen Stelle über die Verletzung und die Gültigkeit der Patente von Servier fehlt, können die Einschätzungen der Parteien selbst hinsichtlich der Möglichkeiten, dass die Patente der Klägerinnen ungültig sind oder dass eine Verletzung dieser Patente vorliegt, einen Hinweis auf die Absichten dieser Parteien geben, u. a. was die Einleitung von Rechtsstreitigkeiten angeht. Wenn sie von Generikaherstellern stammen, können sie nach Maßgabe ihrer subjektiven Wahrnehmung der betreffenden Patente zum Nachweis ihrer Absicht beitragen, in den Markt einzutreten, nicht aber als solche zum Nachweis ihrer Fähigkeit zum Markteintritt, da nur die nationalen Gerichte und das EPA dafür zuständig sind, die Verletzung und die Gültigkeit der Patente festzustellen (siehe oben, Rn. 243 und 359). Da die Absicht als ein für die Feststellung der tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten des Markteintritts relevantes Kriterium angesehen wird (siehe oben, Rn. 382), können die subjektiven Einschätzungen der Parteien für den Nachweis solcher Möglichkeiten berücksichtigt werden. Da aber die Absicht, einen Markt zu erschließen, auch wenn sie für die Feststellung relevant ist, ob ein Unternehmen als potenzieller Wettbewerber eingestuft werden kann, nur ergänzend berücksichtigt wird, werden auch diese Einschätzungen für die Feststellung, ob dieses Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber ist, nur ergänzend herangezogen. Sie müssen zudem anderen Gesichtspunkten gegenübergestellt werden, die die Absichten eines Unternehmens hinsichtlich seines Markteintritts ebenso gut bezeugen können. 385 Drittens ist das Bestehen tatsächlicher und konkreter Markteintrittsmöglichkeiten zum Zeitpunkt des Abschlusses der streitigen Vereinbarungen zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 138, 139 und 203, und vom 8. September 2016, Sun Pharmaceutical Industries und Ranbaxy [UK]/Kommission, T‑460/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:453, Rn. 94 und 95). Für die Feststellung, ob solche Vereinbarungen wettbewerbsbeschränkend im Sinne von Art. 101 AEUV sind, ist nämlich zu prüfen, welcher – tatsächliche oder potenzielle – Wettbewerb zur Zeit ihres Abschlusses auf dem in Rede stehenden Markt bestand. Folglich können Vorbringen und Dokumente, die sich auf Daten aus der Zeit nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen beziehen, nicht berücksichtigt werden, da solche Daten die Durchführung dieser Vereinbarungen und nicht die Wettbewerbslage zum Zeitpunkt ihres Abschlusses widerspiegeln. 386 Viertens obliegt die Beweislast für das Bestehen tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten des Markteintritts eines Wettbewerbers und allgemeiner das Vorliegen einer Zuwiderhandlung (Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003) der Kommission (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten,EU:T:2016:449, Rn. 105). Da aber der Großteil der Daten, anhand deren die Markteintrittsfähigkeit und ‑absicht der Generikahersteller und damit ihre tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten dazu nachgewiesen werden können, interne Daten dieser Unternehmen sind, die Letzteren am besten zugänglich sind, ist festzustellen, dass die Kommission in Ermangelung gegenteiliger Beweise für technische, rechtliche, geschäftliche oder finanzielle Schwierigkeiten das Bestehen solcher Möglichkeiten im Einzelfall hinreichend nachgewiesen hat, wenn sie ein Bündel von übereinstimmenden Indizien angeführt hat, die zumindest Schritte zur Herstellung und zur Vermarktung des betreffenden Erzeugnisses in so naher Zukunft belegen, dass davon Druck auf den auf dem Markt tätigen Wirtschaftsteilnehmer ausgeht. Aus solchen Schritten kann nämlich abgeleitet werden, dass das betreffende Unternehmen nicht die Fähigkeit, sondern auch die Absicht hatte, das Risiko eines Markteintritts einzugehen (vgl. in diesem Sinne Rn. 33 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 8. September 2016, Arrow Group und Arrow Generics/Kommission, T‑467/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:450, Rn. 81). 2) Zum Kriterium der Verpflichtung der Generikahersteller zur Beschränkung ihrer unabhängigen Bemühungen um einen Markteintritt i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 391 Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die allgemeine Zulässigkeit von Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln nicht isoliert geprüft hat. Wie sich aus Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat sie sich für die Feststellung, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten, nicht auf die Prüfung beschränkt, ob sie Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten, sondern hat auch untersucht, ob die Parteien des Vergleichs potenzielle Wettbewerber waren und ob die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln auf einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller beruhten, die einen Anreiz für dieses Unternehmen darstellte, von der Ausübung von Wettbewerbsdruck auf den Inhaber des Patents abzusehen. Folglich können die Klägerinnen und die Streithelferin der Kommission nicht vorwerfen, sie habe das bloße Vorhandensein von Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln in einem Vergleich als ausreichend für den Nachweis seines wettbewerbswidrigen Charakters angesehen. 392 Was sodann das Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin angeht, jeder Vergleich enthalte notwendig Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, ist auf die Ausführungen oben in den Rn. 258 bis 275 zu verweisen, in denen dargelegt worden ist, unter welchen Voraussetzungen die Kommission im Fall solcher Klauseln das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung feststellen kann. 393 Das Vorbringen der Klägerinnen und der Streithelferin zur Anwendung der Theorie der Nebenabreden im vorliegenden Fall ist unter Bezugnahme auf Rn. 291 des vorliegenden Urteils zurückzuweisen. 394 Zum Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe eine Vereinbarung, durch die ein Generikahersteller verpflichtet wurde, sich bis zur Entscheidung eines parallel geführten Rechtsstreits gegen eine Entschädigung für den Fall des Unterliegens in diesem Rechtsstreit vom Markt zurückzuziehen, schon für unbedenklich erachtet, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, gebietet, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, EU:C:1984:394, Rn. 28, und vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, EU:T:1998:93, Rn. 309). 395 Ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, kann jedoch nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden ist. Selbst wenn die Kommission die Lundbeck-Neolab-Vereinbarungen rechtsfehlerhaft als mit Art. 101 Abs. 1 AEUV vereinbar angesehen haben sollte, müsste der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (Urteile vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 197, und vom 14. Juli 1994, Parker Pen/Kommission, T‑77/92, EU:T:1994:85, Rn. 86). 396 Jedenfalls bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den streitigen Vereinbarungen und den Lundbeck-Neolab-Vereinbarungen, die die Kommission mit dem Beschluss C(2013) 3803 final vom 19. Juni 2013 in einem Verfahren nach Artikel 101 [AEUV] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache AT/39226 – Lundbeck) als wettbewerbsrechtlich unbedenklich eingestuft hat. Aus Rn. 164 dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass Neolab im Oktober 2002 in den Markt für Citalopram im Vereinigten Königreich eingetreten war, dass Lundbeck im November 2002 Klage wegen Verletzung eines ihrer Patente erhoben hatte und dass Neolab daraufhin Widerklage auf Nichtigerklärung des streitigen Patents erhoben hatte. Im Rahmen einer im nationalen Gerichtsverfahren erlassenen freiwilligen einstweiligen Verfügung („voluntary injunction“) hatte sich Neolab mit einer ersten Vereinbarung verpflichtet, ihr Generikum bis zum Erlass des Urteils in einem parallelen Rechtsstreit zwischen Lundbeck und dem Unternehmen Lagap über dasselbe Patent oder bis spätestens 30. November 2003 nicht zu vermarkten. Im Gegenzug hatte sich Lundbeck verpflichtet, im Fall der Ungültigerklärung des betreffenden Patents Schadensersatz an Neolab zu leisten. Nachdem Lundbeck jedoch am 13. Oktober 2003 einen Vergleich mit Lagap geschlossen hatte, waren die Verpflichtungen von Lundbeck und Neolab entfallen, und Neolab hatte den Verkauf seines Generikums am 30. Oktober 2003 wieder aufgenommen. Am 22. Dezember 2003 hatten Neolab und Lundbeck mit einer zweiten Vereinbarung einen Vergleich geschlossen, nach dem Lundbeck an Neoalb Schadensersatz zum Ausgleich dafür zahlte, dass das Generikum während des von der freiwilligen einstweiligen Verfügung erfassten Zeitraums nicht verkauft werden konnte, und beide Parteien der Vereinbarung auf die Fortsetzung des Rechtsstreits über die Verletzung des streitigen Patents und dessen Nichtigkeit bis zum 31. März 2004 verzichteten. 397 Die erste Vereinbarung unterschied sich von den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarungen dadurch, dass sie nach einem ersten Markteintritt des Generikaherstellers geschlossen wurde, dass die in Rede stehende Wettbewerbsbeschränkung aus einer im Rahmen eines Gerichtsverfahrens erlassenen Verfügung zu folgen schien, dass sie nur eine Nichtvermarktungsverpflichtung für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis zur Entscheidung in einem Rechtsstreit mit dem gleichen Gegenstand, zum Gegenstand hatte und dass sie die Leistung von Schadensersatz durch den Hersteller des Originalpräparats nur für den Fall der Nichtigerklärung seines Patents vorsah. 398 Die zweite Vereinbarung sah zwar eine Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller vor, unterschied sich aber gleichfalls von den streitigen Vereinbarungen, da der Generikahersteller zum Zeitpunkt ihres Abschlusses bereits auf dem Markt tätig war und die Vereinbarung diese Marktpräsenz nicht in Frage stellte. Zudem sollte die Zahlung des Herstellers des Originalpräparats an den Generikahersteller nur ein Ausgleich dafür sein, dass das Generikum während des von der freiwilligen einstweiligen Verfügung erfassten Zeitraums nicht verkauft werden konnte, und so die Erhebung einer Schadensersatzklage durch Neolab verhindern. 399 Was schließlich das Vorbringen der Klägerinnen angeht, die Kommission müsse nachweisen, dass die Fortsetzung eines Rechtsstreits für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs notwendig und ausreichend sei, um seine Unterbrechung als eine Wettbewerbsbeschränkung ansehen zu können, ist darauf hinzuweisen, dass die Definition der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 220 ff.) die Kommission weder dazu verpflichtet, zu messen, in welchem Grad der Wettbewerb durch die streitige Vereinbarung berührt sein kann, noch dazu, nachzuweisen, dass die Fortsetzung eines Rechtsstreits für die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs erforderlich ist. 3) Zu dem Kriterium der Wertübertragung zugunsten der Generikahersteller i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 406 Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht befunden hat, dass schon die Tatsache einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller allein zum Nachweis des Vorliegens einer hinreichend schädlichen Wettbewerbsbeschränkung genügt. Wie sich aus Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission für die Feststellung, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten, geprüft, ob die Parteien des Vergleichs potenzielle Wettbewerber waren, ob die Vereinbarungen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten und ob der Generikahersteller gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats eine Nichtangriffs- und Nichtvermarktungsverpflichtung im Austausch gegen eine Wertübertragung eingegangen war (siehe auch oben, Rn. 265 bis 272). 407 Zudem geht aus den Rn. 265 bis 273 des vorliegenden Urteils hervor, dass im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung zwischen zwei potenziellen Wettbewerbern, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthält, das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, für sich allein die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung begründet. 408 Diese Feststellung wird durch das Vorbringen der Klägerinnen und die Streithelferin nicht in Frage gestellt. 409 Was erstens das Vorbringen angeht, die Hersteller von Originalpräparaten müssten in Vergleichen weiter gehende Zugeständnisse machen als die Generikahersteller, da sie größeren Prozessrisiken ausgesetzt seien, ist mit der Kommission festzustellen, dass die Klägerinnen nichts zu dessen Stützung vorgetragen, sondern sich auf eine Bezugnahme auf ihre Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beschränkt haben. Selbst wenn das Bestehen eines größeren Risikos für den Hersteller des Originalpräparats nachgewiesen wäre, könnte zudem ein solches Risiko eine umgekehrte Wertübertragung, die einen Anreiz für den Generikahersteller zum Verzicht auf seine Markteintrittsbemühungen darstellt, nicht rechtfertigen. 410 Das Vorbringen der Streithelferin, die nationalen Systeme der Festlegung der Arzneimittelpreise seien nachteilig für die Hersteller von Originalpräparaten und die nationalen Rechtsschutzmechanismen böten keinen wirksamen Schutz gegen den Risikomarkteintritt von Generika, ist, seine Stichhaltigkeit unterstellt, nicht geeignet, eine Vereinbarung mit wettbewerbswidrigem Zweck zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung kann nämlich nicht hingenommen werden, dass Unternehmen die Wirkungen von Rechtsvorschriften, die sie für allzu ungünstig halten, unter dem Vorwand, dass durch sie ein Ungleichgewicht zu ihren Lasten geschaffen worden sei, zu neutralisieren versuchen, indem sie Kartelle abschließen, die diese Nachteile korrigieren sollen (Urteil vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, EU:T:2005:298, Rn. 81; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 487 und 488). 411 Was das Vorbringen der Klägerinnen betrifft, die Kommission hätte die kaufmännischen Überlegungen und die Gewinnaussichten der Parteien der Vergleiche berücksichtigen müssen, um den Anreizcharakter der Wertübertragung zu beurteilen, so geht aus Rn. 277 des vorliegenden Urteils hervor, dass die Kommission für die Feststellung, ob die Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einen Anreiz darstellte, die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, zu Recht geprüft hat, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach. Das entscheidende Kriterium besteht somit in der Ermittlung der vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers und nicht in der Berücksichtigung der kaufmännischen Überlegungen der Parteien des Vergleichs. 412 Dem ist mit Bezug auf das gesamte in den drei vorstehenden Randnummern angeführte Vorbringen hinzuzufügen, dass der Umstand, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten für ein Unternehmen als rentabelste oder risikoärmste Lösung erweisen kann, die Anwendung von Art. 101 AEUV keineswegs ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, EU:T:2004:219, Rn. 73, und vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 211), insbesondere wenn es darum geht, tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 379 und 380). 413 Zweitens können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, sie sei von den drei in Rn. 1154 des angefochtenen Beschlusses angeführten Kriterien abgewichen, indem sie Vereinbarungen über den vorzeitigen Markteintritt von Generikaherstellern als rechtmäßig eingestuft habe, obwohl diese Vereinbarungen einen signifikanten Anreiz enthalten hätten. Wie nämlich aus den Rn. 1138, 1200 und 1203 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich die Kommission auf den Hinweis darauf beschränkt, dass eine Vergleichsvereinbarung, mit der der Markteintritt eines Generikums vor Ablauf des streitigen Patents erlaubt werde, eine wettbewerbsfördernde und damit rechtmäßige Vereinbarung sein könne. Jedoch sehen in einer solchen Vereinbarung die Parteien zwar einen früheren Zeitpunkt für den Markteintritt des Generikums vor, nicht aber die Gewährung eines Anreizes durch den Hersteller des Originalpräparats für den Generikahersteller, den Markteintritt seines Erzeugnisses hinauszuzögern. 414 Die Klägerinnen können der Kommission ferner nicht vorwerfen, keine Untersuchung der 57 in ihren jährlichen Überwachungsberichten aufgeführten Vergleiche, die eine Wertübertragung umfassten, durchgeführt zu haben. Zum einen ist hierzu darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen kann, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden ist, da der Grundsatz der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen kann (siehe oben, Rn. 395). Zum anderen kann eine Patentvergleichsvereinbarung nicht allein deshalb, weil sie eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller umfasst, als rechtswidrig angesehen werden, was die Kommission im angefochtenen Beschluss auch nicht getan hat, in dem sie zu Recht geprüft hat, ob die Parteien der Vergleiche potenzielle Wettbewerber waren, ob diese Vergleiche Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten und ob der Generikahersteller die Nichtangriffs- und Nichtvermarktungsverpflichtung gegenüber dem Hersteller des Originalpräparats im Austausch gegen eine Wertübertragung eingegangen war (siehe oben, Rn. 406). 415 Drittens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, eine weite Definition der signifikanten Wertübertragung zugrunde gelegt zu haben, indem sie zu Marktbedingungen geschlossene akzessorische Vereinbarungen berücksichtigt habe. Wie die Kommission jedoch zu Recht in Rn. 1190 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, kann der durch den Hersteller des Originalpräparats gebotene Anreiz dafür, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, die Form einer zu der Vergleichsvereinbarung akzessorischen Vereinbarung haben. Wenn die akzessorischen Vereinbarungen übliche Handelsvereinbarungen darstellen, die für sich bestehen könnten, hat die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht geprüft, ob bestimmte akzessorische Vereinbarungen, die integraler Bestandteil der in Rede stehenden Vergleiche waren, mit Wertübertragungen durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einhergingen. 416 Viertens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, die Anreize für den Generikahersteller zur Fortsetzung des Rechtsstreits nur im Rahmen der Untersuchung des potenziellen Wettbewerbs und nicht bei der Beurteilung der Wertübertragung berücksichtigt zu haben. Wie sich jedoch aus Rn. 277 des vorliegenden Urteils ergibt, hat die Kommission für die Feststellung, ob die Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller einen Anreiz darstellte, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach. Das relevante Kriterium liegt somit in der Ermittlung der vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers und nicht in einer eventuell zwischen den Parteien bestehenden Informationsasymmetrie oder ihren jeweiligen kaufmännischen Interessen. 417 Schließlich rügen die Klägerinnen, die Kommission habe bestimmte vertragliche Klauseln der mit Teva, Krka und Lupin geschlossenen Vereinbarungen, durch die der Markteintritt der Generikahersteller habe beschleunigt werden können, außer Betracht gelassen. Dieses Vorbringen wird im Rahmen der Klagegründe betreffend diese Vereinbarungen geprüft. 418 Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission die drei Kriterien, die sie für die Einstufung der Patentvergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung herangezogen hat, zutreffend definiert und daher keinen Rechtsfehler bezüglich des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung begangen hat. 6. Zu den mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen a) Zur Einstufung von Niche und von Matrix als potenzielle Wettbewerber [nicht wiedergegeben] b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 525 Zu den Rechtsfehlern, die die Kommission mit der Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung ohne Prüfung der Frage begangen haben soll, ob sie „derart geeignet“ gewesen seien, negative Wirkungen zu haben, und obwohl ihre potenziellen Wirkungen ambivalent gewesen seien (siehe oben, Rn. 503), ist auf die Rn. 223 bis 226, 304 bis 306 und 418 des vorliegenden Urteils zu verweisen. Was die ambivalenten potenziellen Wirkungen angeht, die die Klägerinnen unter Berufung auf die patentrechtlichen sowie technischen, rechtlichen und finanziellen Schwierigkeiten geltend machen, denen sich Niche und Matrix gegenübergesehen hätten, ist hinzuzufügen, dass die Kommission diese zutreffend so beurteilt hat, dass sie die tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten von Niche und Matrix, in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten, nicht beeinträchtigt haben (siehe oben, Rn. 501), so dass aus ihnen nicht abgeleitet werden kann, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung ambivalente potenzielle Wirkungen entfalteten. 526 Was die geltend gemachten Beurteilungsfehler angeht, ist das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, das das Vorhandensein in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung eines als Vorteil wirkenden Anreizes für Niche und Matrix zum einen und einer entsprechenden Beschränkung ihrer Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, zum anderen betrifft, Voraussetzungen, bei deren Erfüllung das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festzustellen ist (siehe oben, Rn. 272). Die Klägerinnen stellen nicht in Abrede, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten, die als solche wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben (siehe oben, Rn. 257), machen aber geltend, diese Klauseln wiesen im vorliegenden Fall keinen hinreichenden Schädlichkeitsgrad auf und die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragungen könnten nicht für als Anreiz wirkende Wertübertragungen erachtet werden. i) Zum Fehlen einer als Anreiz wirkenden Wertübertragung 527 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller allein nicht den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zulässt. Nur wenn es beim Abschluss des Vergleichs zu einer nicht gerechtfertigten umgekehrten Zahlung kommt, wenn also diese Zahlung als Anreiz für den Generikahersteller wirkt, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren, ist auf das Vorliegen einer solchen Wettbewerbsbeschränkung zu schließen. In diesem Fall hängen die durch die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr mit dem Patent und dem Vergleich zusammen, sondern sind durch den Anreiz zu erklären (siehe oben, Rn. 265). 528 Um festzustellen, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz darstellt, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob sie vergleichsinhärente Kosten deckt (siehe oben, Rn. 277). Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission somit zu Recht geprüft, ob die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung vorgesehene Wertübertragung den vom Generikahersteller getragenen spezifischen Kosten des Vergleichs entsprach (Rn. 1333 bis 1337 und 1461 bis 1464 des angefochtenen Beschlusses). 529 Wenn die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehene umgekehrte Zahlung die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgleichen soll, kann sie grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Gleichwohl ist die Feststellung des Vorliegens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Sie setzt jedoch den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (siehe oben, Rn. 278). 530 Die vergleichsinhärenten Kosten umfassen u. a. die Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers in einem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats. Denn die Übernahme dieser Kosten steht in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Folglich kann die Kommission, wenn die Höhe der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien der Vereinbarung festgestellt worden ist, deren Anreizcharakter nur feststellen, wenn sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind (siehe oben, Rn. 279). 531 Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die deren Lagerwert entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieser Erzeugnisse angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Gleiches gilt für die Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dafür darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280). 532 Im vorliegenden Fall geht für die Niche-Vereinbarung, wie die Kommission zu Recht in Rn. 1322 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, das Bestehen eines Anreizes klar aus dem Wortlaut der Vereinbarung selbst hervor, in deren Art. 13 es heißt: „Als Gegenleistung für die [in der Vereinbarung vorgesehenen] Verpflichtungen sowie die erheblichen Kosten und potenziellen Verbindlichkeiten, die Niche und Unichem möglicherweise wegen der Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von Perindopril unter Verwendung des [streitigen] Verfahrens entstehen, zahlt Servier einen Betrag von 11,8 Mio. GBP an Niche und an Unichem.“ Bei den genannten Verpflichtungen handelt es sich um die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, für die diese Bestimmung somit ausdrücklich eine Zahlung vorsieht. 533 Diese Auslegung der Niche-Vereinbarung wird zudem nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, die Wendung „als Gegenleistung“ sei eine Standardformel des englischen Rechts, mit der die für die Wirksamkeit jedes Vertrags nötige Gegenseitigkeit zum Ausdruck gebracht werde. Selbst wenn nämlich daraus abzuleiten wäre, dass diese Wendung eine Art Stilformel ohne Bedeutung ist, bringt sie doch den Klägerinnen selbst zufolge die Gegenseitigkeit zum Ausdruck und bewirkt, dass der in Art. 13 der Niche-Vereinbarung vorgesehene Betrag für die Übernahme der Verpflichtungen geleistet wird, die Niche mit dieser Vereinbarung auferlegt werden. 534 Diese Auslegung der Niche-Vereinbarung wird auch weder durch die behauptete Asymmetrie zwischen den für den Hersteller des Originalpräparats und den für den Generikahersteller bestehenden Risiken noch durch das vermeintliche Verhandlungsgeschick von Niche in Frage gestellt. Durch eine solche Risikoasymmetrie wie auch durch das Verhandlungsgeschick des Generikaherstellers lässt sich zwar erklären, welche Gründe den Hersteller des Originalpräparats veranlassen können, erhebliche umgekehrte Zahlungen an den Generikahersteller zu leisten. Die Leistung einer erheblichen Zahlung dient jedoch gerade der Ausschaltung jedes, und sei es auch geringen, Risikos, dass die Generikahersteller in den Markt eintreten könnten, und bestätigt so, dass den Generikaherstellern ihr Fernbleiben vom Markt vom Hersteller des Originalpräparats abgekauft wurde. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass sich ein wettbewerbswidriges Verhalten für ein Unternehmen als rentabelste oder risikoärmste Lösung erweisen kann oder dass es ein zu seinen Lasten bestehendes Ungleichgewicht korrigieren soll, die Anwendung von Art. 101 AEUV keineswegs ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, EU:T:2004:219, Rn. 73, vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, EU:T:2004:220, Rn. 211, und vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, EU:T:2005:298, Rn. 81), insbesondere wenn es darum geht, tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber dafür zu bezahlen, dass sie dem Markt fernbleiben (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 379 und 380). 535 Im vorliegenden Fall ist zudem ohne Belang, dass nach der vorgenannten Bestimmung der Niche-Vereinbarung die Zahlung des Betrags von 11,8 Mio. GBP nach einem nicht festgelegten Schlüssel die Gegenleistung nicht nur für die Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln, sondern auch für andere Kosten sein sollte, da diese andere Kompensation die Feststellung, dass die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln von den Klägerinnen gekauft worden sind, und damit das Bestehen eines Anreizes für Niche, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, nicht in Frage stellt. 536 Diese anderen Kosten, die in der Niche-Vereinbarung beschrieben werden als die „erheblichen Kosten und potenziellen Verbindlichkeiten, die Niche und Unichem möglicherweise wegen der Einstellung ihres Programms zur Entwicklung von Perindopril unter Verwendung des [streitigen] Verfahrens entstehen“, entsprechen nämlich nach der Darstellung von Niche im Verwaltungsverfahren (Rn. 1326 des angefochtenen Beschlusses) und der Klägerinnen selbst in ihren Schriftsätzen den Kosten der Entwicklung des Perindoprils von Niche und der Entschädigung, die Niche ihren Kunden wegen Verletzung ihrer Vertragspflichten diesen gegenüber schuldete. Solche Kosten sind aber a priori dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit nicht inhärent (siehe oben, Rn. 531), und die Klägerinnen weisen nicht nach, dass sie der im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleichsvereinbarung inhärent sind. 537 Selbst wenn, wie die Klägerinnen im Wesentlichen geltend machen, die den Kunden von Niche geschuldeten Entschädigungen diesen nicht zugestanden hätten, falls Niche den Rechtsstreit mit den Klägerinnen fortgesetzt hätte, liegen solche Entschädigungen im vorliegenden Fall zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als diesem Vergleich inhärent angesehen werden könnten, da sie den Klägerinnen zufolge im Fall der „gewillkürten Beendigung des Vorhabens“ geschuldet waren, was eine Kündigung der Verträge mit ihren Kunden bedeutete, und die Vereinbarung Niche die Möglichkeit ließ, ihre vertraglichen Beziehungen zu ihren Kunden nicht zu beenden, sondern lediglich zu suspendieren (Art. 11 der Niche-Vereinbarung). Überdies haben die Klägerinnen in der Sitzung selbst eingeräumt, dass die fraglichen Entschädigungen den Kunden von Niche möglicherweise auch unabhängig von der Niche-Vereinbarung hätten gezahlt werden müssen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Angaben der Klägerinnen, mit denen sie die Höhe dieser Entschädigungen bestreiten, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss auf 1,3 Mio. GBP geschätzt werden (Rn. 1335), nicht beweiskräftig sind, da sie sich auf darunter liegende Beträge beziehen oder schlichte Behauptungen höherer Beträge enthalten. 538 Die im angefochtenen Beschluss (Rn. 1334) genannten „Rechtskosten“ hat Niche im Verwaltungsverfahren als in den Entwicklungskosten enthaltene Kosten für Rechtsberatung (Rn. 601 des angefochtenen Beschlusses) dargestellt, die nach Rn. 531 des vorliegenden Urteils nicht vergleichsinhärent sind, während die Klägerinnen sie als „Anwalts- und Patentkosten“ bezeichnen, die zu den vergleichsinhärenten Kosten der Rechtsverfolgung gehören können (siehe oben, Rn. 530). Selbst wenn es sich aber bei dem als „Anwalts- und Patentkosten“ bezeichneten Betrag von 1,1 Mio. GBP um Kosten der Rechtsverfolgung handeln sollte, deren Erstattung grundsätzlich rechtmäßig in einem Vergleich vorgesehen werden kann, kann dieser Betrag nicht zu den Kosten gehören, die dem im vorliegenden Fall geschlossenen Vergleich inhärent sind. Wie sich nämlich aus dem Vorbringen der Klägerinnen und den von ihnen vorgelegten Unterlagen ergibt, betreffen die in Rede stehenden Kosten einen Zeitraum bis Ende 2003, also vor der Entstehung der Rechtsstreitigkeiten zwischen Niche und den Klägerinnen (siehe oben, Rn. 11, 13 und 16), die mit der Niche-Vereinbarung beendet worden sind. 539 Ergänzend sei dem hinzugefügt, dass, selbst wenn dieser Betrag von 1,1 Mio. GBP zu den Entwicklungskosten und den Kosten der Entschädigungen für die Niche-Kunden hinzugerechnet werden müsste, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss auf 1,2 bzw. 1,3 Mio. GBP geschätzt werden (Rn. 1336), ohne dass die Klägerinnen dem stichhaltig widersprochen haben (siehe u. a. oben, Rn. 537), der sich daraus ergebende Gesamtbetrag (3,6 Mio. GBP) deutlich unter dem Betrag von 11,8 Mio. GBP läge. 540 Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1348) zutreffend festgestellt, dass die Niche-Vereinbarung einen Anreiz für Niche enthält, sich den in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, ohne dass sie darüber hinaus, wie die Klägerinnen geltend machen (siehe oben, Rn. 513) zu prüfen hatte, ob diese Klauseln ohne diese als Anreiz wirkende Zahlung eine weniger wettbewerbsbeschränkende Tragweite gehabt hätten. Die Feststellung eines Anreizes, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, erfordert nämlich nur das Bestehen solcher Klauseln, unabhängig von ihrer mehr oder weniger wettbewerbsbeschränkenden Tragweite, und eine Analyse der durch die fragliche Wertübertragung gedeckten Kosten (siehe oben, Rn. 528 bis 531). 541 Folglich ist auch die Rüge als ins Leere gehend zurückzuweisen, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen mit der Feststellung, dass der nach der Niche-Vereinbarung an Niche gezahlte Betrag den Prognosen von mehr als zehn Verkaufsjahren und mehr als zwanzig Jahren Bruttogewinnspanne entsprochen habe (siehe oben, Rn. 514). Unterstellt, die Kommission hätte einen solchen Fehler begangen, wäre dieser ohne Bedeutung für die Einstufung der Wertübertragung durch die Klägerinnen an Niche als Anreiz, da sich aus den Rn. 536 bis 538 des vorliegenden Urteils ergibt, dass diese Wertübertragung keine vergleichsinhärenten Kosten deckte, und auch nicht vorgetragen noch gar nachgewiesen worden ist, dass der Betrag dieser Übertragung unbedeutend und damit für einen Anreiz nicht ausreichend sei. 542 Was ferner den zusätzlichen Anreiz angeht, der sich aus dem Betrag ergeben soll, der in Anwendung der Biogaran-Vereinbarung gezahlt worden sein soll (Rn. 1349 bis 1354 des angefochtenen Beschlusses), ist, wie in den nachstehenden Rn. 798 bis 810 näher auszuführen sein wird, der Umstand, dass eine geschäftliche Vereinbarung, die normalerweise keinen Vergleich zum Gegenstand hat und mittels deren eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt, eine Nebenabrede zu einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln bildet, ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer „umgekehrten Zahlung“ darstellt, d. h. einer Wertübertragung, der keine wirkliche unter diese akzessorische geschäftliche Vereinbarung fallende Gegenleistung entspricht (siehe unten, Rn. 804), und damit einer Zahlung, die ebenfalls einen Anreiz darstellt, wenn mit ihr nicht die vergleichsinhärenten Kosten erstattet werden sollen. Hat die Kommission Indizien oder Beweise vorgelegt, die geeignet sind, ein solches gewichtiges Indiz zu untermauern und so das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung zu beweisen, können die Parteien der Vereinbarung ihre Version des Sachverhalts vortragen und ihr Vorbringen mit den ihnen verfügbaren Anhaltspunkten dafür untermauern, dass die geschäftliche Vereinbarung, obwohl sie eine zu einer Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung bildet, aus anderen Gründen als dem des Ausschlusses eines Wettbewerbers mittels einer umgekehrten Zahlung gerechtfertigt ist. 543 Im vorliegenden Fall hat die Kommission mehrere Faktoren angeführt, die zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Niche- und der Biogaran-Vereinbarung besteht und dass es keine Entsprechung zwischen der in der Biogaran-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung und den Niche durch diese Vereinbarung auferlegten Verpflichtungen gibt. Zum einen hat sie berücksichtigt, dass die Vereinbarungen während desselben Zeitraums ausgehandelt und zu demselben Zeitpunkt von denselben Unternehmen geschlossen wurden und dass beide Vereinbarungen eine Zahlung in zwei Raten zu denselben Zeitpunkten vorsahen. Zum anderen hat Niche, obwohl die Klägerinnen vorgetragen haben, dass es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen gebe, angegeben, dass die Klägerinnen die Biogaran-Vereinbarung vorgeschlagen haben, um ihr „die Gesamtheit der im Gegenzug für den Abschluss des Vergleichs vereinbarten Entschädigung“ zukommen zu lassen. Die Kommission hat zudem eine E‑Mail des Beraters von Biogaran an Niche vom 4. Februar 2005, in der es heißt: „Angesichts der Beträge, um die es geht, halten wir es für erforderlich, über zusätzliche Rechte an anderen Erzeugnissen und über eine gewisse Freiheit beim Produktangebot zu verfügen“, dahin ausgelegt, dass der an Niche zu zahlende Betrag vor einer Einigung der Parteien über den Bereich der von der Biogaran-Vereinbarung erfassten Erzeugnisse festgesetzt worden war. Die Kommission hat auch festgestellt, dass die Bestimmungen der Biogaran-Vereinbarung, insbesondere die Art. 14.4 und 14.5, deren automatische Kündigung für den Fall vorsahen, dass binnen 18 Monaten keine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt würde, ohne dass Biogaran eine Entschädigung von Niche fordern könnte, im Gegensatz zu den Bestimmungen in anderen von Biogaran geschlossenen Vereinbarungen über den Erwerb von Produkt-Dossiers. Schließlich hat die Kommission darauf hingewiesen, dass Biogaran mit Ausnahme eines Erzeugnisses keine Genehmigungen für das Inverkehrbringen auf der Grundlage der von Niche verkauften Dossiers erhalten und ihr mit der Biogaran-Vereinbarung zusammenhängender Umsatz zwischen 100000 und 200000 Euro gelegen habe. 544 Die Klägerinnen tragen nichts vor, was diese Analyse in Frage stellen kann, außer einer Rüge, mit der sie die Nichtberücksichtigung des Interesses von Biogaran am Abschluss der Biogaran-Vereinbarung beanstanden. Abgesehen davon, dass ein solches Interesse nicht als ausreichend angesehen werden kann, um den Betrag der in der Biogaran-Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung zu rechtfertigen, ist darauf hinzuweisen, dass aus Rn. 1351 des angefochtenen Beschlusses mehrere Feststellungen hervorgehen, die am Bestehen eines derartigen Interesses von Biogaran zweifeln lassen. Nach diesen von den Klägerinnen nicht bestrittenen Feststellungen war nämlich der von Biogaran an Niche zu zahlende Betrag vereinbart worden, bevor sich beide über die von der Biogaran-Vereinbarung betroffenen Erzeugnisse geeinigt hatten, wobei diese Vereinbarung von den Parteien binnen 18 Monaten gekündigt werden konnte, ohne dass eine von ihnen Anspruch auf eine Entschädigung hatte, und es war keine Erstattung an Biogaran vorgesehen, falls die verkauften Genehmigungen für das Inverkehrbringen nicht innerhalb einer bestimmten Frist erteilt würden. Daher konnte die Kommission in der Biogaran-Vereinbarung einen zusätzlichen Anreiz für Niche sehen, die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Niche-Vereinbarung zu akzeptieren. 545 Zu den Anträgen der Klägerinnen, ihnen eine Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses oder eine Herabsetzung der Geldbuße für Biogaran im Rahmen der Rechtssache T‑677/14 zugutekommen zu lassen, ist auf die Rn. 89 bis 99 des vorliegenden Urteils zu verweisen. 546 Was die Matrix-Vereinbarung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass ihr Art. 9 dem Art. 13 der Niche-Vereinbarung ähnlich ist und dass das Vorbringen, mit dem die Beurteilung der Matrix-Vereinbarung durch die Kommission aus denselben Gründen beanstandet wird wie die der Niche-Vereinbarung, mit derselben Begründung zurückzuweisen ist. Zu dem Vorbringen, das spezifisch gegen die Analyse der Matrix-Vereinbarung durch die Kommission gerichtet ist, wonach Matrix wegen gemeinsamer Haftung mit Niche ebenfalls von der Entschädigung der Niche-Kunden betroffen sei, ist darauf hinzuweisen, dass solche Kosten nicht als vergleichsinhärente Kosten angesehen werden können (siehe oben, Rn. 531) und daher die in der Matrix-Vereinbarung vorgesehene Wertübertragung nicht rechtfertigen können, zumal weder die Klägerinnen noch Matrix nachweisen konnten, dass der Betrag von 11,8 Mio. GBP derartigen Kosten oder anderen vergleichsinhärenten Kosten entsprach. 547 Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1452, 1453, 1463, 1464 und 1467) ebenfalls zutreffend festgestellt, dass die Matrix-Vereinbarung einen Anreiz für Matrix enthielt, sich den in dieser Vereinbarung vorgesehenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen. ii) Zum Fehlen hinreichender Schädlichkeit der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln 548 Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln enthielten. 549 Gemäß den in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklauseln durften diese beiden Unternehmen keine Klage wegen Patentverletzung oder auf Feststellung des Fehlens einer Patentverletzung in Bezug auf die Patente 339, 340, 341, 947, 689 und 948 erheben; Niche willigte außerdem darin ein, ihre beim EPA erhobenen Einsprüche gegen die Patente 947 und 948 zurückzuziehen (Art. 7 und 8 der Niche-Vereinbarung und Art. 5 der Matrix-Vereinbarung). Gemäß den in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln durften diese beiden Unternehmen kein Erzeugnis herstellen, besitzen, einführen, liefern, zu liefern anbieten, zu ihrer Verfügung haben und keine Handlung vornehmen, durch die die Patente 339 bis 341 im Zusammenhang mit Perindopril verletzt werden konnten (Art. 3 der Niche-Vereinbarung und Art. 1 der Matrix-Vereinbarung). Sie durften zudem keine Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Perindopril beantragen (Art. 10 der Niche-Vereinbarung und Art. 6 der Matrix-Vereinbarung) und mussten ihre mit Dritten geschlossenen Verträge betreffend Perindopril beenden oder aussetzen (Art. 11 der Niche-Vereinbarung und Art. 7 der Matrix-Vereinbarung). 550 Die Klägerinnen bestreiten jedoch, dass die in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln hinreichend schädlich oder spürbar sind. 551 Hierzu machen sie als Erstes geltend, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln seien Vergleichen inhärent. 552 Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln sind zwar zur gütlichen Beilegung bestimmter Patentrechtsstreitigkeiten nötig (siehe oben, Rn. 259), doch verlieren solche Klauseln ihre Rechtfertigung und sind hinreichend schädlich für das Funktionieren des normalen Wettbewerbs, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können, wenn der Anreiz, wie er im vorliegenden Fall festgestellt worden ist, und nicht die Anerkennung der Gültigkeit der in Rede stehenden Patente durch die Parteien der wirkliche Grund für die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen ist (siehe oben, Rn. 270). 553 Zu dem Vorbringen der Klägerinnen, der durch die Nichtangriffsklausel bedingte Verlust der Chance, in einem Rechtsstreit zu obsiegen, genüge nicht, um eine Vereinbarung, mit der ein tatsächlicher Rechtsstreit gütlich beigelegt werde, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen (siehe oben, Rn. 505), ist zudem hervorzuheben, dass die Nichtangriffsklausel zwar nicht als solche einen Markteintritt verhindert, wohl aber u. a. die Erhebung von Klagen, mit denen im Rahmen einer Risikomarkteinführung „der Weg geebnet“ werden soll, und damit die Nutzung eines der Instrumente zur Ermöglichung eines solchen Markteintritts (siehe oben, Rn. 257). Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht die in der Niche- und der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklauseln allein eingestuft hat, sondern diese Vereinbarungen als Ganzes, die sowohl Nichtangriffs- als auch Vermarktungsverbotsklauseln und einen Anreiz enthalten, sich diesen Klauseln zu unterwerfen (Rn. 1375 und 1481 des angefochtenen Beschlusses). 554 Die Klägerinnen machen als Zweites geltend, die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln wiesen keinen hinreichenden Schädlichkeitsgrad auf, da sich ihre Wirkungen aus dem Bestehen der Patente und nicht aus den Bestimmungen dieser Vereinbarungen ergäben. 555 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erlaubt, und zwar auch dann, wenn die Vergleichsvereinbarung Klauseln enthält, deren Reichweite nicht über die des streitigen Patents hinausgeht (siehe oben, Rn. 273). Selbst wenn also die Vermarktungsverbotsklauseln, wie die Klägerinnen geltend machen, Niche und Matrix nicht an einem Markteintritt mit einem patentverletzenden Erzeugnis hindern und sich auf die Wirkungen einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung der in Rede stehenden Patente beschränken oder ihnen sogar erlauben sollten, auch dank des im Rahmen der Wertübertragung erhaltenen Geldbetrags mit ihren Partnern die Entwicklung des Projekts für ein neues, nicht patentverletzendes Perindopril aufzunehmen (siehe oben, Rn. 506), würden die Niche- und die Matrix-Vereinbarung gleichwohl eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen. 556 Die Klägerinnen stellen als Drittes in Abrede, dass die Nichtangriffsklauseln hinreichend schädlich seien, und machen geltend, diese beträfen nur eines der Unternehmen, die beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 erhoben hätten, und hätten wegen der Beschränkung des Rechtsstreits auf den Vorwurf der Patentverletzung keine Auswirkung auf die anderen Generikahersteller. 557 Selbst wenn diese Behauptungen, die Wirkungen der Niche- und der Matrix-Vereinbarung seien auf die Generikahersteller beschränkt, die Parteien dieser Vereinbarungen seien, zutreffen sollten, würde es deren Ausschluss vom Markt kraft der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln als Gegenleistung für eine als Anreiz wirkende Wertübertragung und damit den hinreichenden Schädlichkeitsgrad dieser Vereinbarungen nicht in Frage stellen, so dass die Prüfung ihrer konkreten Wirkungen überflüssig ist. 558 Folglich hat die Kommission die Niche- und die Matrix-Vereinbarung nicht fehlerhaft als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung angesehen. 559 Dieses Ergebnis wird nicht durch Beurteilungsfehler in Frage gestellt, die die Kommission bei der Darstellung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Niche- und der Matrix-Vereinbarung und bei der Berücksichtigung der subjektiven Absichten der Parteien begangen haben soll. 560 Das Vorbringen der Klägerinnen, die Parteien der Niche- und der Matrix-Vereinbarung hätten keine wettbewerbswidrigen Absichten gehabt und rechtmäßige Ziele verfolgt, was namentlich Niche veranlasst habe, von sich aus die Klägerinnen zu kontaktieren, kann weder das Vorliegen eines als Anreiz wirkenden Vorteils noch den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in diesen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in Frage stellen. Folglich wäre dieses Vorbringen, auch wenn es auf bewiesenen Tatsachen beruhen sollte, jedenfalls nicht geeignet, die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung durch die Kommission in Frage zu stellen. 561 Dem ist auch hinzuzufügen, dass die Absicht der Parteien kein notwendiges Element für die Feststellung ist, ob eine bestimmte Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (siehe oben, Rn. 222). 562 Da zudem die Niche- und die Matrix-Vereinbarung Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthielten, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, konnte die Kommission diese Vereinbarungen wegen des Bestehens eines Anreizes als Marktausschlussvereinbarungen ansehen, die als solche einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgten. Nach ständiger Rechtsprechung hindert aber der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222). 563 Zu den Beurteilungsfehlern, die die Kommission bei der Darstellung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der Niche- und der Matrix-Vereinbarung begangen haben soll, wiederholen die Klägerinnen ihr Vorbringen, mit dem sie unter Hinweis auf ihre Patente und die darüber geführten Rechtsstreitigkeiten sowie auf die finanziellen und rechtlichen Schwierigkeiten von Niche in Abrede stellen, dass Niche und Matrix die Fähigkeit und die Absicht gehabt hätten, in den Markt einzutreten (siehe oben, Rn. 507 und 519). Da dieses Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes geprüft und zurückgewiesen worden ist, mit dem die Einstufung von Niche und Matrix als potenzielle Wettbewerber beanstandet wird (siehe oben, Rn. 432 bis 501), kann es die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung nicht in Frage stellen. 564 Nach alledem ist der Klagegrund, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler hinsichtlich der Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerügt werden, insgesamt zurückzuweisen. c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 565 Die Klägerinnen werfen der Kommission verschiedene Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung vor. 566 Können bestimmte Gründe eines Beschlusses diesen bereits für sich allein rechtlich hinreichend rechtfertigen, so haben Mängel, mit denen andere Gründe des betreffenden Rechtsakts gegebenenfalls behaftet sind, keinen Einfluss auf dessen verfügenden Teil. Zudem ist, wenn der verfügende Teil eines Beschlusses der Kommission auf mehreren Begründungspfeilern ruht, von denen jeder für sich ausreichen würde, um ihn zu tragen, dieser Rechtsakt grundsätzlich nur dann für nichtig zu erklären, wenn jeder dieser Pfeiler fehlerhaft ist. In einem derartigen Fall kann ein Fehler oder ein anderer Mangel, der nur einen der genannten Begründungspfeiler betrifft, nicht genügen, um die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses herbeizuführen, da dieser Fehler den von dem betreffenden Organ erlassenen verfügenden Teil des Beschlusses nicht entscheidend beeinflussen kann (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2005, General Electric/Kommission, T‑210/01, EU:T:2005:456, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 567 Wie oben in Rn. 219 ausgeführt worden ist, brauchen für die Beurteilung der Frage, ob ein Kartell nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten ist, seine konkreten Auswirkungen nicht berücksichtigt zu werden, wenn sich ergibt, dass es eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt bezweckt. 568 Folglich wirkt sich, wenn die Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung auf das Vorliegen sowohl einer bezweckten als auch einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung stützt, ein Rechtsfehler in der Begründung betreffend das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung jedenfalls nicht entscheidend auf den verfügenden Teil des Beschlusses aus, soweit die Begründung zum Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, das für sich allein die Feststellung einer Zuwiderhandlung begründen kann, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet ist. 569 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des Klagegrundes, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung gerügt werden, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss rechtsfehlerhaft befunden hat, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezweckten. 570 Der vorliegende Klagegrund ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen. 7. Zu der mit Teva geschlossenen Vereinbarung a) Zur Einstufung von Teva als potenzieller Wettbewerber [nicht wiedergegeben] b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 643 Zu prüfen ist das Vorbringen der Klägerinnen, das das Vorhandensein in der Teva-Vereinbarung eines als Vorteil wirkenden Anreizes für Teva zum einen und einer entsprechenden Beschränkung ihrer Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, zum anderen betrifft, Voraussetzungen, bei deren Erfüllung das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festzustellen ist (siehe oben, Rn. 272). Da im vorliegenden Fall die Feststellung des Bestehens eines als Vorteil wirkenden Anreizes von der Feststellung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters bestimmter Klauseln der Teva-Vereinbarung abhängt, sind zunächst die gegen die Beurteilung der Klauseln der Vereinbarung gerichteten Rügen zu prüfen und sodann diejenigen, mit denen die Beurteilung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung beanstandet wird. Zuletzt ist die hilfsweise erhobene Rüge zu prüfen, die die Dauer der den Klägerinnen im Zusammenhang mit der Teva-Vereinbarung vorgeworfenen Zuwiderhandlung betrifft. i) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten 644 Vorab ist das Vorbringen der Klägerinnen zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern zurückzuweisen, die die Kommission mit der Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung begangen habe, obwohl deren potenzielle Wirkungen wettbewerbsfördernd und ihre wettbewerbswidrigen Wirkungen rein hypothetisch gewesen seien (siehe oben, Rn. 634). Gewiss dürfen die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen (siehe oben, Rn. 304). Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber auch, dass die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht unter dem Vorwand u. a. der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der jeweiligen Vereinbarung dazu führen darf, deren Wirkungen zu beurteilen, soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung die praktische Wirksamkeit genommen werden (siehe oben, Rn. 221). Für die Prüfung, ob eine Vereinbarung besonders geeignet ist, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten, die für Vereinbarungen mit wettbewerbswidrigem Zweck kennzeichnend sind, muss somit die Untersuchung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf diejenigen Wirkungen beschränkt werden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung objektiv vorhersehbar waren (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 80 bis 82). Im vorliegenden Fall werden aber die behaupteten potenziellen Wirkungen, ob nun nicht wettbewerbsbeschränkend oder wettbewerbsfördernd, auf hypothetische und damit beim Abschluss der Teva-Vereinbarung nicht vorhersehbare Umstände gestützt, wie etwa die Entscheidung des EPA über die Gültigkeit des Patents 947 oder den Eintritt anderer Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs, die im Rahmen der Untersuchung des wettbewerbswidrigen Zwecks nicht berücksichtigt werden können (siehe auch unten, Rn. 667 und 668). 645 Was sodann das Vorbringen angeht, die Klauseln der Teva-Vereinbarung seien per se nicht wettbewerbswidrig, ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln Vergleichen inhärent sind, nicht ausschließt, dass Vergleichsvereinbarungen, die solche Klauseln enthalten, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden können (siehe oben, Rn. 273). Zudem ist zum Vorbringen der Klägerinnen, auf die Teva-Vereinbarung sei die Theorie der Nebenabreden anwendbar, weil deren Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln für die gütliche Beilegung des in Rede stehenden Rechtsstreits notwendig seien und hierzu im rechten Verhältnis stünden, bereits festgestellt worden, dass dieses Band der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit unterbrochen sein kann, wenn das Bestehen eines Anreizes festgestellt wird, sich solchen Klauseln zu unterwerfen (siehe oben, Rn. 291). Somit könnte diese Theorie nur dann Anwendung auf die Teva-Vereinbarung finden, wenn die in dieser vorgesehene Wertübertragung keinen Anreizcharakter hätte (siehe unten, Rn. 679 bis 699). 646 Als Zweites ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht in Frage stellen kann. 647 Nach dieser Klausel verpflichtete sich Teva, während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung im Vereinigten Königreich nicht gegen die Patente 947 und 339 bis 341 vorzugehen, wobei es ihr nicht verwehrt war, ihr Einspruchsverfahren gegen die streitigen Patente beim EPA weiterzuverfolgen (Art. 2.4 der Teva-Vereinbarung). 648 Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss befunden, dass diese Nichtangriffsklausel hauptsächlich zwei Folgen gehabt habe, und zwar erstens, Teva an der Erbringung des Nachweises zu hindern, dass das Erzeugnis, das sie vermarkten wollte, diese Patente nicht verletze, und zweitens, eine objektive rechtliche Prüfung der Gültigkeit der Patente der Klägerinnen im Vereinigten Königreich zu verhindern (Rn. 1546). 649 Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerinnen diese erste Folge der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht in Abrede stellen, sondern geltend machen, eine solche Folge sei mit jeder in einem Vergleich enthaltenen Nichtangriffsklausel verbunden (siehe oben, Rn. 625). Wie bereits dargelegt, genügt aber der Umstand, dass eine solche Klausel einem Vergleich inhärent ist, allein nicht, um die Feststellung eines wettbewerbswidrigen Zwecks auszuschließen (siehe oben, Rn. 273 und 645). 650 Sodann ist im vorliegenden Fall unerheblich, dass die Nichtangriffsklausel nur die Rechtsstreitigkeiten im Vereinigten Königreich betrifft und nicht auch die vor dem EPA, da der räumliche Geltungsbereich der Teva-Vereinbarung auf das Vereinigte Königreich begrenzt ist, in dem jedes Vorgehen gegen das Patent 947 und die Verfahrenspatente untersagt ist. Eine Vereinbarung kann nämlich auch dann als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden, wenn ihr räumlicher Geltungsbereich auf einen Mitgliedstaat begrenzt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P und C‑137/07 P, EU:C:2009:576, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). 651 Selbst wenn zudem, wie die Klägerinnen geltend machen, die Nichtangriffsklausel nicht geeignet sein sollte, sich auf das im Vereinigten Königreich von einer Tochtergesellschaft von Teva eingeleitete Widerrufsverfahren betreffend das Patent 947 auszuwirken, das bis zu einer abschließenden Entscheidung in dem von der Teva-Vereinbarung nicht erfassten Einspruchsverfahren vor dem EPA ausgesetzt war, ist festzustellen, dass diese Klausel zumindest an der Erhebung weiterer Klagen auf Ungültigerklärung dieses Patents während der gesamten Laufzeit der Teva-Vereinbarung hindert und dass dieses Verbot nach Art. 2.4 dieser Vereinbarung sowohl die Teva UK Ltd als auch ihre Tochtergesellschaften und sowohl direkte Klagen als auch jede Unterstützung Dritter, um die Patente der Klägerinnen für ungültig erklären zu lassen, erfasst. Daher ist im vorliegenden Fall die aktive Beteiligung von Teva an dem Einspruchsverfahren vor dem EPA, u. a. durch die von den Klägerinnen behauptete Übermittlung der Entscheidungen der Gerichte des Vereinigten Königreichs betreffend die Gültigkeit des Patents 947, unbeachtlich (siehe oben, Rn. 635). 652 Ferner kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, nicht nachgewiesen zu haben, dass es eine ernst zu nehmende Grundlage dafür gab, die Gültigkeit der Verfahrenspatente der Klägerinnen in Frage zu stellen (siehe oben, Rn. 635). Denn ein solcher Nachweis ist nicht erforderlich für die Feststellung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters einer Nichtangriffsklausel, der von der Beseitigung tatsächlicher und konkreter Möglichkeiten zur Überwindung der mit den Patenten zusammenhängenden Hindernisse abhängt, deren Bestehen nicht notwendig den Nachweis voraussetzt, dass die Klage auf Ungültigerklärung der betreffenden Patente wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte (siehe oben, Rn. 368). 653 Unbeachtlich ist schließlich auch das Vorbringen der Klägerinnen, die Nichtangriffsklausel habe Dritte keineswegs an der Anfechtung ihrer Patente gehindert (siehe oben, Rn. 635). Denn dieses Vorbringen, das dahin geht, dass die Teva-Vereinbarung potenzielle Wirkungen nur für diesen Generikahersteller entfaltet habe, stellt als solches nicht den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der in der Teva-Vereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel in Frage (siehe auch oben, Rn. 556 und 557). 654 Als Drittes ist festzustellen, dass die Kommission die Alleinbezugsverpflichtung zu Recht als wettbewerbsbeschränkend eingestuft hat. 655 Diese in Art. 3 der Teva-Vereinbarung enthaltene Klausel lautet: „3. Alleinbezugsverpflichtung 3.1.   Während der Laufzeit des vorliegenden Vertrags bezieht Teva sämtliches Perindopril, das sie und ihre Tochtergesellschaften zur Lieferung oder Bereitstellung im Vereinigten Königreich benötigten, ausschließlich von Servier oder deren Tochtergesellschaften. … 3.3.   Teva verkauft das Erzeugnis nicht aktiv an Kunden außerhalb des Vereinigten Königreichs oder fördert dessen Verkauf bei diesen und sorgt dafür, dass ihre Tochtergesellschaften sich ebenso verhalten. 3.4.   Soweit Servier oder ihre Tochtergesellschaften von Teva bestätigte Bestellungen für die nachstehend genannten Mengen des Erzeugnisses zu den Bestelldaten oder davor erhalten, liefern Servier oder ihre Tochtergesellschaften die folgenden Mengen des Erzeugnisses bis zu folgenden Daten: 3.4.1. 150000 (einhundertfünfzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (2 mg) bis zum 1. August 2006 und während der folgenden Monate 75000 (fünfundsiebzigtausend) dieser Packungen monatlich; 3.4.2. 240000 (zweihundertvierzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (4 mg) bis zum 1. August 2006 und während der folgenden Monate 120000 (einhundertzwanzigtausend) dieser Packungen monatlich; 3.4.3. 80000 (achtzigtausend) Packungen mit 30 Tabletten (8 mg) bis zum 1. Januar 2007 (oder bis zu jedem von den Parteien vereinbarten Datum) und während der folgenden Monate 40000 (vierzigtausend) dieser Packungen monatlich. … 3.8.   Wenn in irgendeinem Monat während der Laufzeit des vorliegenden Vertrags: 3.8.1. Servier von Teva bestätigte Bestellungen des Erzeugnisses zur Lieferung im Vereinigten Königreich in diesem Monat erhält, die zu den relevanten Bestelldaten oder davor eingegangen sind, und 3.8.2. Servier und ihre Tochtergesellschaften nicht binnen zehn Werktagen nach dem entsprechenden Lieferdatum an Teva das gesamte von dieser bestellte Erzeugnis gemäß den Art. 3.4 und 3.8.1 für eine Lieferung in diesem Monat geliefert haben, 3.8.3. zahlt Servier gemäß Art. 3.9 an Teva die pauschalen Entschädigungen für diesen Monat; Teva und ihren Tochtergesellschaften steht kein weiterer Anspruch oder Rechtsbehelf (einschließlich des Kündigungsrechts) wegen Nichtlieferung des Erzeugnisses durch Servier an Teva zu. …“ 656 Nach der in Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung vorgesehenen Vermarktungsverbotsklausel durfte Teva zudem im Vereinigten Königreich bis zur Kündigung oder zum Auslaufen der Teva-Vereinbarung oder bis zum Ablauf der Patente 339, 340, 341 und 947 kein generisches Perindopril, das nach dem von ihr entwickelten Verfahren hergestellt worden war oder von Servier als Verletzung dieser Patente angesehen wurde, herstellen, herstellen lassen, besitzen, einführen, liefern, seine Lieferung anbieten oder darüber verfügen. 657 Die Kommission hat in den Rn. 1552 bis 1555 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass die Vermarktungsverbotsklausel (Art. 2.3) und die Alleinbezugsklausel (Art. 3.1) der Teva-Vereinbarung als ein und dasselbe Wettbewerbsverbot geprüft würden, da diese Klauseln die Wettbewerbsfähigkeit von Teva und deren Freiheit beeinträchtigten, ihre Bezugsquellen für Perindopril, das für den Markt des Vereinigten Königreichs bestimmt war, in voller Unabhängigkeit zu wählen. Der patentrechtliche Status etwaiger alternativer Bezugsquellen für Perindopril (patentverletzend oder nicht) sei unerheblich, da die Alleinbezugsklausel Teva nur die Optionen lasse, ausschließlich das Erzeugnis von Servier zu verkaufen oder einen Geldbetrag zum Ausgleich der Nichtbelieferung zu erhalten (pauschale Entschädigung in Höhe von monatlich 500000 GBP). 658 Das gegen diese Beurteilung der Kommission gerichtete Vorbringen der Klägerinnen beruht auf einer irrigen Auslegung der Alleinbezugsklausel der Teva-Vereinbarung. 659 Aus der Teva-Vereinbarung geht nämlich eine Alternative zwischen einer Belieferung und einer Entschädigung bei Nichtbelieferung hervor, denn neben der Belieferungspflicht, die in der Tat als solche in Art. 3.4 der Teva-Vereinbarung erwähnt ist, war ausdrücklich die Möglichkeit einer Nichtbelieferung vorgesehen, die weder vor einem Gericht beanstandet werden noch zu einer Kündigung durch Teva führen konnte und die nicht einmal Bedingungen, namentlich einer zeitlichen Begrenzung, unterlag, sondern allein zur Zahlung einer Entschädigung führte (Art. 3.8.2, 3.8.3 und 8.3 der Teva-Vereinbarung). 660 Das in Art. 3.8.3 der Teva-Vereinbarung vorgesehene Verbot, gegen eine Nichtbelieferung vorzugehen oder deswegen zu kündigen (im Folgenden: Kündigungsverbotsklausel), spielt eine entscheidende Rolle für diese Auslegung der Alleinbezugsklausel, da es die Sanktion der Nichteinhaltung einer Vertragspflicht durch ein Gericht oder durch die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch einen im Voraus festgesetzten finanziellen Ausgleich ersetzt und damit eine Alternative zwischen einer Belieferung und einer Entschädigung schafft. Insoweit ist unerheblich, ob dieser Ausgleich die Folge der Nichterfüllung einer Belieferungspflicht oder einer Servier gebotenen Möglichkeit ist, Teva nicht zu beliefern. 661 Daraus ergibt sich nämlich auf jeden Fall, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1559) zu Recht ausgeführt hat, eine völlig ins Belieben von Servier gestellte Nichtbelieferungsoption, durch die Teva am Markteintritt gehindert wird und die es ausschließt, die betreffenden Klauseln als Klauseln anzusehen, die gewöhnlich Teil einer Belieferungsvereinbarung sind. 662 Dagegen galt für Teva eine Alleinbezugsverpflichtung, die die Kommission zu Recht als „absolut“ eingestuft hat (Rn. 1588 des angefochtenen Beschlusses), da Teva sich ihrer nicht entledigen konnte, um Perindopril, sei es patentverletzend oder nicht, eventuell von anderen Anbietern zu beziehen und mit diesem Perindopril in den Markt einzutreten, und dies sogar im Fall der Nichtbelieferung durch Servier, denn eine Kündigung der Vereinbarung aus diesem Grund war durch die Kündigungsverbotsklausel ausgeschlossen. Wie die Kommission zu Recht in Rn. 1557 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, verpflichtete die Kündigungsverbotsklausel in Verbindung mit der Alleinbezugsklausel Teva, generisches Perindopril ausschließlich von Servier zu beziehen, und hinderte sie so an einem Bezug bei anderen Anbietern, einschließlich solcher, die die Patente von Servier nicht verletzten. 663 Folglich decken sich die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel nicht nur teilweise mit der Nichtvermarktungsverpflichtung aus Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung, da sie den Kauf und damit den Verkauf von Perindopril untersagen, das von Dritten unter Verletzung der streitigen Patente hergestellt worden ist, sondern sie erstrecken diese Verpflichtung auch über die streitigen Patente hinaus, indem sie den Kauf und den Verkauf von Perindopril untersagen, das von Dritten ohne Verletzung der streitigen Patente hergestellt worden ist. 664 Daraus ergibt sich, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung als solche besonders geeignet sind, die Belieferung von Teva zu verhindern und so deren Markteintritt mit dem Erzeugnis eines Dritten auszuschließen, so wie dieser Markteintritt sowohl für die Erzeugnisse der Klägerinnen als auch für die Dritter bereits durch die in Art. 2.3 der Vereinbarung vorgesehene Vermarktungsverbotsklausel ausgeschlossen ist, deren wettbewerbsbeschränkenden Charakter die Klägerinnen nicht in Abrede stellen. 665 Zudem kann die Beschränkung der Alleinbezugsklausel wie im Übrigen auch der Vermarktungsverbotsklausel auf Perindopril-Erbumin deren wettbewerbsbeschränkenden Charakter nicht in Frage stellen (siehe oben, Rn. 626). 666 Die Klägerinnen führen nämlich aus, dass diese Klauseln nur Perindopril-Erbumin beträfen, und bestreiten nicht, dass das Erzeugnis, das Teva zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teva-Vereinbarung vermarkten wollte, Perindopril-Erbumin war. Somit hinderten die Vermarktungsverbots- und die Alleinbezugsklausel Teva an einem Markteintritt mit dem Perindopril-Erbumin, das sie während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung vermarkten wollte. Selbst wenn also Teva während der Laufzeit der Teva-Vereinbarung mit aus einem anderen Salz als Erbumin bestehendem Perindopril in den Markt hätte eintreten können, hinderte diese Vereinbarung Teva doch daran, mit Perindopril-Erbumin in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten, und beschränkte insoweit den Wettbewerb. Überdies beziehen sich die von den Klägerinnen vorgelegten Beweise für den Eintritt von Teva in den Markt im Vereinigten Königreich mit einem anderen Salz als Erbumin auf Daten aus der Zeit nach dem Ablauf der Teva-Vereinbarung. 667 Unerheblich ist im vorliegenden Fall ferner das Vorbringen der Klägerinnen zu den ambivalenten potenziellen Wirkungen der Alleinbezugsklausel (siehe oben, Rn. 636). Solche potenziellen Wirkungen, die im vorliegenden Fall aus Umständen abgeleitet werden, die beim Abschluss der Teva-Vereinbarung nicht vorsehbar waren, können bei der Untersuchung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks nicht berücksichtigt werden (siehe oben, Rn. 644). Dem sei hinzugefügt, dass jedenfalls die behaupteten potenziellen Wirkungen der Teva-Vereinbarung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht als nicht wettbewerbsbeschränkend oder sogar wettbewerbsfördernd angesehen werden können. 668 Wenn nämlich das Patent 947 vom EPA für ungültig erklärt worden wäre, hätte die Teva-Vereinbarung Teva wegen der Vermarktungsverbotsklausel, die – wie sich aus der Bezugnahme auf den „Ablauf“ der Patente in Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung im Gegensatz zum Begriff „Nichtigkeit“ in Art. II des Zusatzes zur Teva-Vereinbarung ergibt, in Kraft geblieben wäre – daran gehindert, mit ihrem Erzeugnis oder dem Erzeugnis von Krka in den Markt einzutreten, während diese Ungültigerklärung den Markteintritt von dieses Patent potenziell verletzenden Generika erlaubt hätte. Zudem hätte, selbst wenn die Klägerinnen, wie sie vortragen (siehe oben, Rn. 616), Teva in diesem Fall mit generischem Perindopril beliefert hätten, dieser Markteintritt von Teva mit dem generischen Erzeugnis der Klägerinnen keine Wettbewerbssituation im Verhältnis zu diesen geschaffen, und Teva wäre überdies wegen des vorerwähnten Markteintritts anderer Generikahersteller nicht das einzige und damit das erste in den Markt eintretende Unternehmen gewesen. Auch in dem Fall, dass das EPA die Gültigkeit des Patents 947 bestätigt hätte, wäre Teva weiter gehindert gewesen, generisches Perindopril, einschließlich nicht patentverletzenden Perindoprils, von anderen Unternehmen als den Klägerinnen zu beziehen, und ihre – in diesem Fall, wie die Klägerinnen selbst einräumen (siehe oben, Rn. 636), noch hypothetischere – Belieferung hätte es ebenso wenig ermöglicht, mit den Klägerinnen in Wettbewerb zu treten. Insoweit kann der Umstand, dass die Kommission das Ende der Zuwiderhandlung auf den Tag des Eintritts von Teva in den Markt des Vereinigten Königreichs festgelegt hat, nicht als Anerkenntnis seitens der Kommission ausgelegt werden, dass Teva im Juli 2007 in einer Situation des Wettbewerbs im Verhältnis zu den Klägerinnen in den Markt eingetreten ist. Wie nämlich die Kommission selbst im angefochtenen Beschluss (Rn. 2125 und 3133) ausgeführt hat, beruhte die Festlegung des Endes der Zuwiderhandlung auf den 6. Juli 2007 auf Vorsicht und auf dem Wunsch, einen für die Parteien der Vereinbarung günstigen Zeitpunkt zu wählen. 669 Aus denselben Gründen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen zu ihrer Absicht, Teva im Fall der Ungültigerklärung des Patents 947 durch das EPA zu beliefern, und zum Ziel eines vorgezogenen Eintritts von Teva oder sogar eines Eintritts dieser als erster Generikahersteller in den Markt im Vereinigten Königreich, unerheblich. 670 Schließlich kann der Kommission auch nicht vorgeworfen werden (siehe oben, Rn. 624), sie habe sich nur zur Bestätigung ihrer Analyse auf die Auslegung der Teva-Vereinbarung durch den High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) in seinem Urteil vom 9. Oktober 2008 gestützt (Rn. 1572 und 1573 des angefochtenen Beschlusses). 671 Nach alledem ist die Beurteilung der Kommission, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung in Verbindung mit Art. 2.3 der Teva-Vereinbarung insgesamt als ein „Wettbewerbsverbot“ (Rn. 1552 des angefochtenen Beschlusses) und somit als ein umfassendes Vermarktungsverbot zulasten von Teva zu prüfen sind, nicht rechtsfehlerhaft. 672 Daraus folgt, dass diese Klauseln entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht solchen entsprechen, die gewöhnlich Teil einer Belieferungsvereinbarung sind, noch solchen einer Alleinbezugsvereinbarung (siehe auch oben, Rn. 661 und 662) und daher nicht wie Klauseln einer zu einem Vergleich akzessorischen Vereinbarung zu behandeln sind, da solche Abreden übliche geschäftliche Vereinbarungen darstellen (siehe unten, Rn. 798 bis 808). 673 Daraus folgt auch, dass das auf übliche Belieferungs- oder Alleinbezugsvereinbarungen gestützte Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen ist. 674 Insbesondere ist der von den Klägerinnen angeführte Umstand, dass solche Vereinbarungen im Arzneimittelsektor gängige Praxis seien, im vorliegenden Fall unerheblich, da die Alleinbezugsklausel der Teva-Vereinbarung nicht den von den Klägerinnen angesprochenen gängigen Klauseln entspricht. Dem ist hinzuzufügen, dass jedenfalls Praktiken privater Unternehmen, selbst wenn sie von den Behörden eines Mitgliedstaats geduldet oder gebilligt werden, der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags nicht vorgehen können (Urteil vom 17. Januar 1984, VBVB und VBBB/Kommission, 43/82 und 63/82, EU:C:1984:9, Rn. 40). 675 Auch die Verordnung Nr. 2790/1999 ist nicht relevant, zumal sie nach ihrem Art. 2 Abs. 4 nicht für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, wie sie im vorliegenden Fall in Rede stehen, gilt, die beide Perindopril unter ihrem eigenen Namen vermarkten wollen. Denn Teva ist als potenzieller Wettbewerber der Klägerinnen eingestuft worden (siehe oben, Rn. 614), und diese Eigenschaft wird nicht durch den Abschluss einer Vereinbarung in Frage gestellt, die auf unterschiedlichen Stufen der Produktions- oder Vertriebskette tätige Unternehmen gewöhnlich untereinander abschließen. 676 Zur Beurteilung der weniger als ein Jahr nach der Teva-Vereinbarung geschlossenen Servier-Generics-Vereinbarung hat die Kommission in Rn. 745 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, ohne dass die Klägerinnen dem widersprochen haben, dass die in dieser Vereinbarung enthaltene Alleinbezugsklausel keine Zahlung oder Entschädigung im Fall einer Nichtbelieferung durch die Klägerinnen vorsah. Wie zudem aus den Akten hervorgeht, war diese Klausel auch nicht mit einer Kündigungsverbots- und einer Vermarktungsverbotsklausel verbunden, da Generics kein konkurrierendes Perindopril entwickelt hatte, so dass die Beurteilung dieser Vereinbarung nicht auf die Teva-Vereinbarung übertragen werden kann. 677 Da schließlich die Kommission im vorliegenden Fall die spezifischen und problematischen Aspekte der Teva-Vereinbarung klar dargelegt hat (vgl. u. a. Rn. 1553 bis 1574 des angefochtenen Beschlusses), lässt sich aus dem angefochtenen Beschluss nicht ableiten, dass sie den gleichzeitigen Abschluss einer Alleinvertriebs- und einer Vergleichsvereinbarung grundsätzlich untersagt hat. 678 Nach alledem hat die Kommission zu Recht befunden, dass die Teva-Vereinbarung die Bemühungen von Teva beschränkt hat, mit den Klägerinnen in Wettbewerb zu treten. ii) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils 679 Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass der Einmalbetrag von 5 Mio. GBP (im Folgenden: Einmalbetrag) und die pauschale Entschädigung von 500000 GBP monatlich in Höhe eines Gesamtbetrags von 5,5 Mio. GBP für elf Monate Nichtlieferung durch Servier (im Folgenden: endgültige pauschale Entschädigung) einen erheblichen Betrag – 10,5 Mio. GBP – darstellten, der als signifikanter Anreiz für Teva gedient habe, nicht in Wettbewerb mit den Klägerinnen zu treten (Rn. 1622). 680 Für die Feststellung, ob eine umgekehrte Zahlung, d. h. eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, einen Anreiz darstellt, Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung ihrer Natur und ihrer Rechtfertigung zu prüfen, ob sie vergleichsinhärente Kosten deckt. Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission somit zu Recht geprüft, ob die Wertübertragung den vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers entsprach (Rn. 1592 bis 1599 des angefochtenen Beschlusses). 681 Wenn die in einer Vergleichsvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln vorgesehene umgekehrte Zahlung die vergleichsinhärenten Kosten des Generikaherstellers ausgleichen soll, kann sie grundsätzlich nicht als Anreiz angesehen werden. Gleichwohl ist die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in diesem Fall nicht ausgeschlossen. Sie setzt jedoch den Nachweis durch die Kommission voraus, dass die Beträge, die diesen vergleichsinhärenten Kosten entsprechen, auch wenn sie von den Parteien dieses Vergleichs belegt und genau beziffert sind, übermäßig sind (siehe oben, Rn. 278). 682 Die vergleichsinhärenten Kosten umfassen u. a. die Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers in einem Rechtsstreit mit dem Hersteller des Originalpräparats. Denn die Übernahme dieser Kosten steht in direktem Zusammenhang mit einem solchen Vergleich. Folglich kann die Kommission, wenn die Höhe der Rechtsverfolgungskosten des Generikaherstellers von den Parteien der Vereinbarung festgestellt worden ist, deren Anreizcharakter nur feststellen, wenn sie dartut, dass sie unverhältnismäßig sind (siehe oben, Rn. 279). 683 Dagegen liegen bestimmte Kosten des Generikaherstellers a priori zu weit außerhalb des Rechtsstreits und seiner Beilegung, als dass sie als dem Vergleich in einem Patentrechtsstreit inhärent angesehen werden könnten. Es handelt sich z. B. um die Kosten der Herstellung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, die deren Lagerwert entsprechen, sowie die für die Bereitstellung dieses Erzeugnisses angefallenen Forschungs- und Entwicklungskosten. Gleiches gilt für die Beträge, die der Generikahersteller wegen außerhalb des Rechtsstreits eingegangener vertraglicher Verpflichtungen (z. B. aus Lieferverträgen) an Dritte zahlen muss. Wenn die Parteien der Vereinbarung wollen, dass die Zahlung dieser Kosten nicht als Anreiz und als Indiz für das Bestehen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird, ist es ihre Sache, darzutun, dass diese Kosten dem Rechtsstreit oder seiner Beilegung inhärent sind, und sodann ihre Höhe zu rechtfertigen. Sie könnten sich hierfür auch darauf berufen, dass der Betrag zur Erstattung dieser a priori nicht der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits inhärenten Kosten unbedeutend sei und daher nicht ausreiche, um einen signifikanten Anreiz dafür darzustellen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280). – Zu der endgültigen pauschalen Entschädigung 684 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen hat die Kommission die endgültige pauschale Entschädigung zutreffend als eine Teva im Gegenzug für ihre Verpflichtung, nicht mit Servier in Wettbewerb zu treten, gewährte Zahlung (Rn. 1588 des angefochtenen Beschlusses) angesehen und somit als einen Anreiz, sich einer Nichtvermarktungsverpflichtung zu unterwerfen. Denn da die Kommission zu Recht befunden hat, dass die Alleinbezugs- und die Kündigungsverbotsklausel der Teva-Vereinbarung einer Teva vom Markt ausschließenden Nichtvermarktungsverpflichtung gleichkam (siehe oben, Rn. 671), und da die Art. 1.8 und 3.8.3 der Teva-Vereinbarung eine pauschale Entschädigung von 500000 GBP monatlich und somit eine Konkretisierung dieses Ausschlusses vom Markt vorsehen, stellt die endgültige pauschale Entschädigung klar die Gegenleistung dafür dar, dass Teva dem Markt fernblieb. 685 In dieser Hinsicht ist das Vorbringen der Klägerinnen unbeachtlich, dass die endgültige pauschale Entschädigung im englischen Recht ein klassisches Vertragsinstrument sei und widerspiegle, was ein Gericht für die Nichteinhaltung einer Lieferverpflichtung hätte zusprechen können. Denn im vorliegenden Fall leitet sich das Bestehen des Anreizes daraus ab, dass die Zahlung als Gegenleistung für das Fernbleiben vom Markt, wie es in den genannten Klauseln vorgesehen ist, erfolgt und nicht zum Ausgleich von vergleichsinhärenten Kosten oder in Erfüllung einer üblichen Belieferungsvereinbarung, unabhängig davon, welches Rechtsinstrument zur Bewirkung dieser Gegenleistung eingesetzt wird und dass diese Gegenleistung der Entschädigung entspricht, die ein Gericht zugesprochen hätte (siehe oben, Rn. 680 und 681). 686 Auch der von den Klägerinnen angestellte Vergleich mit der Beurteilung der Lundbeck-Neolab-Vereinbarung durch die Kommission (siehe oben, Rn. 394 bis 398) vermag den Anreizcharakter der endgültigen pauschalen Entschädigung nicht in Frage zu stellen. – Zu dem Einmalbetrag 687 Was den in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung vorgesehenen Einmalbetrag angeht, kann das Vorbringen der Klägerinnen die Feststellung der Kommission, dass er als Anreiz wirkt, nicht in Frage stellen. 688 Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung sieht vor: „Vorbehaltlich des Erhalts einer angemessenen Rechnung von Teva zahlt Servier binnen zehn Werktagen nach Erhalt der Rechnung von Teva an diese 5000000 [GBP] oder sorgt dafür, dass eine ihrer Tochtergesellschaften eine solche Zahlung vornimmt. Diese Rechnung kann bei der Unterzeichnung der vorliegenden [Vereinbarung] vorgelegt werden und ist sofort fällig mit der Maßgabe, dass Servier über eine Zahlungsfrist von zehn Werktagen verfügt. Diese Zahlung ist ein Beitrag zu den Kosten, die Teva durch die Vorbereitung des Abschlusses der vorliegenden [Vereinbarung] entstehen, einschließlich, aber ohne Begrenzung hierauf, der Kosten der Kündigung ihrer im Vereinigten Königreich bestehenden Liefervereinbarungen.“ 689 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission zunächst festgestellt, dass Teva nachträglich keinerlei genaue Zahlen zu den einzelnen Kosten übermittelt habe, die durch den ursprünglichen Betrag ausgeglichen worden sein sollen, mit Ausnahme der auf unter 100000 Euro geschätzten Gerichtskosten für die Klage von Ivax gegen Servier im Vereinigten Königreich (Rn. 1594 und 1597). Sie hat gleichwohl die anderen Kosten geschätzt, die aus ihrer Sicht unter Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung fallen konnten, darunter die Kosten, die dem Wert der zu vernichtenden Perindopril-Lagerbestände von Teva entsprachen, und die Kosten der Entwicklung von Perindopril, und hat daraus abgeleitet, dass sie insgesamt weniger als 40 % des Einmalbetrags ausmachten (Rn. 1596 bis 1599 des angefochtenen Beschlusses). 690 Demnach ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass zwar bestimmte unter Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung fallende Kosten als der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zwischen den Klägerinnen und Teva inhärent angesehen werden könnten, dass Letztere aber die fraglichen Kosten nicht beziffert, geschweige denn der Höhe nach nachgewiesen habe, mit Ausnahme der Kosten der Rechtsverfolgung, die beziffert worden seien, allerdings nur annähernd und ohne Nachweis ihrer Höhe. Im angefochtenen Beschluss weist die Kommission darauf hin, dass Teva einen Betrag von unter 100000 Euro lediglich „angegeben“ (Rn. 797) oder „mitgeteilt“ (Rn. 1597) habe, und in der Sitzung hat sie in Beantwortung einer Frage bestätigt, dass Teva ihrer bezifferten Schätzung keinerlei Beleg beigefügt habe. 691 Die Klägerinnen tragen nichts vor, geschweige denn legen etwas vor, wie etwa die „angemessene Rechnung“ im Sinne von Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung, was diese Analyse der Kommission in Frage stellen kann. 692 Die Klägerinnen beschränken sich erstens auf den Hinweis auf die „Vernichtung eines Lagerbestands“ unter Angabe seines Wertes. Die Entschädigung für den Wert des zu vernichtenden Lagerbestands kann aber a priori nicht als zu den einem Vergleich inhärenten Kosten gehörend eingestuft werden (siehe oben, Rn. 280 und 683). 693 Jedenfalls weisen die Klägerinnen nicht den Wert dieses Bestands nach. Zum einen entspricht der von ihnen genannte Betrag bei Zugrundelegung des von der Kommission angewandten Wechselkurses (vgl. u. a. Fn. 4109 des angefochtenen Beschlusses) nicht dem Betrag in Pfund Sterling, der im angefochtenen Beschluss genannt ist (Rn. 1596). Zum anderen und vor allem legen die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens keinen anderen Beweis vor als die Erklärungen, die sie selbst und Teva in Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegeben haben, und ein Dokument von Teva, in dem eine solche bezifferte Angabe nicht enthalten ist. Somit müsste die Bezahlung des Wertes des Bestands der zu vernichtenden Erzeugnisse von Teva, selbst wenn sie im vorliegenden Fall als der Teva-Vereinbarung inhärent anzusehen wäre, weil die Vernichtung in dieser Vereinbarung vorgesehen war (Art. 2.2), wegen fehlender Rechtfertigung ihres Betrags als eine als Anreiz wirkende Zahlung eingestuft werden (siehe oben, Rn. 683). 694 Die Klägerinnen führen zweitens an, Teva habe damit rechnen müssen, an einen ihrer Geschäftspartner wegen Bruchs dieser Geschäftspartnerschaft einen Betrag von 1 Mio. GBP zahlen zu müssen. Abgesehen davon, dass Beträge, die der Generikahersteller wegen Kündigung laufender Verträge an Dritte zahlen muss, a priori keine vergleichsinhärenten Kosten (siehe oben, Rn. 683) sind, geht der genannte Betrag in keiner Weise aus dem betreffenden Vertrag hervor, der der Klageschrift als Anlage beigefügt ist. 695 Zum Vorbringen der Klägerinnen, drittens entspreche der Einmalbetrag dem Schadensersatz, den sie Teva im Fall einer zu Unrecht erlassenen gerichtlichen Verfügung hätten leisten müssen und dessen Zahlung sie dank der Teva-Vereinbarung vermieden hätten, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen damit im Wesentlichen nachzuweisen versuchen, dass der Einmalbetrag gerechtfertigt sei, indem sie ihn mit Kosten anderer Art vergleichen, die nicht in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung vorgesehen sind. Diese Bestimmung ist zwar nicht restriktiv formuliert, sie spricht aber nur von den „Kosten, die Teva … entstehen“, und schließt nicht die den Klägerinnen entstehenden oder von ihnen vermiedenen Kosten ein. Mit ihrem Vorbringen verwechseln die Klägerinnen auch die Rechtfertigung des Einmalbetrags in Anbetracht des Vergleichs, um die allein es im vorliegenden Fall geht, und die Verhältnismäßigkeit dieses Betrags, für deren Beurteilung der vorgeschlagene Vergleich gegebenenfalls relevant sein könnte. Dies sind jedoch zwei getrennte Beurteilungsschritte, die die Kommission nacheinander durchzuführen hat. So hat die Kommission bei der Beurteilung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters eines mit einer Wertübertragung einhergehenden Patentvergleichs als Erstes zu prüfen, ob die von der Wertübertragung gedeckten Kosten in Anbetracht des Vergleichs gerechtfertigt sind und ob insbesondere die Wertübertragung dem nachgewiesenen Betrag der Kosten entspricht, die ihrer Natur nach als vergleichsinhärent angesehen werden können, und, wenn sie diese Kosten für gerechtfertigt hält, als Zweites, ob ihr Betrag unter Berücksichtigung u. a. der Art der fraglichen Kosten nicht unverhältnismäßig ist (siehe oben, Rn. 681 und 682). 696 Sodann ist festzustellen, dass die Klägerinnen, selbst wenn der angeführte Vergleich für die Frage, ob der Einmalbetrag in Anbetracht des Vergleichs gerechtfertigt sein könnte, keine Schätzung der angeblich vermiedenen Kosten vorlegen. Sie beschränken sich vielmehr darauf, erhebliche Schäden im Fall ihres Unterliegens in dem auf den Erlass einer Verfügung zu ihren Gunsten folgenden Verfahren in der Hauptsache anzuführen. 697 Soweit die Klägerinnen viertens geltend machen, der Einmalbetrag habe die Alleinbezugsklausel „absichern“ sollen (siehe oben, Rn. 628), ist dies so zu verstehen, dass sie diesen Betrag als eine Gegenleistung für diese Klausel ansehen und damit im Kern deren Anreizcharakter einräumen, da diese Klausel so ausgelegt worden ist, dass Teva mit ihr eine Nichtvermarktungsverpflichtung auferlegt wird (siehe oben, Rn. 684 und 685). 698 Folglich hat die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1608 und 1622) zutreffend befunden, dass die Teva-Vereinbarung einen Anreiz für Teva enthielt, sich den in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, ohne dass sie – entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen (siehe oben, Rn. 628) – darüber hinaus prüfen musste, ob diese Klauseln ohne diese als Anreiz wirkende Zahlung eine weniger wettbewerbsbeschränkende Tragweite gehabt hätten. Denn die Feststellung eines Anreizes, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, erfordert nur das Vorhandensein solcher Klauseln, unabhängig davon, wie wettbewerbsbeschränkend sie sind, und eine Analyse der von der in Rede stehenden Wertübertragung gedeckten Kosten (siehe oben, Rn. 680 und 681). 699 Das Bestehen dieses Anreizes kann nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, die Kommission habe zu Unrecht den Einmalbetrag und die endgültige pauschale Entschädigung „miteinander verquickt“, um daraus „eine Nettowertübertragung in Höhe von 10,5 Mio. GBP“ abzuleiten. Wie die Klägerinnen zu Recht ausführen, ergibt sich zwar der Betrag der endgültigen pauschalen Entschädigung im Unterschied zu dem in Art. 10.1 der Teva-Vereinbarung festgelegten Einmalbetrag aus der Durchführung der Teva-Vereinbarung, insbesondere der Nichtbelieferung von Teva durch die Klägerinnen, und nicht, soweit es um den Betrag von 5,5 Mio. GBP geht, aus der betreffenden Klausel der Vereinbarung, die lediglich eine Entschädigung in Höhe von 500000 GBP vorsieht. Auch wenn sich daraus ableiten lässt, dass der Betrag von 10,5 Mio. GBP dem Betrag der tatsächlich an Teva erfolgten und nicht nur der sich aus den Klauseln der Teva-Vereinbarung ergebenden Wertübertragung entspricht, stellt doch auch diese tatsächliche Wertübertragung aus denselben Gründen, aus denen dem Einmalbetrag und der monatlichen Entschädigung von 500000 GBP Anreizcharakter zugesprochen worden ist, einen Anreiz in Höhe ihres Gesamtbetrags dar. 700 Folglich hat die Kommission nach alledem (siehe insbesondere oben, Rn. 265 bis 271) aus der Feststellung dieses Anreizes, der in seinen beiden Bestandteilen in der Teva-Vereinbarung vorgesehen war, zu Recht geschlossen, dass diese Vereinbarung von Beginn an einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck hatte. 701 Dieser Schluss wird nicht durch die angebliche Verfälschung des Zwecks der Teva-Vereinbarung und der Absichten der Parteien dieser Vereinbarung in Frage gestellt. 702 Das Vorbringen der Klägerinnen, die Parteien der Teva-Vereinbarung hätten keine wettbewerbswidrige Absicht, sondern rechtmäßige Ziele verfolgt, darunter den vorzeitigen Eintritt von Teva oder sogar deren Eintritt als erster Generikahersteller in den Markt des Vereinigten Königreichs, kann weder das Bestehen eines als Anreiz wirkenden Vorteils noch den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln der Teva-Vereinbarung in Frage stellen (siehe auch oben, Rn. 669). Folglich wäre dieses Vorbringen, selbst wenn es auf bewiesenen Tatsachen beruhte, jedenfalls nicht geeignet, die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung durch die Kommission zu Fall zu bringen. 703 Hinzu kommt auch, dass die Absicht der Parteien kein notwendiges Element ist, um festzustellen, ob eine Art der Koordinierung zwischen Unternehmen wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat (siehe oben, Rn. 222). 704 Überdies konnte die Kommission angesichts von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren inhärent wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, die Teva-Vereinbarung wegen des festgestellten Bestehens eines Anreizes zu Recht als eine Marktausschlussvereinbarung, mit der demnach ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wurde, ansehen. Nach ständiger Rechtsprechung hindert aber der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222). iii) Zu der hilfsweise erhobenen Rüge betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung 705 Die Klägerinnen rügen, dass die Kommission den Beginn der ihnen wegen der Teva-Vereinbarung zur Last gelegten Zuwiderhandlung auf den Tag des Abschlusses dieser Vereinbarung (13. Juni 2006) und nicht auf den Tag festgelegt habe, an dem Teva die Genehmigung für das Inverkehrbringen im Vereinigten Königreich erhalten hat (12. Dezember 2006) (siehe oben, Rn. 641). 706 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Untersuchung der Wettbewerbsbedingungen und der Beschränkungen des Wettbewerbs sich nicht nur auf den gegenwärtigen Wettbewerb, den sich die auf dem betreffenden Markt bereits tätigen Unternehmen liefern, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb zwischen diesen etablierten und anderen, noch nicht auf dem Markt tätigen Unternehmen stützt (vgl. Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass zum anderen die Kommission Teva zu Recht als potenziellen Wettbewerber der Klägerinnen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Teva-Vereinbarung eingestuft hat (siehe oben, Rn. 614), auch wenn Teva zu diesem Zeitpunkt nicht über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügte (siehe oben, Rn. 478 und 599). Folglich hat die Kommission rechtsfehlerfrei befunden, dass der Wettbewerb seit dem Abschluss der Teva-Vereinbarung am 13. Juni 2006 beschränkt war und dass die den Klägerinnen wegen der Teva-Vereinbarung zur Last gelegte Zuwiderhandlung zu diesem Zeitpunkt begann. 707 Die Rüge, mit der die Beurteilung der Dauer der wegen der Teva-Vereinbarung festgestellten Zuwiderhandlung durch die Kommission beanstandet wird, ist folglich zurückzuweisen ebenso wie der Klagegrund, mit dem Rechts- und Beurteilungsfehler bei der Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung geltend gemacht werden. c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 708 Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission mehrere Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung begangen. 709 Dieser Klagegrund ist unter entsprechender Heranziehung der in den Rn. 566 bis 570 des vorliegenden Urteils angestellten Erwägungen als ins Leere gehend zurückzuweisen. 8. Zu der mit Lupin geschlossenen Vereinbarung a) Zur Einstufung von Lupin als potenzieller Wettbewerber [nicht wiedergegeben] b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 787 Was den Klagegrund angeht, der die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst betrifft, ist zunächst das Vorbringen der Klägerinnen zu prüfen, mit dem diese in Abrede stellen, dass die beiden Voraussetzungen für die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erfüllt seien, d. h. ein als Anreiz wirkender Vorteil für den Generikahersteller und die entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten. Sodann ist zu untersuchen, ob die Kommission zu Recht auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung schließen konnte. Schließlich ist zu prüfen, ob die Kommission bei der sachlichen Abgrenzung dieser Zuwiderhandlung einen Beurteilungsfehler begangen hat. 788 Der von den Klägerinnen hilfsweise geltend gemachte Klagegrund betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung ist zuletzt zu prüfen. i) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils 789 Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und nach ständiger Rechtsprechung hat die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 58, und vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 86; vgl. auch Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung). 790 Hat das Gericht insoweit Zweifel, muss dies dem Unternehmen zugutekommen, an das sich der Beschluss richtet, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht darauf schließen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm daran noch Zweifel bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung eines Beschlusses zur Verhängung einer Geldbuße handelt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung). 791 Insoweit ist nämlich die Unschuldsvermutung zu berücksichtigen, wie sie sich insbesondere aus Art. 48 der Charta der Grundrechte ergibt. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der Sanktionen, die ihretwegen verhängt werden können, gilt die Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung). 792 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Feststellung, dass eine natürliche oder juristische Person an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln beteiligt gewesen ist, für diese eine nicht unerhebliche Schädigung ihres Rufes darstellt (vgl. Urteil vom12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung). 793 Daher muss die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen und die feste Überzeugung zu begründen, dass die behaupteten Verstöße eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). 794 Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Bündel von Indizien bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil vom 12. April 2013, CISAC/Kommission, T‑442/08, EU:T:2013:188, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung). 795 Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 57). 796 Zum Beispiel ist zwar ein Parallelverhalten für sich allein noch nicht einer abgestimmten Verhaltensweise gleichzusetzen, doch kann es ein wichtiges Indiz für eine solche darstellen, wenn es zu Wettbewerbsbedingungen führt, die nicht den normalen Marktbedingungen entsprechen (Urteil vom 14. Juli 1972, Farbenfabriken Bayer/Kommission, 51/69, EU:C:1972:72, Rn. 25). 797 So kann auch das Bestehen einer akzessorischen Vereinbarung, nach dem von der Kommission in Rn. 1190 des angefochtenen Beschlusses verwendeten Begriff, im Fall der gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits ein gewichtiges Indiz für einen Anreiz und damit für das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung darstellen (siehe oben, Rn. 265 bis 273). 798 Insoweit ist zu beachten, dass eine akzessorische Vereinbarung eine übliche geschäftliche Vereinbarung ist, die mit einer Vergleichsvereinbarung „verbunden“ ist, die Klauseln enthält, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind (siehe oben, Rn. 257). Eine solche Verbindung besteht u. a. dann, wenn die beiden Vereinbarungen an demselben Tag geschlossen werden, wenn sie rechtlich miteinander in der Weise zusammenhängen, dass die Verbindlichkeit der einen Vereinbarung vom Abschluss der anderen abhängt, oder wenn die Kommission in Anbetracht des Kontexts, in dem sie geschlossen werden, nachweisen kann, dass sie voneinander untrennbar sind. Dem sei hinzugefügt, dass die Kommission die Untrennbarkeit der Vereinbarungen umso leichter beweisen kann, je näher die Zeitpunkte ihres Abschlusses beieinanderliegen. 799 Der Umstand, dass die Vergleichsvereinbarung und die akzessorische Vereinbarung an demselben Tag geschlossen werden oder dass sie in einem vertraglichen Zusammenhang miteinander stehen, lässt zudem erkennen, dass sich diese Vereinbarungen in ein und dasselbe Vertragsganze einfügen. Denn würden diese Vereinbarungen nicht an demselben Tag geschlossen (und bestünde kein vertraglicher Zusammenhang zwischen ihnen), würde der eine Verhandlungspartner dem anderen alles gewähren, was dieser anstrebt, ohne jede Gewissheit, dass er letztlich die erwartete Gegenleistung erhalten würde. Dieser zeitliche oder rechtliche Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen ist ebenfalls ein Indiz dafür, dass sie Gegenstand einer gemeinsamen Verhandlung waren. 800 Die akzessorische Vereinbarung ist aber eine übliche geschäftliche Vereinbarung, die selbständig, ohne die Vergleichsvereinbarung, bestehen könnte. Umgekehrt zwingt der Abschluss eines Vergleichs nicht zum gleichzeitigen Abschluss einer geschäftlichen Vereinbarung. Demnach ist die Verknüpfung der beiden Vereinbarungen nicht erforderlich. Zudem kann sie nicht durch den Vergleich gerechtfertigt sein, da Zweck der akzessorischen Vereinbarung nicht der Abschluss eines solchen Vergleichs ist, sondern die Durchführung einer geschäftlichen Transaktion. 801 Ferner schließt die akzessorische Vereinbarung Wertübertragungen zwischen den Parteien ein, seien sie finanzieller oder anderer Natur. Sie kann u. a. Wertübertragungen durch den Inhaber des Patents an den Generikahersteller einschließen. 802 Es besteht auch eine Gefahr, dass die Verknüpfung einer geschäftlichen Vereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, die als solche wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben (siehe oben, Rn. 257), unter dem Deckmantel einer geschäftlichen Transaktion, die gegebenenfalls als komplexes Vertragswerk gestaltet ist, in Wirklichkeit darauf abzielt, als Anreiz für den Generikahersteller zu wirken, sich aufgrund einer in der akzessorische Vereinbarung vorgesehenen Wertübertragung diesen Klauseln zu unterwerfen. 803 Folglich stellt der Umstand, dass eine geschäftliche Vereinbarung, die normalerweise nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits zum Gegenstand hat (siehe oben, Rn. 800) und mittels deren eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt, unter den oben in Rn. 798 angeführten Bedingungen mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, die wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthält, ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar (siehe oben, Rn. 264). 804 Das in der vorstehenden Randnummer genannte gewichtige Indiz genügt jedoch nicht, so dass die Kommission es untermauern muss, indem sie weitere übereinstimmende Anhaltspunkte anführt, die den Schluss auf das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung zulassen. Eine solche Zahlung entspricht im spezifischen Kontext der akzessorischen Vereinbarungen dem Teil der vom Hersteller des Originalpräparats bewirkten Zahlung, der den „normalen“ Wert des ausgetauschten Gutes übersteigt (oder gegebenenfalls dem Teil des „normalen“ Wertes des ausgetauschten Gutes, der die vom Hersteller des Originalpräparats geleistete Zahlung übersteigt). 805 Die Kommission hat unter Bezugnahme auf mehrere Indizien, darunter den Umstand, dass Lupin nicht gewährleistete, dass ein Patent erteilt werden würde, dass es gültig sein würde oder dass die beanspruchten Erzeugnisse oder Verfahren nicht patentverletzend sein würden (Art. 2.2 Buchst. a der Lupin-Vereinbarung), im angefochtenen Beschluss zweimal festgestellt, dass der Erwerb der Technologie von Lupin nicht „zu Marktbedingungen“ ausgehandelt worden sei (Rn. 1950 und 1952). 806 Der Begriff „normale Wettbewerbsbedingungen“, der dem Begriff „normale Marktbedingungen“ gleichkommt, auch wenn er im Kartellbereich nicht verwendet wird, ist im Wettbewerbsrecht nicht unbekannt, denn er wird im besonderen Bereich der staatlichen Beihilfen verwendet, um festzustellen, ob ein Staat sich wie ein privater Investor verhalten hat (Urteil vom 2. September 2010, Kommission/Scott, C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68), ob also der den betreffenden Unternehmen gewährte Vorteil die normale Vergütung einer vom Staat erhaltenen Gegenleistung darstellt. Dieser Begriff kann somit entsprechend ein relevanter Referenzparameter für die Feststellung sein, ob zwei Unternehmen, die eine geschäftliche Transaktion abgeschlossen haben, dies auf der Grundlage von Erwägungen, die auf den wirtschaftlichen Wert des ausgetauschten Gutes, z. B. seine Rentabilitätsperspektiven, beschränkt sind, und somit zu normalen Marktbedingungen getan haben. 807 Hat die Kommission Indizien oder Beweise vorgelegt, die ihr die Feststellung erlauben, dass die akzessorische Vereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde, können die Parteien der Vereinbarung ihre Version des Sachverhalts vortragen und ihr Vorbringen mit den ihnen verfügbaren Anhaltspunkten dafür untermauern, dass die geschäftliche Vereinbarung, obwohl sie eine zu einer Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung bildet, aus anderen Gründen als dem des Ausschlusses eines Wettbewerbers mittels einer umgekehrten Zahlung gerechtfertigt ist. Die Parteien der Vereinbarung können so geltend machen, dass die akzessorische Vereinbarung zu Marktbedingungen geschlossen worden sei, und dafür geeignete Anhaltspunkte vortragen, z. B. die gewerblichen und kommerziellen Usancen des Sektors oder die besonderen Umstände des konkreten Falles. 808 In Anbetracht aller ihr vorliegenden Anhaltspunkte und gegebenenfalls des Fehlens einer Erklärung oder einer plausiblen Erklärung seitens der Parteien der Vereinbarung kann die Kommission nach einer Gesamtwürdigung Grund zu der Feststellung haben, dass die akzessorische Vereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde, d. h., dass die von dem Hersteller des Originalpräparats geleistete Zahlung den Wert des ausgetauschten Gutes (oder dass der Wert des dem Hersteller des Originalpräparats verkauften Gutes die von diesem geleistete Zahlung) übersteigt. Die Kommission kann dann den Schluss ziehen, dass eine umgekehrte Zahlung vorliegt (siehe oben, Rn. 804). 809 Eine umgekehrte Zahlung, durch die keine vergleichsinhärenten Kosten ausgeglichen werden sollen, stellt indes einen als Anreiz wirkenden Vorteil dar (siehe oben, Rn. 265 und 278 bis 280). Dies ist der Fall bei einer Zahlung aufgrund einer akzessorischen Vereinbarung, die nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, sondern die Durchführung einer geschäftlichen Transaktion zum Gegenstand hat (siehe oben, Rn. 800). 810 Die Parteien der Vereinbarung können jedoch noch geltend machen, dass der betreffende Vorteil unbedeutend sei, weil der Betrag zu gering sei, um ihn als einen signifikanten Anreiz dafür anzusehen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 280). 811 Anhand der vorstehenden Erwägungen sind die besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen. 812 Servier und Lupin schlossen am selben Tag eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthielt, und eine Vereinbarung über die Übertragung von Technologie, mit der Servier Lupin drei von dieser eingereichte Patentanmeldungen abkaufte. Zudem wurden diese beiden Vereinbarungen in der Form einer einzigen Vereinbarung geschlossen. Der Zusammenhang zwischen den beiden Vereinbarungen ist somit offenkundig. 813 Des Weiteren erfolgte mit der Übertragungsvereinbarung eine Wertübertragung durch Servier an Lupin. 814 Aus den vorstehenden Rn. 812 und 813 ergibt sich, dass die Übertragungsvereinbarung eine akzessorische Vereinbarung darstellt, mit der eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller erfolgt. Dies ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass diese Wertübertragung nicht nur die Gegenleistung für das im Rahmen der akzessorischen Vereinbarung ausgetauschte Gut ist, sondern auch eine umgekehrte Zahlung (in der Bedeutung dieses Begriffs im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen) umfasst. 815 Zudem steht fest, dass Servier an Lupin im Rahmen der Übertragungsvereinbarung 40 Mio. Euro zahlte, was einen seinem absoluten Wert nach bedeutenden Betrag darstellt, wie die Kommission in den Rn. 1871 und 1947 des angefochtenen Beschlusses zu Recht hervorgehoben hat. 816 Ein solcher Betrag überstieg aber die Gewinne, mit denen Lupin nach ihrem unabhängigen Markteintritt in den ersten zwei oder drei Vermarktungsjahren rechnen konnte, wie die Kommission in Rn. 1974 des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat. 817 Es steht ebenfalls fest, dass der fragliche Betrag höher war als die Investitionen, die ein anderer vergleichbarer Generikahersteller zur Entwicklung seines eigenen Perindoprils getätigt hatte, wie die Kommission in Rn. 1962 des angefochtenen Beschlusses hervorgehoben hat. Ein solches von der Kommission herangezogenes Indiz ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen besonders relevant. 818 Hinzu kommt, dass Lupin keine Patente übertrug, sondern bloße Patentanmeldungen. Überdies war in der Vereinbarung ausdrücklich vorgesehen, dass Lupin nicht gewährleistete, dass ein Patent erteilt werden würde, dass es gültig sein würde oder dass die beanspruchten Erzeugnisse oder Verfahren nicht patentverletzend sein würden (Art. 2.2 Buchst. a der Lupin-Vereinbarung). 819 Schließlich steht fest, dass Lupin, auch wenn Servier und Lupin in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestritten haben, dass der Vergleich von den Bedingungen der Übertragung der Patentanmeldungen abgehangen habe, zuvor angegeben hatte, dass die Übertragung der Patentanmeldungen integraler Bestandteil der Vergleichsverhandlungen gewesen sei. Sie hatte die erhaltenen Zahlungen auch als „Vergleichszahlungen“ oder „Vergleichsbeträge“ bezeichnet (Rn. 1937 des angefochtenen Beschlusses). 820 Dagegen legen die Klägerinnen nichts Konkretes zum Beweis dessen vor, dass der Erwerb der Patentanmeldungen von Lupin für einen Betrag von 40 Mio. Euro bei vernünftiger Betrachtung als eine rentable Investition gelten konnte (vgl. in Fortführung der oben in Rn. 806 eingeführten Analogie zum Begriff des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors Rn. 84 des Urteils vom 12. Dezember 2000, Alitalia/Kommission, T‑296/97, EU:T:2000:289, wonach das Verhalten eines marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers von Rentabilitätsaussichten geleitet wird) oder zumindest als geeignet angesehen werden konnte, dem Erwerber dieser Anmeldungen Einkünfte zu verschaffen, die ihren hohen Preis würden ausgleichen können. 821 Die Klägerinnen verweisen zwar, wenn auch wenig substantiiert, auf Transaktionen, die der mit Lupin geschlossenen Übertragungsvereinbarung vergleichbar sein sollen. Dabei handelt es sich jedoch um Vereinbarungen, an denen die Klägerinnen als Partei beteiligt waren und die daher nur bedingt als Nachweis herangezogen werden können, dass eine Transaktion zu normalen Marktbedingungen erfolgt ist. Im Übrigen hat die Kommission einige dieser Transaktionen als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft. Schließlich weisen die Klägerinnen auch nicht nach, dass die im Rahmen dieser verschiedenen Transaktionen übertragene Technologie der von der Übertragungsvereinbarung betroffenen gleichwertig war. 822 Die Klägerinnen verweisen zwar insoweit auch auf das Gutachten einer Person, die sich als Berater in Fragen des geistigen Eigentums bezeichnet. Diese Person gibt jedoch selbst an, dass sie ihr Gutachten für Rechnung von Servier erstellt habe. Dies beschränkt zwangsläufig den Beweiswert eines solchen Gutachtens. Vor allem sind die in diesem Gutachten gezogene Schlussfolgerung („Ich würde daher die Käufe als im Rahmen der normalen Praxis eines Unternehmens liegend ansehen“) und die sie stützenden Gesichtspunkte zu allgemein für den Nachweis, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach. Zudem sind die als Referenz herangezogenen Transaktionen wiederum solche, an denen Servier beteiligt war und von denen die Kommission einige als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht eingestuft hat. 823 Auch wenn ferner die Patent- und die Produktionsabteilung oder andere Abteilungen von Servier, wie die Klägerinnen geltend machen, die Technologie von Lupin als „interessant“ eingestuft haben sollten, ließe sich damit nicht beweisen, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach. 824 Ebenso würde sich mit einem Beweis des Vortrags, dass über den „Preis ausgehend von den ursprünglichen Forderungen bis zu einem für beide Parteien akzeptablen Niveau verhandelt“ worden sei, nicht nachweisen lassen, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach. 825 Somit lassen die von den Klägerinnen angeführten Gesichtspunkte, selbst wenn sie als Ganzes berücksichtigt werden, nicht den Schluss zu, dass die in Rede stehende Wertübertragung einer zu normalen Marktbedingungen erfolgten Transaktion entsprach. 826 In dieser Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, u. a. gestützt auf die in Rn. 795 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung (Rn. 1940 des angefochtenen Beschlusses), befunden hat, dass „weder Servier noch Lupin eine glaubwürdige Beschreibung der Faktoren geben konnten, die für die Festsetzung des Endbetrags von 40 Mio. Euro bestimmend waren“ (Rn. 1955). In Rn. 1944 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass sie „bestimmte Schlüsse aus einer Situation ziehen [durfte], in der mögliche Entlastungsbeweise nur von den Parteien selbst kommen konnten und die Parteien trotz mehrerer Auskunftsverlangen solche Entlastungsbeweise nicht vorlegen konnten“. Dem hat sie in Rn. 1964 des angefochtenen Beschlusses hinzugefügt, dass „Servier nicht in der Lage [war], Unterlagen aus der betreffenden Zeit vorzulegen, anhand deren sich der Betrag der infolge des Erwerbs der Technologie von Lupin erwarteten Einsparungen hätte erläutern lassen“. Sie ist schließlich u. a. angesichts des „Fehlens von Beweisen“ für das geschäftliche Interesse von Servier an der von Lupin übertragenen Technologie zu dem Ergebnis gelangt, dass die sich aus der Übertragungsvereinbarung ergebende Wertübertragung einen als Anreiz wirkenden Vorteil darstellte (Rn. 1978 des angefochtenen Beschlusses). 827 In Anbetracht aller vor dem Gericht erörterten Gesichtspunkte ist festzustellen, dass die Kommission das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung, die dem in Rede stehenden Vergleich nicht inhärent war (siehe oben, Rn. 809), und damit eines Anreizes nachgewiesen hat. 828 Schließlich ist in Anbetracht der Erwägungen in den vorstehenden Rn. 815 bis 827 festzustellen, dass nicht nachgewiesen ist, dass der betreffende Vorteil unbedeutend ist, weil der Betrag zu gering ist, um ihn als einen signifikanten Anreiz dafür anzusehen, die in der Vergleichsvereinbarung vorgesehenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln zu akzeptieren (siehe oben, Rn. 810). ii) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, in Wettbewerb mit dem Hersteller des Originalpräparats zu treten 829 Die Lupin-Vereinbarung enthält Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, wie oben in Rn. 257 dargelegt worden ist. 830 Die Klägerinnen machen jedoch geltend, die in der Lupin-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln seien nicht wettbewerbsbeschränkend, weil ihr wettbewerbsbeschränkender Charakter durch andere Klauseln der Vereinbarung begrenzt werde. Dieses Vorbringen ist auf seine Stichhaltigkeit zu prüfen. 831 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse in deren Erwägungsgrund A definiert sind, der sich auf „Arzneimittel, die als Wirkstoff Perindopril tert-Butylamin (auch als Perindopril-Erbumin bezeichnet) und alle seine Salze enthalten (im Folgenden: die Erzeugnisse [Products])“ bezieht. 832 Obwohl im Erwägungsgrund A der Lupin-Vereinbarung auf laufende Rechtsstreitigkeiten verwiesen wird, die auf europäischer Ebene, wie sich aus den Erwägungsgründen B und D dieser Vereinbarung ergibt, nur das Patent 947 betreffen, bezieht sich eine solche Klausel angesichts ihres Wortlauts anscheinend nicht nur auf Erzeugnisse, die die Alpha-Form von Perindopril-Erbumin enthalten, also diejenigen, die unter das Patent 947 fallen, sondern alle Erzeugnisse, die Erbumin, in welcher Form auch immer, enthalten. 833 Zudem ist der Ausdruck „alle seine Salze“ nicht eindeutig. Einerseits scheint sich das Wort „seine“ grammatikalisch eher auf Perindopril tert-Butylamin, d. h. Erbumin, zu beziehen, als auf Perindopril insgesamt, da Letzteres als solches in diesem Satzteil nicht erwähnt wird. Andererseits ist Erbumin unstreitig ein Salz, so dass das Wort „seine“ sich nicht auf Erbumin, sondern allgemeiner auf Perindopril insgesamt beziehen müsste. 834 Folglich lässt sich aufgrund des Wortlauts der Klauseln der Vereinbarung schwer feststellen, ob diese Vereinbarung nur die Alpha-Form von Erbumin erfasst oder ob sie auch andere Formen von Erbumin oder sogar andere Perindopril-Salze einschließt. 835 Angesichts dieser Ungewissheit ist zu prüfen, ob die Tragweite der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln nicht derart begrenzt ist, dass diese Klauseln ihren wettbewerbsbeschränkenden Charakter verlieren. 836 Als Erstes ist der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Nichtangriffsklausel offensichtlich, da Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung Folgendes vorsieht: „Nach dem Datum der vorliegenden Vereinbarung wird Lupin nicht versuchen, sei es unmittelbar oder mittelbar, und keinen Dritten dabei unterstützen oder damit beauftragen, das Patent 947 oder irgendein von Servier oder deren Tochtergesellschaften gehaltenes Patent zum Schutz von Perindopril in irgendeinem Land mit Ausnahme eines nicht dem EWR angehörenden Staates zu widerrufen oder für ungültig erklären zu lassen oder sonst anzufechten.“ 837 Zudem ergibt sich aus den unterschiedlichen Schreibkonventionen „die Patente“ und „die Patente von Servier“, die jeweils im Erwägungsgrund D und in Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung festgelegt sind, dass sich dieser Artikel nicht nur auf die in den Erwägungsgründen B bis D genannten Patente (darunter das Patent 947), bezüglich deren von Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Lupin die Rede ist, bezieht, sondern auch zumindest potenziell auf eine Gesamtheit von Patenten, die nicht einzeln genannt sind und die die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse schützen. 838 Was als Zweites die Tragweite der Vermarktungsverbotsklausel angeht, erlegt Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung Lupin ein Vermarktungsverbot auf, das für die von der Vereinbarung erfassten Erzeugnisse gilt. 839 Nach Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung kann Lupin jedoch, wenn die Voraussetzungen nach Art. 4.1 dieser Vereinbarung erfüllt sind, von Servier gelieferte Erzeugnisse oder ihre eigenen Erzeugnisse verkaufen oder zum Verkauf anbieten. Art. 4.1 regelt, unter welchen Voraussetzungen Servier ihre Erzeugnisse an Lupin verkaufen muss. Diese Bestimmung sieht drei Fälle vor. 840 Im ersten Fall kann Lupin in einen der von der Vereinbarung erfassten nationalen Märkte eintreten, wenn bestimmte Erzeugnisse von Servier von einem Dritten auf diesem Markt vertrieben werden. Im zweiten Fall kann Lupin in einen solchen Markt eintreten, wenn die Patentanmeldung von Servier zurückgewiesen wird oder wenn ihr Patent abläuft oder für ungültig oder für nichtig erklärt wird. Im dritten Fall schließlich kann Lupin in einen solchen Markt eintreten, wenn ein nicht von Servier hergestelltes Generikum auf diesem Markt verkauft wird – es sei denn, Servier hat einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, der nicht zurückgewiesen worden ist – und wenn dieses Generikum nicht unter Verletzung einer für diesen Markt geltenden einstweiligen Verfügung verkauft wird. 841 Somit ist der Markteintritt von Lupin, insbesondere mit ihren eigenen Erzeugnissen (siehe oben, Rn. 839), in zwei Fällen möglich. 842 Erstens ist der Markteintritt von Lupin möglich, wenn Servier den Verkauf ihrer Erzeugnisse durch einen Dritten erlaubt, keine Patentanmeldung einreicht oder keine einstweilige Verfügung beantragt, d. h. unter Umständen, deren Eintritt in das Ermessen von Servier gestellt ist, auf das Lupin keinerlei Einfluss hat. In diesem ersten Fall kann keine Rede davon sein, dass die Anwendung der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbotsklausel als solchen (siehe oben, Rn. 257) in Frage stellt oder gar den Markteintritt von Lupin fördert. 843 Zweitens ist der Markteintritt von Lupin möglich, wenn die Patente von Servier es dieser nicht erlauben, sich dem zu widersetzen. In diesem Fall erlaubt Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung keinen im Verhältnis zu den Wirkungen eines noch gültigen oder einem Dritten gegenüber wirksamen Patents vorgezogenen Markteintritt von Lupin. Mit dieser Bestimmung werden nur die Konsequenzen aus dem Fehlen eines gültigen oder einem Dritten gegenüber wirksamen Patents gezogen, indem so vermieden wird, dass die Vermarktungsverbotsklausel keinen Bezug zu einem solchen Patent hat und somit offenkundig das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs so hinreichend beeinträchtigt, dass ihre Aufnahme in die Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft wird (siehe unten, Rn. 877). In diesem zweiten Fall kann daher keine Rede davon sein, dass die Anwendung der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbotsklausel als solchen (siehe oben, Rn. 257) in Frage stellt oder gar den Markteintritt von Lupin fördert. 844 Demgemäß ist festzustellen, dass die Vermarktungsverbotsklausel ungeachtet der Bestimmungen des Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung wettbewerbsbeschränkend ist. 845 Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt. 846 Erstens machen die Klägerinnen geltend, die Vereinbarung erlaube einen vorgezogenen Markteintritt von Lupin, d. h. vor dem voraussichtlichen Ende der Gültigkeit des Patents 947. Ein solcher vorgezogener Markteintritt neutralisiere aber den wettbewerbsbeschränkenden Charakter einer Vermarktungsverbotsklausel. 847 Auch wenn wegen des komplexen Wortlauts von Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung eine solche Auslegung nicht auf der Hand liegt, ließe sich sagen, dass dieser Artikel in Verbindung mit Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung einen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen erlaubt, wenn ein nicht von Servier hergestelltes generisches „Erzeugnis“ ohne Verletzung einer einstweiligen Verfügung (und ohne dass zudem ein von Servier gestellter Antrag auf einstweilige Verfügung anhängig ist) auf den Markt gelangt ist. 848 Der Begriff „Product“ (Erzeugnis) im Sinne von Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung ist wegen seiner Großschreibung im Sinne der im Erwägungsgrund A dieser Vereinbarung getroffenen Schreibkonvention zu verstehen, da dieser Begriff dort mit einem Großbuchstaben beginnt (siehe oben, Rn. 831). 849 In Anbetracht des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung, der sich auf Erzeugnisse bezieht, die Erbumin in welcher Form auch immer enthalten (siehe oben, Rn. 832), könnte Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung wegen der Bezugnahme auf Erzeugnisse, die nicht unter Verletzung einer einstweiligen Verfügung verkauft werden, dahin ausgelegt werden, dass er Erzeugnisse betrifft, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form enthalten. Damit könnte die Vereinbarung so ausgelegt werden, dass sie Lupin erlaubt, in den Markt einzutreten, wenn ein Dritter ein generisches Perindopril, das Erbumin einer Non-Alpha-Form enthält, in den Verkehr gebracht hat. 850 Der nicht eindeutige Wortlaut des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung schafft zudem eine Ungewissheit hinsichtlich des Umstands, dass Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung mit der Bezugnahme auf Erzeugnisse, die nicht unter Verletzung einer einstweiligen Verfügung verkauft werden, dahin ausgelegt werden könnte, dass er sich auch auf Erzeugnisse bezieht, die kein Erbumin enthalten (siehe oben, Rn. 833). Dies könnte zu dem Schluss führen, dass die Vereinbarung Lupin erlaubt, in den Markt einzutreten, wenn ein Dritter generisches Perindopril in Form eines Salzes, einschließlich eines anderen Salzes als Erbumin, in den Verkehr gebracht hat. 851 Daraus könnte geschlossen werden, dass die Vereinbarung einen im Verhältnis zur voraussichtlichen Gültigkeitsdauer des Patents 947 vorgezogenen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen vorsah, da ein Inverkehrbringen durch einen Dritten von Erzeugnissen, die kein Erbumin in der Alpha-Form enthalten, eine zum Schutz dieses Patents ergangene einstweilige Verfügung nicht verletzen könnte und Lupin erlauben würde, ihrerseits mit ihren eigenen Erzeugnissen in den Markt einzutreten. 852 Jedoch hatte Lupin wegen der oben in den Rn. 846 bis 850 dargelegten Ungewissheiten über die Tragweite der Art. 1.6 und 4.1 der Lupin-Vereinbarung Anlass zu der Befürchtung, dass die Vermarktungsverbotsklausel fortgelten würde, nachdem ein Dritter ein generisches Perindopril, das aus Erbumin einer Non-Alpha-Form bestand, oder ein nicht aus Erbumin bestehendes generisches Perindopril in den Verkehr gebracht hätte. Ein solcher Zweifel war geeignet, sie von einem Markteintritt abzuhalten. Hinzu kommt eine weitere Ungewissheit, die dadurch bedingt war, dass auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Erzeugnis“ (der alle Salze von Perindopril einschließt) Servier dennoch eine einstweilige Verfügung beantragen könnte, und zwar auch für ein Erzeugnis, das offensichtlich keines ihrer Patente verletzt, insbesondere nicht das Patent 947, was zur Folge hätte, dass Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung bis zur Zurückweisung eines solchen Antrags nicht angewandt werden könnte. 853 Hierzu sei ferner darauf hingewiesen, dass die Parteien bezüglich des französischen Marktes mehrere Schreiben zu der Frage gewechselt haben, ob der Markteintritt von Sandoz Lupin erlaubte, ihrerseits in den Markt einzutreten. So fragte Lupin Servier in einem Schreiben vom 17. März 2009, ob diese ihrem Eintritt in den französischen Markt entgegentrete. In einem Schreiben vom 31. März 2009 beschränkte sich Servier auf den Hinweis, dass das Erzeugnis von Sandoz keines ihrer Patente verletze. Auf diese Antwort hin fühlte sich Lupin genötigt, Servier mit Schreiben vom 3. April 2009 um Erläuterungen zu bitten. Sie schrieb u. a. Folgendes: „Lupin sieht keinerlei triftigen Grund für Servier, dem Verkauf ihres Erzeugnisses auf der Basis von Perindopril-Erbumin in Frankreich an ihre/n lokalen Partner oder dem Weiterverkauf durch diese/n französische/n Partner entgegenzutreten. Aus Ihrem Schreiben vom 31. März 2009 geht nicht klar hervor, ob Servier in einem dieser Punkte anderer Auffassung ist. Sollte dies der Fall sein, werden Sie um eine umfassende Erläuterung der Position von Servier bis zum 9. April 2009 zum Geschäftsschluss gebeten.“ 854 Schon diese Schreiben von Lupin und der Inhalt des letztgenannten Schreibens lassen die bei ihr bestehenden Ungewissheiten hinsichtlich ihrer Möglichkeit erkennen, ohne Verletzung der Vereinbarung in den französischen Markt einzutreten. 855 Folglich ist der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Vermarktungsverbotsklausel unabhängig von der Auslegung des Erwägungsgrundes A der Lupin-Vereinbarung festzustellen, zumal die sich aus der Komplexität oder dem nicht eindeutigen Wortlaut einer Vereinbarung ergebenden Ungewissheiten es den Parteien nicht erlauben dürfen, sich ihrer wettbewerbsrechtlichen Verantwortung zu entziehen. 856 Wird der oben in Rn. 851 dargelegten Auslegung der Vereinbarung gefolgt, steht die hypothetische Natur der am Ende der Rn. 849 und 850 des vorliegenden Urteils genannten Ereignisse, d. h. des Inverkehrbringens eines Generikums durch einen Dritten, der Annahme entgegen, dass der wettbewerbsbeschränkende Charakter der Vermarktungsverbotsklausel neutralisiert wird und demnach insoweit keine Zuwiderhandlung vorliegt. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen der Frage des Vorliegens der Zuwiderhandlung selbst, das nicht durch die bloße Möglichkeit des Eintritts zukünftiger Ereignisse in Frage gestellt werden kann, auf der einen Seite und der Frage der Dauer der Zuwiderhandlung, die vom tatsächlichen Eintritt solcher Ereignisse abhängen kann, auf der anderen. 857 Zudem hängt der vorgezogene Markteintritt von Lupin jedenfalls davon ab, dass ein Dritter ein Generikum in den Verkehr bringt, also von einem Umstand, der sowohl außerhalb der Sphäre der Vertragsparteien liegt als auch ungewiss ist. Dieser Markteintritt ergibt sich demnach nicht aus einer klaren Entscheidung dieser Parteien, auf die sie sich zum Beweis dafür berufen könnten, dass die sie bindende Vereinbarung und insbesondere die in ihr enthaltene Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend sind. 858 Zweitens sieht die Lupin-Vereinbarung zwar in Art. 4.2 den künftigen Abschluss einer Belieferungsvereinbarung zwischen den Parteien vor. Die Durchführung einer solchen Vereinbarung hängt jedoch vom Vorliegen einer der in Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung genannten Voraussetzungen ab. Da, wie bereits dargelegt, die Durchführung dieser Bestimmung nicht den Schluss zulässt, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend ist, gilt dies auch für die in Art. 4.2 erwähnte Belieferungsvereinbarung. 859 Zudem sei darauf hingewiesen, dass zwischen den Parteien keine Belieferungsvereinbarung geschlossen wurde. Des Weiteren sah die Lupin-Vereinbarung nicht vor, dass der Nichtabschluss einer Belieferungsvereinbarung erhebliche Rechtsfolgen für die Parteien haben würde, wie etwa die Kündigung der Lupin-Vereinbarung als Ganzes oder der in ihr enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln. Selbst wenn also eine Belieferungsvereinbarung als geeignet angesehen werden könnte, den Markteintritt eines Generikaherstellers, der ein potenzieller Wettbewerber des Herstellers des Originalpräparats wäre, zu fördern, könnte im vorliegenden Fall die Lupin-Vereinbarung, die eine Belieferungsvereinbarung nur im Grundsatz vorsah, ohne im Hinblick auf die Verwirklichung dieses Grundsatzes Maßnahmen oder Sanktionen vorzusehen, nicht als dem Markteintritt von Lupin förderlich angesehen werden. 860 Nach Art. 4.2 der Lupin-Vereinbarung sollte die Belieferungsvereinbarung zwar die Anwendung ihres Art. 4.1 ermöglichen, der eine „feste“ Verpflichtung von Servier zur Lieferung der „Erzeugnisse“ im Sinne der Vereinbarung an Lupin vorsah. Aufgrund der in der vorstehenden Rn. 859 dargelegten Erwägungen ist jedoch der zwingende Charakter dieser von Servier eingegangenen Verpflichtung zu relativieren 861 Drittens ist das Vorbringen der Klägerinnen, eine Auslegung von Art. 1.3 der Lupin-Vereinbarung dahin, dass die Nichtangriffsklausel über das Patent 947 hinaus gelte, müsse gemäß Art. 1.7 dieser Vereinbarung zu der Annahme führen, dass Lupin über eine Gratislizenz für alle diese Patente verfügt habe, ist angesichts des Wortlauts der letztgenannten Bestimmung irrig, die in der von den Klägerinnen besorgten Übersetzung in die Verfahrenssprache wie folgt lautet: „Zur Vermeidung jeder Unklarheit: Diese Vereinbarung gewährt Lupin keinerlei Recht oder Lizenz an den Patenten von Servier im Bereich irgendeiner Gerichtsbarkeit, wobei weder Servier noch ihre Tochtergesellschaften, Lizenznehmer und/oder Rechtsnachfolger für die Patente von Servier ihre Rechte an den Patenten von Servier hinsichtlich des Lupin durch Art. 1.6 eingeräumten Rechts, die von Lupin/Lupin (Europe) Limited hergestellten Erzeugnisse zu verkaufen, ausüben werden.“ 862 Der Wortlaut dieser Bestimmung ist nämlich wegen des zumindest dem Anschein nach bestehenden Gegensatzes zwischen dem ersten Teil des Satzes (Diese Vereinbarung gewährt Lupin keinerlei Recht oder Lizenz an den Patenten von Servier im Bereich irgendeiner Gerichtsbarkeit) und dem folgenden Teil (wobei weder Servier noch ihre Tochtergesellschaften, Lizenznehmer und/oder Rechtsnachfolger für die Patente von Servier ihre Rechte an den Patenten von Servier hinsichtlich des Lupin durch Art. 1.6 eingeräumten Rechts, die von Lupin/Lupin [Europe] Limited hergestellten Erzeugnisse zu verkaufen, ausüben werden) wenig klar. Zudem ist die Notwendigkeit des ersten Satzteils nicht offensichtlich, denn keine Bestimmung der Vereinbarung legt den Gedanken nahe, dass Lupin über eine Lizenz für andere Rechte als die Rechte an der an Servier übertragenen Technologie verfügte. Das Verständnis dieses Artikels wird noch weiter erschwert durch den Verweis auf Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung, der wiederum auf Art. 4.1 dieser Vereinbarung verweist, der festlegt, unter welchen Voraussetzungen Lupin mit ihrem eigenen Erzeugnis in den Markt eintreten kann. Somit konnte Art. 1.7 wegen seines Wortlauts Zweifel aufkommen lassen, die geeignet waren, Lupin von einem Markteintritt abzuhalten. 863 Vor allem hängt der Verzicht von Servier darauf, ihre Patentrechte gegenüber Lupin geltend zu machen, davon ab, dass eine der Voraussetzungen nach Art. 4.1 der Lupin-Vereinbarung (auf den ihr Art. 1.6 verweist) erfüllt ist. Da, wie oben in den Rn. 844 und 855 ausgeführt worden ist, die Durchführung von Art. 4.1 nicht den Schluss zulässt, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht wettbewerbsbeschränkend ist, gilt Gleiches auch für die Durchführung von Art. 1.7 dieser Vereinbarung, und zwar auch dann, wenn der Ausdruck „Patente von Servier“ in einem weiten Sinn dahin verstanden wird, dass er die Patente einschließt, die sich über die Alpha-Form von Erbumin hinaus auch auf andere Formen von Erbumin oder andere Perindopril-Salze beziehen. 864 Nach alledem ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beschränkung der Bemühungen von Lupin vorliegt, mit Servier in Wettbewerb zu treten. iii) Zum Fehlen einer Zuwiderhandlung 865 Aus den Erwägungen in den vorstehenden Rn. 789 bis 864 ergibt sich, dass die Kommission zu Recht sowohl das Bestehen eines als Anreiz wirkenden Vorteils als auch eine entsprechende Beschränkung der Bemühungen von Lupin, mit Servier in Wettbewerb zu treten, festgestellt hat. 866 Wie oben in Rn. 272 dargelegt, setzt im Kontext von Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraus, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen für den Generikahersteller als Anreiz wirkenden Vorteil als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, umfasst. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung eines Anreizes zwingend. 867 Im Fall einer Patentvergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, deren per se wettbewerbsbeschränkender Charakter nicht stichhaltig in Frage gestellt worden ist, erlaubt das Bestehen eines Anreizes für den Generikahersteller, sich diesen Klauseln zu unterwerfen, die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 273). 868 Im vorliegenden Fall erlaubte die Feststellung eines signifikanten Anreizes (siehe oben, Rn. 828) der Kommission den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung. 869 Folglich hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen im angefochtenen Beschluss zu Recht das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt. 870 Die Klägerinnen beanstanden jedoch unter Berufung auf die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln im Wesentlichen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene sachliche Abgrenzung der Zuwiderhandlung. 871 Wie oben in Rn. 834 dargelegt, lässt sich aufgrund des Wortlauts der Klauseln der Vereinbarung schwer feststellen, ob diese Vereinbarung nur die Alpha-Form von Erbumin erfasste oder ob sie auch andere Formen von Erbumin oder sogar andere Perindopril-Salze einschloss. 872 Die Tragweite der Vermarktungsverbotsklausel hängt indes von der zugrunde gelegten Definition des Begriffs „Erzeugnisse“ ab, da auf diesen Begriff sowohl in Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung als auch in deren Art. 4.1, auf den Art. 1.6 verweist, Bezug genommen wird. 873 Was zudem die Tragweite der Nichtangriffsklausel angeht, so galt diese nicht nur für die in den Erwägungsgründen B bis D genannten Patente (einschließlich des Patents 947), sondern auch für eine Gesamtheit von Patenten, die nicht einzeln genannt waren und deren Abgrenzung vom Begriff „Erzeugnisse“ abhing, wie er in der Vereinbarung vorgesehen war (siehe oben, Rn. 836). 874 Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1912) zu Recht ausgeführt hat, schuf der Wortlaut der Vereinbarung eine Ungewissheit hinsichtlich des Geltungsbereichs der Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln. 875 So war aufgrund des Wortlauts der Lupin-Vereinbarung zweifelhaft, ob die Vermarktungsverbotsklausel für alle Formen von Erbumin oder sogar für andere Perindopril-Salze als Erbumin galt und ob die Nichtangriffsklausel für andere Patente als das Patent 947, insbesondere solche, die Erzeugnisse ohne Erbumin betreffen, galt. Dieser Zweifel war geeignet, Lupin zum einen davon abzuhalten, in den Markt einzutreten, und zwar auch mit Erzeugnissen, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form oder sogar andere Perindopril-Salze als Erbumin enthielten, und zum anderen davon, Patente anzufechten, die andere Formen von Erbumin als die Alpha-Form oder sogar andere Perindopril-Salze als Erbumin schützten. 876 Zu berücksichtigen ist auch, dass die in Rede stehenden redaktionellen Mehrdeutigkeiten in einer Vereinbarung enthalten sind, die die Kommission zu Recht hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel und der Nichtangriffsklausel in Bezug auf das Patent 947 und die durch dieses geschützten Erzeugnisse als wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung eingestuft hat (siehe oben, Rn. 869). Schließlich steht fest, dass die Parteien der Vereinbarung über genügend Mittel verfügten, um sich der Hilfe von Fachleuten zu bedienen, die in der Lage waren, solche Mehrdeutigen auch in der kurzen dafür zur Verfügung stehenden Zeit auszuräumen. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass sich der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel auf Erzeugnisse erstreckte, die kein Erbumin enthielten, und erst recht auf solche, die eine andere als dessen Alpha-Form enthielten, und dass sich der Geltungsbereich der Nichtangriffsklausel über das Patent 947 hinaus auf alle Patente erstreckte, die sich auf diese Erzeugnisse bezogen (Rn. 1912 und 1918 des angefochtenen Beschlusses). 877 Das Vorliegen von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln, deren Tragweite über den Geltungsbereich eines genau bezeichneten Patents und den Bereich der durch dieses geschützten Erzeugnisse hinausgeht, ist hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs, um die Aufnahme solcher Klauseln in eine Vergleichsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen, ohne dass darüber hinaus das Bestehen eines Anreizes dargetan zu werden braucht. Denn diese Klauseln finden keinerlei Rechtfertigung in der gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits, und ihre wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen decken sich nicht mit den Wirkungen dieses Patents (siehe oben, Rn. 257 bis 261). 878 Selbst wenn die Kommission zu Unrecht festgestellt haben sollte, dass die in Rede stehende Zuwiderhandlung andere Formen von Erbumin als die durch das Patent 947 geschützte Alpha-Form oder sogar andere Salze als Erbumin betraf, könnte ein solcher Fehler wegen der begrenzten und sekundären Rolle dieser Feststellung in den Erwägungen der Kommission deren Schlussfolgerung hinsichtlich des Vorliegens einer sich aus der Lupin-Vereinbarung ergebenden bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht in Frage stellen. Denn die Erwägungen der Kommission stützen sich im Wesentlichen auf das Bestehen eines Anreizes, das, obwohl sich die Tragweite der wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Vergleichsvereinbarung auf den Geltungsbereich dieses Patents beschränkt, den Schluss auf einen anormalen Gebrauch des Patents zulässt (siehe oben, Rn. 253 bis 274). 879 Nach alledem ist der Klagegrund, der das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung und die von der Kommission vorgenommene Abgrenzung einer solchen Wettbewerbsbeschränkung betrifft, zurückzuweisen. 880 Das vorstehende Ergebnis kann durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt werden. 881 Was als Erstes die Gesichtspunkte angeht, mit denen dargetan werden soll, dass die Absichten der Klägerinnen und die von Lupin legitim gewesen seien, so ist zum einen zu beachten, dass im Kontext von Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Patentrechtsstreitigkeiten die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen für den Generikahersteller als Anreiz wirkenden Vorteil als auch eine entsprechende Beschränkung seiner Bemühungen, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten, enthält. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, ist die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zwingend (siehe oben, Rn. 272). Zum anderen hindert der Umstand allein, dass eine Vereinbarung auch zulässige Zwecke verfolgt, nicht an ihrer Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 222). 882 Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, sie und Lupin hätten für den Abschluss der Lupin-Vereinbarung legitime Motive gehabt, nicht geeignet, die Einstufung dieser Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu Fall zu bringen, die die Kommission zu Recht vorgenommen hat und die vorstehend bestätigt worden ist (siehe oben, Rn. 869 und 879). Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen. 883 Gleiches gilt erstens für das Vorbringen, Lupin habe kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Rechtsstreits gehabt, zweitens für das auf den Umstand gestützte Vorbringen, dass die Initiative für den Vergleich von Lupin ausgegangen sei, und drittens für das auf den Umstand gestützte Vorbringen, dass Servier kein Interesse daran gehabt habe, ihre Wettbewerbsposition gegenüber Lupin zu schützen, wenn sie dies nicht auch gegenüber Apotex getan hätte. 884 Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zwar geltend machen, die Nichtangriffsklausel habe u. a. deshalb keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen haben können, weil es parallele Rechtsstreitigkeiten gegeben und Lupin nicht beabsichtigt habe, einen neuen Rechtsstreit einzuleiten, dass aber gleichwohl die Prüfung der konkreten Wirkungen der Lupin-Vereinbarung und insbesondere der in ihr enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht erforderlich ist, da diese Vereinbarung hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft zu werden (siehe oben, Rn. 219). 885 Aus denselben Gründen ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Vermarktungsverbotsklausel habe, auch soweit ihre Tragweite über den Geltungsbereich des Patents 947 hinausgegangen sei, u. a. deshalb keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen haben können, weil es keine tatsächlichen und konkreten Möglichkeiten für Lupin gegeben habe, als Erste mit einem nicht patentverletzenden Erzeugnis in den Markt einzutreten. 886 Als Drittes lässt sich das Vorbringen der Klägerinnen, die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel seien hypothetisch gewesen, so verstehen, dass sie in Wirklichkeit das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs in Abrede stellen. Es ist jedoch bereits festgestellt worden, dass Lupin ein potenzieller Wettbewerber von Servier war. 887 Als Viertes ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien, wenn das Bestehen eines Anreizes einmal festgestellt worden ist, nicht mehr geltend machen können, sie hätten im Rahmen des Vergleichs die Gültigkeit des Patents anerkannt. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang (siehe oben, Rn. 269). Die Klägerinnen können sich daher nicht mit Erfolg auf ein – im Übrigen hypothetisches – Szenario berufen, nach dem die Gültigkeit des Patents 947 von den Gerichten im Vereinigten Königreich wie vom EPA bestätigt würde. 888 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. iv) Zu dem von Servier hilfsweise geltend gemachten Klagegrund einer fehlerhaften Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung 889 Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe den Beginn der Zuwiderhandlung nicht auf einen Zeitpunkt vor demjenigen festlegen können, zu dem Lupin ihre Genehmigung für das Inverkehrbringen erlangt habe. 890 Damit stellen die Klägerinnen in Wirklichkeit das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs in Abrede. Es ist jedoch oben in Rn. 751 festgestellt worden, dass Lupin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Lupin-Vereinbarung ein potenzieller Wettbewerber von Servier war. 891 Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, die Kommission hätte, wie sie es für den französischen Markt getan habe, feststellen müssen, dass die Zuwiderhandlung in Belgien, in der Tschechischen Republik, in Irland und in Ungarn geendet habe, als Sandoz mit einem das Patent 947 nicht verletzenden Generikum von Perindopril in den Markt dieser Staaten eingetreten sei, d. h. jeweils im Juni 2008, im Juli 2008, im Dezember 2008 und im Januar 2009. 892 Daher ist zu prüfen, ob die Kommission zu Unrecht befunden hat, dass die Zuwiderhandlung in den betreffenden Mitgliedstaaten über die in der vorstehenden Rn. 891 genannten Zeitpunkte hinaus angedauert hat. 893 Zunächst ist festzustellen, dass das Generikum, mit dem Sandoz in den Markt eingetreten ist, eine Form von Perindopril-Erbumin ist, bestehend aus einem „amorphen (nicht kristallinen) Salz, das demnach keine der durch das Patent 947 geschützten Alpha-Kristalle enthält“ (Rn. 212 des angefochtenen Beschlusses). 894 Wie oben in Rn. 847 ausgeführt, ließe sich sagen, auch wenn wegen des komplexen Wortlauts von Art. 1.6 der Lupin-Vereinbarung eine solche Auslegung nicht auf der Hand liegt, dass dieser Artikel in Verbindung mit Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung einen Markteintritt von Lupin mit ihren eigenen Erzeugnissen erlaubt, wenn ein nicht von Servier hergestelltes generisches „Erzeugnis“, ohne dass eine einstweilige Verfügung verletzt und ein von Servier gestellter Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen worden ist, auf den Markt gelangt ist. 895 Der Begriff „Product“ (Erzeugnis), wie er in Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung gebraucht wird, ist wegen seiner Großschreibung im Sinne der im Erwägungsgrund A dieser Vereinbarung getroffenen Schreibkonvention zu verstehen. 896 Die Bestimmung der vom Erwägungsgrund A der Lupin-Vereinbarung erfassten Erzeugnisse ist jedoch besonders schwierig (siehe oben, Rn. 832 und 833), was die Anwendung von Art. 4.1 Buchst. c dieser Vereinbarung erschwert (siehe oben, Rn. 849 und 850). 897 Sonach bestand eine Ungewissheit hinsichtlich der Abgrenzung des Geltungsbereichs von Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung und damit auch der Möglichkeit, die Vermarktungsverbotsklausel in Art. 1.6 dieser Vereinbarung anzuwenden (siehe oben, Rn. 852), insbesondere im Fall des Markteintritts eines Erzeugnisses, das wie dasjenige von Sandoz Erbumin einer Non-Alpha-Form enthielt. 898 Wegen der oben in den Rn. 894 bis 897 dargelegten Ungewissheiten über die Bedeutung der Art. 1.6 und 4.1 der Lupin-Vereinbarung hatte Lupin Anlass zu der Befürchtung, dass die Vermarktungsverbotsklausel fortgelten würde, nachdem ein Dritter Perindopril, das aus einem Erbumin einer Non-Alpha-Form bestand, oder ein nicht aus Erbumin bestehendes generisches Perindopril in den Verkehr gebracht hätte. Ein solcher Zweifel war geeignet, sie von einem Markteintritt abzuhalten. 899 Diese Befürchtung konnte dadurch verstärkt werden, dass Servier eventuell dennoch eine einstweilige Verfügung beantragen könnte, und zwar auch für ein Erzeugnis, das offensichtlich keines ihrer Patente verletzt, insbesondere nicht das Patent 947, was zur Folge hätte, dass Art. 4.1 Buchst. c der Lupin-Vereinbarung bis zur Zurückweisung eines solchen Antrags nicht angewandt werden könnte (siehe oben, Rn. 852). 900 Die Schreiben von Lupin lassen deren Unsicherheit hinsichtlich ihrer Möglichkeit eines Eintritts in den französischen Markt ohne Verletzung der Vereinbarung erkennen und zeigen, dass sie die Vermarktungsverbotsklausel auf diesem Markt bis zu diesem Briefwechsel weiter beachtet hat und damit frühestens Anfang April 2009 aufgehört zu haben scheint, d. h. etwas weniger als einen Monat vor dem 6. Mai 2009, den die Kommission als Ende der Zuwiderhandlung für Belgien, die Tschechische Republik, Irland und Ungarn festgelegt hat. Auch aus einem oben in Rn. 853 erwähnten Schreiben von Servier kann nicht geschlossen werden, dass diese klar und erkennbar der Ansicht war, dass Lupin in den Markt eintreten könne. 901 Was die vier in der vorstehenden Rn. 900 erwähnten Märkte angeht, haben die Klägerinnen erst recht nichts zum Beweis dessen vorgelegt, dass Servier und Lupin vor dem 6. Mai 2009 die sukzessiven Eintritte von Sandoz in diese Märkte berücksichtigt hätten und dass sie trotz der mit der Mehrdeutigkeit der Vereinbarung zusammenhängenden Ungewissheiten der Ansicht waren, dass die Vermarktungsverbotsklausel nicht mehr in Kraft sei. 902 Der Umstand, dass die Vermarktungsverbotsklausel wegen der mit der Mehrdeutigkeit der Vereinbarung zusammenhängenden Ungewissheiten in Kraft blieb, was den Fortbestand einer Willensübereinstimmung der Parteien zeigt – möglicherweise im Widerspruch zu der Auslegung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel, die etwa ein über den Vertrag entscheidendes Gericht später vornehmen könnte –, genügt zur Rechtfertigung der Feststellung der Kommission, dass die Willensübereinstimmung zwischen Servier und Lupin und damit die Zuwiderhandlung trotz der Markteintritte von Sandoz fortbestand. 903 Selbst wenn die Vereinbarung mit den Markteintritten von Sandoz formell außer Kraft getreten sein sollte, ist jedenfalls in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen (siehe oben, Rn. 900 und 901) festzustellen, dass Servier und Lupin die Vermarktungsverbotsklausel nach den sukzessiven Eintritten von Sandoz in die vier in Rede stehenden Märkte weiter angewandt haben. 904 Es trifft zwar zu, dass im Fall bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen, wie sie hier vorliegen, deren konkrete Wirkungen nicht berücksichtigt zu werden brauchen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 98 und 99) und somit ihre Dauer festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, EU:C:2009:166, Rn. 113, 114 und 140). Gleiches gilt für die Berücksichtigung der Durchführung der Vereinbarung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 252). 905 Die Fortsetzung der Zuwiderhandlung kann jedoch über den Zeitraum hinaus, in dem eine Vereinbarung formal in Kraft ist, festgestellt werden, wenn die betreffenden Unternehmen weiter ein verbotenes Verhalten an den Tag gelegt haben (Urteile vom 16. Juni 2011, Solvay Solexis/Kommission, T‑195/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:280, Rn. 124, und vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, EU:T:2012:332, Rn. 251). 906 Dies ist hier der Fall (siehe oben, Rn. 903). 907 Nach alledem ist der vorliegende, von Servier hilfsweise geltend gemachte Klagegrund zurückzuweisen. c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 908 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe mehrere Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung begangen. 909 Der vorliegende Klagegrund ist unter entsprechender Heranziehung der oben in den Rn. 566 bis 570 dargelegten Erwägungen als ins Leere gehend zurückzuweisen. 9. Zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen a) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 910 Die Klägerinnen treten der Einstufung erstens der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung und zweitens der Übertragungsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung entgegen. 1) Zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 943 Als Ausnahme von den oben in den Rn. 797 bis 803 dargelegten Erwägungen zu akzessorischen Vereinbarungen stellt die Verknüpfung einer üblichen geschäftlichen Vereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung, die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln enthält, kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar, wenn es sich bei dieser geschäftlichen Vereinbarung um eine Lizenzvereinbarung über das streitige Patent handelt. 944 Diese Ausnahme erklärt sich damit, dass eine Lizenzvereinbarung über ein Patent zwar nicht die gütliche Beilegung eines Rechtsstreits, sondern die Gewährung der Erlaubnis zur Nutzung dieses Patents zum Gegenstand hat, dass es aber, anders als bei anderen geschäftlichen Vereinbarungen (siehe oben, Rn. 800), dennoch gerechtfertigt sein kann, diese Lizenzvereinbarung mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits über das den Gegenstand der Lizenz bildende Patent zu verknüpfen. 945 Ein Patentrechtsstreit geht nämlich grundsätzlich auf den Markteintrittswunsch des Generikaherstellers zurück, dem der Wunsch des Patentinhabers entgegensteht, die ihm aufgrund dieses Patents zustehenden Rechte zu wahren. Einen solchen Markteintritt durch den Abschluss einer Lizenzvereinbarung zu erlauben, erscheint somit als ein besonders geeignetes Mittel, um den Rechtsstreit zu beenden, da damit den Ansprüchen beider Parteien dieses Rechtsstreits entsprochen werden kann. 946 Im Übrigen ist anerkannt, dass der Abschluss einer Lizenzvereinbarung ein geeignetes Mittel zur Beendigung eines Rechtsstreits ist. Dies ergibt sich aus Rn. 204 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen, wonach „Lizenzvereinbarungen … dazu dienen [können], Streitigkeiten beizulegen“. Diese Randnummer ist als Rn. 205 in die Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen übernommen worden. 947 Die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Vergleichsvereinbarung ist umso mehr gerechtfertigt, als die Aufnahme von Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in eine Vergleichsvereinbarung nur legitim ist, wenn dieser Vereinbarung die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde liegt (siehe oben, Rn. 258 bis 261). Dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, liegt aber ebenfalls die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde. Insofern bestätigt die Lizenzvereinbarung somit die Legitimität der Vergleichsvereinbarung, was ihre Verknüpfung mit dieser vollauf rechtfertigt. 948 Da es gerechtfertigt erscheint, eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits mit einer Lizenzvereinbarung über dasselbe Patent zu verknüpfen, kann eine solche Verknüpfung anders als bei anderen akzessorischen Vereinbarungen kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung (im Sinne dieses Ausdrucks im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen, siehe oben, Rn. 804) darstellen. 949 Daher muss sich die Kommission auf andere Indizien als die bloße Verknüpfung der Lizenzvereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung für den Nachweis stützen, dass die Lizenzvereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde und in Wirklichkeit eine umgekehrte Zahlung als Anreiz für den Generikahersteller verschleiert, sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen (siehe oben, Rn. 803 bis 808). 950 Die Feststellung des Vorliegens einer umgekehrten Zahlung ist im Fall einer Lizenzvereinbarung umso weniger offensichtlich, als eine solche Vereinbarung nicht zu einem Finanztransfer vom Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller, sondern vom Generikahersteller an den Hersteller des Originalpräparats führt. Denn im Rahmen einer Lizenzvereinbarung zahlt der Lizenznehmer eine Gebühr an den Patentinhaber. 951 Es liegt jedoch eine Wertübertragung durch den Hersteller des Originalpräparats an den Generikahersteller vor, da die dem Patentinhaber gezahlte Gebühr die Gegenleistung für den Nutzen bildet, den der Generikahersteller aus der Lizenzvereinbarung zieht, nämlich die Erlaubnis zur Nutzung des Patents, um risikolos in den Markt einzutreten. 952 Die Kommission muss demnach dartun, dass diese Gegenleistung anormal niedrig ist, d. h. derart gering, dass sie sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken (siehe oben, Rn. 806), und dass die Lizenzvereinbarung somit eine umgekehrte Zahlung zugunsten des Generikaherstellers darstellt. 953 Für den Nachweis einer so hinreichenden Wettbewerbsschädlichkeit, dass die Vergleichsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, muss das Fehlen normaler Marktbedingungen beim Abschluss der in Rede stehenden Transaktion umso offenkundiger sein, als der wettbewerbsbeschränkende Charakter der in dieser Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln durch die Lizenzvereinbarung abgemildert wird. 954 Der Vermarktungsverbotsklausel werden nämlich zumindest teilweise ihre Wirkungen genommen. Die Lizenzvereinbarung geht sogar über eine bloße teilweise Neutralisierung der Wirkungen dieser Klausel hinaus, da sie den Markteintritt des Generikums fördert, indem sie das Risiko eines Rechtsstreits über das Patent ausräumt. 955 Was die Nichtangriffsklausel angeht, bleiben deren wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zwar bestehen, sie werden jedoch dadurch begrenzt, dass die Lizenz einen Markteintritt ohne das Risiko eines Rechtsstreits erlaubt. Während es für den Generikahersteller bei einem Risikomarkteintritt wesentlich ist, die Gültigkeit des Patents bestreiten zu können, ist dies weniger wichtig, wenn ihm der Markteintritt dank einer Lizenzvereinbarung mit dem Hersteller des Originalpräparats erlaubt ist. 956 An dieser Stelle der Untersuchung ist erneut darauf hinzuweisen, dass im Kontext von Patentvergleichsvereinbarungen die Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung voraussetzt, dass die Vergleichsvereinbarung sowohl einen als Anreiz wirkenden Vorteil für den Generikahersteller als auch eine entsprechende Beschränkung der Anstrengungen dieses Herstellers enthält, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten (siehe oben, Rn. 272). Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich jedoch, dass im Fall einer Lizenzvereinbarung diese beiden Merkmale abgemildert sind oder sogar fehlen, so dass eine hinreichende Beeinträchtigung des guten Funktionierens des normalen Wettbewerbs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 49 und 50 sowie die dort angeführte Rechtsprechung) nicht leicht festzustellen ist. 957 Dem ist hinzuzufügen, dass die oben in Rn. 943 angesprochene Ausnahme weder dem Umstand zuwiderläuft, dass die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen gehört, die von der Freistellung nach Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 772/2004 der Kommission vom 27. April 2004 über die Anwendung von [Art. 101 Abs. 3 AEUV] auf Gruppen von Technologietransfer-Vereinbarungen (ABl. 2004, L 123, S. 11) ausgenommen sind, noch der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wie sie mit dem Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75, Rn. 89 und 92), eingeleitet und im Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), weiterentwickelt worden ist. 958 Erstens gehört nämlich nach Art. 5 der Verordnung Nr. 772/2004 die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen, die von der Freistellung nach Art. 2 dieser Verordnung ausgenommen sind. Diese Freistellung wie auch diese Ausnahme gelten aber nach den Art. 2 und 5 dieser Verordnung nur insoweit, als die betreffenden Vereinbarungen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Folglich erlaubt der Umstand, dass die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel zu den Beschränkungen gehört, die von der Freistellung nach Art. 2 der Verordnung Nr. 772/2004 ausgenommen sind, nicht den Schluss, dass eine solche Verknüpfung in jedem Fall eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und insbesondere eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt. 959 In dieser Hinsicht hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar eine einzelne Vereinbarung nur dann nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt werden kann, wenn feststeht, dass sie unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt, dass aber im Fall der nach Abs. 3 zulässigen Gruppenfreistellung eine Vereinbarung, die zu der betroffenen Gruppe gehört, deswegen nicht notwendigerweise den Tatbestand von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllen muss. Somit enthält eine Gruppenfreistellung auch nicht mittelbar ein Urteil darüber, ob eine bestimmte einzelne Vereinbarung unter das Verbot fällt oder nicht (Urteil vom 13. Juli 1966, Italien/Rat und Kommission, 32/65, EU:C:1966:42, S. 483). 960 Zweitens hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass eine Klausel einer Lizenzvereinbarung, die die Verpflichtung enthält, die Gültigkeit des Patents nicht in Frage zu stellen, mit Art. 101 Abs. 1 AEUV unvereinbar ist. Eine solche Klausel gehört offenkundig nicht zum spezifischen Gegenstand des Patents, der sich nicht in dem Sinne auslegen lässt, dass er auch gegen Angriffe auf das Patent Schutz gewährt, denn es liegt im öffentlichen Interesse, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 89 und 92). 961 In einem zwei Jahre später erlassenen Urteil in einer Rechtssache, die eine Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits betraf, hat der Gerichtshof jedoch die im Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission (193/83, EU:C:1986:75), vertretene Auffassung nuanciert und lediglich entschieden, dass eine in einem Patentlizenzvertrag enthaltene Nichtangriffsabrede aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem sie steht, den Wettbewerb im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV beschränken kann (Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1988:448, Rn. 16). Er hat zwar in diesem Urteil ferner die Auffassung der Kommission zurückgewiesen, dass die Aufnahme einer Nichtangriffsklausel in eine Lizenzvereinbarung dann nicht mehr gegen das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoße, wenn durch diese Vereinbarung ein vor Gericht anhängiger Rechtsstreit beendet werden solle, er hat aber nicht entschieden, dass jede Vergleichsvereinbarung mit einer solchen Klausel unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt. 962 Die Lizenznehmer können, wie es in Rn. 112 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen heißt, zwar „in der Regel am besten beurteilen …, ob ein Schutzrecht gültig ist oder nicht“, ob sie es also angreifen sollen. Aus diesem Grund ist die Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel grundsätzlich untersagt (Schlussanträge von Generalanwalt Darmon in der Rechtssache Bayer und Maschinenfabrik Hennecke, 65/86, EU:C:1987:336, Nr. 8). Wird jedoch eine Lizenzvereinbarung im Rahmen der gütlichen Beilegung eines wirklichen Rechtsstreits zwischen den betreffenden Parteien geschlossen, hatte der Lizenznehmer bereits Gelegenheit, die Gültigkeit des Patents in Frage zu stellen; wenn er sich letztlich, ohne dass er dafür einen Anreiz hatte, einer Nichtangriffsklausel (wie auch einer Vermarktungsverbotsklausel) unterwirft, tut er dies, weil er das Patent für gültig hält. In diesem besonderen Kontext eines Vergleichs, mit dem die Parteien übereinstimmend feststellen, dass sie das Patent für gültig erachten, entfällt der Grund für das Verbot der Verknüpfung einer Lizenzvereinbarung mit einer Nichtangriffsklausel, vorausgesetzt, die Vergleichsvereinbarung beruht auf der Anerkennung der Gültigkeit des in Rede stehenden Patents durch die Parteien und nicht auf einem Anreiz für den Lizenznehmer, sich der Nichtangriffsklausel (und der Vermarktungsverbotsklausel) zu unterwerfen. 963 Nach alledem stellt im Fall eines wirklichen Rechtsstreits zwischen den betreffenden Prozessparteien und einer Lizenzvereinbarung, die in direktem Zusammenhang mit der gütlichen Beilegung dieses Rechtsstreits steht, die Verknüpfung dieser Vereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung dar. In einem solchen Fall kann die Kommission anhand anderer Indizien dartun, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion darstellt und daher eine umgekehrte Zahlung (im Sinne dieses Ausdrucks im Bereich der akzessorischen Vereinbarungen, siehe oben, Rn. 804) verschleiert. 964 Anhand der vorstehenden Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka zu Recht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft hat. 965 In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob wirkliche Rechtsstreitigkeiten bestanden und ob die Lizenzvereinbarung einen hinreichend direkten Zusammenhang mit der gütlichen Beilegung dieser Rechtsstreitigkeiten aufwies, um ihre Verknüpfung mit der Vergleichsvereinbarung zu rechtfertigen. 966 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung wirkliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Krka anhängig waren und dass diese durch die Vergleichsvereinbarung beendet wurden, nach deren Art. 1 Ziff. i und ii sich beide Parteien aus den zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zurückziehen mussten. 967 Zehn Generikahersteller, unter ihnen Krka, hatten nämlich 2004 beim EPA Einspruch gegen das Patent 947 eingelegt, um dessen vollständigen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten. Am 27. Juli 2006 bestätigte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit dieses Patents. Sieben Gesellschaften legten Beschwerde gegen die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 ein. Krka zog sich gemäß der mit Servier geschlossenen Vergleichsvereinbarung am 11. Januar 2007 vom Einspruchsverfahren zurück. 968 Servier erhob im Vereinigten Königreich am 28. Juli 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 340. Am 2. August 2006 erhob sie gegen Krka zudem eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 und beantragte den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Am 1. September 2006 erhob Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 und am 8. September 2006 eine weitere Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 340. Am 3. Oktober 2006 gab das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung statt und wies den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens zurück. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das laufende Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt, und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben. 969 Zweitens standen sowohl die Vergleichs- als auch die Lizenzvereinbarung im Zusammenhang mit diesen Rechtsstreitigkeiten. Die Vergleichsvereinbarung, insbesondere die in ihr enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln waren nämlich auf den Geltungsbereich der Patente beschränkt, die Gegenstand der Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Krka waren. Die Lizenzvereinbarung bezog sich auf das Patent 947 und stand daher ebenfalls in direktem Zusammenhang mit diesen Rechtsstreitigkeiten. 970 Drittens lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung übereinstimmende Indizien vor, aufgrund deren die Parteien annehmen konnten, dass das Patent 947 gültig war (siehe oben, Rn. 967 und 968). 971 Viertens hatte es zwar bereits vor dem Erlass der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 Kontakte zwischen Servier und Krka gegeben (vgl. u. a. Rn. 837 des angefochtenen Beschlusses), doch hatten diese nicht zu einer Vereinbarung geführt (Rn. 856 bis 859 des angefochtenen Beschlusses), und erst nach dieser Entscheidung wurden neue Verhandlungen aufgenommen (Rn. 898 des angefochtenen Beschlusses). Die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 war somit zumindest einer der Faktoren, die zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung geführt haben. 972 Daher ist in Anbetracht der Tragweite der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung sowie des Kontexts, in dem diese Vereinbarungen geschlossen wurden, festzustellen, dass die Verknüpfung dieser beiden Vereinbarungen gerechtfertigt und somit kein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer aus der Lizenzvereinbarung folgenden umgekehrten Zahlung durch Servier an Krka war (siehe oben, Rn. 948). 973 Unter diesen Umständen ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Kommission im vorliegenden Fall anhand anderer Indizien oder Beweise als der bloßen Verknüpfung der Lizenzvereinbarung mit der Vergleichsvereinbarung der Nachweis gelungen ist, dass die Lizenzvereinbarung nicht zu normalen Marktbedingungen geschlossen wurde (siehe oben, Rn. 949 und 963). 974 Es steht fest, dass im Gegensatz zu den anderen Vereinbarungen, die Gegenstand des angefochtenen Beschlusses waren, weder die Vergleichs- noch die Lizenzvereinbarung zu einem Finanztransfer von Servier an Krka geführt haben. 975 Die Lizenzvereinbarung sah sogar vor, dass Krka an Servier eine Gebühr in Höhe von 3 % des Nettoerlöses aus ihren Verkäufen zahlen sollte. 976 Gewiss stellt die Gebühr die Gegenleistung für den Nutzen dar, den der Generikahersteller aus der Lizenzvereinbarung zieht, nämlich die Erlaubnis zur Nutzung des Patents, um risikolos in den Markt einzutreten. Die Kommission musste jedoch dartun, dass diese Gegenleistung anormal niedrig war und dass die Lizenzvereinbarung somit eine umgekehrte Zahlung zugunsten von Krka bewirkte. 977 Nun hat die Kommission zwar im angefochtenen Beschluss eine Reihe von Indizien angeführt, die den Schluss zulassen, dass die Lizenzvereinbarung günstig für die Geschäftsinteressen von Krka war (Rn. 1738 bis 1744, insbesondere Rn. 1739), sie hat jedoch nicht dargetan, dass der Satz von 3 % anormal, d. h. derart niedrig war, dass er sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken (siehe oben, Rn. 952). 978 Was das Vorbringen der Kommission angeht, der Satz der Gebühr habe weit unter dem Betriebsergebnis von Servier für 2007 in der Tschechischen Republik, in Ungarn und in Polen gelegen, so ist es nicht unbedingt anormal, dass der Satz eines Betriebsüberschusses, der die Bruttogewinne aus einer Tätigkeit widerspiegelt, weit über dem Satz der Gebühr im Rahmen einer Lizenzvereinbarung liegt, der nur den Preis des Rechts zur Nutzung eines Patents widerspiegelt. 979 Aus demselben Grund ist auch das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, die Gebühr habe einem geringen Teil der Gewinnspanne von Krka entsprochen. Als Generikahersteller hätte diese vielmehr keinerlei Interesse am Abschluss einer Lizenzvereinbarung, die es ihr nicht erlauben würde, eine ausreichende Gewinnspanne zu erzielen. 980 Schließlich erscheint es nicht anormal, dass der Satz der Gebühr für die Nutzung eines Patents durch Krka auf der Grundlage des Verkaufspreises des Erzeugnisses von Krka und nicht des Erzeugnisses von Servier berechnet wurde. 981 Mit allen diesen Faktoren, auch zusammengenommen, kann allenfalls dargetan werden, dass der Preis der Krka erteilten Lizenz für deren Geschäftsinteressen günstig war, sie genügen aber nicht für den Nachweis, dass die in Rede stehende Transaktion nicht zu normalen Marktbedingungen abgeschlossen wurde, zumal die Lizenzvereinbarung vorsah, dass Servier ihr Erzeugnis in den sieben Mitgliedstaaten, für die die Lizenz galt, weiter vermarkten konnte, sei es direkt oder über eine der ihr angeschlossenen Gesellschaften oder auch über einen einzigen Dritten je Mitgliedstaat. Die erteilte Lizenz war somit nicht exklusiv, was ihre Vorteilhaftigkeit für Krka einschränkte, da für sie ein Risiko bestand, dass ihr Erzeugnis dem Wettbewerb durch ein anderes Generikum, ob von Servier oder einem Dritten vermarktet oder hergestellt, ausgesetzt sein würde. 982 Dem ist hinzuzufügen, dass die Kommission selbst in der Sitzung ausgeführt hat, sie stelle nicht in Abrede, dass die Gebühr den Gepflogenheiten des Marktes entsprochen habe. Mit der, wenn auch nur ergänzenden, Aussage im angefochtenen Beschluss, dass „weniger als das niedrige Niveau der Gebühren für die Analyse der Umstand zentral [ist], dass eine Einzellizenz gegen eine Verpflichtung erteilt wurde, nicht in eine Reihe anderer beschränkter Märkte einzutreten oder dort die Patente von Servier anzugreifen“ (Fn. 2354), hat die Kommission bereits gezeigt, dass sie dem Umstand, dass die Transaktion zu normalen Marktbedingungen abgeschlossen worden sein konnte, zu Unrecht nur untergeordnete Bedeutung beimaß. 983 Aus den in den vorstehenden Rn. 977 bis 982 dargelegten Erwägungen geht hervor, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass der Satz von 3 % anormal, d. h. derart niedrig war, dass er sich nicht mit Erwägungen erklären lässt, die sich auf den wirtschaftlichen Wert des den Gegenstand des Vertrags bildenden Gutes beschränken. Die Kommission hat somit nicht nachgewiesen, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion war. 984 Folglich hat die Kommission nicht das Vorliegen einer umgekehrten Zahlung nachgewiesen, die sich aus der Erteilung einer Lizenz zu einem anormal niedrigen Preis ergeben würde (siehe oben, Rn. 803) und die, weil sie nicht den Ausgleich der vergleichsinhärenten Kosten zum Gegenstand hätte (siehe oben, Rn. 809), einen Anreiz darstellen würde. 985 Folglich konnte die Kommission im vorliegenden Fall nicht zu Recht das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung feststellen, die hinreichend schädlich ist, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können. 986 Dieses Ergebnis kann durch die übrigen von der Kommission im angefochtenen Beschluss herangezogenen Gesichtspunkte nicht in Frage gestellt werden. 987 Erstens ergab sich, selbst wenn die Lizenzvereinbarung einen Anreiz dargestellt haben sollte, weil sie in den betreffenden sieben Mitgliedstaaten – d. h. einem Teil den Marktes, für den die Kommission nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt hat – die Errichtung eines für Servier und Krka günstigen Duopols erlaubte, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss (vgl. u. a. Rn. 1728, 1734 und 1742) ausführt, ein solches Duopol nicht aus der Vereinbarung selbst, sondern aus nach deren Abschluss von Servier und Krka getroffenen Entscheidungen, nämlich der Entscheidung von Servier, keinem anderen Generikahersteller eine Lizenz zu erteilen oder nicht selbst eine generische Version ihres eigenen Perindoprils zu einem niedrigen Preis zu vermarkten (Rn. 1727 des angefochtenen Beschlusses), und der Entscheidung von Krka, nicht in einen aggressiven Preiskampf einzutreten (Rn. 1744 des angefochtenen Beschlusses). 988 Die von der Kommission festgestellte bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, insbesondere der Anreiz, der eines der Tatbestandsmerkmale einer solchen Wettbewerbsbeschränkung ist (siehe oben, Rn. 272), betrifft indes die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka und nicht zeitlich nach diesen Vereinbarungen liegende und von diesen nicht bestimmte Verhaltensweisen. 989 Sollte das Duopol als eine Durchführung der Vereinbarungen angesehen werden können, wäre darauf hinzuweisen, dass die Kommission und der Richter bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Zwecks einer Vereinbarung und insbesondere im Rahmen der Berücksichtigung ihres wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung nicht völlig außer Betracht lassen dürfen (vgl. die oben in Rn. 304 angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung ergibt sich aber auch, dass die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht unter dem Vorwand u. a. der Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts der jeweiligen Vereinbarung dazu führen darf, deren Wirkungen zu beurteilen, soll nicht der in Art. 101 Abs. 1 AEUV vorgesehenen Unterscheidung zwischen bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkung die praktische Wirksamkeit genommen werden (siehe oben, Rn. 221). Für die Prüfung, ob eine Vereinbarung besonders geeignet ist, wettbewerbsbeschränkende Wirkungen zu entfalten, die für Vereinbarungen mit wettbewerbswidrigem Zweck kennzeichnend sind, muss somit die Untersuchung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf diejenigen Wirkungen beschränkt werden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung objektiv vorhersehbar waren (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache ING Pensii, C‑172/14, EU:C:2015:272, Nr. 84; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 80 bis 82). 990 Im vorliegenden Fall beruhen aber die vermeintlichen potenziellen Wirkungen, d. h. das von der Kommission angeführte Duopol, auf hypothetischen und somit bei Abschluss der Vereinbarung nicht objektiv vorhersehbaren Umständen. 991 Jedenfalls hat die Kommission unter Verweis auf Überbevorratungspraktiken der Apotheken und eine Beschwerde bei den polnischen Behörden in Rn. 1725 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass „die Haltung von Servier und Krka auf den sieben von der Lizenz erfassten Märkten kaum als kooperativ beschrieben werden konnte“. Wie sich aus Rn. 1728 des angefochtenen Beschlusses ergibt, schloss das von der Kommission beschriebene Duopol zwischen Servier und Krka einen gewissen Grad an Wettbewerb zwischen diesen Unternehmen nicht aus. 992 Zweitens hatte die Lizenzvereinbarung der Kommission zufolge im vorliegenden Fall Anreizcharakter, weil sie Krka einen risikofreien Markteintritt im Gegenzug für ihren Ausschluss von anderen Märkten erlaubt habe. Wenn der Geltungsbereich der Vermarktungsverbots- oder der Nichtangriffsklausel weiter sei als derjenige der Lizenzvereinbarung und so zwischen diesen beiden Vereinbarungen ein Gefälle oder – nach der Wortwahl der Kommission in den Rn. 1706 und 1736 des angefochtenen Beschlusses – eine „Asymmetrie“ bestehe, sei der Schluss auf das Bestehen eines Anreizes möglich, da die Lizenzvereinbarung dadurch, dass sie dem Generikahersteller einen risikofreien Eintritt in bestimmte Teile des Marktes erlaube, in Wirklichkeit als Anreiz für diesen dienen solle, seinen Rückzug aus anderen Teilen des Marktes zugunsten des Herstellers des Originalpräparats zu akzeptieren. 993 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen. 994 Zunächst würde nämlich der von der Kommission befürwortete Ansatz, wonach schon der bloße Abschluss, auch zu normalen Marktbedingungen, einer Lizenzvereinbarung mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln einen Anreiz darstellen könnte, zu einem paradoxen Ergebnis führen, da in diesem Fall der Anreiz umso größer und der Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung umso leichter wäre, je weiter der Geltungsbereich der Lizenzvereinbarung wäre, es sei denn, der Geltungsbereich der Lizenzvereinbarung deckte sich genau mit dem der Vergleichsvereinbarung. 995 Je weiter aber der Geltungsbereich einer Lizenzvereinbarung ist, insbesondere im Verhältnis zu dem der Vergleichsvereinbarung, zu der sie gehört, umso wettbewerbsförderlicher ist diese Vereinbarung wegen der positiven Wirkungen der Lizenz auf den Wettbewerb, die einen Generikahersteller zum Markteintritt ermutigt und den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der Vermarktungsverbots- und der Nichtangriffsklausel beschränkt, die in der Vergleichsvereinbarung enthalten sind (siehe oben, Rn. 954 und 955). 996 Hierzu hat Generalanwalt Wahl in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache CB/Kommission (C‑67/13 P, EU:C:2014:1958, Nr. 55) ausgeführt, dass der formalistische Ansatz der Ermittlung eines wettbewerbswidrigen Zwecks nur bei Verhaltensweisen in Betracht kommen könne, die den Schluss zuließen, dass ihre wettbewerbsschädlichen Wirkungen die wettbewerbsfördernden Wirkungen überwiegen. 997 Zudem lässt die These der Kommission, die dazu führt, den Patentinhaber zum Abschluss einer Lizenzvereinbarung für das gesamte Gebiet zu zwingen, in dem die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln der Vergleichsvereinbarung gelten, die Rechte des geistigen Eigentums des Patentinhabers und insbesondere dessen Ermessensspielraum bei der Lizenzerteilung außer Acht (vgl. zu einem Fall, in dem sich der Patentinhaber in einer beherrschenden Stellung befand, Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 331). Diese These lässt auch den Ermessensspielraum außer Acht, über den die Parteien eines Rechtsstreits für dessen gutgläubige gütliche Beilegung verfügen müssen. 998 Des Weiteren stellt der Abschluss einer „asymmetrischen“ Lizenzvereinbarung für einen Generikahersteller, der nicht weiß, ob das in Rede stehende Patent gültig ist, nicht unbedingt einen hinreichenden Vorteil dar, um sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen. Der sich aus dem Abschluss einer solchen Vereinbarung ergebende Vorteil kann nur dann als Anreiz angesehen werden, wenn er diesem Unternehmen einen Ausgleich für den sicheren Verlust der erwarteten Gewinne bietet, der sich aus der Einwilligung in einen Vergleich ergibt, der Klauseln enthält, die ihm den Eintritt in bestimmte räumliche Teile des Marktes verbieten. Denn für ein Unternehmen, das nicht ernsthaft von der Gültigkeit des Patents überzeugt und in der Lage ist, in den gesamten von den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln erfassten Markt einzutreten, ist eine Lizenz, deren räumliche Geltung begrenzter ist als der Geltungsbereich dieser Klauseln, keine wirtschaftlich zufriedenstellende Lösung, die es veranlassen könnte, sich ihr zu unterwerfen. Die Lizenz öffnet diesem Unternehmen zwar einen Teil des von dem Patent erfassten Marktes, indem sie ihm die Möglichkeit bietet, auf diesem Teil des Marktes die erwarteten Gewinne zu erzielen, doch gewährt die Lizenz, wenn die Lizenzgebühr für diesen Teil des Marktes nicht erwiesenermaßen anormal niedrig ist, diesem Unternehmen keinerlei Ausgleich für die übrigen Teile des Marktes, auf denen es im Fall der Nichtigerklärung des Patents einen Gewinn erzielen könnte und die ihm nunmehr verschlossen sind. 999 Im vorliegenden Fall waren die Gewinne, die Krka auf den 18 bis 20 Märkten erhoffte, für die die Lizenzvereinbarung nicht galt, keineswegs zu vernachlässigen. Die Kommission führt im angefochtenen Beschluss aus, dass die Gewinne auf den westeuropäischen Märkten annähernd denen auf den drei wichtigsten der sieben Märkte entsprachen, für die die Lizenzvereinbarung galt (Fn. 2348). Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Lizenz jedes Risiko einer Verfolgung wegen Patentverletzung ausräumt und dass die Gewinne, die Krka dank der Lizenzvereinbarung erzielen konnte, somit gesicherter waren, doch hing die Bedeutung, die sie einem solchen Risiko beimaß, weitgehend davon ab, wie überzeugt sie von der Gültigkeit des Patents war. Der Umstand, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte, war demnach ein ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Entscheidung, einem begrenzten, aber durch die Lizenz geschützten Eintritt in die sieben genannten Märkte den Vorzug zu geben vor einem erweiterten, aber mit einem wegen der Stärke dieses Patents aus der Sicht von Krka erheblichen Patentverletzungsrisiko verbundenen Eintritt in die Märkte aller Mitgliedstaaten. 1000 Drittens ist zu den übrigen Faktoren, die den Anreizcharakter der Lizenzvereinbarung für Krka belegen sollen, zunächst darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass Krka die Opportunitätskosten einer Entscheidung gegen den Abschluss einer Vereinbarung auf über 10 Mio. Euro entgangener Gewinne in drei Jahren geschätzt hat (Rn. 1738 des angefochtenen Beschlusses), eher ein zusätzliches Indiz dafür, dass sie das Patent 947 für gültig hielt. Denn diese Gewinne entsprächen denen, die sie aus einem Eintritt in die von der Lizenzvereinbarung erfassten Märkte oder einem Verbleib in diesen zu erzielen erhoffte. Krka war demnach anscheinend der Ansicht, dass ohne eine Vereinbarung mit Servier ein Risikoeintritt in diese Märkte oder ein Verbleib in ihnen wenig wahrscheinlich oder gar ausgeschlossen war, was bestätigt, dass sie die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte. 1001 Sodann geht aus Rn. 1740 des angefochtenen Beschlusses, in der auf dessen Rn. 913 verwiesen wird, zwar hervor, dass die 18 bis 20 anderen Märkte „aus der Sicht von Krka traditionell weniger wichtig“ waren, doch waren die auf diesen Märkten erwarteten Gewinne keineswegs zu vernachlässigen (siehe oben, Rn. 999). 1002 Somit lässt sich anhand der in den vorstehenden Rn. 1000 und 1001 dargelegten Faktoren nicht der Nachweis erbringen, dass die Lizenzvereinbarung für Krka Anreizcharakter hatte. 1003 Viertens ist die von der Kommission getroffene Feststellung, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung eine Marktaufteilung zwischen Servier und Krka dargestellt hätten (vgl. die Überschrift von Abschnitt 5.5.3 des angefochtenen Beschlusses und u. a. dessen Rn. 1745), unbegründet. 1004 Was nämlich die sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Märkte angeht, stellt die Kommission zwar nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung für diesen Teil des Binnenmarkts fest, sie berücksichtigt aber das Verhalten von Servier und Krka auf diesen sieben Märkten, u. a. den Abschluss der von der Kommission als Anreiz eingestuften Lizenzvereinbarung, um das Vorliegen einer Marktaufteilung nachzuweisen, die auf einer Unterscheidung zwischen den 18 bis 20 anderen Mitgliedstaaten auf der einen und diesen sieben Mitgliedstaaten auf der anderen Seite beruht. 1005 Servier war indes nicht vom Markt der sieben Mitgliedstaaten ausgeschlossen, auf denen sie und Krka im Wettbewerb miteinander standen (siehe oben, Rn. 991). 1006 Somit war Krka aufgrund der Vereinbarungen kein Teil des Marktes vorbehalten. Daher kann nicht auf das Vorliegen einer Marktaufteilung im Sinne einer undurchlässigen Aufteilung dieses Teils des Marktes zwischen den Parteien der Vereinbarung geschlossen werden. 1007 Außerdem trug die Lizenzvereinbarung in diesen sieben Mitgliedstaaten zum Eintritt eines Generikaherstellers und Wettbewerbers des Herstellers des Originalpräparats in den Markt oder zu seinem Verbleib auf diesem bei. Sie hatte daher eine den Wettbewerb fördernde Wirkung gegenüber der zuvor bestehenden Situation, in der der Generikahersteller nur unter Risiko auf dem Markt verbleiben oder in ihn eintreten konnte, zumal die Gültigkeit des in Rede stehenden Patents, des Patents 947, gerade von den zuständigen Behörden bestätigt worden war (siehe oben, Rn. 970) und ein von Krka als hoch eingeschätztes Risiko bestand, dass ihr Erzeugnis das Patent verletzte. 1008 Dem ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen die dem Patent 947 entsprechenden nationalen Patente Servier auf einigen dieser sieben Märkte noch nicht erteilt worden waren, während Krka sein Erzeugnis bereits vermarktete (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses), nicht den Schluss auf das Fehlen einer wettbewerbsfördernden Wirkung der Lizenzvereinbarung erlaubt. Es trifft zwar zu, dass Krka schon vor der Lizenzvereinbarung in diese Märkte hätte eintreten können, ohne sich der unmittelbaren Gefahr einer Patentverletzungsklage auszusetzen, und dass die Lizenz folglich keine entscheidende Rolle für den Eintritt in diese Märkte gespielt hat, doch erlaubte diese Lizenz Krka, auf diesen Märkten zu verbleiben, ohne sich der Gefahr einer solchen Klage auszusetzen. 1009 Die in den vorstehenden Rn. 1007 und 1008 festgestellte wettbewerbsfördernde Wirkung der Lizenzvereinbarung bestätigt die Feststellung, dass keine Marktaufteilung hinsichtlich der sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Mitgliedstaaten vorlag. 1010 Die wettbewerbsfördernde Wirkung der Lizenzvereinbarung wird weiter bestätigt durch den folgenden Auszug aus der Antwort von Krka auf ein Auskunftsverlangen, der in Rn. 913 des angefochtenen Beschlusses wiedergegeben ist: „Die Erlangung einer Lizenz und die Rücknahme der Einsprüche erschienen Krka zu diesem Zeitpunkt als die beste Option – Perindopril sofort, d. h. ab 2006, auf den Hauptmärkten in Mittel- und Osteuropa zu verkaufen. Nach allen anderen Szenarien konnte eine Markteinführung erst frühestens zwei Jahre nach dem Juli 2006 erfolgen, und selbst nach diesem Zeitraum war eine Markteinführung nicht garantiert (Risiko der Aufrechterhaltung des Patents 947, Risiken der Entwicklung der Non-Alpha-Form).“ 1011 Der in der vorstehenden Rn. 1010 wiedergegebene Auszug bestätigt die Feststellung, dass Krka ein Verbleiben auf den Märkten der sieben von der Lizenzvereinbarung erfassten Mitgliedstaaten oder einen Eintritt in diese ohne diese Lizenzvereinbarung wegen des Patents 947 für unmöglich hielt (siehe oben, Rn. 999 und 1000). 1012 Hinsichtlich der 18 bis 20 anderen Märkte, d. h. des einzigen Teils des Marktes, für den die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung festgestellt hat, ist festzustellen, dass sich, da das Bestehen eines Anreizes nicht dargetan ist (siehe oben, Rn. 984), die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel aus einer legitimen Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits ergeben, mit der eine Lizenzvereinbarung verbunden ist (siehe oben, Rn. 963). Ein solches Vertragswerk, dem die Anerkennung der Gültigkeit des Patents zugrunde liegt, kann somit nicht als Marktausschlussvereinbarung eingestuft werden. 1013 Es gab demnach keinen Teil des Marktes, der widerrechtlich Servier vorbehalten gewesen wäre. 1014 Die Marktaufteilung, auf die die Kommission ihre Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ebenfalls gestützt hat, ist daher nicht nachgewiesen. 1015 Fünftens hat die Kommission nicht dargetan, dass Servier oder Krka die Absicht hatten, eine Marktausschluss- oder eine Marktaufteilungsvereinbarung zu schließen, oder dass Servier Krka dazu anreizen wollte, nicht mit ihr in Wettbewerb zu treten, oder dass Krka beabsichtigte, im Gegenzug zu einem als Anreiz wirkenden Vorteil davon abzusehen, Wettbewerbsdruck auf Servier auszuüben. 1016 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es üblich ist, dass die Tätigkeiten, mit denen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen und Vereinbarungen verbunden sind, insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn also die Kommission Schriftstücke findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren (Urteil vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 51). Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarungen sind jedoch echte Verträge, die zudem weithin bekannt gemacht worden sind (Rn. 915 des angefochtenen Beschlusses). Da die Kommission problemlos über den vollständigen Inhalt dieser Vereinbarungen verfügen konnte, ist die Übertragbarkeit der vorstehend angeführten Rechtsprechung weniger offensichtlich. Daher können zum Nachweis der Absichten der Parteien Ableitungen aus Auszügen aus Schreiben oder anderen Dokumenten nicht ohne Weiteres eine Schlussfolgerung in Frage stellen, die auf den Inhalt dieser Vereinbarungen selbst gestützt ist, d. h. auf die rechtlichen Bindungen, die die Parteien zueinander begründen wollten. 1017 Zu beachten ist ferner, dass sich im vorliegenden Fall die Absichten der Parteien beim Abschluss der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung am besten anhand von Dokumenten aus der Zeit nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 oder sogar nach der im Vereinigten Königreich gegen Krka ergangenen einstweiligen Verfügung erkennen lassen. Diese beiden Ereignisse veränderten nämlich erheblich den Kontext, in dem die Vereinbarungen geschlossen wurden, insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung, die Krka, aber auch Servier in der Frage der Gültigkeit des Patents 947 haben konnten. 1018 Was Krka angeht, betreffen die Dokumente, auf die sich die Kommission zur Bestimmung von deren Absichten stützt (vgl. u. a. Rn. 849 bis 854 und 1758 bis 1760 des angefochtenen Beschlusses sowie die Randnummern, auf die dort verwiesen wird), vor diesen beiden Ereignissen liegende Zeiträume. 1019 Die angeführten Auszüge sind jedenfalls zu fragmentarisch oder zu wenig eindeutig, als dass damit entgegen der mehrfach getroffenen Feststellung (siehe u. a. oben, Rn. 999, 1000 und 1011) der Nachweis erbracht werden kann, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 nicht anerkannte oder dass sie gar zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung die Absicht hatte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen zu schließen. 1020 In Bezug auf Servier besagt der einzige Dokumentenauszug aus der Zeit nach den beiden vorgenannten Ereignissen, der ihre wettbewerbswidrigen Absichten zeigen soll und auf den in dem diesen Absichten gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird (Rn. 1761 und 1762), Folgendes: „vier Jahre gewonnen = großer Erfolg“. 1021 Dieser Auszug ist im Protokoll einer Sitzung des hohen Managements von Servier enthalten, in dem auf das Urteil des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) vom 6. Juli 2007 Bezug genommen wird, wonach das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit im Verhältnis zum Patent 341 ungültig war. 1022 Selbst wenn aus diesem Auszug abgeleitet werden könnte, dass die Unternehmensleitung von Servier infolge dieses Urteils der Ansicht war, dass das Patent 947 Servier dazu diente, vier zusätzliche Schutzjahre zu gewinnen, erlaubt dies nicht den Schluss, dass Servier am 27. Oktober 2006, dem Tag der Unterzeichnung der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung, die Absicht hatte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen zu erreichen, und erst recht nicht den Nachweis, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung waren. 1023 Ferner lässt die Bemerkung eines anderen Generikaherstellers, wonach die „Rechtfertigung dieses Vergleichs … aus der Sicht von Servier anscheinend der Schutz der Hauptmärkte [ist], auf denen ein anhaltend hohes Niveau von Substitution und/oder [Freinamen‑]Verschreibung festzustellen ist“ (Rn. 1730 des angefochtenen Beschlusses), auch unter Berücksichtigung zusammen mit allen übrigen von der Kommission angeführten Indizien, nicht den Schluss zu, dass Servier beabsichtigte, Marktaufteilungs- oder ‑ausschlussvereinbarungen mit Krka zu schließen. 1024 Schließlich überzeugt auch die mehrfache Bezugnahme der Kommission im angefochtenen Beschluss auf ein Dokument mit dem Titel „Coversyl: Verteidigung gegen Generika“ nicht. Dieses Dokument stammt aus der Zeit vor der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 und der am 3. Oktober 2006 im Vereinigten Königreich gegen Krka ergangenen einstweiligen Verfügung, was seine Relevanz erheblich einschränkt (siehe oben, Rn. 1017). Zudem geht aus dem angefochtenen Beschluss selbst hervor, dass dieses Dokument nicht ausdrücklich die Strategie gegenüber Krka beschreibt, sondern allenfalls, dass sich „aus der Natur und der Struktur des Dokuments“ und aus dem „Kontext, in dem auf Krka Bezug genommen wird“, ergebe, dass eine Verteidigung gegen diese „ins Auge gefasst“ worden sei (Fn. 2386). Auch aus den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Auszügen aus diesem Dokument geht nicht hervor, dass Servier Zweifel an der Gültigkeit des Patents 947 zum Ausdruck gebracht hätte. 1025 Jedenfalls müsste die Kommission, um das Ergebnis, zu dem das Gericht oben in Rn. 985 gelangt ist, in Frage zu stellen und nachzuweisen, dass die in Rede stehenden Vereinbarungen entgegen dem Befund, zu dem die Untersuchung ihres Inhalts und des Kontexts ihres Abschlusses geführt hat, darauf abzielten, einen Wettbewerber zu kaufen, um ihn vom Markt auszuschließen, unter Berücksichtigung u. a. der Ausführungen in Rn. 1016 des vorliegenden Urteils ein Bündel von relevanten und übereinstimmenden Indizien vorlegen. Dies hat die Kommission nicht getan. 1026 Sechstens ist der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, kein entscheidender Gesichtspunkt für den Schluss auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung, da sich eine solche Aufrechterhaltung des Wettbewerbsdrucks auf Servier mit dem Wunsch von Krka erklären lässt, trotz der von ihr vorhergesehenen Prozessrisiken ihre Position in den Verhandlungen zu stärken, in die sie mit Servier treten könnte, um zu einer Vergleichsvereinbarung zu gelangen. 1027 Außerdem setzte die Fortsetzung des Patentrechtsstreits mit Servier Krka keinen neuen Risiken des Vorwurfs einer Patentverletzung aus. Dies erhöhte lediglich ihre Rechtsverfolgungskosten. Die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses beschränkte sich auf fünf mittel- und osteuropäische Märkte, da die Kommission im angefochtenen Beschluss angegeben hat, dass Krka „nach der Entscheidung [der Einspruchsabteilung] letztlich den Gedanken eines Risikomarkteintritts in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in andere westeuropäische Märkte auf[gab]“ (Rn. 1693). Zudem waren in fünf der sieben von der Lizenz erfassten Märkte die dem Patent 947 entsprechenden Patente noch nicht erteilt worden (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses). Somit waren die Risiken für Krka zumindest auf einigen Märkten, auf denen sie verblieben war, begrenzt. 1028 In Anbetracht der in den vorstehenden Rn. 1026 und 1027 dargelegten Gesichtspunkte erlaubt der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht den Schluss, dass die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 keinen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung des Patents 947 durch Krka und folglich auf deren Entscheidung hatte, in den Abschluss eines Vergleichs mit Servier einzuwilligen. 1029 Siebtens hat die Kommission zwar eine Reihe von Anhaltspunkten dafür vorgetragen, dass die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung Gegenstand von geschäftlichen Verhandlungen zwischen Servier und Krka waren, in denen Krka versuchte, größtmögliche Vorteile aus den Vereinbarungen zu ziehen, und sogar den Abschluss der Lizenzvereinbarung zur Bedingung für ihre Einwilligung in die Vermarktungsverbots- und die Nichtangriffsklausel machte (vgl. u. a. Rn. 913 und 1746 bis 1748 des angefochtenen Beschlusses), doch erlauben diese Anhaltspunkte, auch zusammen mit allen anderen von der Kommission geltend gemachten Faktoren berücksichtigt, nicht den Nachweis, dass die Lizenzvereinbarung keine zu normalen Marktbedingungen abgeschlossene Transaktion war, d. h., dass der in der Lizenzvereinbarung vorgesehene Gebührensatz von 3 % nicht aufgrund geschäftlicher Erwägungen gewählt wurde, sondern als Anreiz für Krka, die in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu akzeptieren. 1030 Zudem liegt dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde (siehe oben, Rn. 947). Somit genügt der Umstand, dass der Generikahersteller versucht, eine für seine Geschäftsinteressen möglichst günstige Lizenzvereinbarung zu erreichen, nicht, um darzutun, dass dieses Unternehmen die Vereinbarung nicht auf der Grundlage seiner Anerkennung der Gültigkeit des Patents abgeschlossen hat. 1031 Dem ist noch hinzuzufügen, dass eine für Krka günstige Vereinbarung dieser erlaubte, in die Teile des Marktes einzutreten, in denen ihre Position am stärksten war und wo sie ihr Erzeugnis am schnellsten vermarkten oder es weiter vermarkten konnte, was den Wettbewerb fördert. Somit decken sich die Interessen eines Generikaherstellers wie Krka, der versucht, vom Hersteller des Originalpräparats eine für seine Geschäftsinteressen möglichst günstige Lizenz zu erhalten, mit denen des Verbrauchers, da dank der Lizenzvereinbarung ein Generikahersteller rasch in den Markt eintritt oder auf diesem verbleibt. 1032 Nach alledem ist das oben in Rn. 985 dargelegte Ergebnis zu bestätigen, da die in Rede stehenden Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln keine so hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lassen, dass die Kommission sie zu Recht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung einstufen konnte. Dieser Klagegrund greift folglich durch. 2) Zu der Übertragungsvereinbarung i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1041 Vorab ist darzulegen, auf welche entscheidenden Gründe die Kommission im angefochtenen Beschluss ihre Schlussfolgerung gestützt hat, dass die Übertragungsvereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden konnte. 1042 Die Kommission hat zunächst zum einen festgestellt, dass Krka im Rahmen der Übertragungsvereinbarung zwei Patentanmeldungen an Servier übertragen habe, die eine betreffend ein Verfahren zur Synthese von Perindopril (WO 2005 113500) und die andere betreffend die Zubereitung der Formulierung von Perindopril (WO 2005 094793), und zum anderen, dass die durch diese Patente geschützte Technologie zur Herstellung des Perindoprils von Krka genutzt werde (Rn. 1770 des angefochtenen Beschlusses). 1043 Auf der Grundlage dieser Feststellung war die Analyse der Kommission darauf gerichtet, darzutun, dass die Übertragungsvereinbarung die Wettbewerbsposition von Servier und von Krka gestärkt habe, die sich aus der Marktaufteilung ergeben habe, die mit der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung erfolgt sei (Rn. 1766 und 1804 des angefochtenen Beschlusses). 1044 Was als Erstes Servier angeht, hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die Übertragung der Technologie von Krka unter spezifischen Marktbedingungen erfolgt sei, da es nur noch sehr wenige alternative Quellen für die Technologie von pharmazeutischen Wirkstoffen gegeben habe, die potenziell lebensfähig und von Servier unabhängig gewesen seien (Rn. 1766 und 1772 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge war die Technologie von Krka, die den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs genüge (Rn. 1766, 1770 und 1793 des angefochtenen Beschlusses), „ein Schlüsselelement für den Markteintritt“ (Rn. 1803 des angefochtenen Beschlusses). 1045 In Rn. 1772 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission Folgendes ausgeführt: „Servier hat dadurch, dass sie Krka die Möglichkeit genommen hat, unbeschränkt Lizenzen zu erteilen oder ihre Technologie an Dritte, d. h. an andere Generikahersteller, zu übertragen, Dritten effektiv den Zugang zu einer möglichen Quelle von Wettbewerb auf der Grundlage der Technologie von Krka versperrt. Diese Technologie hätte z. B. als Plattform für neue Patentanfechtungen dienen können. In Verbindung mit der Krka-Vergleichsvereinbarung bot die Übertragungs- und Lizenzvereinbarung Servier so einen absoluten Schutz gegen jeden verbleibenden, von der Technologie von Krka ausgehenden potenziellen Wettbewerb.“ 1046 Somit war nach Ansicht der Kommission Servier mit dem Erwerb der Technologie von Krka sicher, dass diese eine Technologie, die sich für andere Generikahersteller als nützlich hätte erweisen können, nicht mehr übertragen konnte. Daraus hat die Kommission abgeleitet, dass die Übertragungsvereinbarung Servier ermöglichte, den Schutz, den sie bereits durch die in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln genoss, zu verstärken (Rn. 1805 und 1806 des angefochtenen Beschlusses). 1047 Was als Zweites Krka betrifft, befand die Kommission, dass dieser nicht nur „bewusst war, dass der Erwerb der Perindopril-Technologie durch Servier zu einer Ausschaltung der konkurrierenden Generikahersteller führen konnte“ (Rn. 1800 des angefochtenen Beschlusses), sondern dass sie vor allem Nutzen aus der ihr im Rahmen der Lizenzvereinbarung gewährten Lizenz ziehe. 1048 Zum letztgenannten Aspekt hat die Kommission darauf hingewiesen, dass Krka ihre Technologie auf den Märkten der sieben Mitgliedstaaten weiter verwenden könne, in denen sie ihr Erzeugnis dank der Lizenzvereinbarung vermarkten könne (Rn. 1806 des angefochtenen Beschlusses). Der Kommission zufolge war die Technologie von Krka aber nützlich für die Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril in einem Reinheitsgrad, der den Anforderungen des Europäischen Arzneibuchs genügte. Krka habe damit die günstige Position, die sie auf diesen sieben Märkten bereits dank der Lizenzvereinbarung innegehabt habe, durch die Übertragungsvereinbarung beibehalten können. 1049 Die Kommission schloss daraus, dass die Übertragungsvereinbarung die Stärkung der mit der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung erfolgten Marktaufteilung zum Ziel gehabt habe (Rn. 1803 und 1810 des angefochtenen Beschlusses). 1050 Zudem seien der Abschluss der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung sowie der Übertragungsvereinbarung Teil einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, die den Wettbewerb durch eine Aufteilung des Perindopril-Markts in der Union durch Servier und Krka beschränke (Rn. 1811 des angefochtenen Beschlusses). 1051 Zum Abschluss des Teils des angefochtenen Beschlusses, der der Analyse der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die verschiedenen Vereinbarungen zwischen Servier und Krka gewidmet ist, hat die Kommission festgestellt, dass die Vereinbarungen „das Ziel verfolgten, die Märkte durch Vermeidung oder Beschränkung des Wettbewerbs durch Generika zwischen und gegenüber Krka und Servier aufzuteilen“ (Rn. 1812). 1052 Die Kommission hat schließlich befunden, dass mit der Übertragungsvereinbarung nur eine „zusätzliche“ Verzerrung eingeführt worden sei, wie es in der Überschrift von Abschnitt 5.5.3.4 des angefochtenen Beschlusses heißt. 1053 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die von der Kommission getroffene Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die Übertragungsvereinbarung, wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, auf der zuvor getroffenen Feststellung des Vorliegens einer Marktaufteilung durch die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung beruht. 1054 Wie oben in Rn. 1014 dargelegt, ist diese zuvor getroffenen Feststellung indes unrichtig. 1055 Folglich kann auch die von der Kommission getroffene Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung durch die Übertragungsvereinbarung nur verworfen werden. 1056 Dem ist hinzuzufügen, dass die Übertragungsvereinbarung keine zu der Vergleichsvereinbarung akzessorische Vereinbarung im Sinne der Ausführungen oben in den Rn. 797 bis 803 ist. 1057 Diese Übertragungsvereinbarung wurde nämlich nicht an demselben Tag geschlossen wie die Vergleichsvereinbarung, es besteht kein Zusammenhang zwischen diesen beiden Vereinbarungen, und die Kommission hat nicht nachgewiesen, dass sie untrennbar voneinander sind (siehe oben, Rn. 798). 1058 Die Kommission hat sogar ausgeführt, dass keinerlei Zusammenhang zwischen der Zahlung von 30 Mio. Euro durch Servier an Krka im Rahmen der Übertragungsvereinbarung einerseits und der Vergleichsvereinbarung andererseits in dem Sinne bestehe, dass diese Zahlung keinen Anreiz für Krka dargestellt habe, sich den Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln in der Vergleichsvereinbarung zu unterwerfen. Dies geht u. a. aus folgenden Auszügen aus dem angefochtenen Beschluss hervor: „(1678) Zwei Monate später erwarb Servier von Krka für 30 Mio. Euro Anmeldungen von Patenten für konkurrierende Technologien für die Herstellung von Perindopril. Nach Ansicht von Krka befürchtete Servier, dass diese Technologie an andere Wettbewerber übertragen oder in Lizenz vergeben werden könnte. Zwar gibt es bestimmte Anhaltspunkte dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der Vergleichsvereinbarung und der Zahlung von 30 Mio. [Euro] durch Servier besteht, doch wird im vorliegenden Beschluss insoweit kein Schluss gezogen und die Analyse dieser Vereinbarungen beruht nicht auf dem Bestehen eines solchen Zusammenhangs. … (Fn. 2419) Servier bestreitet einen Zusammenhang zwischen der Zahlung für die Patentanmeldungen und der Vergleichsvereinbarung (Antwort von Servier auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, Rn. 1084, ID 10114, S. 363). Wie sich offenkundig aus Abschnitt 5.5.3.3.3 ergibt, wird im Rahmen der Beurteilung der Krka-Vergleichsvereinbarung die Zahlung von 30 Mio. [Euro] nicht als Anreiz für Krka angesehen, die restriktiven Bestimmungen der Vergleichsvereinbarung zu akzeptieren, und die Frage eines Zusammenhang zwischen der Vergleichsvereinbarung sowie der Übertragungsvereinbarung und der Lizenzvereinbarung wird als nicht entscheidend offengelassen. …“ 1059 Somit lässt sich der Übertragungsvereinbarung nicht das Bestehen eines Anreizes entnehmen, der sich nach Ansicht der Kommission aus der Lizenzvereinbarung ergeben und den Schluss darauf rechtfertigen soll, dass die Vergleichsvereinbarung in Wirklichkeit auf den Ausschluss eines Wettbewerbers von Servier gezielt habe. 1060 Nach alledem hat die Kommission in Bezug auf die Übertragungsvereinbarung zu Unrecht auf das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen. Der vorliegende Klagegrund greift daher durch. b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1075 Der Beurteilungs- und der Rechtsfehler betreffend die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung sind zusammen zu prüfen. 1076 Hierzu hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als verboten anzusehen ist, der Wettbewerb zu betrachten ist, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde (Urteile vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 303, und vom 6. April 2006, General Motors/Kommission, C‑551/03 P, EU:C:2006:229, Rn. 72; vgl. auch Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit muss ein Vergleich zwischen dem Wettbewerb, wie er bei Vorliegen der Vereinbarung bestand, und dem Wettbewerb, wie er ohne diese Vereinbarung bestanden hätte, ergeben, dass die Anwendung dieser Vereinbarung zu einer Wettbewerbsstörung geführt hat. 1077 Einleitend ist zu klären, nach welchem Ansatz die Kommission im angefochtenen Beschluss die bewirkte Wettbewerbsbeschränkung insbesondere im Hinblick auf den in der vorstehenden Rn. 1076 angesprochenen Vergleichsabschnitt geprüft hat. i) Zum Ansatz der Kommission 1078 Zunächst ist auf einige der allgemeinen, für sämtliche Vereinbarungen zwischen Servier und den von dem angefochtenen Beschluss betroffenen Generikaherstellern geltenden Ausführungen der Kommission in Abschnitt 5.1.7 des angefochtenen Beschlusses mit der Überschrift „Beurteilung der Patentvergleichsvereinbarungen gegen umgekehrte Zahlung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV“ einzugehen. 1079 Die Kommission hat u. a. dargelegt, dass die Prüfung der Wettbewerbsbedingungen auf einem bestimmten Markt „nicht nur auf den bestehenden Wettbewerb zwischen den auf dem relevanten Markt bereits tätigen Unternehmen, sondern auch auf den potenziellen Wettbewerb gestützt werden“ müsse (Rn. 1215 des angefochtenen Beschlusses). 1080 In Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass nach den Leitlinien zur Anwendung von Artikel [101] Absatz 3 [AEUV] (ABl. 2004, C 101, S. 97) die „tatsächlichen wie auch die potenziellen Auswirkungen“ einer Vereinbarung zu berücksichtigen seien, wobei es ausreiche, dass „wettbewerbswidrige Wirkungen … zu erwarten“ seien. Hierfür verweist sie auf Ziff. 24 dieser Leitlinien, die auf das Urteil vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission (C‑7/95 P, EU:C:1998:256, Rn. 77), gestützt ist. 1081 Die Kommission hat sodann ihre Methode dargelegt. Sie werde die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarung dartun, indem sie in einem ersten Schritt nachweise, dass jede von ihnen zur Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers geführt habe, und in einem zweiten Schritt, dass die Ausschaltung eines einzigen Wettbewerbers „Auswirkungen auf die Struktur des Wettbewerbs haben konnte“ (Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses). 1082 Nach Ansicht der Kommission brauchte sie somit nach der Feststellung der Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers nur noch wettbewerbswidrige Wirkungen nachzuweisen, die eintreten „konnten“, d. h. „potenzielle“ Auswirkungen auf den Wettbewerb (siehe oben, Rn. 1080). 1083 In Rn. 1220 des angefochtenen Beschlusses die Kommission Folgendes ausgeführt: „Die Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen muss auf der Grundlage der bei Abschluss des Vergleichs vorliegenden Tatsachen erfolgen, wobei zu berücksichtigen ist, wie die Vereinbarung tatsächlich angewandt worden ist. Einige Parteien sind anderer Ansicht und machen geltend, die Beurteilung müsse alle späteren tatsächlichen Entwicklungen berücksichtigen und dürfe sich nicht hauptsächlich auf die bei Abschluss der Vereinbarungen bestehende Lage stützen. … [W]enn es um die Ausschaltung des potenziellen Wettbewerbs geht, [hat] die tatsächliche spätere Entwicklung möglicherweise wenig mit dem zu tun, was ohne die Vereinbarung wahrscheinlich eingetreten wäre, eine Schlüsselfrage für die wettbewerbliche Beurteilung. Dies gilt umso mehr, wenn die Vereinbarung deutlich den Anreiz für eine oder für beide Parteien verändert, weiter miteinander zu konkurrieren.“ 1084 In den ersten beiden Sätzen dieser Randnummer, deren Formulierung wenig eindeutig ist, hat die Kommission anerkannt, dass sie sich nicht für jede Vereinbarung auf alle späteren tatsächlichen Entwicklungen nach deren Abschluss, sondern zumindest im Wesentlichen auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses bestehenden Tatsachen stützen werde. Zur Rechtfertigung dieses Ansatzes hat sie sodann auf den Begriff „potenzieller Wettbewerb“ verwiesen und ausgeführt, wenn es um die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers gehe, sei die Berücksichtigung bestimmter tatsächlicher Vorgänge, insbesondere solcher aus der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarung, weniger relevant im Hinblick auf eine der Größen des oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleichs, nämlich den Wettbewerb, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde. 1085 Ein solcher Ansatz ergibt sich auch aus einem Auszug aus Rn. 1264 des angefochtenen Beschlusses, in dem die Kommission ausgeführt hat, wenn es um die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers gehe, seien die „künftigen potenziellen Wirkungen“ der Vereinbarungen zu untersuchen. 1086 Die in der vorstehenden Rn. 1085 zitierte Randnummer des angefochtenen Beschlusses steht in dem mit „Vorherrschende Marktstruktur bei Abschluss der Vergleichsvereinbarungen“ überschriebenen Abschnitt dieses Beschlusses, der hauptsächlich der Beschreibung der schrittweisen Ausschaltung der potenziellen Wettbewerber von Servier durch den Abschluss der streitigen Vereinbarungen gewidmet ist (Rn. 1244 bis 1269 des angefochtenen Beschlusses). 1087 Die Kommission hat zwar in diesem Abschnitt bestimmte Ereignisse angeführt, die tatsächlich während der Durchführung der Vereinbarungen eingetreten seien und den Schluss zuließen, dass weiter ein Wettbewerbsdruck von zwei Generikaherstellern ausgegangen sei, die keine Vereinbarung mit Servier geschlossen hätten. So hat die Kommission festgestellt, dass das Patent 947 im Vereinigten Königreich für ungültig erklärt worden sei, weil eines dieser beiden Unternehmen, Apotex, den Rechtsstreit, den es dort angestrengt habe, weiterverfolgt habe. 1088 Die Kommission hat jedoch ausgeführt, nach dem Abschluss der streitigen Vereinbarungen zwischen Servier und verschiedenen Generikaherstellern habe noch eine sehr reale „Möglichkeit“ bestanden, dass Servier den Abschluss einer Vereinbarung mit Apotex und mit dem anderen Unternehmen, das eine Bedrohung für sie darstellen könne, suchen werde (Rn. 1268), obwohl der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bekannt war, dass solche Vereinbarungen nicht geschlossen worden waren. 1089 Das in der vorstehenden Rn. 1088 erwähnte Vorbringen der Kommission bestätigt, dass diese sich zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), auf einen hypothetischen Ansatz gestützt hat, der zum Teil den späteren tatsächlichen Geschehensablauf, insbesondere nach dem Abschluss der Vereinbarung, außer Betracht lässt. 1090 Die Prämisse, sie brauche im Fall einer Vereinbarung, durch die ein potenzieller Wettbewerber ausgeschaltet werde, nur die potenziellen Wirkungen dieser Vereinbarung darzutun, also solche, die die Vereinbarung haben „kann“, erlaubt es der Kommission, die Beschreibung des Wettbewerbs, wie er ohne die Vereinbarung bestanden hätte, auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ zu stützen statt auf den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte. 1091 Hierzu hat die Kommission in Rn. 152 ihrer Klagebeantwortung ausgeführt: „… Servier macht geltend, die Kommission habe die richtige kontrafaktische Situation nicht berücksichtigt. Die Kommission weist diese Kritik zurück. Die Ereignisse, die zeigen, ob ein potenzieller Wettbewerber schließlich zu einem wirklichen wird oder ob ihm der Markteintritt nicht gelingt, sind nur von begrenzter Bedeutung, denn der Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung in einem Kontext, in dem es keine tatsächlichen Wettbewerber gibt und die Zahl potenzieller Wettbewerber sehr gering ist, hat als solcher eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung, die in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV fällt. Die wesentliche Frage ist, ob der Generikahersteller die Voraussetzungen dafür erfüllt, als potenzieller Wettbewerber angesehen zu werden. Das Unternehmen kann aus allen möglichen Gründen vom Markt verschwinden oder nie in diesen eintreten, die nichts daran ändern, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung eine hinreichend ernsthafte Bedrohung dargestellt hat.“ 1092 Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, war die Kommission der Ansicht, dass sie sich nach dem Nachweis, dass eine Vereinbarung einen potenziellen Wettbewerber ausschloss, für die Feststellung, welcher Wettbewerb ohne diese Vereinbarung bestanden hätte, nicht mehr auf die tatsächlich, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung eingetretenen Ereignisse zu stützen brauchte. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“ (siehe oben, Rn. 1080 und 1085), dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ stützen könne. 1093 Nach dieser Darstellung des allgemeinen Ansatzes der Kommission ist zu prüfen, ob sie im besonderen Rahmen der Analyse der Auswirkungen der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen auf den Wettbewerb in einer diesem allgemeinen Ansatz entsprechenden Weise vorgegangen ist. 1094 In den Rn. 1813 und 1814 des angefochtenen Beschlusses, d. h. in den ersten Randnummern des Abschnitts über die Einstufung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung, hat die Kommission dargelegt, Gegenstand ihrer Ausführungen in diesem Abschnitt sei die Frage, ob die in Rede stehenden Vereinbarungen „wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben konnten“. Auch in der Überschrift der Schlussfolgerung des Abschnitts über die Einstufung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung heißt es, dass diese Vereinbarungen „wettbewerbswidrige Wirkungen haben [können]“. In ihrer Klagebeantwortung schließlich hat die Kommission bekräftigt, dass in dem „Beschluss geprüft worden [ist], ob die Vereinbarungen wettbewerbswidrige Wirkungen haben konnten“ (Rn. 135). 1095 Aus den von der Kommission gebrauchten, in der vorstehenden Rn. 1094 wiedergegebenen Worten ergibt sich, dass ihr Ansatz auf der Feststellung potenzieller Wirkungen der Vereinbarungen beruht (siehe oben, Rn. 1080). 1096 Ferner hat sich die Kommission für den oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleich darauf gestützt, dass Krka ohne Vereinbarung weiter eine „wettbewerbliche Bedrohung“ für Servier dargestellt hätte (Rn. 1828 und 1830 des angefochtenen Beschlusses). 1097 Auf den ersten Blick verweist diese „wettbewerbliche Bedrohung“, die mit den Vereinbarungen beseitigt worden sein soll, durch ihren hypothetischen Charakter eher auf potenzielle denn auf tatsächliche Auswirkungen auf den Wettbewerb. 1098 Die Beseitigung der in den vorstehenden Rn. 1096 und 1097 erwähnten „wettbewerblichen Bedrohung“ ist aber für die Kommission ein wesentliches Element ihrer Darlegung, mit der sie nachweisen will, dass die Wettbewerbssituation auf dem Markt sich wegen der Vergleichsvereinbarung verschlechtert habe (siehe oben, Rn. 1076). 1099 In der Folge widmet die Kommission zwar im Zusammenhang mit der von ihr zuvor festgestellten Marktmacht von Servier (Rn. 1817 bis 1819 des angefochtenen Beschlusses) einen Teil des angefochtenen Beschlusses der Struktur des betreffenden Marktes, der durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet sei (Rn. 1835 bis 1846). 1100 Der notwendige Ausgangspunkt für die Analyse der Struktur des Marktes ist jedoch die zuvor im vorhergehenden Abschnitt getroffene Feststellung, dass ohne eine Vereinbarung eine „wettbewerbliche Bedrohung“ (Rn. 1825 bis 1834) bestehe. 1101 Die Kommission schließt die Analyse der Struktur des betreffenden Marktes mit dem Hinweis auf das Bestehen einer sehr realen Möglichkeit ab, dass die bei Unterzeichnung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen noch verbleibenden Quellen von Wettbewerb durch eine künftige Vereinbarung oder ein anderes Mittel vom Wettbewerb ausgeschlossen würden, ohne jedoch anzugeben, ob dies während der Zeit der Anwendung der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen der Fall war (Rn. 1846 des angefochtenen Beschlusses). 1102 Der in der vorstehenden Rn. 1101 erwähnte Umstand bestätigt die bereits oben in Rn. 1092 enthaltene Darlegung. Die Kommission war demnach der Ansicht, dass sie, wenn sie nachgewiesen habe, dass die Vergleichsvereinbarung Krka ausgeschlossen habe und dass diese zumindest ein potenzieller Wettbewerber von Servier gewesen sei, zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), nicht gehalten gewesen sei, den tatsächlichen Geschehensablauf zu berücksichtigen, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses dargestellt habe. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“, dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder „Möglichkeiten“ stützen könne. 1103 Die von der Kommission vorgenommene Analyse der Vereinbarungen zwischen Servier und Krka entsprach daher der allgemeinen Orientierung, die sich die Kommission für die Prüfung der verschiedenen im angefochtenen Beschluss als Zuwiderhandlungen angesehenen Vergleichsvereinbarungen gegeben hatte. 1104 Nach der Darstellung des Ansatzes der Kommission hinsichtlich des oben in Rn. 1076 erwähnten Vergleichsabschnitts der Untersuchung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung ist zu prüfen, ob die Kommission in Bezug auf die Vereinbarungen zwischen Servier und Krka zu Recht auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen hat. 1105 Diese Prüfung erfordert zunächst eine Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung. 1106 Insbesondere ist in Anbetracht des von der Kommission verfolgten Ansatzes und des zentralen Platzes, den in ihren Erwägungen die zahlreichen Bezugnahmen auf die „potenziellen Wirkungen“ der Vereinbarungen und darauf einnehmen, dass diese „wettbewerbsbeschränkende Wirkungen habe konnten“, auf die zum Teil bereits oben in Rn. 1080 und in der Sitzung angeführte Rechtsprechung hinzuweisen, wonach die potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, einer abgestimmten Verhaltensweise oder eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung zu berücksichtigen sind, um zu bestimmen, ob solche Maßnahmen in den Anwendungsbereich von Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. ii) Die im vorliegenden Fall einschlägige Rechtsprechung 1107 Der Gerichtshof hat zwar in Vorabentscheidungsverfahren häufig den Grundsatz bekräftigt, dass Art. 101 Abs. 1 AEUV die Beurteilung einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt beschränkt, sondern dass auch potenzielle Auswirkungen zu berücksichtigen sind (Urteile vom 21. Januar 1999, Bagnasco u. a., C‑215/96 und C‑216/96, EU:C:1999:12, Rn. 34, vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, EU:C:2006:734, Rn. 50, vom 28. Februar 2013, Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas, C‑1/12, EU:C:2013:127, Rn. 71, und vom 26. November 2015, Maxima Latvija, C‑345/14, EU:C:2015:784, Rn. 30), er hatte jedoch nur selten Gelegenheit, selbst zu prüfen, ob eine Verhaltensweise oder eine Vereinbarung potenzielle Wirkungen entfalteten, die den Schluss auf das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung zuließen. 1108 Erstmals hat der Gerichtshof die potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung im Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission (142/84 und 156/84, EU:C:1987:490), berücksichtigt. In der mit diesem Urteil entschiedenen Rechtssache hatte die Kommission eine Beschwerde zurückgewiesen und festgestellt, dass die mit dieser Beschwerde beanstandeten Vereinbarungen nicht gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstießen (Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 1). Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Kommission, wenn sie feststellt, dass eine Vereinbarung nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, nicht nur die Wirkungen zu berücksichtigen hat, die die Klauseln dieser Vereinbarung zum Zeitpunkt ihrer Prüfung durch die Kommission hatten, sondern auch die Wirkungen, die sie in Zukunft in Anbetracht der noch nicht verwirklichten Möglichkeiten haben könnten, die sie den Parteien eröffneten. In jener Rechtssache räumte eine Vereinbarung über den Erwerb von Beteiligungen am Kapital eines konkurrierenden Unternehmens dem investierenden Unternehmen die Möglichkeit ein, seine Position später durch die Erlangung der effektiven Kontrolle über das andere Unternehmen zu stärken, was Auswirkungen auf die untersuchte Wettbewerbslage haben konnte (Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 37, 39, 54, 57 und 58). 1109 Somit muss die Kommission nach dem in der vorstehenden Rn. 1108 genannten Urteil bei der Prüfung der Wirkungen einer Vereinbarung nicht nur die tatsächlichen Wirkungen der Klauseln berücksichtigen, die bereits zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses durchgeführt werden, sondern auch die potenziellen Wirkungen der noch nicht durchgeführten Klauseln. 1110 Der Gerichtshof hat die Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung später im Urteil vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission (C‑7/95 P, EU:C:1998:256), gebilligt. In der mit diesem Urteil entschiedenen Rechtssache ging es um eine Entscheidung der Kommission über einen Antrag nach Art. 2 der Verordnung Nr. 17 auf Erteilung eines Negativattests für eine bei ihr angemeldete Entscheidung, mit dem die Kommission auf Antrag der beteiligten Unternehmen feststellen konnte, dass für sie kein Anlass zum Eingreifen bezüglich einer Vereinbarung bestand. In ihrer Entscheidung hatte die Kommission festgestellt, dass die ihr vorgelegte Vereinbarung eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung darstellte. 1111 In dieser Rechtssache haben das Gericht und danach der Gerichtshof diese Feststellung bestätigt, die auf dem Vorliegen potenzieller Wirkungen beruhte. 1112 Die Klägerin berief sich darauf, dass das in der Vereinbarung vorgesehene System des Informationsaustauschs während mehrerer Jahre vor der Anmeldung und der Stellung des Antrags auf ein Negativattest angewandt worden sei, und machte geltend, die Beurteilung durch die Kommission müsse sich auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen dieses Informationsaustauschs beschränken. Das Gericht hat dieses Vorbringen jedoch als unbeachtlich zurückgewiesen, da nach dem Vertrag sowohl tatsächliche als auch potenzielle wettbewerbswidrige Wirkungen verboten sind (Urteil vom 27. Oktober 1994, Deere/Kommission, T‑35/92, EU:T:1994:259, Rn. 59 und 61). 1113 Der Befund, dass das Vorbringen, die in Rede stehenden Vereinbarungen oder Verhaltensweisen seien bereits angewandt worden, ins Leere geht, ist jedoch zu nuancieren. 1114 Erstens lagen nämlich in jener Rechtssache besondere Umstände vor, da die Vereinbarung, für die das Negativattest beantragt worden war, an die Stelle einer früheren Vereinbarung getreten war, die nicht bei der Kommission angemeldet worden war. Die Kommission hatte demnach darüber zu entscheiden, ob diese neue Vereinbarung und nicht die vorangegangene mit den Wettbewerbsregeln im Einklang stand. Es ist somit nicht sicher, ob die Kommission trotz der Ähnlichkeit der beiden Vereinbarungen aus der Anwendung der vorangegangenen Vereinbarung endgültige Schlüsse für diese neue Vereinbarung hätte ziehen können. Die neue Vereinbarung war nur wenige Monate lang angewandt worden, bevor die Beteiligten ihre Aussetzung beschlossen. Die Kommission verfügte daher nicht über den nötigen Abstand für die Prüfung ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb (Urteil vom 27. Oktober 1994, Deere/Kommission, T‑35/92, EU:T:1994:259, Rn. 2 und 4). 1115 Zweitens hat das Gericht im Rahmen der Prüfung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung auf den Wettbewerb im Urteil vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission (T‑168/01, EU:T:2006:265, Rn. 163), aus der Tatsache, dass die Anwendung der betreffenden Vereinbarung nur einige Monate nach ihrem Inkrafttreten bis zum Erlass der in jener Rechtssache angefochtenen Entscheidung der Kommission ausgesetzt worden war, geschlossen, dass die von der Kommission vorgenommene Prüfung so zu verstehen war, dass sie sich hauptsächlich mit den potenziellen Auswirkungen dieser Bedingungen auf den Wettbewerb befasste. 1116 Das Gericht hat in diesem Urteil somit einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen der fehlenden Anwendung der in Rede stehenden Vereinbarung und der von der Kommission vorgenommenen Prüfung ihrer potenziellen Wirkungen hergestellt. 1117 Drittens hat das Gericht im Urteil vom 30. Juni 2016, CB/Kommission (T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379, Rn. 243, 247, 248 und 250), die potenziellen Wirkungen eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung auf den Wettbewerb geprüft, indem es die Auswirkungen berücksichtigt hat, die die fraglichen Maßnahmen hätten, wenn sie angewandt würden, womit wiederum ein Zusammenhang zwischen der Prüfung der potenziellen Wirkungen des Beschlusses der Vereinigung und dem Umstand hergestellt wurde, dass er noch nicht angewandt worden war. Die Kommission hatte in der angefochtenen Entscheidung (Entscheidung K[2007] 5060 endg. vom 17. Oktober 2007 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] [COMP/D1/38.606 – Groupement des cartes bancaires „CB“]) die Analyse der potenziellen Wirkungen, d. h. der Wirkungen, die die Maßnahmen entfalten würden, wenn ihre Aussetzung aufgehoben würde (Rn. 261 ff.), von der Analyse der Wirkungen unterschieden, die im Zeitraum der Anwendung der in Rede stehenden Maßnahmen eingetreten waren (Rn. 310 ff.). 1118 In den Rechtssachen, in denen die Urteile vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission (T‑168/01, EU:T:2006:265), und vom 30. Juni 2016, CB/Kommission (T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379), ergangen sind, hatte die Kommission keine Sanktion gegen die betroffenen Unternehmen verhängt, sondern ihnen aufgegeben, die in Rede stehende Zuwiderhandlung unverzüglich zu beenden. 1119 Zudem ging in den in der vorstehenden Rn. 1118 genannten Rechtssachen die Befassung der Kommission auf die betroffenen Unternehmen zurück (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2006, GlaxoSmithKline Services/Kommission, T‑168/01, EU:T:2006:265, Rn. 10, und vom 30. Juni 2016, CB/Kommission, T‑491/07 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:379, Rn. 8). 1120 Somit ging es in den meisten Fällen, in denen die Unionsgerichte zur Beurteilung einer Vereinbarung, einer abgestimmten Verhaltensweise oder eines Beschlusses einer Unternehmensvereinigung die Rechtsprechung herangezogen haben, wonach eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung aufgrund der potenziellen Wirkungen dieser Maßnahmen festgestellt werden kann, nicht um einen Beschluss der Kommission, mit dem ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung geahndet wurde, sondern um einen Kommissionsbeschluss, mit dem ein solches Verhalten in Anbetracht der Wirkungen, die die in Rede stehenden Maßnahmen im Fall ihrer Anwendung haben könnten, verhindert werden sollte. So lag der Fall auch in der Rechtssache, in der das Urteil vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission (142/84 und 156/84, EU:C:1987:490), ergangen ist und in der die Kommission eine Beschwerde nach der Prüfung der Wirkungen zurückgewiesen hatte, die eine Klausel der Vereinbarung hätte haben können, wenn die in ihr vorgesehene Möglichkeit umgesetzt worden wäre. 1121 Somit gibt es im Kartellbereich keinen Präzedenzfall, in dem der Gerichtshof oder das Gericht entschieden hätte, dass sich die Kommission allein auf die potenziellen Wirkungen der betreffenden Maßnahme stützen kann, um festzustellen, dass eine Zuwiderhandlung begangen worden sei, und auf der Grundlage einer solchen Feststellung eine Geldbuße gegen die Urheber dieser Zuwiderhandlung verhängen kann. 1122 Wenn die Klauseln einer Vereinbarung durchgeführt worden sind und ihre Auswirkungen auf den Wettbewerb anhand der relevanten tatsächlichen Entwicklungen, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung, die vor dem Beschluss der Kommission eingetreten sind, gemessen werden können, erschiene es aber paradox, der Kommission zu erlauben, sich damit zu begnügen, die wettbewerbswidrigen Wirkungen darzutun, die diese Klauseln haben könnten, und zu diesem Zweck den oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleich vorzunehmen, ohne diese Entwicklungen zu berücksichtigen (siehe oben, Rn. 1084, 1092 und 1102). 1123 Es erschiene ebenfalls paradox, der Kommission zu erlauben, sich für die Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung in der Form einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung begangen worden ist (und demgemäß mit einer Geldbuße geahndet werden kann), nur darauf zu stützen, dass die durchgeführten Klauseln einer Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben könnten, und nicht darauf, dass sie solche Wirkungen hatten, obwohl der Gerichtshof entschieden hat, dass eine Entbindung von der Beweispflicht für die wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Vereinbarung nur aus deren Einstufung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung folgen kann, die nur Vereinbarungen erfassen sollte, die als derart geeignet angesehen werden können, negative Auswirkungen auf insbesondere den Preis, die Menge oder die Qualität der Waren und Dienstleistungen zu haben, dass für die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV der Nachweis, dass sie konkrete Auswirkungen auf den Markt haben, als überflüssig erachtet werden kann (Urteil vom 11. September 2014, CB/Kommission, C‑67/13 P, EU:C:2014:2204, Rn. 51). Könnte sich die Kommission bei durchgeführten Vereinbarungen allein auf deren mögliche Wirkungen stützen, um darzutun, dass sie eine wettbewerbswidrige Wirkung hatten, verlöre die in Art. 101 Abs. 1 AEUV geschaffene Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen ihre Bedeutung. 1124 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die oben in den Rn. 1107 bis 1120 angeführte Rechtsprechung zur Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen von Vereinbarungen im Bereich der bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nicht herangezogen werden kann, wenn die in Rede stehenden Vereinbarungen durchgeführt worden sind und die Kommission die Begehung einer Zuwiderhandlung festgestellt und deshalb eine Geldbuße gegen die Parteien der Vereinbarungen verhängt hat. 1125 Zudem ist die in der vorstehenden Rn. 1124 erwähnte Rechtsprechung von der Rechtsprechung zur Berücksichtigung der Auswirkungen einer Begrenzung des Wettbewerbs, einschließlich einer nur potenziellen, zu unterscheiden. 1126 Im Urteil vom 12. Juni 1997, Tiercé Ladbroke/Kommission (T‑504/93, EU:T:1997:84, Rn. 157 bis 160), das in Rn. 1217 des angefochtenen Beschlusses angeführt wird, hat das Gericht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission geprüft, mit der diese eine Beschwerde u. a. mit der Begründung zurückgewiesen hatte, dass mangels eines tatsächlichen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt die streitige Vereinbarung nicht unter Art. 85 Abs. 1 des Vertrags, nunmehr Art. 101 Abs. 1 AEUV, falle. Das Gericht hat entschieden, dass die Kommission nicht alle ihr von der Klägerin mitgeteilten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft hat, da die Vereinbarung den potenziellen Wettbewerb beschränken konnte. Es hat daher die angefochtene Entscheidung insoweit aufgehoben. 1127 Aus einem solchen Präzedenzfall, der die Zurückweisung einer Beschwerde betraf, kann nicht abgeleitet werden, dass der bloße Umstand, dass eine Vereinbarung den potenziellen Wettbewerb beschränken „kann“, notwendig zur Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung führt, sondern eher, dass die Kommission die Möglichkeit einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nicht von vornherein ausschließen kann, wenn eine Vereinbarung nur einen potenziellen und nicht einen tatsächlichen Wettbewerb beschränken kann. 1128 Wenn die Kommission einen Beschluss erlässt, mit dem sie die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV feststellt, was ihr die Verhängung einer Geldbuße gegen die Urheber dieser Zuwiderhandlung auf der Grundlage dieser Feststellung erlaubt, entbindet sie der bloße Nachweis des Bestehens eines potenziellen Wettbewerbs und einer Begrenzung der Handlungsfreiheit eines potenziellen Wettbewerbers nicht von einer Analyse der tatsächlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Maßnahme auf den Wettbewerb, wenn die oben in den Rn. 1107 bis 1120 angeführte Rechtsprechung nicht übertragbar ist. 1129 In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass für die Feststellung des Vorliegens wettbewerbswidriger Wirkungen einer Vereinbarung Voraussetzungen erfüllt sein müssen, aus denen sich ergibt, dass der Wettbewerb „tatsächlich“ verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist (Urteil vom 30. Juni 1966, LTM, 56/65, EU:C:1966:38, S. 303). 1130 Somit muss die Kommission nach dem sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Realismusgebot zum Nachweis des Vorliegens der wettbewerbswidrigen Wirkungen einer Vereinbarung im Rahmen des oben in Rn. 1076 angesprochenen Vergleichs die relevanten tatsächlichen Entwicklungen, insbesondere nach Abschluss der Vereinbarung, die vor dem Beschluss der Kommission eingetreten sind, berücksichtigen. 1131 Dem Gerichtshof zufolge erfordert die Beurteilung der Wirkungen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen nach Art. 101 AEUV eine Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Rahmens, nämlich des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte (Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 165). 1132 Folglich muss das Szenario, das sich ohne die fragliche Vereinbarung ergeben würde, „realistisch sein“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 166). 1133 Nach Ansicht des Gerichtshofs war die Berücksichtigung der Marktentwicklungen, die ohne diese Maßnahme wahrscheinlich eintreten würden, im Rahmen der Prüfung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarung geboten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 167 bis 169). 1134 Das für die Beschreibung des Wettbewerbs, wie er ohne die Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), geltende Wahrscheinlichkeits- und Realismusgebot steht im Einklang mit dem Ansatz der Kommission in verschiedenen Leitlinien, wonach sie zu beweisen hat, dass die wettbewerbswidrigen Wirkungen der geprüften Maßnahmen hinreichend wahrscheinlich sind. 1135 So müssen erstens nach Ziff. 24 der Leitlinien zur Anwendung von Artikel [101] Absatz 3 [AEUV], auf die die Kommission in Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses verweist, „Vereinbarungen, die eine wettbewerbsbeschränkende Auswirkung haben, … den gegenwärtigen oder potenziellen Wettbewerb in einem solchen Ausmaß beeinträchtigen können, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit negative Auswirkungen auf Preise, Produktionsmengen, Innovationen oder Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen erwartet werden können“. 1136 Zweitens heißt es in Ziff. 19 der Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2001, dass viele horizontale Kooperationsvereinbarungen keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten, weshalb deren Wirkungen untersucht werden müssten. Für eine solche Analyse reiche es nicht aus, dass eine Vereinbarung den Wettbewerb zwischen den Beteiligten einschränke. Sie müsse auch den Wettbewerb im betroffenen Markt in einem Maße beeinträchtigen können, dass negative Auswirkungen hinsichtlich Preisen, Produktion, Innovation oder Vielfalt und Qualität der Waren und Dienstleistungen zu erwarten seien. 1137 Drittens hat die Kommission bestätigt, dass sie diesen Ansatz in den Leitlinien zu Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit von 2011 beibehalten habe. Nach Ziff. 28 dieser Leitlinien, auf die sie in Fn. 1733 des angefochtenen Beschlusses verweist, sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen auf dem relevanten Markt dann wahrscheinlich, wenn in hinreichendem Maße davon auszugehen ist, dass die Parteien aufgrund der Vereinbarung in der Lage wären, gewinnbringend den Preis zu erhöhen oder Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt oder Innovation zu reduzieren. 1138 Im Übrigen weist die Kommission im angefochtenen Beschluss selbst (Rn. 1218) darauf hin, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssten. 1139 In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall trotz ihres hypothetischen Ansatzes hinsichtlich des Vergleichsabschnitts der Prüfung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 1076 bis 1102) nachgewiesen hat, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarungen zwischen Servier und Krka hinreichend real und wahrscheinlich waren. iii) Zum Beurteilungsfehler 1140 Die Kommission hat die Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung zwischen Servier und Krka enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln sowie der Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka an Servier analysiert, indem sie für jede dieser drei Maßnahmen geprüft hat, wie der Wettbewerb ohne sie beschaffen gewesen wäre (vgl. u. a. Rn. 1825 bis 1829 des angefochtenen Beschlusses). 1141 Es ist für jede dieser drei Maßnahmen zu prüfen, ob die Kommission zu Recht auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen hat. – Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel 1142 Für die Beurteilung der Frage, ob eine Vereinbarung wegen der Wettbewerbsstörungen, die sie bewirkt, als verboten anzusehen ist, ist der Wettbewerb zu betrachten, wie er ohne die fragliche Vereinbarung bestehen würde (siehe oben, Rn. 1076). 1143 Im vorliegenden Fall ist der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel auf den des Patents 947 begrenzt, das Gegenstand des Rechtsstreits zwischen Servier und Krka ist. 1144 Den tatsächlichen Rahmen des Wettbewerbs ohne die Vergleichsvereinbarung bildeten die Versuche der Generikahersteller, unter ihnen Krka, trotz der aufgrund der Patente von Servier, insbesondere des Patents 947, bestehenden Hindernisse in den Markt einzutreten, und die Patentrechtsstreitigkeiten zwischen diesen Unternehmen und Servier. 1145 Wie oben in Rn. 234 dargelegt, ist der spezifische Gegenstand des gewerblichen Eigentums, dass der Inhaber zum Ausgleich für seine schöpferische Erfindertätigkeit das ausschließliche Recht erlangt, gewerbliche Erzeugnisse herzustellen und in den Verkehr zu bringen, mithin die Erfindung entweder selbst oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, und dass er ferner das Recht erlangt, sich gegen jegliche Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 9). Wird ein Recht des geistigen Eigentums von einer öffentlichen Stelle eingeräumt, besteht normalerweise die Vermutung, dass das Recht gültig ist und einem Unternehmen rechtmäßig zusteht. Ist ein Unternehmen Inhaber eines ausschließlichen Rechts, hat schon dies allein normalerweise zur Folge, dass die Wettbewerber ferngehalten werden, da sie aufgrund staatlicher Vorschriften zur Beachtung dieses Rechts verpflichtet sind (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 362). 1146 Ein Risikomarkteintritt eines Generikaherstellers ist zwar als solcher nicht rechtswidrig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 122). Er ist aber wenig wahrscheinlich, wenn der Generikahersteller die Gültigkeit des Patents anerkennt oder seine Chancen, dass dessen Ungültigkeit anerkannt würde, als gering einschätzt. 1147 Entscheidend für die Bestimmung des wahrscheinlichen Verhaltens eines Generikaherstellers im Hinblick auf einen Risikomarkteintritt ist demnach, ob er die Gültigkeit des in Rede stehenden Patents anerkennt oder nicht oder wie er die Stärke dieses Patents wahrnimmt. 1148 Die Kommission hat aber die Wirkungen, die das Patent 947 und die Anerkennung seiner Gültigkeit durch Krka auf die Beurteilung des wahrscheinlichen Verhaltens von Krka ohne Vereinbarung zum Zweck des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs hätten haben können, in dem der Prüfung dieses Verhaltens gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses (Rn. 1825 bis 1834) nicht gebührend berücksichtigt. 1149 Die entscheidenden Ereignisse für die Beurteilung der Frage, ob Krka das Patent 947 als gültig anerkennen konnte oder wie sie ihre Chancen einschätzte, es für ungültig erklären zu lassen, wie die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 und die gegen Krka im Vereinigten Königreich ergangene einstweilige Verfügung, werden in diesem Teil des angefochtenen Beschlusses nicht erwähnt, obwohl sie vor dem Abschluss der Vergleichsvereinbarung zwischen Servier und Krka eingetreten sind. 1150 Zudem geht die Kommission in den Rn. 1828 bis 1834 des angefochtenen Beschlusses bei der Analyse des wahrscheinlichen Verhaltens von Krka ohne die Vereinbarungen nicht auf den in diesem Zusammenhang wichtigen Umstand ein, dass mehrere Anhaltspunkte in den Akten dafür sprachen, dass das Erzeugnis von Krka das Patent 947 verletzen konnte. 1151 Dies bestätigt, dass ihr hypothetischer Ansatz (siehe oben, Rn. 1077 bis 1103) die Kommission dazu geführt hat, nicht nur die nach Abschluss der Vereinbarungen eingetretenen Ereignisse, sondern allgemeiner den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte, außer Betracht zu lassen. 1152 Die fehlende Bereitschaft der Kommission, insbesondere die Wirkungen des Patents 947 zu berücksichtigen, erklärt sich damit, dass sie im Rahmen ihrer Untersuchung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung der Ansicht war, dass der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vergleichsvereinbarung in Wirklichkeit der Anreiz für Letztere zugrunde lag, sich den wettbewerbsbeschränkenden Klauseln dieser Vereinbarung zu unterwerfen, und nicht eine aufrichtige Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947. Aus dieser Sicht konnte sich Krka nach Auffassung der Kommission keinesfalls auf die Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947 berufen, da diese Anerkennung mit einem grundsätzlichen Makel behaftet war. 1153 Das Gericht hat jedoch die Feststellung des Bestehens eines Anreizes und einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung in Bezug auf die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka verworfen, so dass die Frage der Wahrnehmung der Stärke des Patents 947 durch Krka oder ihrer Anerkennung der Gültigkeit desselben ihre volle Bedeutung wiedererlangt. 1154 Wie dargelegt, gab es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung für deren Parteien gewichtige Indizien dafür, dass das Patent 947 gültig war (siehe oben, Rn. 967 und 968). Im Vereinigten Königreich, einem der drei Länder (neben Frankreich und den Niederlanden), in denen die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung untersucht und festgestellt hat, war gegen Krka und Apotex sogar eine einstweilige Verfügung ergangen. 1155 Der von Servier in Ungarn gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zum Verbot der Vermarktung einer von Krka auf den Markt gebrachten generischen Version von Perindopril wegen Verletzung des Patents 947 wurde zwar im September 2006 zurückgewiesen, doch handelte es sich um ein Verfahren, das anders als die in der vorstehenden Rn. 1154 erwähnten Verfahren keines der Länder betraf, in denen die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. 1156 Zudem hatte es zwischen Servier und Krka bereits vor der die Gültigkeit des Patents 947 bestätigenden Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 Kontakte gegeben (vgl. u. a. Rn. 837 des angefochtenen Beschlusses), doch hatten diese nicht zu einer Vereinbarung geführt (Rn. 856 bis 859 des angefochtenen Beschlusses), und erst nach dieser Entscheidung wurden neue Verhandlungen aufgenommen (Rn. 898 des angefochtenen Beschlusses). Die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 zur Bestätigung der Gültigkeit des Patents 947 war somit zumindest einer der Faktoren, die zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung geführt haben, was ein zusätzliches Indiz dafür ist, dass diesen Vereinbarungen die Anerkennung der Gültigkeit des Patents zugrunde lag (siehe oben, Rn. 971). 1157 Dem ist noch hinzuzufügen, dass, wie bereits dargelegt (siehe oben, Rn. 947), dem Abschluss einer Lizenzvereinbarung, der für einen Lizenznehmer nur sinnvoll ist, wenn die Lizenz tatsächlich genutzt wird, die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien zugrunde liegt. Somit bestätigt der Abschluss der Lizenzvereinbarung selbst angesichts einer Reihe von Indizien (siehe oben, Rn. 999 und 1001), dass Krka letztlich die Gültigkeit des Patents 947 anerkannte. 1158 Aus den Akten ergibt sich sogar, dass Krka ohne den Abschluss einer Lizenzvereinbarung mit Servier anscheinend einen Risikoeintritt in die fraglichen 18 bis 20 Märkte für wenig wahrscheinlich, wenn nicht gar ausgeschlossen hielt (siehe oben, Rn. 1001 und 1012). 1159 Schließlich weist die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 1693) darauf hin, dass Krka „nach der Entscheidung [der Einspruchsabteilung] letztlich den Gedanken eines Risikomarkteintritts in Frankreich, im Vereinigten Königreich und in andere westeuropäische Märkte auf[gab]“. 1160 In Anbetracht der vorstehenden Darlegungen ist zu schließen, dass nicht nachgewiesen ist, dass Krka ohne Vereinbarung wahrscheinlich einen Risikoeintritt in die Märkte der in Rede stehenden 18 bis 20 Mitgliedstaaten, insbesondere die Märkte Frankreichs, der Niederlande und des Vereinigten Königreichs, unternommen hätte. 1161 Dieses Ergebnis wird nicht durch die übrigen Anhaltspunkte in den Akten in Frage gestellt, die für den Nachweis relevant sein sollen, dass Krka ohne Vereinbarung mit Servier in den Markt eingetreten wäre. Diese Anhaltspunkte sind im Wesentlichen in dem Teil des angefochtenen Beschlusses enthalten, in dem die Kommission darzutun versucht, dass Krka ein potenzieller Wettbewerber von Servier war. 1162 Erstens lässt sich, wie dargelegt (siehe oben, Rn. 1026), der Umstand, dass Krka weiter die Patente von Servier angegriffen und ihr Erzeugnis vermarktet hat, obwohl die Gültigkeit des Patents 947 von der Einspruchsabteilung des EPA bestätigt worden war, offensichtlich mit dem Wunsch von Krka erklären, ihre Position in etwaigen Verhandlungen mit Servier zu stärken, um zu einer Vergleichsvereinbarung zu gelangen. 1163 Außerdem setzte die Fortsetzung des Patentrechtsstreits mit Servier Krka keinen neuen Risiken des Vorwurfs einer Patentverletzung aus. Dies erhöhte lediglich ihre Rechtsverfolgungskosten. Die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses beschränkte sich auf fünf mittel- und osteuropäische Märkte, für die die Kommission nicht das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. Zudem waren in fünf der sieben von der Lizenz erfassten Märkte die dem Patent 947 entsprechenden Patente noch nicht erteilt worden (Rn. 1755 des angefochtenen Beschlusses). Somit waren die Risiken für Krka zumindest auf einigen Märkten, auf denen sie verblieben war, begrenzt. 1164 Die Fortsetzung des Rechtsstreits über das Patent von Servier und die Fortsetzung der Vermarktung ihres Erzeugnisses lassen daher nicht den Schluss zu, dass Krka die Gültigkeit des Patents 947 nicht anerkannte und deshalb wahrscheinlich einen Risikoeintritt in die Märkte der in Rede stehenden 18 bis 20 Mitgliedstaaten oder zumindest in die drei Märkte, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, unternommen hätte. 1165 Zweitens ließen zwar Kommentare von Vertretern von Krka deren Überraschung und Verärgerung über die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 erkennen (Rn. 1688 des angefochtenen Beschlusses), doch erlaubten diese Kommentare nicht den Nachweis, dass Krka trotz dieser Entscheidung wahrscheinlich in die drei nationalen Märkte, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, eingetreten wäre. 1166 Drittens widmet die Kommission einen Abschnitt des angefochtenen Beschlusses der „Markteintrittsabsicht“ von Krka. Dieser sehr kurze Abschnitt besteht nur aus der ebenfalls ziemlich kurzen Rn. 1699. Die Kommission führt dort aus, „selbst“ nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 sei Krka „anscheinend“ bereit gewesen, eine Risikomarkteinführung durch ihre Partner zu unterstützen, und habe sich verpflichtet, ihr Erzeugnis weiter zu liefern, „falls die patentrechtlichen Hürden überwunden würden“. Weiter heißt es in dieser Randnummer, einer der Geschäftspartner von Krka habe darauf bestanden, dass sie ihr Erzeugnis liefere, „wenn das Patent 947 für nichtig erklärt würde“, und bestimmte Partner von Krka seien mit diesem Erzeugnis in den Markt eingetreten, „nachdem das Patent 947 für die betreffenden Märkte für nichtig erklärt wurde“. 1167 Die in der vorstehenden Rn. 1166 wiedergegebenen Auszüge belegen weniger die Absicht von Krka, in die drei nationalen Märkte einzutreten, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat, als die Bedeutung, die die vom Patent 947 gebildete „patentrechtliche Hürde“ nach der Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 für Krka wie für ihre Geschäftspartner erlangt hatte. 1168 In Anbetracht sämtlicher vorstehenden Darlegungen ist nicht bewiesen, dass Krka ohne die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung wahrscheinlich in die drei nationalen Märkte eingetreten wäre, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. 1169 Die Kommission hat im angefochtenen Beschluss auch nicht nachgewiesen, dass Krka ohne diese Vereinbarungen wahrscheinlich vor dem Ende der Zuwiderhandlung, und zwar dem 6. Juli 2007 für das Vereinigte Königreich, dem 12. Dezember 2007 für die Niederlande und dem 16. September 2009 für Frankreich, in die betreffenden Märkte eingetreten wäre. 1170 Aufgrund ihres hypothetischen Ansatzes (siehe oben, Rn. 1079 bis 1103) hat die Kommission nämlich dem tatsächlichen Geschehensablauf – insbesondere in der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarungen – und somit der möglichen Entwicklung der Wahrnehmung der Gültigkeit des Patents 947 durch Krka, die sich aus diesen Ereignissen ergeben konnte, wenig Beachtung geschenkt. 1171 Es ist nicht Sache des Gerichts, bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung, die nicht in seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, sondern in die zur Rechtmäßigkeitskontrolle fällt, die von der Kommission gegebene Begründung durch seine eigene zu ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73 und 75 bis 77). 1172 Demnach ist es nicht Sache des Gerichts, erstmals anhand der Akten zu prüfen, ob eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung in der Zeit nach dem Abschluss der Vereinbarungen wegen einer Abschwächung der Anerkennung der Gültigkeit des Patents 947 durch Krka hätte eintreten können. 1173 Jedenfalls lässt der Inhalt der Akten nicht den Schluss zu, dass Krka in der Zeit zwischen dem Abschluss der Vereinbarungen und dem Ende der Zuwiderhandlung ohne die Vereinbarungen wahrscheinlich in die drei betreffenden nationalen Märkte eingetreten wäre. 1174 Außerdem wird die Wahrscheinlichkeit eines Markteintritts von Krka ohne Vereinbarung von der Kommission nicht einmal behauptet. Im Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ des angefochtenen Beschlusses stützt sich die Kommission nicht, zumindest nicht ausdrücklich, auf die Hypothese eines vorgezogenen Eintritts von Krka in die betreffenden Märkte ohne Vereinbarung, sondern nur auf die Hypothese des Fortbestands einer „wettbewerblichen Bedrohung“ auf diesen Märkten (siehe oben, Rn. 1096). 1175 Somit hätte Krka der Kommission zufolge „als potenzieller neuer Marktteilnehmer mit generischem Perindopril im Vereinigten Königreich, in Frankreich und in den Niederlanden weiter eine wettbewerbliche Bedrohung dargestellt“ (Rn. 1825 des angefochtenen Beschlusses). Krka hätte u. a., so die Kommission, als Versorger lokaler Vertriebspartner weiter eine Bedrohung dargestellt (Rn. 1828 des angefochtenen Beschlusses). 1176 Die Kommission weist auch darauf hin, dass die Parteien der Vereinbarung ohne Anreiz eine weniger beschränkende Vereinbarung hätten schließen können, die Krka einen vorgezogenen Markteintritt erlaubt oder ihr eine Lizenz für das gesamte Unionsgebiet gewährt hätte (Rn. 1831 des angefochtenen Beschlusses). 1177 Abschließend stellt die Kommission fest, dass „Krka … ohne die in den [Vereinbarungen] enthaltenen Beschränkungen weiter ein bedeutender potenzieller Wettbewerber von Servier [war]“ (Rn. 1834 des angefochtenen Beschlusses). 1178 Es ist festzustellen, dass die Kommission mit der bloßen Berufung auf die „wettbewerbliche Bedrohung“, die Krka weiter für Servier dargestellt hätte, obwohl zum einen die wettbewerbsfördernden Wirkungen einer einfachen „Bedrohung“ im Gegensatz zu denen des Markteintritts eines Generikaherstellers nicht auf der Hand liegen und zum anderen die Wirkungen dieser „Bedrohung“ im vorliegenden Fall durch das Bestehen des Patents 947 und die Bestätigung seiner Gültigkeit durch die zuständigen Stellen (siehe oben, Rn. 1142 bis 1169) weitgehend abgemildert wurden, nicht nachgewiesen hat, dass der Wettbewerb, wie er sich ohne die Vergleichsvereinbarung entwickelt hätte, wahrscheinlich offener gewesen wäre. 1179 Hierzu sei darauf hingewiesen, dass die Kommission hätte erläutern müssen, welche Auswirkungen die „wettbewerbliche Bedrohung“, die Krka ohne die Vergleichsvereinbarung für Servier dargestellt hätte, wahrscheinlich insbesondere auf Preise, Produktionsmengen, Vielfalt bzw. Qualität von Waren und Dienstleistungen oder Innovationen gehabt hätte (siehe oben, Rn. 1135 bis 1137), wozu sie z. B. hätte dartun können, dass Servier wegen des Fehlens einer Bedrohung ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung gesenkt hat. 1180 Die von der Kommission durchgeführte Analyse der Marktmacht von Servier und der Struktur des relevanten Marktes, der durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet war, könnte zwar das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Wirkungen einer Vereinbarung bestätigen, die den Markteintritt eines potenziellen Wettbewerbers verhindert, sie genügt jedoch nicht, um die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen einer Vereinbarung wahrscheinlich zu machen und zu konkretisieren, durch die eine „wettbewerbliche Bedrohung“ beseitigt wird. 1181 Unabhängig von der Struktur des Marktes sind nämlich die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel weitgehend hypothetisch, wenn angesichts des tatsächlichen Geschehensablaufs, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission darstellte, wahrscheinlich ist, dass sich der potenzielle Wettbewerber auch ohne diese Klausel ähnlich hätte verhalten können, wie er sich bei Geltung der Klausel verhalten hat, wenn also Krka den drei Märkten ferngeblieben wäre, für die die Kommission eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. 1182 Was ferner die Hypothese angeht, ohne die Vergleichs- und die Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka und insbesondere den Anreiz, den sie der Kommission zufolge enthielten, wäre eine andere Vereinbarung geschlossen worden, die Krka einen vorgezogenen Markteintritt erlaubt oder ihr eine Lizenz für das gesamte Unionsgebiet eingeräumt hätte (siehe oben, Rn. 1176, und Rn. 1142 des angefochtenen Beschlusses), so ist ihre Wahrscheinlichkeit in keiner Weise dargetan, zumal die Kommission das Bestehen eines Anreizes, wie sich aus der Prüfung des Klagegrundes des Fehlens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ergibt, nicht nachgewiesen hat. 1183 Schließlich ist zu beachten, dass sich der konkrete Rahmen der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung zwischen Servier und Krka, der durch das Bestehen eines Patents gekennzeichnet ist, dessen Gültigkeit vom EPA bestätigt worden war (siehe oben, Rn. 1144), von dem der Rechtssache unterscheidet, in der das Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181, Rn. 187 und 191), ergangen ist, das die Kommission u. a. in Rn. 1219 des angefochtenen Beschlusses angeführt hat. In Ermangelung von Anhaltspunkten, die den vorstehend angeführten (u. a. oben in Rn. 1145 bis 1159) mit dem Bestehen eines Patents und der Anerkennung seiner Gültigkeit zusammenhängenden und im vorliegenden Rechtsstreit entscheidenden Anhaltspunkten vergleichbar sind, hat das Gericht allein aufgrund des Umstands, dass ein durch die streitige Maßnahme von einer Ausschlussklausel betroffenes Unternehmen ein potenzieller Wettbewerber war, entschieden, dass die Kommission zu Recht befunden hatte, dass dieses Unternehmen ohne die Ausschlussklausel in den Markt eingetreten wäre. 1184 Zudem hat das Gericht im Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), nicht eine Entscheidungspraxis der Kommission gebilligt, wonach diese bei einem Ausschluss eines potenziellen Wettbewerbers den tatsächlichen Geschehensablauf, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte, außer Betracht lassen könnte. 1185 Im Übrigen könnte eine solche Praxis, würde sie gebilligt, in bestimmten Fällen zu einem inkohärenten Ergebnis führen, z. B., wenn der einzige existierende potenzielle Wettbewerber, der durch eine Vereinbarung ausgeschaltet wird, schon zu Beginn ihrer Durchführung verschwände, etwa durch eine gerichtliche Liquidation, ein Umstand, der offensichtlich die Ausschlusswirkungen der Vereinbarung neutralisieren würde, es sei denn, diese würden als hypothetische und nicht, wie von der Rechtsprechung gefordert, als tatsächliche Wirkungen verstanden (siehe oben, Rn. 1129 und 1132). 1186 Daher kann im vorliegenden Fall nicht unter Bezugnahme auf das Urteil vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181), auf das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung geschlossen werden. 1187 Nach alledem sind die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel von der Kommission nicht nachgewiesen worden. – Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel 1188 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ des angefochtenen Beschlusses nicht auf das wahrscheinliche Verhalten von Krka in Bezug auf das Patent 340 eingeht, für das die Vergleichsvereinbarung ebenfalls eine Nichtangriffsklausel enthält. 1189 Folglich hat die Kommission auf der Stufe der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, auf der der Wettbewerb bei Bestehen der Vereinbarungen mit dem Wettbewerb ohne diese verglichen wird (siehe oben, Rn. 1076), ihre Untersuchung auf das Patent 947 beschränkt. 1190 Die Nichtberücksichtigung des Patents 340 kann sich damit erklären, dass dieses Patent der Kommission zufolge für Servier nur geringe Bedeutung für ihren Schutz gegen den Markteintritt von Generikaherstellern hatte (Rn. 114 des angefochtenen Beschlusses). 1191 Des Weiteren bezeichnet es die Kommission in dem Abschnitt „Wahrscheinliches Verhalten ohne die Krka-Vereinbarungen“ als „plausibel, dass Krka ohne die Nichtangriffsverpflichtung weiter die Gültigkeit des Patents 947 vor den Gerichten im Vereinigten Königreich und vor dem EPA in Frage stellen würde“ (Rn. 1827 des angefochtenen Beschlusses). 1192 Die Kommission hat somit ihre Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung darauf gestützt, dass Krka ohne die Nichtangriffsklausel die Verfahren vor den Gerichten im Vereinigten Königreich und vor dem EPA, an denen sie beteiligt war, weiterbetrieben hätte. 1193 Wie bereits dargelegt, ist eine Nichtangriffsklausel als solche wettbewerbsbeschränkend, da sie dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft, alle Hindernisse für die Wirtschaftstätigkeit auszuräumen, die sich aus einem zu Unrecht erteilten Patent ergeben könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Februar 1986, Windsurfing International/Kommission, 193/83, EU:C:1986:75, Rn. 92). 1194 Daher ist zu prüfen, ob sich die Anwendung der Nichtangriffsklausel und insbesondere der Rückzug von Krka aus den Verfahren, an denen sie beteiligt war, auf die Beseitigung des Patents 947 ausgewirkt hat. 1195 Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen standen Servier und Krka einander in zwei Verfahren gegenüber, und durch die Vergleichsvereinbarung wurde Krka veranlasst, diese Verfahren nicht weiterzubetreiben. 1196 Im Vereinigten Königreich hatte Servier am 2. August 2006 beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) gegen Krka eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 erhoben. Zudem hatte sie auch den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Am 1. September 2006 hatte Krka eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents 947 erhoben. Am 3. Oktober 2006 hatte das angerufene Gericht dem Antrag von Servier auf einstweilige Verfügung stattgegeben und den von Krka am 1. September 2006 gestellten Antrag auf Durchführung eines summarischen Verfahrens (motion of summary judgment) zur Ungültigerklärung des Patents 947 zurückgewiesen. Nachdem die Parteien einen Vergleich geschlossen hatten, wurde das anhängige Verfahren am 1. Dezember 2006 für erledigt erklärt und die einstweilige Verfügung wurde aufgehoben. 1197 Beim EPA hatten 2004 zehn Generikahersteller, darunter Krka, Einspruch gegen das Patent 947 eingelegt, um dessen vollständigen Widerruf zu erwirken, wobei sie das Fehlen von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit sowie unzureichende Offenbarung der Erfindung geltend machten. Am 27. Juli 2006 hatte die Einspruchsabteilung des EPA nach kleineren Änderungen der ursprünglichen Patentansprüche von Servier die Gültigkeit des Patents 947 bestätigt. Sieben Gesellschaften hatten Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt. Krka hatte sich am 11. Januar 2007 gemäß der zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichsvereinbarung vom Einspruchsverfahren zurückgezogen. 1198 Servier hatte aber im Vereinigten Königreich beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) am 1. August 2006 auch gegen Apotex, die am 28. Juli 2006 eine generische Version von Perindopril auf den Markt gebracht hatte, eine Klage wegen Verletzung des Patents 947 erhoben. Apotex hatte eine Widerklage auf Nichtigerklärung dieses Patents erhoben. Am 8. August 2006 war eine einstweilige Verfügung ergangen, mit der Apotex untersagt wurde, Perindopril einzuführen, zum Verkauf anzubieten oder zu verkaufen. 1199 Auf die Widerklage von Apotex hatte der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) am 6. Juli 2007 entschieden, dass das Patent 947 wegen Fehlens von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Patent 341 ungültig sei. Die einstweilige Verfügung war demgemäß mit sofortiger Wirkung aufgehoben worden, und Apotex konnte den Verkauf ihrer generischen Version von Perindopril auf dem Markt des Vereinigten Königreichs wieder aufnehmen. 1200 Nach Ansicht der Kommission war die Zuwiderhandlung hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen mit diesem Tag im Vereinigten Königreich beendet. 1201 Im Verfahren vor dem EPA hatte die Technische Beschwerdekammer des EPA mit Entscheidung vom 6. Mai 2009 die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 aufgehoben und das Patent 947 widerrufen. 1202 Nach Ansicht der Kommission war die Zuwiderhandlung hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen, soweit sie in bestimmten Mitgliedstaaten noch fortbestand, mit diesem Tag beendet. 1203 In Anbetracht des Verlaufs der Verfahren betreffend das Patent 947, die nach dem vorstehend beschriebenen Rückzug von Krka aus den Verfahren, an denen sie beteiligt war, fortgesetzt wurden, kann nicht angenommen werden, dass ohne die zwischen den Parteien geschlossene Vergleichsvereinbarung die Fortsetzung der Verfahren durch Krka es wahrscheinlich oder gar in plausibler Weise erlaubt hätte, dieses Patent schneller oder umfassender für ungültig erklären zu lassen. 1204 Die Kommission hat aber im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen oder auch nur behauptet, dass das Patent 947 schneller oder umfassender für ungültig erklärt worden wäre, wenn Krka sich nicht der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel unterworfen hätte. 1205 Die Umstände, dass „Krka … zuvor der Ansicht [war], dass ihre Argumente in dem Patentrechtsstreit zu den überzeugendsten gehörten und eine besondere Bedrohung für das Patent 947 darstellten“, oder dass die Gerichte im Vereinigten Königreich trotz der Zurückweisung des Antrags von Krka auf Durchführung eines summarischen Verfahrens der Ansicht waren, dass diese eine „solide Grundlage“ für die Anfechtung des Patents 947 hatte (Rn. 1827 des angefochtenen Beschlusses), lassen nicht den Schluss zu, dass die Beteiligung von Krka an den betreffenden Verfahren dazu geführt hätte, dass dieses Patent schneller oder umfassender für ungültig erklärt worden wäre. 1206 Auch die von der Kommission in Rn. 1712 des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung, dass „die Ausschaltung eines starken Herausforderers sich auf den des Rechtsstreits/des Einspruchsverfahrens auswirken [kann]“, erlaubt nicht den Schluss, dass die Wirkungen der für Krka geltenden Nichtangriffsklausel wahrscheinlich oder gar plausibel waren. 1207 Es oblag nämlich der Kommission, hinreichend genau und konkret untermauert darzutun, in welcher Weise die Argumente von Krka oder deren besondere Stellung in den genannten Rechtsstreitigkeiten für den Fall, dass sie die Verfahren, an denen sie beteiligt war, fortgesetzt hätte, eine entscheidende Auswirkung nicht auf den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten hätten haben können, denn zwei dieser Rechtsstreitigkeiten – der Rechtsstreit vor dem EPA, der nach dem Rückzug von Krka fortgesetzt wurde, und der zwischen Servier und Apotex vor dem High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (patents court) (Hoher Gerichtshof [England und Wales], Chancery-Abteilung [Patentkammer]) – haben jedenfalls dazu geführt, dass das Patent 947 für ungültig erklärt wurde, sondern darauf, in welcher Frist und in welchem Umfang dies geschah. 1208 Zudem ist es nicht Sache des Gerichts, bei der Beurteilung der Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung, die nicht in seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, sondern in die zur Rechtmäßigkeitskontrolle fällt, die von der Kommission gegebene Begründung durch seine eigene zu ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73 und 75 bis 77). 1209 Demnach ist es nicht Sache des Gerichts, erstmals anhand anderer Bestandteile der Akten als derjenigen, die die Kommission für den Nachweis der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Nichtangriffsklausel herangezogen hat, zu prüfen, ob die weitere Beteiligung von Krka an den laufenden Rechtsstreitigkeiten dazu geführt hätte, dass das Patent 947 schneller und umfassender für ungültig erklärt worden wäre. 1210 Dem ist noch hinzuzufügen, dass unabhängig von der Struktur des betreffenden Marktes, und zwar auch dann, wenn diese wie im vorliegenden Fall der Kommission zufolge durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb gekennzeichnet ist, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Vermarktungsverbotsklausel weitgehend hypothetisch sind, wenn angesichts des tatsächlichen Geschehensablaufs, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses der Kommission darstellte, wahrscheinlich ist, dass das in Rede stehende Patent, im vorliegenden Fall das Patent 947, zu demselben Zeitpunkt und in demselben Umfang für ungültig erklärt worden wäre (siehe oben, Rn. 1181). 1211 Ferner hat die Kommission entgegen dem, was sich aus Rn. 1712 des angefochtenen Beschlusses zu ergeben scheint, nicht dargetan, dass das Verfahren zwischen Servier und Krka vor den Gerichten im Vereinigten Königreich zu der Feststellung hätte führen können, dass die Technologie von Krka nicht patentverletzend war. Den Krka und Apotex betreffenden Verfahren lagen nämlich Klagen von Servier wegen Patentverletzung und Widerklagen dieser beiden Generikahersteller auf Nichtigerklärung des Patents 947 zugrunde. Es handelte sich somit um ähnliche Verfahren. Das gesamte Apotex betreffende Verfahren wurde jedoch durch die Ungültigerklärung des Patents 947 beendet, d. h., ohne dass darüber entschieden wurde, ob deren Technologie patentverletzend war. In Anbetracht der Ähnlichkeit der Verfahren und in Ermangelung von der Kommission vorgetragener gegenteiliger Anhaltspunkte ist es plausibel, dass Gleiches für Krka gegolten hätte. 1212 Erst recht ist nicht dargetan, dass das Verfahren vor dem EPA zu der Feststellung hätte führen können, dass die Technologie von Krka nicht patentverletzend war, da dieses Verfahren nur die Gültigkeit des Patents 947 betraf. 1213 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel nicht nachgewiesen hat. – Zur Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka 1214 Bezüglich der Übertragungsvereinbarung, mit der Krka ihre Technologie an Servier verkauft hat, hat sich die Kommission auf die Feststellung beschränkt, dass Krka ohne diese Vereinbarung „weiter über die Freiheit verfügt [hätte], ihre Rechte an der Perindopril-Technologie zu übertragen oder in Lizenz zu vergeben“ (Rn. 1829 des angefochtenen Beschlusses), was, da es sich um eine einfache Übertragung eines Gutes verbunden mit einer Übertragungsvereinbarung handelt und nicht um eine Ausschlussmaßnahme, wie es eine Vermarktungsverbotsklausel sein kann, nicht ausreicht, um das Vorliegen wahrscheinlicher Auswirkungen insbesondere auf Preise, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt oder Innovation nachzuweisen (siehe oben, Rn. 1135 bis 1137). Das Vorliegen wettbewerbswidriger Wirkungen ist umso weniger nachgewiesen, als es die Technologie von Krka nicht erlaubte, das Patent 947 zu umgehen, was angesichts der gewichtigen Indizien für die Gültigkeit dieses Patents die Hypothese wenig plausibel erscheinen lässt, die mit Servier im Wettbewerb stehenden Generikahersteller hätten ohne die Lizenzvereinbarung versucht, die Technologie von Krka zu erwerben. 1215 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka von der Kommission nicht nachgewiesen worden sind. 1216 Nach alledem hat die Kommission das Vorliegen einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der Vergleichs- oder der Lizenzvereinbarung nicht nachgewiesen, die hinreichend realistisch und wahrscheinlich war, um ihr die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung zu erlauben. Dem ist hinzuzufügen, dass eine solche wettbewerbsbeschränkende Wirkung auch dann nicht festgestellt werden kann, wenn die beiden Vereinbarungen zusammen betrachtet werden. 1217 Mithin greift die Rüge eines Beurteilungsfehlers durch, der allein ausreicht, um den von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, die Kommission habe zu Unrecht das Vorliegen einer sich aus den Vereinbarungen zwischen Servier und Krka ergebenden bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt, für begründet zu erklären. 1218 Zu prüfen ist noch, ob die Kommission im angefochtenen Beschluss darüber hinaus Rechtsfehler begangen hat. iv) Zum Rechtsfehler 1219 Wie dargelegt (siehe oben, Rn. 1092 und 1102), war die Kommission der Ansicht, dass sie, wenn sie nachgewiesen habe, dass die Vergleichsvereinbarung einen potenziellen Wettbewerber von Servier ausgeschlossen habe, zur Darstellung des Wettbewerbs, wie er ohne Vereinbarung bestanden hätte (eine der Größen des oben in Rn. 1076 genannten Vergleichs), nicht gehalten gewesen sei, den tatsächlichen Geschehensablauf zu berücksichtigen, wie er sich zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Beschlusses darstellte. Im Gegenteil meinte die Kommission unter Berufung auf ihre gewöhnliche Praxis bei der Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen einer Vereinbarung, wonach es genügt, darzutun, dass diese Vereinbarung wettbewerbswidrige Wirkungen haben „kann“ (siehe oben, Rn. 1080 und 1085), dass sie ihre Beschreibung des Wettbewerbs ohne Vereinbarung auf Hypothesen oder Möglichkeiten stützen könne. 1220 Wie die vorstehende Prüfung der Rüge eines Beurteilungsfehlers ergeben hat, waren einige der von der Kommission nicht berücksichtigten Geschehnisse nicht nur relevant, sondern auch entscheidend für den oben in Rn. 1076 genannten Vergleich. 1221 So hat die Kommission, was die Vermarktungsverbotsklausel angeht, zwar die Entscheidung des EPA vom 27. Juli 2006 und die von den Gerichten im Vereinigten Königreich gegen Krka und Apotex erlassenen einstweiligen Verfügungen für den Nachweis berücksichtigt, dass Krka ein potenzieller Wettbewerber war, sie hat diesen Geschehnissen aber nicht gebührend Rechnung getragen für die Feststellung, ob Krka ohne Vereinbarung wahrscheinlich in den Markt eingetreten wäre, und sich insoweit mit dem Hinweis begnügt, dass die von Krka ausgehende „wettbewerbliche Bedrohung“ ohne Vereinbarung fortbestanden hätte. 1222 Was die Nichtangriffsklausel betrifft, hat die Kommission nicht den Ausgang der Verfahren berücksichtigt, die von anderen Generikaherstellern gegen das Patent 947 angestrengt worden waren und fortgesetzt wurden, obwohl Krka ihr Vorgehen gegen dieses Patent eingestellt hatte. 1223 Was schließlich die Struktur des Marktes angeht, eine Querschnittsfrage, die sowohl die Vermarktungsverbots- als auch die Nichtangriffsklausel betrifft, hat sich die Kommission damit begnügt, die Quellen von Wettbewerb zu bestimmen, die es zum Zeitpunkt des Abschlusses der letzten der im angefochtenen Beschluss untersuchten Vereinbarungen gegeben habe, und anzugeben, dass eine „sehr reale Möglichkeit“ bestanden habe, dass diese Quellen durch eine Vereinbarung oder ein anderes Mittel vom Wettbewerb ausgeschlossen würden, ohne zu berücksichtigen, dass sich diese Möglichkeit während der Dauer der Zuwiderhandlung nicht verwirklicht hatte (Rn. 1846 des angefochtenen Beschlusses). 1224 Eine solche Sichtweise geht ausdrücklich aus Fn. 2445 des angefochtenen Beschlusses hervor, in der die Kommission sich für den Nachweis des Vorliegens wettbewerbsbeschränkender Wirkungen der Nichtangriffsklausel darauf stützt, dass es nur noch wenige Generikahersteller gegeben habe, die die anhängigen Verfahren hätten fortsetzen oder neue Verfahren hätten einleiten können, und dass es „plausibel [war], dass Servier einen Vergleich mit diesen Unternehmen ins Auge fasste“, was jede Möglichkeit der Fortsetzung oder Einleitung eines Verfahrens gegen das Patent 947 beseitigt hätte. Indes ist Servier zwar an diese Unternehmen herangetreten, sie hat jedoch keinen Vergleich mit ihnen erzielt, insbesondere nicht mit einem dieser Unternehmen, das letztlich erreicht hat, dass das Patent 947 zu eben dem Zeitpunkt für ungültig erklärt wurde, da die Nichtangriffsklausel von Krka angewandt wurde. 1225 Diese Beschränkung der von der Kommission durchgeführten Prüfung ließ sich jedoch angesichts der Rechtsprechung der Unionsgerichte nicht rechtfertigen. Denn die oben in den Rn. 1107 bis 1120 untersuchte Rechtsprechung zur Berücksichtigung der potenziellen Wirkungen von Vereinbarungen konnte im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden (siehe oben, Rn. 1124). 1226 Gleiches galt aus den oben in den Rn. 1183 bis 1186 angeführten Gründen für die Übertragbarkeit des zu Vereinbarungen zur Ausschaltung des potenziellen Wettbewerbs ergangenen Urteils vom 14. April 2011, Visa Europe und Visa International Service/Kommission (T‑461/07, EU:T:2011:181) (siehe oben, Rn. 1183 bis 1186). 1227 Mithin hat die Kommission eine unvollständige Prüfung der Situation vorgenommen, die sie zu beurteilen hatte, um festzustellen, ob die zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung waren, wobei die Unvollständigkeit der von der Kommission durchgeführten Prüfung eine irrige Heranziehung der Rechtsprechung der Unionsgerichte und damit, wie die Klägerinnen zu Recht geltend machen, einen Rechtsfehler erkennen lässt. 1228 Zudem brauchte die Kommission nach dem von ihr verfolgten Ansatz nur die Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers festzustellen, um daraus im Kontext einer Marktstruktur, die durch das Fehlen oder die Knappheit von Quellen von Wettbewerb und eine Marktmacht des Herstellers des Originalpräparats gekennzeichnet war, auf eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung schließen zu können. 1229 Würde ein solcher Ansatz gebilligt, könnte die Kommission in Sachen wie den vorliegenden, die mit einer Vereinbarung zur gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits über Arzneimittelpatente verbundene wettbewerbsbeschränkende Klauseln betreffen, eine bewirkte Wettbewerbsbeschränkung feststellen und brauchte sich dafür im Wesentlichen nur zu vergewissern, dass zwei der drei der Voraussetzungen für die Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung erfüllt sind, nämlich das Bestehen eines potenziellen Wettbewerbs und das Vorliegen wettbewerbsbeschränkender Klauseln. 1230 Da es, wie sich aus der Prüfung des die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung betreffenden Klagegrundes ergibt, besonders schwierig ist, die dritte Voraussetzung, nämlich das Bestehen eines Anreizes, darzutun, würde dies die Aufgabe der Kommission spürbar erleichtern. 1231 In Anbetracht der verschärften Beweisanforderungen für den Nachweis einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (siehe oben, Rn. 1123 und 1128 bis 1139) kommt eine solche Lösung, die dem Geist der im Vertrag geschaffenen Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderläuft, nicht in Betracht. 1232 Nach alledem greift die Rüge eines Rechtsfehlers durch, der allein ausreicht, um den von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegrund, die Kommission habe zu Unrecht das Vorliegen einer sich aus den Vereinbarungen zwischen Servier und Krka ergebenden bewirkten Wettbewerbsbeschränkung festgestellt, in seiner Gesamtheit für begründet zu erklären. 1233 Da der Klagegrund, mit dem das Fehlen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung beanstandet wird, ebenfalls für begründet erklärt worden ist, ist festzustellen, dass die Kommission hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen zu Unrecht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat. 1234 Folglich ist, ohne dass die übrigen von den Klägerinnen im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erhobenen Rügen und der Klagegrund betreffend die Eigenschaft von Krka als potenzieller Wettbewerber geprüft zu werden brauchen, Art. 4 des angefochtenen Beschlusses insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission mit diesem Artikel hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen die Beteiligung von Servier an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat. 10. Zu dem Klagegrund betreffend die Definition des Begriffs der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 1247 Aus den Gründen, die bereits oben in den Rn. 566 bis 570, 743 und 909 zu anderen Klagegründen dargelegt worden sind, die sich gegen die Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung aufgrund der von Servier mit Niche und Unichem, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vereinbarungen richten, ist dieser Klagegrund als ins Leere gehend zurückzuweisen. 11. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen a) Zur Einstufung der fünf Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1254 Wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt und von den Klägerinnen nicht bestritten wird, haben diese gesonderte, an unterschiedlichen Tagen (mit Ausnahme der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen) unterzeichnete Vereinbarungen mit unterschiedlichen Parteien, in unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexten und mit unterschiedlichen Geltungsbereichen geschlossen. Die Klägerinnen machen gleichwohl geltend, der Abschluss dieser Vereinbarungen stelle wegen der Identität des betroffenen Erzeugnisses, einer gewissen räumlichen und zeitlichen Identität der Vereinbarungen, der Identität der Methode und der Durchführungsmodalitäten der Vereinbarungen sowie der Identität der auf ihrer Seite am Abschluss der Vereinbarungen beteiligten natürlichen Person eine einheitliche Zuwiderhandlung dar. 1255 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass dieser Klagegrund, mit dem beanstandet wird, dass im vorliegenden Fall keine einheitliche Zuwiderhandlung angenommen wurde, hilfsweise geltend gemacht wird (siehe oben, Rn. 1248) für den Fall, dass die gegen die Einstufung der streitigen Vereinbarungen als bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen gerichteten Klagegründe zurückgewiesen würden. Somit wird in Anbetracht des Erfolgs der gegen die Einstufung der Vereinbarungen zwischen den Klägerinnen und Krka als Wettbewerbsbeschränkung gerichteten Klagegründe der vorliegende Klagegrund nur insoweit geprüft, als mit ihm die Einstufung der von den Klägerinnen mit Niche, Matrix, Teva und Lupin geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen beanstandet wird. 1256 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, der Klagegrund sei als ins Leere gehend zurückzuweisen, weil die Klägerinnen jedenfalls nicht nachgewiesen hätten, dass die Geldbuße zwingend niedriger gewesen wäre, wenn sie die betreffenden Vereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung angesehen hätte. 1257 Zunächst ist zu beachten, dass die Frage, ob ein Klagegrund ins Leere geht oder nicht, auf seine Eignung verweist, die vom Kläger angestrebte Nichtigerklärung herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft, nicht aber auf das Interesse, das der Kläger an der Erhebung einer derartigen Klage oder aber am Vortrag eines bestimmten Klagegrundes haben könnte, da diese Fragen zur Zulässigkeit der Klage und des Klagegrundes gehören (Urteil vom 21. September 2000, EFMA/Rat, C‑46/98 P, EU:C:2000:474, Rn. 38). 1258 Da die Kommission unter der Voraussetzung, dass sie ein legitimes Interesse an einer solchen Feststellung hat, befugt ist, einen Beschluss zu erlassen, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, ohne zugleich eine Geldbuße zu verhängen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, EU:T:2005:349, Rn. 31, und vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, EU:T:2006:350, Rn. 18), kann die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses, mit dem die Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung festgestellt wird, nicht von der Rechtmäßigkeit der gegen dieses Unternehmen verhängten Geldbuße abhängen. Deshalb können Klagegründe, die sich auf die Verhängung der Sanktionen beziehen, ihrer Natur nach nur die Verhängung der Geldbuße und nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst betreffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Juni 2012, Bolloré/Kommission, T‑372/10, EU:T:2012:325, Rn. 81). Dagegen können die gegen die Feststellung der Zuwiderhandlung selbst gerichteten Klagegründe grundsätzlich zur Nichtigerklärung nicht nur des Beschlusses, mit dem die Beteiligung eines Unternehmens festgestellt wird, sondern folglich auch der gegen dieses Unternehmen verhängten Geldbuße führen. 1259 Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass, falls das Gericht befinden sollte, dass die Kommission in den streitigen Vereinbarungen zu Unrecht jeweils gesonderte Zuwiderhandlungen statt eine einheitliche Zuwiderhandlung gesehen hat, der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt werden müsste, soweit mit ihm gegenüber den Klägerinnen das Vorliegen gesonderter Zuwiderhandlungen festgestellt wird und folglich soweit mit ihm wegen dieser Zuwiderhandlungen Geldbußen verhängt werden, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Nichtigerklärung für die Klägerinnen günstig auf den Gesamtbetrag der gesonderten Geldbußen auswirken würde, die gegen sie verhängt worden sind, und der gegebenenfalls neu berechnet werden müsste, wenn im Rahmen eines neuen Beschlusses eine einheitliche Geldbuße gegen sie verhängt würde. Die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, über die das Gericht auf der Grundlage von Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 verfügt, betrifft nämlich allein die Beurteilung der von der Kommission verhängten Geldbuße durch das Gericht, unter Ausschluss jeder Änderung der Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung, die die Kommission in dem Beschluss, über den das Gericht zu befinden hat, rechtmäßig festgestellt hat (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 77). 1260 Nur ergänzend ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass sich eine Feststellung des Gerichts, dass die Kommission zu Unrecht gesonderte Zuwiderhandlungen statt einer einheitlichen Zuwiderhandlung angenommen hat, auf den Betrag der Geldbuße auswirken würde. 1261 Die Einstufung bestimmter rechtswidriger Handlungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung oder als mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen bleibt nämlich grundsätzlich nicht ohne Auswirkungen auf die mögliche Sanktion, da die Feststellung mehrerer gesonderter Zuwiderhandlungen zur Verhängung mehrerer gesonderter Geldbußen führen kann, die jeweils nach Maßgabe von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgesetzt werden, d. h. unter Beachtung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes im letzten Geschäftsjahr vor Erlass des Beschlusses. Die Kommission kann somit in einem einzigen Beschluss zwei gesonderte Zuwiderhandlungen feststellen und zwei Geldbußen verhängen, deren Gesamthöhe die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegte Obergrenze von 10 % überschreitet, sofern die Höhe jeder einzelnen Geldbuße diese Obergrenze nicht überschreitet. Es macht nämlich für die Anwendung dieser Obergrenze keinen Unterschied, ob verschiedene Wettbewerbsverstöße in einem einheitlichen Verfahren oder in getrennten, zeitlich versetzten Verfahren geahndet werden, da die Obergrenze von 10 % für jede einzelne von der Kommission geahndete Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV gesondert gilt (vgl. Urteil vom 6. Februar 2014, AC‑Treuhand/Kommission, T‑27/10, EU:T:2014:59, Rn. 230 bis 232 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist jedoch, wie die Klägerinnen in der Klageschrift einräumen, festzustellen, dass der Gesamtbetrag der wegen der Zuwiderhandlungen gegen die Art. 101 und 102 AEUV gegen sie verhängten Geldbußen unter der in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Obergrenze von 10 % des Umsatzes liegt, den sie im Geschäftsjahr vor dem Jahr des Erlasses des angefochtenen Beschlusses erzielt haben. Folglich können die Klägerinnen der Kommission nicht vorwerfen, ihnen gesonderte Geldbußen auferlegt zu haben, um diese Obergrenze von 10 % überschreiten zu können. 1262 Wie sich jedoch aus den Rn. 3120, 3121 und 3128 des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat die Kommission bei der Verhängung gesonderter Geldbußen gegen die Klägerinnen wegen jeder Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV auf diese Beträge einen reduzierend wirkenden Berichtigungsfaktor angewandt, um ein wegen der parallelen Verhängung mehrerer Geldbußen möglicherweise unverhältnismäßiges Ergebnis zu verhindern. Die Kommission hat nämlich wegen ihrer Entscheidung, gegen die Klägerinnen mehrere gesonderte Geldbußen zu verhängen, auf den Betrag des Umsatzes der Klägerinnen, der zur Bestimmung des Betrags jeder einzelnen Geldbuße berücksichtigt worden ist, eine durchschnittliche Kürzung um 54,5 % angewandt, die der zeitlichen und räumlichen Überschneidung der entsprechenden Zuwiderhandlungen Rechnung tragen soll. Um darzutun, dass der Klagegrund ins Leere geht, wäre es folglich jedenfalls Sache der Kommission, nachzuweisen, dass die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße bei Annahme einer einzigen Zuwiderhandlung ebenso hoch gewesen wäre, was wenig wahrscheinlich ist. 1263 Daher ist die Begründetheit des Klagegrundes zu prüfen. 1264 Nach ständiger Rechtsprechung kann sich ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben, selbst wenn ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Vorschrift darstellen könnten. Somit ist, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt in einen „Gesamtplan“ einfügen, die Kommission berechtigt, den Beteiligten die Verantwortung für diese Handlungen anhand ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 156). 1265 Ein Unternehmen, das sich durch eigene Handlungen, die den Begriff der Vereinbarung oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Ziel im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllten und zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, an einer solchen einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, kann somit für die gesamte Zeit seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung auch für das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen der Zuwiderhandlung verantwortlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteile vom 6. Dezember 2012, Kommission/Verhuizingen Coppens, C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 42 und 60, sowie vom 24. Juni 2015, Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce, C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2015:416, Rn. 157). 1266 Somit erlaubt es der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die Verantwortung für eine Gesamtheit von rechtswidrigen Handlungen unter bestimmten Voraussetzungen allen an einer der Handlungen, die diese Gesamtheit bilden, Beteiligten aufzuerlegen. Diese Möglichkeit kommt allerdings nur in Betracht, wenn sich u. a. ein allen Beteiligten gemeinsames Ziel feststellen lässt. 1267 Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Ziels oder Zwecks ergibt sich nicht nur aus den oben in den Rn. 1264 und 1265 angeführten Urteilen, sondern auch aus der früheren Rechtsprechung. 1268 So hat der Gerichtshof im Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 82 und 83), die Sicht des Gerichts bestätigt, wonach erstens die festgestellten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmäßiger Sitzungen zur Festsetzung von Preiszielen und Quoten waren, die wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen waren, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel, die Verfälschung der Entwicklung der Preise, verfolgt worden ist, und wonach es zweitens gekünstelt wäre, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen, während es sich im Gegenteil um eine einheitliche Zuwiderhandlung handelt, die sich nach und nach sowohl in rechtswidrigen Vereinbarungen als auch in rechtswidrigen abgestimmten Verhaltensweisen konkretisiert hat. 1269 Im Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 258 und 259), hat der Gerichtshof entschieden, dass die Kommission, wenn sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ einfügen, berechtigt ist, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes zu bestimmen. Es wäre gekünstelt, eine durch eine Reihe von Bemühungen mit der gleichen wirtschaftlichen Zielsetzung -Respektierung der Inlandsmärkte – gekennzeichnete Vereinbarung in mehrere gesonderte Verhaltensweisen aufzuspalten. 1270 Zudem ist das Bestehen eines gemeinsamen Ziels dem in der Rechtsprechung des Gerichtshofs herangezogenen Begriff „Gesamtplan“ inhärent, denn einen solchen Plan könnte es ohne ein von allen Beteiligten geteiltes, gemeinsames Ziel nicht geben. 1271 Schließlich können zwischen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen bestehende Komplementaritätszusammenhänge objektive Indizien für das Vorliegen eines Gesamtplans zur Erreichung eines einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels darstellen. Solche Zusammenhänge bestehen, wenn diese Vereinbarungen oder Verhaltensweisen eine oder mehrere Folgen des normalen Wettbewerbs beseitigen sollen und durch Interaktion zur Verwirklichung eines einzigen wettbewerbswidrigen Ziels beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 16. September 2013, Masco u. a./Kommission, T‑378/10, EU:T:2013:469, Rn. 22, 23 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der vorliegende konkrete Sachverhalt ist auf der Grundlage der vorstehenden allgemeinen Erwägungen zu prüfen. 1272 Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen gesonderte Vergleichsvereinbarungen mit – je nach Vereinbarung – einem oder mehreren Generikaherstellern geschlossen hatten und dass diese, wie die Prüfung der jede dieser Vereinbarungen betreffenden Klagegründe ergeben hat, je für sich einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV darstellen. 1273 In einem solchen Kontext hätte die Kommission nach der vorstehend angeführten Rechtsprechung die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen nur dann als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV ansehen können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, u. a. nachzuweisen, dass sich diese Vereinbarungen in einen Gesamtplan einfügten. 1274 Mithin setzte die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung voraus, dass Servier und alle betroffenen Generikahersteller die streitigen Vereinbarungen zumindest in Verfolgung eines geneinsamen Ziels abgeschlossen hatten. 1275 Die Klägerinnen machen aber nicht oder zumindest nicht ausdrücklich das Bestehen eines solchen, von ihnen auch nicht genau bezeichneten Ziels geltend. 1276 Das Bestehen eines solchen Ziels geht auch nicht aus den Akten hervor. 1277 Der Begriff des gemeinsamen oder einheitlichen Ziels kann nicht durch einen allgemeinen Verweis auf die Verzerrung des Wettbewerbs auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt bestimmt werden, da die Beeinträchtigung des Wettbewerbs als Ziel oder Wirkung jedem von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfassten Verhalten eigen ist. Eine solche Definition des Begriffs des einheitlichen Ziels könnte dem Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilweise seinen Sinn nehmen, da sie zur Folge hätte, dass mehrere einen Wirtschaftssektor betreffende Verhaltensweisen, die nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verboten sind, systematisch als Bestandteile einer einheitlichen Zuwiderhandlung eingestuft werden müssten (vgl. Urteil vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1278 Aus den Akten geht jedoch nicht hervor, dass es ein einheitliches Ziel von Servier und den Generikaherstellern gab, das sich genauer als durch einen bloßen allgemeinen Hinweis auf die Wettbewerbsverzerrung auf dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Markt definieren ließe. 1279 Des Weiteren hatten die Generikahersteller keine sie im Verhältnis zueinander bindenden Vergleichsvereinbarungen geschlossen, sondern nur Vereinbarungen, die jede von ihnen an Servier banden. Zudem folgten diese Vereinbarungen, mit Ausnahme der Matrix-Vereinbarung, u. a. auf nationale Rechtsstreitigkeiten, in denen die einzelnen Generikahersteller jeweils allein Servier gegenüberstanden, ohne dass die anderen betroffenen Generikahersteller von diesen Rechtsstreitigkeiten betroffen waren. Schließlich hatten diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossenen Vereinbarungen unterschiedliche Inhalte, wobei die Niche- und die Matrix-Vereinbarung nur eine umgekehrte Zahlung vorsahen, die Teva-Vereinbarung eine Alleinbezugsklausel enthielt und die Lupin-Vereinbarung mit einer Vereinbarung über die Übertragung von Patentanmeldungen durch Lupin an Servier verbunden war. 1280 Dem ist hinzuzufügen, dass das Inkrafttreten jeder Vereinbarung nicht von dem der anderen Vereinbarungen abhing und keine Vereinbarung eine Klausel enthielt, die eine Koordinierung des Verhaltens der einzelnen Generikahersteller vorsah oder schuf. Aus den Akten geht auch nicht hervor, dass diese Unternehmen auf die eine oder die andere Weise ihre Bemühungen zur Beschränkung des Wettbewerbs koordiniert hätten. In Ermangelung solcher Verbindungen zwischen den Vereinbarungen oder von Anhaltspunkten dafür, dass es zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen eine Abstimmung zwischen den Generikaherstellern gab, ist die einzige Koordinierung, die den Akten zu entnehmen ist, diejenige, die Servier für den Abschluss der verschiedenen Vereinbarungen vorgenommen hat. 1281 Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann nicht geschlossen werden, dass die in Rede stehenden Generikahersteller an einem Gesamtplan beteiligt waren. Im Gegenteil ist festzustellen, dass sie, wie die Kommission in ihrer Klageschrift zu Recht hervorhebt, lediglich die Chance genutzt haben, die sich jedem von ihnen mit der von Servier angestrebten Vereinbarung bot. Jeder einzelne Generikahersteller hat sich somit an einer selbständigen Marktausschlussvereinbarung beteiligt, ohne zu einer Gesamtheit von Vereinbarungen mit einem gemeinsamen Ziel beizutragen. 1282 Da es an einem Servier und jedem der Generikahersteller gemeinsamen Ziel und somit an einem Gesamtplan fehlt, hat die Kommission zu Recht nicht befunden, dass die in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellten. 1283 Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt. 1284 Als Erstes waren zwar die Klägerinnen an allen in Rede stehenden Vergleichsvereinbarungen beteiligt, und die Kommission konnte feststellen, dass einige Generikahersteller darüber informiert worden waren, dass die Klägerinnen weitere Vergleichsvereinbarungen mit Generikaherstellern geschlossen hatten, doch genügt die bloße Kenntnis von anderen wettbewerbswidrigen Praktiken nicht für die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung. Auch wenn eine solche Kenntnis eine Voraussetzung dafür ist, ein Unternehmen für das Verhalten anderer Unternehmen im Rahmen einer einheitlichen Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen (siehe oben, Rn. 1265), beweist sie als solche nicht das Vorliegen eines gemeinsamen subjektiven Elements und insbesondere die Verfolgung eines allen an ihr Beteiligten gemeinsamen Zwecks oder Ziels, was für den Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung unerlässlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, EU:T:2007:380, Rn. 205, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 108). 1285 Als Zweites werfen die Klägerinnen der Kommission vor, in Rn. 3120 des angefochtenen Beschlusses drei nicht relevante oder nicht zu berücksichtigende Entscheidungen bzw. Beschlüsse angeführt zu haben, denn einige davon seien nicht veröffentlicht worden. Jedenfalls ist aber zu beachten, dass die Kommission aus objektiven Gründen gesonderte Verfahren einleiten, mehrere gesonderte Zuwiderhandlungen feststellen und mehrere gesonderte Geldbußen verhängen kann (vgl. Urteil vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, EU:T:2010:165, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist es für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses ohne Belang, ob die Kommission relevante oder nicht relevante, veröffentlichte oder nicht veröffentlichte Präzedenzfälle angeführt hat, da sie in jeder Sache zu prüfen hat, ob objektive Gründe die Feststellung erlauben, dass eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliegt. Nur ergänzend sei hinzugefügt, dass die Kommission im vorliegenden Fall die beanstandeten Präzedenzfälle nur als Beispiele für Fälle angeführt hat, in denen wegen gesonderter Zuwiderhandlungen getrennte Geldbußen verhängt worden sind, nachdem sie darauf hingewiesen hatte, dass nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und im Einklang mit den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen für jede Zuwiderhandlung getrennte Geldbußen zu verhängen seien. 1286 Als Drittes werfen die Klägerinnen der Kommission vor, ihre Analyse sei widersprüchlich begründet. Die Kommission könne die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als einheitliche Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV nicht ablehnen, da sie in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der den Missbrauch einer beherrschenden Stellung betreffe, dieselben Vereinbarungen als eine einzige Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV angesehen habe. 1287 Dem ist nicht zu folgen. 1288 Der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV bezieht sich auf zwei- oder mehrseitige Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen, während der Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung durch ein Unternehmen ein einseitiges Verhalten dieses Unternehmens erfasst, wie es die Kommission in dem der Anwendung von Art. 102 AEUV gewidmeten Teil des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Da sich diese beiden Begriffe voneinander unterscheiden und auf unterschiedlichen Kriterien beruhen, kann sich die Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV nicht daraus ergeben, dass das Verhalten eines der an dieser Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens ferner als Missbrauch einer beherrschenden Stellung eingestuft wird. Dies gilt umso mehr, wenn wie im vorliegenden Fall die Einstufung als Missbrauch einer beherrschenden Stellung zum Teil auf der Berücksichtigung eines Verhaltens beruht, das nicht im Rahmen von Art. 101 AEUV geprüft worden ist, nämlich des Erwerbs der Technologie von Azad durch die Klägerinnen. 1289 Zudem hat die Kommission in dem die Anwendung von Art. 102 AEUV betreffenden Teil des angefochtenen Beschlusses nicht festgestellt, dass die Klägerinnen bei der Umsetzung ihrer Strategie des Ausschlusses ihrer Wettbewerber mittels des Abschlusses von Vergleichsvereinbarungen und des Erwerbs der Technologie von Azad ein mit den Generikaherstellern gemeinsames Ziel verfolgt hätten, was eine notwendige Voraussetzung für die Feststellung einer einheitlichen Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 101 AEUV ist. Die Klägerinnen machen im Übrigen nicht geltend, dass die Kommission eine solche Feststellung getroffen habe. Folglich können sie sich dafür, dass die Kommission die Vergleichsvereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung hätte ansehen müssen, nicht mit Erfolg auf diesen Teil des angefochtenen Beschlusses berufen. 1290 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. b) Zur Einstufung der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1293 Aus Abschnitt 5 und Rn. 3120 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die Kommission die beiden von den Klägerinnen (und Biogaran) mit Niche geschlossenen Vereinbarungen (Vergleichsvereinbarung sowie Lizenz- und Liefervereinbarung) und die mit Matrix geschlossene Vergleichsvereinbarung als zwei gesonderte Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV angesehen hat. Nach Auffassung der Klägerinnen stellen diese Vereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung dar. 1294 Die Kommission macht geltend, dieser Klagegrund sei als ins Leere gehend zurückzuweisen, weil die Klägerinnen jedenfalls nicht nachgewiesen hätten, dass die Geldbuße zwangsläufig niedriger gewesen wäre, wenn sie die mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als eine einheitliche Zuwiderhandlung eingestuft hätte. Aus den Rn. 1256 bis 1263 des vorliegenden Urteils ergibt sich jedoch, dass der angefochtene Beschluss für nichtig erklärt und die Geldbuße neu berechnet werden müsste, wenn dieser Klagegrund begründet wäre. Folglich geht der vorliegende Klagegrund – wie derjenige, mit dem allgemein die Einstufung der verschiedenen von den Klägerinnen geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen beanstandet wird – nicht ins Leere. 1295 Zur Begründetheit dieses Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zur Feststellung des Vorliegens einer einheitlichen Zuwiderhandlung nachzuweisen hat, dass sich die fraglichen Vereinbarungen in einen Gesamtplan einfügen, der von den betroffenen Unternehmen bewusst ausgeführt wird, um ein einziges wettbewerbswidriges Ziel zu erreichen, und dass sie insoweit alle tatsächlichen Umstände zu prüfen hat, die den genannten Gesamtplan belegen oder in Frage stellen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2013, Masco u. a./Kommission, T‑378/10, EU:T:2013:469, Rn. 22 und 23; siehe auch oben, Rn. 1264 bis 1269). 1296 Im vorliegenden Fall lässt sich zwar aus dem Vorbringen der Klägerinnen ableiten, dass sie beim Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen von „denselben Motiven“ geleitet waren, wie die Kommission zutreffend in Rn. 1472 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, und dass sie insoweit dasselbe Ziel verfolgten, nämlich den anhängigen Rechtsstreit endgültig beizulegen und jeden künftigen Rechtsstreit über das Erzeugnis von Niche/Matrix zu vermeiden sowie dieses Erzeugnis gegen Bezahlung als potenzielle Quelle von Wettbewerb auszuschalten. Dass die Klägerinnen beim Abschluss der Vereinbarungen mit Niche und mit Matrix dieses identische Ziel verfolgten, wird belegt durch die Tatsache, dass diese Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort von demselben Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden, die Tatsache, dass ihr zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich identisch war, die Tatsache, dass die Vereinbarungen u. a. dasselbe Erzeugnis betrafen, wobei Niche und Matrix ähnliche Verpflichtungen auferlegt wurden, und schließlich die nicht bestrittene Tatsache, dass es im Interesse der Klägerinnen lag, Vereinbarungen mit den beiden am betreffenden gemeinsamen Perindopril-Projekt Beteiligten zu schließen (vgl. hierzu Rn. 2940 des angefochtenen Beschlusses). 1297 Derartige Tatsachen beweisen jedoch nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen zusammen ein und dasselbe Ziel und damit einen gemeinsamen Plan verfolgten, und schon gar nicht, dass sie einen solchen gemeinsamen Plan mit den Klägerinnen teilten. 1298 Der Abschluss der Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort belegt zwar den Zusammenhang zwischen ihnen und das von Servier, Unterzeichnerin beider Vereinbarungen, verfolgte gemeinsame Ziel, er beweist jedoch allein keinen gemeinsamen Plan von Niche und Matrix, den anderen Unterzeichnern. Ebenso zeigt die Vertretung von Niche und von Matrix durch denselben Rechtsanwalt – die auch die Leistung der beiden Wertübertragungen auf ein und dasselbe Konto, das ihres gemeinsamen Vertreters, erklärt – das Fehlen eines Interessenkonflikts zwischen ihnen, beweist aber als solche keine Interessengemeinschaft, zumal der betreffende Vertreter der von Niche war und Matrix nur bei der Unterzeichnung der Matrix-Vereinbarung vertreten hat (Rn. 575 und 576 des angefochtenen Beschlusses). Zudem untersagten zwar die beiden Vereinbarungen tatsächlich die Vermarktung des Erzeugnisses von Niche/Matrix, doch ist zu beachten, dass sich die Niche-Vereinbarung allgemein auf alle potenziell patentverletzenden Erzeugnisse bezieht, die von Niche, allein oder mit anderen Partnern, entwickelt werden könnten, und die Matrix-Vereinbarung allgemein auf alle potenziell patentverletzenden Erzeugnisse, die von Matrix, allein oder mit anderen Partnern, entwickelt werden könnten (gemäß der in beiden Vereinbarungen enthaltenen Definition von „Verfahren“), was überdies die Ähnlichkeit zwischen den Klauseln der Vereinbarungen relativiert. Hinzu kommt, dass die Klauseln der Niche- und der Matrix-Vereinbarung nicht völlig identisch sind, u. a. wegen der unterschiedlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Niche auf der einen Seite und zwischen Servier und Matrix auf der anderen. So enthält nur die Niche-Vereinbarung Klauseln, in denen das Ende der bei den Gerichten im Vereinigten Königreich und beim EPA anhängigen Rechtsstreitigkeiten vorgesehen ist (Art. 2 und 7 der Niche-Vereinbarung), während Matrix an keiner dieser Rechtsstreitigkeiten direkt beteiligt war (vgl. auch Art. 9 der Niche-Vereinbarung, für den es in der Matrix-Vereinbarung ebenfalls keine Entsprechung gibt). 1299 Auch die vermeintliche Absprache zwischen Niche und Matrix über die Durchführung der mit den Klägerinnen geschlossenen Vereinbarungen beweist nicht das Bestehen eines beiden gemeinsamen Plans. Eine solche Absprache kann nämlich durch die bloße Erwähnung einer mündlichen Vereinbarung über die Teilung der Entschädigung der Kunden von Niche und einer Bitte von Niche um schriftliche Bestätigung dieser Vereinbarung durch Matrix nicht als hinreichend bewiesen erachtet werden. Gegen sie spricht sogar die konkrete Durchführung der Vereinbarungen, die sich u. a. in der einseitigen Aussetzung der Niche-Matrix-Vereinbarung durch Niche niedergeschlagen hat. 1300 Auch aus dem Verlauf der Verhandlungen über die in Rede stehenden Vereinbarungen ergibt sich nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss dieser Vereinbarungen ein und dasselbe Ziel verfolgt hätten. Vielmehr zeigen mehrere nicht bestrittene Angaben in den Akten und im angefochtenen Beschluss (Rn. 574 und 577 des angefochtenen Beschlusses), dass der Abschluss der Matrix-Vereinbarung durch Matrix eher auf deren Willen zurückzuführen ist, eine von den Klägerinnen gebotene Chance zu ergreifen (siehe auch oben, Rn. 1281), als auf einen gemeinsamen Plan mit ihrem Partner Niche, ihr gemeinsames Perindopril-Projekt zu beenden. Insbesondere wurde Matrix zum einen erst zwei Tage vor dem Abschluss ihrer eigenen Vereinbarung mit den Klägerinnen vom Bestehen von Verhandlungen zwischen Niche und den Klägerinnen informiert, und vom Stand dieser Verhandlungen wurde sie erst am Vorabend kurz informiert. Zum anderen kann aus Rn. 577 des angefochtenen Beschlusses abgeleitet werden, dass die Beteiligung von Matrix an den Verhandlungen hauptsächlich den Betrag der Wertübertragung betraf. 1301 Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als einheitliche Zuwiderhandlung dazu führen würde, in diese Zuwiderhandlung die zwischen Niche und Biogaran geschlossene Vereinbarung einzubeziehen, die die Kommission, von den Klägerinnen unwidersprochen, als Teil der ihnen wegen der Niche-Vereinbarung vorgeworfenen Zuwiderhandlung angesehen hat (vgl. Rn. 3006 des angefochtenen Beschlusses). Diese zwischen Biogaran und Niche ohne Wissen von Matrix ausgehandelte Vereinbarung, die nichts mit dem Erzeugnis von Niche/Matrix zu tun hat und einen anderen Gegenstand hat als die Matrix-Vereinbarung (Lizenz- und Liefervereinbarung betreffend andere Arzneimittel), kann jedoch nicht als Teil eines Niche und Matrix oder gar diesen beiden Unternehmen und den Klägerinnen gemeinsamen Plans angesehen werden. 1302 Somit hat die Kommission keinen Rechts- oder Beurteilungsfehler begangen, indem sie die von den Klägerinnen (und Biogaran) jeweils mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen eingestuft hat. Folglich geht auch die Rüge der Klägerinnen fehl, die Kommission habe denselben Sachverhalt zweimal geahndet. Denn nachdem die Kommission zwei gesonderte Zuwiderhandlungen festgestellt hatte, war sie berechtigt, zwei gesonderte Geldbußen zu verhängen. Dagegen erfordern, wie unten in den Rn. 1692 bis 1699 darzulegen sein wird, die besonderen Bedingungen des Abschlusses der Matrix-Vereinbarung und deren spezifische Reichweite eine gebührende Berücksichtigung dieser Merkmale bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der wegen dieser Vereinbarung verhängten Geldbuße gegenüber derjenigen, mit der die Niche-Vereinbarung geahndet worden ist. 1303 Nach alledem sind der vorliegende Klagegrund und die Klagegründe, mit denen Rechts- und Beurteilungsfehler betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen geltend gemacht werden, insgesamt zurückzuweisen. 12. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Definition des relevanten Marktes für die Endprodukte a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 1367 Die Klägerinnen bringen, unterstützt von der Streithelferin, im Wesentlichen drei Rügen vor. 1368 Mit ihrer ersten Rüge werfen sie der Kommission vor, die Besonderheiten des Arzneimittelmarkts verkannt zu haben, indem sie ihre Analyse des relevanten Marktes hauptsächlich auf den Preis der Arzneimittel und nicht auf die therapeutische Substituierbarkeit gestützt habe. Diese Rüge besteht aus zwei Teilen: Erstens habe die Kommission nicht den gesamten wirtschaftlichen Kontext berücksichtigt, und zweitens habe sie dem Faktor Preis eine zu große Bedeutung beigemessen. 1369 Mit ihrer zweiten Rüge treten die Klägerinnen der These der Kommission entgegen, dass die ACE‑Hemmer aus therapeutischer Sicht nicht hinreichend substituierbar seien. Sie stellen die Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten, die geringe Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen und die von der Kommission vorgenommene Analyse der Werbeaktivitäten in Frage. 1370 Mit ihrer dritten Rüge beanstanden die Klägerinnen hilfsweise die methodischen Mängel der ökonometrischen Analyse des natürlichen Geschehens, mit der die Kommission dartun wolle, dass von den ACE‑Hemmern kein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgehe. 1371 Vor der Prüfung jeder dieser drei Rügen ist in einer Reihe von Vorbemerkungen zum einen auf den Umfang der Kontrolle des Unionsrichters im Wettbewerbsrecht und zum anderen auf die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Prüfungsgesichtspunkte bezüglich der Abgrenzung des relevanten Produktmarkts insbesondere im Arzneimittelsektor, auch im Licht der Antworten der Parteien auf die Fragen des Gerichts zur jeweiligen Bedeutung der therapeutischen Substituierbarkeit und der die Preise betreffenden Faktoren für diese Analyse, einzugehen. 1) Vorbemerkungen i) Zum Umfang der Kontrolle durch den Unionsrichter 1372 Das Unionsrecht sieht für Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach Art. 102 AEUV ein System der gerichtlichen Kontrolle vor (vgl. Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses System der gerichtlichen Kontrolle besteht in einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe auf der Grundlage von Art. 263 AEUV, die gemäß Art. 261 AEUV um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 71). 1373 Wie der Gerichtshof bereits dargelegt hat, erstreckt sich die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle insoweit auf sämtliche Bestandteile der Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von diesen vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem Erlass des Beschlusses –, unabhängig davon, ob sie vorab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht oder erstmals im Rahmen der Klage, mit der das Gericht befasst ist, vorgebracht wurden, soweit diese Umstände für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission maßgeblich sind (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72). 1374 Nach ständiger Rechtsprechung nimmt der Unionsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsvorschriften erfüllt sind, seine Überprüfung der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission ist aber notwendigerweise darauf beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (Urteile vom 11. Juli 1985, Remia u. a./Kommission, 42/84, EU:C:1985:327, Rn. 34, vom 17. November 1987, British American Tobacco und Reynolds Industries/Kommission, 142/84 und 156/84, EU:C:1987:490, Rn. 62, und vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission, T‑271/03, EU:T:2008:101, Rn. 185). 1375 Auch wenn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Wertungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission zu unterlassen hat. Der Unionsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, vom 8. Dezember 2011,Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54, und vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 54). Wenn die Kommission zur Einstufung einer Praxis nach Art. 102 AEUV einer ökonometrischen Analyse der Frage, ob die Rabatte einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt hätten verdrängen können („as efficient competitor test“, im Folgenden: AEC‑Test), tatsächliche Bedeutung beimisst, hat der Unionsrichter das gesamte Vorbringen des mit einer Sanktion belegten Unternehmens zu diesem Test zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 141 bis 144). 1376 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss die Kommission im Bereich des Wettbewerbsrechts bei einem Streit über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen beweisen und die Beweismittel beibringen, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird (Urteile vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 71 und 72, und vom 16. Februar 2017, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, C‑90/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:123, Rn. 17 und 18). 1377 Es obliegt zwar der Behörde, die den Vorwurf der Verletzung der Wettbewerbsregeln erhebt, dafür den Beweis zu erbringen, doch ist es Sache des Unternehmens, das sich gegenüber der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen diese Regeln auf eine Rechtfertigung beruft, den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen für diese Rechtfertigung erfüllt sind, so dass die genannte Behörde dann auf andere Beweismittel zurückgreifen muss. Auch wenn die Beweislast nach diesen Grundsätzen entweder der Kommission oder dem betreffenden Unternehmen obliegt, können die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die sich eine Partei beruft, die andere Partei zu einer Erläuterung oder Rechtfertigung zwingen, da sonst der Schluss zulässig ist, dass den Anforderungen an die Beweislast genügt wurde (vgl. Urteil vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 1378 Stützt sich also die Kommission auf Beweise, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Eintritts eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweise erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises trägt, dass dieser Umstand den Beweiswert dieser Beweise nicht erschüttern konnte. Vielmehr muss das betreffende Unternehmen – es sei denn, dies wäre ihm wegen des Verhaltens der Kommission nicht möglich – rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweise, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt (Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 76). 1379 Schließlich ist zu beachten, dass der Gerichtshof und das Gericht jedenfalls im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle nach Art. 263 AEUV die vom Urheber der in Rede stehenden Handlung gegebene Begründung nicht durch ihre eigene ersetzen können (Urteile vom 27. Januar 2000, DIR International Film u. a./Kommission, C‑164/98 P, EU:C:2000:48, Rn. 38, vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 89, und vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 73). Da sich die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses auf die in diesem Beschluss enthaltenen Gründe bezieht, kann der Richter den von der Verwaltung in diesem Beschluss herangezogenen Gründen weder aus eigenen Stücken noch auf Antrag der Verwaltung weitere Gründe hinzufügen. ii) Zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts im Arzneimittelsektor 1380 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Definition des relevanten Marktes der Abgrenzung des Gebiets dient, innerhalb dessen die Frage zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37). 1381 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen möglicherweise eine beherrschende Stellung einnimmt, die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind (Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37, und vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, EU:T:1997:155, Rn. 54). Die Kommission kann ihre Prüfung nicht auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse und Dienstleistungen beschränken. Vielmehr müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden, um zu beurteilen, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern und sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden‑Industrie Michelin/Kommission, 322/81, EU:C:1983:313, Rn. 37, und vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission, T‑219/99, EU:T:2003:343, Rn. 91). 1382 Wie im Übrigen aus Rn. 7 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes hervorgeht, umfasst der sachlich relevante Produktmarkt sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als substituierbar angesehen werden. 1383 Nach Rn. 25 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes ergibt sich diese Definition aus einer ganzen Reihe von Nachweisen, anhand deren sich beurteilen lässt, in welchem Maß Substitution stattfinden würde. Die Abgrenzung des Marktes ist unter Prüfung empirischer Nachweise und anhand aller verfügbaren Angaben vorzunehmen, die im Einzelfall von Bedeutung sein können. 1384 Den Rn. 15 bis 19 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes zufolge beurteilt die Kommission die Substituierbarkeit der Nachfrage anhand eines theoretischen Ansatzes, aufgrund dessen eine leichte, aber bleibende Erhöhung um 5 % bis 10 % des relativen Preises für das Produkt, von dem aus der relevante Markt definiert wird, angenommen und geprüft wird, ob diese hypothetische Erhöhung dem hypothetischen Monopolisten, der das fragliche Produkt verkauft, einen Gewinn einbringen kann. Ist nach dieser wirtschaftlichen Prüfung, wie sie in Rn. 17 der Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes dargestellt wird, die Substitution so groß, dass durch den damit einhergehenden Absatzrückgang eine Preiserhöhung nicht mehr einträglich wäre, ist davon auszugehen, dass die Substitute einen erheblichen Wettbewerbsdruck auf das betreffende Produkt ausüben. 1385 Als Zweites ist zu beachten, dass die Wettbewerbsbeziehungen im Arzneimittelsektor Mechanismen folgen, die sich von denen unterscheiden, die die normalerweise auf den weniger stark reglementierten Märkten anzutreffenden wettbewerblichen Interaktionen bestimmen (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183). Wie es nämlich im Übrigen in der Mitteilung der Kommission „Zusammenfassung des Berichts über die Untersuchung des Arzneimittelsektors“ vom 8. Juli 2009 heißt, ist der Arzneimittelsektor „ungewöhnlich“, weil bei verschreibungspflichtigen Arzneien die Nachfrage vom verschreibenden Arzt und nicht vom Endverbraucher (dem Patienten) gesteuert wird. Die Ärzte lassen sich bei ihrer Wahl des zu verschreibenden Mittels hauptsächlich von der therapeutischen Wirkung der Arzneimittel leiten. Soweit die außerpreislichen Faktoren wie z. B. die therapeutische Verwendung die Entscheidung der Ärzte bestimmen, sind sie somit neben den preislichen Indikatoren ein relevanter Gesichtspunkt bei der Definition des Marktes (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 187). 1386 Die preisrelevanten Faktoren verlieren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sie sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183). 1387 In einem Verfahren wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Arzneimittelsektor kann die Kommission zur Definition des relevanten Marktes ihre Beurteilung u. a. auf die größere therapeutische Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels, seine andere therapeutische Verwendung als die anderer Arzneimittel, die asymmetrische Substitution, die die Steigerung des Absatzes dieses Erzeugnisses und den entsprechenden Rückgang oder die Stagnation des Absatzes der anderen Erzeugnisse kennzeichnet, und die Preisindikatoren, wie sie sich aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen ergeben, stützen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 61, 153, 182, 183, 203 und 219 bis 222). 1388 Was die therapeutische Verwendung angeht, sind zur Abgrenzung des relevanten Marktes die zwischen Erzeugnissen oder Arzneimittelkategorien bestehenden Unterschiede und Ähnlichkeiten zu beurteilen. Die Kommission kann die unterschiedliche therapeutische Verwendung zweier Arzneimittel, die zur Behandlung derselben Krankheit bestimmt sind, als einen Anhaltspunkt dafür ansehen, dass der relevante Markt nur eines dieser Erzeugnisse umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 153). 1389 Das Gericht hat die Parteien aufgefordert, sich in der Sitzung zur jeweiligen Bedeutung der Faktoren therapeutische Substituierbarkeit und Preis für die Definition des relevanten Marktes im Arzneimittelsektor im vorliegenden Fall, u. a. unter Berücksichtigung des Urteils vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), zu äußern. 1390 Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, ist der Umstand, dass der von den Preisen ausgehende Wettbewerbsdruck im Arzneimittelsektor stark abgemildert wird durch die Bedeutung, die die verschreibenden Ärzte den therapeutischen Aspekten der zur Behandlung derselben Krankheit bestimmten Arzneimitteln beimessen, und durch den Regelungsrahmen, der den Preis und die Einzelheiten der Erstattung der Arzneimittel durch das System der sozialen Sicherheit bestimmt, ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Analyse des relevanten Marktes, der eine enge Marktabgrenzung rechtfertigen kann. 1391 Es ändert nichts an dieser Feststellung, dass sich diese Abmilderung zum Teil aus dem Regelungsrahmen ergibt. Der Umstand, dass das Fehlen oder die Unerheblichkeit des Wettbewerbsdrucks auf den Regelungsrahmen zurückgeht, der die Modalitäten und das Ausmaß der wettbewerblichen Interaktionen zwischen den Erzeugnissen bestimmt, wirkt sich nicht auf die Relevanz aus, die im Rahmen einer Definition des relevanten Marktes der Feststellung zukommt, dass es keinen oder keinen signifikanten Wettbewerbsdruck gibt. Steht nämlich fest, dass eine Gruppe von Erzeugnissen keinem erheblichen Wettbewerbsdruck durch andere Erzeugnisse ausgesetzt ist, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese Gruppe einen relevanten Produktmarkt bildet, so kommt der Art oder dem Wesen der Faktoren, die diese Produktgruppe vor jedem erheblichen Wettbewerbsdruck schützen, nur begrenzte Relevanz zu, weil die Feststellung, dass kein solcher Wettbewerbsdruck vorliegt, den Schluss zulässt, dass ein beherrschendes Unternehmen auf dem so definierten Markt die Verbraucherinteressen auf diesem Markt dadurch beeinträchtigen kann, dass es durch missbräuchliches Verhalten die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs verhindert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 97, 174 und 175). 1392 Der Regelungsrahmen des Arzneimittelsektors mildert zwar häufig den von den Preisen ausgehenden Wettbewerbsdruck zwischen substituierbaren Arzneimitteln, er enthält jedoch auch Mechanismen, die diesen Druck verstärken, indem die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Generika erleichtert wird, die Festsetzung von Preisen für diese Arzneimittel erlaubt wird, die weit unter den Preisen der Referenz-Originalpräparate liegen, und den verschreibenden Ärzten ein starker Anreiz gegeben wird oder sie sogar dazu gezwungen werden, das Originalpräparat durch dessen generische Version zu substituieren. Somit lässt sich der Wettbewerbsdruck auf den Preis und den Absatz eines Originalpräparats, der vom Markt seiner generischen Version ausgeht, leicht feststellen. In der vorliegenden Rechtssache z. B. steht fest, dass der Markteintritt des Generikums von Perindopril im Vereinigten Königreich zu einem Rückgang des Preises von Perindopril um 90 % geführt hat. Diese Substitution ist jedoch, wenn sie von der anwendbaren Regelung vorgesehen ist, nur zwischen dem Referenz-Originalpräparat und seinen generischen Versionen möglich und zwischen unterschiedlichen Molekülen ausgeschlossen, einschließlich des Falles, dass die betreffenden Arzneimittel zu derselben therapeutischen Klasse gehören und dieselbe Wirkungsweise haben. 1393 Auch wenn aber die Definition des relevanten Marktes im Arzneimittelsektor der relativen Schwäche des vom Preis ausgehenden Wettbewerbsdrucks, die u. a. mit dem Regelungsrahmen zusammenhängt, gebührend Rechnung tragen muss, muss sie doch auch einen anderen wesentlichen und für diesen Sektor spezifischen Faktor der Analyse der wettbewerblichen Interaktion berücksichtigen, der in der Wahl der Behandlung durch die verschreibenden Ärzte besteht, die hierüber nicht in erster Linie und nicht einmal aufgrund einer klassischen Beurteilung des von diesen Arzneimitteln gebotenen Verhältnisses zwischen Qualität und Preis der verfügbaren Arzneimittel, sondern auf der Grundlage ihrer Sicht der therapeutischen Vor- und Nachteile dieser Arzneimittel entscheiden (vgl. in diesem Sinne entsprechend zur Definition des relevanten Marktes im Hinblick auf die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV Urteil vom 23. Januar 2018, F. Hoffmann-La Roche u. a., C‑179/16, EU:C:2018:25, Rn. 65). 1394 Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind nämlich keine Erzeugnisse, die frei auf einem Markt zwischen Verkäufern und Verbrauchern ausgetauscht werden und deren Preis am Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve gebildet wird, sondern Erzeugnisse, zu denen die Patienten durch die Vermittlung von Ärzten und Apothekern Zugang erhalten und die zu einem erheblichen Teil Gegenstand kollektiver Kostenübernahme sind. Die Bestimmungen über Arzneimittelpreise und deren Erstattung durch das System der sozialen Sicherheit spiegeln die besondere Natur dieser Erzeugnisse wider, wie auch die Bestimmungen, mit denen die Werbung für sie beschränkt oder ihr Verkauf in zugelassenen Apotheken unter der Verantwortung von Apothekern vorgeschrieben wird. 1395 Die Freiheit der Ärzte, zwischen den auf dem Markt verfügbaren Originalpräparaten oder zwischen den Originalpräparaten und den generischen Versionen anderer Moleküle zu wählen, und das vorrangige Augenmerk der verschreibenden Ärzte auf die therapeutischen Aspekte können gegebenenfalls dazu führen, dass signifikanter Wettbewerbsdruck qualitativer und nicht preislicher Art außerhalb der gewöhnlichen Preisdruckmechanismen entsteht. Ein solcher Druck kann sowohl dann bestehen, wenn sich die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels als denen der anderen Arzneimittel, die für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehen, klar überlegen erweisen, als auch dann, wenn die verfügbaren Arzneimittel von den verschreibenden Ärzten als gleichwertig anerkannt oder angesehen werden. 1396 Erweist sich nämlich ein Arzneimittel als anderen in therapeutischer Hinsicht eindeutig überlegen oder stellt es die einzige von der Wissenschaftsgemeinde empfohlene Option dar, wird es möglicherweise von den verschreibenden Ärzten ungeachtet seines Preises gewählt, auch wenn dieser deutlich über dem der anderen verfügbaren Arzneimittel liegt. In diesem Fall wirkt sich der niedrige Preis der anderen Arzneimittel, von dem in einem klassischen Markt doch ein starker Wettbewerbsdruck ausgehen müsste, nicht entscheidend aus. Das Preisgefälle zwischen diesen Erzeugnissen hat umso geringere Bedeutung, als die Höhe der Erstattung die finanzielle Belastung für den Patienten erleichtert. Folglich hätte ein Arzneimittelhersteller, dessen Arzneimittel von den Ärzten nicht mehr anerkannt oder günstig beurteilt wird und der seinen Preis in der Hoffnung senken will, seine Marktanteile zu halten, kaum Aussicht auf Erfolg. Mit anderen Worten kann von einem Arzneimittel, dessen Überlegenheit anerkannt ist, ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf andere für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehende Arzneimittel ausgehen, selbst wenn es teuer ist. So haben in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, die Kommission und das Gericht festgestellt, dass die Protonenpumpen-Inhibitoren (PPI) dank ihrer therapeutischen Überlegenheit gegenüber den H2‑Blockern diese trotz ihres sehr viel höheren Preises allmählich vom Markt verdrängt hatten. Umgekehrt kann von Arzneimitteln, die in therapeutischer Hinsicht nicht oder nicht mehr mit dem „Top“-Arzneimittel rivalisieren können, kein Wettbewerbsdruck mehr auf dieses ausgehen. Solche Faktoren können es rechtfertigen, dass dieses Arzneimittel für sich allein einen – auf sein Molekül in der Original- wie in der generischen Version begrenzten – Markt darstellt. 1397 Haben die verschreibenden Ärzte für die Behandlung derselben Krankheit die Wahl zwischen Arzneimitteln, von denen keines als den anderen überlegen anerkannt ist oder angesehen wird, u. a., weil ihre Wirkungsweise gleich ist oder weil sie sich anhand ihres therapeutischen Nutzens oder ihrer unerwünschten Nebenwirkungen nicht unterscheiden lassen, beruht die Analyse des Wettbewerbs zwischen diesen Arzneimitteln zu einem großen Teil auch auf einem Qualitätsvergleich. Die Wahl eines Arztes hängt im Allgemeinen nicht zunächst von den jeweiligen Kosten dieser Behandlungen, sondern vom Grad ihrer therapeutischen Differenzierung, von ihrer Angemessenheit im Verhältnis zum Profil des Patienten, von der beim Arzt vorhandenen Kenntnis der verschiedenen Arzneimittel oder von dessen persönlicher Erfahrung und der seiner Patienten ab. Grundsätzlich besteht nämlich keine klare Korrelation zwischen der Höhe des Preises eines Arzneimittels und dessen therapeutischem Nutzen: Ein Arzneimittel ist nicht besser, weil es teurer ist als seine Konkurrenzprodukte, und nicht schlechter als diese, weil es billiger ist. Der höhere Preis eines neueren Arzneimittels ergibt sich zudem nicht notwendig aus therapeutischen Innovationen, die dieses Arzneimittel möglicherweise mit sich bringt, vor allem wenn es zu derselben therapeutischen Klasse wie andere Arzneimittel gehört und dieselbe Wirkungsweise hat wie diese, und kann sich u. a. durch die Amortisation höherer Forschungs- oder Herstellungskosten oder durch höhere Werbungsausgaben als für ein älteres Arzneimittel ergeben. 1398 Wie die Kommission in der Sitzung ausgeführt hat, kann zwar bei Arzneimitteln, die als völlig gleichwertig anerkannt oder angesehen werden, die Variable Preis ihre Bedeutung haben. Ein signifikanter Rückgang des Preises eines Arzneimittels, u. a. durch die Markteinführung seiner generischen Version, kann es rechtfertigen, dass dieses Arzneimittel von der Ärzten bevorzugt und seine Verschreibung in der generischen Version von den Systemen der sozialen Sicherheit und den Regulierungsbehörden gefördert wird. Der Markteintritt der generischen Version eines anderen Arzneimittels, das als gleichwertig oder zur Substitution geeignet anerkannt ist oder angesehen wird, kann auch die Marktposition des betreffenden Originalpräparats schwächen. Der vom Preis ausgehende Wettbewerbsdruck kann dann zum Tragen kommen, und die Beibehaltung des Preises des betreffenden Arzneimittels kann ein Indiz für die Schwäche des Wettbewerbsdrucks sein, dem dieses Arzneimittel ausgesetzt ist. 1399 Wie jedoch die Klägerinnen zu Recht in der Sitzung geltend gemacht haben, kann aus der bloßen Beibehaltung des Preises eines Arzneimittels auf dem Markt nicht abgeleitet werden, dass es keinem signifikanten Wettbewerbsdruck durch Arzneimittel ausgesetzt wäre, die in ihrer Originalversion wie in der generischen Version als gleichwertig oder zur Substitution geeignet anerkannt sind oder angesehen werden. 1400 Da nämlich die Ärzte in der Lage sind, aus anderen als Kostengründen frei zwischen diesen Arzneimitteln zu entscheiden, können große Schwankungen in der Häufigkeit des Einsatzes dieser Erzeugnisse, im Grad der Verschreibungstreue, die ihnen die Ärzte entgegenbringen, und in der Wahrnehmung ihres Nutzens durch die Ärzte zu einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Verschreibungsentscheidung auftreten. Die von den Ärzten getroffenen Entscheidungen können somit eine beträchtliche Entwicklung der jeweiligen Marktanteile der verschiedenen verfügbaren Arzneimittel bewirken und die Arzneimittelunternehmen von den Entscheidungen der verschreibenden Ärzte abhängig machen, wie es jeder Hersteller einer Ware gegenüber den Verbrauchern ist, wenn die Waren leicht substituierbar sind. 1401 Aus diesem Grund entfalten die Hersteller dieser Arzneimittel, die im Übrigen in ihrer Verkaufsstrategie den Preis ihres Erzeugnisses kaum in den Vordergrund rücken, für dieses häufig erhebliche Werbeaktivitäten, um bei den verschreibenden Ärzte die Produktbindung zu erhöhen oder neue Interessenten zu gewinnen, sei es mittels der Durchführung von durch sie finanzierten wissenschaftlichen Studien mit dem Ziel, ihr Erzeugnis von denen ihrer Wettbewerber zu unterscheiden, sei es durch direkte Werbemaßnahmen unterschiedlichster Art bei den verschreibenden Ärzten. Diese Werbeaktivitäten machen einen erheblichen Prozentsatz des Umsatzes mit diesen Erzeugnissen aus, der bei bis zu 30 % liegen kann, wodurch sich der Arzneimittelsektor von anderen Sektoren unterscheidet, in denen die Werbeaktivitäten nicht so intensiv sind. Wie die Klägerinnen geltend gemacht haben, können solche Aktivitäten ein Indiz dafür sein, dass zwischen den betreffenden Unternehmen ein wirksamer Wettbewerb besteht. 1402 Gibt es in einer solchen Situation auf dem Markt Arzneimittel, die als gleichwertig oder substituierbar anerkannt oder angesehen werden, müssen bei der Analyse des Marktes besonders sorgfältig die Faktoren berücksichtigt werden, anhand deren sich das Bestehen von qualitativem oder außerpreislichem Wettbewerbsdruck feststellen lässt, der u. a. in den Bemühungen um die Gewinnung von Ärzten, die das Erzeugnis zu Beginn einer Behandlung erstmals neu verschreiben, in der Umstellung von Patienten in Langzeitbehandlung auf andere, konkurrierende Arzneimittel und in der Intensität der Werbemaßnahmen für ein Arzneimittel bei Verfügbarkeit gleichwertiger oder preiswerterer Alternativen zum Ausdruck kommt. 1403 Können keine Faktoren, die außerpreislichen Wettbewerbsdruck erkennen lassen, im Sinne der vorstehenden Rn. 1402 festgestellt werden, u. a. wegen einer ausgeprägten Unbeweglichkeit der Ärzte bei ihren Verschreibungsentscheidungen, auf die die Produktbindungswirkungen mit der Folge einer Marktabschottung zurückzuführen sind, kann das betreffende Arzneimittel so lange vor tatsächlichem Wettbewerbsdruck geschützt sein, wie seine generische Version nicht auf den Markt gelangt, zumal die Rolle der preislichen Wettbewerbsfaktoren durch den Regelungsrahmen abgeschwächt wird. Es kann dann gerechtfertigt sein, den relevanten Markt auf der Ebene des Moleküls eines solchen Arzneimittels – in seiner Original- wie in seiner generischen Version – zu definieren. 1404 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass in der vorliegenden Rechtssache in Beantwortung des Vorbringens der Klägerinnen und der Kommission zu prüfen ist, ob es im entscheidungserheblichen Zeitraum, wie die Klägerinnen geltend machen, Arzneimittel gab, die als Perindopril gleichwertig anerkannt waren oder angesehen wurden und durch die Perindopril daher leicht substituierbar war, oder ob sich Perindopril durch seine therapeutischen Vorzüge hinreichend von der Konkurrenz unterschied, und dass festzustellen ist, ob es Faktoren gab, die einen von anderen Arzneimitteln ausgehenden außerpreislichen Wettbewerbsdruck auf Perindopril erkennen lassen und die trotz der von der Kommission hervorgehobenen relativen Preiselastizität der Nachfrage nach Perindopril eine über dieses Erzeugnis hinausgehende, weitere Marktdefinition rechtfertigen können. 1405 Im Licht der in den vorstehenden Rn. 1380 bis 1404 dargelegten Erwägungen sind die drei Hauptrügen zu prüfen, mit denen die Klägerinnen die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Analyse des relevanten Produktmarkts beanstanden. 2) Zum ersten Teil der ersten Rüge: fehlende Berücksichtigung sämtlicher Elemente des wirtschaftlichen Kontexts 1406 Im Rahmen der ersten Rüge machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen den wesentlichen Grundsatz verstoßen, dass der Produktmarkt im Arzneimittelsektor unter Berücksichtigung des gesamten wirtschaftlichen Kontexts zu definieren sei. Die Kommission habe sich zu stark auf den Preis gestützt, ohne die therapeutische Substituierbarkeit der in Rede stehenden Erzeugnisse hinreichend zu berücksichtigen. 1407 Im Einzelnen werfen die Klägerinnen der Kommission mit dem ersten Teil dieser Rüge vor, im Rahmen der Marktdefinition nicht sämtliche Kontextelemente berücksichtigt zu haben. Mit dem zweiten Teil machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe dem Faktor Preis zu große Bedeutung beigemessen. 1408 Der erste Teil der Rüge – die Kommission habe im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes nicht sämtliche Elemente des wirtschaftlichen Kontexts berücksichtigt – ist ohne Weiteres auf seine Begründetheit zu prüfen. Dagegen wird das Gericht zur Beurteilung der relativen Bedeutung, die die Kommission dem Faktor Preis beigemessen hat, vor der Prüfung des zweiten Teils der Rüge die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf sämtliche außerpreislichen Faktoren untersuchen, die eine Rolle für die Abgrenzung des relevanten Marktes spielen können. 1409 Somit ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Kommission für die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts den gesamten wirtschaftlichen Kontext, insbesondere die anderen Faktoren als den Preis, in Betracht gezogen hat. 1410 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Arzneimittelsektor, wie sich aus den oben in den Rn. 1380 bis 1404 dargelegten Erwägungen ergibt, ein „ungewöhnlicher“ Sektor ist, dessen Besonderheiten es erfordern, dass der Markt anhand einer Mehrzahl von Kriterien bestimmt wird, insbesondere der therapeutischen Verwendung der Erzeugnisse. 1411 Was zunächst die Berücksichtigung der therapeutischen Verwendung der in Rede stehenden Erzeugnisse angeht, hat die Kommission in den Rn. 2432 bis 2459 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Perindopril zur Klasse der ACE‑Hemmer der Ebene ATC 3 nach der WHO-Klassifikation gehöre. Sie war jedoch auf der Grundlage der ihr vorliegenden Beweise der Ansicht, dass die Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer keine homogenen Erzeugnisse seien, da sich Perindopril wegen bestimmter, wissenschaftlich anerkannter Eigenschaften von anderen ACE‑Hemmern unterscheide. 1412 Die Kommission hat auch, wie sich u. a. aus den Rn. 2496 bis 2513 des angefochtenen Beschlusses betreffend die Umstellungsmuster ergibt, das Bestehen eines Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und einer wachsenden Gruppe verschreibender Ärzte, die Perindopril „treu“ seien, berücksichtigt, was den Wettbewerbsdruck in Bezug auf Neupatienten begrenze und zu einer geringen Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Arzneimittels führe. 1413 Zudem hat die Kommission in ihrer Analyse des relevanten Marktes die Werbeaktivitäten von Servier erwähnt und u. a. die Stabilität der Ausgaben für Werbung auf das Fehlen eines starken Wettbewerbsdrucks zurückgeführt. 1414 Schließlich hat die Kommission nach einer Analyse des natürlichen Preisgeschehens befunden, dass der von den Perindopril-Generika ausgehende Wettbewerbsdruck als entscheidend für die Analyse des relevanten Marktes anzusehen sei und dass der Umstand, dass der von den Generika ausgehende Wettbewerbsdruck jede andere potenzielle Quelle von Druck überwogen habe, naturgemäß zu einer Beschränkung des relevanten Marktes auf das Molekül von Perindopril führe (Rn. 2546 des angefochtenen Beschlusses). Zum Einfluss des Regelungsrahmens hat die Kommission überdies ausgeführt, dass Servier dank dieses Rahmens nur einem sehr beschränkten Preisdruck ausgesetzt gewesen sei und daher frei von jedem Wettbewerbsdruck habe handeln können (Rn. 2527 des angefochtenen Beschlusses). 1415 Folglich geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Kommission sich für die Definition des relevanten Marktes nicht auf den Faktor Preis beschränkt hat. Insbesondere hat sie die therapeutische Verwendung von Perindopril als einen für die Marktanalyse relevanten Faktor berücksichtigt. Daher weisen die Klägerinnen, wie sich aus den Ausführungen oben in den Rn. 1380 bis 1404 ergibt, zwar zu Recht darauf hin, dass für die Definition des relevanten Marktes die therapeutischen Merkmale der Arzneimittel zu berücksichtigen seien, sie können aber nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht den gesamten wirtschaftlichen Kontext, insbesondere die therapeutische Verwendung der Arzneimittel, in Betracht gezogen habe. 1416 Somit hat die Kommission den ihr von den Klägerinnen insoweit vorgeworfenen Rechtsfehler nicht begangen. 1417 Der erste Teil der ersten Rüge ist daher zurückzuweisen. 3) Zur zweiten Rüge: Verkennung der therapeutischen Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer durch die Kommission 1418 Mit der zweiten Rüge beanstanden die Klägerinnen im Wesentlichen, dass die Kommission die therapeutische Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer verkannt habe. Erstens habe sie zu Unrecht befunden, dass sich Perindopril durch besondere Eigenschaften von den anderen ACE‑Hemmern unterscheide, zweitens habe in Bezug auf Neupatienten lebhafter Wettbewerb zwischen den ACE‑Hemmern bestanden, drittens habe die Kommission die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Arzneimittels unterschätzt, und viertens seien Werbemaßnahmen eine der wesentlichen Dimensionen des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt. i) Zur Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen 1419 Im angefochtenen Beschluss, u. a. in den Rn. 2449, 2499 und 2519, hat die Kommission im Wesentlichen befunden, dass die ACE‑Hemmer eine in therapeutischer Hinsicht heterogene Arzneimittelklasse seien, dass diese Heterogenität auf Unterschiede in der individuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit zurückgeführt werden könne und dass sich die therapeutische Verwendung von Perindopril von der der anderen ACE‑Hemmer unterscheide. Zwar bildeten die ACE‑Hemmer eine Arzneimittelklasse im Sinne der dritten Ebene der von der WHO verwendeten ATC‑Klassifikation, doch könnten sie nicht als eine einfache homogene Klasse angesehen werden. Perindopril unterscheide sich wegen bestimmter, wissenschaftlich anerkannter Eigenschaften von anderen ACE‑Hemmern. Hierfür hat sich die Kommission u. a. auf ärztliche Empfehlungen, eine Reihe wissenschaftlicher Studien, interne Dokumente von Servier und eine Umfrage unter den Perindopril verschreibenden Ärzten gestützt. 1420 Die Klägerinnen treten der Beurteilung der Kommission entgegen, dass Perindopril in therapeutischer Hinsicht u. a. wegen seiner besonderen Eigenschaften im Hinblick auf Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht durch die anderen ACE‑Hemmer substituiert werden könne. Die ACE‑Hemmer gehörten zu einer homogenen Klasse, innerhalb deren es keine signifikanten Unterschiede gebe, die es rechtfertigten, dass das Perindopril-Molekül einen gesonderten Markt bilde. 1421 Für die Beurteilung der Frage, ob Perindopril von den verschreibenden Ärzten in therapeutischer Hinsicht als durch die anderen ACE‑Hemmer substituierbar angesehen wurde, ist die Gesamtheit der insoweit relevanten Faktoren zu prüfen. Im vorliegenden Fall sind nacheinander die im angefochtenen Beschluss genannten grundlegenden Informationen zu diesem Arzneimittel, das System der ATC‑Klassifikation, die ärztlichen Empfehlungen, die Politik bestimmter lokaler Stellen im Vereinigten Königreich, die internen Dokumente von Servier, die von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführte Umfrage und die Antworten anderer Generikahersteller auf die Fragen der Kommission zu berücksichtigen. 1422 Als Erstes werden im angefochtenen Beschluss einleitend in den Rn. 2143 bis 2164 die grundlegenden Informationen zu Perindopril u. a. hinsichtlich Wirkungsweise, Hauptindikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen dargelegt. 1423 Aus dieser Beschreibung der grundlegenden Informationen zu Perindopril ergibt sich nichts für eine Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern. 1424 Zu den Nebenwirkungen wird zwar im angefochtenen Beschluss in Rn. 2149 darauf hingewiesen, dass Perindopril nach der medizinischen Literatur allgemein gut vertragen werde und hinsichtlich unerwünschter Wirkungen ein ähnliches Profil aufweise wie die anderen ACE‑Hemmer und dass Servier in ihren internen Dokumenten sein hohes Verträglichkeits- und Complianceniveau herausgestellt habe. Schon aus der von der Kommission in Rn. 2149 des angefochtenen Beschlusses angeführten medizinischen Literatur geht jedoch hervor, dass Perindopril hinsichtlich unerwünschter Wirkungen ein ähnliches Profil aufweist wie die anderen ACE‑Hemmer. In der Klagebeantwortung räumt die Kommission nunmehr ausdrücklich ein, dass die anderen ACE‑Hemmer ähnliche Nebenwirkungen haben, was im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird. 1425 Aus der Darstellung der grundlegenden Informationen zu Perindopril im angefochtenen Beschluss ergibt sich somit, dass Wirkungsweise, Hauptindikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen der ACE‑Hemmer ähnlich sind. 1426 Als Zweites teilt das System der ATC‑Klassifikation, das die Wettbewerbsbehörden für die Beurteilung der therapeutischen Substituierbarkeit zwischen Arzneimitteln und zur Definition des relevanten Marktes berücksichtigen, die Arzneimittel in fünf verschiedene Ebenen und stuft sie nach den Organen, auf die sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften ein. Die dritte Ebene der ATC‑Klassifikation erfasst die Arzneimittel entsprechend ihren therapeutischen Indikationen, die vierte Ebene der ATC‑Klassifikation berücksichtigt die Wirkungsweise, und die fünfte Ebene definiert die Klassen mit den engsten Voraussetzungen, zu denen die einzelnen Wirkstoffe als solche gehören. 1427 Nach der Beschlusspraxis der Kommission im Arzneimittelsektor hinsichtlich der Marktdefinition beginnt die Analyse im Allgemeinen mit der dritten Ebene. Die übrigen Ebenen der ATC‑Klassifikation werden jedoch ebenfalls berücksichtigt, wenn sich herausstellt, dass hinreichend starker Wettbewerbsdruck auf anderen Ebenen der ATC‑Klassifikation ausgeübt wird und dass die dritte Ebene der ATC‑Klassifikation infolgedessen eine zutreffende Definition des Marktes nicht zu ermöglichen scheint (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 154). 1428 Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihre Untersuchung nicht auf der dritten Ebene der ATC‑Klassifikation beendet, sondern sie hat den relevanten Markt auf der fünften Ebene dieser Klassifikation definiert, d. h. auf der des Perindopril-Moleküls, des Wirkstoffs von Coversyl. Die Definition des relevanten Marktes auf der fünften Ebene der ATC‑Klassifikation ist zwar als solche nicht zu beanstanden, doch ist festzustellen, dass alle ACE‑Hemmer, deren Zahl sechzehn beträgt, auf der dritten Ebene der ATC‑Klassifikation, die den therapeutischen Indikationen entspricht, und auf der vierten Ebene dieser Klassifikation, die der Wirkungsweise entspricht, in ein und derselben Gruppe der „ACE‑Hemmer, rein“ zusammengefasst sind. 1429 Somit erlaubt das System der ATC‑Klassifikation keine wie auch immer geartete Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich der therapeutischen Verwendung. Es bestätigt, dass die ACE‑Hemmer sich hinsichtlich Indikationen und Wirkungsweise nicht unterscheiden, was im Übrigen auch nicht bestritten ist. 1430 Als Drittes berücksichtigt, wie die Kommission im Rn. 2172 des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt hat, die Analyse des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Antihypertensiva die einschlägigen ärztlichen Empfehlungen. 1431 Die ärztlichen Empfehlungen sollen den Ärzten eine ausgewogene Information bieten, um ihnen bei der Entscheidungsfindung in ihrer täglichen Praxis zu helfen. Sie stützen sich auf alle verfügbaren Quellen wissenschaftlicher Beweise, einschließlich der großen klinischen Abhandlungen und ihrer Metaanalyse. Sie bieten Zusammenfassungen der während des Untersuchungszeitraums verfügbaren medizinischen Kenntnisse. 1432 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission die Gemeinsamen Empfehlungen der WHO und der International Society of Hypertension von 1999, die Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology von 2003 und von 2007, die Empfehlungen der British Society of Hypertension von 1999 und von 2004 sowie die Empfehlungen des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) (Nationales Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz, Vereinigtes Königreich) von 2004 und von 2006 analysiert. 1433 In den Gemeinsamen Empfehlungen der WHO und der International Society of Hypertension von 1999 werden für die ACE‑Hemmer dieselben Haupt- und Nebenindikationen sowie dieselben Haupt- und Nebenkontraindikationen genannt. Dem angefochtenen Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass in diesen Empfehlungen zwischen den ACE‑Hemmern unterschieden wird. 1434 Die Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology von 2003 und von 2007, die von den nationalen Gesellschaften für Kardiologie, u. a. in Frankreich, den Niederlanden und Polen, übernommen worden sind, untersuchen allgemein Eigenschaften, Wirkungen und Indikationen aller ACE‑Hemmer und sprechen sich nicht speziell für eines der Moleküle dieser Arzneimittelklasse aus. Sie enthalten keine Unterteilung der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer, anders als z. B. bei der Klasse der Calciumantagonisten und der Diuretika. Nach diesen Empfehlungen sollte die Arzneimittelklasse gewechselt werden, wenn ein Arzneimittel nicht wirkt oder nicht vertragen wird. 1435 In den Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology heißt es zwar, dass sich selbst verschiedene Erzeugnisse derselben Arzneimittelklasse in Bezug auf Art und Häufigkeit von Nebenwirkungen unterscheiden. Diese Erwägung zielt jedoch nicht besonders auf die Klasse der ACE‑Hemmer und geht nicht mit einer Erläuterung hinsichtlich der betroffenen Arzneimittel und der Art der in Rede stehenden Nebenwirkungen einher. Demzufolge erlaubt die bloße Tatsache, dass in den Empfehlungen unterschiedliche Nebenwirkungen unterschiedlicher Erzeugnisse derselben Arzneimittelklasse erwähnt werden, nicht den Nachweis, dass zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern tatsächlich ein Unterschied in Bezug auf Nebenwirkungen besteht. 1436 Ebenso führt die Kommission in Rn. 2181 des angefochtenen Beschlusses aus, nach den Empfehlungen der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology müsse bei der Wahl eines blutdrucksenkenden Arzneimittels auf den individuellen Patienten abgestellt werden, was für die Beurteilung des relevanten Marktes von erheblicher Bedeutung sei. Aus dem Umstand, dass sich diesen Empfehlungen zufolge die Individuen hinsichtlich ihrer Anfälligkeit für diese oder jene Nebenwirkung unterscheiden, lässt sich jedoch nicht ableiten, dass es zwischen den ACE‑Hemmern einen Unterschied in Bezug auf Nebenwirkungen gibt. Daraus folgt, dass die europäischen Empfehlungen für die Behandlung von Bluthochdruck nichts enthalten, was eine Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern in Bezug auf die therapeutische Verwendung erlaubt. 1437 In den Empfehlungen der British Society of Hypertension von 1999 und von 2004 wird das Bestehen von Indikationen und Kontraindikationen sowie von Nebenwirkungen, u. a. Husten, erwähnt, die allen Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer gemein sind. Die Empfehlungen des NICE von 2004 und von 2006 enthalten Empfehlungen für die First-line- und die Second-line-Verschreibung von Arzneimitteln, unterscheiden in dieser Hinsicht aber nicht zwischen den einzelnen ACE‑Hemmern. 1438 Somit ergibt sich aus den im angefochtenen Beschluss analysierten ärztlichen Empfehlungen, die den Ärzten eine ausgewogene, auf alle verfügbaren Quellen wissenschaftlicher Beweise, einschließlich der großen klinischen Abhandlungen und ihrer Metaanalyse, gestützte Information bieten, kein Unterschied zwischen den Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer. Diese Empfehlungen bestätigen, wie die ATC‑Klassifikation, die Homogenität der Klasse der ACE‑Hemmer hinsichtlich ihrer therapeutischen Verwendung. 1439 Als Viertes hat die Kommission im angefochtenen Beschluss die zu Beginn des Untersuchungszeitraums vorliegenden und die in den 2000er Jahren veröffentlichten medizinischen Studien zu Perindopril behandelt. 1440 Was die zu Beginn der 2000er Jahre vorliegenden Studien zu Perindopril angeht, ist der angefochtene Beschluss auf zwei 2001 veröffentlichte Artikel gestützt. 1441 Im ersten Artikel heißt es u. a., dass Perindopril ein gut vertragener ACE‑Hemmer sei, der für Patienten mit leichtem oder mittlerem Bluthochdruck hinsichtlich der klinischen Reaktion Captopril deutlich überlegen und ebenso wirksam wie die anderen ACE‑Hemmer sei. Im zweiten Artikel wird dargelegt, dass die Fähigkeit von Perindopril zur Senkung des arteriellen Drucks der der anderen Antihypertensiva seiner Therapieklasse vergleichbar oder überlegen sei und dass die durch eine drastische Senkung des arteriellen Drucks ausgelöste Hypotonie der ersten Dosis bei Perindopril seltener sei als bei den anderen ACE‑Hemmern, was bei bestimmten Patientengruppen ein Vorteil sei. 1442 Im angefochtenen Beschluss wird daraus abgeleitet, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Artikel bereits umfangreiches wissenschaftliches Beweismaterial dafür vorgelegen habe, dass Perindopril als ein ACE‑Hemmer ersten Ranges anzusehen sei. Es ist jedoch festzustellen, dass Perindopril in diesen beiden Artikeln hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks zwar tatsächlich als wirksam oder den anderen Therapien überlegen angesehen wird, dass diese Überlegenheit von Perindopril aber in einem der beiden Artikel nur in Bezug auf einen einzigen der 16 ACE‑Hemmer, Captopril, behauptet wird. Diese Artikel stützen nicht die Behauptung, dass sich Perindopril hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks positiv von den anderen ACE‑Hemmern unterscheide, u. a. den Arzneimitteln wie Ramipril, Lisinopril oder Enalapril, die Servier als Konkurrenzerzeugnisse von Perindopril ansieht. 1443 Zudem heißt es zwar im zweiten Artikel, Perindopril unterscheide sich hinsichtlich der Hypotonie der ersten Dosis positiv von den anderen ACE‑Hemmern, doch wird dort nichts dazu gesagt, welche Bedeutung dieser relativen Überlegenheit von Perindopril beizumessen ist, und nicht geprüft, welche therapeutischen Vorteile die anderen ACE‑Hemmer möglicherweise gegenüber Perindopril aufweisen. 1444 Was die in den 2000er Jahren, d. h. während des Untersuchungszeitraums, veröffentlichten medizinischen Studien angeht, führt die Kommission in Rn. 2208 des angefochtenen Beschlusses aus, sie habe die wichtigsten Studien analysiert, die die Verwendung von Perindopril einbezogen hätten und auf die sich die internen Strategiepapiere von Servier bezögen. 1445 So zeigten die Studien Progress (2001 veröffentlicht), Europa (2003 veröffentlicht), ASCOT‑BPLA (2005 veröffentlicht), Preami und CAFE (2006 veröffentlicht), Advance (2007 veröffentlicht) und HYVET (2008 veröffentlicht), dass es wissenschaftliche Beweise dafür gebe, dass Perindopril, in Verbindung mit anderen Arzneimitteln oder nicht, wirksam das Schlaganfallrisiko senke, Risiken schwerer kardiovaskulärer Vorfälle mit der Folge koronarer Herzkrankheiten vorbeuge und das linksventrikuläre Remodeling schrittweise reduziere. 1446 In keiner der in der vorstehenden Rn. 1445 genannten medizinischen Studien wird jedoch die Wirksamkeit von Perindopril mit der der anderen ACE‑Hemmer verglichen und behauptet, dass Perindopril wirksamer sei als diese. Unter diesen Umständen lassen die von der Kommission analysierten Studien nicht den Schluss zu, dass sich Perindopril hinsichtlich der Wirksamkeit von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. 1447 Zudem sind im angefochtenen Beschluss nicht alle Studien, die den Einsatz von Perindopril in den 2000er Jahren einbeziehen, analysiert worden, darunter eine, die für dieses Arzneimittel nicht günstig erscheint. Die PEP‑CHF‑Studie (2006 veröffentlicht), die die Wirksamkeit von Perindopril bei der Behandlung der Herzinsuffizienz zeigen sollte, ist von der Kommission nicht analysiert worden. Dem Gutachten von Prof. V. zufolge, das im Auftrag von Servier erstellt und von dieser mit ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt worden war, haben die Ergebnisse dieser Studie, die trotz deren Unterbrechung veröffentlicht wurden, keinerlei Wirksamkeit von Perindopril im Bereich der Herzinsuffizienz gezeigt. Aufgrund dieser medizinischen Studie sind die wissenschaftlichen Wirksamkeitsbeweise, die für Perindopril im Untersuchungszeitraum vorlagen, zu relativieren. 1448 Ferner sind im angefochtenen Beschluss nicht die in den 2000er Jahren veröffentlichten medizinischen Studien, die die Verwendung der anderen ACE‑Hemmer einbeziehen, analysiert worden, obwohl diese Studien in den internen Strategiepapieren von Servier enthalten waren. Die Kommission hat nicht die medizinischen Studien zu Ramipril (ASCOT‑BPLA, HOPE), Enalapril (SOLVD und ANBP2) und Trandolapril (TRACE) untersucht, die in Rn. 2234 des angefochtenen Beschlusses erwähnt werden. Die Cochrane-Studie, auf die Servier im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug genommen hat und in der die relative Wirksamkeit von 14 ACE‑Hemmern zur Blutdrucksenkung analysiert wird, ist im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt. 1449 Der Umstand, dass die Kommission die Studien, die die Verwendung der anderen ACE‑Hemmer einbeziehen, nicht analysiert hat, ist ein zusätzlicher, ergänzender Grund dafür, dass die im angefochtenen Beschluss angeführten medizinischen Studien nicht als Beweis für eine besondere Wirksamkeit von Perindopril unter den ACE‑Hemmern angesehen werden können. 1450 Eine dieser Studien, die HOPE‑Studie (2000 veröffentlicht), hat die Kommission nicht analysiert, obwohl sie vielfach in den internen Strategiepapieren von Servier angeführt wird und nach den Orientierungsplänen von Servier eine wichtige Studie war, aus der sich für Ramipril eine neue Indikation mit erheblichem wirtschaftlichem Erfolg ergab und die von Sanofi-Aventis im Rahmen einer Mitteilung verwendet wurde, in der herausgestellt wurde, dass Ramipril Leben retten könne. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist der Inhalt der HOPE‑Studie im angefochtenen Beschluss nicht analysiert worden, in dessen Rn. 2493 es lediglich heißt, dass die Auslegung dieser Studie sehr weitgehend davon abhänge, wie die Studien den verschreibenden Ärzten im Rahmen der Werbeaktivitäten der Hersteller vermittelt würden, was keine Analyse des Inhalts dieser Studie darstellt. 1451 Die Cochrane-Studie (im April 2009 veröffentlicht) ist eine Metaanalyse, in der die relative Wirksamkeit der ACE‑Hemmer bei der Senkung des arteriellen Drucks auf der Grundlage von 92 früheren Studien, die 14 ACE‑Hemmer einbeziehen, beurteilt wird. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Fähigkeit zur Senkung des arteriellen Drucks offenkundig ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der relativen Wirksamkeit der ACE‑Hemmer ist. Die Cochrane-Studie kommt aber, wie die Klägerinnen zu Recht ausführen, zu dem Schluss, dass hinsichtlich der blutdrucksenkenden Wirksamkeit kein ACE‑Hemmer den anderen über- oder unterlegen ist. Die Cochrane-Studie ist zwar am Ende des Untersuchungszeitraums veröffentlicht worden, sie ist aber dennoch relevant für die Beurteilung der relativen Wirksamkeit der ACE‑Hemmer, da sie sich auf eine große Zahl früherer Studien stützt, einschließlich derjenigen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht analysiert hat. 1452 Die Kommission macht geltend, die Schlussfolgerung der Cochrane-Studie sei, dass Unterschiede zwischen den betreffenden Arzneimitteln hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Senkung des arteriellen Drucks nicht ausgeschlossen werden könnten und dass für die Feststellung, ob es solche Unterschiede gebe oder nicht, vergleichende Versuche mit den einzelnen ACE‑Hemmern in gleichwertiger Dosierung zur Senkung des arteriellen Drucks erforderlich seien. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, da die in der Studie gemachte Aussage zum Bestehen einer Unsicherheit hinsichtlich der Unterschiede in der Fähigkeit der ACE‑Hemmer zur Senkung des arteriellen Drucks im Teil „Diskussion“ der Studie enthalten ist und keine ihrer Schlussfolgerungen bildet. Der betreffende Abschnitt des Teils „Diskussion“ der Studie endet mit der Feststellung, dass die nahezu maximale den arteriellen Druck senkende Wirkung bei den verschiedenen ACE‑Hemmern höchstwahrscheinlich gleich sei. 1453 Die Kommission führt weiter aus, in der Cochrane-Studie habe die Frage der Nebenwirkungen auf der Grundlage der ihren Autoren zur Verfügung stehenden Daten nicht ordnungsgemäß untersucht werden können. Dieser Umstand wirkt sich jedoch jedenfalls nicht auf die Schlussfolgerung der Studie betreffend das Fehlen eines signifikanten Unterschieds zwischen den ACE‑Hemmern hinsichtlich der Senkung des arteriellen Drucks aus. Zum Vorbringen der Kommission, die Studie zeige Unterschiede zwischen den ACE‑Hemmern in Bezug auf das Dosis-Wirkungs-Verhältnis und die Zeit bis zum Wirkungseintritt auf, ist darauf hinzuweisen, dass die Studie nicht von signifikanten Unterschieden zwischen den ACE‑Hemmern in therapeutischer Hinsicht spricht, sondern vielmehr zu der Schlussfolgerung kommt, dass die Verschreibung des billigsten ACE‑Hemmers in geringster Dosierung erhebliche Einsparungen ermögliche. 1454 Somit kann das Vorbringen der Kommission eines der wesentlichen Ergebnisse der Cochrane-Studie, die ausdrücklich in deren Schlussfolgerungen und die Zusammenfassung aufgenommen wurden und wonach hinsichtlich der blutdrucksenkenden Wirksamkeit kein ACE‑Hemmer den anderen über- oder unterlegen sei, nicht in Frage stellen. 1455 Das Fehlen eines Unterschieds zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern, u. a. hinsichtlich der Wirksamkeit, wird durch das im Auftrag von Servier erstellte Gutachten von Prof. V. bestätigt, dem die Kommission nicht entgegengetreten ist. In diesem Gutachten, in dem die Ergebnisse der medizinischen Studien, in denen der Einsatz von Perindopril untersucht wird, und die Ergebnisse der medizinischen Studien der 1980er, 1990er und 2000er Jahre, in denen der Einsatz anderer ACE‑Hemmer untersucht wird, u. a. die Studien SAVE betreffend Captopril, AIRE und HOPE betreffend Ramipril sowie Consensus und SOLVD betreffend Enalapril, heißt es, dass mit Ausnahme von Captopril und in wesentlich geringerem Maße von Enalapril alle ACE‑Hemmer für die Hauptindikationen dieser Klasse, d. h. Bluthochdruck und Herzinsuffizienz, in einer einzigen Tagesgabe verabreicht werden könnten. In dem Gutachten wird, wie in der Cochrane-Studie, betont, dass aus den medizinischen Studien kein Unterschied zwischen den ACE‑Hemmern in der blutdrucksenkenden Wirksamkeit hervorgehe. Im Bereich der Herzinsuffizienz seien die positiven Wirkungen dieser therapeutischen Klasse nach allen verfügbaren Studien zu Captopril, Enalapril, Ramipril, Quinapril und Lisinopril sämtlichen ACE‑Hemmern gemein. Zwar gebe es Beweise für die Wirksamkeit von Perindopril im Bereich der kardiovaskulären Prävention, doch fehlten solche Beweise für den Bereich der Herzinsuffizienz. 1456 Das Gutachten von Prof. V. gelangt zu dem Schluss, dass die therapeutischen Wirkungen für jede der fünf zur Behandlung des Bluthochdrucks eingesetzten therapeutischen Klassen, insbesondere die ACE‑Hemmer, auf klassenspezifische Wirkungen und nicht auf die individuellen Eigenschaften der verschriebenen Moleküle zurückzuführen seien. Dem Gutachten zufolge ist Ramipril der ACE‑Hemmer der zweiten Generation, für den die meisten Daten zur Verfügung stünden, die auf wissenschaftlichen Beweisen aus randomisierten klinischen Versuchen beruhten, und der wegen seines ausgezeichneten pharmakologischen Profils und der hohen Qualität seiner beweiskräftigen Daten, insbesondere im Bereich der Herzinsuffizienz, zum unbestrittenen Marktführer bei den Antihypertensiva geworden sei. Perindopril sei ein ACE‑Hemmer wie die anderen, der weder der wirkungsvollste noch der mit dem besten pharmakologischen Profil sei. Für Perindopril lägen Daten vor, die auf beweiskräftigen Anhaltspunkten im Bereich der kardiovaskulären Prävention beruhten, auch wenn die gewonnenen Ergebnisse nicht unbedingt zeigten, dass die beobachtete Wirkung Perindopril zuzuschreiben sei. Dagegen lägen keine Daten vor, die auf beweiskräftige Anhaltspunkte in den Bereichen Herzinsuffizienz und diabetische Nephropathie gestützt seien. 1457 Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, zeigen die veröffentlichten medizinischen Studien nicht, dass sich Perindopril in therapeutischer Hinsicht, u. a. in Bezug auf seine Wirksamkeit, von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. Die Analyse der medizinischen Studien zeigt zudem, dass zwar Wirksamkeitsbeweise für Perindopril vorliegen, dass dies aber auch für andere ACE‑Hemmer wie Enalapril, Lisinopril oder Ramipril gilt, wobei für Letzteres mehr Wirksamkeitsbeweise im Bereich der Herzinsuffizienz vorliegen. 1458 Als Fünftes machen die Klägerinnen geltend, die Politik lokaler Gesundheitsbehörden im Vereinigten Königreich bestätige, dass Perindopril aus therapeutischer Sicht durch andere ACE‑Hemmer substituierbar sei. Sie stützen sich hierfür auf mehrere Anlagen betreffend die Politik der PCT (Primary Care Trusts). 1459 Die Kommission führt hierzu aus, zum einen müsse die von den Klägerinnen vorgelegte Anlage C 29 betreffend die PCT von Schottland und von Nordirland als unzulässig zurückgewiesen werden und zum anderen verstoße die Verwendung der Anlagen A 286, A 287 und C 29 betreffend die Politik der lokalen Behörden im Vereinigten Königreich gegen Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts. 1460 Gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung können die Hauptparteien für ihr Vorbringen noch in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung Beweise oder Beweisangebote vorlegen, sofern die Verspätung der Vorlage gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung sind jedoch der Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an einen Gegenbeweis der Gegenpartei in der Klagebeantwortung von dieser Präklusionsvorschrift nicht erfasst. Diese Vorschrift betrifft nämlich neue Beweismittel und ist im Zusammenhang mit Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung zu sehen, der ausdrücklich vorsieht, dass Gegenbeweis und Erweiterung des Beweisantritts vorbehalten bleiben (Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 71 und 72, und vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, EU:T:2006:374, Rn. 189). 1461 Im vorliegenden Fall können die den Klägerinnen als Anlage C 29 vorgelegten Beweisstücke betreffend die PCT von Schottland und von Nordirland nicht mit der Begründung für unzulässig erklärt werden, dass sie unter Missachtung von Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung in der Erwiderung vorgelegt worden seien. Wie die Klägerinnen nämlich in Rn. 417 der Erwiderung ausführen, wird mit den in Anlage C 29 vorgelegten Beweisstücken auf die von der Kommission in der Klagebeantwortung geäußerte Kritik eingegangen, dass es sich bei der Politik der PCT um individuelle Vorgehensweisen mit lediglich theoretischer Wirkung handle. Die Präklusionsvorschrift des Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung ist daher auf diese Beweisstücke nicht anzuwenden, so dass sie zulässig sind. 1462 Zur Verwendung der Anlagen A 286 und A 287 zu der am 21. September 2014 eingereichten Klageschrift, die die Empfehlungen und die Politik der lokalen Behörden im Vereinigten Königreich betreffen, ist sodann festzustellen, dass sie im Einklang mit Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der damals geltenden Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 steht. Auch die Verwendung der Anlage C 29 zu der am 29. Juli 2015 eingereichten Erwiderung, die die von den PCT von Schottland und von Nordirland stammenden Dokumente betrifft, steht im Einklang mit Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts. Für die Zulässigkeit einer Klage ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen sie beruht, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst ergeben. Diese Auslegung von Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 44 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 gilt auch für die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Erwiderung, die die Klageschrift ergänzen soll (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94 und 95 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall sind die Anlagen A 286, A 287 und C 29 zwar umfangreich und enthalten eine Fülle von Dokumenten, doch benennen die Klägerinnen in der Klageschrift und sodann in der Erwiderung selbst die geltend gemachten Klagegründe und Argumente. Mit der Vorlage dieser Anlagen, die von den PCT im Vereinigten Königreich, einschließlich Schottlands und Nordirlands, stammende Dokumente enthalten, untermauern die Klägerinnen ihr Vorbringen, mit dem sie dartun wollen, dass die PCT sich für die therapeutische Gleichwertigkeit von Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern ausgesprochen und den Allgemeinärzten nahegelegt hätten, Perindopril durch andere ACE‑Hemmer zu ersetzen, und dass sich diese Politik, bei der es sich nicht um individuelle Vorgehensweisen handle, tatsächlich auf die Nachfrage auf lokaler Ebene ausgewirkt habe. 1463 Die Kommission kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Anlagen A 286, A 287 und C 29 im Verfahren nicht zu berücksichtigen seien. 1464 Im Übrigen geht aus den Akten, u. a. aus Rn. 2280 des angefochtenen Beschlusses, hervor, dass einige PCT seit 2005 ausdrücklich die Ansicht vertraten, dass Perindopril nicht wirksamer sei als ein anderer ACE‑Hemmer, und aus Kostengründen den Einsatz anderer ACE‑Hemmer als Perindopril oder dessen Substitution durch einen anderen ACE‑Hemmer, insbesondere Lisinopril oder Ramipril, empfahlen. Zu Unrecht macht die Kommission geltend, die von den Klägerinnen vorgelegten Dokumente betreffend die PCT ließen individuelle Erwägungen und Überlegungen erkennen. Diese Politik der zuständigen Stellen, bei denen es sich überdies um eine beträchtliche Anzahl von PCT mehrerer Regionen des Vereinigten Königreichs handelt, kann nämlich nicht als Ausdruck bloßer individueller Überlegungen angesehen werden. Unabhängig von den konkreten Auswirkungen der Initiativen der PCT widerspricht deren Beurteilung der Möglichkeit, Perindopril durch die anderen ACE‑Hemmer zu substituieren, der von der Kommission vorgenommenen Analyse der Heterogenität der Klasse der ACE‑Hemmer. 1465 Folglich bestätigt die Politik der zuständigen Gesundheitsbehörden im Vereinigten Königreich, dass sich Perindopril in therapeutischer Hinsicht nicht von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. 1466 Sechstens beruft sich die Kommission zu Unrecht auf die internen Dokumente von Servier als Beweis für besondere therapeutische Eigenschaften von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern. 1467 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und davon abhängt, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und verlässlich wirkt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1991, Atochem/Kommission, T‑3/89, EU:T:1991:58, Rn. 31 bis 38, und vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T‑157/94, EU:T:1999:54, Rn. 312; Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission, T‑1/89, EU:T:1991:38). 1468 Im vorliegenden Fall stellen die internen Dokumente von Servier, da sie Beurteilungen über den therapeutischen Einsatz von ACE‑Hemmern enthalten, die den Absatz von Perindopril fördern sollen, im Gegensatz zu den medizinischen Empfehlungen keine ausgewogene Zusammenfassung des wissenschaftlichen Kenntnisstands dar. Anders als die medizinischen Studien beruhen sie auch nicht auf einer Methode, die dazu bestimmt ist, die Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse sicherzustellen. Bei der Analyse der Auszüge aus diesen Dokumenten ist daher zu berücksichtigen, dass mit manchen von ihnen ein Werbeziel verfolgt wird. 1469 So ergibt sich aus den internen Strategiepapieren, dass Servier die Eigenschaften von Perindopril im Rahmen der für die Ärzte bestimmten Werbebotschaften günstig dargestellt hat. In den Dokumenten, in denen die Werbemaßnahmen von Servier zusammengefasst sind, wird auf die positiven Ergebnisse von Perindopril verwiesen und unter Berufung auf medizinische Studien sogar von einer einzigartigen Wirkungsweise, der Möglichkeit, Perindopril positiv von den Konkurrenzerzeugnissen zu unterscheiden, oder gar einer Überlegenheit von Perindopril gegenüber anderen ACE‑Hemmern in Bereichen wie denen des Variationsratio seiner Plasmakonzentration, der Wirksamkeit zur Senkung des arteriellen Drucks, der Synergie in Verbindung mit einem Diuretikum oder des kardiovaskulären Schutzes gesprochen. 1470 Wie bereits dargelegt, ist der Inhalt dieser Botschaften unter Berücksichtigung ihres Werbeziels zu analysieren. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht das Vorbringen der Klägerinnen bestreitet, dass alle ACE‑Hemmer im Rahmen ihrer jeweiligen Werbebotschaften als die Besten dargestellt wurden. Zudem zeigen die internen Strategiepapiere von Servier, aber auch die in den Akten enthaltenen Orientierungspläne, Markteinführungspläne und Werbebotschaften für andere ACE‑Hemmer, dass in den Werbekampagnen für andere ACE‑Hemmer, wie denen für Lisinopril oder für Trandolapril, deren therapeutische Eigenschaften ebenfalls sehr gepriesen werden. In den Werbekampagnen für die anderen ACE‑Hemmer wird das Arzneimittel häufig als führendes Erzeugnis, als einzigartig unter den ACE‑Hemmern beschrieben und als Referenzerzeugnis oder als die beste Wahl bezeichnet. In den Werbekampagnen werden die dem betreffenden Arzneimittel zugeschriebenen Vorzüge innerhalb der Klasse der ACE‑Hemmer hinsichtlich Indikationen, Wirksamkeit oder Verträglichkeit herausgestellt. Sie enthalten manchmal direkte Vergleiche mit Perindopril, in einigen wird von einer Überlegenheit des Arzneimittels gegenüber Perindopril gesprochen. Unter diesen Umständen erlaubt der Inhalt der in den internen Strategiepapieren von Servier enthaltenen Werbebotschaften für Perindopril nicht die Feststellung, dass sich dieses Arzneimittel in therapeutischer Hinsicht von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. 1471 Ferner lassen die internen Strategiepapiere von Servier in ihrer Gesamtheit keine therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern erkennen. Aus diesen Dokumenten geht hervor, dass dank der Studien wie TRACE, AIRE oder HOPE Beweise für Indikationen und Wirksamkeit zugunsten anderer ACE‑Hemmer, wie etwa Ramipril, Lisinopril und Enalapril, vorliegen. Insbesondere Ramipril wird als ein Arzneimittel angeführt, für das Wirksamkeitsbeweise im Bereich der Herzinsuffizienz bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko und bei Diabetikern vorliegen. 1472 Schließlich legt die Kommission u. a. in den Rn. 2224 bis 2236 des angefochtenen Beschlusses dar, den internen Dokumenten von Servier zufolge zielten die Werbekampagnen namentlich darauf ab, Perindopril von den anderen ACE‑Hemmern zu unterscheiden. Aus diesen Dokumenten geht jedoch hervor, dass die Werbekampagnen nicht genügten, um die Ärzte von dem Unterschied zwischen Perindopril und anderen ACE‑Hemmern zu überzeugen. In diesen Dokumenten wird z. B. eine im Juli 2007 bei Allgemeinärzten und Kardiologen erstellte Qualitätsstudie erwähnt, wonach Perindopril und Ramipril als einander ähnlich angesehen wurden. Am Ende des Untersuchungszeitraums wird im Orientierungsplan für die Jahre 2009-2010 die mangelnde Differenzierung im Verhältnis zu Ramipril betont. Für die Niederlande heißt es in den Orientierungsplänen 2006-2007, 2007-2008 und 2008-2009, dass viele Allgemeinärzte Lisinopril als Perindopril gleichwertig ansähen. 1473 Folglich zeigen die internen Dokumente von Servier nicht, dass Perindopril wegen besonderer therapeutischer Eigenschaften als von den anderen ACE‑Hemmern verschieden anerkannt wurde. Wie andere ACE‑Hemmer vertreibende Unternehmen versuchte Servier zwar, Perindopril mittels einer anpreisenden Botschaft zu fördern und positiv zu differenzieren, doch gelang es diesen Dokumenten zufolge mit dieser Strategie nicht, Perindopril hinreichend von den anderen ACE‑Hemmern zu differenzieren. 1474 Als Siebtes hat die Kommission ihre Beurteilung der therapeutischen Substituierbarkeit von Perindopril auf eine Umfrage unter den verschreibenden Ärzten gestützt. 1475 Zur Bestimmung der Empfänger der Fragebögen hat sich die Kommission auf ein von Servier zur Verfügung gestelltes Verzeichnis von Perindopril verschreibenden Ärzten gestützt, das u. a. alle Kardiologen und Allgemeinärzte, zu denen Servier in beruflicher und geschäftlicher Beziehung stand, enthalten sollte. Während manche dieser Verzeichnisse fast alle verschreibenden Ärzte enthielten, war dies bei dem Verzeichnis der französischen Allgemeinärzte und derjenigen des Vereinigten Königreichs nicht der Fall. Unter diesen Umständen besteht, wie Servier geltend macht, hinsichtlich dieser beiden Empfängerkategorien eine Auswahlverzerrung. Diese Verzerrung konnte sich für diese beiden Kategorien auf die Ergebnisse der Umfrage auswirken, da es möglich ist, dass die in beruflicher Beziehung zu Servier stehenden Ärzte im Rahmen ihrer Berufsausübung Perindopril in höherem Maße verschrieben als andere verschreibende Ärzte, die sich nicht in dieser Lage befanden. 1476 Zudem entspricht die Darstellung bestimmter Ergebnisse der Umfrage nicht den Fragen, die den verschreibenden Ärzten gestellt worden waren. So hat die Kommission in Rn. 2392 des angefochtenen Beschlusses den Prozentsatz der Antwortenden angegeben, für die Perindopril die bevorzugte First-line- oder Second-line-Behandlung bei essenzieller (primärer) Hypertonie, chronischen ischämischen Herzkrankheiten und Herzinsuffizienz war. Die Klägerinnen machen indes unwidersprochen geltend, dass in der Umfrage selbst nicht von einer „bevorzugten“ Behandlung gesprochen, sondern die Frage gestellt werde, für welche Herz-Kreislauf-Erkrankungen Perindopril als „First‑/Second-line-Behandlung gegenüber anderen Behandlungen“ verschrieben werde. Eine Bejahung dieser Frage bedeutet nicht, dass Perindopril bevorzugt gegenüber anderen ACE‑Hemmern verschrieben wird, und lässt nicht erkennen, zu welchem Anteil Perindopril zur First-line-Behandlung von Bluthochdruck verschrieben wird. Ebenso bedeutet eine Bejagung der Fragen nach der besonderen Wirksamkeit von Perindopril bei bestimmten Patientengruppen und nach selteneren Nebenwirkungen bei bestimmten Patientengruppen angesichts der Formulierung der Fragen nicht unbedingt, dass sich Perindopril aus der Sicht des verschreibenden Arztes von den anderen ACE‑Hemmern unterscheidet. 1477 Im Übrigen geht aus den Ergebnissen dieser Umfrage hervor, dass es für 51 % der Antwortenden für 81 % bis 100 % der Patienten zu Beginn einer Behandlung mit Perindopril ein gleichwertiges Arzneimittel gab. Daraus ist abzuleiten, dass eine Mehrzahl der befragten Ärzte es aus therapeutischer Sicht für möglich hielt, Perindopril durch ein anderes Arzneimittel zu substituieren, und dies für den größten Teil der Patienten, die mit einer Behandlung begannen. Die Kommission räumt zudem in Rn. 2454 des angefochtenen Beschlusses ein, dass eine Mehrheit der Antwortenden andere Arzneimittel als gleichwertige therapeutische Alternativen zu Perindopril ansahen. Der Kommission zufolge nannten die Ärzte als Alternative in Frankreich, in Polen und im Vereinigten Königreich am häufigsten Ramipril und in den Niederlanden Enalapril. 1478 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von der Kommission durchgeführte Umfrage die These einer Differenzierung von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern nicht bestätigt. 1479 Als Achtes geht aus den Antworten der Hersteller anderer ACE‑Hemmer auf die ihnen von der Kommission gestellten Fragen, die in den Rn. 2255 ff. des angefochtenen Beschlusses analysiert werden, hervor, dass AstraZeneca, der Hersteller von Lisinopril, Perindopril unter fünf anderen ACE‑Hemmern als ein Substitut für ihr Lisinopril bis zum Ablaufdatum ihres Patents ansah. Merck Sharp & Dohme (MSD), die Enalapril und Lisinopril herstellt, erklärte, dass Servier eines der Unternehmen sei, das mit ihr im Bereich Bluthochdruck konkurriere, und dass deren Erzeugnis, Perindopril, eines der Arzneimittel sei, die alternativ zu ihrem Erzeugnis zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden könnten. Ferner erwähnt die Kommission im angefochtenen Beschluss die Ansicht von Sanofi-Aventis, dass Perindopril und Ramipril keine „Substitute voneinander“ seien, weil Rampiril zum einen wegen seiner weiteren Indikationen im Bereich der Verringerung der kardiovaskulären Mortalität für eine deutlich größere Population und zum anderen zu Behandlungsbeginn in einer weiteren Dosierungsbandbreite eingesetzt werden könne. Sollte dies der Fall sein, könnten diese Faktoren zwar die Möglichkeiten einer Substitution von Ramipril durch Perindopril, aber jedenfalls nicht die einer Substitution von Perindopril durch Ramipril begrenzen. Sie verhindern demnach nicht, dass Ramipril als ein Erzeugnis angesehen werden kann, durch das Perindopril in therapeutischer Hinsicht substituierbar ist. 1480 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Antworten der Hersteller der Originalpräparate auf die Fragen der Kommission bestätigen, dass Perindopril in therapeutischer Hinsicht durch die anderen ACE‑Hemmer substituiert werden kann. 1481 Aufgrund des gesamten Akteninhalts ist festzustellen, dass in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, kein signifikanter Unterschied zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern besteht. Die Akten enthalten keinen objektiven wissenschaftlichen Beweis für eine therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern. Die ACE‑Hemmer werden von den verschreibenden Ärzten sehr weitgehend als untereinander substituierbar angesehen, und viele Arzneimittel werden von den Ärzten als Perindopril therapeutisch gleichwertig betrachtet. Folglich hat die Kommission zu Unrecht befunden, dass die Klasse der ACE‑Hemmer heterogen sei und dass Perindopril innerhalb dieser Arzneimittelklasse besondere therapeutische Eigenschaften aufweise. 1482 Mithin ist dem Vorbringen der Klägerinnen zu folgen, dass die Kommission die therapeutische Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer fehlerhaft beurteilt habe. ii) Zum Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten 1483 Den Rn. 2388, 2511 ff. und 2539 ff. des angefochtenen Beschlusses zufolge hat die Kommission Perindopril als ein „Erfahrungsgut“ angesehen, das wegen des wohlbekannten Phänomens der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte einem begrenzten Wettbewerbsdruck bei Neupatienten ausgesetzt sei. Auch wenn den Ärzten viele Therapien zur Verfügung stünden, hätten sie doch eine natürliche Tendenz, Neupatienten Arzneimittel zu verschreiben, die sich in der Vergangenheit als wirksam erwiesen hätten. 1484 Der Kommission zufolge bestand für Perindopril schon vor dem Untersuchungszeitraum eine breite Basis von Patienten mit Langzeitgebrauch. Das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, das die Substituierbarkeit der verfügbaren Therapien untereinander beschränke, habe einen Mechanismus dargestellt, der die Konsolidierung der Kundenbasis für Perindopril erlaubt habe. Das Bestehen einer wachsenden Gruppe treuer verschreibender Ärzte sei die Erklärung für das ständige Anwachsen der Basis von mit Perindopril behandelten Patienten. 1485 Die Klägerinnen treten diesem Vorbringen der Kommission entgegen und machen im Wesentlichen geltend, dass zwischen den Herstellern von ACE‑Hemmern lebhafter Wettbewerb geherrscht habe und dass es keine signifikante „Unbeweglichkeit“, sondern nur ein fehlendes Preisbewusstsein der verschreibenden Ärzte gegeben habe. 1486 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, das die Kommission als die „natürliche“ Tendenz definiert, Neupatienten Arzneimittel zu verschreiben, mit denen bei Altpatienten gute Ergebnisse erzielt worden seien, ist, wie die Kommission in Rn. 2540 des angefochtenen Beschlusses selbst einräumt, ein Faktor, der zeitlichen Veränderungen unterliegen kann und von der Art der Krankheit abhängt. Dies ist eine empirische Frage, die eine sorgfältige Einzelfallprüfung erfordert. 1487 Wie das Gericht in der Rechtssache entschieden hat, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, kann die „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis ihren Grund u. a. in der Zurückhaltung haben, mit der die Ärzte üblicherweise einem neuen Produkt begegnen, dessen Eigenschaften sie noch nicht genau kennen, insbesondere aber in ihren erheblichen Bedenken hinsichtlich etwaiger, z. B. karzinogener Nebenwirkungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 91, 92 und 98). 1488 Somit ist anhand der Umstände des vorliegenden Falles zu prüfen, in welchem Maße ein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte die wechselseitige Substituierbarkeit der verfügbaren Therapien beschränken und die Entwicklung der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten, die von der Kommission als ständig wachsend beschrieben wird, erklären konnte. 1489 Als Erstes geht, wie bereits dargelegt, aus den Akten nicht hervor, dass die ACE‑Hemmer in therapeutischer Hinsicht heterogen waren. Es bestehen im Gegenteil keine signifikanten Unterschiede in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern. Da die Klasse der ACE‑Hemmer nicht heterogen ist, war die Freiheit der Ärzte, andere ACE‑Hemmer als Perindopril zu verschreiben, durch nichts beschränkt. Der Inhalt der Akten legt insbesondere nicht nahe, dass in Bezug auf die anderen ACE‑Hemmer besondere Bedenken hinsichtlich etwaiger Nebenwirkungen bestanden. Unter diesen Umständen bestehen im vorliegenden Fall keine besonderen Bedenken bezüglich des therapeutischen Einsatzes oder etwaiger Nebenwirkungen der ACE‑Hemmer, die ein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ der Ärzte, die Perindopril bereits verschrieben hatten, auslösen konnten, wenn diese Ärzte sich dafür entschieden, für Neupatienten den einen oder den anderen ACE‑Hemmer zu verschreiben. 1490 Es ist zu beachten, dass sich die Situation von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern von der Situation der PPI gegenüber den H2‑Blockern in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266), ergangen ist, unterscheidet. Die PPI und die H2‑Blocker, um die es in jener Rechtssache ging, wurden nämlich unterschiedlich verwendet; während die PPI im Wesentlichen zur Behandlung schwerer Formen von säurebedingten Magen-Darm-Erkrankungen verschrieben wurden, wurden die H2‑Blocker zur Behandlung weniger schwerer oder leichter Formen dieser Erkrankungen verschrieben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 72). Von den H2‑Blockern konnte u. a. wegen der großen Bedeutung, die Ärzte und Patienten der therapeutischen Überlegenheit der PPI beimaßen, kein signifikanter Wettbewerbsdruck auf die PPI ausgehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission, C‑457/10 P, EU:C:2012:770, Rn. 58). Im vorliegenden Fall ist keinerlei therapeutische Überlegenheit von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern dargetan, die einen signifikanten Wettbewerbsdruck der ACE‑Hemmer auf Perindopril in Bezug auf Neupatienten verhindern kann. 1491 Überdies wurde Perindopril nach mehreren anderen ACE‑Hemmern, u. a. nach Lisinopril und Enalapril in Frankreich, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich und nach Enalapril in Polen, auf den Markt gebracht. Perindopril konnte daher gegenüber den vor ihm auf den Markt gebrachten ACE‑Hemmern kein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte zugutekommen, das mit der Zurückhaltung zusammenhängt, mit der diese üblicherweise einem neuen Produkt begegnen, dessen Eigenschaften sie noch nicht genau kennen. 1492 Somit geht aus den Akten nicht hervor, dass Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern angesichts von deren therapeutischen Eigenschaften und des Zeitpunkts des Inverkehrbringens von Perindopril ein besonderes Maß an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte zugutegekommen ist. 1493 Als Zweites muss die im angefochtenen Beschluss genannte Begründung, für Perindopril habe schon vor dem Untersuchungszeitraum eine breite Basis von Patienten in Langzeitbehandlung bestanden, erheblich relativiert werden. 1494 Aus den Akten ergibt sich, dass Perindopril im Januar 2000 in allen betroffenen Ländern über eine viel schmalere Patientenbasis als andere ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril verfügte. Beim Verkauf von Tabletten und Kapseln lag Perindopril im Vereinigten Königreich an vierter Stelle hinter Lisinopril, Enalapril und Ramipril mit einem dreimal geringeren Verkaufsvolumen als Lisinopril, in den Niederlanden an dritter Stelle hinter Enalapril und Lisinopril mit einem zehnmal geringeren Verkaufsvolumen als Enalapril, in Frankreich an zweiter Stelle hinter Ramipril und in Polen an zweiter Stelle hinter Enalapril mit einem sechsmal geringeren Verkaufsvolumen als dieses. 1495 Unter diesen Umständen konnte ein Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte, den Beweis seines Bestehens unterstellt, Perindopril angesichts der relativen Schmalheit seiner Basis an Patienten in Langzeitbehandlung im Vergleich zu der der anderen ACE‑Hemmer, die hinsichtlich des Verkaufsvolumens in einer stärkeren Stellung waren, nicht in besonderem Maße zugutekommen. 1496 Als Drittes müssen die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung des anhaltenden Wachstums der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten und allgemeiner die Feststellung des kommerziellen Erfolgs von Perindopril angesichts der Situation der anderen ACE‑Hemmer ebenfalls relativiert werden. 1497 Unter den ACE‑Hemmern ist, wie sich aus den Akten ergibt, Perindopril im Untersuchungszeitraum nicht das erfolgreichste Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer. In Rn. 2129 des angefochtenen Beschlusses heißt es zwar, der weltweite Absatz an Erzeugnissen, die Perindopril von Servier enthielten, habe im besten Jahr über 800 Mio. Euro gelegen, doch wird in diesem Beschluss keinerlei Größenordnung des von den anderen Herstellern von ACE‑Hemmern erzielten weltweiten Umsatzes genannt. Hierzu haben die Klägerinnen in der Sitzung unwidersprochen vorgetragen, dass Perindopril in der entscheidungserheblichen Zeit auf Rang 143 der weltweit meistverkauften Moleküle gelegen habe, während z. B. Ramipril von Sanofi-Aventis den 72. Rang eingenommen habe. Perindopril sei auf einigen nationalen Märkten präsent, fehle aber praktisch auf so wichtigen Märkten wie dem deutschen, auf dem in der entscheidungserheblichen Zeit weniger als 1 % der Verkäufe von Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer auf Perindopril entfallen seien. Den Klägerinnen zufolge war Ramipril in diesem Zeitraum unter den Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer weltweit führend. 1498 Auf den vier von der Kommission ausgewählten nationalen räumlichen Märkten war, wie sich aus den Akten ergibt, Perindopril von Servier trotz seines steigenden Absatzes unter den ACE‑Hemmern in dem vom angefochtenen Beschluss erfassten Zeitraum niemals führend beim Absatz von Tabletten und Kapseln. Nach den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Daten zum Absatz von Tabletten und Kapseln lag Perindopril an dritter Stelle in den Niederlanden (im November 2007) und im Vereinigten Königreich (im Juni 2007) und an zweiter Stelle in Frankreich (im August 2008) und in Polen (im Mai 2006) mit einem Verkaufsvolumen auf den einzelnen nationalen Märkten mit Ausnahme des französischen weit unter dem des Marktführers. 1499 Der Absatz von Perindopril ist zwar in dem in Rede stehenden Zeitraum auf den vier nationalen Märkten zusammengenommen gestiegen, doch ist dies auch bei anderen ACE‑Hemmern wie Ramipril und Lisinopril der Fall. Angesichts der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Daten zum Absatz von Tabletten und Kapseln ist festzustellen, dass die Verkäufe von Lisinopril im Jahr 2000 stetig angestiegen sind, während der Anstieg der Verkäufe von Ramipril im selben Zeitraum deutlich höher war als der von Perindopril. 1500 Unter Berücksichtigung der Entwicklung des Absatzes der anderen ACE‑Hemmer muss die Bedeutung des im angefochtenen Beschluss erwähnten Phänomens des kontinuierlichen Anstiegs des Absatzes von Perindopril relativiert werden. 1501 Als Viertes wird durch die erheblichen Schwankungen der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer in den 2000er Jahren das Bestehen eines hohen Maßes an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte in Frage gestellt. 1502 Zunächst geht aus dem von Servier in Auftrag gegebenen CRA-Bericht vom Januar 2013 hervor, dass die relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer zwischen 2001 und 2010 erheblich geschwankt haben, wobei die jeweiligen Positionen der Arzneimittel sich uneinheitlich entwickelt haben. So stieg zwischen 2001 und 2010 der Anteil von Perindopril am Gesamtabsatz von ACE‑Hemmern, ausgedrückt in definierten Tagesdosen, im Vereinigten Königreich wenig (und verharrte bei zwischen 5 % und 10 %), während sich der von Ramipril nahezu verdoppelte (nämlich von zwischen 30 % und 40 % auf zwischen 60 % und 70 %) und der Anteil von Lisinopril stark sank. In Polen ging der Anteil von Perindopril am Absatz im selben Zeitraum stark zurück (von zwischen 15 % und 20 % auf zwischen 10 % und 15 %), während Ramipril eine beträchtliche Steigerung verzeichnete (von zwischen 0 und 5 % auf zwischen 60 % und 70 %). In den Niederlanden stieg der jeweilige Anteil von Perindopril und Ramipril nur geringfügig, nämlich bei beiden auf zwischen 10 % und 20 % im Jahr 2010, während auf Enalapril zu diesem Zeitpunkt noch zwischen 40 % und 50 % des Absatzes entfielen. In Frankreich ging der Verkauf von Lisinopril stark zurück (von einem Anteil zwischen 30 % und 40 % im Jahr 2001 auf einen Anteil von zwischen 5 % und 10 % im Jahr 2010), während der Anteil von Perindopril am Gesamtabsatz zwar erheblich (von zwischen 10 % und 15 % auf zwischen 20 % und 30 %), aber doch weniger stark anstieg als der von Ramipril (bei dem er sich von zwischen 20 % und 30 % auf zwischen 50 % und 60 % steigerte). 1503 Die Kommission macht geltend, die Berechnung des Anteils der Verkäufe der einzelnen ACE‑Hemmer am Gesamtabsatz dieser Arzneimittelklasse sei unrichtig, weil sie auf dem in definierten Tagesdosen ausgedrückten Absatz beruhe, wodurch die Entwicklung der Verkäufe der anderen ACE‑Hemmer, u. a. Ramipril, überschätzt werde. 1504 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission selbst das Volumen der Verkäufe der ACE‑Hemmer in erster Linie anhand der definierten Tagesdosen untersucht hat und deshalb a priori nicht geltend machen kann, eine solche Berechnung sei ungeeignet, um die zeitliche Entwicklung des Absatzes der ACE‑Hemmer zu analysieren, will sie nicht ihre eigene Analyse in Frage stellen. Die Kommission legt auch keine alternative, auf vermeintlich zuverlässigere Daten gestützte Analyse der Entwicklung der relativen Verkäufe der einzelnen ACE‑Hemmer vor. Zudem trägt die Kommission zwar vor, diese Art der Berechnung führe zu einer Aufblähung des Umsatzes von Ramipril um einen Faktor zwei oder mehr, sie erläutert jedoch nicht ihre These, dass diese Art der Berechnung auch zu einer Überbewertung des Anteils der Verkäufe der anderen ACE‑Hemmer als Ramipril führe. Schließlich geht jedenfalls aus den begrenzten Daten über den in Tabletten und Kapseln ausgedrückten Absatz von ACE‑Hemmern, die im angefochtenen Beschluss enthalten sind, hervor, dass es in jedem der in diesem Beschluss untersuchten Länder zwischen Januar 2000 und den Jahren 2006 bis 2008 erhebliche, von der Kommission im Übrigen nicht bestrittene, Veränderungen in den jeweiligen Positionen der verschiedenen ACE‑Hemmer gegeben hat. 1505 Die Kommission macht weiter geltend, zum einen beruhe der Vergleich zwischen den Marktanteilen der ACE‑Hemmer auf der Annahme eines von sämtlichen ACE‑Hemmern gebildeten Marktes, während die Marktabgrenzung gerade auf die Begrenzung des relevanten Marktes abziele, und zum anderen lasse sich aus der Analyse nicht unmittelbar ableiten, dass der Anstieg des Ramipril-Absatzes auf Kosten des Absatzes von Perindopril gegangen sei. 1506 Auch wenn es zutrifft, dass die Berechnung der Marktanteile von Perindopril die vorherige Abgrenzung des Marktes erfordert und folglich der Begriff der Marktanteile der einzelnen ACE‑Hemmer im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann, ist doch die Analyse der Entwicklung der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer, die nicht das Bestehen eines Marktes der ACE‑Hemmer voraussetzt, nicht ohne Relevanz für die Abgrenzung des relevanten Marktes. 1507 Zudem vertreten die Klägerinnen nicht die Ansicht, dass die Schwankungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer unmittelbar die Behauptung stützten, dass Perindopril dem Wettbewerbsdruck der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt sei. Sie machen geltend, dass die Schwankungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer innerhalb eines einzelnen Landes nicht das Bestehen eines hohen Maßes an „Unbeweglichkeit“ in der Verschreibungspraxis der Ärzte bei ACE‑Hemmern bestätigten. Die Kommission erläutert insoweit nicht, wie sich der von ihr im angefochtenen Beschluss hervorgehobene Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte mit den zeitlichen Schwankungen der relativen Verkäufe der ACE‑Hemmer vereinbaren lässt. Unter diesen Umständen ist, den Klägerinnen folgend, festzustellen, dass die erheblichen Veränderungen bei den relativen Verkäufen der ACE‑Hemmer im Untersuchungszeitraum die Bedeutung des behaupteten Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte in ihrer Praxis der Verschreibung von ACE‑Hemmern in Frage stellen. 1508 Als Fünftes ergibt sich aus den Akten, insbesondere der von Servier im Rahmen ihrer strategischen Planung in Auftrag gegebenen Thalès-Studie, der von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage und den Antworten der Hersteller von ACE‑Hemmern auf die Fragen der Kommission nicht der Beweis, dass ein für die Verschreibungspraxis der Ärzte bei Perindopril signifikantes Maß an „Unbeweglichkeit“ bestand. 1509 Die von Dezember 2003 bis Februar 2004 erstellte Thalès-Studie behandelt die Entwicklung des Profils der Verschreibung von Perindopril durch die französischen Allgemeinärzte. Diese Studie teilt die Perindopril verschreibenden Ärzte in drei Kategorien ein: „große Verschreiber“ mit mehr als zehn Verschreibungen, „mittlere Verschreiber“ mit sechs bis zehn Verschreibungen und „kleine Verschreiber“ mit einer bis fünf Verschreibungen pro Quartal. Die Studie analysiert die Entwicklung der Typologie der verschreibenden Ärzte zwischen dem Zeitraum April bis Juni 2003 (T 0) und dem Zeitraum Dezember 2003 bis Februar 2004 (T 2). Die Kommission weist für das Bestehen einer wachsenden Gruppe von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten darauf hin, dass 80 % bis 90 % der „großen Verschreiber“, 50 % bis 60 % der „mittleren Verschreiber“ und 60 % bis 70 % der „kleinen Verschreiber“ des Zeitraums T 0 im Zeitraum T 2 noch derselben Kategorie angehört hätten. 1510 Diese Entwicklungen zeigen indes kein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ der Ärzte in der Verschreibung von Perindopril, da sie zum einen über einen begrenzten Zeitraum von acht bis zehn Monaten festgestellt worden sind und da zum anderen der Anteil der in diesem begrenzten Zeitraum in eine andere Kategorie gewechselten Ärzte signifikant ist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Thalès-Studie, auf die sich die Kommission gestützt hat, die Allgemeinärzte nach der Entwicklung ihrer Verschreibungsgewohnheiten zwischen den Zeiträumen T 0 und T 2 in vier Gruppen – „treu“, „Aussteiger“, „Neukunde“ oder „gelegentlich“ – einteilt. Der Studie zufolge beträgt der Anteil der Allgemeinärzte der Gruppen „treu“, „Aussteiger“, „Neukunde“ oder „gelegentlich“ jeweils 30 % bis 40 %, 5 % bis 10 %, 10 % bis 15 % und 40 % bis 50 % der Gesamtheit der Allgemeinärzte. Somit zeigen die Ergebnisse der Thalès-Studie, dass die „treuen“ Allgemeinärzte in der Minderheit sind und ihr Anteil geringer ist als der der „gelegentlichen“ Allgemeinärzte. Die Ergebnisse der Thalès-Studie, die im Übrigen auf die französischen Allgemeinärzte beschränkt ist, liefern somit keinen Beweis für die Bedeutung des Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte hinsichtlich der Verschreibung von Perindopril und für den hohen Anteil von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten. 1511 Des Weiteren bestreitet die Kommission nicht den Vortrag der Klägerinnen, dass 52 % der Ärzte, die im Rahmen der Umfrage der Kommission unter den Perindopril verschreibenden Ärzten befragt wurden, geantwortet hätten, dass sie mehr alternative Arzneimittel als Perindopril verschrieben. Der Umstand, dass eine Mehrheit der Ärzte mehr alternative Arzneimittel als Perindopril verschreibt, stellt aber ebenfalls das Bestehen eines Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ in Frage, der besonders Perindopril zugutekommen soll. 1512 Schließlich ergibt sich aus den Antworten der drei von der Kommission befragten Hersteller von ACE‑Hemmern, dass diese Perindopril als ein Konkurrenzerzeugnis ihres eigenes Arzneimittels ansehen. Insbesondere führt Sanofi-Aventis in ihrer Antwort an die Kommission ausdrücklich aus, dass Perindopril ihr wichtigster Konkurrent in den Niederlanden, in Polen und seit 2001 in Frankreich und ihr zweitwichtigster im Vereinigten Königreich sei. Die Antworten der drei befragten Hersteller von ACE‑Hemmern enthalten keinen Beweis dafür, dass der Wettbewerbsdruck zwischen den ACE‑Hemmern durch ein signifikantes Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten beschränkt war. 1513 Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass der für Neupatienten von den anderen ACE‑Hemmern ausgehende Wettbewerbsdruck auf Perindopril durch ein Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und das Bestehen einer wachsenden Gruppe von Perindopril „treuen“ verschreibenden Ärzten signifikant beschränkt wurde. iii) Zur Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen 1514 Die Kommission führt u. a. in den Rn. 2496 bis 2510 des angefochtenen Beschlusses aus, die Patienten in Langzeitbehandlung mit Perindopril neigten nur in geringem Maße zu einem Wechsel zu alternativen Arzneimitteln, wenn sie sich einmal für Perindopril entschieden hätten. Da es sich bei Perindopril um ein „Erfahrungsgut“ handle, komme Servier ein Informationsvorteil in dem Sinne zugute, dass die Patienten in Perindopril-Langzeitbehandlung mehr über dieses Erzeugnis als über die anderen Therapien wüssten, die noch nicht versucht worden seien. 1515 Wegen der Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer, die mit Unterschieden in der individuellen Wirksamkeit und Verträglichkeit zusammenhängen kann, ist nach Meinung der Kommission ein Therapiewechsel zwischen Arzneimitteln derselben therapeutischen Klasse als wenig wahrscheinlich anzusehen. Mit einem solchen Wechsel könnten nämlich Kosten einer zusätzlichen ärztlichen Konsultation und potenziell sehr hohe Risiken im Zusammenhang mit dem Auftreten von Nebenwirkungen und einer nicht optimalen Kontrolle des arteriellen Drucks einhergehen. 1516 Die geringe Wahrscheinlichkeit eines Wechsels der Behandlung bei Patienten in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Langzeitbehandlung wird nach Ansicht der Kommission bestätigt durch eine Reihe von Längsschnittstudien, durch die Ergebnisse der Umfrage unter den verschreibenden Ärzten und durch die Antwort von Sanofi-Aventis auf den Fragebogen der Kommission, wonach Wechsel zwischen Ramipril und Perindopril sehr selten waren. Die Kommission trägt vor, die durchschnittliche Dauer der Behandlung mit Perindopril könne auf sieben bis acht Monate geschätzt werden und der für die Erneuerung der Verschreibung von Perindopril gemessene „Treuegrad“ von 90 % bestätige die Abschottungswirkung der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten. 1517 Die Klägerinnen machen unter Vorlage einer Reihe von Beweisen geltend, die Kommission habe die Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen unterschätzt. 1518 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission vorgenommene Analyse der Umstellungsmuster bei Patienten in Langzeitbehandlung auf der Heterogenität der zur Klasse der ACE‑Hemmer gehörenden Arzneimittel beruht. Wie aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses, u. a. den Rn. 2496 und 2499, hervorgeht, hat sich die Kommission im Rahmen ihrer Analyse der Umstellungsmuster zwischen Perindopril und den anderen Antihypertensiva auf die Heterogenität der Klasse der ACE‑Hemmer gestützt. Aufgrund der vermeintlichen Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer war die Kommission der Ansicht, dass der Therapiewechsel zwischen Arzneimitteln derselben therapeutischen Klasse mit potenziell sehr schwerwiegenden Risiken verbunden sein könnte. 1519 Wie jedoch bereits dargelegt, hat die Kommission die Heterogenität der zur Klasse der ACE‑Hemmer gehörenden Arzneimittel nicht dargetan. Es gibt im Gegenteil in therapeutischer Hinsicht, einschließlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen, keinen signifikanten Unterschied zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern. Insbesondere geht aus den Akten nicht hervor, dass bei den verschreibenden Ärzten gegenüber den anderen ACE‑Hemmern besondere Bedenken wegen Nebenwirkungen oder einer geringeren Wirksamkeit bestanden. Folglich wird die Analyse der Kommission, wonach der Wechsel der Behandlung zwischen Arzneimitteln derselben Klasse mit potenziell sehr schwerwiegenden Risiken verbunden sei, durch die aus der Sicht der Ärzte fehlende Heterogenität der ACE‑Hemmer in Frage gestellt. Da es zwischen ACE‑Hemmern keine Unterschiede bei Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt, ist nicht nachgewiesen, dass der Wechsel der Behandlung zwischen ACE‑Hemmern bei den Ärzten besondere Bedenken hervorrief. 1520 Zweitens hat die Kommission ihre Beurteilung der geringen Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu Veränderungen auf von Thalès erstellte Längsschnittstudien gestützt. In diesen Studien werden die Verschreibungsgewohnheiten der Allgemeinärzte in Frankreich und im Vereinigten Königreich zwischen Juli 2005 und Juni 2006 untersucht. Danach waren 90 % der Verschreibungen von Perindopril Folgeverschreibungen. Die Kommission leitet daraus das Bestehen einer sehr hohen 90%igen „Verschreibungstreue“ bei Perindopril ab. Ihrer Ansicht nach spiegelt die Analyse der Neigung der Patienten zu Veränderungen auf der Grundlage der Zahl der ausgestellten Verschreibungen die Natur der Nachfrage nach Perindopril besser wider, als wenn dafür auf die Zahl der Patienten abgestellt werde. 1521 Der Anteil der Folgeverschreibungen an der Gesamtheit der Verschreibungen sagt jedoch nur partiell etwas über die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu Veränderungen aus. Der Prozentsatz der Folgeverschreibungen hängt nämlich u. a. von der Häufigkeit der Arztbesuche der Patienten ab, die erheblich schwanken kann und im Übrigen im angefochtenen Beschluss nicht erwähnt wird. Zudem lässt die Zahl der Folgeverschreibungen im Verhältnis zur Gesamtheit der Verschreibungen nicht den Treuegrad der Patienten im Sinne des Anteils der im Zeitraum N mit Perindopril behandelten Patienten, die auch im Zeitraum N + 1 noch mit Perindopril behandelt werden, erkennen. 1522 Unter diesen Umständen sind die Thalès-Studien unzureichend, um die Treue der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, zu diesem Arzneimittel zu erfassen. 1523 Als Drittes liefern die Cegedim- und die IMS-Health-Studie für Frankreich und das Vereinigte Königreich Informationen über die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Wechsel des Behandlung über einen Zeitraum von fünf Jahren. 1524 Die Cegedim-Studie vom Oktober 2012, die Servier im Rahmen ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt hat, analysiert über einen Zeitraum von fünf Jahren die Beständigkeit der von Allgemeinärzten in Frankreich mit Perindopril behandelten Patienten. Die Studie betrifft die mit Perindopril behandelten Patienten, die in einem Zeitraum von fünf Jahren denselben Allgemeinarzt aufgesucht haben. Aus ihr geht hervor, dass 20 % bis 30 % der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung begonnen haben, die Behandlung innerhalb von sechs Monaten abbrechen und dass von den Patienten, die länger als sechs Monate bei Perindopril bleiben, 30 % bis 40 % auf andere Antihypertensiva umgestellt werden und diese Behandlung nach einem Zeitraum von fünf Jahren nicht fortsetzen. Bei der Mehrzahl der nach sechs Monaten erfolgenden Umstellungen auf andere Antihypertensiva handelt es sich um solche auf die Behandlung mit Sartanen, während etwa 40 % der Patienten auf eine Behandlung mit einem anderen ACE‑Hemmer umgestellt werden, der allein oder in Kombination eingesetzt wird. Letztlich werden über 50 % der Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, nach fünf Jahren nicht mehr mit diesem Arzneimittel behandelt. Daraus ergibt sich, dass bei Patienten, die regelmäßig von demselben französischen Allgemeinarzt betreut werden, die Wechsel der Behandlung bei solchen, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, über einen Zeitraum von fünf Jahren signifikant sind. Aus der Cegedim-Studie geht auch hervor, dass 2005 Zu- und Abfluss der Patienten (mit einem Anteil von 30 % bis 40 % bzw. 15 % bis 20 %) die Hälfte der mit Coversyl behandelten Patienten ausmachten. 1525 Die von Servier vorgelegte IMS-Health-Studie vom Dezember 2013 untersucht die Verschreibungen von Ramipril, Lisinopril und Perindopril im Zeitraum 2003–2008 für von Allgemeinärzten im Vereinigten Königreich betreute Patienten. 1526 Die Kommission tritt der Berücksichtigung der IMS-Health-Studie durch das Gericht mit der Begründung entgegen, dass die Klägerinnen diese der Kommission im Verwaltungsverfahren verspätet übermittelt hätten. Wie jedoch oben in Rn. 1373 dargelegt worden ist, stellt das Gericht eine eingehende Rechtmäßigkeitskontrolle sicher, und zwar unter Berücksichtigung aller von den Klägerinnen vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem Erlass des Beschlusses –, soweit diese Umstände für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission maßgeblich sind. Im vorliegenden Fall stellt die IMS-Health-Studie vom Dezember 2013, die Servier der Kommission im Verwaltungsverfahren in Beantwortung der Sachverhaltsdarstellung vom 18. Dezember 2013 vorgelegt hat, eine Antwort auf die These der Kommission dar, dass die mit Perindopril behandelten Patienten wenig zu einem Wechsel der Behandlung neigten. Daher kann diese Studie nicht als ein verspätet vorgelegtes Dokument angesehen werden, das im Stadium der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht berücksichtigt werden kann. 1527 Die Kommission kann die IMS-Health-Studie nicht mit der Begründung als unglaubwürdig zurückweisen, dass sie für die Klägerinnen „maßgeschneidert“ worden sei. Der Umstand, dass die Klägerinnen selbst diese Studie bei IMS Health in Auftrag gegeben haben, berührt nicht notwendig ihren Beweiswert, da sie u. a. nicht auf der Grundlage von durch die Klägerinnen selbst zur Verfügung gestellten Datenbanken erstellt worden ist. Wie das Gericht nämlich bereits entschieden hat (Urteil vom 3. März 2011, Siemens/Kommission, T‑110/07, EU:T:2011:68, Rn. 137), fehlt einer Studie die Glaubwürdigkeit und damit ein Beweiswert, die über diejenigen einer bloßen interessengeleiteten Erklärung der Klägerinnen hinausgehen, wenn sie auf der Grundlage von Datenbanken erstellt wurde, die von den Klägerinnen zur Verfügung gestellt wurden, ohne dass die Richtigkeit oder die Relevanz dieser Daten von einer unabhängigen Stelle überprüft worden wäre. Im vorliegenden Fall ist die von Servier in Auftrag gegebene Studie auf der Grundlage von Datenbanken erstellt worden, die von einem Dritten, IMS Health, stammen, deren Stellung als Referenzeinrichtung für die Bereitstellung von Daten des Arzneimittelsektors die Kommission nicht bestritten hat, wie sich u. a. aus Fn. 2843 des angefochtenen Beschlusses ergibt. Die Kommission hat sich im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes selbst vielfach auf die Daten von IMS Health gestützt. 1528 Die Tatsache, dass der Auftrag für die Studie der Kommission nicht übermittelt wurde und diese deren Ergebnisse nicht vollständig hat reproduzieren können, genügt unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht, um die Glaubwürdigkeit der Studie in Frage zu stellen. Servier hat in ihrer Antwort vom 17. Februar 2014 auf den Fragebogen der Kommission die IMS Health gemachten Vorgaben eingehend beschrieben. Diese hat in der Studie dargelegt, welche Methode, Annahmen und Definitionen verwendet wurden, und die Rohdaten sowie den Algorithmus offengelegt, die eine Replikation der Studie ermöglichen. Zwar hat IMS Health nicht die Registerkarte betreffend die Neupatienten vorgelegt, doch hat die Kommission Servier nach der Übermittlung des Algorithmus und der Datenbanken nicht darauf hingewiesen, dass methodische Hindernisse bestünden, die die Glaubwürdigkeit der Studie beeinträchtigen könnten. Ferner hat IMS Health in der Studie erwähnt, dass Neupatienten solche seien, die in den letzten zwölf Monaten vor dieser Verschreibung das betreffende Arzneimittel nicht erhalten hätten; in einem Schreiben vom 1. September 2014 hat sie erklärt, dass Servier an der Analyse der Studie nicht beteiligt gewesen sei, dass diese von IMS Health unter Verwendung der in der Studie beschriebenen Methode und Definitionen erstellt worden sei, dass die Registerkarte der Neupatienten einer in ähnlichen Studien verwendeten Standarddefinition entspreche und dass die Daten der Neupatienten einer Datenbank unter Verwendung integrierter Berichte entnommen seien, die von einem Arbeitsplatz des Unternehmens aus oder für einen Kunden zugänglich sei, der sich bei dieser Datenbank angemeldet habe. Unter diesen Umständen kann die Kommission angesichts der ausreichenden Erläuterungen von Servier und IMS Health nicht mit Erfolg geltend machen, dass die IMS-Health-Studie nicht als ein zuverlässiges Beweisstück anerkannt werden könne. 1529 Die IMS-Health-Studie zeigt hinsichtlich der in den Jahren 2003 bis 2008 von den britischen Allgemeinärzten betreuten Patienten, dass in einem gegebenen Jahr die Neupatienten für Perindopril ein Drittel aller Patienten mit dieser Behandlung ausmachen. Sie zeigt auch, dass die Substitutionen von Perindopril im Wesentlichen zugunsten anderer Klassen von Antihypertensiva, aber auch zugunsten anderer ACE‑Hemmer erfolgen. Der Studie zufolge liegt bei den Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung beginnen, die durchschnittliche Behandlungsdauer für 24 % der Patienten unter sechs Monaten, für 57 % unter drei Jahren und für 76 % unter fünf Jahren. 1530 Die Kommission erachtet den Umstellungsprozess für regressiv, d. h., mit zunehmender Behandlungsdauer werde es immer weniger wahrscheinlich, dass die Patienten die Behandlung mit Perindopril abbrächen. Es ist jedoch festzustellen, dass nach der Cegedim-Studie der Nettoschwund an mit Perindopril behandelten Patienten im vierten und fünften Behandlungsjahr annähernd 5 % pro Jahr bei den von den französischen Allgemeinärzten betreuten Patienten beträgt. Nach der IMS-Health-Studie beträgt der Anteil der von den britischen Allgemeinärzten betreuten Patienten mit einer Behandlungsdauer, ohne Unterbrechungen der Behandlung, von zwischen drei und vier Jahren einerseits und vier und fünf Jahren andererseits 12 % bzw. 7 %. Folglich ergibt sich aus den Akten, dass ein signifikanter Teil der Patienten ihre Behandlung mit Perindopril im Lauf des vierten und des fünften Behandlungsjahrs abbricht. 1531 Somit geht aus der Cegedim- und der IMS-Health-Studie hervor, dass die durchschnittliche Behandlungsdauer der mit Perindopril behandelten und von den Allgemeinärzten in Frankreich und im Vereinigten Königreich betreuten Patienten im Lauf des Untersuchungszeitraums unter fünf Jahren lag. Diese Patienten wechselten die Behandlung in signifikanten Umfang in den ersten sechs Monaten, aber auch im Lauf der auf den Beginn der Behandlung folgenden fünf Jahre. 1532 Viertens bestätigen die die PCT betreffenden Dokumente, dass im Vereinigten Königreich mit Perindopril behandelte Patienten zu anderen ACE‑Hemmern wechselten. 1533 Wie bereits dargelegt, war eine Reihe von PCT seit 2005 der Ansicht, dass Perindopril nicht wirksamer sei als andere ACE‑Hemmer, und empfahl den Einsatz anderer ACE‑Hemmer als Perindopril oder dessen Substitution durch einen anderen ACE‑Hemmer. Diese Politik, die manchmal die Form von Leitlinien, Formularen oder Musterschreiben an die Patienten im Hinblick auf eine Umstellung von Perindopril zu Ramipril oder Lisinopril annahm, ist wegen der Zahl der betreffenden PCT und des Umstands signifikant, dass es sich dabei um PCT in verschiedenen Regionen des Vereinigten Königreichs handelte. 1534 Aus den Akten ergibt sich, dass diese Politik, die in den internen Strategiepapieren von Servier seit 2005 als Bedrohung bezeichnet wird, sich tatsächlich negativ auf den Absatz von Perindopril auf lokaler Ebene ausgewirkt hat. Es trifft zu, dass, wie die Kommission ausgeführt hat, nicht dargetan ist, dass die Politik der PCT eine signifikante Auswirkung auf nationaler Ebene hatte. Zwar zeigt das Schema in Rn. 2286 des angefochtenen Beschlusses, dass der in definierten Tagesdosen ausgedrückte Absatz von Perindopril seit September 2006 praktisch stagnierte, doch lässt sich anhand der Akten nicht feststellen, dass tatsächlich ein Kausalzusammenhang zwischen den Empfehlungen der PCT und der Entwicklung der relativen Verkäufe von Perindopril und der anderen ACE‑Hemmer im gesamten Vereinigten Königreich bestand. Diese Empfehlungen sind gleichwohl nicht irrelevant, da sie konkret die zwischen ACE‑Hemmern bestehenden Transfermöglichkeiten auf einem der von der Kommission in ihrer Untersuchung berücksichtigten räumlichen Märkte veranschaulichen. 1535 Die Kommission kann nicht geltend machen, dass die Berufung der Klägerinnen auf die Politik der PCT im Widerspruch zu deren Vorbringen stehe, dass der Faktor Preis im Verhältnis der verschiedenen ACE‑Hemmer eine begrenzte Rolle spiele. Wie sich nämlich aus den Erwägungen in den Rn. 1380 bis 1404 des vorliegenden Urteils ergibt, ist der Arzneimittelsektor ein „ungewöhnlicher“ Sektor, dessen Besonderheiten es erfordern, dass der Markt anhand einer Mehrzahl von Kriterien bestimmt wird, insbesondere der therapeutischen Verwendung der Erzeugnisse. Im vorliegenden Fall wird diese Feststellung durch die Politik der PCT nicht in Frage gestellt. Diese Politik bestätigt die therapeutische Substituierbarkeit zwischen den ACE‑Hemmern und die Möglichkeiten eines Wechsels der Behandlung von mit Perindopril behandelten Patienten, doch ergibt sich daraus nicht, dass der Faktor Preis eine entscheidende oder herausragende Rolle für die Analyse des Wettbewerbsdrucks zwischen diesen Arzneimitteln spielt. 1536 Als Fünftes vertritt die Kommission unter Berufung u. a. auf die Ergebnisse der unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage die Auffassung, dass ein Wechsel der Behandlung bei mit Perindopril behandelten Patienten wenig wahrscheinlich sei, wenn die Patienten „erfolgreich“ mit Perindopril behandelt würden. 1537 Die Ergebnisse der von der Kommission durchgeführten Umfrage unter den verschreibenden Ärzten, wonach eine große Mehrheit (76 %) der Ärzte der Ansicht war, dass die Patienten, die in der Anfangszeit „erfolgreich“ behandelt worden seien und deren Behandlung nicht geändert worden sei, die Behandlung mit Perindopril wahrscheinlich mehr als fünf Jahre lang fortsetzen würden, stellen die in der Cegedim- und der IMS-Health-Studie getroffenen Feststellungen zur durchschnittlichen Behandlungsdauer und zum Wechsel der mit Perindopril behandelten Patienten nicht in Frage. Der den verschreibenden Ärzten gestellten Frage liegt nämlich eine Schätzung der Wahrscheinlichkeit zugrunde, dass die Behandlung mit Perindopril fortgesetzt wird, und nicht eine Schätzung des tatsächlichen Anteils der Patienten, die die Behandlung länger als fünf Jahre fortsetzen. Zudem betrifft die den verschreibenden Ärzten gestellte Frage nicht die Patienten, die „erfolgreich“ behandelt wurden und deren Behandlung nicht geändert wurde, während die Cegedim- und die IMS-Health-Studie Informationen über die durchschnittliche Dauer der Behandlung der Patienten mit Perindopril und über die Gesamtheit der vollzogenen Behandlungswechsel, unabhängig von der Beurteilung der Ergebnisse der Behandlung mit Perindopril durch die Ärzte, liefern. Schließlich war selbst hinsichtlich der Patienten, die „erfolgreich“ behandelt worden waren und deren Behandlung nicht geändert worden war, nur eine Minderheit der befragten Ärzte der Ansicht, dass diese die Behandlung mit Perindopril wahrscheinlich mehr als zehn Jahre lang fortsetzen würden. 1538 Auch wenn die „erfolgreich“ mit Perindopril behandelten Patienten naturgemäß weniger zu einem Behandlungswechsel neigen als solche, die nicht zu dieser Kategorie gehören, bleiben die Feststellungen der Cegedim- und der IMS-Health-Studie relevant, um in quantitativer Hinsicht zu beurteilen, in welchem Maße Patienten, die mit einer Behandlung beginnen, Perindopril über einen Zeitraum von fünf Jahren „treu“ bleiben. Diese Studien zeigen, dass es signifikante Behandlungswechsel gab, die die von der Kommission im angefochtenen Beschluss aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang mit den Abschottungswirkungen der Basis der mit Perindopril behandelten Patienten in Frage stellen. 1539 Als Sechstes stützt sich die Kommission im angefochtenen Beschluss darauf, dass Sanofi-Aventis in ihrer Antwort auf ihren Fragebogen angegeben habe, dass Behandlungswechsel zwischen Ramipril und Perindopril sehr begrenzt gewesen seien und dass das Wachstum bei beiden Erzeugnissen auf neu gewonnene Patienten am Beginn einer Behandlung zurückgehe. Abgesehen davon, dass diese Angabe nur den französischen Markt betrifft, führt Sanofi-Aventis, wie bereits dargelegt, in ihrer Antwort aus, dass die Population der Patienten, die für eine Behandlung mit Ramipril in Betracht kämen, größer gewesen sei als die von Perindopril und dass Ramipril bis 2007 eine weitere Dosierungsbandbreite gehabt habe als Perindopril, was den Patiententransfer von Ramipril zu Perindopril stärker begrenzen kann als umgekehrt. Zudem hat sich Sanofi-Aventis nicht zu den Behandlungswechseln in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich geäußert und zum polnischen Markt angegeben, aus ihrer Sicht sei der Gewinn von Patienten für Ramipril auf Kosten von Perindopril gegangen. Folglich stellen die Antworten von Sanofi-Aventis auf den Fragebogen der Kommission das Ausmaß des Behandlungswechsels für die mit Perindopril behandelten Patienten nicht in Frage. 1540 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission die Wechselneigung der mit Perindopril behandelten Patienten unterschätzt hat, indem sie sich u. a. auf die irrige Annahme einer Heterogenität der Arzneimittel der Klasse der ACE‑Hemmer gestützt hat. Aus den Akten geht hervor, dass die Patienten, die mit einer Perindopril-Behandlung begonnen hatten, in einem Zeitraum von fünf Jahren in signifikantem Ausmaß die Behandlung wechselten, was die von der Kommission veranschlagte durchschnittliche Behandlungsdauer und die Bedeutung der Abschottungswirkungen der Patientenbasis in Frage stellt. iv) Zu den Werbeaktivitäten 1541 Die Kommission führt in den Rn. 2515 bis 2521 des angefochtenen Beschlusses aus, Werbung könne den Wettbewerb verstärken, wenn die ärztliche Gemeinschaft über zusätzliche therapeutische Alternativen, u. a. neue Erzeugnisse oder wichtige neue Indikationen für existierende Erzeugnisse, informiert werde. Im vorliegenden Fall könne jedoch der Wettbewerb auf der Ebene der Werbung nicht als eine wichtige Quelle von Wettbewerbsdruck im Verhältnis zwischen Perindopril und den potenziellen Konkurrenzerzeugnissen angesehen werden, weil jede neue Werbeaktivität für Arzneimittel, die seit Langem auf dem Markt seien, nur das bei den „treuen“ verschreibenden Ärzten bereits aufgebaute Vertrauenskapital erhöhe. Wegen der für einen Behandlungswechsel bestehenden Barrieren und des Überwiegens der Patienten in Langzeitbehandlung sei die potenzielle Auswirkung der von den Herstellern anderer ACE‑Hemmer entfalteten Werbeaktivitäten auf den Absatz von Perindopril begrenzt. Zudem werde das Fehlen von Wettbewerbsdruck seitens der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern auch belegt durch die Patientengruppen, auf die Servier ihre Werbepolitik ausrichte, durch die in den internen Strategiepapieren von Servier enthaltene Analyse der Werbeaktivitäten und durch die Stabilität ihrer Ausgaben für Werbung. 1542 Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe einen Fehler begangen, indem sie die beträchtlichen Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen nicht gebührend berücksichtigt habe, die eine der wichtigsten Dimensionen des Wettbewerbs und – da es eine „Unbeweglichkeit“ der Patienten und der Ärzte nicht gebe – eine Notwendigkeit seien, um im Wettbewerb zu bestehen. 1543 Als Erstes hat die Kommission ihre Analyse der Werbeaktivitäten auf das Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte und das Bestehen von Barrieren für einen Wechsel der Behandlung gestützt. 1544 Wie jedoch bereits dargelegt, war das Verschreibungsverhalten der Ärzte nicht durch ein hohes Maß an „Unbeweglichkeit“ gekennzeichnet und es gab einen signifikanten Wechsel der Behandlung bei Patienten in Langzeitbehandlung. Somit hat die Kommission ihre Ansicht, dass die potenzielle Auswirkung der von den Herstellern anderer Arzneimittel entfalteten Werbeaktivitäten auf den Absatz von Perindopril sehr begrenzt sei, auf unrichtige Annahmen gestützt, die ihre Analyse fehlerhaft machen. 1545 Als Zweites hat die Kommission ihre Analyse der Werbeaktivitäten auf die von Servier mit ihren Werbemaßnahmen angesprochenen Patienten und auf die behaupteten besonderen therapeutischen Eigenschaften von Perindopril gestützt. In den Rn. 2366 und 2519 des angefochtenen Beschlusses hat sie ausgeführt, dass die Ausgaben von Servier für Werbung auf potenzielle Neupatienten konzentriert gewesen seien, zu denen Patienten gehörten, bei denen erstmals Bluthochdruck festgestellt worden sei, Patienten, deren Blutdruck mit einem anderen Antihypertensivum nicht zufriedenstellend kontrolliert gewesen sei, und bestimmte Gruppen von Patienten, für die Perindopril besondere Eigenschaften gezeigt habe. 1546 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Werbung ein Wettbewerbsinstrument sein kann, u. a. wenn die Erzeugnisse weitgehend ähnlich sind. Dem Fehlen einer positiven Differenzierung von Perindopril gegenüber den anderen ACE‑Hemmern entspricht die Notwendigkeit für Servier, angemessene Werbeaktivitäten zu entfalten, um auf dem Markt zu bestehen und sich bei den verschreibenden Ärzten durchzusetzen. In Ermangelung einer therapeutischen Überlegenheit von Perindopril besteht für die verschreibenden Ärzte kein Anlass, allein unter diesem Gesichtspunkt eher Perindopril als ein anderes Arzneimittel zu verschreiben. 1547 Des Weiteren geht schon aus dem Wortlaut der Rn. 2366 und 2519 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Servier mit ihren Werbeaktivitäten sowohl auf Neupatienten als auch auf solche abzielte, die bereits ein anderes Antihypertensivum gebraucht hatten. Zudem hat die Kommission, wie bereits ausgeführt worden ist, nicht dargetan, dass Perindopril besondere Eigenschaften aufwies, die es in therapeutischer Hinsicht von den anderen ACE‑Hemmern unterschied. Wenn Servier sich bemüht hat, Perindopril von den anderen ACE‑Hemmern zu unterscheiden, so haben diese Bemühungen nicht den erhofften Erfolg gehabt und es nicht ermöglicht, Perindopril hinreichend von den anderen ACE‑Hemmern zu differenzieren. 1548 Da die Werbestrategie für Perindopril auf bestimmte Patientenkategorien abzielte, kann aus ihr nicht geschlossen werden, dass die Wirkung des Wettbewerbs durch Werbung unter den ACE‑Hemmern begrenzt war. 1549 Als Drittes zeigen die internen Dokumente von Servier, die Antworten der Hersteller der anderen ACE‑Hemmer und der übrige Inhalt der Akten entgegen dem Vorbringen der Kommission, dass von den Werbemaßnahmen der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern ein Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgehen konnte. 1550 So geht aus den internen Strategiepapieren von Servier, u. a. dem „2005/2006 orientation plan“ und dem „Plan d’orientation Coversyl 2006/2007“, hervor, dass Servier in den Jahren 2000 bis 2009 den Wettbewerb auf dem Markt der Arzneimittel gegen Bluthochdruck und dem der Arzneimittel gegen Herzinsuffizienz als stark einschätzte. Aus diesen Dokumenten geht ebenfalls hervor, dass Servier andere ACE‑Hemmer, u. a. Ramipril, Captopril, Lisinopril, Enalapril, Fosinopril und Trandolapril, als Konkurrenzerzeugnisse betrachtete. Ramipril wird in den Teilen der Strategiepapiere, die den Gefahren für die Entwicklung von Perindopril gewidmet sind, mehrfach erwähnt. Zum Beispiel wurde die Markteinführung eines neuen Erzeugnisses, Co-Triatec, mit dem eine Kontinuität in der Kommunikation der Produktreihe von Ramipril sichergestellt werden konnte, als Bedrohung dargestellt. 1551 Auch die drei von der Kommission befragten Hersteller von Original-ACE‑Hemmern sehen in Perindopril ein mit ihrem eigenen Arzneimittel konkurrierendes oder rivalisierendes Erzeugnis. Wie die Kommission ausgeführt hat, bedeutet der Umstand, dass andere Unternehmen in einem bestimmten Erzeugnis das Hauptwettbewerbsziel sehen, zwar nicht, dass dieses Erzeugnis einem signifikanten Wettbewerbsdruck durch diese anderen Unternehmen ausgesetzt ist. Gleichwohl kann dieses Indizienbündel nützlich sein, da sich so berücksichtigen lässt, wie die Unternehmen selbst ihre Marktposition beurteilen. In dieser Hinsicht geht aus den Antworten der von der Kommission zu ihrer Sicht des Wettbewerbs befragten Unternehmen hervor, dass Sanofi-Aventis, Hersteller von Ramipril, AstraZeneca AB, Hersteller von Lisinopril, und MSD, Hersteller von Enalapril und von Lisinopril, Perindopril als ein Konkurrenzerzeugnis für ihr eigenes Arzneimittel betrachteten. Unter anderem aus den von Sanofi-Aventis vorgelegten Dokumenten, nämlich Darstellungen des polnischen Marktes und den Geschäftsplänen für die Jahre 2008-2009, geht hervor, dass Perindopril und Enalapril nach Ansicht dieses Unternehmens der erste und der zweite Rivale von Ramipril waren und dass Letzteres allgemein die beste Markenwahrnehmung genoss. 1552 Ferner legt der Inhalt der Akten nahe, dass die Werbung der anderen ACE‑Hemmer eine signifikante Auswirkung auf den Absatz von Perindopril haben konnte. 1553 Die internen Strategiepapiere von Servier und die Dokumente betreffend die Werbung für die anderen ACE‑Hemmer zeigen, dass diese als die Besten in dieser Arzneimittelklasse oder sogar als den anderen ACE‑Hemmern überlegen dargestellt wurden. Bestimmte Werbepläne zielten direkt auf das Perindopril von Servier. 1554 Der von der Werbung für die Sartane ausgehende starke Druck zusammen mit dem Rückgang der Werbung für die ACE‑Hemmer wird zwar in den internen Dokumenten von Servier als eine Bedrohung dargestellt, doch wird die Werbung für Ramipril als eine Bedrohung für Perindopril dargestellt, während der Rückgang dieser Werbung als günstig wahrgenommen wird. In den internen Dokumenten von Servier wird darauf hingewiesen, dass die Werbung für Ramipril auf die HOPE‑Studie gestützt werde, die als ein wichtiges Ereignis des Jahres 2001 dargestellt wird, das Ramipril ein starkes Wachstum und neue Indikationen verschafft habe. In den Strategiepapieren von Servier heißt es, dass die Ergebnisse der HOPE‑Studie und die Positionierung von Ramipril sich stark auf den Absatz von Coversyl (4 mg) von Servier ausgewirkt hätten. 1555 Aus den Akten, u. a. den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Angaben von IMS Health und der Antwort von Sanofi-Aventis auf das Auskunftsverlangen der Kommission, geht hervor, dass die Werbeausgaben der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern zu bestimmten Zeiten hoch waren, u. a. diejenigen für Ramipril in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich bis 2003 oder in Frankreich bis Anfang 2006. 1556 Folglich zeigen die Akten, namentlich die internen Strategiepapiere von Servier und die Antworten der anderen Hersteller von ACE‑Hemmern, dass die Werbeaktivitäten für die anderen ACE‑Hemmer eine signifikante Auswirkung auf den Absatz von Servier haben konnten. 1557 Als Viertes steht auch die Höhe der Ausgaben von Servier für Werbung im Einklang damit, dass der Wettbewerb durch Werbung eine Quelle von Wettbewerbsdruck im Verhältnis der ACE‑Hemmer zueinander sein konnte, ohne dass dies durch die behauptete Stabilität dieser Werbeausgaben in Frage gestellt wird. 1558 Die Höhe der Werbeausgaben, die nicht bestritten wird, geht u. a. aus den Daten zu den hauptsächlichen Ausgabenposten hervor, die zu den Gesamtkosten der Perindopril-Varianten beigetragen haben. Diese Ausgaben waren namentlich in Frankreich, in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich hoch, wie den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Angaben von IMS Health zu entnehmen ist. Beispielsweise gab Servier im Jahr 2000 in Frankreich 70 bis 80 Mio. Euro für Werbung für Perindopril aus, während sich der mit diesem Erzeugnis erzielte Gesamtumsatz auf 180 bis 200 Mio. Euro belief. 2004 erreichten die Werbeausgaben in diesem Land 100 bis 120 Mio. Euro, also etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes mit diesem Erzeugnis (300 bis 350 Mio. Euro). 1559 Dem ist hinzuzufügen, dass der Umstand, dass die Rentabilität von Perindopril trotz der Höhe der Werbeausgaben von Servier für dieses Erzeugnis im Untersuchungszeitraum hoch blieb, nicht bedeutet, dass Perindopril keinem signifikanten Wettbewerbsdruck durch die anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt war. Im Übrigen stellt zwar die Kommission in den Rn. 2369 bis 2371 des angefochtenen Beschlusses das hohe allgemeine Rentabilitätsniveau von Perindopril fest, zieht aber daraus nicht die Konsequenzen im Rahmen der Abgrenzung des relevanten Marktes und stützt sich nicht auf diese Rentabilität für ihren in den Rn. 2403 bis 2546 des angefochtenen Beschlusses gezogenen Schluss, dass der relevante Produktmarkt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei. 1560 In den internen Strategiepapieren von Servier wird der Zusammenhang zwischen dem Wettbewerbsumfeld und den Werbeausgaben von Servier betont und ausgeführt, dass das Wettbewerbsumfeld sehr erhebliche Werbeaktivitäten erfordere, bei denen der Arztbesuch an erster Stelle stehe. Diese Dokumenten bringen den Willen von Servier zum Ausdruck, neue Kunden zulasten anderer Antihypertensiva, namentlich der ACE‑Hemmer, zu gewinnen, und erwähnen die Schwierigkeit für Servier, angesichts der finanziellen und personellen Investitionen der anderen Hersteller von Antihypertensiva bei den Allgemeinärzten präsent zu sein. 1561 Die Kommission macht geltend, die Stabilität der Werbeausgaben von Servier im Untersuchungszeitraum lege nahe, dass die Werbung für Perindopril weitgehend unabhängig gewesen sei und es keinen starken Wettbewerbsdruck gegeben habe. 1562 Aus den Akten, insbesondere den Daten der IMS-Health-Studie, geht jedoch nicht hervor, dass die Werbeausgaben von Servier stabil waren, da das Ausgabenniveau im Untersuchungszeitraum in signifikantem Umfang geschwankt hat. Im Übrigen bedeutet Stabilität der Werbeausgaben, sollte sie nachgewiesen sein, nicht notwendig das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks durch die anderen ACE‑Hemmer. Die Beibehaltung eines so hohen Ausgabenniveaus kann vom Willen des Unternehmens zeugen, seinen Absatz gegenüber Arzneimitteln zu wahren, die in therapeutischer Hinsicht Substitutionsprodukte sind und von denen ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgeht. Die Kommission erläutert nicht, warum ein Wirtschaftsteilnehmer in beherrschender Stellung wie Servier es ohne signifikanten Wettbewerbsdruck nötig haben soll, während eines so langen Zeitraums einen derartigen Teil seines Gesamtumsatzes für Werbeausgaben zu verwenden. 1563 Auch der Rückgang der Werbeaktivitäten von Servier zum Zeitpunkt der Markteinführung der Generika weist nicht auf das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks vor diesem Zeitpunkt hin. So wie ein Hersteller sich von Werbeaktivitäten abhalten lassen kann, wenn er nicht mit Ergebnissen daraus rechnet, kann ihn die Aussicht auf Ergebnisse zu Investitionen in die Werbung für sein Erzeugnis veranlassen. Es ist aber möglich, dass Servier vor dem Markteintritt des Generikums berechtigte Erwartungen haben konnte, dass sich ihre Investition in Werbung auszahlen würde. Vor dem Markteintritt der Generika konnte für Servier Veranlassung bestehen, in einem u. a. durch das Fehlen von Heterogenität der Arzneimittel dieser Klasse bedingten Kontext von Wettbewerb zwischen ACE‑Hemmern Werbeaktivitäten zu entfalten. 1564 Folglich weisen die Werbeausgaben von Servier im Untersuchungszeitraum nicht darauf hin, dass Servier keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt war. 1565 Aus dem Vorstehenden folgt somit, dass die Kommission bei ihrer Analyse der Wettbewerbsbeziehungen zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern die Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen und deren Bedeutung nicht gebührend berücksichtigt hat. 1566 Aus der Gesamtheit der in den vorstehenden Rn. 1418 bis 1565 dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die zweite von den Klägerinnen erhobene Rüge begründet ist. 4) Zum zweiten Teil der ersten Rüge, mit dem geltend gemacht wird, dass dem Kriterium des Preises bei der Marktanalyse zu große Bedeutung beigemessen worden sei, und zur dritten, hilfsweise erhobenen Rüge, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei 1567 In den Rn. 2460 bis 2495 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts die „natürlichen“ Geschehnisse auf den Märkten Frankreichs, der Niederlande, Polens und des Vereinigten Königreichs untersucht. 1568 Die Kommission hat ausgeführt, wenn zwei Erzeugnisse enge Substitutionsgüter seien, werde eine erhebliche Preissenkung bei dem einen zu einem Umsatzrückgang bei dem anderen führen. Sie hat die Auswirkung einer Preissenkung bei den anderen Antihypertensiva auf den Absatz von Perindopril zunächst anhand einer bildlichen Darstellung der Daten und sodann mittels einer ökonometrischen Berechnung beurteilt. Dafür hat sie insbesondere die Auswirkung des Markteintritts der Perindopril-Generika auf den Perindopril-Absatz mit der Auswirkung des Markteintritts von Generika anderer ACE‑Hemmer auf diese verglichen. Der Kommission zufolge zeigt der Umstand, dass der Absatz von Perindopril durch den Markteintritt der Generika anderer ACE‑Hemmer weniger beeinträchtigt wurde als durch den der Perindopril-Generika, dass von den ACE‑Hemmern kein signifikanter Preisdruck auf Perindopril ausgegangen sei (Rn. 2494 des angefochtenen Beschlusses). 1569 Zum Abschluss ihrer Analyse des natürlichen Geschehens hat die Kommission befunden, dass Perindopril – mit Ausnahme des von dem Perindopril-Generikum ausgehenden Drucks – keinem erheblichen Preisdruck seitens anderer Erzeugnisse, namentlich der anderen ACE‑Hemmer, ausgesetzt gewesen sei. Die Preissenkungen bei den anderen ACE‑Hemmern hätten keine signifikante negative Auswirkung auf den Absatz von und den Umsatz mit Perindopril gehabt. 1570 Mit dem zweiten Teil der ersten Rüge machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe dem Faktor Preis in ihrer Analyse des relevanten Produktmarkts zu große Bedeutung beigemessen. Hilfsweise machen sie mit ihrer dritten Rüge geltend, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei. 1571 Als Erstes verlieren, wie bereits in den Rn. 1385 bis 1404 vorab dargelegt, nach der Rechtsprechung die preisrelevanten Faktoren durch die Besonderheiten, die die Wettbewerbsmechanismen im Arzneimittelsektor kennzeichnen, nicht ihre Relevanz für die Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, sie sind jedoch in ihrem eigenen Kontext zu bewerten (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 183). 1572 Im vorliegenden Fall konnte die Kommission daher zur Definition des relevanten Marktes prüfen, ob Perindopril einem signifikanten Wettbewerbsdruck aufgrund der relativen Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern ausgesetzt war, und die Ergebnisse dieser Prüfung berücksichtigen. 1573 Aus ihrer Analyse der Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern hat die Kommission abgeleitet, dass Perindopril keinem sich daraus ergebenden erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt gewesen sei. Die geringe Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern gehe aus den Akten, u. a. den internen Dokumenten von Servier oder der von der Kommission unter den verschreibenden Ärzten durchgeführten Umfrage, hervor. Diese Schlussfolgerung wird als solche von den Klägerinnen nicht bestritten. Die Klägerinnen selbst führen aus, dass die Ärzte im Allgemeinen nicht sehr preissensibel seien, dass ihre Entscheidungen in erster Linie durch die therapeutische Eignung und Wirksamkeit der verschiedenen Arzneimittel statt durch deren Preis geleitet seien und dass der Wettbewerb zwischen den pharmazeutischen Unternehmen vorwiegend auf anderen Ebenen als der des Preises, wie etwa bei Innovation, Produktqualität und Verkaufsförderung, stattfinde. 1574 Wie jedoch die Klägerinnen zu Recht geltend machen, lässt die Analyse des natürlichen Geschehens, wie sie die Kommission vorgenommen hat, d. h. aus der Sicht der Preisschwankungen, nicht den Schluss auf das Fehlen von Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art zu. 1575 Wie nämlich oben in den Rn. 1395 und 1397 dargelegt worden ist, können die Freiheit der Ärzte, zwischen den auf dem Markt verfügbaren Originalpräparaten oder zwischen den Originalpräparaten und den generischen Versionen anderer Moleküle zu wählen, und das vorrangige Augenmerk der verschreibenden Ärzte auf die therapeutischen Aspekte gegebenenfalls dazu führen, dass signifikanter Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art außerhalb der gewöhnlichen Preisdruckmechanismen entsteht. Ein solcher Druck kann sowohl dann bestehen, wenn sich die therapeutischen Eigenschaften eines Arzneimittels als denen der anderen Arzneimittel, die für die Behandlung derselben Krankheit zur Verfügung stehen, klar überlegen erweisen, als auch dann, wenn die verfügbaren Arzneimittel von den verschreibenden Ärzten als gleichwertig anerkannt oder angesehen werden. 1576 Haben die verschreibenden Ärzte für die Behandlung derselben Krankheit die Wahl zwischen Arzneimitteln, von denen keines als den anderen überlegen anerkannt ist oder angesehen wird, u. a., weil ihre Wirkungsweise gleich ist oder weil sie sich anhand ihres therapeutischen Nutzens oder ihrer unerwünschten Nebenwirkungen nicht unterscheiden lassen, beruht die Analyse des Wettbewerbs zwischen diesen Arzneimitteln zu einem großen Teil auch auf einem Qualitätsvergleich. Die Wahl eines Arztes hängt im Allgemeinen nicht zunächst von den jeweiligen Kosten dieser Behandlungen, sondern vom Grad ihrer therapeutischen Differenzierung, von ihrer Angemessenheit im Verhältnis zum Profil des Patienten, von der bei dem Arzt bestehenden Kenntnis der verschiedenen Arzneimittel oder von dessen persönlicher Erfahrung und der seiner Patienten ab. 1577 Zudem konnte, wie aus dem Ergebnis der Prüfung der zweiten Rüge hervorgeht, Perindopril wegen des Fehlens einer signifikanten Differenzierung in therapeutischer Hinsicht zwischen diesem Arzneimittel und den anderen ACE‑Hemmern einem Wettbewerbsdruck qualitativer und außerpreislicher Art ausgesetzt sein, den die Kommission gebührend hätte berücksichtigen müssen. Dieser Wettbewerbsdruck, der u. a. von den Werbemaßnahmen der Hersteller anderer ACE‑Hemmer ausgehen konnte, betraf sowohl Neupatienten als auch die Patienten, die bereits mit einer Perindopril-Behandlung begonnen hatten. 1578 Die geringe Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber Preisschwankungen bei den anderen ACE‑Hemmern bedeutet daher nicht notwendig, dass dieses Arzneimittel keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens dieser anderen Arzneimittel ausgesetzt war. Aus diesem Umstand lässt sich nicht ableiten, dass Perindopril einem signifikanten Wettbewerbsdruck entzogen war, der, wie die Klägerinnen geltend machen, auf anderen Ebenen als der des Preises, wie etwa bei Innovation, Produktqualität und Verkaufsförderung, stattfand. Die Kommission selbst weist in Rn. 2543 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass wirtschaftliche Substituierbarkeit vorliegen kann, wenn durch Veränderungen anderer wichtiger wirtschaftlicher Variablen als des Preises ein erheblicher Teil des Absatzes eines Erzeugnisses zu einem anderen verlagert wird. 1579 Folglich lässt der Umstand, dass der Absatz und die Preise von Perindopril erst nach der Markteinführung des Perindopril-Generikums zurückgegangen sind und beim Eintritt den Preis anderer Moleküle betreffender natürlicher Geschehnisse stabil geblieben sind oder weniger betroffen waren, nicht den Schluss zu, dass es bis zum Markteintritt der Perindopril-Generika keinen Wettbewerbsdruck gab. 1580 Als Zweites ergibt sich aus den Akten, dass die Kommission, wie die Klägerinnen zu Recht hervorheben, dem Faktor Preis bei der Definition des relevanten Produktmarkts zu große Bedeutung beigemessen hat, indem sie aus der Analyse des natürlichen Geschehens das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks auf Perindopril seitens der ACE‑Hemmer abgeleitet hat. 1581 Wie sich nämlich aus den Akten ergibt, war der Faktor Preis in der Analyse der Kommission entscheidend dafür, die anderen ACE‑Hemmer vom relevanten Markt auszunehmen. Nach dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses selbst hat sich die Kommission im Wesentlichen auf die Analyse des natürlichen Preisgeschehens gestützt, um ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril, die Servier als ihre nächsten Konkurrenzerzeugnisse bezeichnete, vom relevanten Markt auszunehmen. Die Kommission hat z. B. in Rn. 2460 und in Fn. 3245 des angefochtenen Beschlusses die Bedeutung der Ergebnisse ihrer ökonometrischen Analyse hervorgehoben, die der Feststellung gedient habe, ob der Preisrückgang bei bestimmten Arzneimitteln der Klasse der ACE‑Hemmer in der Folge der Markteinführung ihrer Generika sich auf den Absatz von Perindopril ausgewirkt habe oder nicht. Im angefochtenen Beschluss hat sie mehrfach, u. a. in den Rn. 2527 und 2534, ausgeführt, dass das Fehlen von Preisdruck, das sich aus dem Regelungsrahmen ergebe und durch die Analyse des natürlichen Geschehens gezeigt worden sei, den Schluss zulasse, dass von keinem anderen Molekül ein signifikanter Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgegangen sei. In Rn. 2546 des angefochtenen Beschlusses heißt es, der Umstand, dass der von den Generika ausgehende Preisdruck bei Weitem jeden potenziellen anderen Wettbewerbsdruck auf Perindopril überwogen habe, führe auf natürliche Weise zur Definition eines beschränkten Marktes, der nur das in Rede stehende Arzneimittel umfasse. 1582 Die Bedeutung der Analyse des die Preisschwankungen betreffenden natürlichen Geschehens für die von der Kommission zugrunde gelegte Marktdefinition wird im Übrigen durch die Klagebeantwortung der Kommission bestätigt, in der es heißt, dass diese Analyse für die vier betreffenden Mitgliedstaaten zeige, dass die Klägerinnen keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der Hersteller anderer ACE‑Hemmer ausgesetzt gewesen seien. Zu Polen wird in der Klagebeantwortung dargelegt, die Analyse des natürlichen Geschehens zeige, dass von den anderen Arzneimitteln derselben Klasse kein Wettbewerbsdruck auf Perindopril ausgegangen sei. 1583 In der Sitzung hat die Kommission noch ausgeführt, die Feststellung, dass der Absatz von Perindopril beim Markteintritt der generischen Versionen der anderen ACE‑Hemmer, die wesentlich billiger als Perindopril seien, nicht zurückgegangen sei, sei für ihre Analyse zentral und erlaube den Schluss auf das Fehlen eines signifikanten Wettbewerbsdrucks durch die anderen ACE‑Hemmer. 1584 Indem sie so den Ergebnissen ihrer im Wesentlichen auf die Auswirkung der Preisschwankungen gestützten Analyse des natürlichen Geschehens eine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, hat die Kommission nicht in vollem Umfang den besonderen Kontext des Arzneimittelsektors berücksichtigt und den Faktoren, anhand deren das Bestehen von Wettbewerbsdruck qualitativer oder außerpreislicher Art festgestellt werden kann, keine hinreichende Aufmerksamkeit gewidmet. 1585 Unter diesen Umständen ist dem zweiten Teil der ersten von Servier erhobenen Rüge zu folgen, mit dem beanstandet wird, dass die Kommission den Entwicklungen der relativen Preise der Arzneimittel zu große Bedeutung beigemessen habe. Die Kommission konnte aus der Analyse des natürlichen Geschehens und der geringen Empfindlichkeit von Perindopril gegenüber den Preisschwankungen der anderen ACE‑Hemmer nicht ableiten, dass von anderen Erzeugnissen mit Ausnahme des generischen Perindoprils kein Wettbewerbsdruck irgendeiner Art auf Servier ausging. 1586 Da der zweite Teil der ersten Rüge, die die Analyse der Preise betrifft und von den Klägerinnen in erster Linie erhoben wird, durchgreift, ist auf die dritte Rüge nicht einzugehen, mit der die Klägerinnen hilfsweise geltend machen, dass die von der Kommission vorgenommene ökonometrische Analyse der Preise methodisch fehlerhaft sei. 5) Ergebnis 1587 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich, wie oben in den Rn. 1373 bis 1375 dargelegt worden ist, die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle insoweit auf sämtliche Bestandteile der Beschlüsse der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV erstreckt, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle auf der Grundlage der von den Klägern geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von diesen vorgebrachten Umstände das Gericht sicherstellt (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72). 1588 Auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Wertungsspielraum zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission zu unterlassen hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Unionsrichter nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren (Urteile vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39, vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54, und vom10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 54). Wenn die Kommission zur Einstufung einer Praxis nach Art. 102 AEUV einer ökonometrischen Analyse der Frage, ob ein Rabatt einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt hätte verdrängen können (AEC‑Test), tatsächliche Bedeutung beimisst, hat der Unionsrichter das gesamte Vorbringen des mit einer Sanktion belegten Unternehmens zu diesem Test zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 141 bis 144). 1589 Im vorliegenden Fall ist als Ergebnis der Gesamtprüfung der Gesichtspunkte, auf die die Kommission ihre Beurteilung und die Prüfung der von den Klägerinnen geltend gemachten Rügen gestützt hat, festzustellen, dass der Kommission bei der Analyse der Definition des relevanten Marktes eine Reihe von Fehlern unterlaufen ist. Denn die Kommission hat – hinsichtlich des therapeutischen Gebrauchs zu Unrecht befunden, dass die ACE‑Hemmer eine heterogene Klasse von Arzneimitteln bildeten und dass Perindopril innerhalb dieser Arzneimittelklasse besondere Eigenschaften aufweise; – zu Unrecht geschlossen, dass ein Mechanismus der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte den für Neupatienten von den anderen ACE‑Hemmern ausgehenden Wettbewerbsdruck signifikant beschränkt habe; – die Neigung der mit Perindopril behandelten Patienten zu einem Behandlungswechsel unterschätzt; – die Werbeaktivitäten der pharmazeutischen Unternehmen und ihre Bedeutung für die Analyse der Wettbewerbsbeziehungen nicht gebührend in Betracht gezogen; – die besonderen Merkmale des Wettbewerbs im Arzneimittelsektor verkannt, indem sie aus einer im Wesentlichen auf die Preisschwankungen gestützten Analyse des natürlichen Geschehens abgeleitet hat, dass Perindopril keinem signifikanten Wettbewerbsdruck seitens der anderen ACE‑Hemmer ausgesetzt gewesen sei. 1590 Auf eine mit den vorstehend benannten Fehlern behaftete Analyse gestützt hat die Kommission den relevanten Markt auf das Molekül von Perindopril beschränkt, obwohl aus den Akten hervorgeht, dass von den anderen ACE‑Hemmern auf Perindopril ein signifikanter Wettbewerbsdruck außerpreislicher Art ausgehen konnte. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die von der Kommission begangenen Fehler das Ergebnis ihrer Analyse fehlerhaft machen. 1591 Somit ist zum Abschluss einer Würdigung, die das Gericht unter Beachtung der oben in den Rn. 1587 und 1588 dargelegten Grenzen der richterlichen Kontrolle vornimmt, festzustellen, dass nicht nachgewiesen ist, dass der relevante Produktmarkt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt ist. 1592 Nach alledem greift der vierzehnte Klagegrund durch, mit dem die Definition des Marktes für die Endprodukte als der Markt für originales und generisches Perindopril beanstandet wird. 13. Zu den Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 1595 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV eine wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Konkurrenten, seinen Kunden und letztlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteile vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 65, und vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 38). 1596 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Rn. 2593 des angefochtenen Beschlusses befunden, dass Servier auf dem Markt für originales und generisches Perindopril im Vereinigten Königreich von Januar 2000 bis Juni 2007, in den Niederlanden von Januar 2000 bis Dezember 2007, in Frankreich von Januar 2000 bis Dezember 2009 und in Polen von Januar 2000 bis Dezember 2009 eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV innegehabt habe. 1597 Für den Befund, dass Servier auf dem Markt für originales und generisches Perindopril eine beherrschende Stellung innegehabt habe, hat sich Kommission auf deren Marktanteile auf diesem Markt, auf das Bestehen von Markteintrittsschranken, auf das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten und auf das Fehlen einer von den öffentlichen Stellen ausgeübten Nachfragemacht gestützt. In den Rn. 2594 bis 2600 des angefochtenen Beschlusses heißt es außerdem, unabhängig von der zugrunde gelegten Marktdefinition spiegelten belastbare Beweise, nämlich das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten, die Marktmacht von Servier wider. 1598 Die Klägerinnen stellen das Bestehen einer beherrschenden Stellung in Abrede und machen insbesondere geltend, der Produktmarkt sei nicht auf originales und generisches Perindopril begrenzt. 1599 Da die Marktdefinition, wie als Ergebnis der Prüfung des vorangegangenen Klagegrundes festgestellt worden ist, wegen der Begrenzung des Produktmarkts auf originales und generisches Perindopril fehlerhaft war, ist folglich auch die Prüfung der wirtschaftlichen Macht von Servier auf dem Markt mit einem Fehler behaftet. 1600 Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass die Erfüllung von mindestens zwei der wesentlichen Kriterien für die Beurteilung der wirtschaftlichen Macht von Servier, nämlich die Marktanteile und das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten, durch die fehlerhafte Abgrenzung des relevanten Marktes in Frage gestellt wird. 1601 Zu den Marktanteilen hat die Kommission in Rn. 2561 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass bescheidene Marktanteile im Allgemeinen gegen eine starke Marktmacht sprächen. Marktanteile von über 50 % stellten äußerst bedeutende Anteile dar und seien als solche, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, ein Beweis für das Bestehen einer beherrschenden Stellung, während Marktanteile von 70 % bis 80 % ein klares Indiz für eine beherrschende Stellung seien. 1602 In den Rn. 2563 bis 2567 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission festgestellt, dass Servier äußerst hohe Marktanteile auf dem relevanten Markt (u. a. von 2000 bis 2005 einen Marktanteil von 90 % bis 100 % in Frankreich, in Polen und im Vereinigten Königreich) innegehabt habe, jedenfalls stets über 50 %, selbst wenn man die Rolle der Parallelimporteure in den Niederlanden berücksichtige. 1603 Da die Kommission den relevanten Produktmarkt fehlerhaft auf das originale und das generische Perindopril begrenzt hat, ist die von der Kommission vorgenomme Berechnung der Marktanteile zwangsläufig fehlerhaft. 1604 Das Gericht weist darauf hin, dass nicht bestritten ist, dass bei einer Definition des relevanten Marktes auf der Ebene sämtlicher ACE‑Hemmer und nicht auf der Ebene des Moleküls von Perindopril durch die Kommission der durchschnittliche Marktanteil von Servier in den vier von der Kommission untersuchten Mitgliedstaaten unter 25 % und damit unter der Marktanteilsschwelle gelegen hätte, die nach dem angefochtenen Beschluss ein Indiz für das Bestehen einer beherrschenden Stellung ist. 1605 Die Kommission hat in dieser Hinsicht im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Berechnung der Marktanteile von Servier bei den ACE‑Hemmern nicht auf dem Umsatz, sondern auf dem Volumen der Verkäufe, ausgedrückt in definierten Tagesdosen, beruhe, was zu einer Überschätzung des Umsatzes von Ramipril führe. Abgesehen davon, dass die Kommission keine alternative Analyse der relativen Verkäufe der verschiedenen ACE‑Hemmer vorlegt, geht aber aus den Rn. 1494 und 1498 des vorliegenden Urteils hervor, dass Perindopril im Januar 2000 in allen betroffenen Ländern über eine wesentlich schmalere Patientenbasis verfügte als andere ACE‑Hemmer wie Ramipril, Enalapril oder Lisinopril. Welcher räumliche Markt auch betrachtet wird, im Zeitraum der vom angefochtenen Beschluss erfassten Praktiken nahm das Perindopril von Servier beim Absatz von Tabletten und Kapseln nie eine führende Stellung unter den ACE‑Hemmern ein. 1606 Die ökonomischen Renten für Servier waren nach Ansicht der Kommission erheblich. Sie hat diese als besonders hohe und dauerhafte Gewinne im Vergleich zu solchen definiert, die auf einem Wettbewerbsmarkt für die in Rede stehenden Erzeugnisse erzielt würden. Die Servier vor dem Markteintritt der Generika zugeflossenen Renten hat die Kommission in der Weise berechnet, dass sie den Unterschied zwischen den Preisen vor und nach dem Markteintritt der Generika mit dem Absatz des Hersteller des Originalpräparats multipliziert hat. Diese Überlegung beruht jedoch auf der Prämisse, dass der Markt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei und daher vor dem Markteintritt des generischen Perindoprils kein Wettbewerbsmarkt bestanden habe. Da die Kommission nicht dargetan hat, dass der Markt auf das originale und das generische Perindopril begrenzt war, konnte sie nicht auf der Grundlage einer solchen Berechnung die ökonomischen Renten von Servier veranschlagen. Unter diesen Umständen ist das Vorliegen erheblicher ökonomischer Renten von Servier nicht dargetan. 1607 Somit wird die von der Kommission vorgenommene Beurteilung zweier für ihre Überlegungen wesentlicher Elemente, nämlich der Marktanteile und des Vorliegens ökonomischer Renten, durch die fehlerhafte Abgrenzung des Marktes in Frage gestellt. Folglich konnte, ohne dass das Bestehen von Markteintrittsschranken und die Nachfragemacht der öffentlichen Stellen zu prüfen sind, die Kommission jedenfalls mit der von ihr gewählten Begründung nicht befinden, dass Servier eine beherrschende Stellung innegehabt habe und in der Lage gewesen sei, sich ihren Konkurrenten, ihren Kunden und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten. 1608 Mithin greift der vorliegende Klagegrund, mit dem das Fehlen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte geltend gemacht wird, durch. 14. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Technologie a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 1611 Die Kommission hat in den Rn. 2667 und 2758 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, der relevante Technologiemarkt sei auf die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril begrenzt, auf dem Servier eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV innegehabt habe. 1612 Die Klägerinnen treten dem entgegen und machen u. a. geltend, die von der Kommission bei der Definition des Marktes für die Endprodukte begangenen Fehler machten auch die Definition des Marktes für die Technologie und die Analyse der Stellung von Servier auf diesem Markt fehlerhaft. 1613 Das Gericht hat die Parteien in der Sitzung gefragt, welche Folgen es für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, soweit dieser auf Art. 102 AEUV gestützt ist, hätte, wenn der Klagegrund der fehlerhaften Definition des Marktes für die Endprodukte durchgriffe. 1614 Nach Ansicht der Kommission würde ein eventueller Fehler in der Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte die beherrschende Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie nicht in Frage stellen. Der Nachweis der beherrschenden Stellung von Servier beruhe auf der Würdigung einer Gesamtheit relevanter Kriterien, insbesondere der Nachfrage nach dem pharmazeutischen Wirkstoff von Perindopril, die nicht von der Definition des Marktes für die Endprodukte abhänge. 1615 Was die Abgrenzung des Marktes für die Technologie betrifft, geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Kommission sich für den Schluss, dass der relevante Technologiemarkt der Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von Perindopril sei, u. a. darauf gestützt hat, dass der Markt für die Endprodukte, der vertikal mit dem Markt für die Technologie verbunden sei, auf das originale und das generische Perindopril begrenzt sei. Demgemäß leite sich die Nachfrage nach der Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs von der nach dem Endprodukt Perindopril ab (Rn. 2648 bis 2651 des angefochtenen Beschlusses). Damit hat die Kommission ihre fehlerhafte Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte im Rahmen ihrer Analyse des Marktes für die Technologie herangezogen, insbesondere bezüglich der Beurteilung der Nachfrage auf dem letztgenannten Markt. 1616 Gleichwohl hat die Kommission, wie sie geltend macht, im Rahmen ihrer Analyse des Marktes für die Technologie auch andere Faktoren für die Abgrenzung dieses Marktes herangezogen, wie eine Analyse der Substituierbarkeit auf der Angebotsseite (Rn. 2657 ff. des angefochtenen Beschlusses). 1617 Im vorliegenden Fall bedarf es jedoch keiner Entscheidung darüber, ob der Markt für die Technologie fehlerhaft abgegrenzt worden ist, um den Klagegrund zu würdigen, die Kommission habe das Bestehen einer beherrschenden Stellung von Servier auf diesem Markt fehlerhaft beurteilt. 1618 Wie sich nämlich aus den Rn. 2668 und 2669 des angefochtenen Beschlusses ergibt, war die Kommission der Ansicht, dass Servier auf dem Markt für die Technologie eine beherrschende Stellung innegehabt habe, weil sich diese Stellung auf dem Markt für die Endprodukte gezeigt habe. 1619 Die Kommission hat insbesondere die Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs beurteilt, indem sie sich in den Rn. 2735 ff. des angefochtenen Beschlusses auf die Marktanteile von Servier auf dem Markt für die Endprodukte gestützt hat. In Rn. 2738 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Marktstellung einer bestimmten Technologie zur Herstellung eines pharmazeutischen Wirkstoffs grundlegend davon abhänge, ob das fertige Arzneimittel erfolgreich auf den Markt gebracht werden könne oder nicht. So hat sie in den Rn. 2743, 2746, 2751 und 2755 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass Servier, von wenigen Ausnahmen abgesehen, als einziges Unternehmen Perindopril vertrieben habe, um daraus zu schließen, dass sie auf dem Markt der Technologie für Perindopril eine beherrschende Stellung eingenommen habe. Nach der Analyse der Kommission ist die Stellung von Servier auf dem vorgelagerten Markt in Bezug auf Marktanteile somit im Wesentlichen Ausdruck ihrer Stellung auf dem Markt für die Endprodukte. 1620 Folglich hat sich die Kommission in entscheidender Weise auf die Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte gestützt, um auf die beherrschende Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zu schließen. 1621 Da die Abgrenzung des Marktes für die Endprodukte fehlerhaft ist, konnte die Kommission auf dieser Grundlage nicht dartun, dass Servier auf dem Markt für die Technologie eine beherrschende Stellung innehatte. 1622 Nach alledem ist dem Klagegrund einer fehlerhaften Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie zu folgen, ohne dass auf die von den Klägerinnen erhobene Rüge der fehlerhaften Abgrenzung dieses Marktes einzugehen ist. 15. Zu den Rechts- und Tatsachenfehlern betreffend das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung a) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] b) Würdigung durch das Gericht 1625 Die Kommission hat in Rn. 2997 des angefochtenen Beschlusses die Strategie von Servier, den Erwerb der Technologie zur Herstellung des pharmazeutischen Wirkstoffs mit dem Abschluss von Patentvergleichsvereinbarungen gegen umgekehrte Zahlung zu verknüpfen, als eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV eingestuft. 1626 In Anbetracht sämtlicher Erwägungen zu den drei vorangegangenen Klagegründen ist jedoch festzustellen, dass die von der Kommission bei der Prüfung der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte und auf dem Markt für die Technologie begangenen Fehler zwangsläufig das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage stellen. Da es an einer beherrschenden Stellung fehlt, ist die Frage des Missbrauchs einer solchen Stellung gegenstandslos. 1627 Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass bereits das Fehlen einer beherrschenden Stellung von Servier nur auf dem Markt für die Endprodukte das Vorliegen des Servier im angefochtenen Beschluss vorgeworfenen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage stellt. 1628 In dieser Hinsicht hat das Gericht, wie oben in Rn. 1613 dargelegt, die Parteien in der Sitzung gefragt, welche Folgen sich in Bezug auf das Bestehen einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV ergeben würden, wenn der Klagegrund einer fehlerhaften Definition des Marktes für die Endprodukte Erfolg hätte. 1629 Die Kommission hat dazu geltend gemacht, selbst wenn die Definition des Marktes für die Endprodukte vom Gericht beanstandet würde, wäre das Vorliegen der Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV nicht in Frage gestellt. Sie hat u. a. dargelegt, dass die beiden mit dem Vorwurf des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung erfassten missbräuchlichen Verhaltensweisen, nämlich der Erwerb der Technologie von Azad und der Abschluss der Patentvergleichsvereinbarungen mit den Generikaherstellern, mit dem Markt für die Technologie verbunden seien. 1630 Es ist indes darauf hinzuweisen, dass die Kommission das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung festgestellt hat, der Rn. 2765 des angefochtenen Beschlusses zufolge im Kern darauf abgezielt habe, die Stellung von Servier auf dem Perindopril-Markt gegen jeden Markteintritt von Generika zu schützen, um ihre Einkünfte aus dem Verkauf von Perindopril zu wahren. Damit hat die Kommission Servier eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorgeworfen, die im Wesentlichen darauf abgezielt habe, die Stellung und die Einkünfte von Servier auf dem Markt für die Perindopril-Endprodukte durch Verzögerung des Markteintritts der Generika zu schützen. Die Kommission hat sich somit zur Erklärung und zur Charakterisierung des Servier vorgeworfenen Verhaltens auf den dieser unterstellten Willen gestützt, ihre Stellung auf dem Markt für die Endprodukte zu verteidigen. 1631 Zudem hat die Kommission, die zur Charakterisierung des Verhaltens im Wesentlichen auf den Markt für die Endprodukte Bezug genommen hat, den Sachverhalt als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung eingestuft, die sowohl den vorgelagerten Markt für die Technologie als auch den Markt für die Endprodukte erfasse. Im angefochtenen Beschluss wird zwar, wie die Kommission darlegt, unterschieden zwischen einer Praktik des Erwerbs der Technologie von Azad und Praktiken des Abschlusses von Vergleichsvereinbarungen, nicht jedoch innerhalb der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung zwischen Verhaltensweisen von Servier, die nur den Markt für die Technologie betreffen, und anderen Verhaltensweisen von Servier, die auf der Feststellung einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte beruhen. Weder der Erwerb der Technologie von Azad noch der Abschluss von Patentvergleichsvereinbarungen werden im angefochtenen Beschluss allein auf der Grundlage der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Technologie als Zuwiderhandlungen gegen Art. 102 AEUV eingestuft. In Ermangelung einer beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte fehlt für den Nachweis des Vorliegens einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung eines ihrer wesentlichen Elemente, ohne dass ein abtrennbares Verhalten von Servier auszumachen wäre, dessen Rechtswidrigkeit nicht vom Vorliegen einer beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem Perindopril-Markt abhinge und nur den Markt für die Technologie beträfe. 1632 Daher greift der vorliegende Klagegrund durch. 1633 Die Prüfung der vorstehenden vier Klagegründe hat ergeben, dass der angefochtene Beschluss teilweise, und zwar insoweit, als mit ihm das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird, für nichtig zu erklären ist. Folglich ist Art. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären. 16. Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbußen 1634 Die Klägerinnen beantragen die Nichtigerklärung oder die Herabsetzung der ihnen auferlegten Geldbußen. 1635 Hierfür stützen sie sich auf sieben Klagegründe, die der Reihe nach zu prüfen sind. 1636 Zunächst ist, um der Nichtigerklärung von Art. 4 des angefochtenen Beschlusses, soweit die Kommission mit diesem hinsichtlich der zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen die Beteiligung der Klägerinnen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt hat (siehe den die Vereinbarungen zwischen Servier und Krka betreffenden Teil des vorliegenden Urteils), Rechnung zu tragen, Art. 7 Abs. 4 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, mit dem die Kommission wegen dieser Zuwiderhandlung gegen Servier eine Geldbuße in Höhe von 37661800 Euro verhängt hat. 1637 In Anbetracht dieser Nichtigerklärung braucht die Begründetheit der Klagegründe oder Rügen, auf die der Antrag in Bezug auf die in der vorstehenden Rn. 1636 genannten Geldbuße gestützt wird, nicht geprüft zu werden. 1638 Ebenso ist, um der Nichtigerklärung von Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, soweit die Kommission mit diesem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat (siehe die Teile des vorliegenden Urteils, die der Definition des relevanten Marktes, dem Bestehen einer beherrschenden Stellung auf den beiden relevanten Märkten und dem Missbrauch einer beherrschenden Stellung gewidmet sind), Rechnung zu tragen, Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, mit dem die Kommission wegen dieser Zuwiderhandlung gegen Servier eine Geldbuße in Höhe von 41270000 Euro verhängt hat. 1639 In Anbetracht dieser Nichtigerklärung braucht die Begründetheit der Klagegründe oder Rügen, auf die der Antrag in Bezug auf die in der vorstehenden Rn. 1638 genannte Geldbuße gestützt wird, nicht geprüft zu werden. 1640 Demgemäß werden in den folgenden Ausführungen die Rügen oder das Vorbringen betreffend die mit Krka geschlossenen Vereinbarungen oder den Missbrauch einer beherrschenden Stellung grundsätzlich nicht geprüft oder auch nur angesprochen. Wenn dies ausnahmsweise geschieht, so erfolgt diese Prüfung nur ergänzend. a) Zur Unvorhersehbarkeit der im angefochtenen Beschluss herangezogenen Auslegung 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1655 Die wirksame Bekämpfung von Zuwiderhandlungen im Bereich des Wettbewerbsrechts darf nicht so weit gehen, dass der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen missachtet wird, wie er in Art. 49 der Charta der Grundrechte verankert ist (vgl. entsprechend zu strafrechtlichen Sanktionen und zu der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen zu bekämpfen, Urteil vom 5. Dezember 2017, M.A.S. und M.B., C‑42/17, EU:C:2017:936, Rn. 61). 1656 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgt aus dem Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen, dass die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen gesetzlich klar definiert sein müssen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Einzelne anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1657 Der Grundsatz der gesetzlichen Bestimmtheit von strafbaren Handlungen und Strafen darf nicht so verstanden werden, dass er die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall untersagt, vorausgesetzt, dass das Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zur fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, hinreichend vorhersehbar ist (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1658 Die Bedeutung des Begriffs der Vorhersehbarkeit hängt in hohem Maß vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten ab. Mit der Vorhersehbarkeit des Gesetzes ist es nicht unvereinbar, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für berufsmäßig tätige Personen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1659 Die Hinzuziehung fachkundigen Rates erscheint umso selbstverständlicher, wenn es wie im vorliegenden Fall um die Vorbereitung und Abfassung von Vereinbarungen geht, mit denen Rechtsstreitigkeiten vermieden oder gütlich beigelegt werden sollen. 1660 Vor diesem Hintergrund hätte Servier, auch wenn die Unionsgerichte zum Zeitpunkt der mit dem angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen noch keine Gelegenheit gehabt hatten, sich konkret zu einer Vergleichsvereinbarung wie den von ihr geschlossenen zu äußern, insbesondere unter Berücksichtigung der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden weiten Bedeutung der Begriffe „Vereinbarung“ und „abgestimmte Verhaltensweise“ nötigenfalls nach Einholung fachkundigen Rates davon ausgehen müssen, dass ihr Verhalten für mit den Wettbewerbsregeln des Unionsrechts unvereinbar erklärt werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 43). 1661 Servier konnte insbesondere damit rechnen, dass sie dadurch, dass sie Generikaherstellern einen Anreiz bot, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, die als solche wettbewerbsbeschränkend sind, der Aufnahme solcher Klauseln in eine Patentvergleichsvereinbarung jede Rechtmäßigkeit entzog. Die Aufnahme derartiger Klauseln beruhte damit nämlich nicht mehr auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien der Vereinbarungen und stellte einen anormalen Gebrauch des Patents ohne Bezug zu dessen spezifischem Gegenstand dar (siehe oben, Rn. 267). Servier konnte somit bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen, dass ein solches Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 46, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 764). 1662 Überdies hatte sich, wie das Gericht bereits dargelegt hat, die Rechtsprechung schon lange vor dem Abschluss der streitigen Vereinbarung zu der Möglichkeit geäußert, das Wettbewerbsrecht in Bereichen anzuwenden, die durch das Bestehen von Rechten des geistigen Eigentums gekennzeichnet sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 314 und 315). 1663 So hat der Gerichtshof bereits 1974 entschieden, dass die von der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats anerkannten gewerblichen Schutzrechte zwar durch Art. 101 AEUV in ihrem Bestand nicht berührt werden, dass ihre Ausübung jedoch unter die in diesem Artikel ausgesprochenen Verbote fallen kann und dass dies der Fall ist, wenn sich herausstellt, dass die Ausübung eines solchen Rechts Zweck, Mittel oder Folge einer Kartellabsprache ist (Urteil vom 31. Oktober 1974, Centrafarm und de Peijper, 15/74, EU:C:1974:114, Rn. 39 und 40). 1664 Seit dem Urteil vom 27. September 1988, Bayer und Maschinenfabrik Hennecke (65/86, EU:C:1988:448), steht zudem fest, dass Vergleiche in Patentrechtsstreitigkeiten als Vereinbarungen im Sinne von Art. 101 AEUV eingestuft werden können. 1665 Zudem haben Servier und die Generikahersteller mit den streitigen Vereinbarungen in Wirklichkeit Marktausschlussvereinbarungen geschlossen (siehe oben, u. a. Rn. 271, 562 und 704). Der Gerichtshof hat zwar erst in einem nach Abschluss der streitigen Vereinbarungen erlassenen Urteil entschieden, dass Marktausschlussvereinbarungen, mit denen die im Markt verbleibenden die aus diesem ausscheidenden Unternehmen entschädigen, eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellen, er hat jedoch ausgeführt, dass diese Art von Vereinbarungen „offenkundig“ nicht mit dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des EG‑Vertrags zusammenpasst, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (Urteil vom 20. November 2008, Beef Industry Development Society und Barry Brothers, C‑209/07, EU:C:2008:643, Rn. 8 und 32 bis 34). Beim Abschluss solcher Vereinbarungen konnte sich Servier demnach über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein. 1666 Auch wenn die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter wie die Kommission oder auf den betroffenen Gebieten spezialisierte Juristen möglicherweise nicht klar war, gilt dies doch nicht für die Parteien der Vereinbarung. 1667 Die Schwierigkeiten, auf die die Kommission bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung stoßen konnte, sind zudem geeignet, die lange Verfahrensdauer oder die Länge des angefochtenen Beschlusses zumindest teilweise zu rechtfertigen. 1668 Die oben in Rn. 1661 gezogene Schlussfolgerung kann durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt werden. 1669 Als Erstes ist das Vorbringen, es gebe eine Praxis der Kommission, keine oder symbolische Geldbußen zu verhängen, wenn sie neue Rechtsfragen prüfe, im vorliegenden Fall unbeachtlich, da Servier trotz der Neuheit der in dieser Rechtssache aufgeworfenen Fragen bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen konnte, dass ihr Vorgehen, Generikahersteller für ihr Fernbleiben vom Markt zu bezahlen, ein unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallendes Verhalten darstellte (siehe oben, Rn. 1661). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es in einer der von den Klägerinnen angeführten Entscheidungen heißt, es sei für die Betroffenen „nicht hinreichend klar [gewesen], dass ihr Verhalten eine Zuwiderhandlung darstellte“. Die Kommission hatte es demnach mit einer anderen Situation als in der vorliegenden Rechtssache zu tun. 1670 Überdies ist oben in Rn. 1665 dargelegt worden, dass Servier sich im vorliegenden Fall über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein konnte. 1671 Jedenfalls verfügt die Kommission nach der Rechtsprechung über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt nämlich, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 773). 1672 Als Zweites nehmen die Klägerinnen zwar Bezug auf ein von einem der betroffenen Generikahersteller in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das in Rn. 3074 des angefochtenen Beschlusses erwähnt wird, sie tragen jedoch nicht genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass eine echte Ungewissheit hinsichtlich der Frage bestand, ob die streitigen Vereinbarungen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union darstellten. 1673 Als Drittes ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die von der Kommission im angefochtenen Beschluss gewählte Lösung laufe den in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen aufgestellten Grundsätzen zuwider. 1674 Selbst wenn die Klägerinnen damit eine Verkennung von Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen geltend machen sollten, geht nämlich aus dieser Randnummer hervor, dass Nichtangriffsklauseln „in der Regel“ nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Mit der Verwendung dieses Ausdrucks schließt diese Bestimmung somit nicht aus, dass die Aufnahme von Nichtangriffsklauseln unter bestimmten Umständen eine wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlung sein kann. 1675 Zudem sieht Rn. 209 der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen vor, dass Nichtangriffsklauseln dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV entgehen können, da es „gerade [ihr] Sinn [ist], bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden“, indem künftige Angriffe auf die von ihnen erfassten Rechte des geistigen Eigentums verhindert werden. 1676 Wenn in einem Fall wie dem vorliegenden eine umgekehrte Zahlung und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch alle Parteien zum Abschluss der streitigen Vereinbarungen geführt hat, kann nicht gesagt werden, dass es „gerade der Sinn“ dieser Vereinbarungen, bei denen es sich in Wirklichkeit um Marktausschlussvereinbarungen handelt, ist, „bestehende Konflikte zu lösen und/oder künftige zu vermeiden“. 1677 Des Weiteren gibt es entgegen dem, was die Klägerinnen zu vertreten scheinen, keinen Anhaltspunkt dafür, dass die von der Kommission im angefochtenen Beschluss gewählte Lösung so unvorhersehbar war, dass es die Kommission für nötig hielt, die Bestimmungen der Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen zu ändern. 1678 Nach Rn. 243 der Leitlinien von 2014 für Technologietransfer-Vereinbarungen können Nichtangriffsklauseln zwar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen, wenn der Lizenzgeber dem Lizenznehmer abgesehen von der Lizenz für die Technologierechte einen finanziellen oder sonstigen Anreiz bietet, sich damit einverstanden zu erklären, die Gültigkeit der Technologierechte nicht anzufechten. 1679 Mit dieser neuen Bestimmung sind jedoch nur die zuvor schon in den Leitlinien von 2004 für Technologietransfer-Vereinbarungen enthaltenen Bestimmungen präzisiert worden. 1680 Als Viertes ist zu dem Vorbringen, der angefochtene Beschluss enthalte hinsichtlich der Auslegung des Begriffs des potenziellen Wettbewerbs Widersprüche, darauf hinzuweisen, dass dieses Vorbringen bereits zurückgewiesen worden ist, und auf die Ausführungen dazu Bezug zu nehmen (siehe oben, Rn. 374 bis 377). 1681 Nach alledem ist der Klagegrund, soweit er die im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV betrifft, zurückzuweisen. b) Zu dem Rechtsfehler betreffend die Kumulierung der Geldbußen 1682 Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie geltend machen, erstens stellten die von Servier geschlossenen streitigen Vergleichsvereinbarungen eine einheitliche Zuwiderhandlung dar, so dass die Kommission nicht fünf gesonderte Geldbußen gegen Servier verhängen könne, und zweitens sei die Kumulierung der nach Art. 101 AEUV und der nach Art. 102 AEUV verhängten Geldbuße widerrechtlich. 1) Zur Missachtung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1685 Die Klägerinnen führen zwei Argumente an, die beide den Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung betreffen; das erste geht dahin, dass alle von Servier geschlossenen streitigen Vergleichsvereinbarungen zusammen eine einheitliche Zuwiderhandlung bildeten, und mit dem zweiten machen sie hilfsweise geltend, die Niche- und die Matrix-Vereinbarung bildeten zusammen eine einheitliche Zuwiderhandlung. 1686 Was das erste Argument angeht, konnte die Kommission, wie aus Rn. 1282 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht das Bestehen eines Servier und jedem der Generikahersteller gemeinsamen Ziels und somit eines Gesamtplans feststellen. 1687 Da es an seinem solchen gemeinsamen Ziel und somit einem Gesamtplan fehlte, konnte die Kommission nicht auf das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung erkennen. Sie hat daher zu Recht gegen Servier für jede der festgestellten Zuwiderhandlungen eine gesonderte Geldbuße verhängt. 1688 Somit kann die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Kumulierung der Geldbußen, die auf der gerechtfertigten Feststellung gesonderter Zuwiderhandlungen beruht, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht als „unbillig und unverhältnismäßig“ angesehen werden. 1689 Es wäre im Gegenteil unbillig gegenüber den Generikaherstellern, wenn Servier wie diese nur mit einer Sanktion belegt würde, obwohl Servier anders als diese an mehreren gesonderten Vereinbarungen beteiligt war. 1690 Im Übrigen ist die Kumulierung der Geldbußen grundsätzlich umso weniger als unverhältnismäßig anzusehen, als die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 3128) berücksichtigt hat, dass Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen hat, die zwar gesondert waren, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und dieselben Zeiträume betrafen. In diesem besonderen Kontext hat sie zur Vermeidung eines potenziell unverhältnismäßigen Ergebnisses beschlossen, für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden ist, zu begrenzen. Sie hat somit eine Korrektur vorgenommen, die zu einer durchschnittlichen Reduzierung des Gesamtwerts der Umsätze, auf die sich die einzelnen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV beziehen, um 54,5 % geführt hat. 1691 Daher ist das vorliegende Argument zurückzuweisen. 1692 Was das die Niche- und die Matrix-Vereinbarung betreffende Argument angeht, so stellten, wie oben in den Rn. 1295 bis 1302 dargelegt, diese Vereinbarungen zwei gesonderte Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV dar. 1693 Wie oben in Rn. 1296 ausgeführt, lässt sich aus der Analyse des Kontexts und der Bedingungen dieser Vereinbarungen ableiten, dass Servier beim Abschluss dieser Vereinbarungen von „denselben Motiven“ geleitet war und dass sie insoweit dasselbe Ziel verfolgte, nämlich den anhängigen Rechtsstreit endgültig beizulegen und jeden künftigen Rechtsstreit über das Erzeugnis von Niche/Matrix zu vermeiden sowie dieses Erzeugnis gegen Bezahlung als potenzielle Quelle von Wettbewerb auszuschalten. Dass die Klägerinnen beim Abschluss der Vereinbarungen mit Niche und mit Matrix dieses identische Ziel verfolgten, wird belegt durch die Tatsache, dass diese Vereinbarungen am selben Tag und am selben Ort von demselben Vertreter der Klägerinnen unterzeichnet wurden, die Tatsache, dass ihr zeitlicher und räumlicher Geltungsbereich identisch war, die Tatsache, dass die Vereinbarungen u. a. dasselbe Erzeugnis betrafen, wobei Niche und Matrix ähnliche Verpflichtungen auferlegt wurden, und schließlich die nicht bestrittene Tatsache, dass es im Interesse der Klägerinnen lag, mit den beiden am betreffenden gemeinsamen Perindopril-Projekt Beteiligten Vereinbarungen zu schließen. 1694 Derartige Tatsachen beweisen zwar nicht, dass Niche und Matrix mit dem Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarungen zusammen ein und dasselbe Ziel und damit einen gemeinsamen Plan verfolgten, und schon gar nicht, dass sie einen solchen gemeinsamen Plan mit den Klägerinnen teilten, sie zeigen aber, dass Servier beim Abschluss der Niche- und der Matrix-Vereinbarung dasselbe Ziel verfolgte (siehe oben, Rn. 1296 bis 1301). 1695 Zudem betrafen die schädlichen Wirkungen dieser Vereinbarungen zum Teil das von Niche und Matrix gemeinsam entwickelte Erzeugnis, dessen Vermarktung während desselben Zeitraums und in demselben Gebiet untersagt war. Somit war der Grad der Überlagerung der wettbewerbswidrigen Wirkungen dieser Vereinbarungen besonders hoch. 1696 In Anbetracht der in den vorstehenden Randnummern genannten Faktoren, die für die Niche- und die Matrix-Vereinbarung spezifisch sind und diese von den Vergleichsvereinbarungen unterscheiden, die Servier mit anderen Generikaherstellern geschlossen hat, ist festzustellen, dass die Kommission mit der wegen der Kumulierung der Zuwiderhandlungen vorgenommenen Reduzierung (siehe oben, Rn. 1690) den besonderen Zusammenhang zwischen der Matrix-Vereinbarung und der Niche-Vereinbarung nicht hinreichend berücksichtigt hat, da sie der Matrix-Vereinbarung keine Sonderbehandlung zukommen ließ. 1697 Überdies berücksichtigt der von der Kommission festgesetzte Betrag der Geldbuße nicht angemessen den Schweregrad der in der Matrix-Vereinbarung liegenden Zuwiderhandlung, der geringer ist als der Schweregrad der in der Niche-Vereinbarung liegenden Zuwiderhandlung, da die Matrix-Vereinbarung von Servier geschlossen wurde, um die Wirkungen der Niche-Vereinbarung zu festigen (siehe oben, Rn. 1300), und da wegen der Biogaran-Vereinbarung die Wertübertragung zugunsten von Niche und Unichem höher ist als die zugunsten von Matrix. 1698 Demzufolge entscheidet das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 66), den Betrag der Servier wegen der Matrix-Vereinbarung auferlegten Geldbuße um 30 %, d. h. 23736510 Euro, herabzusetzen. 1699 Folglich wird der Betrag der Servier wegen der in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses genannten Zuwiderhandlung, wie er sich aus dessen Art. 7 Abs. 2 Buchst. b ergibt, auf 55385190 Euro statt 79121700 Euro festgesetzt. 2) Zur Kumulierung der nach den Art. 101 und 102 AEUV verhängten Geldbußen i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1702 Da Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses für nichtig erklärt worden ist (siehe oben, Rn. 1638), trifft Servier nur noch eine Sanktion nach Art. 101 AEUV. In Ermangelung einer Kumulierung von Geldbußen nach den Art. 101 und 102 AEUV braucht jedenfalls die Begründetheit der vorliegenden Rüge nicht geprüft zu werden, und diese ist zurückzuweisen. c) Zur Berechnung des Umsatzes 1703 Die Klägerinnen stützen sich auf drei gesonderte Rügen, die getrennt zu prüfen sind. 1) Zur Berücksichtigung des Absatzes im Krankenhaussektor i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1706 Die Klägerinnen verweisen zur Stützung dieser Rüge auf die Rn. 2408 bis 2412 des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission ausführt, dass sie den Krankenhaussektor von ihrer Analyse des Marktes ausschließe. 1707 Die Rn. 2408 bis 2412 des angefochtenen Beschlusses sind Teil von Abschnitt 6.5 dieses Beschlusses, in dem die Entwicklung der beherrschenden Stellung von Servier auf dem Markt für die Endprodukte behandelt wird. 1708 Die Kommission hat in Rn. 2412 des angefochtenen Beschlusses dargelegt, dass Perindopril im Wesentlichen im Einzelhandel vertrieben werde und dass daher die Verkäufe an die Krankenhäuser die im Einzelhandel erzielten Preise und Gesamtvolumina nicht beeinflussen könnten. Deshalb war die Kommission der Ansicht, dass der vom Krankenhaussektor ausgehende Wettbewerbsdruck Servier nicht daran hindern könne, sich von jedem Wettbewerbsdruck unabhängig zu verhalten. Sie hat daher den Krankenhaussektor von der Analyse des Marktes für die Endprodukte ausgeschlossen. 1709 In Rn. 2595 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ferner ausgeführt, dass aus der Feststellung von Unabhängigkeit von Wettbewerbsdruck auf das Vorliegen von Marktmacht zu schließen sei. 1710 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission den Krankenhaussektor von der Analyse des Marktes ausgeschlossen hat, weil sie der Ansicht war, dass dieser Teil des Marktes nicht relevant für die Feststellung sei, ob Servier über Marktmacht verfüge. 1711 Bei der Prüfung der streitigen Vereinbarungen nach Art. 101 AEUV hat die Kommission im Rahmen der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, für die die Feststellung des Vorliegens einer Marktmacht von Servier von Interesse war, auf Abschnitt 6.5 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, wie sich u. a. aus den Rn. 1397, 1503, 1656, 1847 und 2048 des angefochtenen Beschlusses und insbesondere aus dessen Rn. 1224 ergibt, in der die Kommission den Begriff der Marktmacht als zentral für die Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der Vereinbarungen bezeichnet hat. 1712 Somit beabsichtigte die Kommission, den Krankenhaussektor von der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung auszuschließen. 1713 Im Rahmen ihrer Analyse der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hat die Kommission nicht auf Abschnitt 6.5 des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen und zu keiner Zeit erklärt, dass sie den Krankenhaussektor von ihrer Analyse ausschließe. Ein solcher Ausschluss war für die Kommission auch nicht von Interesse, da sie für die Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nicht zu prüfen brauchte, ob Servier über Marktmacht verfügte. 1714 Ferner hat sich die Kommission für die Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung darauf gestützt, dass die streitigen Vereinbarungen wettbewerbsbeschränkende Klauseln enthielten. Das Vorhandensein dieser Klauseln und folglich ihr Geltungsbereich haben der Kommission somit die Abgrenzung des Ausmaßes der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ermöglicht. So schloss z. B. das von der Kommission für jede Vereinbarung angenommene Gebiet der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nur die Mitgliedstaaten ein, in denen die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln galten, wie sich aus dem Schaubild Nr. 50 in Rn. 3134 des angefochtenen Beschlusses ergibt. 1715 Die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln schlossen aber den Krankenhaussektor nicht von ihrem Geltungsbereich aus. Ebenso wenig schlossen die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Nichtangriffsklauseln – die Möglichkeit eines solchen Ausschlusses unterstellt – diesen Sektor von ihrem Geltungsbereich aus. 1716 Aus den vorstehenden Erwägungen ist zu schließen, dass die Kommission bei ihrer Feststellung des Vorliegens einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung den Krankenhaussektor nicht ausgeschlossen hat. 1717 Für die Frage, ob die Klägerinnen wegen des oben festgestellten Ausschlusses des Krankenhaussektors aus der Analyse der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung gleichwohl eine Herabsetzung der nach Art. 101 AEUV verhängten Geldbußen erhalten können, ist zu prüfen, ob die Kommission durch die Berücksichtigung ihrer Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Verhalten von Servier nicht strenger hat ahnden können, als es ihr aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung allein möglich gewesen wäre. 1718 Hierzu ist festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss zu keiner Zeit angegeben hat, dass sie die Zuwiderhandlung als für einen weiteren sachlichen, zeitlichen oder räumlichen Bereich gegeben ansehe, als sie dies aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung tun konnte. 1719 Die Kommission hat im Gegenteil das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nur in vier Mitgliedstaaten, und zwar in Frankreich, den Niederlanden, Polen und im Vereinigten Königreich, festgestellt, während sie für die Berechnung der Geldbuße für die Zuwiderhandlungen betreffend Niche und Unichem, Matrix, Krka und Lupin den räumlichen Bereich der Zuwiderhandlungen auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt hat, in denen diese Vereinbarungen galten. 1720 Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass die Kommission nur hilfsweise, „der Vollständigkeit halber“ (Rn. 1213 des angefochtenen Beschlusses), die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen analysiert hat. 1721 Die Klägerinnen selbst schließlich führen aus, dass die Berechnung der Geldbuße „ausschließlich auf der Prämisse [beruht], dass die Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten“. 1722 Somit hat die Kommission durch die Berücksichtigung der Feststellung der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung das Verhalten von Servier nicht strenger geahndet, als es ihr aufgrund der Feststellung der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung allein möglich gewesen wäre. 1723 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission den Krankenhaussektor zu Recht nicht aus der Berechnung der Geldbuße für deren auf Art. 101 AEUV entfallenden Teil ausgeschlossen hat. 1724 Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen. 2) Zum Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Berechnung des Umsatzes i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1727 Nach ständiger Rechtsprechung genügt die Kommission bei der Bestimmung des Betrags der wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln verhängten Geldbuße ihrer Begründungspflicht, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln; sie ist nicht verpflichtet, bezifferte Angaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission, C‑194/14 P, EU:C:2015:717, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1728 Im vorliegenden Fall beanstanden die Klägerinnen nur den Berichtigungskoeffizienten, den die Kommission auf den Umsatz angewandt hat. 1729 Hierzu hat die Kommission in Rn. 3128 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, sie habe, weil Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen habe, die zwar gesondert seien, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und dieselben Zeiträume beträfen, einen Berichtigungskoeffizienten angewandt, um für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden sei, zu begrenzen. Dieser Berichtigungskoeffizient habe für jede der fünf Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV zu einer durchschnittlichen Herabsetzung des Umsatzes um 54,5 % geführt. 1730 Damit hat die Kommission in Ansehung der oben in Rn. 1727 angeführten Rechtsprechung und der Tatsache, dass die Anwendung dieses Berichtigungskoeffizienten, auch wenn sie nicht in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehen ist, eine für die Klägerinnen günstige Maßnahme ist, ihren Beschluss hinreichend begründet, ohne dass der Umstand, dass die Klägerinnen nicht in der Lage sind, die gesamte Berechnung, die zum einen zu dem vorgenannten Satz von 54,5 % und zum anderen zu der letztlich für jede Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgesetzten Geldbuße geführt hat, nachzuvollziehen, zu einem gegenteiligen Schluss führen kann. 1731 Die Kommission hat zwar auf eine prozessleitende Maßnahme hin, die das Gericht im Hinblick auf eine eventuelle Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erlassen hat, genauere Informationen zu der Berechnung vorgelegt, mit der sie zu dem vorgenannten Satz von 54,5 % und zu der letztlich für jede Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgesetzten Geldbuße gelangt ist, und diese Informationen haben es dem Gericht und den Klägerinnen ermöglicht, genauer zu verstehen, wie die Kommission diesen Satz und diese Geldbußen festgesetzt hat. 1732 Mit dem Hinweis darauf, dass genauere Informationen zur Berechnung der Geldbuße im Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln später im gerichtlichen Verfahren übermittelt wurden, kann jedoch nicht dargetan werden, dass der angefochtene Beschluss insoweit unzureichend begründet ist. Nähere Angaben des Urhebers eines angefochtenen Beschlusses, die eine für sich bereits ausreichende Begründung ergänzen, fallen nicht unter die eigentliche Begründungspflicht, auch wenn sie für die innere Kontrolle der Gründe des Beschlusses durch den Unionsrichter nützlich sein können, da das Organ so die seinem Beschluss zugrunde liegenden Erwägungen erläutern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2000, Weig/Kommission, C‑280/98 P, EU:C:2000:627, Rn. 45). 1733 Ferner ist der partielle Charakter der mittels des Berichtigungskoeffizienten bewirkten Herabsetzung entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen dadurch gerechtfertigt, dass, wie als Ergebnis der Prüfung des Klagegrundes betreffend das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung festgestellt worden ist, die einzelnen Vereinbarungen keine einheitliche Zuwiderhandlung, sondern gesonderte Zuwiderhandlungen darstellen, für die die Kommission jeweils eine gesonderte Geldbuße festsetzten konnte. 1734 Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen. 3) Zum räumlichen Gebiet des Umsatzes i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1738 Die Klägerinnen machen geltend, im angefochtenen Beschluss, insbesondere im Schaubild Nr. 50 in dessen Rn. 3134, habe die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV fehlerhaft definiert, da zum einen das Patent 947 in Polen erst nach dem Ende aller Zuwiderhandlungen erteilt worden sei und zum anderen Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Finnland von den Patenten 939 bis 941 nicht erfasst gewesen seien. 1739 Das vorgenannte Schaubild Nr. 50 zeigt die Anfangs- und die Enddaten jeder Zuwiderhandlung in den einzelnen Mitgliedstaaten. 1740 Vorab ist die Teva betreffende Zuwiderhandlung von der Analyse auszunehmen. Denn diese Zuwiderhandlung betrifft nur das Vereinigte Königreich. Das Vorbringen der Klägerinnen bezieht sich aber nicht auf diesen Mitgliedstaat. Es ist deshalb unbeachtlich für das räumliche Gebiet dieser Zuwiderhandlung. 1741 Was die anderen Zuwiderhandlungen angeht, hängt der – u. a. räumliche – Bereich jeder Zuwiderhandlung vom Geltungsbereich der in der jeweiligen Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ab. Es sind nämlich diese Klauseln, die den Wettbewerb beschränken und die, wenn ihnen jede Rechtfertigung fehlt, deshalb hinreichend schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs sind, um als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden zu können (siehe oben, Rn. 270). 1742 Insoweit beschränken sich die Klägerinnen darauf, aus dem Fehlen eines oder mehrerer Patente in einem gegebenen Mitgliedstaat den Wegfall jeglicher Zuwiderhandlung für diesen Staat abzuleiten, ohne zwischen den Zuwiderhandlungen und insbesondere innerhalb jeder Zuwiderhandlung zwischen den potenziell unterschiedlichen Wirkungen des Fehlens eines Patents auf die räumliche Reichweite der Vermarktungsverbots- und auf die der Nichtangriffsklausel zu unterscheiden. 1743 Somit legen die Klägerinnen nicht dar oder sprechen auch nur an, welche Folgen ein Auseinanderfallen des Geltungsbereichs der Vermarktungsverbots- und desjenigen der Nichtangriffsklausel für die Würdigung der Schwere der Zuwiderhandlung haben könnte. 1744 Das Vorbringen der Klägerinnen geht demnach nur dahin, für einen bestimmten Mitgliedstaat das Vorliegen jeder Zuwiderhandlung auszuschließen. 1745 Die Kommission war aber berechtigt, einen Mitgliedstaat für den fraglichen Zeitraum in das räumliche Gebiet dieser Zuwiderhandlung einzubeziehen, wenn die Vermarktungsverbotsklausel oder die Nichtangriffsklausel während eines bestimmten Zeitraums in diesem Mitgliedstaat gegolten hat. 1746 Der Klagegrund, wie er von den Klägerinnen angeführt wird, kann somit nur Erfolg haben, soweit er den Schluss zulässt, dass weder die Vermarktungsverbots- noch die Nichtangriffsklausel während eines Zeitraums, für den die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung in einem bestimmten Mitgliedstaat festgestellt hat, in diesem Mitgliedstaat gegolten hat. 1747 Zunächst ist anhand des Vorbringens der Klägerinnen der Geltungsbereich der Vermarktungsverbotsklausel für jede der Vereinbarungen außer der Teva-Vereinbarung zu prüfen. 1748 Die Klägerinnen führen zwei Argumente an, von denen das eine das Patent 947 und das andere die Patente 339, 340 und 341 betrifft. 1749 Was die Lupin-Vereinbarung angeht, sieht deren Art. 1.6 vor, dass Lupin das „Erzeugnis“ in keinem Mitgliedstaat verkaufen darf. Mit dem Begriff „Erzeugnis“ wird u. a. auf die Arzneimittel Bezug genommen, die Erbumin enthalten. In dieser Vereinbarung hängt die Vermarktungsverbotsklausel somit nicht vom Bestehen eines Patents, ob nun des Patents 947 oder der Patente 339, 340 und 341, ab. Damit galt sie für sämtliche Mitgliedstaaten, ohne dass festgestellt zu werden braucht, ob die genannten Patente in jedem einzelnen von ihnen zur Zeit der Zuwiderhandlung bestanden. Da die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel nicht fehlerhaft definiert hat, kann der Klagegrund daher zurückgewiesen werden, soweit er die Lupin-Vereinbarung betrifft (siehe oben, Rn. 1741 bis 1746). 1750 Was die Niche- und die Matrix-Vereinbarung sowie die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung angeht, hängt die Reichweite der Vermarktungsverbotsklausel dagegen davon ab, dass Patente von Servier bestehen. Die Klägerinnen können diese Argumente somit geltend machen. 1751 Erstens ist das Argument betreffend das Patent 947 zu prüfen. 1752 Die Klägerinnen machen geltend, dieses Patent sei zur Zeit der Zuwiderhandlung in Polen noch nicht erteilt gewesen. 1753 Was jedenfalls (siehe oben, Rn. 1636, 1637 und 1640) die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung betrifft, geht aus dem Schaubild Nr. 50 in Rn. 3134 des angefochtenen Beschlusses, das insoweit nicht bestritten wird, hervor, dass die Kommission nicht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung für Polen festgestellt hat. Daher ist unerheblich, ob dieser Mitgliedstaat während des Zeitraums der Zuwiderhandlung vom Patent 947 erfasst war oder nicht. 1754 Was die Niche-Vereinbarung angeht, gilt die in Art. 3 enthaltene Vermarktungsverbotsklausel in den Ländern, in denen u. a. ein „Alpha-Patent“ besteht, was das Patent 947 und alle gleichwertigen Patente oder Patentanmeldungen umfasst, wie sich aus Art. 1 Ziff. ii in Abschnitt 1 („Definitionen) ergibt. 1755 Auch nach der Matrix-Vereinbarung gilt die in Art. 1 enthaltene Vermarktungsverbotsklausel für das „Gebiet“, d. h. in allen Ländern, in denen u. a. ein „Alpha-Patent“ besteht, was das Patent 947 und alle gleichwertigen Patente oder Patentanmeldungen einschließt, wie sich aus Art. 1 Ziff. ii in Abschnitt 1 („Definitionen) ergibt. 1756 Wie sich aus Rn. 120 und Fn. 155 des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist aber nicht bestritten, dass Servier am 6. Juli 2001 in Polen eine Patentanmeldung für „die Alpha-Kristallform von Perindopril-Erbumin (entsprechend dem Patent 947)“ eingereicht hatte. 1757 Folglich ist das Argument der Klägerinnen betreffend das Patent 947 (siehe oben, Rn. 1752) hinsichtlich der Niche- und der Matrix-Vereinbarung zurückzuweisen. 1758 Nach alledem ist dieses Argument für sämtliche Vereinbarungen zurückzuweisen. 1759 Zweitens ist das Argument der Klägerinnen betreffend die Patente 339, 340 und 341 zu prüfen. 1760 Die Klägerinnen machen geltend, zur Zeit der Zuwiderhandlungen seien Bulgarien, die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Rumänien, Slowenien, die Slowakei und Finnland nicht von diesen Patenten erfasst gewesen. 1761 Was die mit Krka geschlossene Vergleichsvereinbarung angeht, genügt jedenfalls (Rn. 1636, 1637 und 1640) der Hinweis, dass die Reichweite der Vermarktungsverbotsklausel nicht vom Bestehen der Patente 339 bis 341 abhängt. Es ist daher unerheblich, dass diese Patente nicht in jedem der Mitgliedstaaten, für die die Klägerinnen geltend machen, dass diese Patente dort nicht gegolten hätten, erteilt oder angemeldet worden waren. 1762 Die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltene Vermarktungsverbotsklausel gilt in den Ländern, in denen die Patente 339 bis 341 „und/oder“ das Patent 947 bestehen, wie in Art. 3 der Niche-Vereinbarung sowie in Art. 1 Ziff. xiii des Abschnitts 1 und Art. 1 des Abschnitts 2 der Matrix-Vereinbarung vorgesehen ist. 1763 Abgesehen von dem Argument betreffend Polen, das vorstehend bereits zurückgewiesen worden ist, tragen die Klägerinnen jedoch nicht vor und weisen erst recht nicht nach, dass das Patent 947 in einem der oben in Rn. 1760 genannten Staaten nicht bestand. 1764 Da die Klägerinnen aber als Mitverfasser der Vereinbarungen deren Geltungsbereich genau kennen, oblag es ihnen, Beweise für ein solches Nichtbestehen vorzulegen, oder dies zumindest zu behaupten. 1765 Selbst wenn die oben in Rn. 1760 genannten Mitgliedstaaten nicht von den Patenten 339, 340 und 341 erfasst gewesen sein sollten, würde dies somit angesichts des Vorbringens der Klägerinnen nicht den Schluss zulassen, dass die in der Niche- und in der Matrix-Vereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklauseln nicht in diesen Staaten galten, da die Klägerinnen nicht bestreiten, dass diese vom Patent 947 erfasst waren. 1766 Nach alledem lassen das Vorbringen der Klägerinnen und die von ihnen vorgelegten Beweise nicht den Schluss zu, dass die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel fehlerhaft definiert hat. 1767 In Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 1741 bis 1746 des vorliegenden Urteils kann dieses Argument zurückgewiesen werden, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Kommission das räumliche Gebiet der Zuwiderhandlung hinsichtlich der Vermarktungsverbotsklausel fehlerhaft definiert hat. d) Zur Schwere der Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1784 Als Erstes ist die Rüge der Klägerinnen zu prüfen, es habe keine wettbewerbswidrige Absicht vorgelegen. 1785 Die Klägerinnen beanstanden in Wirklichkeit die Rn. 3064 ff. des angefochtenen Beschlusses, in denen die Kommission sich auf die Feststellung beschränkt hat, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden seien, was ihr gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 die Verhängung von Geldbußen erlaube. 1786 Zu der Frage, ob eine Zuwiderhandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden ist und deshalb gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Geldbuße geahndet werden kann, geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, dass es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verstößt (Urteile vom 18. Juni 2013, Schenker & Co. u. a., C‑681/11, EU:C:2013:404, Rn. 37, vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 156, und vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 762). 1787 Die Prüfung der verschiedenen streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen hat jedoch ergeben, dass Servier Generikahersteller dafür bezahlt hat, dass sie dem Markt fernbleiben. Sie konnte sich daher über den wettbewerbswidrigen Charakter eines solchen Verhaltens nicht im Unklaren sein. Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt nämlich eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435), deren Rechtswidrigkeit nach der Rechtsprechung „offenkundig“ ist (siehe oben, Rn. 1665). 1788 Auch wenn die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter möglicherweise nicht offensichtlich war, gilt dies doch nicht für die Parteien dieser Vereinbarungen (siehe oben, Rn. 1666). 1789 Zudem ist festzustellen, dass die streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen wettbewerbswidrige Ziele verfolgten. 1790 Wenn nämlich, wie es bei jeder der streitigen Vereinbarungen der Fall ist, eine umgekehrte Zahlung und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch jede Partei zum Abschluss des Vergleichs führt, d. h., wenn dem Generikahersteller ein Anreiz geboten wird, sich Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln zu unterwerfen, hängen die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen nicht mehr mit dem – echten oder fiktiven – Vergleich zur gütlichen Beilegung eines Patentrechtsstreits zusammen. In diesem Fall sind der Anreiz und nicht die Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien der wahre Grund für die mit diesen Klauseln eingeführten Wettbewerbsbeschränkungen. In einem solchen Fall kann diese Vereinbarung in ihrer Gesamtheit zu Recht als eine Marktausschlussvereinbarung angesehen werden, mit der wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden. 1791 Somit steht das Vorliegen eines wettbewerbswidrigen Ziels fest, und es ist in dieser Hinsicht unerheblich, ob Servier mit allen Generikaherstellern, die diese Patente angegriffen haben, Vereinbarungen geschlossen hat oder nicht, ob die Initiative zu diesen Vereinbarungen von ihr ausgegangen ist oder nicht oder ob die fraglichen Vereinbarungen geheim waren oder nicht. 1792 Diese Faktoren werden jedoch im Folgenden bei der Prüfung der Frage in Betracht gezogen, ob die von der Kommission festgelegten Sätze unverhältnismäßig waren. 1793 Als Zweites ist die Rüge zu prüfen, dass die Kommission das Bestehen der Patente von Servier nicht berücksichtigt habe. 1794 In dieser Hinsicht hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Umstand außer Acht gelassen, dass die Vereinbarungen Rechte des geistigen Eigentums betrafen. 1795 Die Feststellung des Bestehens eines Anreizes bedeutet nämlich, dass der durch die Vereinbarung bedingte Marktausschluss sich nicht aus den Wirkungen der in Rede stehenden Patente und ihrem rechtmäßigen Gebrauch, insbesondere im Rahmen eines Vergleichs, ergibt, sondern aus einer Wertübertragung, die die finanzielle Gegenleistung für diesen Ausschluss darstellt (siehe oben, Rn. 253 bis 276). 1796 Hervorzuheben ist noch, dass die Kommission die Voraussetzungen für die Anwendung des Wettbewerbsrechts auf die Rechte des geistigen Eigentums und die an diese Rechte geknüpfte Gültigkeitsvermutung beachtet hat, da sie nur die Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft hat, die einen anormalen Gebrauch des Patents darstellten, weil sie auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents beruhten (siehe oben, Rn. 266 und 267). 1797 Wenn schließlich das Bestehen eines Anreizes festgestellt worden ist, wie es bei sämtlichen streitigen Vereinbarungen mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen der Fall ist, können sich die Parteien nicht mehr auf die Anerkennung des Patents im Rahmen des Vergleichs berufen. Der Umstand, dass die Gültigkeit des Patents von einem Gericht oder einer Verwaltungsstelle bestätigt worden ist, ist insoweit nicht von Belang. Dies gilt für die Bestätigung des Patents 947 durch die Einspruchsabteilung des EPA oder für die den Klägerinnen günstigen Feststellungen, die britische Gerichte getroffen habe sollen (siehe oben, Rn. 269). 1798 Das Vorbringen der Klägerinnen, es sei „paradox und unrechtmäßig“, die Dauer der Zuwiderhandlungen von der Dauer und den Ergebnissen der Streitverfahren über die Patente von Servier abhängig zu machen, ist zurückzuweisen. 1799 Die Dauer der den Klägerinnen vorgeworfenen Zuwiderhandlungen hängt nämlich vom zeitlichen Geltungsbereich der in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ab, der wiederum vom Bestehen der Patente von Servier und damit von den Ergebnissen der Verfahren abhängt, in denen diese Patente angegriffen werden. 1800 Hinzu kommt, dass Servier den Zusammenhang zwischen der Dauer der Streitverfahren über ihre Patente und der Dauer der Zuwiderhandlungen umso weniger in Abrede stellen kann, als sich die in der vorstehenden Rn. 1799 erwähnte Verknüpfung, durch die dieser Zusammenhang hergestellt wird, aus den Vertragsklauseln ergibt, deren Mitverfasser Servier ist. 1801 Als Drittes ist die Rüge zu prüfen, die Zuwiderhandlungen hätten keine konkrete Auswirkung auf den Markt gehabt. 1802 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen ist, ohne dass dort ausdrücklich gesagt wird, dass diese Zuwiderhandlung anhand der tatsächlichen Ergebnisse auf dem Markt, zu beurteilen ist (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, EU:C:2000:262, Nr. 96). 1803 Nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), sind zwar bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes dessen konkrete Auswirkungen auf den Markt nur insofern zu berücksichtigen, als sie messbar sind. 1804 Ein solches Erfordernis ist aber in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 nicht mehr vorgesehen. 1805 Insoweit sei darauf hingewiesen, dass der in Ziff. 22 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen genannte Faktor „etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis“ das Verhalten der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen und nicht deren Auswirkungen auf den Markt betrifft. 1806 Somit war die Kommission nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen nicht verpflichtet, die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen, um den Anteil am Umsatz zu bestimmen, der gemäß den Ziff. 19 bis 24 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen wegen der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Fresh Del Monte Produce/Kommission, T‑587/08, EU:T:2013:129, Rn. 773 bis 775, und vom 16. Juni 2015, FSL u. a./Kommission, T‑655/11, EU:T:2015:383, Rn. 539). 1807 Zweitens ist die Kommission auch nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte nicht verpflichtet, die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt zu berücksichtigen. 1808 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C‑137/95 P, EU:C:1996:130, Rn. 54, sowie Urteile vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, EU:C:1997:375, Rn. 33, und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 241). 1809 Die Auswirkungen auf den Markt können daher zwar unter der in der vorstehenden Rn. 1808 genannten „Vielzahl von Gesichtspunkten“ berücksichtigt werden, sind aber nur dann von wesentlicher Bedeutung, wenn es um Vereinbarungen, Beschlüsse oder abgestimmte Verhaltensweisen geht, die nicht unmittelbar eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und die daher nur infolge ihrer konkreten Auswirkungen in den Anwendungsbereich von Art. 101 AEUV fallen können (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, EU:C:2000:262, Nr. 101). 1810 Müsste die Kommission auf der Stufe der Berechnung der Geldbuße die konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt berücksichtigen, würde ihr damit nämlich eine Verpflichtung auferlegt, die für sie nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung von Art. 101 AEUV nicht besteht, wenn die in Rede stehende Zuwiderhandlung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. Urteil vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1811 Die Kommission hat sich, wie die Klägerinnen geltend machen, zwar im angefochtenen Beschluss nicht ausschließlich auf die Feststellung des Vorliegens bezweckter Wettbewerbsbeschränkung gestützt, sondern hat auch das Vorliegen von bewirkter Wettbewerbsbeschränkung angenommen. 1812 Die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen der streitigen Vereinbarungen hat die Kommission jedoch nur „der Vollständigkeit halber“ (Rn. 1213 des angefochtenen Beschlusses) analysiert. Zudem sei darauf hingewiesen, dass die Kommission das Vorliegen einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung nur in vier Mitgliedstaaten, und zwar in Frankreich, den Niederlanden, Polen und im Vereinigten Königreich, festgestellt hat. Für die Berechnung der Geldbuße hat sie aber den räumlichen Bereich der Zuwiderhandlungen auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt, in denen die Vereinbarungen galten. 1813 Zudem führen die Klägerinnen selbst aus, dass die Berechnung der Geldbuße „ausschließlich auf der Prämisse [beruht], dass die Vereinbarungen bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellten“. 1814 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht verpflichtet war, das behauptete Fehlen einer konkreten Auswirkung der Zuwiderhandlungen auf den Markt bei der Bestimmung der Höhe der Geldbuße wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV zu berücksichtigen. 1815 Selbst wenn aber die Kommission eine konkrete Auswirkung der Zuwiderhandlungen auf den Markt hätte nachweisen müssen und sie dies nicht hinreichend getan hätte, ergäben sich daraus keine Folgen für die von ihr festgelegten Sätze, da diese auch bei Fehlen einer solchen Wirkung nicht als unverhältnismäßig angesehen werden können. 1816 Die in Rede stehenden Vereinbarungen sind Marktausschlussvereinbarungen, mit denen wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden (siehe oben, Rn. 1790). Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt aber eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (siehe oben, Rn. 271). Solche Vereinbarungen müssen daher gemäß Ziff. 23 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen grundsätzlich streng geahndet werden. 1817 Dem ist hinzuzufügen, dass die in den streitigen Vereinbarungen enthaltenen wettbewerbsbeschränkenden Klauseln in der Praxis umgesetzt worden sind. 1818 Unter Berücksichtigung dieser Faktoren erscheint der von der Kommission berücksichtigte Umsatzanteil, d. h. je nach Fall 10 % oder 11 %, was nur etwa einem Drittel des Anteils entspricht, der höchstens berücksichtigt werden kann, nicht unverhältnismäßig. Diese Prozentsätze spiegeln im Gegenteil sowohl die Schwere der festgestellten Zuwiderhandlungen, die wegen ihres wettbewerbswidrigen Ziels besonders schädlich waren, als auch den besonderen Kontext wider, in dem sie begangen worden sind und der durch die Verteidigung von Rechten des geistigen Eigentums und die Ungewissheit über den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten über die Patente von Servier gekennzeichnet ist. 1819 Die Klägerinnen können sich umso weniger auf das Fehlen tatsächlicher Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb berufen, als diese Vereinbarungen, die auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien beruhten, es ihnen gerade ermöglicht haben, die mit den Patentrechtsstreitigkeiten verbundenen Unwägbarkeiten und die Ungewissheiten hinsichtlich der Bedingungen und Möglichkeiten des Markteintritts der Generikahersteller durch die Gewissheit zu ersetzen, dass diejenigen, mit denen eine Vereinbarung geschlossen wurde, vom Markt ferngehalten würden. 1820 Die oben in Rn. 1818 gezogene Schlussfolgerung wäre auch dann nicht in Frage gestellt, wenn die von den Klägerinnen angeführten und oben in Rn. 1791 erwähnten Umstände nachgewiesen wären. 1821 Auch das von den Klägerinnen ohne jede Substantiierung geltend gemachte Fehlen einer Begründung kann nicht festgestellt werden. Denn Servier konnte in Anbetracht aller von der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in dessen Rn. 3130, getroffenen Feststellungen und des Kontexts, in dem dieser Beschluss erlassen worden war, erkennen, aus welchen Gründen die Sätze von 10 % und 11 % des Umsatzes festgelegt worden waren. 1822 Insbesondere hat die Kommission die Anwendung unterschiedlicher Umsatzanteile für jede Vereinbarung hinreichend begründet. Sie hat ausgeführt, dass der für die Niche‑, die Matrix- und die Lupin-Vereinbarung berücksichtigte Satz deshalb höher gewesen sei als der für die Teva- und die Krka-Vereinbarung, weil diese eine größere räumliche Reichweite gehabt hätten als jene (Rn. 3131 des angefochtenen Beschlusses). 1823 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. e) Zur Dauer der Zuwiderhandlungen 1824 Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie erstens Fehler hinsichtlich der Bestimmung des Beginns und zweitens Fehler hinsichtlich des Endes der Zuwiderhandlungen beanstanden. 1) Zum Beginn der Zuwiderhandlungen i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1833 Als Erstes ist das Vorbringen zu prüfen, die Angriffe auf die Patente von Servier seien nie eingestellt noch auch nur verzögert worden. 1834 Hierzu ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nachweisen oder auch nur behaupten, dass einer der Generikahersteller, die die streitigen Vereinbarungen geschlossen hätten, ungeachtet des Bestehens der für ihn geltenden Nichtangriffsklausel eines der Patente von Servier angegriffen habe. 1835 Die Klägerinnen machen somit nicht geltend, die Vereinbarungen seien nicht in die Praxis umgesetzt worden, sondern berufen sich nur darauf, dass andere Generikahersteller als diejenigen, die die streitigen Vereinbarungen geschlossen hätten, die Patente von Servier angegriffen hätten. 1836 Damit geht das Vorbringen der Klägerinnen im Wesentlichen dahin, die streitigen Vereinbarungen hätten keine konkreten Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt. 1837 Insoweit ist zu beachten, dass im Fall bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen die tatsächlichen Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, um die Zuwiderhandlung nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 98 und 99) und folglich diese Zuwiderhandlung zeitlich abzugrenzen und so ihre Dauer zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, EU:C:2009:166, Rn. 113, 114 und 140). 1838 Mit dem Argument, die streitigen Vereinbarungen hätten keine Auswirkung auf den Wettbewerb gehabt, kann daher die Dauer der Zuwiderhandlungen nicht in Frage gestellt werden, da diese Dauer auf der Grundlage der Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hinreichend nachgewiesen ist. 1839 Sollten die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen nicht die Feststellung der Zuwiderhandlungen beanstanden, weil deren Dauer fehlerhaft bestimmt worden sei, sondern die Beurteilung der Schwere der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlungen, wäre jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Rüge betreffend das Fehlen konkreter Wirkungen der Vereinbarungen und dessen Folgen für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen bereits zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 1801 bis 1820). 1840 Was als Zweites das Vorbringen angeht, einige der Zuwiderhandlungen könnten nicht festgestellt werden, solange Teva und Lupin nicht über eine Genehmigung für das Inverkehrbringen verfügten, so ist dieses bereits im Rahmen der Prüfung der Klagegründe betreffend das Fehlen von potenziellem Wettbewerb (siehe oben, Rn. 604 und 743) zurückgewiesen worden. Aus dem Ergebnis dieser Prüfung ergibt sich, dass die Kommission zu Recht befunden hat, dass Teva und Lupin zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen potenzielle Wettbewerber von Servier waren. Die Kommission hat daher den Zeitpunkt des Beginns der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen nicht fehlerhaft bestimmt. 1841 Das darauf gestützte Vorbringen, dass das ergänzende Schutzzertifikat für das Patent für das Perindopril-Molekül nicht abgelaufen gewesen sei, kann auf der Grundlage der Erwägungen zurückgewiesen werden, mit denen der Klagegrund des Fehlens von potenziellem Wettbewerb zurückgewiesen worden ist. 1842 Wie oben in Rn. 359 ausgeführt worden ist, hat nämlich ein Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, das Risiko eines Markteintritts mit einem das gültige Patent möglicherweise verletzenden Erzeugnis einzugehen, wobei dieser „Risiko“-Markteintritt oder diese „Risiko“-Markteinführung erfolgreich sein kann, wenn der Patentinhaber von der Erhebung einer Patentverletzungsklage absieht oder wenn eine solche gegebenenfalls erhobene Klage abgewiesen wird. Diese Möglichkeit eines Risikomarkteintritts deutet darauf hin, dass die Patente keine unüberwindlichen Hindernisse für einen Markteintritt der Generikahersteller sind. 1843 Zudem hindert das Patent die Wirtschaftsteilnehmer nicht daran, die für die Herstellung und die Vermarktung eines nicht patentverletzenden Erzeugnisses nötigen Maßnahmen zu treffen. Bis zu ihrem Markteintritt sind sie als potenzielle Wettbewerber des Patentinhabers und danach als dessen tatsächliche Wettbewerber anzusehen (siehe oben, Rn. 357). 1844 Hierzu hat die Kommission in Rn. 3137 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass die Generikahersteller manchmal mehrere Jahre vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats für ein Patent mit den Vorbereitungen für ihren Markteintritt beginnen und dass diese Zeit für Perindopril im Durchschnitt zwei oder drei Jahre betragen habe. Dies bestätige die Feststellung, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats für das Patent für das Perindopril-Molekül begonnen hätten. 1845 Die Kommission hat jedoch weiter ausgeführt, sie habe es, wenn das ergänzende Schutzzertifikat in einem Mitgliedstaat ausgelaufen sei, nachdem das generische Perindopril in anderen Mitgliedstaaten auf den Markt gebracht worden sei, „wegen des Bestehens eines Verfahrens zur beschleunigten gegenseitigen Anerkennung, in dem die Mitgliedstaaten die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen als gültig anerkennen“ (Fn. 4073 des angefochtenen Beschlusses), vorgezogen, vorsichtig vorzugehen und den Beginn der Zuwiderhandlung auf den Zeitpunkt des Ablaufs des ergänzenden Schutzzertifikats festzulegen. So sei sie im Fall Italiens vorgegangen. Dagegen sei im Fall Frankreichs vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats kein Generikum in einem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht worden (Fn. 4073 des angefochtenen Beschlusses). 1846 Die Darlegungen in den vorstehenden Rn. 1844 und 1845 werden von den Klägerinnen nicht bestritten. 1847 In Anbetracht der Ausführungen in den vorstehenden Rn. 1842 bis 1846 ist zu schließen, dass die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass bestimmte Zuwiderhandlungen in Frankreich am 8. Februar 2005, vor dem Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats, begonnen hatten. 1848 Außerdem kann die von den Klägerinnen erhobene Rüge nur die Zuwiderhandlungen betreffen, die der Niche- und der Matrix-Vereinbarung entsprechen, denn nur diese streitigen Vereinbarungen sind vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats in Frankreich geschlossen worden. 1849 Diese Vereinbarungen sind aber erst am 8. Februar 2005, d. h. etwas mehr als einen Monat vor Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats in Frankreich am 22. März 2005, geschlossen worden. 1850 Daher ist umso leichter festzustellen, dass die betreffenden Generikahersteller am 8. Februar 2005 in der Lage waren, einen Markteintritt für den Tag nach Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats vorzubereiten und damit potenziellen Wettbewerbsdruck auszuüben. 1851 Sollte davon auszugehen sein, dass die Klägerinnen eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend machen und dass dieser Klagegrund nicht verspätet angeführt worden ist, rechtfertigt der Umstand, dass Servier bei der Bestimmung des Beginns der Zuwiderhandlung für Italien möglicherweise eine günstige Behandlung zugutegekommen ist, die nicht geboten war (siehe dazu u. a. oben, Rn. 1842), nicht, dass ihr eine solche Behandlung für sämtliche anderen Mitgliedstaaten zugutekommt, es sei denn, eine derartige Ungleichbehandlung wäre willkürlich (siehe unten, Rn. 1868 bis 1871). 1852 Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Denn zwischen der Situation in Italien und der in Frankreich bestand ein objektiver Unterschied, der für die Möglichkeit der Feststellung einer Zuwiderhandlung nicht irrelevant war (siehe oben, Rn. 1845). 1853 Nur ergänzend ist festzustellen, dass der Unterschied zwischen der Situation Frankreichs und der Italiens, auf den sich die Kommission gestützt hat (siehe oben, Rn. 1844 und 1845), eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen konnte. 1854 Nach alledem ist die vorliegende Rüge insgesamt zurückzuweisen. 2) Zum Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlungen i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1859 Im Rahmen der vorliegenden Rüge berufen sich die Klägerinnen darauf, dass Generikahersteller, die nicht Parteien einer der streitigen Vereinbarungen seien, in den Markt mehrerer Mitgliedstaaten eingetreten seien und dass der Preis von Perindopril daraufhin zurückgegangen sei. 1860 Ihr Vorbringen geht im Wesentlichen dahin, dass die streitigen Vereinbarungen nach dem Markteintritt dieser Generikahersteller keine konkrete Auswirkung auf den Wettbewerb gehabt hätten. 1861 Da es um bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen geht, ist auf die oben in Rn. 1837 angeführte Rechtsprechung zu verweisen. 1862 Das Fehlen einer Auswirkung der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb kann daher nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, um die Dauer der Zuwiderhandlungen in Frage zu stellen, da diese auf der Grundlage der Feststellung einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung hinreichend nachgewiesen ist. 1863 Sollten die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen nicht die Feststellung der Zuwiderhandlung beanstanden, weil deren Dauer fehlerhaft bestimmt worden sei, sondern die Beurteilung der Schwere der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Zuwiderhandlung, wäre jedenfalls darauf hinzuweisen, dass die Rüge betreffend das Fehlen konkreter Wirkungen der Vereinbarungen und dessen Folgen für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen bereits zurückgewiesen worden ist (siehe oben, Rn. 1801 bis 1820). 1864 Die Klägerinnen machen jedoch auch eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geltend. 1865 Insoweit führen die Klägerinnen den Umstand an, dass die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlungen in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich reduziert habe, um den Markteintritt von Generika in diesen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, während sie dies für andere Märkte nicht getan habe, für die sie sich in der Regel auf die Daten des Ablaufs oder der Ungültigerklärung der Patente von Servier gestützt habe (Rn. 3133 des angefochtenen Beschlusses). 1866 Bezüglich des Vereinigten Königreichs ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der gewählte Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung zwar dem Markteintritt eines Generikums entspricht (Rn. 776 des angefochtenen Beschlusses), aber auch einem Urteil eines Gerichts dieses Mitgliedstaats, mit dem das Patent 947 für ungültig erklärt worden ist (Rn. 180, 776 und 2125 des angefochtenen Beschlusses). 1867 Die Relevanz des Vorbringens der Klägerinnen, mit dem sie eine unterschiedliche Behandlung je nach dem Mitgliedstaat der Begehung der Zuwiderhandlungen geltend machen, ist somit für das Vereinigte Königreich nicht nachgewiesen. 1868 Zudem rechtfertigt der Umstand, dass Servier bei der Bestimmung des Beginns der Zuwiderhandlung für einige Mitgliedstaaten möglicherweise eine günstige Behandlung zugutegekommen ist, die nicht geboten war – und auf dem Fehlen wettbewerbsbeschränkender Wirkungen beruhte, das unerheblich ist, wenn die Kommission wie im vorliegenden Fall das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung feststellt (siehe oben, Rn. 1862) –, nicht, dass ihr eine solche Behandlung für sämtliche anderen Mitgliedstaaten zugutekommt. Denn der Grundsatz der Gleichbehandlung soll den Unternehmen, denen eine günstige Behandlung zugutekommt, die nach den anwendbaren Rechtsvorschriften oder nach der Rechtsprechung nicht geboten war, kein Recht auf Sanktionsfreiheit garantieren, wenn die Kommission zu Recht das Vorliegen einer Zuwiderhandlung feststellt. 1869 Allerdings darf die Kommission nicht, auch nicht auf dasselbe Unternehmen, Methoden der Berechnung der Geldbuße anwenden, die in dem Sinne willkürlich verschieden sind, dass solchen Unterschieden jede sachliche Rechtfertigung fehlt. 1870 Im vorliegenden Fall sind solche Unterschiede jedoch nicht nachgewiesen. Die Kommission hat nämlich dargelegt, dass sie für die Niederlande und das Vereinigte Königreich ein besonderes, von ihr als „vorsichtig“ bezeichnetes Vorgehen gewählt habe, mit dem sie zu einer Reduzierung der Dauer der Zuwiderhandlung gelangt sei, um dem großangelegten Markteintritt von Generika in diesen beiden Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, der erhebliche Auswirkungen auf den Absatz des Perindoprils von Servier gehabt habe (Rn. 3133 des angefochtenen Beschlusses). 1871 Die beiden einzigen von den Klägerinnen in dieser Hinsicht angeführten Faktoren, nämlich ein erheblicher Preisrückgang für das Perindopril von Servier und ein anhaltender Rückgang ihrer Marktanteile infolge der Einführung eines Generikums in Frankreich, genügen jedoch nicht als Beweis, dass die Situation in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich auf der einen und die in Frankreich auf der anderen Seite so weitgehend ähnlich waren, dass eine unterschiedliche Behandlung willkürlich war. Erst recht erlauben diese Faktoren nicht den Nachweis einer willkürlichen Ungleichbehandlung der Niederlande und des Vereinigten Königreichs auf der einen und Belgiens, der Tschechischen Republik und Irlands auf der anderen Seite, da diese Faktoren nicht die Situation in diesen drei Mitgliedstaaten betreffen. 1872 Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass aus den Schaubildern Nr. 43 und Nr. 44 des angefochtenen Beschlusses zwar hervorgeht, dass der Markteintritt von Generika zu einem massiven und drastischen Rückgang des Absatzes des Perindoprils von Servier in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich geführt hat, dass aber das Schaubild Nr. 45 des angefochtenen Beschlusses keinen solchen Rückgang in Frankreich nach diesem Markteintritt zeigt. Der Unterschied zwischen der Situation in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich auf der einen und der in Frankreich auf der anderen Seite erlaubte der Kommission somit eine unterschiedliche Behandlung mit der auf die Niederlande und das Vereinigte Königreich begrenzten Feststellung des Endes der Zuwiderhandlung mit dem Eintritt der Generika in diese Märkte. 1873 Der in der vorstehenden Rn. 1872 festgestellte Unterschied zwischen den jeweiligen Situationen wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass der Eintritt eines Generikums in den französischen Markt zu einem Rückgang des Perindopril-Preises um 30 % und zu einem „anhaltenden Rückgang des Marktanteils von Servier“ geführt haben soll. Diese Faktoren belegen nämlich keinen so massiven und drastischen Rückgang des Umsatzes von Servier in Frankreich wie in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich. 1874 Hinsichtlich Belgiens, der Tschechischen Republik und Irlands geht aus keinem der von den Klägerinnen angeführten Bestandteile der Akten hervor, dass nach dem Markteintritt von Generika auf den Märkten dieser Mitgliedstaaten ein ebenso massiver und drastischer Rückgang des Umsatzes des Perindoprils von Servier wie in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich verzeichnet worden wäre. 1875 Nach alledem ist die vorliegende Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. f) Zur Anwendung eines Zusatzbetrags 1) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] 2) Würdigung durch das Gericht 1883 Wie dargelegt, sind die in Rede stehenden Vereinbarungen solche, die es Servier erlaubten, Wettbewerber vom Markt auszuschließen, wobei der Umstand, dass es sich um potenzielle Wettbewerber handelte, nichts an dieser Beurteilung ändert. Solche Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern stellen horizontale Vereinbarungen dar. Zudem ist der Marktausschluss von Wettbewerbern eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung (Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 435). Somit hat die Kommission zu Recht Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen angewandt, die bei horizontalen Vereinbarungen zur Einschränkung der Erzeugung die Hinzufügung eines Zusatzbetrags vorsieht. 1884 Dieses Ergebnis wird durch das übrige Vorbringen der Klägerinnen nicht in Frage gestellt. 1885 Als Erstes hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Umstand außer Acht gelassen, dass die Vereinbarungen Rechte des geistigen Eigentums betrafen (siehe oben, Rn. 1794 bis 1797). 1886 Als Zweites waren die Generikahersteller, anders als die Klägerinnen meinen und wie bereits in den verschiedenen Teilen des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, die der Prüfung der Klagegründe des Fehlens von potenziellem Wettbewerb gewidmet sind, zu dem Zeitpunkt, als sie jeweils die Vereinbarung oder die Vereinbarungen unterzeichnet haben, die hier streitig sind und sie betreffen, potenzielle Wettbewerber von Servier. 1887 Als Drittes konnte Servier entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen bei vernünftiger Betrachtung vorhersehen, dass ihr Verhalten unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen würde (siehe oben, Rn. 1661). Außerdem konnte sie sich über den wettbewerbswidrigen Charakter ihres Verhaltens nicht im Unklaren sein (siehe oben, Rn. 1665). 1888 Als Viertes ist zu dem von den Klägerinnen geltend gemachten Fehlen „tatsächlicher Auswirkungen“ der Zuwiderhandlungen darauf hinzuweisen, dass sie sich ohne jede Substantiierung auf die Geltendmachung eines solchen Fehlens beschränken, um daraus auf die Unverhältnismäßigkeit des von der Kommission festgesetzten Zusatzbetrags zu schließen. Dieses Vorbringen ist somit nicht hinreichend substantiiert, um seine Begründetheit beurteilen zu können, und ist daher zurückzuweisen. 1889 Jedenfalls war die Kommission auf dieser Stufe der Berechnung der Geldbuße ebenso wenig zur Berücksichtigung des etwaigen Fehlens einer konkreten Auswirkung auf den Markt verpflichtet wie auf der Stufe der Bestimmung des von ihr zugrunde gelegten Umsatzanteils (siehe oben, Rn. 1802 bis 1810). Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus der Verordnung Nr. 1/2003 noch aus den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, noch aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte. 1890 Als Fünftes lässt der Umstand, dass die Kommission auf die Generikahersteller keinen Zusatzbetrag angewandt hat, nicht den Schluss auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zu. 1891 Zwischen der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegten Methode, die die Kommission auf Servier angewandt hat, und der Methode, die die Kommission auf die Generikahersteller angewandt hat, bestehen grundlegende Unterschiede (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 423). 1892 Im Rahmen der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehenen Methode zielt die in Ziff. 13 vorgesehene Berücksichtigung des Umsatzes darauf ab, bei der Berechnung der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbuße einen Betrag als Ausgangspunkt festzulegen, der die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht dieses Unternehmens dabei wiedergibt. Sodann setzt die Kommission gemäß den Ziff. 19 und 21 dieser Leitlinien nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung den Anteil an diesem Umsatz fest, der zur Bestimmung des Grundbetrags heranzuziehen ist. Dieser Anteil kann grundsätzlich bis zu 30 % betragen und wird gemäß Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 mit einem Koeffizienten nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung multipliziert. Danach fügt die Kommission gemäß Ziff. 25 dieser Leitlinien unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung dem Grundbetrag einen 15 % bis 25 % des Umsatzes entsprechenden Betrag hinzu, um die Unternehmen von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten, Mengeneinschränkungen oder anderen Zuwiderhandlungen abzuschrecken (Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 424). 1893 Dagegen umfasst die für die Generikahersteller gewählte Methode nicht alle diese Stufen, insbesondere die Hinzufügung eines Zusatzbetrags nach Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, da sie der Kommission erlaubt, die Wertübertragungen durch Servier an die betreffenden Generikahersteller direkt als Grundbetrag heranzuziehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Xellia Pharmaceuticals und Alpharma/Kommission, T‑471/13, nicht veröffentlicht, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:460, Rn. 425). 1894 Die Anwendung der ersten Methode auf Servier und der zweiten auf die Generikahersteller war gerechtfertigt. 1895 Erstens waren nämlich die Generikahersteller schon wegen des Zwecks der streitigen Vereinbarungen, bei denen es sich um Marktausschlussvereinbarungen handelt, anders als Servier während des Zeitraums der Zuwiderhandlungen nicht auf den Märkten tätig, auf denen diese begangen wurden. 1896 Somit konnte die Kommission nicht die Umsätze, die diese Generikahersteller im letzten vollständigen Geschäftsjahr ihrer Beteiligung an den Zuwiderhandlungen in dem betreffenden Gebiet erzielt hatten, heranziehen, wie es Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorsieht. 1897 Sie konnte daher auf die Generikahersteller nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwenden und ihnen insbesondere keinen Zusatzbetrag auferlegen, der auf der Grundlage der von dem Unternehmen im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz berechnet worden war. 1898 Die vorstehenden Erwägungen gelten für sämtliche Generikahersteller, da keiner von ihnen in die Märkte eintreten konnte, auf denen die Kommission die ihn betreffende Zuwiderhandlung festgestellt hatte. 1899 Was insbesondere Krka angeht, ist festzustellen, dass die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zurückzuweisen wäre, selbst wenn die Klägerinnen sie auf die Methode zur Berechnung der diesem Generikahersteller auferlegten Geldbuße sollten stützen können, obwohl Servier für die mit Krka geschlossenen Vereinbarungen nicht mit einer Sanktion belegt werden kann (siehe oben, Rn. 1636). 1900 Der Vergleich, auf dem die Rüge der Klägerinnen beruht, wird zwar nicht für jede der streitigen Vereinbarungen zwischen der Situation von Servier und derjenigen des betreffenden Generikaherstellers, sondern für alle Vereinbarungen zwischen der Situation von Servier und derjenigen aller in Rede stehenden Generikahersteller angestellt. Somit steht der Umstand, dass Servier wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen kein Zusatzbetrag auferlegt worden ist, einer Berücksichtigung der Situation von Krka zur Prüfung der Rüge der Klägerinnen nicht notwendig entgegen. 1901 Es trifft auch zu, dass eine der Vereinbarungen, die Krka mit Servier geschlossen hatte, die Erteilung einer in allen sieben Mitgliedstaaten gültigen Lizenz für das Patent 947 vorsah. Folglich konnte Krka ihre Erzeugnisse während der Dauer der Zuwiderhandlung in diesen Mitgliedstaaten verkaufen. 1902 Die Kommission hat jedoch keine Zuwiderhandlung für die Mitgliedstaaten festgestellt, in denen die Lizenz galt. Sie wirft den Parteien der Vereinbarung nicht den Eintritt von Krka in die sieben Märkte vor, für die die Lizenz galt, sondern deren Verzicht darauf, in die Märkte der anderen Mitgliedstaaten einzutreten, auf denen die Vermarktungsverbots- und Nichtangriffsklauseln ohne Lizenzvereinbarung galten. 1903 Der in Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen verwendete Umsatzbegriff kann nicht so weit ausgedehnt werden, dass er die von dem betreffenden Unternehmen getätigten Verkäufe umfasst, die nicht von dem zur Last gelegten Kartell erfasst werden (Urteil vom 12. November 2014, Guardian Industries und Guardian Europe/Kommission, C‑580/12 P, EU:C:2014:2363,Rn. 57). 1904 Somit konnten die sieben Märkte, auf die sich die Lizenzvereinbarung bezog, nicht als zum „relevanten räumlichen Markt“ im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gehörend angesehen werden. 1905 Hinzu kommt, dass der mit einer Lizenzvereinbarung gewährte Vorteil zwar unter bestimmten Umständen als Anreiz eingestuft werden kann, dass aber die einem Generikahersteller mit einer solchen Vereinbarung erteilte Erlaubnis, in einen Markt einzutreten oder dort ohne Risiko zu verbleiben, grundsätzlich günstig für den Wettbewerb ist, da der Markteintritt eines Generikaherstellers zu einer erheblichen Senkung der Preise führen kann. Es erschiene aber unangemessen, den Umsatz zu berücksichtigen, der auf Märkten erzielt worden ist, auf denen sich der Wettbewerb verschärft hat, um einem Generikahersteller eine Geldbuße aufzuerlegen, der an einer Wettbewerbsbeschränkung auf anderen Märkten beteiligt gewesen sein soll. 1906 Die Kommission konnte somit auf Krka und erst recht auf die anderen Generikahersteller, die an den streitigen Vereinbarungen beteiligt waren, nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen dargelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwenden und ihnen insbesondere keinen Zusatzbetrag auferlegen, der auf der Grundlage der von dem Unternehmen im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz berechnet worden war. 1907 Dies war aber bei Servier nicht der Fall, die auf den von den Zuwiderhandlungen betroffenen räumlichen Märkten Perindopril verkauft hatte. 1908 Die von der Kommission für die Generikahersteller herangezogene Methode zur Berechnung der Geldbuße war zweitens den Besonderheiten des Kontexts angepasst, da die in der Vereinbarung festgelegte Höhe der Wertübertragung den Gewinn berücksichtigte, den jeder Generikahersteller aus der ihn betreffenden Zuwiderhandlung zog. Eine solche Methode war gegenüber Servier nicht angemessen, die aus der Beibehaltung des hohen Perindopril-Preises Gewinn ziehen sollte. 1909 Derartige Situationsunterschiede rechtfertigten es, die Generikahersteller anders zu behandeln als Servier, d. h. eine besondere Berechnungsmethode anzuwenden, die sich von der Methode nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen unterscheidet und damit nicht die Anwendung des in diesen Leitlinien vorgesehenen Zusatzbetrags erfordert. 1910 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission zu Recht einen Zusatzbetrag zur Berechnung der Geldbuße angewandt hat, die wegen der ersten Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, d. h. diejenige betreffend Niche und Unichem (Rn. 3139 des angefochtenen Beschlusses), gegen Servier verhängt worden ist. 1911 Was die gesonderte Rüge angeht, die Nichtanwendung eines Zusatzbetrags für die Berechnung der Geldbuße der Generikahersteller sei im angefochtenen Beschlusses unzureichend begründet worden, hat die Kommission in Rn. 3146 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt: „Die Generikahersteller haben akzeptiert, kein generisches Perindopril in dem von jeder Vereinbarung erfassten Gebiet zu verkaufen, und haben folglich in diesem Gebiet keine Verkäufe getätigt. Daher sollte Ziff. 37 der Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] auf die Generikahersteller angewandt werden. Ziff. 37 dieser Leitlinien erlaubt der Kommission, wegen der besonderen Umstände eines Falles oder der Notwendigkeit einer ausreichend hohen Abschreckungswirkung von der normalen Methode der Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] abzuweichen.“ 1912 In Rn. 3152 des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission dargelegt: „Nach der Verordnung Nr. 1/2003 und den Leitlinien [für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen] sind für die Geldbuße folgende Faktoren zu berücksichtigen: i) Schwere der Zuwiderhandlung, ii) ihre Dauer, iii) erschwerende oder mildernde Umstände und iv) die Notwendigkeit einer abschreckenden Wirkung. In Ausübung ihres Ermessens befindet die Kommission, dass im vorliegenden Fall in Anbetracht der Besonderheiten der Sache der Betrag der Wertübertragung an die Generikahersteller wichtige Anhaltspunkte hinsichtlich dieser Faktoren liefert.“ 1913 Aus den angeführten Auszügen aus dem angefochtenen Beschluss ergibt sich erstens, dass die Kommission nicht die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehene Methode, die auf den Umsätzen im letzten vollständigen Geschäftsjahr der Beteiligung des Unternehmens an den Zuwiderhandlungen beruht, angewandt hat, sondern eine Methode, die den Betrag der Wertübertragung an die Generikahersteller als Grundbetrag für die Berechnung der Geldbuße heranzieht, zweitens, dass sie sich für dieses Vorgehen auf den Zweck der Vereinbarungen selbst gestützt hat, bei denen es sich um Marktausschlussvereinbarungen handelte, aufgrund deren die Generikahersteller zur Zeit der Zuwiderhandlung nicht auf dem Markt tätig waren, und drittens, dass sie der Ansicht war, dass die gewählte Methode es ihr erlaubte, u. a. die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. 1914 Dieser Begründung konnten die Klägerinnen entnehmen, warum die Kommission für die Generikahersteller eine andere Methode, die insbesondere nicht die Anwendung eines Zusatzbetrags einschloss, angewandt hat als die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen vorgesehene. Diese Begründung erlaubt auch dem Unionsrichter die Ausübung der Rechtmäßigkeitskontrolle und die Wahrnehmung seiner Aufgabe als zu unbeschränkter Nachprüfung befugter Richter. 1915 Somit ist die Rüge einer in dieser Hinsicht unzureichenden Begründung zurückzuweisen. 1916 Zum Abschluss ist festzustellen, dass die Anwendung eines Zusatzbetrags auf die erste Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV, der auf der Grundlage eines Satzes von 11 % des Umsatzes, der unterhalb der Spanne nach Ziff. 25 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen liegt, berechnet und überdies nur auf eine einzige der zulasten von Servier festgestellten Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmung angewandt worden ist, in Anbetracht aller im vorliegenden Fall relevanten Umstände, wie sie oben in den Rn. 1816 bis 1818 zusammengefasst worden sind, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann. 1917 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. g) Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung 1918 Die Klägerinnen erheben zwei Rügen, mit denen sie erstens die Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier und zweitens die Dauer des Verwaltungsverfahrens beanstanden. 1) Zur Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1922 Als Erstes verpflichtete der Umstand, dass Servier ein „Monoprodukt“-Unternehmen ist, sollte dies nachgewiesen sein, als solcher die Kommission nicht zu einer Herabsetzung der Geldbußen. Die Klägerinnen berufen sich für dieses Vorbringen weder auf eine zwingende Bestimmung des Unionsrechts noch auf eine dahin gehende Rechtsprechung. 1923 Zudem zieht ein Unternehmen wie Servier, das einen besonders großen Anteil seines Gesamtumsatzes mit dem den Gegenstand der Absprache bildenden Erzeugnis erzielt, aus dieser einen entsprechend höheren Gewinn (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Pilkington Group u. a./Kommission, C‑101/15 P, EU:C:2016:258, Nr. 100). Somit rechtfertigt der Umstand, dass Servier ein „Monoprodukt“-Unternehmen ist, allein keine Herabsetzung der Geldbußen. 1924 Was die Berufung auf die Beschlusspraxis der Kommission angeht, Geldbußen herabzusetzen, weil es sich um ein „Monoprodukt“-Unternehmen handelte, ist darauf hinzuweisen, dass der von den Klägerinnen angeführte Fall, wie er von diesen dargestellt worden ist, einen Sachverhalt betraf, der sich von dem vorliegenden unterscheidet, da die Kommission die betreffende Geldbuße herabgesetzt hatte, um zu verhindern, dass diese die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Schwelle von 10 % des Umsatzes erreichte. 1925 Zudem verfügt die Kommission über einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt vielmehr, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2016, Lundbeck/Kommission, T‑472/13, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2016:449, Rn. 773). 1926 Ferner kann sich nach ständiger Rechtsprechung jeder auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, bei dem ein Unionsorgan begründete Erwartungen geweckt hat. Das Recht, sich auf Vertrauensschutz zu berufen, ist an drei kumulative Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Unionsverwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite gegeben haben. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die gegebenen Zusicherungen den geltenden Bestimmungen entsprechen (vgl. Urteil vom 5. September 2014, Éditions Odile Jacob/Kommission, T‑471/11, EU:T:2014:739, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1927 Die von den Klägerinnen angeführten Tatsachen, nämlich eine Entschließung des Parlaments und eine Erklärung des für Wettbewerb zuständigen Mitglieds der Kommission, würden aber allenfalls den Schluss darauf erlauben, dass eine Möglichkeit besteht, dass die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen in der Zukunft geändert werden, um den besonderen Merkmalen von „Monoprodukt“-Unternehmen Rechnung zu tragen. Es handelt sich somit nicht um präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen, die geeignet waren, bei Servier begründete Erwartungen zu wecken. 1928 Als Zweites verpflichtete der Umstand, dass Servier von einer Stiftung ohne Gewinnzweck geführt wird, die keinerlei Dividende an natürliche Personen ausschüttet, und so einen erheblichen Teil oder sogar die Gesamtheit ihrer Gewinne der Forschung widmen kann, sollte dies nachgewiesen sein, als solcher die Kommission nicht zu einer Herabsetzung der Geldbußen. 1929 Zudem verfügt die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen (siehe oben, Rn. 1925). 1930 Sollten die Klägerinnen in Abrede stellen wollen, dass Servier ein Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts ist, wäre darauf hinzuweisen, dass die drei Gesellschaften, die Adressaten des angefochtenen Beschlusses und Klägerinnen in der vorliegenden Rechtssache sind, keine Stiftungen sind. 1931 Zudem hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Tatsache, dass Güter oder Dienstleistungen ohne die Absicht der Gewinnerzielung angeboten werden, nicht daran hindert, die Einheit, die diese Tätigkeiten auf dem Markt ausübt, als Unternehmen anzusehen, da ihr Angebot mit dem von Wirtschaftsteilnehmern konkurriert, die einen Erwerbszweck verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2008, MOTOE, C‑49/07, EU:C:2008:376, Rn. 27). 1932 Drittens beanstanden die Klägerinnen eine Verletzung des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung. 1933 Der Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verlangt, dass der Betrag der verhängten Geldbuße im Einklang mit Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 anhand der Schwere der dem betroffenen Unternehmen individuell zur Last gelegten Zuwiderhandlung und ihrer Dauer bestimmt wird (Urteile vom 10. April 2014, Kommission u. a./Siemens Österreich u. a., C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 52, und vom 19. Juni 2014, FLS Plast/Kommission, C‑243/12 P, EU:C:2014:2006, Rn. 107). 1934 Mit ihrem Vorbringen machen die Klägerinnen aber nicht geltend, dass die Kommission ein Gesamthaftungsverhältnis festgestellt habe, indem sie unterschiedlichen Unternehmen eine einheitliche Geldbuße auferlegt habe. 1935 Des Weiteren erlaubt der Umstand, dass die Kommission die gegen Servier verhängten Geldbußen nicht herabgesetzt hat, um zu berücksichtigen, dass diese von einer Stiftung ohne Gewinnzweck geführt wird, die keinerlei Dividende an natürliche Personen ausschüttet, und so einen erheblichen Teil oder sogar die Gesamtheit ihrer Gewinne der Forschung widmen kann, nicht den Nachweis, dass die Kommission den Gesamtbetrag der Servier auferlegten Geldbuße nicht nach Maßgabe der Schwere und der Dauer der ihr individuell vorgeworfenen Zuwiderhandlung bestimmt hat, wie es die oben in Rn. 1933 angeführte Rechtsprechung vorsieht. 1936 Nach alledem ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen. 2) Zur Dauer des Verwaltungsverfahrens i) Vorbringen der Parteien [nicht wiedergegeben] ii) Würdigung durch das Gericht 1941 Die Verletzung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer kann zwar die Nichtigerklärung einer am Ende eines Verwaltungsverfahrens nach Art. 101 oder Art. 102 AEUV erlassenen Entscheidung rechtfertigen, da sie auch eine Verletzung der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens mit sich bringt, jedoch kann die Überschreitung der angemessenen Dauer eines solchen Verwaltungsverfahrens durch die Kommission, sollte sie erwiesen sein, nicht zu einer Herabsetzung der verhängten Geldbuße führen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2016, PROAS/Kommission, C‑616/13 P, EU:C:2016:415, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1942 Im vorliegenden Fall machen die Klägerinnen keineswegs geltend, die Nichtbeachtung des Grundsatzes der Einhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer habe zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte von Servier geführt. Daher kann diese Nichtbeachtung, sollte sie nachgewiesen sein, die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses nicht rechtfertigen. Nach der in der vorstehenden Rn. 1941 angeführten Rechtsprechung verschafft sie den Klägerinnen auch keinen Anspruch auf eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße. 1943 In Rn. 1037 ihrer Klagebeantwortung führt die Kommission jedenfalls aus: „Die Kommission ist der Ansicht, dass sie alle rechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich der Dauer des Verwaltungsverfahrens erfüllt hat. Im vorliegenden Fall hat die Kommission ihre von Amts wegen eingeleitete Untersuchung am 24. November 2008 begonnen. Der Beschluss ist am 9. Juli 2014 erlassen worden. In dem Beschluss sind die zahlreichen im Lauf der Untersuchung … getroffenen Maßnahmen bereits aufgeführt worden. Nach Ansicht der Kommission tragen die Tragweite und die Bedeutung der Sache – auf der Ebene sowohl der verschiedenen Praktiken, die Gegenstand der Untersuchung waren, als auch der betroffenen Unternehmen und Behörden – zur Erklärung der Dauer der Untersuchung bei. Die Kommission hebt hervor, dass der Beschluss an dreizehn Unternehmen gerichtet war, die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV, sechs verschiedene Zuwiderhandlungen und zwei Marktdefinitionen betrifft und die Prüfung umfangreicher Unterlagen erforderte. Die Kommission hat über 200 [Auskunftsverlangen] versandt, Nachprüfungen bei 6 Unternehmen vorgenommen, über 15 Arbeitssitzungen mit den betroffenen Unternehmen durchgeführt und eine Akte mit über 11000 Einträgen … angelegt.“ 1944 Diese von den Klägerinnen nicht bestrittenen Tatsachen, zu denen die rechtliche und tatsächliche Komplexität der Sache hinzukommt, die sich zumindest teilweise aus dem Wortlaut der Vereinbarungen ergibt, deren Mitverfasser die Klägerinnen waren, erlauben den Schluss, dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Fall ein angemessenes Maß nicht überschritten hat. 1945 Dem ist hinzuzufügen, dass die in der vorstehenden Rn. 1944 getroffene Feststellung, dass es sich um eine komplexe Sache handelte, nicht im Widerspruch zu den folgenden Ausführungen der Kommission in Rn. 3110 des angefochtenen Beschlusses steht: „… Jedenfalls können die hier vorliegenden Praktiken, die einen Marktausschluss im Austausch für eine Wertübertragung zum Gegenstand hatten, hinsichtlich der Verhängung von Geldbußen nicht als rechtlich komplex angesehen werden, und ihre Rechtswidrigkeit war für die Parteien vorhersehbar.“ 1946 Auch wenn nämlich, wie bereits dargelegt, die Rechtswidrigkeit dieser Vereinbarungen, weil sie in der Form von Patentvergleichen geschlossen wurden, für einen außenstehenden Beobachter wie die Kommission möglicherweise nicht offensichtlich war, gilt dies doch nicht für die Parteien dieser Vereinbarungen. 1947 Nach alledem ist die vorliegende Rüge und damit der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. h) Zusammenfassung zur Nichtigerklärung der Geldbußen und zu ihrer Herabsetzung 1948 Wie bereits dargelegt, sind die in Rede stehenden Vereinbarungen, mit Ausnahme der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen, Marktausschlussvereinbarungen, mit denen wettbewerbswidrige Ziele verfolgt werden. Der Marktausschluss von Wettbewerbern stellt aber eine extreme Form der Marktaufteilung und der Produktionsbeschränkung dar (siehe oben, Rn. 1816). Solche Vereinbarungen müssen daher gemäß Ziff. 23 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen grundsätzlich streng geahndet werden (siehe oben, Rn. 1816). 1949 Zudem haben es diese Vereinbarungen, die auf einem Anreiz und nicht auf der Anerkennung der Gültigkeit des Patents durch die Parteien beruhten, Servier gerade ermöglicht, die mit den Patentrechtsstreitigkeiten verbundenen Unwägbarkeiten und die Ungewissheiten hinsichtlich der Bedingungen und Möglichkeiten des Markteintritts der Generikahersteller durch die Gewissheit zu ersetzen, dass diejenigen, mit denen eine Vereinbarung geschlossen wurde, vom Markt ferngehalten würden (siehe oben, Rn. 1819). 1950 Diese Vereinbarungen sind schließlich auch in die Praxis umgesetzt worden. 1951 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss (Rn. 3128) den Umstand berücksichtigt hat, dass Servier mehrere Zuwiderhandlungen begangen hatte, die zwar gesondert waren, aber dasselbe Erzeugnis, Perindopril, und weitgehend dieselben Gebiete und Zeiträume betrafen. In diesem besonderen Kontext hat sie zur Vermeidung eines potenziell unverhältnismäßigen Ergebnisses beschlossen, für jede Zuwiderhandlung den Anteil des Umsatzes von Servier, der zur Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt worden ist, zu begrenzen. Sie hat somit eine Korrektur vorgenommen, die zu einer durchschnittlichen Reduzierung des Gesamtwerts der auf die einzelnen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV entfallenden Verkäufe um 54,5 % geführt hat. 1952 Zudem stellt der zur Berechnung der Geldbuße berücksichtigte Umsatzanteil, d. h. je nach Fall 10 % oder 11 %, nur etwa ein Drittel des Anteils dar, der höchstens berücksichtigt werden kann. 1953 Schließlich hat das Gericht unter Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen der Matrix- und der Niche-Vereinbarung die Servier wegen der Matrix-Vereinbarung auferlegte Geldbuße herabgesetzt. 1954 In Anbetracht der in den vorstehenden Rn. 1948 bis 1953 dargelegten Umstände sowie sämtlicher im vorliegenden Urteil enthaltenen Erwägungen ist zu schließen, dass die Servier nach Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen unter Berücksichtigung der vom Gericht bereits im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vorgenommenen Herabsetzungen nicht unverhältnismäßig sind, auch wenn die Kommission in Rn. 3130 des angefochtenen Beschlusses, wie das Ergebnis der Prüfung des Klagegrundes betreffend die Definition des relevanten Marktes gezeigt hat, zu Unrecht befunden hat, dass „Servier sehr große Marktanteile auf den relevanten Märkten besaß, die für die Zwecke des vorliegenden Beschlusses definiert worden und von den Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV betroffen sind“. 1955 Da die Kommission die festgestellten Zuwiderhandlungen zu Recht als gesonderte Zuwiderhandlungen angesehen hat (siehe oben, Rn. 1685 bis 1691), erlaubt der Umstand, dass der kumulierte Betrag der Geldbußen einen nicht unerheblichen Prozentsatz des weltweiten Umsatzes von Servier darstellt, nicht den Schluss auf die Unverhältnismäßigkeit dieser Geldbußen. Eine solche Unverhältnismäßigkeit liegt umso weniger vor, als das Gericht diesen Prozentsatz im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bereits erheblich herabgesetzt hat. 1956 Nach alledem ist der Hilfsantrag der Klägerinnen, soweit er die Servier wegen der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen betrifft, mit Ausnahme des Antrags auf Nichtigerklärung der Geldbuße, die Servier wegen der Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen auferlegt worden ist, zum einen und auf Herabsetzung der Servier wegen der Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit der Matrix-Vereinbarung auferlegten Geldbuße zum anderen zurückzuweisen. Dem Hilfsantrag der Klägerinnen, soweit er die Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV betrifft, ist folglich stattzugeben, da Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festgestellt hat, für nichtig erklärt worden ist (siehe oben, Rn. 1638). 1957 Dem ist schließlich hinzuzufügen, dass die Kommission im Rahmen der Modalitäten der Berechnung der einzelnen Geldbußen für die verschiedenen von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV einen Korrekturfaktor nach Maßgabe der Zahl der in einem Mitgliedstaat gleichzeitig begangenen Zuwiderhandlungen eingeführt hat. Somit könnte die Feststellung, dass eine der Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV nicht nachgewiesen ist, dem Gericht eventuell Anlass zu der Frage geben, ob es angezeigt sein könnte, die Servier wegen der anderen Zuwiderhandlungen gegen Art. 101 AEUV auferlegten Geldbußen zu erhöhen. 1958 In Anbetracht aller Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere der oben am Ende von Rn. 1954 angeführten Umstände, ist jedoch keine solche Erhöhung vorzunehmen, die im Übrigen von der Kommission nicht beantragt worden ist. IV. Gesamtergebnis 1959 Was als Erstes Art. 101 AEUV angeht, ergibt sich aus sämtlichen vorstehenden Erwägungen, dass die Kommission hinsichtlich der Niche‑, der Matrix‑, der Teva- und der Lupin-Vereinbarung zu Recht eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung festgestellt hat. Unter diesen Umständen braucht jedenfalls nicht geprüft zu werden, ob die Feststellung einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung hinsichtlich dieser Vereinbarungen begründet ist. 1960 Dagegen befindet das Gericht zum einen hinsichtlich der Zuwiderhandlung, die wegen der mit Krka geschlossenen Vereinbarungen festgestellt worden ist, dass die Kommission das Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht nachgewiesen hat. Aufgrund der Prüfung der von der Kommission getroffenen Feststellung des Vorliegens einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung befindet das Gericht, dass auch diese nicht nachgewiesen ist. Art. 4 des angefochtenen Beschlusses ist daher insoweit für nichtig zu erklären, als die Kommission mit diesem festgestellt hat, dass sich Servier in Bezug auf die zwischen Servier und Krka geschlossenen Vereinbarungen an einer Zuwiderhandlung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV beteiligt hat. Folglich ist Art. 7 Abs. 4 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission Servier wegen dieser Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 37661800 Euro auferlegt hat, ebenfalls für nichtig zu erklären. 1961 Zum anderen erachtet das Gericht in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Geldbuße, die Servier wegen der in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses im Zusammenhang mit der Matrix-Vereinbarung festgestellten Zuwiderhandlung auferlegt worden ist, für zu hoch. Folglich ist diese Geldbuße, die sich aus Art. 7 Abs. 2 Buchst. b des angefochtenen Beschlusses ergibt, herab- und auf 55385190 Euro festzusetzen. 1962 Im Übrigen sind die Servier von der Kommission wegen der Niche‑, der Teva- und der Lupin-Vereinbarung auferlegten Geldbußen zu bestätigen. 1963 Was als Zweites Art. 102 AEUV angeht, erachtet es das Gericht für nicht erwiesen, dass der relevante Markt für die Endprodukte auf Perindopril begrenzt war. Da eine beherrschende Stellung von Servier weder auf diesem Markt noch auf dem Markt für die Technologie dargetan ist, ist das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung in Frage gestellt, so dass Art. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem diese Zuwiderhandlung festgestellt worden ist, für nichtig zu erklären ist. Folglich ist Art. 7 Abs. 6 des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission Servier wegen dieser Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 41270000 Euro auferlegt hat, ebenfalls für nichtig zu erklären. V. Kosten 1964 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. 1965 Nach Art. 134 Abs. 3 Satz 1 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. 1966 Da sowohl die Klägerinnen als auch die Kommission mit ihren Anträgen teilweise unterlegen sind, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. 1967 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten seine eigenen Kosten trägt. 1968 Da die in der vorstehenden Rn. 1967 genannte Bestimmung auf die EFPIA anwendbar ist, sind dieser ihre eigenen Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Neunte erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Art. 4 des Beschlusses C(2014) 4955 final der Kommission vom 9. Juli 2014 in einem Verfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (Sache AT.39612 – Perindopril [Servier]) wird für nichtig erklärt, soweit damit die Beteiligung der Servier SAS und der Laboratoires Servier SAS an den in diesem Artikel genannten Zuwiderhandlungen festgestellt wird. 2. Art. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final wird für nichtig erklärt. 3. Art. 7 Abs. 4 Buchst. b und Abs. 6 des Beschlusses C(2014) 4955 final wird für nichtig erklärt. 4. Der Betrag der Servier und Laboratoires Servier wegen der in Art. 2 des Beschlusses C(2014) 4955 final genannten Zuwiderhandlung auferlegten Geldbuße, wie er sich aus Art. 7 Abs. 2 Buchst. b dieses Beschlusses ergibt, wird auf 55385190 Euro festgesetzt. 5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 6. Servier, die Servier Laboratories Ltd und Laboratoires Servier auf der einen und die Europäische Kommission auf der anderen Seite tragen ihre eigenen Kosten. 7. Die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA) trägt ihre eigenen Kosten. Gervasoni Bieliūnas Madise Da Silva Passos Kowalik-Bańczyk Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Dezember 2018. Unterschriften Inhaltsverzeichnis I. Sachverhalt A. Die Klägerinnen B. Perindopril und seine Patente 1. Perindopril 2. Patent für das Molekül 3. Sekundärpatente 4. Perindopril der zweiten Generation C. Die Rechtsstreitigkeiten betreffend Perindopril 1. Streitigkeiten vor dem EPA 2. Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten a) Rechtsstreit zwischen Servier und Niche sowie Matrix b) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Ivax sowie Teva c) Rechtsstreit zwischen Servier und Krka d) Rechtsstreit zwischen Servier und Lupin e) Rechtsstreitigkeiten zwischen Servier und Apotex D. Die Vergleiche in den Rechtsstreitigkeiten über die Patente 1. Von Servier mit Niche und Unichem und mit Matrix geschlossene Vereinbarungen 2. Von Servier mit Teva geschlossene Vereinbarung 3. Von Servier mit Krka geschlossene Vereinbarungen 4. Von Servier mit Lupin geschlossene Vereinbarung E. Der Erwerb von Enabling-Technologien F. Die Sektoruntersuchung G. Verwaltungsverfahren und angefochtener Beschluss II. Verfahren und Anträge der Parteien III. Rechtliche Würdigung A. Zur Zulässigkeit 1. Zur Zulässigkeit des dritten Klageantrags a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 2. Zur Zulässigkeit einiger Anlagen zur Klageschrift a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht B. Zur Begründetheit 1. Zur Verletzung des Grundsatzes der Unparteilichkeit und des Rechts auf gute Verwaltung a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 2. Zum Fehlen einer wirksamen Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 3. Zur Verletzung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes der Waffengleichheit a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 4. Zur Verfälschung von Tatsachen a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 5. Zu den Rechtsfehlern betreffend die Bestimmung des Begriffs der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung a) Zu dem ihrem Zweck nach beschränkenden Charakter von Patentvergleichsvereinbarungen 1) Zu den bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen 2) Zu den Rechten des geistigen Eigentums und insbesondere den Patenten 3) Zu den Vergleichen in Patentrechtsstreitigkeiten 4) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und Wettbewerbsrecht 5) Zum Anreiz 6) Zur Anwendbarkeit der Theorie der Nebenabreden auf Vergleichsvereinbarungen 7) Zur Abstimmung zwischen Patentvergleichsvereinbarungen und amerikanischem Wettbewerbsrecht 8) Zu den ihrer Natur nach ambivalenten Wirkungen von Vergleichsvereinbarungen b) Zu den von der Kommission herangezogenen Kriterien für die Einstufung der Vergleichsvereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Zum Kriterium des potenziellen Wettbewerbs i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht – Zu den Kriterien für die Beurteilung des potenziellen Wettbewerbs – Zu den durch die Patente der Klägerinnen gebildeten Hindernissen für den potenziellen Wettbewerb 2) Zum Kriterium der Verpflichtung der Generikahersteller zur Beschränkung ihrer unabhängigen Bemühungen um einen Markteintritt i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 3) Zu dem Kriterium der Wertübertragung zugunsten der Generikahersteller i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 6. Zu den mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen a) Zur Einstufung von Niche und von Matrix als potenzielle Wettbewerber b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht i) Zum Fehlen einer als Anreiz wirkenden Wertübertragung ii) Zum Fehlen hinreichender Schädlichkeit der Nichtangriffs- und Vermarktungsverbotsklauseln c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Niche- und der Matrix-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 7. Zu der mit Teva geschlossenen Vereinbarung a) Zur Einstufung von Teva als potenzieller Wettbewerber b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht i) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, mit dem Hersteller des Originalpräparats in Wettbewerb zu treten ii) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils – Zu der endgültigen pauschalen Entschädigung – Zu dem Einmalbetrag iii) Zu der hilfsweise erhobenen Rüge betreffend die Dauer der Zuwiderhandlung c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Teva-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 8. Zu der mit Lupin geschlossenen Vereinbarung a) Zur Einstufung von Lupin als potenzieller Wettbewerber b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht i) Zum Fehlen eines als Anreiz wirkenden Vorteils ii) Zum Fehlen einer Beschränkung der Bemühungen des Generikaherstellers, in Wettbewerb mit dem Hersteller des Originalpräparats zu treten iii) Zum Fehlen einer Zuwiderhandlung iv) Zu dem von Servier hilfsweise geltend gemachten Klagegrund einer fehlerhaften Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung c) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Lupin-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 9. Zu den mit Krka geschlossenen Vereinbarungen a) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarungen als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 1) Zu der Vergleichs- und der Lizenzvereinbarung i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 2) Zu der Übertragungsvereinbarung i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht b) Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung der Krka-Vereinbarung als bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht i) Zum Ansatz der Kommission ii) Die im vorliegenden Fall einschlägige Rechtsprechung iii) Zum Beurteilungsfehler – Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Vermarktungsverbotsklausel – Zu der in der Vergleichsvereinbarung enthaltenen Nichtangriffsklausel – Zur Übertragung der Lizenz für die Technologie von Krka iv) Zum Rechtsfehler 10. Zu dem Klagegrund betreffend die Definition des Begriffs der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 11. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Einstufung als gesonderte Zuwiderhandlungen a) Zur Einstufung der fünf Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht b) Zur Einstufung der mit Niche und mit Matrix geschlossenen Vereinbarungen als gesonderte Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht 12. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend die Definition des relevanten Marktes für die Endprodukte a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 1) Vorbemerkungen i) Zum Umfang der Kontrolle durch den Unionsrichter ii) Zur Abgrenzung des relevanten Produktmarkts im Arzneimittelsektor 2) Zum ersten Teil der ersten Rüge: fehlende Berücksichtigung sämtlicher Elemente des wirtschaftlichen Kontexts 3) Zur zweiten Rüge: Verkennung der therapeutischen Substituierbarkeit der ACE‑Hemmer durch die Kommission i) Zur Unterscheidung zwischen Perindopril und den anderen ACE‑Hemmern hinsichtlich Wirksamkeit und Nebenwirkungen ii) Zum Phänomen der „Unbeweglichkeit“ der Ärzte bei Neupatienten iii) Zur Neigung der Patienten in Langzeitbehandlung zu Veränderungen iv) Zu den Werbeaktivitäten 4) Zum zweiten Teil der ersten Rüge, mit dem geltend gemacht wird, dass dem Kriterium des Preises bei der Marktanalyse zu große Bedeutung beigemessen worden sei, und zur dritten, hilfsweise erhobenen Rüge, dass die ökonometrische Analyse der Kommission fehlerhaft sei 5) Ergebnis 13. Zu den Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Endprodukte a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 14. Zu den Rechts- und Beurteilungsfehlern betreffend das Bestehen einer beherrschenden Stellung auf dem Markt für die Technologie a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 15. Zu den Rechts- und Tatsachenfehlern betreffend das Vorliegen eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 16. Zum Hilfsantrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbußen a) Zur Unvorhersehbarkeit der im angefochtenen Beschluss herangezogenen Auslegung 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht b) Zu dem Rechtsfehler betreffend die Kumulierung der Geldbußen 1) Zur Missachtung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 2) Zur Kumulierung der nach den Art. 101 und 102 AEUV verhängten Geldbußen i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht c) Zur Berechnung des Umsatzes 1) Zur Berücksichtigung des Absatzes im Krankenhaussektor i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 2) Zum Vorwurf einer unzureichenden Begründung der Berechnung des Umsatzes i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 3) Zum räumlichen Gebiet des Umsatzes i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht d) Zur Schwere der Zuwiderhandlungen 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht e) Zur Dauer der Zuwiderhandlungen 1) Zum Beginnder Zuwiderhandlungen i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 2) Zum Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlungen i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht f) Zur Anwendung eines Zusatzbetrags 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht g) Zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der individuellen Sanktionszumessung 1) Zur Nichtberücksichtigung der Besonderheiten von Servier i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 2) Zur Dauer des Verwaltungsverfahrens i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht h) Zusammenfassung zur Nichtigerklärung der Geldbußen und zu ihrer Herabsetzung IV. Gesamtergebnis V. Kosten (*1) Verfahrenssprache: Französisch. (i ) Die vorliegende Sprachfassung ist in den Rn. 61 und 900 gegenüber der ursprünglich online gestellten Fassung geändert worden. (1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 9. Dezember 2014.#Alfa Acciai SpA gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Kartelle – Markt für Bewehrungsrundstahl in Form von Stäben oder Ringen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS nach Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Zahlungsfristen – Beschränkung oder Kontrolle der Produktion oder des Absatzes – Ermessensüberschreitung – Verteidigungsrechte – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Bestimmung des Ausgangsbetrags – Mildernde Umstände – Dauer des Verwaltungsverfahrens.#Rechtssache T‑85/10.
62010TJ0085
ECLI:EU:T:2014:1037
2014-12-09T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62010TJ0085 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62010TJ0085 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62010TJ0085 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Sechste erweiterte Kammer) vom 14. September 2022.#Google LLC und Alphabet, Inc. gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Intelligente Mobilgeräte – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Begriffe der mehrseitigen Plattform und des mehrseitigen Marktes (‚Ökosystem‘) – Betriebssystem (Google Android) – Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) – Such- und Browseranwendungen (Google Search und Chrome) – Vereinbarungen mit Geräteherstellern und Mobilfunknetzbetreibern – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Begriffe des Gesamtplans und von im Rahmen derselben Zuwiderhandlung umgesetzten Verhaltensweisen (Produktbündel, Ausschließlichkeitszahlungen und Anti-Fragmentierungsverpflichtungen) – Verdrängungswirkungen – Verteidigungsrechte – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung.#Rechtssache T-604/18.
62018TJ0604
ECLI:EU:T:2022:541
2022-09-14T00:00:00
Gericht
62018TJ0604 URTEIL DES GERICHTS (Sechste erweiterte Kammer) 14. September 2022 (*1) „Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Intelligente Mobilgeräte – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Begriffe der mehrseitigen Plattform und des mehrseitigen Marktes (‚Ökosystem‘) – Betriebssystem (Google Android) – Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) – Such- und Browseranwendungen (Google Search und Chrome) – Vereinbarungen mit Geräteherstellern und Mobilfunknetzbetreibern – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Begriffe des Gesamtplans und von im Rahmen derselben Zuwiderhandlung umgesetzten Verhaltensweisen (Produktbündel, Ausschließlichkeitszahlungen und Anti-Fragmentierungsverpflichtungen) – Verdrängungswirkungen – Verteidigungsrechte – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung“ In der Rechtssache T‑604/18, Google LLC mit Sitz in Mountain View, Kalifornien (Vereinigte Staaten), Alphabet, Inc. mit Sitz in Mountain View, vertreten durch N. Levy, J. Schindler, A. Lamadrid de Pablo, J. Killick, A. Komninos, G. Forwood, Avocats, P. Stuart, D. Gregory und H. Mostyn, Barristers, sowie M. Pickford, QC, Klägerinnen, unterstützt durch Application Developers Alliance mit Sitz in Washington, D. C. (Vereinigte Staaten), vertreten durch A. Parr und S. Vaz, Solicitors, sowie R. Baena Zapatero, Avocat, durch Computer & Communications Industry Association mit Sitz in Washington, D. C., vertreten durch E. Batchelor und T. Selwyn Sharpe, Solicitors, und G. Vasconcelos Lopes, Avocate, durch Gigaset Communications GmbH mit Sitz in Bocholt (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt J.‑F. Bellis, durch HMD global Oy mit Sitz in Helsinki (Finnland), vertreten durch M. Glader und M. Johansson, Avocats, und durch Opera Norway AS, ehemals Opera Software AS, mit Sitz in Oslo (Norwegen), vertreten durch M. Glader und M. Johansson, Avocats, Streithelferinnen, gegen Europäische Kommission, vertreten durch N. Khan, A. Dawes, C. Urraca Caviedes und F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V., vormals Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V., mit Sitz in Berlin (Deutschland), vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff, durch Bureau européen des unions de consommateurs (BEUC) mit Sitz in Brüssel (Belgien), vertreten durch A. Fratini, Avocate, durch FairSearch AISBL mit Sitz in Brüssel, vertreten durch T. Vinje, D. Paemen und K. Missenden, Avocats, durch Qwant mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff, durch Seznam.cz, a.s. mit Sitz in Prag (Tschechische Republik), vertreten durch M. Felgr, T. Vinje, D. Paemen, J. Dobrý und P. Chytil, Avocats, und durch Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. mit Sitz in Berlin, vertreten durch Professor T. Höppner und Rechtsanwalt P. Westerhoff, Streithelfer, erlässt DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin A. Marcoulli sowie der Richter S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter), J. Schwarcz, C. Iliopoulos und R. Norkus, Kanzler: C. Kristensen, Referatsleiterin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. September bis zum 1. Oktober 2021 folgendes Urteil 1 Mit ihrer auf Art. 263 AEUV gestützten Klage beantragen die Google LLC (vormals Google Inc.) und die Alphabet, Inc., deren Tochtergesellschaft die Google LLC ist (im Folgenden zusammen: Google oder Klägerinnen), in erster Linie die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2018) 4761 final der Kommission vom 18. Juli 2018 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.40099 – Google Android) (im Folgenden: angefochtener Beschluss) und hilfsweise die Aufhebung oder Herabsetzung der in diesem Beschluss gegen sie verhängten Geldbuße. I. Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Google ist ein Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologiebranche, das sich auf Online-Produkte und ‑Dienstleistungen spezialisiert hat und im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) tätig ist. A. Hintergrund der Rechtssache 3 Um dem Aufkommen und der Entwicklung des mobilen Internets sowie der Erwartung einer damit verbundenen Änderung des Nutzerverhaltens bei allgemeinen Online-Suchen Rechnung zu tragen, erwarb Google 2005 das Unternehmen, das ursprünglich das Betriebssystem für intelligente Mobilgeräte (im Folgenden: BS) Android entwickelt hatte. Im Juli 2018 wurden laut der Europäischen Kommission rund 80 % der in Europa und weltweit genutzten intelligenten Mobilgeräte mit Android betrieben. 4 Wenn Google eine neue Version von Android entwickelt, veröffentlicht sie den Quellcode online. Dies ermöglicht es Dritten, diesen Code herunterzuladen und zu verändern, um auf diese Weise „Android-Forks“ zu erstellen (eine Fork ist eine neue Software, die aus dem Quellcode einer bestehenden Software erstellt wird). Der unter einer freien Betriebslizenz („Android Open Source Project licence“, im Folgenden: AOSP-Lizenz) offengelegte Android-Quellcode enthält die Grundelemente eines BS, nicht aber die Android-Anwendungen und -Dienste, die geistiges Eigentum von Google sind. Die Originalgerätehersteller (im Folgenden: OEM), die Anwendungen und Dienste von Google beziehen möchten, müssen daher Verträge mit Google abschließen. Solche Verträge schließt Google auch mit den Mobilfunknetzbetreibern (im Folgenden: „MNO“), die proprietäre Anwendungen und Dienste von Google auf Geräten installieren wollen, die sie an Endnutzer verkaufen. 5 Einige dieser Verträge sind Gegenstand der vorliegenden Rechtssache. B. Verfahren vor der Kommission 6 Am 25. März 2013 reichte die FairSearch AISBL, ein Verband von Unternehmen, die im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie tätig sind, bei der Kommission eine Beschwerde wegen bestimmter Geschäftspraktiken von Google im Bereich des mobilen Internets ein. Aufgrund dieser Beschwerde richtete die Kommission Auskunftsersuchen an Google, ihre Kunden, ihre Mitbewerber und andere in diesem Umfeld tätige Einrichtungen. Auch weitere Einrichtungen haben sich bei der Kommission über das Verhalten von Google im mobilen Internet beschwert. 7 Am 15. April 2015 leitete die Kommission ein Verfahren gegen Google in Bezug auf Android ein. 8 Am 20. April 2016 übermittelte die Kommission Google eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Eine nicht vertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde auch den 17 Beschwerdeführern und interessierten Dritten zugesandt. 9 Zwischen Oktober 2016 und Oktober 2017 erhielt die Kommission von elf Beschwerdeführern und interessierten Dritten Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte. Im Dezember 2016 legte Google die endgültige Fassung ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vor (im Folgenden: Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte). Zu diesem Zeitpunkt hatte Google keine Anhörung beantragt. 10 Zwischen August 2017 und Mai 2018 teilte die Kommission Google zur Stützung der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Schlussfolgerungen verschiedene tatsächliche Umstände mit. Diese Umstände wurden insbesondere durch ein erstes Sachverhaltsschreiben vom 31. August 2017 und ein zweites Sachverhaltsschreiben vom 11. April 2018 mitgeteilt. Google nahm zu diesen Schreiben am 23. Oktober 2017 bzw. am 7. Mai 2018 Stellung. 11 Darüber hinaus beantragte Google im September 2017, ihr alle relevanten Dokumente zu etwaigen Besprechungen der Kommission mit Dritten zu übermitteln. Die Kommission gab diesem Antrag im Februar 2018 statt. 12 Google erhielt 2016 im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte, 2017 im Anschluss an das erste Sachverhaltsschreiben und 2018 im Anschluss an das zweite Sachverhaltsschreiben Akteneinsicht. 13 Am 7. Mai 2018 beantragte Google die Durchführung einer Anhörung. Diesen Antrag lehnte die Kommission am 18. Mai 2018 ab. 14 Auf Antrag von Google übermittelte die Kommission ihr am 21. Juni 2018 zwei Schreiben von interessierten Dritten. Google äußerte sich am 27. Juni 2018 zu ihnen. C. Angefochtener Beschluss 15 Am 18. Juli 2018 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss. Darin verhängte sie eine Geldbuße gegen die Google LLC und teilweise gegen die Alphabet, Inc. wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln, weil sie den OEM und MNO wettbewerbswidrige vertragliche Beschränkungen auferlegt hätten, um die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innerhalb des EWR zu schützen und zu festigen. 16 Im angefochtenen Beschluss wurden drei Gruppen vertraglicher Beschränkungen identifiziert: – die in die Vertriebsvereinbarungen für mobile Anwendungen (im Folgenden: VVMA) eingefügten Beschränkungen, mit denen Google die OEM verpflichtete, die allgemeinen Suchanwendungen (Google Search) und Browseranwendungen (Chrome) von Google vorzuinstallieren, bevor sie eine Betriebslizenz für ihre Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) erhalten konnten; – die in die Anti-Fragmentierungsvereinbarungen (im Folgenden: AFV) eingefügten Beschränkungen, nach denen OEM, die Google-Anwendungen vorinstallieren wollten, keine Geräte mit von Google nicht genehmigten Android-Versionen verkaufen durften; – die in die Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen (im Folgenden: VAE) eingefügten Beschränkungen, nach denen Google den OEM und den MNO einen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen gewährte, sofern sich diese Hersteller oder Betreiber verpflichteten, keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf Geräten vorzuinstallieren, die zu einem gemeinsam festgelegten Sortiment gehören (im Folgenden: sortimentbezogene VAE). 17 Was die Dauer der vertraglichen Beschränkungen (im Folgenden zusammen: streitige Beschränkungen) betrifft, dauerten die VVMA-Beschränkungen für das Bündel aus Google Search und Play Store vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses und für das Bündel aus Chrome, Google Search und Play Store vom 1. August 2012 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses, die mit den AFV verbundenen Beschränkungen vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses und die mit den VAE verbundenen Beschränkungen vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2014, an dem die letzte sortimentbezogene VAE auslief. 18 Nach Auffassung der Kommission zielten die streitigen Beschränkungen darauf ab, die marktbeherrschende Stellung von Google bei allgemeinen Suchdiensten und damit die Einnahmen, die Google durch Werbeanzeigen im Zusammenhang mit diesen Suchvorgängen erzielte, zu schützen und zu stärken. Das gemeinsame Ziel der streitigen Beschränkungen und die Wechselwirkungen zwischen ihnen veranlassten die Kommission, sie als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des EWR-Abkommens einzustufen. 19 Zur Ahndung dieser als missbräuchlich angesehenen Praktiken verhängte die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von 4342865000 Euro. Bei der Ermittlung dieses Betrags berücksichtigte die Kommission den Wert der relevanten Umsätze innerhalb des EWR, die im Zusammenhang mit der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung standen und von Google im letzten Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung (2017) erzielt wurden, und wandte darauf einen Schwerefaktor (11 %) an. Anschließend multiplizierte die Kommission den ermittelten Betrag mit der Zahl der Jahre der Beteiligung an der Zuwiderhandlung (ungefähr 7,52) und fügte einen Zusatzbetrag (in Höhe von 11 % des Umsatzes von 2017) hinzu, um vergleichbare Unternehmen davon abzuhalten, gleichartige Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Die Kommission war ferner der Auffassung, dass kein Anlass bestanden habe, mildernde oder erschwerende Umstände zu berücksichtigen oder die erhebliche Finanzkraft von Google besonders zu berücksichtigen, um die Höhe der Geldbuße nach unten oder oben zu verändern. 20 Die Kommission forderte Google außerdem auf, diese Praktiken innerhalb von 90 Tagen nach der Zustellung des angefochtenen Beschlusses einzustellen. II. Verfahren und Anträge der Parteien 21 Mit Klageschrift, die am 9. Oktober 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Google die vorliegende Klage erhoben. 22 Auf Antrag der Kommission ist die Frist für die Einreichung der Klagebeantwortung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 15. März 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Klagebeantwortung eingereicht worden. 23 Auf Antrag von Google ist die Frist für die Einreichung der Erwiderung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 1. Juli 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Erwiderung eingereicht worden. 24 Auf Antrag der Kommission ist die Frist für die Einreichung der Gegenerwiderung mehrfach verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 29. November 2019 festgesetzt; an diesem Tag ist die Gegenerwiderung eingereicht worden. A. Streithilfeanträge 25 Innerhalb der in Art. 143 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vorgesehenen Frist sind elf Streithilfeanträge gestellt worden. 26 Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer vom 23. September 2019 sind – die Application Developers Alliance (im Folgenden: ADA), die Computer & Communications Industry Association (im Folgenden: CCIA), die Gigaset Communications GmbH (im Folgenden: Gigaset), die HMD global Oy (im Folgenden: HMD) und die Opera Norway AS, vormals Opera Software AS (im Folgenden: Opera), als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge von Google sowie – das Bureau européen des unions de consommateurs (im Folgenden: BEUC), der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. (im Folgenden: VDZ), der BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V. (im Folgenden: BDZV), die Seznam.cz, a.s. (im Folgenden: Seznam), FairSearch und Qwant als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. 27 Um den Streithelfern die Möglichkeit zu geben, sich zu allen Schriftsätzen der Hauptparteien zu äußern, wurde der Beginn der Frist für die Einreichung der Streithilfeschriftsätze auf den Zeitpunkt der Einreichung der gemeinsamen, nicht vertraulichen Fassung der Gegenerwiderung festgesetzt. 28 Auf Antrag einiger Streithelfer ist die Frist für die Einreichung ihrer Schriftsätze mehrmals verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 30. Juni 2020 festgesetzt; bis zu diesem Tag sind alle Schriftsätze eingereicht worden. 29 Am 12. Oktober 2020 haben die Hauptparteien ihre Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen eingereicht. B. Ablauf des Verfahrens, wichtigste Anträge auf vertrauliche Behandlung und Vorbereitung der Entscheidungsreife der Rechtssache 30 Auf Antrag der Hauptparteien ist die Frist für die Einreichung von Anträgen auf vertrauliche Behandlung der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung und der Gegenerwiderung mehrfach verlängert worden. Hinsichtlich der Klageschrift und der Klagebeantwortung wurde sie zuletzt auf den 13. September 2019 festgesetzt; an diesem Tag haben die Hauptparteien eine gemeinsame, nicht vertrauliche Fassung ihrer Schriftsätze eingereicht. Hinsichtlich der Erwiderung und der Gegenerwiderung wurde sie zuletzt auf den 11. Dezember 2019 bzw. den 1. Mai 2020 festgesetzt; an diesen Tagen haben die Hauptparteien eine gemeinsame, nicht vertrauliche Fassung ihrer jeweiligen Schriftsätze eingereicht. 31 Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung dieser Schriftsätze sind lediglich von FairSearch am 20. März 2020 gegen die von Google geltend gemachte Vertraulichkeit von drei Anlagen zur Gegenerwiderung erhoben worden. 32 Am 7. April 2020 hat das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung Google um nähere Angaben zum Umfang der geltend gemachten Vertraulichkeit in Bezug auf die drei von FairSearch genannten Anlagen ersucht. Google hat darauf am 23. April 2020 geantwortet und neue Fassungen dieser Anlagen vorgelegt. 33 Am 6. Mai 2020 hat das Gericht FairSearch im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gefragt, ob sie angesichts der von Google übermittelten neuen Fassungen der drei Anlagen zur Gegenerwiderung ihre Einwände gegen die Vertraulichkeit dieser Dokumente aufrechterhalte. FairSearch hat darauf am 1. Juni 2020 geantwortet, dass sie ihre Einwände nicht aufrechterhalte. 34 Auf Antrag der Hauptparteien ist die Frist für die Einreichung von Anträgen auf vertrauliche Behandlung ihrer Stellungnahmen zu den Streithilfeschriftsätzen mehrmals verlängert worden. Zuletzt wurde sie auf den 11. Dezember 2020 festgesetzt; an diesem Tag sind gemeinsame, nicht vertrauliche Fassungen der Stellungnahmen eingereicht worden. 35 Einwände gegen die Anträge auf vertrauliche Behandlung der Stellungnahmen der Hauptparteien zu den Streithilfeschriftsätzen sind lediglich vom BEUC am 8. Januar 2021 gegen die von Google geltend gemachte Vertraulichkeit einer Anlage zur Klageschrift und bestimmter Passagen ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des BEUC erhoben worden. 36 Am 21. Januar 2021 hat das Gericht im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme Google um nähere Angaben zum Umfang der geltend gemachten Vertraulichkeit in Bezug auf diese Anlage zur Klageschrift und diese Passagen ihrer Stellungnahme ersucht. Google hat darauf am 27. Januar 2021 geantwortet und neue Fassungen der vom BEUC genannten Anlage zur Klageschrift und ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des BEUC vorgelegt. 37 Am 18. Februar 2021 hat das Gericht das BEUC im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme gefragt, ob es angesichts der von Google übermittelten neuen, nicht vertraulichen Fassungen dieser Anlage sowie ihrer Stellungnahme zu seinem Streithilfeschriftsatz seine Einwände aufrechterhalte. Das BEUC hat darauf am 5. März 2021 geantwortet, dass es seine Einwände nicht aufrechterhalte. 38 Die gemeinsamen Bemühungen aller Parteien während des gesamten Verfahrens haben es trotz der oftmals auf dem Spiel stehenden unterschiedlichen Interessen ermöglicht, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der in der vorliegenden Rechtssache geltend gemachten Vertraulichkeit von Informationen, Daten und Dokumenten zu lösen und die Prüfung der Rechtssache auf der Grundlage einer gemeinsamen, nicht vertraulichen Fassung zu gestatten. Einige vertrauliche Angaben, die den Hauptparteien bekannt sind, sind im Folgenden durch die in der öffentlichen Fassung des angefochtenen Beschlusses auf der Website der Kommission angegebenen Spannen ersetzt worden. 39 Im Zuge der Änderung der Besetzung der Kammern des Gerichts nach Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung ist der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt worden, der daher die vorliegende Rechtssache zugewiesen worden ist. 40 Das schriftliche Verfahren ist am 19. März 2021 mit der Übermittlung der letzten Stellungnahmen zu den Anträgen auf vertrauliche Behandlung abgeschlossen worden. 41 Am 6. April 2021 hat Google beantragt, in einer mündlichen Verhandlung angehört zu werden. 42 Auf Vorschlag der Sechsten Kammer hat das Gericht die Rechtssache gemäß Art. 28 der Verfahrensordnung an die Sechste erweiterte Kammer verwiesen. 43 Auf Vorschlag des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. 44 Am 25. Juni 2021 hat das Gericht die Parteien im Rahmen verfahrensleitender Maßnahmen aufgefordert, eine erste Reihe von Fragen zu beantworten. Die Parteien haben diese die Begründetheit der Klage betreffenden Fragen beantwortet, und die Hauptparteien haben schriftliche Stellungnahmen zu diesen Antworten eingereicht. 45 Am 5. Juli 2021 hat das Gericht die Beteiligten aufgefordert, sich zu der geplanten Terminierung der einzelnen Verhandlungstage zu äußern. Diese Terminierung ist unter Berücksichtigung der hierzu eingereichten Stellungnahmen angepasst worden. 46 Den Beteiligten ist ein Anhörungsbericht übermittelt worden, zu dem Google am 7. September 2021 und die Kommission am 24. September 2021 Stellung genommen haben. Das Gericht hat diese Stellungnahmen zur Kenntnis genommen. 47 Die Hauptparteien und die Streithelferinnen haben in der Sitzung, die an fünf Tagen vom 27. September bis zum 1. Oktober 2021 stattfand, mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. C. Anträge der Parteien 48 Google, unterstützt durch die ADA, die CCIA, Gigaset, die HMD und Opera, beantragt, – den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären; – hilfsweise, die Geldbuße aufzuheben oder herabzusetzen; – der Kommission die Kosten aufzuerlegen; – dem BEUC, dem VDZ, dem BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten aufzuerlegen. 49 Die ADA, die CCIA, Gigaset, die HMD und Opera beantragen ihrerseits, die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten der Kommission aufzuerlegen. 50 Die Kommission, unterstützt durch den BEUC, den VDZ, den BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant, beantragt, – die Klage abzuweisen; – Google die Kosten aufzuerlegen; – der ADA, der CCIA, Gigaset, der HMD und Opera die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten aufzuerlegen. 51 Der BEUC, der VDZ, der BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant beantragen ihrerseits, die mit ihrer Streithilfe verbundenen Kosten Google aufzuerlegen. III. Rechtliche Würdigung 52 Die Klägerinnen stützen ihre Klage auf sechs Klagegründe: – Mit dem ersten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Marktabgrenzung und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung gerügt. – Mit dem zweiten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den VVAM enthaltenen Vorinstallationsbedingungen gerügt. – Mit dem dritten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung einer exklusiven Vorinstallation gerügt. – Mit dem vierten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den AFV für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und Google Search aufgestellten Bedingung der Einhaltung von Verpflichtungen zur Verhinderung von Fragmentierung (im Folgenden: VVF) gerügt. – Mit dem fünften Klagegrund wird eine Verletzung der Verteidigungsrechte gerügt. – Mit dem sechsten Klagegrund wird eine fehlerhafte Beurteilung der verschiedenen bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigten Faktoren gerügt. A. Vorbemerkungen 53 Bevor das Vorbringen der Parteien geprüft wird, sind einige Bemerkungen zum kommerziellen Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen, zu den Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle des angefochtenen Beschlusses und zur Beweisführung sowie zur Zulässigkeit der dem Gericht vorgelegten Beweise angebracht. 1. Kommerzieller Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen 54 Das Online-Wörterbuch Merriam-Webster definiert das Verb „to google“ als die Handlung, die darin besteht, „die Suchmaschine von Google zu benutzen, um im weltweiten Internet Informationen über jemanden oder etwas zu erhalten“. Nur wenige Unternehmen können einen Bekanntheitsgrad für sich in Anspruch nehmen, der so hoch ist, dass ihr Name ein Verb hervorgebracht hat, und allein diese Tatsache zeugt von der Bedeutung, die Google im Alltag erlangt hat. a) Geschäftsmodell mit Schwerpunkt auf der Suche über Google Search 55 Google erzielt den Großteil ihrer Einnahmen durch ihr Hauptprodukt: die Suchmaschine Google Search. Auf intelligenten Mobilgeräten können die Nutzer mit der Anwendung Google Search oder über andere Einstiegspunkte wie das Such-Widget (Search Widget) oder eine Adressleiste, die sich im Browser befindet, auf die Suchmaschine Google Search zugreifen. Diese Suchmaschine bietet allgemeine Suchdienste („general search services“) und ermöglicht es den Nutzern, im gesamten Internet nach einer Antwort auf ihre Anfragen zu suchen (Erwägungsgründe 94 bis 101 und 106 des angefochtenen Beschlusses). 56 Das Geschäftsmodell von Google beruht auf dem Zusammenspiel zwischen Online-Produkten und -Dienstleistungen einerseits, die den Nutzern meist kostenlos angeboten werden, und Online-Werbediensten andererseits, mit denen Google den weitaus größten Teil ihrer Einnahmen erzielt. So werden das BS Android, der Play Store, die Anwendung Google Search, der Browser Chrome, der E‑Mail-Dienst Gmail, der Dienst zur Speicherung und Bearbeitung von Inhalten Google Drive, der Geolokalisierungsdienst Google Maps und der Streaming-Dienst YouTube kostenlos angeboten. Andere Dienste wie Google Play Music and Movie sind kostenpflichtig, und einige bieten eine kostenpflichtige Premium-Version an, wie YouTube und Google Drive (107. Erwägungsgrund und Fn. 65 des angefochtenen Beschlusses). Beispielsweise entfielen im Jahr 2016 88,7 % der Gesamteinnahmen von Google auf Online-Werbung, wobei 80 % dieser Einnahmen über Websites von Google, insbesondere die Startseite von Google Search, generiert wurden (Erwägungsgründe 105 bis 107 und Fn. 62 des angefochtenen Beschlusses). 57 Anders als z. B. das Geschäftsmodell des Unternehmens Apple, das auf vertikaler Integration und dem Verkauf hochwertiger intelligenter Mobilgeräte basiert, beruht das Geschäftsmodell von Google vor allem darauf, die Zahl der Nutzer ihrer Online-Suchdienste zu erhöhen, um ihre Online-Werbedienste verkaufen zu können (153. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 58 Google sammelt bei der Interaktion der Nutzer mit ihren Produkten und Diensten Daten über die Geschäftsaktivitäten der Nutzer und die Nutzung ihrer Geräte. Zu den erfassten Daten gehören unter anderem Kontaktinformationen (Name, Adresse, E‑Mail-Adresse, Telefonnummer), Daten zur Identifizierung des Kontos (Nutzername und Passwort), demografische Informationen (Geschlecht und Geburtsdatum), Details der verwendeten Kreditkarte oder des verwendeten Bankkontos, Informationen über den dem Nutzer bereitgestellten Inhalt (Werbung, besuchte Seiten usw.), Interaktionsdaten wie „Klicks“, den Standort sowie Daten über das verwendete Gerät und Betriebssystem. Mit diesen Daten kann Google ihre Fähigkeit verbessern, relevante Suchantworten und Werbeanzeigen zu präsentieren (Erwägungsgründe 109 bis 111 des angefochtenen Beschlusses). b) Beim Übergang zum mobilen Internet eingeführte Praktiken 59 Das Geschäftsmodell von Google war ursprünglich für Personalcomputer (PCs) entwickelt worden, für die der Browser der wichtigste Zugangspunkt zum Internet war. Mitte der 2000er Jahre war Google der Ansicht, dass die Entwicklung des mobilen Internets eine grundlegende Veränderung der Nutzergewohnheiten bedeuten würde, insbesondere angesichts der Möglichkeiten, die die Geolokalisierung bietet. 60 Diese vorhersehbare Expansion veranlasste Google, eine Strategie zu entwickeln, um die Auswirkungen dieser Veränderung zu antizipieren und dafür zu sorgen, dass Nutzer ihre Suchanfragen auf mobilen Geräten über Google Search durchführen (Erwägungsgründe 112 bis 117 des angefochtenen Beschlusses). Diese Strategie umfasste mehrere Aspekte. 61 Zum einen erwarb Google im Jahr 2005 den ursprünglichen Entwickler des BS Android, um die Entwicklung und Pflege dieses Betriebssystems in Eigenregie zu übernehmen (Erwägungsgründe 120 bis 123 des angefochtenen Beschlusses). Das BS Android wird OEM, MNO und Anwendungsentwicklern unter einer freien Betriebslizenz, der AOSP-Lizenz, ohne finanzielle Gegenleistung angeboten (124. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Das BS Android ist zudem in ein „Ökosystem“ eingebettet, das andere Elemente wie das Dienstleistungspaket Google Mobile (GMS bundle oder Google Mobile Services, im Folgenden zusammen: „GMS-Paket“) umfasst (vgl. 133. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) und zu dem u. a. der Play Store, die Anwendung Google Search und der Browser Chrome gehören. Die ersten kommerziellen Versionen von Android-Geräten wurden in den Jahren 2008 und 2009 auf den Markt gebracht. 62 Zum anderen traf Google ab 2007 eine Vereinbarung mit Apple, wonach Google Search auf allen intelligenten Mobilgeräten, die Apple seit dem iPhone auf den Markt brachte, als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt wurde. Diese Vereinbarung führte dazu, dass Google Search im Jahr 2010 mehr als die Hälfte des Internetverkehrs auf dem iPhone und fast ein Drittel des gesamten mobilen Internetverkehrs ausmachte (Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses). 63 Darüber hinaus tritt Google mit ihren eigenen Nexus- und Pixel-Produktreihen auch als Hersteller von Google-Android-Geräten auf (Erwägungsgründe 152 und 153 des angefochtenen Beschlusses). c) Mehrere Aspekte umfassende einheitliche Zuwiderhandlung 64 In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission bestimmte Aspekte der von Google verfolgten Strategie zur Anpassung ihres Geschäftsmodells an den Übergang zum mobilen Internet als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung angesehen. 65 Dies soll für die streitigen Beschränkungen gelten, die Google den OEM und MNO auferlegt habe, um sicherzustellen, dass der Datenverkehr auf Google-Android-Geräten zur Suchmaschine Google Search geleitet werde. Nach Auffassung der Kommission hatten diese Praktiken zur Folge, dass Mitbewerbern von Google, wie Qwant oder Seznam, die Möglichkeit genommen wurde, mit Google in einen Leistungswettbewerb zu treten, und dass den Verbrauchern in der Europäischen Union die Vorteile eines wirksamen Wettbewerbs vorenthalten wurden, z. B. die Möglichkeit, eine Suchmaschine zu nutzen, die dem Schutz der Privatsphäre Vorrang einräumt, an sprachliche Besonderheiten angepasst ist oder Inhalte mit Mehrwert, insbesondere im Bereich der Information, priorisiert. 66 Wie oben dargelegt, waren die streitigen Beschränkungen den Abschnitten 11 bis 13 des angefochtenen Beschlusses zufolge dreifacher Art: – die in die VVMA eingefügten Beschränkungen, durch die Google die OEM verpflichtete, Googles allgemeine Suchanwendungen (Google Search) und Browseranwendungen (Chrome) vorzuinstallieren, bevor sie eine Betriebslizenz für ihre Vertriebsplattform für Anwendungen (Play Store) erhalten konnten; – die in die AFV eingefügten Beschränkungen, nach denen OEM, die Anwendungen von Google vorinstallieren wollten, keine Geräte mit von Google nicht genehmigten Android-Versionen verkaufen durften; – die in die sortimentbezogenen VAE eingefügten Beschränkungen, nach denen Google den OEM und den MNO einen Prozentsatz ihrer Werbeeinnahmen gewährte, sofern sich diese Hersteller und Betreiber verpflichteten, auf Geräten, die zu einem gemeinsam festgelegten Sortiment gehörten, keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren. 67 Für die Kommission waren die streitigen Beschränkungen Teil einer umfassenden Strategie, mit der Google beabsichtigte, ihre beherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Online-Suchdienste zu einem Zeitpunkt zu festigen, zu dem die Bedeutung des mobilen Internets erheblich zunahm (vgl. Abschnitt 14 des angefochtenen Beschlusses). 68 Ziel dieser Strategie sei es gewesen, die Chancen von Google zu wahren, dass die Verbraucher für die allgemeine Suche im Internet ihre Suchmaschine nutzten, was ihr nicht nur entsprechende Werbeeinnahmen, sondern auch die Erlangung der zur Verbesserung ihrer Dienste benötigten Informationen garantiert hätte. Auch wenn die eingesetzten Mittel vielfältig gewesen seien und in Wechselwirkung gestanden hätten, sei das Ziel im Großen und Ganzen dasselbe geblieben: – Die VVMA hätten sicherstellen sollen, dass die vermarkteten Google-Android-Geräte mit der Anwendung Google Search und dem Browser Chrome, den beiden wichtigsten Einstiegspunkten für eine allgemeine Suche, ausgestattet seien; auf diese Weise habe die Vorinstallation dieser Anwendungen bewirkt, dass Google von der damit einhergehenden „Status-quo-Präferenz“ habe profitieren können, einem Vorteil, der erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt habe, indem er insbesondere die den Verbrauchern eingeräumten Wahlmöglichkeiten verringert habe. – Die AFV hätten es Google ermöglichen sollen, das Entstehen von Lösungen zu verhindern, die das BS Android zum Nachteil von Google hätten ausnutzen können; so sei es Amazon nicht gelungen, Android für die Entwicklung eigener Lösungen in Form von Anwendungen und entsprechenden Diensten zu nutzen. – Die sortimentbezogenen VAE, die zwar nicht sämtliche Google-Android-Geräte erfasst hätten und nur für einen kurzen Zeitraum umgesetzt worden seien, hätten Google etwas verschaffen sollen, was in den anderen Vereinbarungen formal nicht ausdrücklich vorgesehen gewesen sei, nämlich Exklusivität; im Rahmen dieser Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen hätten sich nämlich wichtige OEM und MNO verpflichtet, nur die Suchmaschine Google Search vorzuinstallieren. 69 Ferner ist ein wichtiger Punkt der von der Kommission im angefochtenen Beschluss, insbesondere in den Erwägungsgründen 738 und 739 und in Abschnitt 14.2, entwickelten Argumentation hervorzuheben. 70 Die Kommission hat nämlich in den VVMA, den AFV und den sortimentbezogenen VAE drei Arten von streitigen Beschränkungen identifiziert und festgestellt, dass sie zu „vier verschiedenen Zuwiderhandlungen“ gegen Art. 102 AEUV führten. 71 Zugleich war die Kommission jedoch der Ansicht, dass diese Beschränkungen und die daraus resultierenden Zuwiderhandlungen ein identisches Ziel verfolgten, sich gegenseitig ergänzten und voneinander abhängig gewesen seien. Somit liege eine „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ vor, für die eine einzige Geldbuße zu verhängen sei. 72 Eine solche Zuwiderhandlung umfasse somit mehrere Aspekte, von denen sich jeder einzelne im Lauf der Zeit nach jeweils eigenen Parametern entwickelt habe, die aber alle durch das gemeinsame Ziel miteinander verbunden seien, Google einen bestmöglichen Zugang zu den von Verbrauchern auf intelligenten Mobilgeräten durchgeführten allgemeinen Suchanfragen zu verschaffen. Außerdem entfalte die Kombination der verschiedenen Aspekte dieser Zuwiderhandlung einen nicht zu vernachlässigenden „kumulativen Effekt“. Insbesondere seien die Auswirkungen der streitigen Beschränkungen nicht mehr dieselben, sobald die durch die VVMA ermöglichte Präsenzgarantie, obwohl sie nicht exklusiv sei, durch die von den VAE gewährte Exklusivität verstärkt werde. 2. Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle 73 Es ist darauf hinzuweisen, dass das System der gerichtlichen Kontrolle von Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV in einer in Art. 263 AEUV vorgesehenen Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe besteht, die gemäß Art. 261 AEUV auf Antrag der Kläger um die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht hinsichtlich der in diesem Bereich von der Kommission verhängten Zwangsmaßnahmen ergänzt werden kann (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). a) Eingehende Kontrolle aller relevanten Elemente 74 Zu der in Art. 263 AEUV vorgesehenen Rechtmäßigkeitskontrolle ist darauf hinzuweisen, dass sie sich auf sämtliche Bestandteile der Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV erstreckt, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller von ihm vorgebrachten maßgeblichen Umstände (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 75 Soweit mit dem angefochtenen Beschluss eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht mit einer Geldbuße und einem Zwangsgeld geahndet wird, muss der Unionsrichter insbesondere nicht nur die sachliche Richtigkeit der von der Kommission angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten, bei der Beurteilung des Vorliegens der die Zuwiderhandlung begründenden Tatsachen zu berücksichtigenden Daten darstellen und ob sie die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Auslegung dieser Daten zu stützen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 76 Anders als z. B. bei einer vorausschauenden Analyse, die für die Prüfung eines geplanten Zusammenschlusses notwendig ist und eine Prognose der Ereignisse erfordert, die mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eintreten werden, sofern keine Entscheidung erlassen wird, die den geplanten Zusammenschluss untersagt oder die Bedingungen dafür festlegt, geht es nämlich für die Kommission, wenn sie den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ahndet, zumeist darum, vergangene Ereignisse zu prüfen, in Bezug auf die häufig zahlreiche Anhaltspunkte vorliegen, die es ermöglichen, ihre Ursachen zu verstehen und ihre Auswirkungen auf einen wirksamen Wettbewerb zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval, C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 42). 77 In einer solchen Situation obliegt es der Kommission, nicht nur den Missbrauch, sondern auch dessen Dauer zu beweisen. Insbesondere hat die Kommission die von ihr festgestellte Zuwiderhandlung zu beweisen und Beweise beizubringen, die geeignet sind, das Vorliegen der die Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend zu belegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung). 78 Insoweit bestehende Zweifel des Gerichts müssen dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm daran noch Zweifel bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung oder Abänderung einer Entscheidung handelt, mit der eine Geldbuße verhängt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung). 79 Insbesondere wenn die Kommission – gestützt auf die Annahme, dass der festgestellte Sachverhalt nur durch die Existenz eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erklärt werden könne – eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt, erklärt das Gericht den in Rede stehenden Beschluss für nichtig, sofern das betroffene Unternehmen Argumente vorbringt, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung dieses Sachverhalts ermöglichen, als sie die Kommission gegeben hat, um eine Zuwiderhandlung festzustellen. In einem solchen Fall ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Kommission den Beweis für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erbracht hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, EU:C:1984:130, Rn. 16, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 126 und 127). 80 Bestehen Zweifel am Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals der Zuwiderhandlung, ist nämlich der Grundsatz der Unschuldsvermutung zu beachten, der zu den in der Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten gehört und in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie von Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen ist der Grundsatz der Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verstößen gegen die für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln anwendbar, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können. Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 15. Juli 2015, Trafilerie Meridionali/Kommission, T‑422/10, EU:T:2015:512, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung). 81 Auch wenn es erforderlich ist, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um die feste Überzeugung zu begründen, dass die behauptete Zuwiderhandlung begangen wurde, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nicht jeder der von der Kommission beigebrachten Beweise notwendigerweise diesem Kriterium in Bezug auf jedes Element der Zuwiderhandlung genügen muss. Es genügt, dass das Bündel der von ihr angeführten Indizien bei einer Gesamtbetrachtung dieses Erfordernis erfüllt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2017, Kommission/Keramag Keramische Werke u. a., C‑613/13 P, EU:C:2017:49, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). b) Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Geldbuße 82 Die dem Unionsrichter in Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 und 102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) im Einklang mit Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt den Richter über die bloße Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 193 und die dort angeführte Rechtsprechung). 83 Insbesondere hat der Unionsrichter, um den Erfordernissen einer unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung im Sinne von Art. 47 der Charta der Grundrechte hinsichtlich der Geldbuße zu genügen, bei der Ausübung der in den Art. 261 und 263 AEUV vorgesehenen Befugnisse jede Rechts- oder Sachrüge zu prüfen, mit der dargetan werden soll, dass die Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung nicht angemessen ist (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 195 und die dort angeführte Rechtsprechung). 84 Insoweit ist u. a. entschieden worden, dass die Schwere der Zuwiderhandlung individuell zu beurteilen ist und dass bei der Bemessung von Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die für die Beurteilung ihrer Schwere eine Rolle spielen, wie insbesondere das Verhalten des betreffenden Unternehmens, seine Rolle bei der Einführung der missbräuchlichen Praktiken, der Gewinn, den es aus diesen Verhaltensweisen ziehen konnte, oder auch die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 196 und 197 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 85 Dabei ist es nicht erforderlich, dass das Gericht die Leitlinien der Kommission für die Berechnung von Geldbußen anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52 bis 55). 86 Im Ergebnis kann der Unionsrichter den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, abändern, indem er die verhängte Geldbuße aufhebt, herabsetzt oder erhöht. Diese Befugnis ist unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände auszuüben. Folglich kann der Unionsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben, wenn ihm die Frage nach der Höhe der Geldbuße zur Beurteilung vorgelegt worden ist, und ihre Ausübung bewirkt, dass die Befugnis zur Verhängung von Sanktionen endgültig auf ihn übergeht (vgl. Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 32 bis 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). 3. Zur Beweisführung und zu den verschiedenen insoweit vorgebrachten Beanstandungen 87 Im Rahmen der vorliegenden Klage bestreiten sowohl die Kommission als auch Google die Relevanz oder sogar die Zulässigkeit bestimmter Argumente und entsprechender Beweise, die von ihnen oder den Streithelfern vorgebracht wurden. 88 Dies gilt beispielsweise für bestimmte Erklärungen, die von einer Führungskraft oder einem Angestellten von Google oder einer interessierten Partei abgegeben wurden, für bestimmte Erklärungen oder Berichte, die auf Antrag einer Partei von einem Dritten, der sich als Sachverständiger bezeichnet, vorgelegt wurden, und für Dokumente, die vorgelegt wurden, um das Vorliegen einer im angefochtenen Beschluss angeführten Tatsache nachzuweisen, die als allgemein bekannt eingestuft werden kann, vor dem Gericht aber bestritten wird, nämlich das Konzept der „Status-quo-Präferenz“ (status quo bias), das in der Psychologie entwickelt wurde, um ein nicht rationales Verhalten zu veranschaulichen, das die Abneigung gegen Veränderungen erklärt. Dasselbe gilt für Dokumente, die auf der Grundlage unternehmensspezifischer interner Daten erstellt wurden und die zur Unterstützung oder Widerlegung einer im angefochtenen Beschluss oder im Rahmen der vorliegenden Klage aufgestellten Behauptung vorgelegt wurden. 89 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Kontrolle der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Kommission in Verfahren nach Art. 101 oder 102 AEUV unter Berücksichtigung aller vom Kläger vorgebrachten Umstände – aus der Zeit vor oder nach dem angefochtenen Beschluss – erfolgt, unabhängig davon, ob sie vorab im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht wurden oder zum ersten Mal im Rahmen der Klage, mit der das Gericht befasst ist, vorgebracht wurden, soweit diese Umstände relevant sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). 90 Ebenso hat das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klagende Partei eine angemessene Geldbuße verhängt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission,T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Rahmen ist das Gericht befugt, sämtliche von ihm für maßgeblich erachteten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, mögen sie vor oder nach der getroffenen Entscheidung eingetreten sein (Beschluss vom 7. Juli 2016, Westfälische Drahtindustrie und Pampus Industriebeteiligungen/Kommission, C‑523/15 P, EU:C:2016:541, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). 91 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen, dass die von den Klägerinnen erstmals vor dem Gericht vorgebrachten Argumente und entsprechenden Beweise, wenn sie für die Beurteilung des Gerichts relevant sind, nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden können, dass sie der Kommission nicht zuvor im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen worden seien. 92 Zweitens ist zudem darauf hinzuweisen, dass im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt, aus dem zum einen folgt, dass die Zulässigkeit eines rechtmäßig erlangten Beweises vor dem Gericht nicht in Frage gestellt werden kann, und zum anderen, dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung der Beweiskraft ordnungsgemäß vorgelegter Beweise ihre Glaubhaftigkeit ist (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). 93 In Anwendung dieses Grundsatzes gibt es in der vorliegenden Rechtssache für das Gericht keinen Grund zu der Annahme, dass die verschiedenen von den Parteien vorgelegten Beweise nicht ordnungsgemäß erlangt wurden oder dass sie nicht hinreichend glaubhaft sind, um bei seiner Beurteilung berücksichtigt zu werden. 94 Insoweit lässt sich zum Beweiswert der verschiedenen Beweise, gegen die Beanstandungen vorgebracht wurden, Folgendes feststellen. 95 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass den Erklärungen, die von einer Führungskraft oder einem Angestellten von Google oder von einer interessierten Partei abgegeben wurden, zwar nicht jede Beweiskraft abgesprochen werden kann, dass solche Erklärungen jedoch darauf abzielen, die Verantwortung des vom Verfahren betroffenen Unternehmens entweder abzuschwächen oder zu untermauern, um es je nach den eigenen Interessen der die Erklärung abgebenden Partei zu verteidigen oder zu beschuldigen. Daher mögen diese Erklärungen einen Beweiswert haben, der jedoch im Vergleich zu dem Wert verschiedener Dokumente, wie E‑Mails oder anderer interner Dokumente, die sich direkt auf den in Rede stehenden Zeitraum und Sachverhalt beziehen, zu relativieren ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:255, Rn. 379). 96 Ebenso ist bei Erklärungen oder Berichten, die auf Verlangen einer Partei von einem Dritten, der sich als Sachverständiger bezeichnet, zur Unterstützung ihrer Behauptungen vorgelegt werden, zu beachten, dass der Beweiswert solcher Dokumente unter mehreren Gesichtspunkten beurteilt werden muss. Zum einen muss der Verfasser darauf achten, seine Qualifikationen und Erfahrungen darzulegen und zu erläutern, inwiefern diese für die Erstellung eines Gutachtens zu der untersuchten Frage relevant sind. Zum anderen muss in dieser Stellungnahme dargelegt werden, aus welchen Gründen sie Beachtung verdient, sei es wegen der Zuverlässigkeit der verwendeten Methodik oder der Relevanz der Antwort auf diese Frage für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und der insoweit eingereichten Stellungnahmen der Parteien hat das Gericht die Dokumente in der vorliegenden Rechtssache geprüft. 97 Schließlich sind Dokumente, die vorgelegt werden, um das Vorliegen einer im angefochtenen Beschluss angeführten Tatsache nachzuweisen, die als allgemein bekannt eingestuft werden kann, nach der Rechtsprechung als zulässig anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Februar 2020, Hickies/EUIPO [Form eines Schnürsenkels], T‑573/18, EU:T:2020:32, Rn. 18). Solche Dokumente beschränken sich nämlich im Wesentlichen darauf, zu belegen, dass über die Bedeutung des von einigen Unternehmen angeführten und von der Kommission im angefochtenen Beschluss aufgegriffenen Konzepts der „Status-quo-Präferenz“ ein allgemeiner Konsens besteht. 98 Drittens ist festzustellen, dass die Hauptparteien – obwohl Beweise und Beweisangebote nach Art. 85 der Verfahrensordnung grundsätzlich im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind – diese noch in der Erwiderung und der Gegenerwiderung, ausnahmsweise sogar noch bis zum Abschluss des mündlichen Verfahrens zur Unterstützung ihres Vorbringens vorlegen können, sofern die Verspätung ihrer Vorlage gerechtfertigt ist. Nach der Rechtsprechung sind jedoch der Gegenbeweis und die Erweiterung der Beweisangebote im Anschluss an ein Argument oder an einen Gegenbeweis der Gegenpartei in der Klagebeantwortung von dieser Präklusionsvorschrift nicht erfasst. Diese Vorschrift betrifft nämlich neue Beweismittel und ist im Zusammenhang mit Art. 92 Abs. 7 der Verfahrensordnung zu sehen, der ausdrücklich vorsieht, dass Gegenbeweis und Erweiterung des Beweisantritts vorbehalten bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, EU:C:1998:608, Rn. 71 und 72, sowie vom 5. Dezember 2006, Westfalen Gassen Nederland/Kommission, T‑303/02, EU:T:2006:374, Rn. 189). 99 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung der verschiedenen Einwendungen der Parteien gegen die Relevanz oder die Zulässigkeit bestimmter Argumente und entsprechender Beweise, die von den Hauptparteien oder den Streithelfern vorgebracht wurden, dass alle diese Einwendungen mit der Begründung zurückgewiesen werden können, dass die Argumente und Beweise im Zusammenhang mit der Anwendung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens stehen, weil die betreffenden Parteien sie vorgebracht haben, um auf Argumente oder Gegenbeweise zu antworten, die dem Gericht kurz zuvor übermittelt worden waren. 100 Unter diesem Gesichtspunkt ist das Gericht der Auffassung, dass sowohl erstmals im Rahmen der Klage vorgebrachte Beweise als auch die Berufung auf Tatsachen oder die Vorlage von Beweisen, mit denen das Vorbringen einer anderen Partei im Lauf des Verfahrens, erforderlichenfalls unter Berücksichtigung interner Daten, widerlegt oder eine allgemein bekannte Tatsache belegt werden soll, nicht für unzulässig erklärt werden können und dass ihre Erheblichkeit später im Rahmen der Prüfung der verschiedenen gegen den angefochtenen Beschluss vorgebrachten Klagegründe beurteilt werden kann. 101 Im Licht dieser Erwägungen sind die verschiedenen von Google zur Stützung der Klage vorgebrachten Klagegründe sowie die Gesamtheit der von den Parteien vorgelegten Beweise zu prüfen. B. Erster Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Abgrenzung des relevanten Marktes und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung 102 Mit dem ersten Klagegrund, der in drei Teile gegliedert ist, wirft Google der Kommission vor, bei der Definition der relevanten Märkte und der anschließenden Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung auf einigen dieser Märkte mehrere Fehler begangen zu haben. 1. Hintergrund 103 Um den Begriff des Wettbewerbs zwischen „Ökosystemen“ zu betrachten, den Google im Rahmen dieses Klagegrundes anspricht, ist es zunächst erforderlich, zum einen darauf hinzuweisen, um was es bei der Abgrenzung des relevanten Marktes im Zusammenhang mit dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung hauptsächlich geht, und zum anderen die Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache zu untersuchen. a) Begriffe „relevanter Markt“, „marktbeherrschende Stellung“ und „Wettbewerbsdruck“, insbesondere beim Vorhandensein eines „Ökosystems“ 104 Im Rahmen der Anwendung von Art. 102 AEUV soll durch die Abgrenzung des relevanten Marktes ermittelt werden, für welchen Bereich zu beurteilen ist, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 127 und die dort angeführte Rechtsprechung). 105 Die Abgrenzung des relevanten Marktes ist daher grundsätzlich eine Vorbedingung für die Beurteilung der Frage, ob das betreffende Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung innehat. Dies setzt voraus, dass erstens die Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die Teil des relevanten Marktes sind (im Folgenden „Produktmarkt“), und zweitens die geografische Dimension dieses Marktes definiert werden (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 127 und 128 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 106 Was den Produktmarkt betrifft, bedeutet der Begriff des relevanten Marktes, dass zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen oder Dienstleistungen ein wirksamer Wettbewerb herrschen kann, was einen hinreichenden Grad an Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit zwischen diesen Erzeugnissen und Dienstleistungen voraussetzt. Die Austauschbarkeit oder Ersetzbarkeit beurteilt sich nicht allein mit Blick auf die objektiven Eigenschaften der fraglichen Erzeugnisse und Dienstleistungen. Ferner müssen die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 129 und die dort angeführte Rechtsprechung). 107 In seiner geografischen Dimension entspricht der relevante Markt dem Gebiet, in dem die Wettbewerbsbedingungen ähnlich sind und ein ausreichend homogenes Ganzes bilden, um global betrachtet zu werden und eine Einschätzung der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens zu ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 11, 44, 52 und 53). 108 In Anwendung dieser Grundsätze ist mit der beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV somit die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint, die es in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Kunden und schließlich den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten (Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands und United Brands Continentaal/Kommission, 27/76, EU:C:1978:22, Rn. 65). 109 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmung des relevanten Marktes und der marktbeherrschenden Stellung, die das betreffende Unternehmen auf diesem Markt innehat, nicht nur dazu dient, die Realität und das Ausmaß des internen Wettbewerbsdrucks auf diesem Markt zu definieren, sondern auch dazu, zu überprüfen, dass es keinen externen Wettbewerbsdruck durch andere Erzeugnisse, Dienstleistungen oder Gebiete als diejenigen gibt, die zu dem untersuchten relevanten Markt gehören. 110 Allgemein muss die Kommission den Bereich ermitteln und definieren, in dem der Wettbewerb zwischen den Unternehmen stattfindet, um festzustellen, ob das betreffende Unternehmen in nennenswertem Umfang unabhängig von dem Druck handeln kann, den ein wirksamer Wettbewerb ausübt. 111 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, sind die Austausch- und die Ersetzbarkeit von Produkten oder Dienstleistungen naturgemäß insofern dynamisch, als die Definition der Produkte oder Dienstleistungen, bei denen davon ausgegangen wird, dass ein auf dem Markt vorhandenes Produkt oder eine dort vorhandene Dienstleistung mit ihnen ausgetauscht oder durch sie ersetzt werden kann, durch das Auftreten neuer Produkte oder Dienstleistungen Veränderungen unterliegen kann, so dass eine Neudefinition der Parameter des relevanten Marktes gerechtfertigt ist (Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 130). 112 Eine solche Beurteilung setzt jedoch voraus, dass es einen ausreichenden Grad an Austauschbarkeit zwischen den Produkten oder Dienstleistungen, die Teil des relevanten Marktes sind, und denjenigen gibt, die zur Deckung der Nachfrage auf diesem Markt vorgesehen sind. Dies wäre der Fall, wenn der Anbieter des Alternativangebots in der Lage ist, die Nachfrage kurzfristig mit einer Stärke zu befriedigen, die ausreicht, um ein ernst zu nehmendes Gegengewicht zu der Marktmacht zu bilden, die das betreffende Unternehmen auf dem relevanten Markt ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 132 und 133). 113 Unter bestimmten Umständen kann es daher zwar angebracht sein, den externen Druck zu untersuchen, der von einem alternativen Angebot ausgehen könnte, doch müssen auch die für bestimmte Situationen charakteristischen Besonderheiten berücksichtigt werden, insbesondere wenn mehrere Märkte miteinander verflochten sind. 114 Auch wenn die oben dargelegten Grundsätze weiterhin gültig bleiben, um einen klaren und transparenten Rahmen für die Analyse der Begriffe „relevanter Markt“ und „marktbeherrschende Stellung“ zu definieren, erfordert ihre Anwendung nämlich manchmal eine ausführlichere, über die bloße Unterteilung in Marktsegmente hinausgehende Prüfung, um den auf diesen Märkten herrschenden Wettbewerbsdruck und die wirtschaftliche Machtposition des betreffenden Unternehmens besser beurteilen zu können. 115 Dies gilt insbesondere für Märkte, die wie im vorliegenden Fall der digitalen Wirtschaft zuzurechnen sind, bei der traditionelle Parameter wie der Preis von Produkten oder Dienstleistungen oder der Marktanteil des betreffenden Unternehmens im Vergleich zu anderen Variablen wie Innovation, Zugang zu Daten, mehrseitige Aspekte, Nutzerverhalten oder Netzeffekte weniger wichtig sein können als auf klassischen Märkten. 116 So können in einem digitalen „Ökosystem“, das mehrere Kategorien von Anbietern, Kunden und Verbrauchern auf einer Plattform zusammenbringt und interagieren lässt, Produkte oder Dienstleistungen, die zu den relevanten, dieses Ökosystem bildenden Märkten gehören, ineinandergreifen oder aufgrund ihrer horizontalen oder vertikalen Komplementarität miteinander verbunden sein. Zusammengenommen können diese relevanten Märkte in Anbetracht des Systems, das ihre Komponenten zusammenbringt, und des möglichen Wettbewerbsdrucks, der innerhalb dieses Systems besteht oder von anderen Systemen ausgeht, auch eine globale Dimension haben. 117 Die Ermittlung der für die Beurteilung der wirtschaftlichen Machtstellung des betroffenen Unternehmens relevanten Wettbewerbsbedingungen kann somit eine Prüfung auf mehreren Ebenen oder in mehrere Richtungen erfordern, um die Realität und das Ausmaß der verschiedenen Aspekte des Wettbewerbsdrucks zu bestimmen, dem dieses Unternehmen ausgesetzt sein kann. 118 Abschließend kommt es im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes darauf an, unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien und der im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen zu prüfen, ob Google durch die Ausübung der ihr von der Kommission auf den relevanten Märkten zugeschriebenen Macht tatsächlich in der Lage war, in erheblichem Umfang unabhängig von den verschiedenen Faktoren zu handeln, die ihr Verhalten hätten einschränken können. 119 Wie Google im Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vorgetragen hat und im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erneut geltend macht, hätte die Kommission nämlich ihr Vorbringen berücksichtigen müssen, dass sie aufgrund des vom Apple-Ökosystem ausgehenden Wettbewerbsdrucks nicht über die Macht verfügt habe, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den mit dem Android-Ökosystem verbundenen relevanten Märkten zu verhindern. b) Unterschiedliche, aber miteinander verbundene Märkte 120 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass die Kommission vier Arten von relevanten Märkten identifiziert hat (Erwägungsgründe 217 und 402 des angefochtenen Beschlusses): erstens den weltweiten Markt (ohne China) für lizenzierte BS im Sinne von Betriebssystemlizenzen für intelligente Mobilgeräte (siehe oben, Rn. 3, im Folgenden: Markt für lizenzierte BS), zweitens den weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen, drittens die verschiedenen nationalen Märkte für die Bereitstellung von allgemeinen Suchdiensten innerhalb des EWR und viertens den weltweiten Markt für nicht BS-spezifische Internetbrowser, die für die mobile Nutzung konzipiert sind (im Folgenden: mobile Internetbrowser). 121 Anschließend hat die Kommission festgestellt, dass Google auf den ersten drei Märkten eine beherrschende Stellung innegehabt habe (439. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), d. h., dass sie in erheblichem Umfang in der Lage gewesen sei, sich auf diesen Märkten unabhängig von ihren Mitbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten. 122 Im Rahmen dieser Analyse hat die Kommission insbesondere den von Apple auf Google ausgeübten Wettbewerbsdruck berücksichtigt, den sie als „indirekten Wettbewerbsdruck“ einstufte, weil er auf der Ebene der Nutzer und Anwendungsentwickler ausgeübt worden sei (242. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und den sie für „nicht ausreichend“ befand, um die beherrschende Stellung von Google auf den relevanten Märkten in Frage zu stellen (Erwägungsgründe 243, 322, 479 bis 559 und 652 bis 672 des angefochtenen Beschlusses). Dem angefochtenen Beschluss zufolge seien Apple und das iOS-Ökosystem nicht in der Lage gewesen, einen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf Google und das Android-Ökosystem auszuüben. 123 Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass Google in der Klageschrift aus Gründen der Zweckmäßigkeit und unbeschadet ihres insoweit vertretenen Standpunkts angibt, sich dafür entschieden zu haben, die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung, dass sie die verschiedenen nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste beherrsche, nicht zu bestreiten. 124 Da Google hierzu – außer ihrer späteren beiläufigen Bemerkung zu den von der Kommission untersuchten Wettbewerbsbedingungen in Bezug auf den Markt für allgemeine Suchdienste in der Tschechischen Republik, wo der Marktanteil von Google unstreitig geringer ist als in den übrigen EWR-Ländern – nichts Weiteres vorbringt, besteht für das Gericht kein Anlass, die Feststellungen der Kommission in Bezug auf diese nationalen Märkte in den Erwägungsgründen 674 bis 727 des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen. 125 Für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache ist daher davon auszugehen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss ordnungsgemäß festgestellt hat, dass Google eine beherrschende Stellung auf den verschiedenen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innerhalb des EWR innehatte, weil sie in der Lage war, sich in erheblichem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten (vgl. Erwägungsgründe 674 und 675 des angefochtenen Beschlusses und die zur Stützung dieser Schlussfolgerung dargelegten Erwägungen). 126 Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass die relevanten Märkte im angefochtenen Beschluss zwar separat dargestellt wurden, aber gleichwohl nicht künstlich voneinander getrennt werden können, weil alle komplementäre Aspekte aufwiesen, die von der Kommission ordnungsgemäß erwähnt wurden. 127 Dies war auch bei dem Markt für lizenzierte BS und dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen der Fall. Die über eine solche Vertriebsplattform erhältlichen Anwendungen waren nämlich nur deshalb von Interesse, weil sie auf dem lizenzierten Android-BS liefen. Umgekehrt war ein lizenziertes BS, um seine Attraktivität zu erhöhen, von der Anzahl, der Vielfalt und der Qualität der Anwendungen abhängig, die auf diesem BS laufen konnten (Erwägungsgründe 84 bis 88 und 271 des angefochtenen Beschlusses). 128 Ebenso ließen sich die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste nicht von den Märkten für lizenzierte BS, für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und für nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser trennen. Zusammen stellten die Produkte oder Dienstleistungen, die von diesen drei Arten relevanter Märkte erfasst wurden, nämlich ein Zugangstor zu den allgemeinen Suchdiensten dar (vgl. z. B. 1341. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 129 Vor diesem tatsächlichen Hintergrund unterschiedlicher, aber miteinander verbundener relevanter Märkte und der Umsetzung einer Gesamtstrategie, die nach Ansicht der Kommission im Wesentlichen darauf abzielte, die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu sichern, ist das Vorbringen zum ersten Klagegrund zu prüfen. 2. Erster Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt der lizenzierten BS für intelligente Mobilgeräte 130 Bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS ging die Kommission davon aus, dass Betriebssysteme für Computer, Betriebssysteme für mobile Geräte mit eingeschränkter Funktionalität und nicht lizenzierbare BS im Sinne von Betriebssystemen für intelligente Mobilgeräte, für die keine Lizenzen angeboten werden, einschließlich Apples iOS, von diesem Markt ausgeschlossen werden sollten. Dagegen hat die Kommission festgestellt, dass dieser Markt alle lizenzierten BS umfasse und nicht zwischen BS für Smartphones und solchen für Tablets zu unterscheiden sei (Erwägungsgründe 218 bis 267 des angefochtenen Beschlusses). 131 Ferner war die Kommission der Auffassung, dass Google mit ihren Google-Android-Geräten eine beherrschende Stellung auf dem Markt für lizenzierte BS innehabe. Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, hat sich die Kommission auf den Marktanteil von Google und dessen Entwicklung im Laufe der Zeit, auf die Untersuchung der Marktzutritts- und Expansionsschranken, auf das Fehlen einer kompensierenden Nachfragemacht sowie einen unzureichenden Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS, insbesondere Apples iOS, gestützt (Erwägungsgründe 440 bis 589 des angefochtenen Beschlusses). 132 Im ersten Teil des ersten Klagegrundes macht Google geltend, dass die Kommission ihre Stellung auf diesem Markt falsch beurteilt habe, weil sie den von nicht lizenzierbaren BS, insbesondere Apples iOS, und den von der AOSP-Lizenz ausgehenden Wettbewerb nicht angemessen berücksichtigt habe. a) Zur Zulässigkeit des ersten Teils 133 Die Kommission macht geltend, dass der erste Teil, soweit er darauf abziele, die Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS in Frage zu stellen, für unzulässig zu erklären sei. Google bestreite nämlich nur die Feststellung ihrer beherrschenden Stellung auf diesem Markt. 134 In diesem Zusammenhang konzentriert Google ihre Argumente zwar auf ihre angeblich beherrschende Stellung auf dem Markt für lizenzierte BS und formuliert die Überschrift des ersten Teils in diesem Sinne, wirft der Kommission mit ihren Argumenten aber gleichwohl vor, diesen Markt im Hinblick auf die OEM und nicht auf die Nutzer oder Anwendungsentwickler abgegrenzt zu haben, bei denen sich der von Apple ausgeübte Wettbewerbsdruck bemerkbar mache. 135 Diese Argumentation ist im Licht der Erwägungen zu verstehen, die die Kommission veranlasst haben, nicht lizenzierbare BS vom relevanten Markt auszuschließen, und die insbesondere berücksichtigen, dass der von Apple ausgehende Wettbewerb indirekt und unzureichend gewesen sei und dass die Lösungen in dem von Google angeführten Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), nicht anwendbar seien (vgl. Abschnitt 7.3.5 zur Marktabgrenzung und Erwägungsgründe 241 bis 245 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus hat sich die Kommission bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS selbst auf die Erwägungen bezogen, die sie zur Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung von Google auf diesem Markt angestellt hat und die auch den Wettbewerbsdruck berücksichtigen, der von Apple ausgeübt werden kann, insbesondere im Hinblick auf die Nutzer oder Anwendungsentwickler (vgl. Erwägungsgründe 243 und 267 des angefochtenen Beschlusses, die auf den Abschnitt 9.3.4 zur Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung verweisen). 136 Da Google sowohl den Erwägungen, die zur Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS herangezogen wurden, als auch den zur Beurteilung ihrer marktbeherrschenden Stellung auf diesem Markt herangezogenen Erwägungen entgegentritt, gibt es keinen Grund, die Zulässigkeit des ersten Teils auf den zweiten Aspekt der in Frage gestellten Erwägungen zu beschränken. 137 Daher ist das Vorbringen im ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem Google die Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS beanstandet, für zulässig zu erklären. b) Zur Begründetheit des ersten Teils 138 Google stützt den ersten Teil des ersten Klagegrundes auf zwei Rügen, nämlich erstens eine fehlerhafte Beurteilung des Wettbewerbsdrucks durch nicht lizenzierbare BS, insbesondere Apples iOS, und zweitens eine fehlerhafte Beurteilung des Wettbewerbsdrucks durch die quelloffene Natur der AOSP-Lizenz. 1) Zum Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS 139 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission zum einen die Auffassung vertreten, dass nicht lizenzierbare BS nicht zum Markt für lizenzierte BS gehörten (vgl. Erwägungsgründe 238 bis 267 des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen, dass die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS nicht durch den Wettbewerbsdruck beeinträchtigt werde, den die nicht lizenzierbaren BS von Apple und BlackBerry auf diesem Markt ausübten (vgl. Erwägungsgründe 479 bis 589 des angefochtenen Beschlusses). Obwohl die Abgrenzung des relevanten Marktes und die Stellung von Google auf diesem Markt somit getrennt behandelt wurden, sind die in diesen beiden Abschnitten des angefochtenen Beschlusses aufgeworfenen Fragen eng miteinander verknüpft. 140 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS die von Google nicht bestrittene Tatsache berücksichtigt hat, dass die OEM keinen Zugang zu nicht lizenzierbaren BS haben, insbesondere nicht zu Apples iOS (239. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Daher konnte die Rolle, die nicht lizenzierbare BS spielen konnten, – wie dies im Übrigen auch Google geltend gemacht hat –, nur auf der Ebene der Nutzer und der Anwendungsentwickler untersucht werden (241. Erwägungsgrund Nr. 2 und 243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission war jedoch der Ansicht, dass dieser indirekte Wettbewerb nicht ausgereicht habe, um der Marktmacht von Google entgegenzuwirken (243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses mit Verweis auf dessen Abschnitt 9.3.4). 141 Um zu einer solchen Schlussfolgerung zu gelangen, hat die Kommission u. a. die Hypothese einer leichten, aber signifikanten und nicht vorübergehenden Qualitätsverschlechterung (Small but Significant and Non Transitory Decrease in Quality, im Folgenden: Qualitätsverschlechterung oder SSNDQ-Test) von Android in Betracht gezogen. Mit diesem Test hat sie die Reaktion von Nutzern und Anwendungsentwicklern auf eine Verschlechterung der Qualität von Android untersucht. Die Kommission hat mit anderen Worten geprüft, ob Google von der Entwicklung und Finanzierung von Android hätte absehen können, ohne dass dessen Nutzer und Anwendungsentwickler als Reaktion darauf ein alternatives Angebot bevorzugt hätten. 142 Mit dem ersten Teil wirft Google der Kommission vor, sie habe sowohl bei der Abgrenzung des Marktes für lizenzierte BS als auch bei der Beurteilung ihrer Macht auf diesem Markt den von Apple ausgeübten Wettbewerb in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler außer Acht gelassen. Erstens habe die Kommission zu Unrecht Beweise für den Wettbewerbsdruck durch Apple unberücksichtigt gelassen. Zweitens habe sie die im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), entwickelten Grundsätze nicht berücksichtigt, die den Wettbewerb von vertikal integrierten Unternehmen in Betracht zögen. Drittens habe die Kommission mit dem SSNDQ-Test, der ein ungenaues Instrument bleibe, die Auswirkungen einer Verschlechterung der Qualität von Android unterschätzt, indem sie die Sensibilität der Nutzer für die Qualität des BS, die Bedeutung der Preispolitik von Apple, die Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS, die Treue der Nutzer zu ihrem BS und das Verhalten der Anwendungsentwickler falsch eingeschätzt habe. i) Zu den Beweisen für einen Wettbewerbsdruck durch Apple – Vorbringen der Parteien 143 Ebenso wie ihre Streithelferinnen macht Google geltend, dass die Kommission zu Unrecht mehrere Beweise für den Wettbewerbsdruck durch Apple außer Acht gelassen habe. Dies gelte erstens für die hohen Investitionen von Google in die Entwicklung des BS Android, zweitens für die Regelmäßigkeit der bei diesem BS und bei Apples iOS eingeführten Innovationen sowie drittens für die in den Erwägungsgründen 250 bis 252 des angefochtenen Beschlusses genannten Dokumente, die den Wettbewerb von Apple veranschaulichen würden. 144 Die Kommission weist einleitend darauf hin, dass sie den Wettbewerbsdruck, der von den nicht lizenzierbaren BS von Apple und BlackBerry ausgehe, zu Recht als unzureichend angesehen habe. In dieser Hinsicht seien erstens die Investitionen, die Google in die Entwicklung von Android getätigt habe, durch ihr finanzielles Interesse motiviert gewesen, zweitens sei der von Google behauptete Innovationswettlauf nicht nachgewiesen, weil sich die Nutzer insbesondere nicht für ein BS, sondern eher für ein Gerät entschieden, und drittens seien die von Google angeführten Dokumente zu spärlich und nicht ausreichend, um einen hinreichenden Wettbewerbsdruck durch Apple zu belegen. – Würdigung durch das Gericht 145 Um darzutun, dass die Beurteilung des von Apple auf dem Markt für lizenzierte BS ausgeübten Wettbewerbsdrucks und der beherrschenden Stellung von Google auf diesem Markt falsch sei, stützt sich Google auf eine Reihe von Beweisen, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: – die Erklärungen einer ihrer Führungskräfte, wonach Google in Android investiert habe, um dem Wettbewerbsdruck durch Apple zu begegnen; – bestimmte der Klageschrift beigefügte Antworten auf Auskunftsverlangen der Kommission, die sich auf den Wettbewerb zwischen Apple und Google beziehen; – zwei interne Dokumente von Google, nämlich eine E‑Mail vom 16. Mai 2012 sowie eine interne Präsentation vom Oktober 2011, auf die im 252. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird und aus denen hervorgeht, dass Google von ihren Wettbewerbern, zu denen auch Apple gehöre, angegriffen werde und dass es das Ziel von Google sei, mit diesem vertikal integrierten Unternehmen zu konkurrieren. 146 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Google nicht bestreitet, dass von Apple kein Wettbewerbsdruck in Bezug auf die OEM ausging, wie die Kommission festgestellt hat (vgl. Erwägungsgründe 239, 249 und 252 des angefochtenen Beschlusses). Google beschränkt sich darauf, sich auf ihren Wettbewerb um Nutzer und Anwendungsentwickler zu berufen, der von der Kommission untersucht wurde, die diesen Wettbewerbsdruck nicht nur als indirekt, sondern auch als unzureichend eingestuft hat (vgl. Erwägungsgründe 242, 243 nebst Verweis auf Abschnitt 9.3.4, 249 und 267 des angefochtenen Beschlusses). 147 Sodann ist festzustellen, dass aus den von Google angeführten Beweisen nicht hervorgeht, dass Apple einen Wettbewerbsdruck ausübt, der Google daran hindern könnte, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten. Weder die Erklärungen einer Führungskraft von Google noch die Antworten verschiedener Unternehmen auf die Auskunftsersuchen der Kommission belegen nämlich, dass der indirekte Wettbewerb von Apple in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler stark genug war, um der Macht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS entgegenzuwirken. Aus diesen Dokumenten geht lediglich hervor, dass Google und andere Unternehmen Apple als Mitbewerber wahrnehmen. Für die Frage, ob Google durch den Wettbewerb von Apple auf dem hier in Rede stehenden relevanten Markt in nennenswertem Umfang eingeschränkt wird, sind sie kaum aussagekräftig. Dasselbe gilt für die beiden internen Dokumente von Google, auf die sich die Kommission im 252. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bezieht; sie belegen lediglich, dass zwischen Google und Apple ein Wettbewerbsverhältnis besteht, ermöglichen aber keine Beurteilung der Intensität dieses Verhältnisses und sind nicht geeignet, ihre Signifikanz im Vergleich zur Macht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zu belegen. 148 Insbesondere reicht die Behauptung von Google, dass die Höhe ihrer Investitionen in Android sowie die Parallelität der Innovationen von Android und iOS ein Beleg für die Intensität des Wettbewerbs mit Apple seien, nicht aus, um die von der Kommission im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen in Frage zu stellen. 149 Zum einen können die Investitionen von Google in die Entwicklung von Android nämlich nicht allein auf die Intensität des Wettbewerbs zwischen Apple und Google in Bezug auf die Nutzer intelligenter Mobilgeräte und die Entwickler von Anwendungen für diese Geräte zurückgeführt werden. Wie die Kommission zutreffend ausführt, sind diese Investitionen hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Android ein wesentlicher Bestandteil der Strategie von Google war, sich der Herausforderung durch den Übergang zum mobilen Internet zu stellen, weil dieses BS die Einbindung der allgemeinen Suchdienste von Google in intelligente Mobilgeräte ermöglichte. 150 Zum anderen hat die Kommission bereits im angefochtenen Beschluss auf das Argument der Parallelität der Innovationen geantwortet, indem sie insbesondere festgestellt hat – ohne dass ihr in der vorliegenden Klage widersprochen wurde –, dass diese Parallelität nicht so regelmäßig war, wie Google behauptet, weil einige der erwähnten Aktualisierungen von Apples iOS vor 2011 nur Zwischenupdates zur Aufrechterhaltung des BS und keine echten Aktualisierungen gewesen seien, und dass die Verlangsamung der Android-Updates ab 2011 und damit die Angleichung an die iOS-Updates wahrscheinlich darauf zurückzuführen sei, dass Google ab diesem Zeitpunkt eine beträchtliche Marktmacht erlangt habe, die es ihr ermöglicht habe, aus den Android-Versionen länger Nutzen zu ziehen, ohne so viel wie in der Vergangenheit in ihre Aktualisierung investieren zu müssen (vgl. Erwägungsgründe 258 bis 262 des angefochtenen Beschlusses). 151 Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, den behaupteten Innovationswettlauf zwischen Android und iOS im Zeitraum 2008-2011 relativiert zu haben, weil in diesem Zeitraum nur drei aufeinander folgende Versionen von iOS entwickelt wurden, während es bei Android sieben waren. Ebenso hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die abnehmende Häufigkeit der Android-Updates ab 2011 eher ein Indiz für die Marktmacht von Google war als ein Umstand, der den von Apple ausgeübten, jedenfalls nicht ausreichenden Wettbewerbsdruck widerspiegelte. 152 Daher lässt sich, sofern überhaupt ein gewisser Kausalzusammenhang zwischen einem iOS-Update und einem Android-Update geltend gemacht werden kann, aus den in diesem Zusammenhang angeführten Indizien nicht ableiten, dass dieser Zusammenhang derart signifikant gewesen wäre, dass er Apple in die Lage versetzt hätte, auf Google einen derartigen Wettbewerbsdruck auszuüben, dass sie sich nicht in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Mitbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern hätte verhalten können. 153 Was schließlich die Kritik daran betrifft, dass die Kommission im 251. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Dokumente aus der Zeit vor 2011 mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass Google zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt für lizenzierte BS noch keine beherrschende Stellung gehabt habe, ist festzustellen, dass sich die Wettbewerbssituation vor und nach 2011 aufgrund der Entwicklung der Stellung von Google auf diesem Markt geändert hat. Das Ausmaß des von Apple ausgehenden Wettbewerbsdrucks kann somit nicht anhand von Daten aus einer Zeit analysiert werden, in der Google keine marktbeherrschende Stellung innehatte, so dass die Kommission zu Recht festgestellt hat, dass die in Rede stehenden Dokumente für ihre Beurteilung nicht relevant seien. Diese Beurteilung hätte sich im Übrigen auch nicht geändert, wenn diese Dokumente berücksichtigt worden wären, weil sie zwar einen von Apple ausgehenden Wettbewerbsdruck aufzeigen, aber nicht geeignet waren, eine Bewertung des Ausmaßes dieses Drucks zu ermöglichen und zu belegen, dass er in Anbetracht der Marktmacht von Google auf dem Markt für lizenzierte BS erheblich war. 154 Folglich sind alle Argumente von Google, die sich auf die Würdigung bestimmter Beweise für den von Apples iOS ausgeübten Wettbewerbsdruck auf dem Markt für lizenzierte BS beziehen, zurückzuweisen. ii) Zur Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), und zur Kohärenz mit der bisherigen Entscheidungspraxis – Vorbringen der Parteien 155 Google macht geltend, die Kommission habe dadurch, dass sie den von Apple ausgeübten Wettbewerbsdruck nicht berücksichtigt habe, denselben Fehler begangen, den das Gericht im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), beanstandet habe. In jener Rechtssache habe das Gericht entschieden, dass bei der Beurteilung der Stellung eines nicht integrierten Unternehmens auf einem nachgelagerten Markt der Wettbewerb durch integrierte Unternehmen auf demselben Markt berücksichtigt werden müsse. Google behauptet außerdem, dass die Kommission die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt habe. 156 Die Kommission weist darauf hin, dass sich der tatsächliche Kontext der vorliegenden Rechtssache von dem der Rechtssache unterscheide, in der das Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), ergangen sei, weil es u. a. keinen Wettbewerb zwischen Apple und Google in Bezug auf die OEM gebe. Darüber hinaus zeigten die Entscheidungen, auf die sich Google stütze, keine Widersprüche zur Praxis der Kommission auf. – Würdigung durch das Gericht 157 Was als Erstes die Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass mit diesem Urteil einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung stattgegeben wurde, die einen Zusammenschluss zwischen zwei Unternehmen, der Schneider Electric SA und der Legrand SA, für unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt hatte. In diesem Urteil hat das Gericht die Entscheidung der Kommission insbesondere mit der Begründung für nichtig erklärt, dass die Kommission die Marktmacht integrierter Unternehmen nicht angemessen berücksichtigt und damit die Marktmacht der nicht integrierten Unternehmen, insbesondere des aus dem Zusammenschluss von Schneider und Legrand hervorgegangenen Unternehmens, überschätzt habe. 158 Im Einzelnen geht aus Rn. 282 des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), hervor, dass die nicht integrierten Hersteller von Bauteilen für elektrische Verteilungsanlagen, wie Schneider und Legrand, auf zwei Ebenen dem Wettbewerb der integrierten Hersteller ausgesetzt waren. Diese Konkurrenz äußerte sich unmittelbar in der Teilnahme der integrierten Hersteller und ihrer Netzmontagebetriebe an Ausschreibungen, an denen auch die nicht integrierten Hersteller in punktueller Zusammenarbeit mit anderen Montagebetrieben teilnahmen. Sie äußerte sich auch mittelbar darin, dass die integrierten Hersteller ihre Bauteile an Montagebetriebe verkauften, die einen Zuschlag erhalten hatten, aber nicht zu ihren Netzen gehörten. In beiden Fällen waren die nicht integrierten Hersteller dem Wettbewerb der integrierten Hersteller ausgesetzt. 159 Der tatsächliche Kontext der vorliegenden Rechtssache unterscheidet sich aber von dem der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), ergangen ist. Erstens war der nachgelagerte Markt nicht durch Ausschreibungsverfahren gekennzeichnet, an denen Apple und Google unmittelbar als Mitbieter hätten teilnehmen können. Der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Nutzermarkt fand zwischen Apple und den anderen OEM statt, die ihre Mobilgeräte nicht ausschließlich aus den von Google verkauften Komponenten zusammenstellten. Das BS war nur eine Komponente unter mehreren. Selbst wenn sich die OEM durch die Integration von Android mit Google zusammengetan hätten und als integriertes Unternehmen gegen Apple angetreten wären, ließe sich der Wettbewerb um die Nutzer gleichwohl nicht allein auf das BS reduzieren. 160 Zweitens hat Apple, wie die Kommission im 245. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zutreffend festgestellt hat, den OEM iOS nicht angeboten. Auf dieser Ebene konnte es daher keinen Wettbewerb zwischen Apple und Google geben. Anders wäre es gewesen, wenn Apple nicht nur Geräte mit iOS verkauft, sondern auch Lizenzen für ihr BS angeboten hätte. Während es im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), um integrierte und nicht integrierte Unternehmen ging, die miteinander konkurrierten, um ihre Bauteile den Montagebetrieben anzubieten, war dies in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall. 161 In Bezug auf die OEM waren iOS und Android daher nicht austauschbar, was es rechtfertigte, keinen Markt zu definieren, der alle BS umfasste. Google stand zwar im Wettbewerb mit Apple, soweit es um die Nutzer oder die Anwendungsentwickler ging, weil das BS einer der Parameter sein konnte, den diese vor dem Kauf eines Mobilgeräts oder der Entwicklung einer Anwendung für dieses BS berücksichtigten, doch dabei handelte es sich nur um einen von mehreren Parametern. Auf dieser Ebene war die Austauschbarkeit daher offenbar begrenzt, was es, wie die Kommission im 243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, rechtfertigen konnte, iOS und Android nicht demselben Markt zuzurechnen. 162 Jedenfalls kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, im angefochtenen Beschluss den Wettbewerb von Apple um Nutzer und Anwendungsentwickler ausgeblendet zu haben, denn sie hat ihn bei ihrer Schlussfolgerung, dass er sowohl mittelbar als auch unzureichend sei, berücksichtigt. 163 Folglich hat die Kommission die im Urteil vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), entwickelten Lösungen im vorliegenden Fall zu Recht nicht angewandt. 164 Was als Zweites die Kohärenz des angefochtenen Beschlusses mit der früheren Entscheidungspraxis der Kommission betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Entscheidungen in anderen Rechtssachen nur Hinweischarakter haben, sofern die Umstände dieser Rechtssachen nicht identisch sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. September 2013, Roca Sanitario/Kommission, T‑408/10, EU:T:2013:440, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 165 Jedenfalls muss die Kommission die Umstände des Einzelfalls individuell prüfen, ohne dabei durch frühere Entscheidungen gebunden zu sein, die andere Wirtschaftsteilnehmer, andere Produkt‑ oder Dienstleistungsmärkte und andere räumliche Märkte zu anderen Zeiten betrafen (Urteil vom 9. September 2009, Clearstream/Kommission, T‑301/04, EU:T:2009:317, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daher kann der Kommission in Anbetracht der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache nicht vorgeworfen werden, die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt zu haben. 166 Erstens geht aus dem Beschluss C(2012) 2405 final der Kommission vom 4. April 2012 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.6439 – AGRANA/RWA/JV) hervor, dass in dieser Sache davon ausgegangen wurde, dass die integrierten Unternehmen einen Wettbewerbsdruck ausübten, weil sie in der Lage waren, einen Teil ihrer Produktion von Saftkonzentrat umzuleiten und an Dritte zu verkaufen. Im vorliegenden Fall bot Apple sein BS jedoch Dritten überhaupt nicht an. Soweit aus dem 115. Erwägungsgrund des vorgenannten Beschlusses hervorgeht, dass die Kommission das Vorhandensein eines mittelbaren Wettbewerbsdrucks durch die integrierten Unternehmen auf die Abfüller von Saftkonzentraten berücksichtigt hat, lässt sich zudem kein Unterschied zur vorliegenden Rechtssache feststellen. Die Kommission hat den von Apple ausgeübten mittelbaren Wettbewerbsdruck sehr wohl untersucht, ihn aber letztlich aufgrund seiner Unzulänglichkeit als für ihre Beurteilung nicht relevant angesehen. 167 Zweitens kommt der Ansatz, der im Beschluss C(2014) 8546 final der Kommission vom 12. November 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.7342 – Alcoa/Firth Rixson) und im Beschluss C(2005) 2676 final der Kommission vom 13. Juli 2005 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.3653 – Siemens/VA Tech) verfolgt wurde, dem in der vorliegenden Rechtssache verfolgten Ansatz sehr nahe, so dass keine Inkohärenz festgestellt werden kann. In diesen Beschlüssen hat die Kommission nämlich das Ausmaß des Wettbewerbsdrucks untersucht, der auf dem relevanten Markt von vertikal integrierten Unternehmen ausgeübt werden kann. 168 Drittens hat die Kommission im Beschluss C(2012) 1068 final der Kommission vom 13. Februar 2012 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.6381 – Google/Motorola Mobility) keineswegs festgestellt, dass lizenzierte und nicht lizenzierbare BS für Mobilgeräte demselben Markt angehören. Aus dem 30. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht hervor, dass die Kommission es vorzog, diese Frage offen zu lassen, weil der Zusammenschluss von Google und Motorola Mobility in dieser Hinsicht keine Bedenken aufwarf. 169 Viertens gilt dasselbe für den Beschluss K(2009) 10033 der Kommission vom 16. Dezember 2009 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.530 – Microsoft [Koppelung]). Auch wenn man im Licht des 17. Erwägungsgrundes dieses Beschlusses gewisse Zweifel an der Abgrenzung eines Marktes hegen kann, der sowohl lizenzierte als auch nicht lizenzierbare PC‑Betriebssysteme umfasst, ist jedenfalls festzustellen, dass diese Frage überhaupt nicht erörtert wurde. Aus dem 30. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass Microsoft keineswegs bestritten hat, eine beherrschende Stellung auf dem Markt für PC‑Betriebssysteme zu haben. 170 Fünftens führt die Prüfung des Beschlusses C(2013) 8873 der Kommission vom 4. Dezember 2013 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.7047 – Microsoft/Nokia) zu denselben Erkenntnissen. Aus dem 102. Erwägungsgrund dieses Beschlusses geht nämlich hervor, dass sich die Kommission nicht zu der Frage geäußert hat, ob es einen Markt gibt, der lizenzierte und nicht lizenzierbare BS umfasst. 171 Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, die Kohärenz ihrer Entscheidungspraxis beeinträchtigt zu haben, so dass die von Google insoweit vorgebrachten Argumente zurückzuweisen sind. iii) Zum SSNDQ-Test – Vorbringen der Parteien 172 Google ist der Ansicht, die Kommission widerspreche sich selbst, wenn sie die Hypothese einer Verschlechterung der Qualität von Android in Betracht ziehe, während sie gleichzeitig behaupte, dass Google jedes Interesse daran habe, eine möglichst weite Verbreitung von Android-Geräten zu gewährleisten. Google weist außerdem, ebenso wie ihre Streithelferinnen, darauf hin, dass der in diesem Zusammenhang verwendete Qualitätsverschlechterungstest ungenau sei und dass sie nicht wisse, wie dieser Test konkret durchgeführt worden sei. 173 Nach Auffassung der Kommission besteht erstens kein Widerspruch zwischen der Feststellung, dass die Geschäftsstrategie von Google darin bestanden habe, die Verbreitung von Android-Geräten zu steigern, und der Feststellung, dass Google in der Lage gewesen sei, von einer Verschlechterung der Qualität von Android zu profitieren. Diese Annahme impliziere nämlich nicht, dass es im Interesse von Google gelegen habe, die Qualität von Android zu verschlechtern. Zweitens macht die Kommission geltend, dass von ihr nicht verlangt werden könne, zur Durchführung des SSNDQ-Tests einen festen Standard für die Qualitätsminderung zu definieren, weil dies den Test in der Praxis unbrauchbar machen würde. – Würdigung durch das Gericht 174 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss die Möglichkeit einer Verschlechterung der Qualität von Android in Betracht gezogen hat, um die Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zu beurteilen. Die Kommission hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Nutzer und die Entwickler von Anwendungen für lizenzierte BS auf eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht hinreichend empfindlich reagieren würden (483. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie hat auf diese Beurteilung auch verwiesen, um den Umfang des Marktes für lizenzierte BS zu definieren (vgl. Erwägungsgründe 243 und 267 des angefochtenen Beschlusses). 175 So war die Kommission aufgrund eines indirekten und unzureichenden Wettbewerbsdrucks in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler der Auffassung, dass nicht lizenzierbare BS nicht demselben Markt angehörten wie lizenzierte BS und dass Unternehmen, die Erstere einsetzen, insbesondere Apple, kein Gegengewicht zur Marktmacht von Google bildeten. 176 Zunächst kann sich die Kommission, um einen relevanten Markt abzugrenzen und auf ihm die Wettbewerbssituation eines betroffenen Unternehmens zu beurteilen, auf ein Bündel von Indizien stützen, ohne verpflichtet zu sein, einer starren Rangordnung für die verschiedenen Informationsquellen und Nachweisformen, die ihr zur Verfügung stehen, zu folgen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2017, Topps Europe/Kommission, T‑699/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:2, Rn. 80 bis 82). 177 Bei einem Produkt, für das der klassische hypothetische Monopolistentest – eine Prüfung der Reaktion des Marktes auf eine kleine, aber signifikante und nicht vorübergehende Preiserhöhung (Small but Significant and Non Transitory Increase in Price, SSNIP) – wenig geeignet ist, war der SSNDQ-Test, der die Verschlechterung der Qualität des in Rede stehenden Produkts in Betracht zieht, sehr wohl ein relevanter Anhaltspunkt für die Abgrenzung des relevanten Marktes. Der Wettbewerb zwischen Unternehmen kann sich nämlich nicht nur im Preis, sondern auch bei der Qualität und der Innovation niederschlagen. 178 Diese Hypothese konnte auch in den Abschnitten 9.3.4.1 bis 9.3.4.3 des angefochtenen Beschlusses herangezogen werden, um zu prüfen, ob Google, die auf dem Markt für lizenzierte BS eine beherrschende Stellung innehatte, einem Wettbewerbsdruck durch Apple, die außerhalb dieses Marktes stand, ausgesetzt war. Die im Stadium der Marktabgrenzung getroffene Feststellung einer geringen Austauschbarkeit der indirekten Nachfrage bei einer Verschlechterung der Qualität eines Produkts blieb auch im Stadium der Beurteilung der marktbeherrschenden Stellung relevant, um den Wettbewerbsdruck durch ein Unternehmen zu bewerten, das ein anderes Produkt außerhalb des so abgegrenzten Markts vertreibt. 179 Zweitens impliziert die Formulierung dieser Hypothese entgegen dem Vorbringen von Google keineswegs, dass die Kommission festgestellt hätte, dass es im Interesse von Google gelegen hätte, die Qualität von Android zu verschlechtern. Vielmehr sollte mit der Prüfung einer Verschlechterung der Qualität von Android lediglich festgestellt werden, ob Google in Bezug auf Nutzer und Anwendungsentwickler einem Wettbewerbsdruck durch Apple ausgesetzt war, wie Google im Verwaltungsverfahren behauptet hatte. 180 Schließlich kann die Festlegung eines genauen quantitativen Standards für die Verschlechterung der Qualität des Zielprodukts keine Voraussetzung für die Anwendung des SSNDQ-Tests sein. Die Hypothese einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android erforderte – anders als im Fall des klassischen hypothetischen Monopolistentests, bei dem eine kleine, aber signifikante und nicht vorübergehende Preiserhöhung leichter quantifiziert werden kann – keine vorherige Festlegung eines präzisen Standards für die Verschlechterung. Es kommt allein auf die Annahme einer geringfügigen, wenn auch signifikanten und nicht vorübergehenden Verschlechterung an. 181 Folglich hat die Kommission zu Recht eine Verschlechterung der Qualität von Android mit Hilfe des SSNDQ-Tests in Betracht gezogen. iv) Zur Treue der Nutzer zu ihrem BS – Vorbringen der Parteien 182 Nach Auffassung von Google war die Nutzertreue kein relevanter Parameter. Zwar hätten 2015 mehr als vier von fünf Nutzern, die zuvor ein Android-Gerät erworben hätten, ein neues Android-Gerät gekauft, was aber nur auf die Bemühungen von Google zurückzuführen sei, die Qualität des BS zu erhalten. Die Treue sei daher auf die Qualität von Android zurückzuführen, was mehrere von der Kommission zu Unrecht zurückgewiesene Beweise veranschaulichten. Außerdem lehne die Kommission fälschlich die Verwendung des Klemperer-Wirtschaftsmodells ab, das zeige, dass Google dem Wettbewerb von Apple um Erstkäufer ausgesetzt sei und dass dieser Wettbewerb Auswirkungen auf das Verhalten aller Android-Nutzer habe. 183 Nach Ansicht der Kommission war die Nutzertreue ein relevanter Parameter, um die Hypothese auszuschließen, dass die Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android in erheblichem Umfang zu einem anderen BS wechseln würden. Zugleich hat sie im vorliegenden Fall die Relevanz der mit dem Klemperer-Wirtschaftsmodell erzielten Ergebnisse verneint. – Würdigung durch das Gericht 184 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Treue der Nutzer zu Android nach Ansicht der Kommission nicht allein auf die Qualität des BS zurückzuführen war. Wie die Kommission auf der Grundlage der in den Erwägungsgründen 524 und 534 des angefochtenen Beschlusses zitierten Erklärungen der OEM festgestellt hat, ließ sich die hohe Nutzertreue gegenüber Android auch mit den Schwierigkeiten erklären, denen sich die Nutzer gegenübersahen, wenn sie die Übertragbarkeit ihrer persönlichen Daten sicherstellten wollten, oder auch mit der Notwendigkeit, Anwendungen erneut zu erwerben. Insbesondere gewöhnen sich die Nutzer, wie u. a. einer dieser OEM ausgeführt hat, an die Funktionsweise ihres intelligenten Mobilgeräts und wollen kein neues System erlernen (vgl. 534. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses). Die Treue der Nutzer lässt sich jedenfalls, wie die Kommission im 488. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, nicht allein auf die Qualität des BS zurückführen, weil viele Nutzer eine nicht aktualisierte Version von Android verwenden. 185 Zweitens stellt die der Klageschrift als Anlage beigefügte Erklärung einer Führungskraft von Google nicht die Bedeutung des Parameters in Frage, der aus der Treue der Nutzer zu ihrem BS abgeleitet wird. Diese Erklärung bezieht sich insbesondere auf die Bemühungen von Google, den Anforderungen der Nutzer und Entwickler von Android-Produkten gerecht zu werden, sowie auf die verschiedenen Techniken, die dieses Unternehmen einsetzt, um das Risiko einer Abwanderung von Nutzern zu Apple einzuschätzen. Die diesbezüglichen Äußerungen sind nur allgemein gehalten sowie in den meisten Fällen und im Wesentlichen nicht durch konkrete Beweise oder Zahlenangaben untermauert, die es ermöglichen würden, ihre Tragweite zu ermessen. Was insbesondere die von Google erwähnten Bemühungen angeht, auf die Anforderungen der Nutzer einzugehen, ist festzustellen, dass die Bemühungen um die Zufriedenheit der Nutzer nicht allein mit dem Risiko zu erklären sind, dass diese Nutzer zu einem anderen BS wechseln könnten, sondern dass sie allgemein die Strategie eines jeden Unternehmens widerspiegelt, das innovativ sein und auf die Bedürfnisse seiner Nutzer eingehen will. Die Sicherstellung der Zufriedenheit der Nutzer war auch eine Möglichkeit, deren Treue zu Android zu stärken. 186 Drittens zeigten die Beweise, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt hat, dass in der Tat eine Abwanderung zu einem anderen BS stattgefunden hat, deren Ausmaß aber begrenzt war. Zwar macht Google geltend, die Tatsache, dass im Jahr 2015 bei einem Neukauf 82 % der Nutzer von Android-Geräten diesem BS treu geblieben seien, lasse nicht mit Sicherheit darauf schließen, dass dieser Prozentsatz im Fall einer Verschlechterung der Qualität von Android weiterhin so hoch bleiben würde. Hingegen deutet diese Tatsache darauf hin, dass die starke Bindung der Nutzer an Android es zumindest auf den ersten Blick wenig wahrscheinlich macht, dass die Nutzer zu einem anderen BS wechseln würden. Ebenso hat die Kommission, ohne dass dies von Google bestritten worden wäre, im 537. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angegeben, dass im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 nur 16 % der Nutzer von Apple-Mobilgeräten zuvor ein Android-Gerät verwendet hätten. Mit anderen Worten dürfte nur ein kleiner, nicht aber ein wesentlicher Teil der Nutzer bereit gewesen sein, zu Apple zu wechseln. Die im 543. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen der OEM gingen in die gleiche Richtung. Zwar räumten diese OEM ein, dass Nutzer möglicherweise zu Apple wechseln könnten, allerdings nur unter außergewöhnlichen, durch erhebliche Veränderungen gekennzeichneten Umständen. 187 Darüber hinaus lag der Grund dafür, dass viele Nutzer Ende 2015 zu Apple wechselten, in der Einführung eines neuen intelligenten Mobilgeräts mit neuen Merkmalen, wie die Kommission im 538. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Dieser Wechsel war mit anderen Worten nicht auf einen Wettbewerb zwischen BS zurückzuführen. Diese Auffassung wird durch ein internes Dokument von Google bestätigt, auf das sie sich beruft. Aus diesem Dokument mit dem Titel „Switcher Insights“ (Erkenntnisse über Umsteiger) geht nämlich hervor, dass der Wechsel der Nutzer hauptsächlich durch die Einführung neuer Geräte und nicht durch Weiterentwicklungen der BS ausgelöst wurde. 188 Viertens konnte die Verwendung des Klemperer-Wirtschaftsmodells, auf das im 551. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, die Treue der Nutzer zu ihrem BS nicht widerlegen. Diese Studie bezog sich nämlich auf Erstkäufer und kann nicht dahin interpretiert werden, dass die Nutzer, nachdem sie ihre Wahl getroffen hätten, ihrem BS keine Treue erweisen würden. 189 Daher war die Kommission berechtigt, sich bei der Beurteilung des Ausmaßes des von Apple ausgeübten Wettbewerbsdrucks auf die Treue der Nutzer zu ihrem BS zu stützen. v) Zur Sensibilität der Nutzer gegenüber der Qualität des BS – Vorbringen der Parteien 190 Ebenso wie ihre Streithelferinnen behauptet Google, dass die Nutzer auf jede noch so geringe Verschlechterung der Qualität von Android empfindlich reagieren würden. Für die Wahl der Verbraucher sei die Qualität der entscheidende Parameter, neben dem andere Parameter wie der Preis oder das Design des betreffenden Produkts keine gleichwertige oder gar vorrangige Rolle spielten. Dies werde durch die umfangreiche Medienberichterstattung über die Einführung neuer BS und durch mehrere Umfragen belegt. 191 Die Kommission stellt mit Unterstützung ihrer Streithelfer klar, dass sie keineswegs festgestellt habe, die Nutzer würden auf alle Schwankungen der Qualität mobiler BS eher gleichgültig reagieren, sondern dass sie es für wenig wahrscheinlich gehalten habe, dass die Nutzer eine geringe Verschlechterung der Qualität zum Anlass nehmen würden, ihre Kaufgewohnheiten zu ändern und zu einem anderen Produkt zu wechseln. Die Nutzer berücksichtigten eine Reihe von Faktoren und nicht nur das BS. Die verschiedenen von Google angeführten Beweise könnten die gegenteilige These nicht stützen. – Würdigung durch das Gericht 192 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission entgegen der Behauptung von Google keineswegs davon ausgegangen ist, dass die Nutzer dem BS intelligenter Mobilgeräte keine Bedeutung beimäßen. 193 So hat die Kommission in Fortführung ihrer Entscheidungspraxis darauf hingewiesen, dass das BS ein wichtiger Parameter für die Wahl eines intelligenten Mobilgeräts sei. Sie hat jedoch auch betont, dass dies nicht der einzige Parameter sei, den die Nutzer berücksichtigten (vgl. 483. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Insbesondere mit Rücksicht darauf hat die Kommission in diesem Erwägungsgrund festgestellt, dass es im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android „wenig wahrscheinlich“ sei, dass ein Nutzer seine Kaufgewohnheiten ändere und von einem Gerät mit einem lizenzierten BS zu einem Gerät mit einem nicht lizenzierbaren BS wechsele. 194 Über diese bloße Feststellung hinaus stellt Google zwei der Gründe in Frage, auf die sich die Beurteilung der Kommission stützt. Erstens bestreitet Google zwar nicht, dass die Entscheidung eines Nutzers von einer Reihe von Parametern abhängt, weist aber darauf hin, dass die Feststellung, dass es mehrere Parameter gebe, nicht ausreiche, um auszuschließen, dass eine Verschlechterung der Qualität des BS die Nutzer dazu veranlasse, zu Geräten mit einem anderen BS zu wechseln. So belegten die Ergebnisse mehrerer Umfragen, dass die Qualität des BS ein maßgeblicher Parameter für die Wahl der Nutzer sei. Zweitens weist Google darauf hin, dass der Umstand, dass die Nutzer auf Verzögerungen der Verfügbarkeit von Android-Updates nicht sogleich mit einem Wechsel zu einem anderen Gerät reagierten, im Gegensatz zu den Erwägungsgründen 488 bis 490 des angefochtenen Beschlusses keineswegs die Behauptung rechtfertige, dass die Nutzer auf eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht reagieren würden. Die Bereitstellung von Android-Updates brauche eine gewisse Zeit. 195 Zum einen ist jedoch festzustellen, dass die von Google angeführten Umfragen nicht geeignet sind, ihr Vorbringen mit Erfolg zu stützen. Die erste Umfrage, das von Google erstellte und im 540. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Dokument mit dem Titel „Switcher Insights“, hat gezeigt, dass Wechsel zu anderen Geräten zeitgleich mit der Markteinführung neuer Geräte und nicht mit Weiterentwicklungen der BS einhergingen. Daraus ergibt sich, dass die Nutzer einer Reihe von Parametern des Geräts und nicht nur dem BS allein Bedeutung beimessen. Diese Interpretation liegt umso näher, als die Umfrage je nach OEM unterschiedliche Wechselquoten ergeben hat. 196 Die zweite Umfrage, die im 494. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Kantar-Studie, hat ergeben, dass 24 % der Nutzer von Android-Geräten der unteren Preisklasse jedes Jahr zu einem anderen BS wechselten, gegenüber 14 % der Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse. Es trifft zwar zu, dass dieser Umfrage zufolge einige Nutzer von Google-Android-Geräten im Vereinigten Königreich zu Geräten mit einem anderen mobilen BS gewechselt waren. Dieser Wechsel war jedoch nicht in erster Linie auf die Qualität des BS zurückzuführen, sondern auf andere Merkmale wie Marke oder Modell, Kosten, Benutzerfreundlichkeit, Netz oder Netzbetreiber. Dies gilt umso mehr, als dieser Studie zufolge nur ein sehr geringer Teil der Nutzer angab, wegen der Qualität und der Marke des BS zu einem Gerät von Apple gewechselt zu sein, was Google nicht bestreitet. Mit anderen Worten mag die Qualität des BS beim Kauf eines neuen Geräts zwar ein wichtiger Parameter gewesen sein; sie war jedoch nicht der ausschlaggebende Parameter. 197 Die dritte Umfrage, die im 492. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Yandex-Studie, hat ergeben, dass die meisten Nutzer von Android-Geräten diesem Betriebssystem im Wesentlichen wegen seiner Qualität treu blieben. Diese Umfrage kann die Behauptungen von Google aber nicht stützen. Zwar hatten 44 % der Nutzer angegeben, Android treu geblieben zu sein, weil ihnen das BS und nicht das Gerät oder dessen Preis wichtig gewesen sei, aber die Bedeutung dieser Angabe wurde durch das in Rede stehende Dokument relativiert. Es selbst enthielt den Hinweis, wonach nicht auszuschließen sei, dass bei diesen Nutzern auch andere Faktoren eine Rolle gespielt hätten, z. B. die Markentreue oder die mit einem Wechsel zu einer anderen Plattform verbundenen Kosten. Desgleichen hieß es in den Schlussfolgerungen der Umfrage, dass eine geringfügige Verschlechterung der Qualität von Android für die Wahl eines Geräts auf der Ebene des Einzelhandels nicht ausschlaggebend sei. 198 Zum anderen hat die Kommission in den Erwägungsgründen 488 bis 490 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass viele Nutzer von lizenzierten BS Geräte mit älteren Android-Versionen verwendeten. Diese Feststellung wird von Google nicht bestritten. So besaßen im Mai 2017 nur 7,1 % der Nutzer ein Gerät, das mit der neuesten Version von Android betrieben wurde, obwohl diese Version schon seit Oktober 2016 verfügbar war. Ebenso geht aus den Erwägungsgründen 489 und 490 des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Verkaufszahlen von Google-Android-Geräten nicht mit den Aktualisierungen dieses BS korrelierten. Daraus folgt, dass die Nutzer auf Qualitätsschwankungen von Android nur wenig empfindlich reagierten, zumal sie sich offenbar mit älteren Versionen dieses BS zufriedengaben. 199 Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie es angesichts der zahlreichen für die Wahl eines Nutzers maßgebenden Faktoren für wenig wahrscheinlich hielt, dass eine Verschlechterung der Qualität von Android zu einem Wechsel der Nutzer von einem Gerät mit lizenziertem BS zu einem Gerät mit nicht lizenzierbarem BS führen würde. vi) Zu den Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS – Vorbringen der Parteien 200 Nach Ansicht von Google stellt die Notwendigkeit, Anwendungen erneut zu kaufen, damit sie unter iOS funktionieren, kein Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu diesem BS dar. Kostenpflichtige Anwendungen machten nur einen sehr kleinen Teil der heruntergeladenen Anwendungen aus, und einige von ihnen ermöglichten es, die abgeschlossenen Abonnements zu übertragen. Zudem sei Apple bemüht, Nutzern den Wechsel des BS zu erleichtern, indem sie Tools für die Migration von Anwendungen von Android auf iOS anbiete. 201 Nach Auffassung der Kommission gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die die Nutzer davon abhalten, zu einem anderen BS zu wechseln, wie die Treue der Nutzer zu ihrem BS, die Merkmale des Geräts und die Notwendigkeit, neue Anwendungen zu kaufen. – Würdigung durch das Gericht 202 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Google nicht alle Hindernisse für einen Wechsel bestreitet, die die Kommission im 523. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat. Google konzentriert sich allein auf die von der Kommission angeführte Notwendigkeit, neue Anwendungen herunterzuladen und zu kaufen, während die Kommission ihre Feststellung, dass der Wechsel zu iOS kostspielig sei, auch damit untermauert, dass sich die Nutzer mit einer neuen Benutzeroberfläche vertraut machen und eine große Menge an Daten übertragen müssten. 203 Die von Google vorgebrachten Argumente können jedoch nicht sämtliche Beurteilungen in den Erwägungsgründen 522 bis 532 des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen. Zum einen ist festzustellen, dass den Nutzern, die zu einem anderen BS wechseln möchten, auch dann, wenn sie im Vergleich zu den Kosten eines mobilen Geräts nur wenig für Anwendungen ausgeben sollten, gleichwohl zusätzliche Kosten entstehen. Das bestreitet Google nicht. Diese zusätzlichen Kosten lassen sich, so gering sie auch sein mögen, nicht vermeiden und stellen in der Tat ein Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu einem anderen BS dar. 204 Zum anderen kann die im 525. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erwähnte Tatsache, dass Apple versucht hat, einen solchen Wechsel zu erleichtern, nicht dahingehend interpretiert werden, dass der Wechsel problemlos möglich gewesen wäre. Wie die Kommission darlegt, hat die Einführung einer Anwendung durch Apple, die den Übergang von Android zu iOS erleichtern sollte, im Gegenteil gezeigt, dass ein solcher Wechsel Anlass zur Besorgnis gab. Die Kommission stellt zu Recht fest, ohne dass Google dem widersprochen hätte, dass ein Wechsel die Nutzer zwingt, sich mit einer neuen Benutzeroberfläche vertraut zu machen, was diesen Wechsel zwangsläufig komplexer und unsicherer macht. 205 Daher hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie feststellte, dass der Wechsel zu einem anderen mobilen BS zu zusätzlichen Kosten führen könne, was ein weiteres Hindernis für den Wechsel der Nutzer zu Apple darstelle. vii) Zu den Auswirkungen der Preispolitik von Apple – Vorbringen der Parteien 206 Nach Ansicht von Google und ihren Streithelferinnen stellte die Preispolitik von Apple für die Nutzer kein Hindernis dar, das einem Wechsel entgegenstand, unabhängig davon, ob diese Nutzer Geräte der oberen oder der unteren Preisklasse verwendeten. 207 Dem halten die Kommission und ihre Streithelfer entgegen, dass die Preispolitik von Apple nicht außer Acht gelassen werden dürfe und ein erhebliches Hindernis für einen Wechsel der Nutzer dargestellt habe, und zwar sowohl bei Geräten der oberen als auch der unteren Preisklasse. – Würdigung durch das Gericht 208 Im vorliegenden Fall sind die von Google vorgebrachten Argumente dieselben, die von der Kommission in den Erwägungsgründen 512 bis 521 des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen wurden. Für Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse stellte die Preispolitik von Apple ein offensichtliches Hindernis dar. Die Kommission hat im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt, dass mindestens 50 % der mit Android betriebenen Geräte zu einem niedrigeren Preis als Geräte von Apple verkauft wurden. Zudem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 503 und 504 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass Geräte von Apple im Zeitraum 2009-2014 im Durchschnitt fast doppelt so viel kosteten wie Android-Geräte. Daher war jeder Wechsel zu Apple-Geräten für die Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse mit höheren Ausgaben verbunden. 209 Das auf den Preis des Modells iPhone SE gestützte Argument kann insoweit keinen Erfolg haben. Erstens war das iPhone SE mit einem Preis von rund 400 US-Dollar (ca. 290 Euro im Jahr 2014) zwar das preisgünstigste von Apple verkaufte Gerät, was aber nichts daran änderte, dass dieser Preis immer noch über dem durchschnittlichen Verkaufspreis von Android-Geräten lag, wie aus dem Schaubild im 503. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht. Zweitens entsprach der von Google angegebene niedrigere Preis für dieses iPhone auf einer Online-Verkaufsplattform keineswegs dem von Apple verlangten Preis. Es handelte sich nämlich um den Preis, den ein dritter Wiederverkäufer zu einem bestimmten Zeitpunkt verlangte; er kann daher nicht verallgemeinert werden. Drittens wurde das Modell iPhone SE, wie aus dem 518. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ersichtlich ist, erst ab März 2016, d. h. am Ende des Zeitraums der Zuwiderhandlung, zum Verkauf angeboten, was Google nicht bestreitet. 210 Daher war die Feststellung der Kommission, dass die Preispolitik von Apple ein Hindernis für den Wechsel von Nutzern von Android-Geräten der unteren Preisklasse gewesen sei, nicht fehlerhaft. 211 Eine solche Schlussfolgerung ist jedoch nicht zwingend, soweit es um Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse geht, d. h. von Geräten, die in der gleichen Preisklasse wie Apple-Geräte verkauft wurden. 212 Im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission darauf hingewiesen, dass ein Wechsel der Nutzer hochwertiger Geräte angesichts ihrer Kaufgewohnheiten, der mit einem solchen Wechsel verbundenen zusätzlichen Kosten und der Treue der Nutzer zu ihrem BS wenig wahrscheinlich sei. Außerdem hat sie im 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses klargestellt, dass die finanziellen Auswirkungen auf Google selbst bei Berücksichtigung eines solchen Wechsels begrenzt wären. Google habe nämlich aufgrund ihrer mit Apple geschlossenen Vereinbarung weiterhin einen großen Teil ihrer Einnahmen erhalten, weil iOS ihre Suchmaschine Google Search genutzt habe. In diesem Zusammenhang behauptet Google im Gegenteil, dass sie einen großen Teil ihrer Einnahmen aus der Nutzung von Google-Android-Geräten erziele, die sich in einer ähnlichen Preisklasse wie die Geräte von Apple befänden. Selbst wenn also nur ein kleiner Teil dieser Nutzer wechselte, wäre dies für Google schädlich. 213 Die Preispolitik von Apple stellt sich zwar als ein Hindernis für den Wechsel von Nutzern von Geräten der unteren Preisklasse dar, nicht aber für Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse. Die Kommission scheint dies implizit anzuerkennen, weil sie im 513. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verschiedene Gründe für die Behauptung anführt, dass die Nutzer solcher Geräte nicht zu Apple-Geräten wechseln würden. Die Argumente der Kommission stützen sich somit nicht auf die Preispolitik von Apple, die, für sich genommen, im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android kein Hindernis für den Wechsel von Nutzern hochwertiger Geräte darstellt. 214 Die Feststellung im 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die finanziellen Auswirkungen eines solchen Wechsels in Bezug auf Geräte der oberen Preisklasse begrenzt wären, weil die Nutzer Suchvorgänge auf iOS-Geräten weiterhin mit Google Search durchführten und Google die daraus erzielten Einnahmen behalte, hat keinen wirklichen Einfluss auf die Frage, ob die Preispolitik von Apple ein Gegengewicht zur Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS bilden konnte. Wie die Kommission nämlich im 540. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses unter Nennung eines Beispiels einräumt, konnte die Preispolitik von Apple für die Nutzer hochwertiger Geräte des Android-Ökosystems kein Hindernis für einen Wechsel zum iOS-Ökosystem sein. 215 Die Kommission hat daher zu Recht festgestellt, dass die Preispolitik von Apple für die große Mehrheit der Nutzer von Android-Geräten ein Hindernis für einen Wechsel darstellte. Für Nutzer von Geräten der oberen Preisklasse traf dies allerdings nicht zu. Dieser Fehler bleibt jedoch insofern folgenlos, als der Wechsel bei den letztgenannten Nutzern von anderen Faktoren abhängt, wie aus dem 513. Erwägungsgrund oder auch aus dem 540. Erwägungsgrund Nrn. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht. Dies gilt insbesondere für die Treue der Nutzer zu ihrem BS, einschließlich, wie aus der von der Kommission im 534. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärung eines der OEM hervorgeht, der Gewöhnung der Nutzer an die Handhabung ihres BS (siehe oben, Rn. 184 bis 189). viii) Zum Verhalten der Anwendungsentwickler – Vorbringen der Parteien 216 Google hebt die Bedeutung der Unterstützung durch die Anwendungsentwickler hervor. Sie macht geltend, sie müsse ein hohes Niveau der Qualität von Android aufrechterhalten, um für die Anwendungsentwickler eine größtmögliche Zahl von Nutzern zu gewährleisten. Jede Verschlechterung von Android würde dazu führen, dass die Anwendungsentwickler zu anderen Plattformen, insbesondere der von Apple, wechselten oder ihre Investitionen in Android reduzierten. Ein Rückgang der Investitionen der Anwendungsentwickler würde eine Negativspirale in Gang setzen, die die Nutzer zu einem Wechsel veranlassen würde. 217 Die Kommission ist der Ansicht, das Ausbleiben eines Wechsels der Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android bedeute zugleich, dass auch die Anwendungsentwickler von einem entsprechenden Wechsel absehen würden. Das Schaubild im 610. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verdeutliche zudem, dass die Anwendungsentwickler seit 2010 weitgehend von iOS zu Android gewechselt seien. – Würdigung durch das Gericht 218 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zutreffend dargelegt hat, aus welchen Gründen ein Anwendungsentwickler im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität des BS weiterhin für Android tätig bleiben würde. Da Android die bei den Nutzern am weitesten verbreitete Plattform war, hatten die Anwendungsentwickler nämlich großes Interesse daran, die Mehrheit der Nutzer anzusprechen (vgl. 553. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 219 Da es unwahrscheinlich war, dass Nutzer im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android zu einem anderen mobilen BS wechseln würden, gilt dies auch für die Anwendungsentwickler, die vernünftigerweise nicht den Großteil ihrer Kunden im Stich lassen konnten. 220 Auch die Tatsache, dass die Anwendungsentwickler für mehrere BS tätig waren, untermauert entgegen der Behauptung von Google die Feststellung, dass eine Verschlechterung der Qualität von Android nicht dazu geführt hätte, die Entwicklung einer Anwendung für Android einzustellen. 221 Daher hat die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen, als sie davon ausging, dass sich die Anwendungsentwickler im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android nicht von diesem BS abwenden würden. 222 Folglich hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die relativ geringe Intensität des von Apple ausgehenden Wettbewerbs es gerechtfertigt habe, den relevanten Markt nicht auf alle mobilen BS zu erstrecken und jeden von nicht lizenzierbaren BS ausgeübten Wettbewerbsdruck von der beträchtlichen Marktmacht von Google bei lizenzierten BS abzuwenden. Unabhängig davon, ob es sich um die Treue der Nutzer zu ihrem BS, die Auswirkungen der Preispolitik von Apple, insbesondere für Nutzer von Geräten der unteren Preisklasse, oder die mit dem Wechsel zu einem anderen BS verbundenen Kosten handelt, hat die Kommission zu Recht festgestellt, dass die Auswirkungen des Wettbewerbsdrucks von Apple auf die Marktmacht von Google aufgrund dieser zahlreichen Hindernisse in ihrer Gesamtheit zu relativieren waren. 2) Zum Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz i) Vorbringen der Parteien 223 Google ist der Ansicht, aufgrund der AOSP-Lizenz, die die Entwicklung perfekter Android-Ersatzprodukte ermögliche, Wettbewerbsdruck ausgesetzt zu sein. Daher würde jede geringfügige Verschlechterung der Qualität von Android dazu führen, dass die OEM frei verfügbare, nicht verschlechterte Versionen von Android bevorzugten. Die Kommission lasse die in ihrem Beschluss C(2010) 142 endgültig vom 21. Januar 2010 zur Feststellung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR‑Abkommen (Sache COMP/M.5529, Oracle/Sun Microsystems) (im Folgenden: Beschluss Sun Microsystems) gewählte Lösung außer Acht; dort habe sie festgestellt, dass der offene Quellcode einer Software zu Wettbewerbsdruck führe. Außerdem habe die Stabilität der Marktanteile von Google seit 2011, die auf ihre Bemühungen um die Qualität von Android zurückzuführen sei, keinen Einfluss auf die Reaktion der OEM im Falle einer geringfügigen Qualitätsverschlechterung. Google bestreitet auch, dass die Verweise im angefochtenen Beschluss auf die Wortmarke Android, deren Inhaberin sie ist, auf ihre proprietären Anwendungsprogrammierschnittstellen (im Folgenden: proprietäre API), auf ihre Kontrolle über Android durch Kompatibilitätstests oder auf den Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der OEM AFV und VVMA mit ihr abgeschlossen hat, relevant sind. 224 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie weist insbesondere darauf hin, dass Google den Zugang zum Android-Quellcode kontrolliere (Erwägungsgründe 128 bis 130 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus stützt sich die Kommission auf eine interne Präsentation einer Führungskraft von Google. Diese Präsentation verdeutliche die von Google verfolgte Politik, insbesondere die Notwendigkeit, die Kontrolle über Android durch die Entwicklung des Play Store und ihrer Google-Anwendungen zu behalten, was es letztlich unmöglich mache, eine überzeugende alternative Version von Android zu entwickeln. Außerdem sei der Beschluss Sun Microsystems nicht hilfreich, weil im vorliegenden Fall OEM, die die Marke Android verwenden, Zugang zum Play Store erhalten und Anwendungen von Google nutzen wollten, Vereinbarungen mit Google schließen müssten. 225 Der BDZV teilt die Auffassung der Kommission. Android sei das „geschlossenste aller quelloffenen Projekte“. Google stelle die Entwicklung des Quellcodes von Android selbst sicher, kontrolliere die AOSP-Lizenz sowie die Marke Android, überwache die Implementierung von Android durch Kompatibilitätstests, verfolge ein kommerzielles Interesse, das ihr Bedürfnis erkläre, die Kontrolle über Android zu behalten, und die quelloffene Natur von Android sei angesichts der fortschreitenden Einschränkung des Quellcodes fragwürdig. ii) Würdigung durch das Gericht 226 Es ist festzustellen, dass Google den durch die AOSP-Lizenz verursachten Wettbewerbsdruck überbewertet. Zwar kann die im 568. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Begründung, dass die Marktanteile von Google seit 2011 kontinuierlich auf ein sehr hohes Niveau gestiegen seien, für sich genommen nicht ausreichen, um einen Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz auszuschließen. Auch die Tatsache, dass sich keine nicht kompatible Android-Fork hat herausbilden können, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass ein Unternehmen aus dem Quellcode eine überzeugende Alternative zu Android entwickelt. Gleichwohl konnte der von der AOSP-Lizenz ausgehende Wettbewerbsdruck in Verbindung mit den anderen Gründen, auf die sich die Kommission in den Erwägungsgründen 567 bis 583 des angefochtenen Beschlusses gestützt hat, stark relativiert werden. 227 Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Zutrittsbarrieren für ein Unternehmen, das ein BS aus dem Android-Quellcode entwickeln will, trotz oder gerade wegen der Tatsache, dass Android kostenlos ist, hoch waren. Wie die Kommission im 569. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht festgestellt hat, ohne dass Google dem widersprochen hätte, müsste jedes Unternehmen, das ein alternatives BS aus dem Android-Quellcode entwickeln wollte, erhebliche Kosten aufwenden, was wahrscheinlich zur Folge hätte, dass zunächst eine kostenpflichtige Version angeboten würde. Die Beispiele des BS von Amazon oder des Versuchs von Seznam, ein eigenes BS zu entwickeln, sind besonders überzeugend. Google kann mit anderen Worten nicht geltend machen, dass die OEM im Fall einer geringfügigen Verschlechterung der Qualität von Android in der Lage gewesen wären, schnell auf den Quellcode zurückzugreifen, um einer solchen Verschlechterung entgegenzuwirken. 228 Dies gilt erst recht in Anbetracht der AFV, die das Aufkommen von Alternativen zu Android hemmten, wie die Kommission insbesondere in den Erwägungsgründen 572, 575 und 576 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat. Viele OEM waren nämlich an solche Vereinbarungen gebunden, die es ihnen untersagten, Mobilgeräte zu verkaufen, die mit nicht von Google genehmigten Android-Versionen betrieben wurden. Für die Unterzeichner der AFV – tatsächlich etwa 100 OEM, darunter die 30 größten (siehe unten, Rn. 849) – hätte der Wechsel zu einer alternativen, von Google nicht genehmigten Version einen vollständigen Bruch mit Google bedeutet. 229 Zweitens hätte, selbst wenn es einigen OEM gelungen wäre, aus dem Android-Quellcode eine alternative Version von Android zu entwickeln, die Gefahr bestanden, dass eine solche Version anfangs kein ernsthafter Wettbewerber gewesen wäre. Um eine solche Version zu entwickeln, hätte ein Unternehmen in der Lage sein müssen, mehrere Anwendungen anzubieten und auch Zugang zu ausreichend funktionalen Anwendungsprogrammierschnittstellen zu gewähren, wie die Kommission im 576. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat. Außerdem stellt Google die von der Kommission in den Erwägungsgründen 576 und 577 des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen nicht in Frage, wonach die eigenen Anwendungen und die proprietären API von Google insbesondere aufgrund der Marktmacht dieses Unternehmens im Bereich der allgemeinen Suchdienste für die Hersteller kommerziell wichtig waren. Die Nachbildung dieser Anwendungen und der zugehörigen Programmierschnittstellen hätte somit Zeit und erhebliche Investitionen erfordert. Das Aufkommen einer überzeugenden Alternativversion war mit anderen Worten höchst ungewiss. 230 Google behauptet in diesem Zusammenhang, dass eine alternative Android-Version von ihren proprietären API hätte profitieren können. Doch selbst wenn eine solche Möglichkeit bestanden hätte, bliebe es bei der von Google unwidersprochenen Feststellung im 576. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass der Zugang zu den Anwendungen und proprietären API von Google vom Abschluss einer AFV abhängig war, die es diesem Unternehmen somit ermöglicht hätte, alternative Android-Versionen zu überwachen. 231 Drittens stellt der Beschluss Sun Microsystems die vorstehende Analyse nicht in Frage. Wie die Kommission geltend macht, unterscheiden sich die Umstände jener Sache nämlich von denen der vorliegenden Rechtssache. Zwar hat die Kommission im 749. Erwägungsgrund des Beschlusses Sun Microsystems bei der Prüfung der Marktmacht des fusionierten Unternehmens den Wettbewerbsdruck berücksichtigt, der von der Software ausging, die aus dem Quellcode der Software von Sun Microsystems, Inc. entwickelt worden war. Ebenso hat die Kommission im 252. Erwägungsgrund jenes Beschlusses, auf den sich Google beruft, anerkannt, dass der Inhaber einer Software mit offenem Quellcode dem Wettbewerbsdruck durch unabhängige Entwickler unterlag, die in der Lage waren, Verbesserungen oder Patches dieser Software anzubieten. Gleichwohl ist in der vorliegenden Rechtssache die Quelloffenheit von Android nicht mit derjenigen der Software vergleichbar, um die es im Beschluss Sun Microsystems ging. Wie sich aus dem 128. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, ist die Android-Version, deren Quellcode verfügbar ist, nicht notwendigerweise die neueste von Google angebotene Version von Android. Ebenso ist es in der Praxis schwierig, aus dem Quellcode entwickelte Android-Verbesserungen anzubieten, es sei denn, man geht eine noch engere Bindung mit Google ein, um insbesondere Zugang zu ihren Anwendungen und proprietären API zu erhalten. Aus dem Vorstehenden folgt, dass der offene Quellcode von Android keinen Wettbewerbsdruck erzeugt, der mit dem im Beschluss Sun Microsystems beschriebenen vergleichbar wäre. 232 Schließlich kann dem von Google in der Erwiderung vorgebrachten Argument nicht gefolgt werden, wonach die Kommission sich selbst widerspreche, indem sie einerseits feststelle, dass „eine Android-Variante Zugang zu den Android-Marken und den Anwendungen Play Store und Google Search haben müsse, um eine ernsthafte Bedrohung darzustellen“, während sie andererseits im Rahmen des Missbrauchs auf dem Weltmarkt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen einerseits und auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste andererseits, der darin bestehen solle, dass die Lizenzierung des Play Store und von Google Search von der Annahme der VVF abhängig gemacht werde (im Folgenden: zweiter Missbrauch), davon ausgehe, dass „inkompatible Forks“ – die keinen derartigen Zugang hätten – „eine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung darstellen“ (vgl. 1036. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). Wie von der Kommission dargelegt, muss nämlich bei der Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, der von der AOSP-Lizenz ausgehen kann, berücksichtigt werden, dass die OEM eine AFV und eine VVMA abschließen müssen, um ihre Geräte, die mit kompatiblen Forks betrieben werden, verkaufen und Googles proprietäre API implementieren zu können. Da diese OEM an die AFV gebunden sind, die in der Regel eine Laufzeit von fünf Jahren haben (Erwägungsgründe 168, 169 und 1078 des angefochtenen Beschlusses), können sie nicht frei auf den Android-Quellcode zurückgreifen, um Forks zu erstellen. Es wäre ihnen daher nicht möglich, schnell und jederzeit ein Gerät auf den Markt zu bringen, das mit einer solchen Fork betrieben wird. 233 Daher ist die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangt, dass die quelloffene Natur der AOSP-Lizenz keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck darstellt, um der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für lizenzierte BS entgegenzuwirken. 234 Folglich ist der erste Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen. 3. Zweiter Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen 235 Neben dem Markt für lizenzierte BS hat die Kommission auch den Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen in Betracht gezogen. Zur Abgrenzung dieses Marktes hat sie in den Erwägungsgründen 268 bis 322 des angefochtenen Beschlusses alle Vertriebsplattformen für Anwendungen für Google-Android-Geräte sowie die Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere Android-Geräte einbezogen. Hingegen hat die Kommission erstens die Zugehörigkeit einer Reihe von Anwendungen, insbesondere solcher, die direkt aus dem Internet heruntergeladen werden können, zu demselben Markt, dem die Vertriebsplattformen für Anwendungen angehören, ausgeschlossen. Zweitens hat die Kommission die Vertriebsplattformen für andere lizenzierte sowie für nicht lizenzierbare BS ausgeschlossen. 236 Im Anschluss daran hat die Kommission festgestellt, dass Google mit dem Play Store eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Android-Vertriebsplattformen innehatte. Wie aus den Erwägungsgründen 590 bis 673 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat sich die Kommission auf die Marktanteile von Google, auf die Anzahl und die Beliebtheit der zum Download bereitgestellten Anwendungen sowie auf die Verfügbarkeit von Updates, auf die Verpflichtung, den Play Store zu nutzen, um die Dienste von Google Play in Anspruch nehmen zu können, auf das Vorhandensein von Marktzutrittsschranken, auf das Fehlen einer ausgleichenden Nachfragemacht der OEM und auf den unzureichenden Wettbewerbsdruck durch Vertriebsplattformen für nicht lizenzierbare mobile BS gestützt. 237 Im zweiten Teil des ersten Klagegrundes konzentriert Google ihre Argumente auf die von der Kommission in Abschnitt 9.4.7 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Prüfung der Intensität des Wettbewerbsdrucks durch die Vertriebsplattformen für nicht lizenzierbare mobile BS. a) Vorbringen der Parteien 238 Zunächst weist Google darauf hin, dass Android und der Play Store voneinander abhängig seien. Beide müssten gleichzeitig wettbewerbsfähig sein: Die Dominanz des einen könne von der des anderen nicht getrennt werden. Das habe die Kommission in den Erwägungsgründen 299, 305 und 594 des angefochtenen Beschlusses anerkannt. Die HMD, die ADA und die CCIA bestätigen diese Auffassung und weisen darauf hin, dass der angefochtene Beschluss von der Realität abweiche, weil er den Wettbewerb zwischen den „Systemen“ Android und Apple außer Acht lasse und den Wettbewerb nicht auf globaler Ebene beurteile. 239 Ferner habe die Kommission bei der Trennung des Play Store von Android den von Apple ausgeübten Wettbewerb nicht berücksichtigt. Dieser Wettbewerb sei jedoch der Grund für die Entwicklung des Play Store gewesen, um dessen Qualität auf einem hohen Niveau zu halten. Das Urteil vom 12. Dezember 2018, Servier u. a./Kommission (T‑691/14, mit Rechtsmittel angefochten, EU:T:2018:922), bestätige, dass ein solches Innovationsmuster das Vorhandensein von Wettbewerb impliziere. Hätte Google, wie die Kommission behaupte, eine marktbeherrschende Stellung innegehabt, hätte sie von Innovationen abgesehen, und es wäre eine Verschlechterung der Qualität des Play Store zu beobachten gewesen. Auch die Behauptung im 660. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, dass die Entwicklung des Play Store nicht auf ein Innovationsphänomen zurückzuführen sei, sondern auf die Umsetzung technologischer Trends oder auf eine Anpassung der einen Vertriebsplattform an die Merkmale der anderen, sei unbewiesen und falsch. Träfe sie zu, würde eine solche Feststellung das Bestehen eines Wettbewerbs zwischen Google und Apple untermauern. 240 Ebenso wie die ADA weist Google schließlich darauf hin, dass sie entgegen der Behauptung in den Erwägungsgründen 290 und 668 des angefochtenen Beschlusses nicht in der Lage sei, ihre den Anwendungsentwicklern in Rechnung gestellten Gebühren gewinnbringend zu erhöhen. Genauso wenig, wie sie die Qualität von Android verschlechtern könne, könne sie irgendeinen Nutzen aus einer Erhöhung der von den Anwendungsentwicklern zu zahlenden Gebühren ziehen, ohne den von Apple ausgehenden Wettbewerb zu verstärken. Der Beweis dafür sei, dass Google während der Zeit ihrer angeblichen Marktbeherrschung die Gebühren für Anwendungsentwickler um 15 % gesenkt habe, um sie an die von Apple beschlossene Gebührensenkung anzupassen. 241 Die Kommission und ihre Streithelfer halten die von Google vorgebrachten Argumente für nicht stichhaltig. Zum einen träfen die Argumente von Google nicht zu, weil sie insbesondere außer Acht ließen, dass die Nutzer Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere BS nicht nutzen könnten, wie sich aus dem 299. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses ergebe, und weil der Play Store den Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen beherrsche. 242 Zum anderen gebe es keinen Beweis dafür, dass die Entwicklung des Play Store durch die Entwicklungen des App Store von Apple vorangetrieben worden sei. Jedenfalls belegten andere im angefochtenen Beschluss angeführte Beweise die beherrschende Stellung des Play Store auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen. Ebenso seien die im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise, die hätten erläutern sollen, inwiefern Google die Preise für die Anwendungsentwickler hätte erhöhen können, ohne dass dies negative Auswirkungen gehabt hätte, nach wie vor gültig. Insbesondere angesichts des steigenden Anteils von Google-Android-Geräten an den weltweiten Verkäufen intelligenter Mobilgeräte, der sich von 48 % im Jahr 2011 auf 81 % im Jahr 2016 erhöht habe, würden die Entwickler nicht auf den Zugang zu einer so großen und weiter expandierenden Nutzerbasis verzichten wollen. Die Anwendungsentwickler würden im Fall einer Preiserhöhung nicht aufhören, Anwendungen über den Play Store zu vertreiben. b) Würdigung durch das Gericht 243 Erstens ist festzustellen, dass Google nur eine begrenzte Zahl von Gründen des angefochtenen Beschlusses bestreitet. Die Rügen beziehen sich nicht auf alle Gesichtspunkte, die die Kommission zu der Schlussfolgerung veranlasst haben, dass Google mit dem Play Store eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen innegehabt habe. Google konzentriert sich ausschließlich darauf, dass die Kommission den von Apple ausgehenden Wettbewerbsdruck nicht berücksichtigt habe. 244 In diesem Zusammenhang zielt Google auf die Erwägungsgründe 299 ff. des angefochtenen Beschlusses ab, die sich auf die Abgrenzung des Marktes und den Ausschluss eines aus Android und dem Play Store bestehenden Gesamtsystems beziehen. Laut Google soll die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen haben, indem sie die Existenz eines solchen Systems, das mit dem von Apple, d. h. dem aus iOS und dem App Store bestehenden System, in Wettbewerb stehe, verneint habe. 245 Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 299 ff. des angefochtenen Beschlusses die Existenz eines aus Android und dem Play Store bestehenden Systems nicht etwa in Betracht gezogen hat, um die Hypothese eines von Apple ausgehenden Wettbewerbs abzulehnen, sondern um den Wettbewerb zu relativieren, der von Vertriebsplattformen für Anwendungen für andere lizenzierte BS und von anderen Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen ausgeht. Die Kommission hat sich mit anderen Worten in den Erwägungsgründen 299 ff. des angefochtenen Beschlusses nicht förmlich mit der Frage befasst, ob es einen Wettbewerb zwischen dem Android-System und dem Apple-System gibt. 246 Was zweitens die Prüfung des Wettbewerbsdrucks durch den App Store betrifft, stellt sich die Frage der Existenz eines aus Android und dem Play Store bestehenden Systems unter anderen Vorzeichen. Im Gegensatz zu Android verfügte iOS nur über eine einzige Vertriebsplattform für Anwendungen und ließ sich schon aus diesem Grund nicht davon trennen. In diesem Sinne standen sowohl der Play Store als auch der App Store über das jeweilige System, zu dem sie gehörten, nämlich Android bzw. iOS, im Wettbewerb miteinander. 247 Bei der Gegenüberstellung mit dem Apple-System und zur Beurteilung des vom App Store ausgeübten Wettbewerbsdrucks kann der Play Store ebenfalls nicht von Android getrennt werden. Dies gilt umso mehr, als Google den Zugang zum Play Store vom Abschluss einer AFV abhängig machte, was es rechtfertigt, den Play Store allein in Verbindung mit Android-Versionen zu betrachten, die den Kompatibilitätstest von Google bestanden. 248 Daraus folgt, dass bei der Beurteilung des Wettbewerbsdrucks, den der App Store in Bezug auf die Nutzer und die Anwendungsentwickler auf den Play Store ausübt, der Wettbewerbsdruck berücksichtigt werden muss, den iOS auf Android ausübt, was Google in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt hat. 249 Der Wettbewerbsdruck des App Store auf den Play Store war in der Tat von dem Druck abhängig, den iOS auf Android ausübte. Abgesehen davon, dass das BS eine Voraussetzung für das Funktionieren eines Mobilgeräts ist, hängen das reibungslose Funktionieren und die Vielfalt der verfügbaren Anwendungen auch von der Qualität des BS ab. 250 Diese Tatsache, die zur Beurteilung des Wettbewerbs zwischen den Systemen führt, wird durch die Lektüre des angefochtenen Beschlusses bestätigt. Die Kommission hat im 656. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass der App Store keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf den Play Store ausgeübt habe, und sich dabei insbesondere auf Abschnitt 9.3.4 bezogen, an dessen Ende sie festgestellt hat, dass iOS aus der Sicht der Nutzer keinen ausreichenden Wettbewerbsdruck auf Android ausübe. 251 Auch aus der Sicht der Anwendungsentwickler hat sich die Kommission in den Erwägungsgründen 552 bis 555 und 668 bis 670 des angefochtenen Beschlusses auf im Wesentlichen identische Gründe gestützt, um zu dem Schluss zu kommen, dass iOS einen unzureichenden Wettbewerbsdruck auf Android ausübe und vom App Store ein vergleichbar geringer Druck auf den Play Store ausgehe. Diese Überschneidung der Gründe geht erst recht aus den Erwägungsgründen 553 und 668 des angefochtenen Beschlusses hervor, die beide auf den 290. Erwägungsgrund verweisen, der die Feststellung betrifft, dass der App Store nicht demselben Markt angehöre wie der Play Store. 252 Somit hängt die Begründetheit des zweiten Teils des ersten Klagegrundes von der Begründetheit des ersten Teils ab, mit dem Google der Kommission vorwirft, den von iOS auf Android ausgeübten Wettbewerbsdruck in Bezug auf die Nutzer und die Anwendungsentwickler außer Acht gelassen zu haben. Es ist nämlich logisch ausgeschlossen, dass ein vom App Store auf den Play Store ausgeübter Wettbewerbsdruck in seiner Intensität von dem abweicht, der von iOS auf Android ausgeht. In beiden Fällen waren die Daten, die für die Beurteilung der Intensität des Wettbewerbsdrucks herangezogen wurden, dieselben. 253 Da das Vorbringen von Google zur Stützung des ersten Teils des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückgewiesen und damit die Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass Apples iOS keinen ausreichenden Wettbewerb für Android dargestellt habe, bestätigt wurde, kann das Vorbringen, auf das Google den zweiten Teil des ersten Klagegrundes stützt, keinen Erfolg haben. 254 Der zweite Teil des ersten Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen. 4. Dritter Teil: Widerspruch zwischen der beherrschenden Stellung bei Suchdiensten für Nutzer und der Missbrauchstheorie, die sich auf die den OEM erteilten Lizenzen für Suchanwendungen bezieht a) Vorbringen der Parteien 255 Zur Stützung dieses Teils des ersten Klagegrundes macht Google geltend, dass die Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste nicht der im angefochtenen Beschluss aufgestellten Missbrauchstheorie entspreche. So weise die Kommission im 674. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass Google bei den allgemeinen Suchdiensten für Nutzer eine beherrschende Stellung innehabe, während das in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses beanstandete Verhalten nur Lizenzen betreffe, die den OEM, nicht aber den Nutzern erteilt würden. 256 Der angefochtene Beschluss zeige nicht auf, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem „Markt“ für den OEM erteilte Lizenzen für allgemeine Suchanwendungen habe, was in der Praxis auch nicht der Fall sei. Für die OEM bestehe keine Notwendigkeit, die Anwendung Google Search auf ihren Geräten zu installieren, weil dieser Suchdienst frei und problemlos über das Internet zugänglich sei. Ebenso könne ein Nutzer, der ein Gerät ohne die Anwendung Google Search kaufe, ohne Weiteres auf diesen Suchdienst zugreifen. Ein OEM könnte auch ein Icon erstellen und installieren, das in einem Browser zur Startseite von Google führe. Da eine marktbeherrschende Stellung von Google bei der Lizenzierung von Suchanwendungen an OEM nicht festgestellt worden sei, könne es nicht als missbräuchlich angesehen werden, die Lizenzierung der Anwendung Google Search davon abhängig zu machen, dass die OEM einer VVF zustimmten und gemäß einer VVMA Chrome vorinstallierten. Dasselbe gelte auch für die von Google gewährte Beteiligung an bestimmten ihrer Werbeeinnahmen als Gegenleistung für die exklusive Vorinstallation von Google Search durch die betreffenden OEM und MNO. 257 Die Kommission macht allgemein geltend, dass die Feststellungen zur beherrschenden Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste mit den festgestellten Missbräuchen übereinstimmten. Unter dem Vorwand, dass es die Nutzer seien, die allgemeine Suchen durchführten, könne jedenfalls nicht geltend gemacht werden, dass das Verhalten von Google gegenüber den OEM keinen Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste darstellen könne. Die Kommission stütze sich nicht auf die Form des Missbrauchs, sondern auf die Ähnlichkeit des Sachverhalts, weil das Verhalten von Google zwar auf der Ebene der OEM stattfinde, aber ein von den Verbrauchern verwendetes Produkt betreffe. b) Würdigung durch das Gericht 258 Die Rüge eines Widerspruchs zwischen den von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuchen und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste kann keinen Erfolg haben. 259 Als Erstes ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses genannten Missbräuche in Anbetracht der beherrschenden Stellung von Google sowohl auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste als auch auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen festgestellt wurden. Selbst wenn diese Missbräuche zu Unrecht auf die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste gestützt worden wären, bliebe daher festzustellen, dass sie auch auf die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen gestützt wurden, die durch das Vorbringen von Google im zweiten Teil des ersten Klagegrundes nicht in Frage gestellt wird. 260 Als Zweites ist unabhängig von der Feststellung, dass sich die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses genannten Missbräuche auch aus der beherrschenden Stellung von Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen ergaben, jedenfalls auch festzustellen, dass die in Rede stehenden Praktiken eng mit der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste verbunden waren. Da Google Search ein Produkt ist, das die Nutzer von Google-Android-Geräten vorzufinden erwarteten, nutzte Google ihre Macht auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, um den Unterzeichnern der VVMA diese Anwendung zur Verfügung zu stellen. 261 Somit manifestierten sich die von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuche zwar in den Beziehungen zwischen Google und den Unterzeichnern der VVMA, zielten aber entgegen dem Vorbringen von Google in Wirklichkeit sehr wohl auf die Nutzer und auf die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste ab, auf denen Google eine beherrschende Stellung innehatte. Der Umstand, dass die in Rede stehenden Praktiken die Bereitstellung von Google Search für die Unterzeichner der VVMA betrafen, ändert nichts an dieser Feststellung. Google Search war ein wichtiges Portal für den Zugang zu den allgemeinen Suchdiensten von Google, wobei die Unterzeichner der VVMA in diesem Rahmen als Vermittler zwischen Google und ihren Nutzern auftraten. 262 Die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste war mit anderen Worten sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel der in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses untersuchten Verhaltensweisen (vgl. insbesondere den 1341. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), die nach Ansicht der Kommission in Wirklichkeit darauf abzielten, die Macht von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und auszubauen und das Auftreten von Mitbewerbern auf diesem Markt zu verhindern. 263 Folglich ist kein Widerspruch zwischen den von der Kommission in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuchen und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erkennbar. 264 Diese Sichtweise ist auch geboten, soweit es um den behaupteten Widerspruch zwischen dem im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbrauch in Bezug auf die sortimentbezogenen VAE und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste geht. 265 Während die Kommission die in den Erwägungsgründen 877 und 1016 des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbräuche als Bündelung von Produkten oder Verpflichtungen angesehen hat, betraf der im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellte Missbrauch die in den sortimentbezogenen VAE vereinbarte Aufteilung der Werbeeinnahmen, die Google durch ihre Tätigkeit auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erzielte. Die sortimentbezogenen VAE hingen daher zwangsläufig von der Macht von Google auf diesen Märkten ab. Auch wenn die sortimentbezogenen VAE die Beziehungen zwischen Google und den Unterzeichnern dieser Vereinbarungen betrafen, die infolgedessen keine mit Google Search konkurrierende Anwendung mehr vorinstallierten durften, ist wiederum festzustellen, dass diese Unterzeichner es Google durch die Übernahme einer solchen Verpflichtung ermöglichten, ihre Position auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste für Nutzer zu stärken. 266 Folglich ist kein Widerspruch zwischen dem von der Kommission im 1192. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellten Missbrauch und der beherrschenden Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erkennbar. 267 Daher ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes unbegründet, so dass der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist. 5. Zur relativen Bedeutung des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache 268 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist. Insbesondere hat die Kommission in Bezug auf den ersten und den zweiten Teil dieses Klagegrundes zu Recht festgestellt, dass der von Apple auf Google ausgeübte indirekte Wettbewerbsdruck unzureichend blieb. 269 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Google zur Stützung des ersten und des zweiten Teils des ersten Klagegrundes die Abgrenzung der Märkte für lizenzierte BS und für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen sowie ihre eigene spätere Stellung auf diesen Märkten zwar getrennt voneinander in Frage stellt, in ihrem Vorbringen aber auch auf die Notwendigkeit hinweist, die Realität des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen zu berücksichtigen. 270 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission nämlich anerkannt, dass sowohl das iOS als auch der App Store von Apple einen gewissen Druck auf Google ausüben konnten (Erwägungsgründe 242, 243 und 322 des angefochtenen Beschlusses). Das durch die Beziehung zwischen dem BS Android und dem Play Store gekennzeichnete „Ökosystem“ von Google habe somit im Wettbewerb mit dem „Ökosystem“ von Apple gestanden, das durch die Beziehung zwischen iOS und dem App Store gekennzeichnet sei. 271 Hierzu trägt Google – insbesondere im Hinblick auf die Feststellung der beherrschenden Stellung, die ihr die Kommission auf den weltweiten Märkten (ohne China) für lizenzierte BS und für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen zugeschrieben hat – vor, dass es ihr wegen des von Apple ausgeübten Wettbewerbsdrucks durch iOS und den App Store, für die keine Lizenzen erteilt würden, nicht möglich gewesen sei, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von diesem Mitbewerber zu verhalten. 272 In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass Apple von vornherein nicht in der Lage ist, die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu beeinflussen. Wie sich nämlich insbesondere aus den Erwägungsgründen 118 bis 199 und 515 des angefochtenen Beschlusses ergibt, profitierte Apple während des Zeitraums der Zuwiderhandlung von einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen, die an die Bedingung geknüpft war, Google Search in Apples mobilem Internetbrowser Safari als Standard festzulegen. Infolge dieser Vereinbarung bestand daher für Apple kein Anreiz, auf diesen Märkten tätig zu werden, um mit Google Search in Wettbewerb zu treten, weil die Nutzung dieser Suchmaschine durch die Nutzer von iOS-Geräten erhebliche Einnahmen für Apple generierte. 273 Diese Vereinbarung war zwar nicht Gegenstand des Verfahrens, konnte aber im angefochtenen Beschluss gleichwohl – wie es die Kommission getan hat – berücksichtigt werden, und zwar als tatsächlicher Umstand, der es ermöglichte, die Wirtschaftskraft von Google und ihre Fähigkeit, sich in nennenswertem Umfang unabhängig von ihren Wettbewerbern, ihren Kunden und den Verbrauchern zu verhalten, besser zu beurteilen. C. Zweiter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in der VVMA enthaltenen Vorinstallationsbedingungen in Bezug auf die ersten Missbräuche 274 Mit dem zweiten Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, macht Google geltend, dass die Kommission die Vorinstallationsbedingungen der VVMA, nach denen die Vorinstallation der Anwendung Google Search Voraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für den Play Store und die Vorinstallation des Browsers Chrome Voraussetzung für die Erteilung einer Lizenz für den Play Store und die Anwendung Google-Search seien (im Folgenden: erste Missbräuche), zu Unrecht als missbräuchlich eingestuft habe. 1. Hintergrund 275 Um auf das Vorbringen der Parteien einzugehen, ist es zunächst erforderlich, erstens die Voraussetzungen für die Schlussfolgerung darzulegen, dass die in Rede stehenden Verhaltensweisen einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen, zweitens die verschiedenen Gesichtspunkte anzuführen, die die Kommission im angefochtenen Beschluss herangezogen hat, um die durch diese Verhaltensweisen hervorgerufenen Verdrängungswirkungen festzustellen, und drittens den Zusammenhang zwischen diesen Verhaltensweisen aufzuzeigen. a) Begriffe „missbräuchliche Praxis“, „Verdrängungswirkung“ und „Kopplungsgeschäft“, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289) 276 Es ist nicht per se rechtswidrig, wenn ein Unternehmen eine beherrschende Stellung innehat und am Leistungswettbewerb teilnimmt. Nur unter bestimmten Umständen, wenn sein Verhalten z. B. eine Verdrängungswirkung erzeugt, die nicht unter einen solchen Wettbewerb fällt, stellt das Verhalten einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV dar. 277 Art. 102 AEUV soll nämlich keineswegs verhindern, dass ein Unternehmen auf einem Markt aus eigener Kraft eine beherrschende Stellung einnimmt. Ebenso wenig soll diese Vorschrift gewährleisten, dass sich Wettbewerber, die weniger effizient als das Unternehmen in beherrschender Stellung sind, weiterhin auf dem Markt halten (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 133 und die dort angeführte Rechtsprechung). 278 Der Wettbewerb wird also nicht unbedingt durch jede Verdrängungswirkung verzerrt. Leistungswettbewerb kann definitionsgemäß dazu führen, dass Wettbewerber, die für die Verbraucher im Hinblick insbesondere auf Preise, Auswahl, Qualität oder Innovation weniger interessant sind, vom Markt verschwinden oder bedeutungslos werden (vgl. Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung). 279 Ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, trägt jedoch eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 135 und die dort angeführte Rechtsprechung). 280 Deshalb verbietet Art. 102 AEUV einem Unternehmen in beherrschender Stellung insbesondere die Anwendung von Praktiken, die für seine als ebenso effizient geltenden Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfalten und damit seine Stellung stärken, indem andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs herangezogen werden. Unter diesem Blickwinkel kann daher weder jeder Preiswettbewerb noch jeder Wettbewerb über andere Parameter als zulässig angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung). 281 Verdrängungswirkungen kennzeichnen Situationen, in denen das beherrschende Unternehmen durch sein Verhalten vorhandenen oder potenziellen Mitbewerbern den tatsächlichen Zugang zu den Märkten oder ihren Bestandteilen erschwert oder unmöglich macht, so dass es in der Lage ist, verschiedene Wettbewerbsparameter wie Preise, Produktion, Innovation, Vielfalt oder Qualität von Waren oder Dienstleistungen zu seinen Gunsten und zum Nachteil der Verbraucher negativ zu beeinflussen. 282 Der Umstand, dass das Verhalten eines Unternehmens in beherrschender Stellung Verdrängungswirkungen auf anderen Märkten als dem beherrschten Markt hervorruft, steht der Anwendung von Art. 102 AEUV nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission, C‑333/94 P, EU:C:1996:436, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). 283 Im vorliegenden Fall sind die Praktiken, um die es bei den ersten Missbräuchen geht, Kopplungsgeschäfte. Dabei handelt es sich um eine im Geschäftsleben gängige Praxis, die allgemein darauf abzielt, den Kunden bessere Produkte oder Angebote auf kostengünstigere Weise anzubieten. Ein Kopplungsgeschäft besteht darin, dass ein beherrschendes Unternehmen den Verkauf eines bestimmten Produkts (des Kopplungsprodukts) vom Erwerb eines anderen Produkts (des gekoppelten Produkts) abhängig macht. Sie kann Verdrängungswirkungen auf dem gekoppelten Markt, dem Kopplungsmarkt oder auf beiden Märkten gleichzeitig entfalten. Ein Unternehmen, das auf einem oder mehreren Produktmärkten (dem Markt für das Kopplungsprodukt) eine beherrschende Stellung einnimmt, kann nämlich durch diese Praxis die Verbraucher schädigen, indem es den Markt für die anderen Produkte, die Gegenstand der Kopplung sind (den Markt für das gekoppelte Produkt), und indirekt auch den Kopplungsmarkt abschottet. 284 Insoweit ist bereits entschieden worden, dass sich die Kommission zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit solcher Praktiken auf folgende Kriterien stützen kann (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 869): – Erstens handelt es sich bei dem Kopplungsprodukt und dem daran gekoppelten Produkt um zwei gesonderte Produkte. – Zweitens verfügt das betreffende Unternehmen auf dem Markt für das Kopplungsprodukt über eine beherrschende Stellung. – Drittens gibt das genannte Unternehmen den Verbrauchern nicht die Möglichkeit, das Kopplungsprodukt ohne das daran gekoppelte Produkt zu beziehen. – Viertens wird durch die fragliche Praxis „der Wettbewerb eingeschränkt“. – Fünftens ist diese Praxis nicht objektiv gerechtfertigt. 285 Was insbesondere die vierte, oben in Rn. 284 genannte Voraussetzung der Einschränkung des Wettbewerbs betrifft, hat das Gericht in Rn. 867 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), auf die frühere Rechtsprechung hingewiesen, wonach „eine Verhaltensweise grundsätzlich nur dann als missbräuchlich angesehen [wird], wenn sie den Wettbewerb beschränken kann“. 286 Andererseits hat das Gericht in Rn. 868 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), festgestellt, dass die Kommission in der in jener Rechtssache angefochtenen Entscheidung „der Auffassung [war], dass sie sich angesichts der spezifischen Umstände des vorliegenden Falles nicht – wie sonst normalerweise in den Fällen missbräuchlicher Kopplungsgeschäfte – auf die Erwägung beschränken dürfe, dass der gekoppelte Verkauf eines bestimmten Produkts und eines beherrschenden Produkts per se eine Ausschlusswirkung auf dem Markt habe“, und dass sie „daher die konkreten Auswirkungen, die durch das fragliche Kopplungsgeschäft bereits auf dem [relevanten] Markt … entstanden waren, sowie die mutmaßliche weitere Entwicklung dieses Markts einer näheren Prüfung [unterzog]“ (vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 1035). 287 Um zu erläutern, warum die Kommission die konkreten Auswirkungen des Kopplungsgeschäfts auf dem in Rede stehenden Markt untersucht hatte, stellte das Gericht fest, dass die Kommission in der dort angefochtenen Entscheidung Folgendes ausgeführt hatte (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 977): „Es gibt … Umstände im Zusammenhang mit dem Kopplungsverkauf des [Windows Media Player], die eine genauere Prüfung der Auswirkungen dieser Praxis auf den Wettbewerb im vorliegenden Fall rechtfertigen. Während in den klassischen Fällen des Kopplungsverkaufs die Kommission und die [Unions]gerichte der Auffassung waren, dass die Bündelung eines gesonderten Produkts mit dem beherrschenden Produkt die Ausschlusswirkung für konkurrierende Verkäufer belegt, können sich im vorliegenden Fall die Nutzer – teilweise gratis – Medienabspielprogramme von Drittanbietern über das Internet besorgen und tun dies auch in gewissem Umfang. Es gibt somit durchaus gute Gründe, nicht ohne nähere Untersuchung davon auszugehen, dass der Kopplungsverkauf des [Windows Media Player] eine Handlung ist, die ihrem Wesen nach geeignet ist, den Wettbewerb einzuschränken.“ 288 Infolgedessen befand das Gericht in Rn. 869 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2077:289), dass bei der Beurteilung des fraglichen Kopplungsgeschäfts die Voraussetzungen heranzuziehen sind, die in der dort angefochtenen Entscheidung genannt (und in den Rn. 842 und 843 des Urteils wiedergegeben) wurden, darunter die Voraussetzung, dass durch die fragliche Praxis „der Wettbewerb eingeschränkt“ wird. 289 Im vorliegenden Fall bezieht sich die Kommission im angefochtenen Beschluss auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), um die Voraussetzungen darzulegen, die erforderlich sind, um die ersten Missbräuche festzustellen (Erwägungsgründe 741 und 742 des angefochtenen Beschlusses). 290 Insbesondere zu der oben in Rn. 284 genannten vierten Voraussetzung hat die Kommission – nachdem sie im angefochtenen Beschluss ausgeführt hatte, dass nach der Rechtsprechung vor dem Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), der Nachweis wettbewerbswidriger Wirkungen in den „klassischen Fällen“ des Kopplungsverkaufs nicht erforderlich gewesen sei – im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die vierte Voraussetzung für die Feststellung eines Kopplungsgeschäfts grundsätzlich erfüllt sei, wenn die fragliche Praxis „geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken“ (vgl. 749. Erwägungsgrund und Fn. 813, die auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, [T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 867], verweisen). 291 In dieser Hinsicht ist, wie später noch zu prüfen sein wird, in der vorliegenden Rechtssache festzustellen, dass die Kommission im Rahmen der Anwendung eines Kriteriums, das sie unter Bezugnahme auf Rn. 867 des Urteils vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), als „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ formulierte, im angefochtenen Beschluss auch darauf bedacht war, die verschiedenen Faktoren, die es ihrer Ansicht nach ermöglichten, die behaupteten Verdrängungswirkungen festzustellen, im Einklang mit Rn. 868 des genannten Urteils konkret darzulegen. 292 Wie Google in der vorliegenden Rechtssache geltend macht, ist es nämlich für die Nutzer leicht, sich allgemeine Such- oder Browseranwendungen zu verschaffen, die mit denjenigen, die Gegenstand der Kopplung sind, im Wettbewerb stehen. Diese Tatsache wird von allen Beteiligten anerkannt, weil ihre Kontroverse nicht die Möglichkeit der Nutzer betrifft, solche Anwendungen ohne Weiteres herunterzuladen, sondern die Anreize, die sie dazu haben könnten (vgl. 917. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 293 Unter diesen Umständen geht aus dem angefochtenen Beschluss, wie in der mündlichen Verhandlung vom Gericht ausgeführt und von den Parteien bestätigt worden ist, in der Tat hervor, dass die Kommission versuchte, nicht nur eine „potenzielle“ oder „mögliche“, sondern in Bezug auf einige ihrer Aspekte auch eine „tatsächliche“ oder „konkrete“ Wettbewerbsbeschränkung festzustellen. Nach Auffassung der Kommission führten die fraglichen Praktiken ab dem Jahr 2011 bzw. von August 2012 bis Juli 2018 zu den im angefochtenen Beschluss dargestellten Verdrängungswirkungen, die sich als schädlich für den Leistungswettbewerb erwiesen. 294 So gelangte die Kommission beispielsweise zu dem Schluss, diese Praktiken hätten u. a. bewirkt, es für konkurrierende Suchdienste „schwerer zu machen“, Suchanfragen sowie Einnahmen und Daten zu erhalten, die sie zur Verbesserung ihrer Dienste benötigten (859. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), dass sie „die Marktzutrittsbarrieren erhöhten“, indem sie Google vor dem Wettbewerb der anderen Suchdienste schützten (861. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und dass sie „die Anreize“ zu Innovationen derjenigen Wettbewerber „verringerten“, die spezialisierte Suchdienste in einer bestimmten Sprache vermarkteten oder sich an eine bestimmte Nutzergruppe richteten (vgl. Erwägungsgründe 862 und 1213 des angefochtenen Beschlusses, wobei Letzterer auf Seznam, DuckDuckGO, Qwant und Kikins „Touch-to-Search“ hinweist). 295 Im vorliegenden Fall hat die Kommission daher, ebenso wie in der Entscheidung, zu der das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), ergangen ist (siehe oben, Rn. 286), zu Recht festgestellt, dass eine sorgfältige Prüfung der konkreten Auswirkungen – oder eine nähere Untersuchung, wie die in der Vergangenheit in diesem Zusammenhang verwendete Terminologie lautete – erforderlich ist, bevor der Schluss gezogen werden kann, dass die in Rede stehenden Kopplungsgeschäfte wettbewerbsschädlich waren. Eine solche Prüfung hat den Vorteil, dass zum einen das Risiko der Ahndung eines Verhaltens, das dem Leistungswettbewerb nicht wirklich schadet, verringert und zum anderen die Schwere des in Rede stehenden Verhaltens genauer geklärt wird, was die Bestimmung der angemessenen Höhe einer möglichen Sanktion erleichtert. 296 Da sich die fraglichen Praktiken über einen langen Zeitraum erstreckten und dem angefochtenen Beschluss zufolge konkrete und wahrnehmbare Auswirkungen auf die relevanten Märkte hatten, erweist sich der Nutzen einer weniger konturenscharfen Definition des Begriffs „Wettbewerbsbeschränkung“ unter der Bezeichnung der „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ als nicht so bedeutsam, wie dies unter anderen Umständen der Fall sein könnte. 297 Für die Kommission geht es hierbei nicht darum, eine vorausschauende Analyse vorzunehmen, beruhend auf Wirkungen, die sich unter Berücksichtigung von Annahmen entfalten werden, die in der Praxis noch nicht überprüft werden können, wie dies unter anderen Umständen der Fall sein kann (vgl. z. B. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 145). 298 Darüber hinaus kann die Kommission bei Verhaltensweisen, die sich über mehrere Jahre erstreckt haben, eine Wettbewerbsbeschränkung nachweisen, indem sie feststellt, dass diese Verhaltensweisen Wettbewerbsquellen, die sich andernfalls ausgewirkt oder entwickelt hätten, ausgeschaltet oder behindert haben. Es ist daher unstreitig, dass die in der Vergangenheit eingetreten tatsächlichen und konkreten Auswirkungen der in Rede stehenden Praktiken sowohl im Hinblick auf den bestehenden Wettbewerb, dem sich das beherrschende Unternehmen stellen musste, als auch im Hinblick auf den potenziellen Wettbewerb, der wegen der Ausschlusspraktiken nicht entstehen konnte, zu beurteilen sind. 299 Folglich hat der Unterschied zwischen „Wettbewerbsbeschränkung“ und „Eignung, den Wettbewerb zu beschränken“ keinen Einfluss auf die Beweisführung in Fällen, in denen die Kommission die Wettbewerbsbeschränkung, wie im vorliegenden Fall, unter Berücksichtigung der Auswirkungen festgestellt hat, die durch die Anwendung der fraglichen Praktiken über einen erheblichen Zeitraum herbeigeführt wurden, weil diese Auswirkungen beobachtet werden können und es der Kommission ermöglichen, die Art und das Ausmaß der von ihnen bewirkten wettbewerbswidrigen Verdrängung zu bestimmen, und dem Gericht, diese Beurteilungen zu überprüfen. b) Angefochtener Beschluss 300 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass die ersten Missbräuche in zwei Kopplungsgeschäften bestanden hätten, die sich in den Vorinstallationsbedingungen der VVMA widerspiegelten, die die OEM und die MNO akzeptieren müssten, wenn ihnen daran gelegen sei, Geräte mit dem GMS-Paket vermarkten zu können; insoweit habe Google – mit dem ersten Kopplungsgeschäft, das die Anwendung Google Search mit dem Play Store verknüpft habe, vom 1. Januar 2011 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses ihre beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen missbraucht (Erwägungsgründe 752 und 1009 des angefochtenen Beschlusses); – mit dem zweiten Kopplungsgeschäft, das den Browser Chrome mit der Anwendung Google-Search und dem Play Store verknüpft habe, vom 1. August 2012 bis zum Datum des angefochtenen Beschlusses ihre beherrschenden Stellungen auf den weltweiten Märkten (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den nationalen Märkten innerhalb des EWR für allgemeine Suchdienste missbraucht (Entscheidungsgründe 753 und 1010 des angefochtenen Beschlusses). 301 Die von der Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommene Beurteilung der ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen wird von Google als solche nicht in Frage gestellt. Die im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Argumente betreffen vielmehr die Ausführungen im angefochtenen Beschluss zum vierten und zum fünften Kriterium dieses Urteils, die sich auf die Beschränkung des Wettbewerbs und auf die von Google insoweit vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen beziehen. 1) Zu den ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen 302 In Bezug auf das Produktbündel aus Google Search und Play Store vertritt die Kommission erstens die Auffassung, dass es sich um separate Produkte handele (Erwägungsgründe 756 bis 762 des angefochtenen Beschlusses), zweitens, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen innehabe (763. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und drittens, dass Google Search und der Play Store nicht getrennt voneinander erhältlich seien (Erwägungsgründe 764 bis 772 des angefochtenen Beschlusses). 303 In Bezug auf das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search stuft die Kommission Chrome als ein gegenüber dem Play Store und der Anwendung Google Search separates Produkt ein (Erwägungsgründe 879 bis 885 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission weist ferner darauf hin, dass Google eine beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den nationalen Märkten innerhalb des EWR für allgemeine Suchdienste innehabe (886. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Sie stellt zudem fest, dass der Play Store und die Anwendung Google Search nicht ohne Chrome erhältlich seien, und führt erneut die in Bezug auf das erste Bündel vorgebrachten Argumente an (Erwägungsgründe 887 bis 895 des angefochtenen Beschlusses). 2) Zur Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“ i) Das Bündel aus Google Search und Play Store 304 In Bezug auf die Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“ (Überschrift des Abschnitts 11.3.4 des angefochtenen Beschlusses) vertritt die Kommission die Auffassung, dass das Bündel aus Google Search und Play Store aus folgenden Gründen geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken (773. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses): – Zum einen verschaffe es Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, den die Anbieter konkurrierender allgemeiner Suchdienste nicht ausgleichen könnten. – Zum anderen versetze es Google in die Lage, ihre marktbeherrschende Stellung auf den einzelnen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste aufrechtzuerhalten und zu verstärken, indem es die Marktzutrittsbarrieren erhöhe und von Innovationen abhalte, was tendenziell direkt oder indirekt zum Schaden der Verbraucher sei. 305 Als Erstes führt die Kommission zur Einstufung des Bündels aus Google Search und Play Store als erheblichen Wettbewerbsvorteil für Google, der sich nachteilig auf die Anbieter allgemeiner Suchdienste auswirke, folgende fünf Argumente an (775. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses): – Die Zahl der allgemeinen Suchanfragen, die mit intelligenten Mobilgeräten durchgeführt würden, habe im Zeitraum der Zuwiderhandlung deutlich zugenommen und übersteige seit 2015 die Zahl der allgemeinen Suchanfragen mit PCs (777. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Die Vorinstallation sei ein wichtiger Kanal für den Vertrieb von allgemeinen Suchdiensten auf intelligenten Mobilgeräten, weil sie die Nutzung des von der Anwendung bereitgestellten Dienstes dauerhaft erheblich steigern könne; der Nutzer greife nämlich eher zu einer vorinstallierten oder als Standard festgelegten Anwendung, als ein alternatives Produkt herunterzuladen („Status-quo-Präferenz“), und das Bündel aus Google Search und Play Store garantiere Google, dass die Verbreitung der Anwendung Google Search ebenso immens sei wie die Zahl der Google-Android-Geräte (Erwägungsgründe 778 bis 800 des angefochtenen Beschlusses). – Es sei nicht möglich, die Anwendung Google Search aus dem GMS-Paket zu deinstallieren (Erwägungsgründe 801 bis 803 des angefochtenen Beschlusses). – Die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste könnten den Wettbewerbsvorteil, den das Bündel aus Google Search und Play Store verschaffe, weder durch Downloads noch durch Vereinbarungen mit Suchmaschinenentwicklern oder Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen (Erwägungsgründe 804 bis 834 des angefochtenen Beschlusses). – Die Entwicklung der Marktanteile von Google bei den allgemeinen Suchanfragen bestätige diese Feststellungen (Erwägungsgründe 835 bis 851 des angefochtenen Beschlusses). 306 Als Zweites führt die Kommission zum Nachweis des Vorliegens und des schädigenden Charakters der Verdrängungswirkungen die folgenden Gesichtspunkte an. Um darzutun, dass das Bündel aus Google Search und Play Store dazu beitrage, „die beherrschende Stellung [von Google] auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu verstärken, Marktzutrittsbarrieren zu erhöhen, von Innovationen abzuhalten und tendenziell … die Verbraucher zu schädigen“, führt die Kommission eine Reihe von Argumenten an: – Das Verhalten von Google „erschwere“ es ihren Mitbewerbern auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, Suchanfragen sowie die damit verbundenen Einnahmen und Daten zur Verbesserung ihrer Dienste zu erlangen (Erwägungsgründe 859 und 860 des angefochtenen Beschlusses). – Das Verhalten von Google „erhöhe“ die Marktzutrittsbarrieren, indem es dieses Unternehmen vor dem Wettbewerb durch allgemeine Suchdienste schütze, die seine beherrschende Stellung auf den relevanten nationalen Märkten in Frage stellen könnten; die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste müssten nämlich Ressourcen aufwenden, um den Vorteil der Vorinstallation auszugleichen, die Google auch vor dem wirksamsten Wettbewerb in Form einer ausschließlichen Vorinstallation eines konkurrierenden Suchdienstes schütze (861. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Das Verhalten von Google „verringere“ die Investitions- und Innovationsanreize für konkurrierende allgemeine Suchdienste, indem es diesen Diensten erschwert werde, Suchanfragen sowie Einnahmen und Daten zu erhalten, die sie zur Verbesserung dieser Dienste benötigten (862. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Infolge dieser Eingriffe in den normalen Wettbewerbsprozess sei das Verhalten von Google „[auch] geeignet, direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, denen möglicherweise weniger Wahlmöglichkeiten unter den verfügbaren allgemeinen Suchdiensten verblieben (863. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 307 In Erwiderung auf die Argumente, mit denen Google die Auswirkungen des Bündels aus Google Search und Play Store mit der Begründung herunterzuspielen versucht, dass zwischen 2013 und 2015 nur [10-20 %] bis [20-30 %] aller Suchanfragen bei Google Search auf Android-Geräte entfallen seien, macht die Kommission geltend, dass diese Zahlen zwei- bis fünfmal so hoch gewesen seien wie die der Suchanfragen bei allen konkurrierenden Diensten. Das Argument, dass diese Praxis mit einer Phase der Verbesserung des allgemeinen Suchdienstes zusammenfalle, reiche nicht aus, um das Fehlen von Auswirkungen auf den Wettbewerb zu belegen (Erwägungsgründe 864 bis 866 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus erklärt die Kommission, sie brauche nicht nachzuweisen, dass der Wettbewerb ohne das Bündel aus Google Search und Play Store intensiver gewesen wäre, sondern nur, dass dieses Bündel den Wettbewerb habe beschränken können, was sehr wohl der Fall gewesen sei (Erwägungsgründe 867 bis 876 des angefochtenen Beschlusses). ii) Das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search 308 Ebenso hat die Kommission in Bezug auf die „Beschränkung des Wettbewerbs“ (Überschrift des Abschnitts 11.4.4 des angefochtenen Beschlusses) festgestellt, dass das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search aus den folgenden Gründen geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken (896. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses): – Zum einen verschaffe es Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, den andere nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser nicht ausgleichen könnten. – Zum anderen versetze es Google in die Lage, Innovationen zu verhindern, und schade letztlich direkt oder indirekt den Verbrauchern. 309 Was als Erstes den erheblichen Wettbewerbsvorteil betrifft, den konkurrierende nicht BS-spezifische mobile Internetbrowser nicht ausgleichen könnten, argumentiert die Kommission wie folgt: – Die Vorinstallation sei ein wichtiger Kanal für den Vertrieb von Suchmaschinen für intelligente Mobilgeräte; dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich zwischen den bei Google Android über den vorinstallierten Browser Chrome und den über andere, nicht vorinstallierte Browser erzielten Einnahmen, oder aus einem Vergleich zwischen den mit Suchanfragen über einen Browser auf dem BS iOS und dem BS Android erzielten Einnahmen (Erwägungsgründe 900 bis 912 des angefochtenen Beschlusses). – Google Chrome könne auf Geräten mit dem GMS-Paket nicht deinstalliert werden (Erwägungsgründe 913 bis 915 des angefochtenen Beschlusses). – Die konkurrierenden nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowser könnten den Vorteil, den das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search biete, weder durch Downloads noch durch Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen (Erwägungsgründe 916 bis 946 des angefochtenen Beschlusses). – Die Entwicklung der Marktanteile bestätige diese Feststellungen (Erwägungsgründe 947 bis 963 des angefochtenen Beschlusses). 310 Die Kommission stellt ferner fest, dass es konkurrierenden Unternehmen nicht möglich sei, den Vorteil, der durch die Bündelung von Chrome, Play Store und Google Search entstehe, durch Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM und den ORM auszugleichen (Erwägungsgründe 964 bis 982 des angefochtenen Beschlusses). 311 Als Zweites führt die Kommission zum Nachweis des Vorliegens und des schädigenden Charakters der Verdrängungswirkungen die folgenden Gesichtspunkte an. Um darzutun, dass das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search dazu beitrage, „die beherrschende Stellung [von Google] auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu verstärken, von Innovationen abzuhalten und tendenziell direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, führt die Kommission die folgenden Argumente an: – Das Verhalten von Google „behindere“ die Innovation bei Internetbrowsern, weil es die Entwicklung von innovativen nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowsern verhindere (970. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Infolge des Eingriffs von Google in den normalen Wettbewerbsprozess sei deren Verhalten „[auch] geeignet, direkt oder indirekt die Verbraucher zu schädigen“, denen möglicherweise weniger Wahlmöglichkeiten unter mobilen Internetbrowsern verblieben (971. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Das Verhalten von Google „trägt dazu bei“, ihre beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste und ihre Werbeeinnahmen im Zusammenhang mit Suchanzeigen „zu erhalten und zu verstärken“; dieses Verhalten „hindert“ somit die anderen allgemeinen Suchdienste daran, Suchanfragen und die zur Verbesserung dieser Dienste erforderlichen Einnahmen und Daten zu erlangen (Erwägungsgründe 972 bis 977 des angefochtenen Beschlusses). 312 Diese Einschätzungen würden durch das Argument, dass das Verhalten von Google mit der Verbesserung von Chrome zusammenfalle, die es den Nutzern ermögliche, den als Standard festgelegten allgemeinen Suchdienst zu ändern, und durch das Argument, dass es den OEM weiterhin freigestanden habe, andere Browser zu installieren, nicht in Frage gestellt (978. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die verschiedenen Argumente, die Google für die Notwendigkeit anführe, diese Praxis in ihrem Kontext zu erfassen, seien nicht stichhaltig (Erwägungsgründe 983 bis 992 des angefochtenen Beschlusses). 3) Zur Voraussetzung des Fehlens objektiver Rechtfertigungen 313 Die Kommission hat auch die von Google angeführten objektiven Rechtfertigungsgründe zurückgewiesen. Zunächst habe Google nicht nachgewiesen, dass ihre Praktiken notwendig gewesen seien, um ihre Investitionen in Android und die zugehörigen Anwendungen, aus denen sie keine Einnahmen erziele, zu amortisieren. In Anbetracht der Einnahmen von Google hätte es andere Lösungen gegeben. Google habe auch nicht nachgewiesen, dass sie kein eigenes Interesse daran gehabt habe, Android zu dem Zweck zu entwickeln, den Risiken für ihr Geschäftsmodell zu begegnen, die sich aus dem Trend zum mobilen Internet ergäben. Ferner habe Google nicht dargetan, dass ihre Praktiken notwendig gewesen seien, um den Nutzern das behauptete Erlebnis zu bieten. Schließlich habe Google die Notwendigkeit, zu vermeiden, dass die OEM eine Gebühr für den Play Store entrichten müssten, in Anbetracht der durch den Wert des Play Store generierten Einnahmen nicht hinreichend nachgewiesen (Erwägungsgründe 993 bis 1008 des angefochtenen Beschlusses). c) Komplementarität der ersten Missbräuche 314 Auch wenn es in der Tat möglich ist, im Hinblick auf die jeweiligen Anwendungen zwischen zwei Produktbündeln zu unterscheiden, wie die Kommission es tut, muss jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, dass diese Bündel in zwei Aspekten, zu denen die Parteien in der mündlichen Verhandlung befragt wurden, einander ähnlich sind und somit eine gewisse Komplementarität aufweisen. 315 Für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Praktiken, um die es bei den ersten Missbräuchen geht, ist nämlich auch die Feststellung wichtig, dass sich das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search mit dem Bündel aus Google Search und Play Store überschnitt, um der Entwicklung der VVMA Rechnung zu tragen, in der der Browser Chrome ursprünglich nicht zu den im GMS-Paket zusammengestellten Anwendungen gehörte (1010. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 316 Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der beiden von der Kommission ermittelten Bündel im einen wie im anderen Fall darin bestand, Google in die Lage zu versetzen, die Nutzer zu erreichen, damit diese für ihre allgemeinen Suchanfragen Google Search verwenden, sei es als allgemeine Suchanwendung oder als Suchmaschine des Browsers Chrome. 2. Erster Teil: „Beschränkung des Wettbewerbs“ 317 Zur Stützung des ersten Teils des zweiten Klagegrundes macht Google geltend, die Kommission habe im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA den Wettbewerb verdrängt hätten. 318 Angesichts der den Mitbewerbern und den Nutzern gebotenen Möglichkeiten hätten diese Bedingungen nur begrenzte Auswirkungen auf den Wettbewerb. Die VVMA verlange lediglich, dass die Geräte, auf denen die OEM das GMS-Paket vorinstallieren wollten, auf dem Startbildschirm Symbole für den Play Store, einen App-Ordner und Google Search anzeigten. Diese Werbeplatzierung hindere die OEM nicht daran, konkurrierende Dienste vorzuinstallieren, indem sie weitere Symbole mit gleicher oder größerer Sichtbarkeit auf dem Startbildschirm platzierten. Es stehe den OEM auch weiterhin frei, diese konkurrierenden Dienste als Standard festzulegen, was ihnen bessere Werbemöglichkeiten biete als die Einstellungen, die die VVMA für die Anwendungen von Google verlange. Außerdem hindere die VVMA die Nutzer nicht daran, konkurrierende Suchdienste oder Browser herunterzuladen, und die Nutzer könnten auch direkt über den Browser auf die Suchdienste zugreifen. Das Einzige, was den OEM im Rahmen der VVMA verwehrt sei, sei die ausschließliche Vorinstallation konkurrierender Suchdienste und Browser. Sie könnten aber weiterhin Android-Geräte ohne Anwendungen von Google verkaufen und auf diesen Geräten ausschließlich konkurrierende Suchdienste und Browser vorinstallieren. 319 Google stützt ihr Vorbringen auf fünf Rügen: Erstens werde im angefochtenen Beschluss nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallationsbedingungen eine „Status-quo-Präferenz“ erzeugten, zweitens werde außer Acht gelassen, dass die VVMA es den OEM freistelle, Konkurrenzprodukte vorzuinstallieren und als Standard festzulegen, drittens werde ferner außer Acht gelassen, dass die Mitbewerber über andere wirksame Mittel verfügten, um die Nutzer zu erreichen, viertens werde nicht nachgewiesen, dass die auf den Suchdienst und den Browser von Google entfallenden Nutzungsanteile auf die beanstandeten Vorinstallationsbedingungen zurückzuführen seien, und fünftens werde nicht der gesamte wirtschaftliche und rechtliche Kontext angemessen berücksichtigt, was zu der Schlussfolgerung geführt hätte, dass die Vorinstallationsbedingungen den Mitbewerbern neue Möglichkeiten eröffneten, statt sie ihnen vorzuenthalten. a) Vorinstallation und „Status-quo-Präferenz“ 320 Im Rahmen ihrer ersten Rüge beanstandet Google die Erwägungen, mit denen die Kommission ihre Behauptung untermauert, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA einen erheblichen Wettbewerbsvorteil mit sich brächten. 1) Angefochtener Beschluss 321 Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren, die die Bedeutung der Vorinstallation oder ähnlicher Techniken für die Verbreitung von allgemeinen Suchdiensten und Browsern auf intelligenten Mobilgeräten belegen sollen, hat die Kommission festgestellt, dass die Vorinstallation eine „Status-quo-Präferenz“ (so der von einem Unternehmen der Branche zur Bezeichnung dieses Effekts verwendete Ausdruck) zur Folge habe, weil die Nutzer dazu neigten, das zu nutzen, was ihnen vorgeschlagen werde (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses), und somit die Nutzung des angebotenen Dienstes erheblich und dauerhaft steigern könne (vgl. Erwägungsgründe 779 und 900 des angefochtenen Beschlusses). 322 Im Anschluss an die Feststellung dieses Vorteils befand die Kommission, dass die Mitbewerber von Google ihn nicht hätten ausgleichen können, und zwar – weder durch Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM oder den MNO (Erwägungsgründe 823 bis 834 und 932 bis 946 des angefochtenen Beschlusses) – noch durch den Download konkurrierender Anwendungen (Erwägungsgründe 805 bis 816 und 917 bis 931 des angefochtenen Beschlusses) – oder durch Vereinbarungen mit den Entwicklern konkurrierender Browser (Erwägungsgründe 817 bis 822 des angefochtenen Beschlusses). 2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien 323 Google macht geltend, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien nicht exklusiv gewesen, hätten keine „Status-quo-Präferenz“ geschaffen und daher den Wettbewerb nicht verdrängt. Die gegenteilige Schlussfolgerung beruhe im Wesentlichen auf Beweisen, denen die Relevanz fehle, weil sie eher die zuvor in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angesprochene Standardeinstellung beträfen als die Vorinstallation, auf die schließlich im angefochtenen Beschluss abgestellt worden sei. 324 Insoweit beanstandet Google folgende Beweise: – erstens die Heranziehung ihrer Erklärungen und der Erklärungen Dritter (HP, Nokia, Amazon, Mozilla), der Yandex-Analyse und der Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon, – zweitens die FairSearch-Studie, von Microsoft zur Verfügung gestellte Daten, insbesondere im Licht der Daten von NetMarketShare, und den Vergleich ihrer über Android- und iOS-Geräte erzielten Einnahmen, und – drittens den Vergleich der durch Safari auf iOS generierten Einnahmen mit den durch Chrome generierten Einnahmen sowie die Opera-Umfrage. 325 Die Kommission macht geltend, das im angefochtenen Beschluss angeführte Bündel von Indizien betreffe nicht nur die Standardeinstellung oder die bevorzugte Platzierung. Außerdem ändere der Umstand, dass diese Techniken eine „Status-quo-Präferenz“ erzeugten, nichts daran, dass auch die Vorinstallation eine solche Präferenz erzeuge. Im vorliegenden Fall stütze sich Google auf eine enge Definition des Begriffs „standardmäßig“, die sich auf die Festlegung eines Dienstes als Standard in einer bestimmten Anwendung beschränke. Wie die übrigen Akteure der Branche verwende Google diesen Begriff aber auch im weiteren Sinne der Vorinstallation oder des „Preloading“ von Anwendungen durch die OEM und die MNO auf ihren Geräten und damit der werkseitigen Konfiguration eines Geräts. In ihrem Kontext betrachtet beträfen die beanstandeten Beweise sehr wohl die durch die Vorinstallation geschaffene „Status-quo-Präferenz“. 3) Würdigung durch das Gericht i) Vorbemerkungen 326 Bevor auf die Begründetheit der Argumente von Google eingegangen wird, sind zwei Vorbemerkungen angebracht, die sich zum einen auf die fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen „Vorinstallation“ und „Standardeinstellung“ und zum anderen auf die quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen beziehen. – Fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung 327 Google wirft der Kommission im Wesentlichen vor, im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Vorinstallationsbedingungen der VVMA auf eine „Status-quo-Präferenz“ abzustellen und sich dabei auf Beweise zu stützen, die sich eher auf die Standardeinstellung bezögen. 328 Insbesondere beanstandet Google das Fehlen einer Unterscheidung oder Abwägung zwischen dem, was eine Vorinstallation bewirke, und dem, was eine Standardeinstellung bewirke. 329 Dieser Ansatz beruht auf der Prämisse, dass eine solche Unterscheidung oder Gewichtung leicht vorzunehmen wäre. Daher sei es möglich und angebracht gewesen, in den unzähligen Verweisen auf diese Begriffe in den verschiedenen Dokumenten, die im angefochtenen Beschluss erwähnt seien, zwischen den Auswirkungen der Vorinstallation und denen der Standardeinstellung zu unterscheiden. 330 Es stellt sich jedoch sehr rasch heraus, dass eine solche Differenzierung nicht einfach ist. So geht aus einigen im angefochtenen Beschluss angeführten Dokumenten hervor, dass Google selbst den Begriff „standardmäßig“ bisweilen nicht im engeren Sinne verwendet, um die Festlegung eines Dienstes als Standard in einer bestimmten Anwendung zu bezeichnen, sondern im weiteren Sinne zur Bezeichnung der Vorinstallation oder des „Preloading“ von Anwendungen im Stadium der Konfiguration der Geräte vor ihrer Vermarktung (vgl. 787. Erwägungsgrund Nrn. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses, der auf interne E‑Mails einer Führungskraft von Google verweist). Auch andere Akteure der Branche vermengen die Begriffe der Festlegung als Standard und der Vorinstallation, die auch mit einer dritten Technik in Verbindung gebracht werden, die die Nutzer zur Inanspruchnahme des betreffenden Dienstes veranlassen soll, nämlich der bevorzugten Platzierung (vgl. u. a. Erwägungsgründe 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses, die sich auf Erklärungen von HP und Nokia beziehen). 331 Wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, steht zudem außer Streit, dass die Vorinstallation einer Anwendung schon als solche einen Vorteil gegenüber konkurrierenden Anwendungen mit sich bringt. Es ist sicher vorteilhafter, wenn eine Anwendung schon bei der ersten Nutzung des Geräts zur Verfügung steht und nicht erst installiert werden muss. Allgemein erkennt Google in diesem Zusammenhang an, dass die Vorinstallation einer Anwendung wie jede Form der Werbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Nutzer die hiervon begünstigte Anwendung ausprobieren. Die Vorinstallation hat daher für Google, wie auch für die übrigen Akteure der Branche, zumindest einen Werbewert. Google hat diesen Gesichtspunkt, der im angefochtenen Beschluss auf der Grundlage von Passagen aus der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (780. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) dargelegt wurde, in der mündlichen Verhandlung anerkannt. 332 Im vorliegenden Fall ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA eingeräumten Werbemöglichkeiten nicht nur Bestimmungen über die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome umfassten, sondern auch Bestimmungen über die bevorzugte Platzierung oder die Festlegung als Standard. Wie Google in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, gab es in den Vorinstallationsbedingungen tatsächlich eine Regelung, die sich auf die Platzierung bezog. Es handelte sich somit keineswegs nur um eine bloße Vorinstallation. 333 Vor diesem Hintergrund ist der im angefochtenen Beschluss gewählte Ansatz zu prüfen. Diesem Ansatz folgend hat die Kommission festgestellt, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA aufgrund der Wirkungen der Vorinstallation, der Festlegung als Standard oder der bevorzugten Platzierung oder auch einer Kombination dieser Techniken (Erwägungsgründe 779, 781 und 782 des angefochtenen Beschlusses) Google einen Wettbewerbsvorteil verschafft hätten (vgl. 785. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 334 Sofern dies zutrifft, können die von Google im Rahmen des ersten Teils beanstandeten Beweise daher sehr wohl als Beleg dafür herangezogen werden, dass eine allgemeine Tendenz zur Festschreibung der Situation besteht, unabhängig davon, ob diese Beweise streng genommen eine Festlegung als Standard, eine Vorinstallation oder auch nur eine bevorzugte Platzierung betreffen. Nach dem im angefochtenen Beschluss gewählten Ansatz gelten nämlich die für die Vorinstallation gezogenen Schlüsse entsprechend und erst recht auch im Fall der Festlegung als Standard. Auch wenn nur die Festlegung als Standard erwähnt wird, schließt das nicht aus, dass ein ähnlicher Effekt auch bei einer Vorinstallation auftreten kann, insbesondere wenn diese mit einer bevorzugten Platzierung oder einer Festlegung als Standard kombiniert wird. 335 Folglich ist es für die Feststellung, dass eine „Status-quo-Präferenz“ vorliegt, nicht von vornherein erforderlich, wie von Google erwünscht, präzise zwischen den Auswirkungen der Festlegung als Standard und denen der Vorinstallation zu unterscheiden, weil diese Auswirkungen, wie der angefochtene Beschluss nahelegt, in beiden Fällen ähnlich sind. – Quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen 336 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome, die im Fall von Google Search mit einer bevorzugten Platzierung und im Fall von Chrome mit der Festlegung der Anwendung Google Search als Standard verbunden ist, in quantitativer Hinsicht erhebliche Auswirkungen hat. 337 Aufgrund der Vorinstallationsbedingungen der VVMA waren nämlich die Anwendung Google Search und der Browser Chrome auf einer großen Zahl intelligenter Mobilgeräte vorinstalliert. Nach den Angaben im angefochtenen Beschluss waren – im Jahr 2016 von den 260 Millionen Smartphones, die in Europa verkauft wurden, 197 Millionen oder 76 % Google-Android-Geräte, wobei Google die im angefochtenen Beschluss aufgestellte Behauptung, dass die Anwendung Google Search und der Browser Chrome auf praktisch allen diesen Geräten vorinstalliert gewesen seien (783. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), nicht bestreitet; – ebenfalls im Jahr 2016 von den 1,65 Milliarden weltweit verkauften intelligenten Mobilgeräten 1,33 Milliarden oder 81 % Google-Android-Geräte, von denen 918 Millionen bzw. 56 %, d. h. nahezu alle außerhalb Chinas verkauften Google-Android-Geräte, die Anwendung Google Search und den Browser Chrome vorinstalliert hatten (Erwägungsgründe 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses). 338 Im Vergleich dazu war Bing im Jahr 2016 auf nur 21 Millionen weltweit verkauften intelligenten Mobilgeräten als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt, und Samsung hatte ihren Browser Samsung Internet, bei dem im Übrigen Google Search als Standard festgelegt war, auf nur 336 Millionen dieser Geräte vorinstalliert (Erwägungsgründe 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses). 339 Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen von Google zu prüfen, das sich erstens auf bestimmte Erklärungen und Informationen bezieht, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind, zweitens auf bestimmte Vergleiche, die dort angestellt werden, und drittens speziell auf bestimmte Umstände, die Chrome betreffen. ii) Zu bestimmten Erklärungen und Informationen, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind 340 Als Erstes macht Google geltend, die im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise beträfen eher die Festlegung als Standard als die Vorinstallation (Beweise von Google selbst, HP, Nokia, Amazon und Mozilla) und unterschieden nicht zwischen Vorinstallation und Festlegung als Standard (Analyse von Yandex) oder zeigten, dass die Kommission die Vorteile der Festlegung als Standard mit denen der Vorinstallation verwechsle (Vorinstallationsvereinbarung zwischen Microsoft und Verizon). Ein als Standard festgelegter Dienst werde jedoch aktiviert, ohne dass der Nutzer eine Wahl treffen müsse, während eine vorinstallierte Anwendung, die nicht als Standard festgelegt sei, vom Nutzer ausgewählt werden müsse. Die in der VVMA vorgesehene nicht-exklusive Vorinstallation einer nicht als Standard festgelegten Anwendung könne daher nicht als mit der Festlegung als Standard vergleichbar angesehen werden. – Von Google stammende Beweise 341 Zu den Argumenten, die sich auf die von Google stammenden Beweise beziehen, ist im Hinblick auf das erste Produktbündel auf Folgendes hinzuweisen. 342 Erstens hat eine Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 14. November 2008 angegeben, sie mache sich „Sorgen über [den allgemeinen Suchdienst von Google] wegen der Auswirkungen auf die Einnahmen, die sich ergäben, wenn kein ‚Preloading‘ [dieses Dienstes] erfolge (ausgehend von der Annahme, dass [dessen] deutlich hervorgehobene Präsenz zu mehr Suchanfragen führe, insbesondere bei der sprachgesteuerten Suche)“, und stelle sich folgende Frage (787. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses): „Wie können wir dieses Problem lösen? Könnten wir zumindest das Preloading [dieses Dienstes] auf Android (oder allen Plattformen) als notwendige Bedingung für alle GMS-Verträge vorschreiben?“ 343 Zweitens hat sich eine andere Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 1. November 2010 wie folgt geäußert (787. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses): „Das Preloading bleibt für die Nutzer und damit auch für die OEM trotz der vollständigen Entbündelung [d. h. der Tatsache, dass die Anwendungen von Google nicht nur vorinstalliert sind, sondern auch im Play Store zum Herunterladen zur Verfügung stehen] wertvoll, weil die meisten Nutzer nur das verwenden, was zum Lieferumfang des Geräts gehört. Menschen ändern nur selten die Standardeinstellungen [im Sinne der Festlegung als Standard].“ 344 Drittens hat sich dieselbe Führungskraft von Google in einer internen E‑Mail vom 26. April 2011 wie folgt geäußert (787. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses): „Brauchen wir wirklich Ausschließlichkeitsbedingungen? Die derzeitigen [in den Vereinigten Staaten nicht anwendbaren] Bedingungen führen mehr oder weniger zum gleichen Ergebnis. OEM installieren Standard[einstellungen] gemäß VVMA + Anreiz für die Akteure durch Beteiligung an den Einnahmen bei Nicht-Duplizierung + Volumenziele [Suchvereinbarungen] = viele Hürden für einen Akteur, der die Standardvorgaben ändern will. Sie müssten mehr Geld von der alternativen Suchmaschine bekommen und [entweder] den OEM davon überzeugen, von uns eine Ausnahme von seiner VVMA zu erbitten (und von uns erhalten), um einen anderen Suchdienst mit Vorinstallation eines anderen GMS[‑Pakets] vorinstallieren zu dürfen, oder Geräte ganz ohne installiertes GMS[‑Paket] verkaufen [VVMA-Anforderungen]. In der Praxis werden Geräte ohne jegliches GMS[‑Paket] nur in Ausnahmefällen ausgeliefert, wie (früher) [von] America Móvil. Alle entwickelten Märkte haben Nutzer, die GMS erwarten und verlangen.“ 345 Viertens führt Google in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte unter Bezugnahme auf einen dieser Antwort beigefügten Bericht von Prof. Carl Shapiro von der University of California in Berkeley (Vereinigte Staaten) vom 5. November 2016 aus, dass „das Preloading [von Google Search und Google Chrome] und die Platzierung von [Google] Search auf dem Startbildschirm für Google unbestreitbar wertvoll sind“ (788. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 346 Außerdem wird im angefochtenen Beschluss in Bezug auf das aus Chrome, Play Store und Google Search bestehende Bündel eine interne E‑Mail von Google vom April 2012 erwähnt, in der eine Führungskraft von Google deren Interesse daran betont, „Chrome obligatorisch zu machen“, d. h., dass es auf den von den OEM vertriebenen Geräten verfügbar sein müsse (904. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 347 Die Kommission führt diese Dokumente als Beleg für ihre Behauptung an, dass die Vorinstallation für Google wichtig sei. Google macht in diesem Zusammenhang, ohne die Bedeutung der Vorinstallation einer Anwendung als solche zu bestreiten, geltend, diese Dokumente, insbesondere das zweite und das dritte, bei denen es sich um interne Dokumente aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung handele, beträfen eher die Festlegung als Standard als die Vorinstallation. 348 Hierzu ist festzustellen, dass die von Google verwendete Terminologie, wie die Kommission geltend macht, unpräzise bleibt. Es wird nämlich auf „Preloading“ oder „Standard“ Bezug genommen. Diese Begriffe können zwar a priori als Verweise auf die „Festlegung als Standard“ angesehen werden, aber im Hinblick auf den Inhalt der VVMA, die nur die Vorinstallation und die bevorzugte Platzierung vorsah, besteht kaum ein Zweifel daran, dass diese Begriffe nicht die Festlegung als Standard in dem von Google angenommenen engen Sinn bezeichnen. 349 In Anbetracht des vertraglichen Zusammenhangs, in den sich diese Dokumente einfügen, nämlich den der in den VVMA festgelegten Vorinstallationsbedingungen, ist folglich das Argument von Google, dass zwischen Vorinstallation und Festlegung als Standard unterschieden werden müsse, zurückzuweisen und festzustellen, dass Argumente, die im Zusammenhang mit einem dieser beiden Begriffe vorgebracht werden, auch im Zusammenhang mit dem anderen gelten können. – Von Drittunternehmen stammende Beweise 350 Zu den Argumenten, die sich auf die von Drittunternehmen stammenden Beweise beziehen, ist in Bezug auf das Bündel aus Google Search und Play Store Folgendes festzustellen. 351 Erstens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von HP wiedergegeben (781. Erwägungsgrund). In ihrer Antwort auf ein an die OEM gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 hat HP nämlich als Antwort auf Frage 55 zur „kommerziellen Bedeutung der bevorzugten Platzierung und der Standardeinstellungen für die Vermarktung von mobilen Diensten und Anwendungen auf intelligenten Mobilgeräten“ ausgeführt: „Die bevorzugte Platzierung und die Standardeinstellungen verschaffen den dort vorhandenen Anwendungen und Diensten den Vorteil, das Erste zu sein, was die Nutzer sehen, wenn sie mit ihrem Gerät zu interagieren beginnen. Aufgrund ihrer hohen Sichtbarkeit werden diese Anwendungen oder Dienste von den Nutzern mit höherer Wahrscheinlichkeit ausprobiert, und wenn sie diese erst einmal nutzen, bleiben sie in der Regel auch dabei. Dies ist ein einfacher Weg, um neue Nutzer zu gewinnen und sie fast automatisch an eine Anwendung oder einen Dienst zu binden.“ 352 Zunächst einmal betrifft diese Erklärung zwar, wie Google feststellt, nicht die Vorinstallation im eigentlichen Sinne. Die Vorinstallation wurde nämlich in den Fragen 50 bis 54 des Abschnitts über die „Vorinstallation von mobilen Diensten und Anwendungen“ angesprochen (vgl. insbesondere Frage 54: „Beeinflusst die Vorinstallation einer bestimmten mobilen Anwendung die Art und Weise, in der die Nutzer konkurrierende mobile Dienste und Anwendungen nutzen?“). Mit Frage 55 beginnt dagegen der Abschnitt über „Bevorzugte Platzierung und Standardeinstellungen für mobile Dienste und Anwendungen“. 353 Gleichwohl zeigen die verschiedenen Screenshots eines Google Android-Geräts, die HP ihrer Antwort auf Frage 55 beigefügt hat, dass die bevorzugte Platzierung dazu führt, dass den Nutzern dieses Geräts die Dienste von Google an hervorgehobener Stelle angezeigt werden. Zudem ist festzustellen, dass HP neben diesen Screenshots zur Kennzeichnung der bevorzugt platzierten Anwendungen angibt, dass diese „vorinstalliert“ seien. 354 Darüber hinaus erweist sich auch, wie aus den Klarstellungen zu diesem Punkt hervorgeht, mit denen die verfahrensleitenden Maßnahmen beantwortet wurden, dass die Antwort von HP auf Frage 54 den Inhalt ihrer von der Kommission im angefochtenen Beschluss berücksichtigten Antwort auf Frage 55 nicht in Frage stellen kann. 355 Desgleichen zeigen die Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen, dass die Antwort auf Frage 55, die sich auf die kommerzielle Bedeutung der bevorzugten Platzierung und der Standardeinstellungen bezieht, durch acht der zwölf anderen Antworten der OEM, an die das Auskunftsersuchen gerichtet war, bestätigt wird. 356 Aus diesen Antworten geht hervor, dass unter den OEM ein gewisser Konsens darüber besteht, dass die bevorzugte Platzierung oder die Standardeinstellung oder eine Kombination dieser Techniken die Nutzung der davon begünstigten Anwendungen erleichtert. Vor diesem Hintergrund ist die im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebene Erklärung von HP zu würdigen. 357 Was schließlich den – dem Gericht von der Kommission mitgeteilten – Inhalt der anderen von den OEM, an die das Auskunftsersuchen gerichtet war, auf die zur Vorinstallation gestellte Frage 54 gegebenen Antworten betrifft, lässt sich daraus nicht derselbe Konsens wie der ableiten, der sich aus den Antworten zur bevorzugten Platzierung oder zur Standardeinstellung ergibt. 358 Von den neun OEM, die sich ausdrücklich dazu geäußert haben, geben fünf nämlich an, dass die Vorinstallation keinen Einfluss auf die Art und Weise habe, in der die Nutzer mobile Dienste und Anwendungen nutzten. Ein OEM verneint die gestellte Frage lediglich, während vier weitere auf die Möglichkeiten des Herunterladens verweisen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die letztgenannte Ansicht, wie Google geltend macht, auch von zwei weiteren OEM geteilt wird, nämlich von Gigaset und HMD. Die vier anderen OEM, die Antworten auf Frage 54 eingereicht haben, erkennen den möglichen Einfluss der Vorinstallation an, wobei zwei von ihnen darauf hinweisen, dass dieser Einfluss durch die Möglichkeiten, die das Herunterladen biete, ausgeglichen werden könne. 359 Entgegen dem Vorbringen von Google reicht dieser fehlende Konsens unter den OEM über die Rolle der Vorinstallation für das Verhalten der Nutzer jedoch nicht aus, um die von der Kommission im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung in Frage zu stellen. Mit der Feststellung, dass „der Grund, aus dem die Vorinstallation ebenso wie die Standardeinstellung oder die bevorzugte Platzierung die Nutzung eines von einer Anwendung bereitgestellten Dienstes dauerhaft erheblich steigern kann, darin liegt, dass die Nutzer, die auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierte und deutlich angezeigte Anwendungen vorfinden, wahrscheinlich bei diesen Anwendungen bleiben werden“, berücksichtigt die Kommission die Erklärung von HP, aber auch die anderen im angefochtenen Beschluss angeführten Beweise. 360 Diese Beweise, die die vorstehende Feststellung, insbesondere in Bezug auf die Anwendung Google Search und folglich entsprechend in Bezug auf den Browser Chrome, untermauern, stammen sowohl von einigen OEM, darunter Nokia, als auch von anderen Akteuren einschließlich Google, bei denen es sich u. a. um Entwickler von Anwendungen oder BS (Amazon, Yandex), um einen MNO (Hutchison 3G) oder um Suchdienstanbieter (Yahoo, Qwant, Microsoft) handelt. 361 Ebenso muss die von der Kommission im 781. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung in ihrem Kontext geprüft werden, d. h. sowohl im Hinblick darauf, dass es über die schlichte Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome hinaus eine Verbindung mit einer bevorzugten Platzierung oder der Festlegung einer Suchmaschine als Standard gab und dass sie eine sehr große Zahl von Google-Android-Geräten betraf (siehe oben, Rn. 337), als auch im Hinblick darauf, dass die Zahl heruntergeladener konkurrierender Anwendungen in der Praxis gering blieb (siehe unten, Rn. 549 und 550). 362 Darüber hinaus ist festzustellen, dass in der vorliegenden Rechtssache der Streitbeitritt des BEUC, der als repräsentativ für die Nutzer allgemeiner Suchdienste angesehen werden kann, eine Nuancierung der diesbezüglichen Stellungnahmen der ADA im Namen der Entwickler und der CCIA im Namen der Wirtschaftsteilnehmer der Branche ermöglicht. Die Erläuterungen des BEUC zu diesem Punkt sind nämlich geeignet, die Erwägung zu untermauern und zu bestätigen, dass die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf nahezu allen im EWR vermarkteten Google-Android-Geräten aus der Sicht der Nutzer dazu beiträgt, die Situation in Bezug auf die Verwendung des damit verbundenen allgemeinen Suchdienstes Google Search festzuschreiben. 363 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die von Google vorgebrachten Einwände gegen die Erklärung von HP und die „Status-Quo-Präferenz“ – die mit der Vorinstallation ebenso verbunden sein kann wie mit der Standardeinstellung oder der bevorzugten Platzierung, mit der die Vorinstallation kombiniert werden kann – keine Zweifel aufkommen lassen, die Google zugutekommen könnten. Auch wenn solche Einwände, außerhalb ihres Kontexts betrachtet, auf den ersten Blick relevant erscheinen mögen, reicht dies nämlich nicht aus, um die oben genannte Schlussfolgerung in Frage zu stellen, wenn man den Kontext und die Angaben berücksichtigt, auf die insoweit im angefochtenen Beschluss Bezug genommen wird und deren Inhalt oben wiedergegeben ist. 364 Zweitens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Nokia wiedergegeben (782. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 29. Juni 2015 hat Nokia auf Frage 17 – die sich auf die „Vorinstallation von Anwendungen“ bezog und mit der darum gebeten wurde, für drei beliebte Anwendungen die zusätzlichen durchschnittlichen Einnahmen pro Gerät zu schätzen, die, wenn diese Anwendung entweder auf dem Startbildschirm oder eine Wischbewegung von ihm entfernt vorinstalliert war, im Vergleich zu den durchschnittlichen Einnahmen ohne eine solche Vorinstallation zu erzielen waren – u. a. ausgeführt: „Wenn ein Produkt standardmäßig vorgeladen [preloaded] ist, neigen die Nutzer dazu, zum Nachteil von Konkurrenzprodukten bei diesem Produkt zu bleiben – selbst wenn es im Vergleich zu Konkurrenzprodukten minderwertig ist.“ Nokia hat insoweit klargestellt, dass ihre Antwort „die Auswirkungen vorinstallierter Anwendungen im Allgemeinen“ betreffe. 365 Die Klägerinnen verweisen auf eine andere Passage in der Antwort von Nokia auf diese Frage, in der dieses Unternehmen angegeben hat, dass „hinsichtlich der Auswirkungen vorinstallierter Anwendungen im Allgemeinen klar ist, dass der Standardeinstellung auf Mobilgeräten erhebliche Bedeutung zukommt“, und machen geltend, dass diese Antwort die Auswirkungen der Vorinstallation mit denen der Standardeinstellung verwechsle. 366 Liest man die vollständige Antwort von Nokia, stellt sich heraus, dass sie verschiedene Möglichkeiten in Betracht zieht, nämlich die der Standardeinstellung, wenn auf Apple Maps Bezug genommen wird, und die der Vorinstallation, wenn der Begriff „preloaded“ in Bezug auf Google Search oder YouTube verwendet wird. Diese Aussage ist daher im Kontext der verschiedenen technischen Lösungen für die genannten Anwendungen zu verstehen, die als Standard festgelegt, vorinstalliert oder bevorzugt platziert sein können. 367 Die Erklärung von Nokia wird durch eine Erklärung von Yandex (782. Erwägungsgrund und Fn. 834 des angefochtenen Beschlusses) bestätigt. In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Yandex nämlich zu Frage 35.1 an, dass „die Downloadraten von mobilen Anwendungen, die mit vorinstallierten mobilen Anwendungen konkurrieren, … tendenziell niedrig sind, wenn die vorinstallierten Dienste von vergleichbarer oder unerheblich schlechterer Qualität sind“. 368 Drittens wird im angefochtenen Beschluss eine weitere Erklärung von Nokia zitiert (789. Erwägungsgrund Nr. 1). In ihrer Antwort auf ein an die OEM gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 erklärte Nokia in Beantwortung der Frage 17.2 zur Bedeutung der Verfügbarkeit und Vorinstallation einzelner mobiler Dienste auf ihren Geräten für die Kaufentscheidung der Nutzer u. a., dass „[d]as ‚Preloading‘ von Anwendungen (im Gegensatz zu ihrer Bereitstellung zum Herunterladen) … für die Entwickler eine entscheidende Rolle spielt, weil der Umstand, dass diese Anwendungen auf dem Startbildschirm eines Smartphones oder in der Nähe des Startbildschirms gut sichtbar sind, zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Verbraucher die Anwendung ausprobieren“. 369 Die Klägerinnen verweisen auf andere Passagen dieser Antwort, in denen Nokia ferner angab, dass „die Nutzer … sich daran gewöhnt haben, in Vertriebsplattformen für Anwendungen zu suchen, um diejenigen Anwendungen herunterzuladen, die sie verwenden wollen“, dass „dies die Bedeutung des ‚Preloading‘ verringert hat“ und dass „die meisten Verbraucher … davon ausgehen, dass intelligente Mobilgeräte mit vollständigen Browser-Funktionen ausgestattet sind, und dass sie mit ihrem intelligenten Mobilgerät problemlos im Internet recherchieren können“. Sie machen geltend, diese Passagen widersprächen der Behauptung, dass die Vorinstallation einer allgemeinen Suchanwendung eine „Status-Quo-Präferenz“ erzeuge. 370 Auch wenn die von den Klägerinnen angeführten Passagen, die sich eher auf die Situation der Nutzer beziehen als die im angefochtenen Beschluss angeführte, die Anwendungsentwickler betreffende Passage, sehr wohl zu berücksichtigen sind, müssen gleichwohl auch weitere Passagen der Antwort von Nokia berücksichtigt werden. Nokia hat nämlich auch erklärt, dass „Google … selbst bereit ist, ihren Vertriebspartnern dafür, dass ihre eigenen Anwendungen an bevorzugter Stelle in die Geräte integriert werden, erhebliche Geldbeträge zu zahlen“, und darüber hinaus an anderen Stellen ihrer Antwort klargestellt, dass sie der Ansicht sei, dass die Vorinstallation die Wahl der Verbraucher und die Nutzung der Anwendungen beeinflussen könne. 371 Unter Berücksichtigung der gesamten Antwort von Nokia auf das Auskunftsersuchen der Kommission und der technischen Lösungen, auf die sich diese Antwort bezieht, lässt sich daher aus ihr nicht folgern, dass die Vorinstallation einer dedizierten Suchanwendung keine „Status-quo-Präferenz“ erzeuge. 372 Viertens werden im angefochtenen Beschluss zwei Erklärungen von Amazon wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 2). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 29. Juni 2015 hat Amazon nämlich auf Frage 17 zur Bedeutung der Verfügbarkeit und der Vorinstallation einzelner mobiler Dienste auf den Geräten als Kaufkriterien für die Nutzer geantwortet, dass „eine vorinstallierte Anwendung auf einem Gerät zu haben deren Auffindbarkeit durch die Endnutzer verbessert“. Desgleichen hat Amazon in ihrer Antwort auf ein an die Entwickler von BS gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 auf Frage 35 zum Einfluss der Vorinstallation einer bestimmten mobilen Anwendung auf die Nutzung konkurrierender Anwendungen erklärt, dass „die bevorzugte Platzierung vorinstallierter Anwendungen … einen erheblichen Einfluss auf deren Nutzung hat“ und dass „[d]as Vorhandensein vorinstallierter mobiler Anwendungen … in vielen Fällen die Bereitschaft der Nutzer einschränkt, konkurrierende mobile Anwendungen auszuprobieren“. 373 Die Klägerinnen führen eine dritte Erklärung von Amazon in ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 an, in der Amazon auf Frage 35.1, in welchem Umfang die Nutzer mobile Anwendungen heruntergeladen hätten, die mit den auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierten Anwendungen konkurrierten, antwortete, dass sie nur über Informationen zu Downloads vorinstallierter Anwendungen verfüge, die bevorzugt platziert oder als Standard festgelegt worden seien. Die von Amazon in diesem Zusammenhang angeführten Beispiele bezogen sich auf als Standard festgelegte Kartierungsdienste. 374 Auch hier stellt die Prüfung der verschiedenen von den Hauptparteien angeführten Erklärungen, wenn man sie in ihrem Kontext betrachtet, die Verwendung dieser Erklärungen im angefochtenen Beschluss nicht in Frage. Die von der Kommission wiedergegebenen Auszüge können als Argument dafür herangezogen werden, dass die Vorinstallation einer Anwendung – unabhängig davon, ob sie mit einer bevorzugten Platzierung einhergeht oder nicht – dazu beiträgt, die Situation festzuschreiben. Die von Google zitierten Auszüge stehen nicht im Widerspruch zu den vorstehenden Ausführungen. 375 Fünftens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Hutchison 3G wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 3). In ihrer Antwort auf ein an die MNO gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Hutchison 3G nämlich zu Frage 51 an: „Es ist sehr wirkungsvoll, eine Anwendung vorinstalliert [preloaded] zu haben, im Gegensatz zu einem Bootstrap oder sogar einer Marketing-Empfehlung, die Anwendung zu nutzen. Wie bei jedem Dienst ist die Wahrscheinlichkeit, ihn zu nutzen, größer, wenn er zur Hand ist.“ 376 Die Klägerinnen kritisieren diese Erklärung, weil dieses Unternehmen im Übrigen eingeräumt habe, selbst keine Anwendungen zu entwickeln (Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 13. August 2013). 377 Die Angabe, keine Anwendungen zu entwickeln, hinderte Hutchison 3G jedoch nicht, sich u. a. auf der Grundlage ihrer als MNO gewonnenen Erfahrungen mit dem Nutzerverhalten eine Meinung über die Nützlichkeit der Vorinstallation zu bilden. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebene Erklärung bleibt für die Beurteilung der Auswirkungen der Vorinstallation aus der Sicht des betroffenen Betreibers relevant. 378 Sechstens wird im angefochtenen Beschluss eine Erklärung von Yandex wiedergegeben (789. Erwägungsgrund Nr. 4). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 gab Yandex nämlich zu Frage 25.5 an: „Der effizienteste Vertriebskanal ist die Vorinstallation durch die OEM. Die OEM installieren hauptsächlich die Dienste vor, die zusätzliche Einnahmen für sie generieren können. In unserem Portfolio generieren unser mobiler Suchdienst und die dazugehörigen Dienste die meisten Einnahmen. Unsere Gespräche mit den OEM betreffen daher vor allem die Vorinstallation von Yandex Search.“ 379 Diese Erklärung wird von Google nicht bestritten. Sie kann von der Kommission angeführt werden, um ihr Vorbringen zu untermauern, dass die Vorinstallation einer Anwendung dazu führt, die Situation festzuschreiben. 380 In Bezug auf das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search wird im angefochtenen Beschluss u. a. eine Erklärung von Mozilla wiedergegeben (905. Erwägungsgrund Nr. 1). In ihrer Antwort auf ein an die Anwendungsentwickler gerichtetes Auskunftsersuchen vom 12. Juni 2013 führte Mozilla nämlich zu der die bevorzugte Platzierung und die Standardeinstellungen auf intelligenten Mobilgeräten betreffenden Frage 39 aus, dass „die Standardeinstellung nach wie vor den stärksten Einfluss auf die Nutzung von Anwendungen hat“ und dass die bevorzugte Platzierung „[in der] Hierarchie der kommerziellen Bedeutung von Standard- und Vorinstallationsoptionen“ zwischen der Standardeinstellung und der Voreinstellung stehe, wobei die Standardeinstellung an oberster Stelle stehe (vgl. die Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 22. März 2016). 381 Nach Auffassung der Klägerinnen legt diese Erklärung den Schwerpunkt auf die Standardeinstellung. Aus dieser Erklärung geht jedoch hervor, dass sie sich auch auf die Vorinstallation einer Anwendung bezieht, von der ebenfalls festgestellt wird, dass sie „die Hürden für die Verwendung durch einen Nutzer senkt“, wenn auch in geringerem Maß als im Fall der Standardeinstellung. Unter Berücksichtigung dieser Unterscheidung bleibt die Erklärung von Mozilla relevant. 382 Die anderen Erklärungen, die im angefochtenen Beschluss angeführt werden, um die Bedeutung der Vorinstallation als Vertriebsweg zu belegen, werden von Google nicht bestritten. 383 Zusammenfassend ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die verschiedenen im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkte, wenn sie zusammen betrachtet werden, der Kommission die Feststellung ermöglichten, dass die Vorinstallation der Anwendungen Google Search und Chrome unter den in der VVMA festgelegten Bedingungen aus der Sicht der Marktteilnehmer geeignet sei, „die Situation festzuschreiben“ und die Nutzer davon abzuhalten, eine konkurrierende Anwendung einzusetzen. 384 Die Prüfung des Streithilfevorbringens zu diesem Punkt stützt diese Schlussfolgerung. So bestätigen das BEUC, FairSearch, Seznam und Qwant, die zur Unterstützung der Kommission beigetreten sind, dass die „Status-Quo-Präferenz“, die mit der Vorinstallation einhergeht, aus ihrer Sicht derjenigen gleichgesetzt werden kann, die durch die Standardeinstellung geschaffen wird. Die ADA, die CCIA, die HMD, Gigaset und Opera, die zur Unterstützung von Google beigetreten sind, bestreiten ihrerseits nicht per se die Existenz einer mit der Vorinstallation verbundenen „Status-Quo-Präferenz“, sondern stellen die Möglichkeiten in den Vordergrund, die das Herunterladen bietet, um dieser Situation abzuhelfen. – Die Analyse von Yandex 385 Im angefochtenen Beschluss wird die Analyse von Yandex bezüglich des Marktanteils dieser Suchmaschine in Russland im Mai 2015 herangezogen, um darauf hinzuweisen, dass der Anteil von Yandex bei Android-Geräten, auf denen das „Such-Widget“ auf dem Startbildschirm vorinstalliert und diese Suchmaschine im vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Standard festgelegt sei, „dreimal höher“ gewesen sei als ohne Vorinstallation (789. Erwägungsgrund Nr. 5, Schaubild 18, und 798. Erwägungsgrund Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses). 386 Google kritisiert diese Einschätzung mit der Begründung, dass sie nicht zwischen Vorinstallation und Standardeinstellung unterscheide, weil die Suchmaschine von Yandex „im vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Standard festgelegt“ sei und die Auswirkungen der Vorinstallation von dieser Standardeinstellung abhingen (vgl. Econometric Data Report). Zudem enthalte die Analyse mehrere methodologische Fehler. 387 Wie die Kommission geltend macht, ist eine solche Unterscheidung aber nicht erforderlich, um die Tragweite der im angefochtenen Beschluss dargelegten Einschätzung zu beurteilen. Sie beschränkt sich nämlich darauf, in Anbetracht der verschiedenen Szenarien, die in der Analyse von Yandex untersucht wurden, festzustellen, dass der Marktanteil dieser Suchmaschine im Fall der Vorinstallation und der Standardeinstellung (Säulen 4 und 5 des Schaubilds 18 des angefochtenen Beschlusses) „dreimal höher“ sei als der Marktanteil ohne Vorinstallation (Säule 1 dieses Schaubilds). Anhand der in diesem Schaubild dargestellten Daten lässt sich auch feststellen, dass der Marktanteil von Yandex höher ist, wenn ihre Suchmaschine in Form eines „Such-Widgets“ auf dem zweiten Bildschirm vorinstalliert ist (Säule 3 dieses Schaubilds), als ohne Vorinstallation. 388 Die Analyse von Yandex und ihre in Schaubild 18 des angefochtenen Beschlusses dargestellten Ergebnisse können daher herangezogen werden, um darzutun, dass die Vorinstallation einer Anwendung unabhängig davon, ob sie mit einer Standardeinstellung oder einer bevorzugten Platzierung verbunden ist oder nicht, zu besseren Ergebnissen führt. 389 Der Umstand, dass die Analyse von Yandex nur ein Unternehmen und nur einen Monat betrifft oder dass sie nach Ansicht von Google methodische Fehler enthält, steht ihrer Relevanz nicht entgegen, weil die Kommission sie nur heranzieht, um andere Beweise für die Bedeutung der Vorinstallation als Vertriebskanal und die damit einhergehende „Status-Quo-Präferenz“ zu bestätigen. 390 Außerdem ist in dieser Hinsicht festzustellen, dass die Erklärungen von Yahoo und Qwant, in denen es im Wesentlichen heißt, dass die Vorinstallation geeignet sei, die Ergebnisse der betreffenden Suchdienste zu verbessern (789. Erwägungsgrund Nrn. 6 und 7 des angefochtenen Beschlusses), von Google nicht bestritten werden. – Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon 391 Der angefochtene Beschluss führt auch eine Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon aus dem Jahr 2008 an, der zufolge der allgemeine Suchdienst von Microsoft, Bing, in den Jahren 2010 und 2011 auf sechs Modellen von Google-Android-Geräten neben Google Search vorinstalliert wurde, wobei der aus dieser Vereinbarung resultierende Datenverkehr 15 bis 25 % des Gesamtvolumens der allgemeinen Suchanfragen bei Bing in den Vereinigten Staaten in diesem Zeitraum ausmachte. Der Marktanteil von Bing in den Vereinigten Staaten stieg in diesem Zeitraum von fast 0 auf etwa 1,5 % (Erwägungsgründe 789 Nr. 8 und 798 Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses). 392 Google macht geltend, diese Feststellungen verdeutlichten die Verwechslung der Vorteile der Standardeinstellung mit denen der Vorinstallation. Microsoft habe nämlich erläutert, durch diese Vereinbarung erreicht zu haben, dass „Bing als Standardsuchdienst festgelegt“ werde, weil die Mobilgeräte „mit Bing als Standard[einstellung] an allen Einstiegspunkten“ ausgeliefert würden. Zudem sei der erwähnte Anstieg weder „signifikant“ noch „dauerhaft“ und könne nicht auf die Vorinstallation, sondern nur auf die Standardeinstellung zurückgeführt werden. 393 Die Prüfung der Antwort von Microsoft auf Frage 10.1 des an die Anbieter von allgemeinen Suchdiensten gerichteten Auskunftsersuchens vom 20. November 2015 zeigt in der Tat, dass Bing bei einem der sechs darin erwähnten Geräte als Standard für alle Einstiegspunkte festgelegt war und auf den anderen fünf Geräten zusätzlich zur Festlegung von Bing als Standard die Anwendung Google Voice Search mit einem Icon auf dem Startbildschirm angezeigt wurde. Google macht daher zu Recht geltend, dass die von Microsoft aufgrund dieser Vereinbarung mit Verizon erzielten Ergebnisse auf die Standardeinstellung und nicht auf die Vorinstallation auf Google-Android-Geräten zurückzuführen sind. 394 Auch wenn diese Vereinbarung nicht als Beleg für die Bedeutung der Vorinstallation herangezogen werden kann, widerlegt sie nicht den Nutzen, den die Vorinstallation aus den von der Kommission im angefochtenen Beschluss unter Berücksichtigung der verschiedenen oben untersuchten Beweise angeführten Gründen bietet. iii) Zu bestimmten im angefochtenen Beschluss angestellten Vergleichen 395 Als Zweites beanstandet Google bestimmte Vergleiche, die im angefochtenen Beschluss angestellt werden. – FairSearch-Studie 396 Erstens wird im angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf die 2017 von Professor Marco Iansiti von der Universität Harvard (Vereinigte Staaten) für FairSearch durchgeführte Studie (im Folgenden: FairSearch-Studie) festgestellt, dass die Nutzung jeder Anwendung des GMS-Pakets, einschließlich der Anwendung Google Search, auf Google-Android-Geräten, auf denen sie vorinstalliert ist, signifikant höher ist als auf iOS-Geräten, auf die die Nutzer diese Anwendungen herunterladen müssen. Diese Feststellung berücksichtigt die von Microsoft bereitgestellten Daten über die monatliche Nutzung dieser Anwendungen in Großbritannien im Februar 2016. So verwendeten 17 % der Nutzer eines iOS-Geräts die heruntergeladene Anwendung Google Search, während 76 % der Nutzer eines Android-Geräts die vorinstallierte Anwendung Google Search verwendeten (Erwägungsgründe 791 und 792, Tabelle 10 und Schaubild 19 sowie 799. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). 397 Google macht geltend, die in der FairSearch-Studie angestellten Vergleiche widerlegten die behauptete „Status-Quo-Präferenz“, weil sie zeigten, dass die auf Google entfallenden Anteile an der Nutzung von Suchfunktionen unter Android, wo die VVMA gelte, und unter iOS, wo die VVMA nicht gelte, ähnlich hoch seien. Um diese Behauptung zu untermauern, nimmt Google de facto auf andere Daten als die der FairSearch-Studie Bezug. Sie weist insbesondere darauf hin, dass sich die FairSearch-Studie nur auf die Nutzung der Anwendung Google Search beziehe und nicht auf die Nutzung des gesamten Dienstes Google Search, der jedoch dem angefochtenen Beschluss zufolge der relevante Markt sei (323. Erwägungsgrund), oder auf die über den Browser durchgeführten Suchvorgänge. Berücksichtige man den Zugang über den Browser, unterschieden sich die „Reichweiten“ von Google Search unter Android und iOS nicht wesentlich voneinander (vgl. 515. Erwägungsgrund Nr. 3 und Fn. 857 des angefochtenen Beschlusses). In diesem Gesamtkontext würde ein Vergleich der Nutzung unter Android und iOS somit nicht eine „Status-Quo-Präferenz“ infolge der Vorinstallation untermauern, sondern vielmehr die Bedeutung des Internetzugangs über einen Browser unterstreichen. 398 Entgegen dem Vorbringen von Google bleibt jedoch die Feststellung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss unter Berücksichtigung der Ergebnisse der FairSearch-Studie getroffen hat, für die Prüfung des ersten Bündels relevant. Diese Studie berücksichtigt nämlich nur Suchanfragen, die über die Anwendung Google Search erfolgen, und nicht solche, die über andere Sucheinstiegspunkte wie mobile Internetbrowser erfolgen (Erwägungsgrund 799 Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses) und die unter die Beurteilung des zweiten Bündels fallen. 399 Darüber hinaus ist, wie die Kommission geltend macht, die Nutzung von Google Search – und nicht der Anwendung Google Search – auf Android- und iOS-Geräten zwar ähnlich, was aber damit zu erklären ist, dass Apple zwar keine allgemeine Suchanwendung auf iOS-Geräten vorinstalliert, aber Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche in Safari festlegt (vgl. insbesondere 799. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses). 400 In Anbetracht der oben erwähnten Besonderheiten ist daher nicht davon auszugehen, dass die Prüfung der in der FairSearch-Studie vorgenommenen Vergleiche im Widerspruch zu dem steht, was aus ihnen im angefochtenen Beschluss hinsichtlich des Vorliegens einer „Status-quo-Präferenz“ hergeleitet wird. – Von Microsoft bereitgestellte Daten und NetMarketShare-Daten 401 Zweitens nimmt der angefochtene Beschluss auf die von Microsoft als Antwort auf Frage 13 eines Auskunftsersuchens vom 10. April 2017 vorgelegten Daten Bezug, mit denen allgemeine Suchanfragen auf Google-Android-Geräten, auf denen Google Search vorinstalliert ist, und auf Windows Mobile-Geräten, auf denen Bing als Standard festgelegt ist, in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und im Vereinigten Königreich von 2014 bis 2017 verglichen werden. Diesen Daten zufolge entfielen auf Google Search [10-20] % bis [40-50] % der allgemeinen Suchanfragen auf Windows Mobile-Geräten und [90-100] % der allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten (vgl. 793. Erwägungsgrund und Tabelle 11 des angefochtenen Beschlusses). 402 Google macht geltend, dass die fehlende Unterscheidung zwischen den jeweiligen Auswirkungen der Standardeinstellung und der Vorinstallation die Relevanz dieser Daten beeinträchtige, weil Google Search auf Windows Mobile-Geräten, auf denen Bing „als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt“ sei (vgl. Erwägungsgründe 793 und 840 des angefochtenen Beschlusses), nicht vorinstalliert sei und diese Standardeinstellung im Gegensatz zu den Standardeinstellungen für Suchdienste auf Android-Geräten in der Regel nicht geändert werden könne. Die Standardeinstellung könnte daher einen beträchtlichen Teil oder die Gesamtheit des im angefochtenen Beschluss angeführten Unterschieds ausmachen. Die geringe Zahl der Downloads konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen sei vielmehr durch die Vorliebe der Nutzer für Google Search zu erklären (nach den von Google Ende 2016 vorgelegten Daten bevorzugen etwa 95 % der Nutzer im Vereinigten Königreich, in Frankreich und in Deutschland Google). Im Vergleich dazu zeigten die Daten von NetMarketShare, dass der Unterschied zwischen dem Anteil von Google an den Suchanfragen auf Android- und auf Windows Mobile-Geräten geringer sei und tatsächlich nur 1 % betrage (Data On Operating System Market Share: Mobile OS, Europe, 2015). Im angefochtenen Beschluss werde beklagt, dass Google die diesen Statistiken zugrunde liegenden quantitativen Daten nicht vorgelegt habe (799. Erwägungsgrund Nr. 3), obwohl die Kommission diese Daten auf Anfrage hätte erhalten können. 403 Doch selbst wenn ein Teil des Unterschieds zwischen den Anteilen der Suchanfragen auf Android- und Windows Mobile-Geräten eher „auf die Standardeinstellung im vorinstallierten Browser zurückzuführen“ sein sollte als auf die Vorinstallation, bleiben die von Microsoft vorgelegten Daten relevant. Diese Daten spiegeln nämlich lediglich die Unterschiede wider, die zwischen mit dem BS Android und dem gesamten GMS-Paket ausgestatteten Geräten und solchen bestehen, die mit dem BS Windows Mobile ausgestattet sind: Auf Ersteren ist die Suchanwendung Google Search vorinstalliert, auf Letzteren ist der Suchdienst Bing als Standard festgelegt. 404 Zu den NetMarketShare-Daten, die Google zur Verfügung gestellt und herangezogen hat, um zu zeigen, dass der Unterschied zwischen ihren Anteilen an Suchanfragen auf Android- und auf Windows Mobile-Geräten gering sei und nur 1 % betrage, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Daten sehr knapp gehalten sind. Sie werden in Form eines Schaubilds und einer Tabelle ohne Erläuterungen dargestellt. Wie die Kommission im 799. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses feststellt, lässt sich insbesondere die tatsächliche Bedeutung der in der Spalte „Windows Phone“ genannten Daten nur schwer beurteilen, weil Angaben dazu fehlen, welche Geräte berücksichtigt wurden, um die Anteile der auf Geräte mit dem BS Windows Mobile entfallenden Suchanfragen zu ermitteln. Wie die Kommission ebenfalls im 799. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses ausführt, stehen die Daten von NetMarketShare auch im Widerspruch zu anderen Daten, die Microsoft und Google im Lauf des Verwaltungsverfahrens vorgelegt haben und die die im angefochtenen Beschluss aufgestellte Behauptung stützen, dass der Anteil von Google an den allgemeinen Suchanfragen auf Android-Geräten, auf denen die Anwendung Google Search vorinstalliert ist, deutlich höher ist als auf Windows Mobile-Geräten, auf denen diese Anwendung nicht vorinstalliert ist. – Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen von Google 405 Drittens verweist der angefochtene Beschluss auf einen Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten weltweit erzielten Einnahmen von Google (794. Erwägungsgrund und Tabelle 12) für die Jahre 2014 bis 2016, der anhand von Google bereitgestellter Daten vorgenommen wurde und aus dem hervorgeht, dass Google aus der Nutzung ihrer allgemeinen Suchanwendung Google Search auf Android-Geräten signifikant höhere Einnahmen erzielte als auf iOS-Geräten (+71 % im Jahr 2014, +134 % im Jahr 2015 und +193 % im Jahr 2016), während die Gesamteinnahmen aus Suchvorgängen auf Android- und iOS-Geräten auf annähernd gleichem Niveau lagen (+3 % im Jahr 2014, +22 % im Jahr 2015 und +28 % im Jahr 2016). 406 Google macht geltend, dass die fehlende Berücksichtigung von Suchanfragen, die über einen Browser gestellt würden, diesen Vergleich verfälsche. Wären diese Suchanfragen berücksichtigt worden, hätte sich aus Tabelle 12 des angefochtenen Beschlusses ergeben, dass die Gesamteinnahmen von Google aus Suchanfragen auf iOS-Geräten höher seien als aus Suchanfragen auf Android-Geräten, obwohl die Anwendung Google Search auf iPhones nicht vorinstalliert sei. Außerdem stelle Apple den Browser Safari auf Android nicht zur Verfügung. Der Anteil von Chrome auf iOS-Geräten sei daher zwangsläufig geringer. 407 Wie die Kommission jedoch feststellt, zeigen die von Google vorgelegten Daten, dass die mit der Anwendung Google Search erzielten Einnahmen bei GMS-Geräten, auf denen diese Anwendung vorinstalliert ist, höher sind als bei iOS-Geräten, auf denen keine allgemeine Suchanwendung vorinstalliert ist, auch nicht Google Search. Da sich dieser Teil des Beschlusses auf das erste Bündel bezieht, brauchen die Einnahmen aus der Umsetzung des zweiten Bündels nicht einbezogen zu werden. Im weiteren Sinne vergleichen diese Daten auch hier Situationen, in denen der in Rede stehende allgemeine Suchdienst, im vorliegenden Fall Google Search, entweder durch die Vorinstallation dieser Anwendung auf Google Android oder durch ihre Festlegung als Standard im Browser Safari begünstigt wird. 408 Die Kritik von Google an der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Gegenüberstellung ihrer mit Android-Geräten und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen ist daher zurückzuweisen. iv) Zu bestimmten Aspekten, die Chrome betreffen 409 Drittens macht Google geltend, dass die Aussage, Safari generiere auf iOS höhere Einnahmen als Chrome (907. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), ebenfalls die Vorinstallation mit der Standardeinstellung verwechsle und dass die Opera-Umfrage (vgl. 905. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses) keine wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen belegen könne. – Vergleich der Einnahmen von Google durch Safari und durch Chrome 410 Erstens bezieht sich der angefochtene Beschluss auf einen Vergleich der weltweiten Einnahmen von Google aus Suchanfragen, die über den Browser Safari, der auf iOS-Geräten vorinstalliert ist, und über den Browser Chrome, der auf diesen Geräten nicht vorinstalliert ist, gestellt wurden. Dieser Vergleich, der anhand von Google zur Verfügung gestellter Daten vorgenommen wurde, zeigt, dass Google auf iOS-Geräten über Safari höhere Einnahmen erzielt als über Chrome (+2457 % im Jahr 2014, +1988 % im Jahr 2015 und +1883 % im Jahr 2016) (907. Erwägungsgrund und Tabelle 16 des angefochtenen Beschlusses). Im Jahr 2016 standen den 258 Millionen Vorinstallationen von Safari nur 40 Millionen Downloads von Chrome auf iOS-Geräten gegenüber (912. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses). 411 Google macht geltend, dass die Feststellung, Safari generiere auf iOS-Geräten höhere Umsätze als Chrome (907. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), Vorinstallation und Standardeinstellung miteinander vermenge. Apple lege ihren eigenen Browser Safari auf allen iOS-Geräten als Standardbrowser fest, was im angefochtenen Beschluss nicht berücksichtigt werde. Es sei unmöglich, die Auswirkungen der Vorinstallation anhand von Beweisen, die eine Kombination aus Vorinstallation, bevorzugter Platzierung und Standardeinstellung beträfen, korrekt abzugrenzen. 412 Ein solcher Einwand kann jedoch dem Vergleich zwischen den Einnahmen, die Google auf iOS-Geräten aus Suchanfragen über Safari und über Google Chrome erzielt, nicht die Relevanz nehmen. Dieser Vergleich wurde nämlich unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Browser auf iOS-Geräten vorgenommen: Safari ist der einzige, der vorinstalliert ist, während Chrome heruntergeladen werden muss. Außerdem laden die Nutzer Google Chrome nur auf einen geringen Prozentsatz von iOS-Geräten herunter (15 % im Jahr 2016) (912. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses). 413 Die Kritik von Google an dem im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Vergleich ihrer über Safari und über Chrome erzielten Einnahmen ist daher zurückzuweisen. – Opera-Umfrage 414 Zweitens verweist der angefochtene Beschluss auf eine von Opera durchgeführte Umfrage (vgl. 905. Erwägungsgrund Nr. 3), aus der zum einen hervorgeht, dass im Jahr 2013 72 % von 1500 Befragten in Deutschland, Polen und dem Vereinigten Königreich den auf ihren intelligenten Mobilgeräten vorinstallierten Browser nutzten und dass 16 % dieser Personen Faktoren wie Qualität, Benutzerfreundlichkeit, Geschwindigkeit, Sicherheit oder andere Merkmale nicht berücksichtigten, sondern den Browser nur deshalb weiterverwendeten, weil er vorinstalliert war. 415 Google weist darauf hin, dass die in dieser Umfrage gestellte Frage lautete: „[W]elche Faktoren haben Sie bei der Auswahl des Browsers, den Sie am häufigsten/regelmäßig verwenden, berücksichtigt?“ Der angefochtene Beschluss stütze sich zur Untermauerung der darin aufgestellten Behauptungen auf die Nutzer, die die Antwort ausgewählt hätten, dass sie „einfach den mit [ihrem] Mobiltelefon gelieferten Browser nutzen“. Diese Antwortoption unterscheide nicht zwischen Nutzern, die einen Browser gewählt hätten, weil er vorinstalliert sei, und solchen, die ihn gewählt hätten, weil er als Standard festgelegt sei. In mehreren Antworten sei jedoch als Kommentar hinzugefügt worden, dass der „Standardbrowser des Telefons“ verwendet werde. Wie aus den Daten der von Opera vorgelegten Umfrage (Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 15. Dezember 2015) hervorgehe, hätten zudem nur 70 von 500 Befragten (14 %) tatsächlich die im angefochtenen Beschluss genannte Option gewählt. In Wirklichkeit könne die Zahl sogar noch geringer sein: Von diesen 70 Nutzern hätten sich 18 offenbar auf iOS-Geräte und nicht auf Android-Geräte bezogen, weil sie angegeben hätten, Safari als Browser zu verwenden, der unter Android nicht verfügbar sei. Die übrigen 86 % der Befragten hätten Faktoren wie Geschwindigkeit, Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Datenverbrauch und andere qualitätsbezogene Faktoren genannt. Es sei auch falsch, davon auszugehen, dass nur ein einziger Browser mit dem Telefon „mitgeliefert“ worden sei, weil die OEM in der Wirklichkeit üblicherweise zwei oder mehr Browser vorinstallierten. 416 Wie die Kommission geltend macht, ist jedoch, obwohl die Opera-Umfrage die Auswirkungen der Vorinstallation nicht von denen der Standardeinstellung trennt, zumindest ein Teil der Gründe, aus denen die Befragten den „mit dem Mobilgerät mitgelieferten“ Internetbrowser verwendeten, auf den Umstand zurückzuführen, dass die OEM diesen Browser vorinstallieren. In dieser Umfrage wurde der mobile Internetbrowser ermittelt, den die Nutzer „am häufigsten“ verwenden, um auf ihren Geräten im Internet zu suchen. Zieht man die drei EWR-Länder (Deutschland, Vereinigtes Königreich und Polen) heran, auf die sich die Stichprobe von 1500 Nutzern erstreckte, nannten zum einen 853 Nutzer (57 %) Chrome oder Safari – bei denen es sich um auf allen GMS- bzw. iOS-Geräten vorinstallierte Browser handelt – als den von ihnen am häufigsten verwendeten Browser, während zum anderen 232 Nutzer (15 %) antworteten, dass sie am häufigsten die als Standard eingestellten Browser verwendeten (Chrome auf GMS-Geräten und Safari auf iOS-Geräten). 417 Die Kritik von Google an den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Verweisen auf die Ergebnisse der Opera-Umfrage ist daher zurückzuweisen. 418 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die verschiedenen Argumente, mit denen Google den Vorteil zu widerlegen sucht, der sich aus der Vorinstallation der Anwendungen Google Search und Chrome auf Google-Android-Geräten ergibt, nicht geeignet sind, die Schlussfolgerungen in Frage zu stellen, die die Kommission in diesem Zusammenhang aus den verschiedenen im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkten gezogen hat. b) Die Möglichkeit für die OEM, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren oder als Standard festzulegen 1) Angefochtener Beschluss 419 Im angefochtenen Beschluss wird festgestellt, dass der Wettbewerbsvorteil, der sich aus den Voreinstellungsbedingungen der VVMA ergebe, von den Anbietern konkurrierender allgemeiner Suchdienste aus folgenden Gründen nicht durch andere Voreinstellungsvereinbarungen ausgeglichen werden könne (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses): – Die OEM wollten in der Regel keine zusätzliche allgemeine Suchanwendung installieren; dies beruhe auf den relativ geringen Mehreinnahmen, die sich durch die zusätzliche Installation einer solchen Anwendung erzielen ließen, auf den Kosten für die Aushandlung solcher Vereinbarungen und auf der Gefahr, dass sich doppelt vorhandene Anwendungen negativ auf das Nutzererlebnis auswirken oder Speicherplatzprobleme verursachen könnten; dasselbe gelte entsprechend für die Browser (Erwägungsgründe 824 bis 829, 933 und 934 des angefochtenen Beschlusses). – Die VVMA hindere die OEM und die MNO daran, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine andere allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses); außerdem dürfe ein mit Chrome konkurrierender Browser, selbst wenn er vorinstalliert werden könne, nicht als Standard festgelegt werden (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Die mit den OEM und den MNO geschlossenen VAE, die die ausschließliche Vorinstallation der Anwendung Google Search auf [50-60 %] bis [80-90 %] aller Google-Android-Geräte im EWR vorsähen, würden die Mitbewerber von Google auch daran hindern, auf diesen Geräten ihre eigene allgemeine Suchanwendung neben der von Google vorinstallieren zu lassen (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Die Zahl der Vorinstallationen konkurrierender Browser auf Google-Android-Geräten sei deutlich geringer als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome (936. Erwägungsgrund und Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses). 420 So habe Bing, der Hauptkonkurrent von Google Search, von 2011 bis 2016 nicht auf Google-Android-Geräten vorinstalliert werden können, mit Ausnahme eines einzigen Gerätemodells, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gekommen sei (Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses). 2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien 421 Google macht geltend, dass die VVMA-Vorinstallationsbedingungen die OEM nicht daran hinderten, für konkurrierende Suchdienste und Browser auf allen ihren Android-Geräten die gleiche Vorinstallation vorzusehen wie für Google Search und Chrome. Es wäre sogar möglich gewesen, eine bessere Werbemöglichkeit als für die Produkte von Google zu gewährleisten, weil die OEM einen anderen Browser als Chrome als Standardbrowser hätten vorgeben und die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste in diesen vorinstallierten Browsern als Standarddienste festlegen können. Außerdem hätten die Nutzer Google Search trotz seiner standardmäßigen Voreinstellung in der URL-Leiste von Chrome immer noch durch die Einstellung des Suchdienstes eines Mitbewerbers austauschen können. Die in Rede stehenden Praktiken hätten den Wettbewerb daher nicht einschränken können. 422 So werde die Behauptung, dass die OEM und die MNO keine konkurrierenden Anwendungen auf Android-Geräten vorinstallieren wollten, durch ihr tatsächliches Verhalten widerlegt, und zwar unabhängig davon, ob es sich um allgemeine Suchdienste, Browser oder andere Arten von Anwendungen handele. Ebenso stünden die Erwägungen zu den VAE im Widerspruch zu der Behauptung, dass die OEM und die MNO kein Interesse daran hätten, neben den Anwendungen von Google weitere Such- und Browseranwendungen vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 824 bis 829, 933 und 934 im Vergleich zu den Erwägungsgründen 1208 Nr. 1, 1213, 1214, 1219 und 1220 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus werde keiner der vier Gründe, die zur Stützung der Behauptung angeführt würden, dass die OEM neben den Anwendungen von Google keine konkurrierenden Anwendungen vorinstallieren wollten – nämlich Bedenken im Hinblick auf das „Nutzererlebnis“, Speicherplatzprobleme, Transaktionskosten und das Fehlen finanzieller Vorteile der Vorinstallation –, durch ausreichende Beweise untermauert. 423 Die Kommission macht geltend, dass die Wettbewerber den erheblichen Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschaffe, nicht durch Vorinstallationsvereinbarungen ausgleichen könnten. 3) Würdigung durch das Gericht i) Vorbemerkungen 424 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Google im Rahmen dieser Rüge im Wesentlichen behauptet, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA die OEM nicht daran gehindert hätten, auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten konkurrierende allgemeine Suchdienste und Browser in der gleichen Weise vorzuinstallieren wie Google Search und Chrome. 425 Die Kommission bestreitet im angefochtenen Beschluss jedoch nicht, dass die VVMA den OEM die Vorinstallation von Anwendungen erlaubt, die mit Google Search und Chrome konkurrieren. Die Mitbewerber von Google konnten den OEM daher für die Vorinstallation ihrer eigenen Anwendungen grundsätzlich die gleichen Bedingungen anbieten, wie die VVMA sie vorsah. Eine gemeinsame Installation war nach der VVMA zulässig. 426 Im angefochtenen Beschluss heißt es vielmehr zum einen, dass die VVMA die OEM daran „hindere“, ausschließlich solche Anwendungen anstelle von Google Search und Chrome vorzuinstallieren (832. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und zum anderen, dass die VAE von den OEM und den MNO die ausschließliche Vorinstallation der Anwendung Google Search auf dem von diesen Vereinbarungen erfassten Geräteanteil verlangten, d. h. im Lauf der Zeit auf [80-90 %] bis [50-60 %] der im EWR verkauften Google-Android-Geräte (833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); dies schließt sowohl sortimentbezogene als auch gerätebezogene VAE ein, wie die Kommission in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen bestätigt hat. 427 Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Marktanteile von Google Search und Chrome sowie ihrer jeweiligen Entwicklung von 2011 bzw. 2012 bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses bleibt die Auseinandersetzung über die Möglichkeiten der Wettbewerber, den durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA gewährten Wettbewerbsvorteil auszugleichen, weitgehend theoretisch. In der Praxis waren die Anbieter konkurrierender Anwendungen nämlich nicht in der Lage, den Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation von Google Search und Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschafft hatte, durch Vorinstallationsvereinbarungen auszugleichen. Wie im angefochtenen Beschluss dargelegt, ist die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen und Browser hinsichtlich ihrer Verbreitung nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome vergleichbar (vgl. 940. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf Browser). 428 In diesem Zusammenhang muss zwischen den theoretischen Annahmen zum Wettbewerb und der praktischen Realität unterschieden werden, in der die Wettbewerbsalternativen, auf die Google verweist, aufgrund der „Status-quo-Präferenz“, die mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA und den kombinierten Auswirkungen dieser Bedingungen und der anderen vertraglichen Vereinbarungen von Google einschließlich der VAE einhergeht, wenig überzeugend oder faktisch aussichtslos erscheinen. 429 Vor diesem Hintergrund ist das Argument von Google zu prüfen, dass es den OEM ungeachtet der Vorinstallationsbedingungen der VVMA freigestanden habe, für konkurrierende allgemeine Suchdienste und Browser auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten dieselben Vorinstallationsbedingungen vorzusehen, wie sie für Google Search und Chrome gewährt würden. Dieses Vorbringen bezieht sich erstens auf die Vorinstallation konkurrierender Anwendungen, zweitens auf einen angeblichen Widerspruch zwischen den Erwägungen zu den VAE und der Behauptung, dass kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen bestehe, und drittens auf das Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen. ii) Zur Vorinstallation konkurrierender Anwendungen 430 Als Erstes ist festzustellen, dass sich das Vorbringen von Google hierzu mehr auf die Situation bei Browsern als auf die Situation bei allgemeinen Suchdienstanwendungen konzentriert. Es bezieht sich zunächst auf die Anwendung Google Search und die konkurrierenden Anwendungen, dann auf den Browser Chrome und seine Mitbewerber und schließlich auf die anderen Anwendungen. – Zur Anwendung Google Search und ihren Mitbewerbern 431 In Bezug auf allgemeine Suchanwendungen beanstandet Google lediglich den Verweis auf Bing, das von 2011 bis 2016 nur auf einem einzigen Modell eines Google Android-Geräts habe vorinstalliert werden können, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gebracht worden sei (vgl. Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses). 432 Der Umstand, dass Bing auf im EWR verkauften Google-Android-Geräten nicht vorinstalliert werden konnte, soll laut Google nicht auf die Vorinstallationsbedingungen der VVMA zurückzuführen sein, sondern darauf, dass es für die meisten Länder des EWR keine lokalisierte Version von Bing gegeben habe. 433 Der Kommission ist jedoch beizupflichten, dass es den Mitbewerbern von Google nur in sehr seltenen Fällen gelang, ihre allgemeine Suchanwendung zusätzlich zur Anwendung Google Search auf Geräten vorinstallieren zu lassen. Jedenfalls betrafen diese Fälle nur einen geringen Teil der Geräte der betreffenden OEM, insbesondere im EWR. 434 Im angefochtenen Beschluss werden nämlich nur zwei Fälle der „Vorinstallation“ einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung erwähnt, und zwar dann, wenn der jeweilige OEM keine VAE mit Google getroffen hatte oder diese nicht mehr bestand (1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses): – eine Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen zwischen Microsoft und ZTE vom Februar 2017 für den Verkauf bestimmter Google-Android-Geräte weltweit, einschließlich des EWR, auf denen Bing im Browser von ZTE als Standard festgelegt war, sowie für den Verkauf bestimmter Mengen von Google-Android-Geräten, auf denen die allgemeine Suchanwendung Bing vorinstalliert war (1219. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses); – eine Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen zwischen Yandex und zwei OEM für den Verkauf von Google-Android-Geräten weltweit, einschließlich einer kleinen Zahl von Geräten im EWR, auf denen das „Widget“ des allgemeinen Suchdienstes Yandex und Links zur Yandex-Homepage im Standardbrowser vorinstalliert waren (1219. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses). 435 Außerdem bietet der von Google in Bezug auf Bing angeführte Grund keine plausible Erklärung dafür, dass Microsoft die OEM nicht davon hatte überzeugen können, diese Anwendung auf Google-Android-Geräten vorzuinstallieren. Das Fehlen einer lokalisierten Version betraf nämlich nicht alle EWR-Länder, und selbst in den Ländern, in denen diese Anwendung eine Lokalisierung zuließ, wie im Vereinigten Königreich oder in Deutschland, installierten die OEM die Anwendung Bing nicht vor. Ebenso wurde die Anwendung Seznam von den OEM nicht auf ihren Geräten in der Tschechischen Republik vorinstalliert, obwohl die allgemeinen Suchalgorithmen dieser Anwendung auf die tschechische Sprache ausgelegt waren (vgl. Erwägungsgründe 682 und 814 Nr. 4 des angefochtenen Beschlusses). 436 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Anbieter mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste entgegen der Behauptung von Google nicht in der Lage waren, den Wettbewerbsvorteil auszugleichen, der sich aus den Vorinstallationsbedingungen der VVMA ergab. – Zum Browser Chrome und seinen Mitbewerbern 437 In Bezug auf Browser führt Google verschiedene Aspekte an, um darzutun, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA die OEM nicht daran gehindert hätten, konkurrierenden Browsern die gleichen Vorinstallationsbedingungen wie für Google Search und Chrome zu gewähren: – Im angefochtenen Beschluss heiße es, dass zwischen 2013 und 2016 auf nahezu 60 % der Android-Geräte neben Chrome auch konkurrierende Browser vorinstalliert gewesen seien (936. Erwägungsgrund und Tabelle 19); die Zahl dieser Vorinstallationen konkurrierender Browser sei daher nicht „erheblich geringer als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome auf Google-Android-Geräten“ gewesen; – Ein zweiter vorinstallierter Browser könne einen höheren Anteil an Sucheinnahmen generieren als die Anwendung Google Search oder der Browser Chrome, die im Rahmen der VVMA vorinstalliert würden, wie aus folgenden Beweisen hervorgehe: Samsung habe 2016 begonnen, auf ihren Geräten ihren eigenen Browser vorzuinstallieren und ihn besser als Chrome zu positionieren, wobei auf diesen eigenen Browser 38,4 % der Einnahmen von Google Search auf Samsung Galaxy S6-Geräten im EWR entfallen seien, was sowohl die Anwendung Google Search (38,1 %) als auch den Browser Chrome (23,3 %) übertroffen habe (949. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); Huawei habe 2015 erklärt, dass der „Huawei-Browser auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert [preloaded]“ sei (Huawei, 14. Dezember 2015), und HTC habe 2015 erklärt, dass ihr Browser, HTC Internet, auf ihren Geräten vorinstalliert sei und dass die Aufnahme von Chrome in das GMS-Paket durch Google im Jahr 2012 „keine signifikanten Auswirkungen“ entfaltet habe, weil HTC ihren eigenen Internetbrowser auf den meisten ihrer Geräte vorinstalliere (HTC, 13. November 2015). 438 Entgegen der Auffassung der Kommission können die Argumente von Google und die verschiedenen Gesichtspunkte, die sie untermauern, nicht von vornherein zurückgewiesen werden. 439 Das Vorbringen von Google lässt nämlich a priori erkennen, dass bei Browsern ein stärkerer Wettbewerb herrscht als bei allgemeinen Suchanwendungen, wie sich aus den im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen tatsächlichen Umständen ergibt (vgl. Tabelle 19, in der für die Jahre 2013 bis 2016 ein weltweiter Anteil paralleler Vorinstallationen von 40 % bis 60 % angegeben ist). Andere Browser als Chrome können auf Google-Android-Geräten vorinstalliert sein und sind es auch häufig. 440 Der Fall von Opera ist ein gutes Beispiel dafür. Nach eigenen Angaben verdankt Opera, die als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge von Google beigetreten ist, einen hohen Anteil ihrer Nutzer den Vorinstallationsvereinbarungen, die sie mit OEM (Samsung, Huawei, OPPO und Tecno) für Google-Android-Geräte geschlossen hat. Die Kommission stellt in diesem Zusammenhang fest, dass diese Vereinbarungen weniger als 5 % der im EWR verkauften Google-Android-Geräte betroffen hätten (940. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), weil diese Geräte hauptsächlich in Afrika verkauft worden seien (Vereinbarungen von Opera mit Samsung und Tecno). 441 Dieses Beispiel zeigt, dass während des Zuwiderhandlungszeitraums Vereinbarungen über die parallele Vorinstallation von Browsern bestehen konnten, jedenfalls in größerem Umfang, als dies bei Vereinbarungen über die Vorinstallation einer allgemeinen Suchanwendung der Fall war. Es ist jedoch zu prüfen, ob die Auswirkungen solcher Vereinbarungen den aus der Vorinstallation resultierenden Vorteil ausgleichen können. 442 Die von Google gegen die Analyse vorgebrachten Argumente werden nämlich durch die verschiedenen Erklärungen der Kommission und der sie unterstützenden Streithelfer weitgehend entkräftet. So hat sich in der Praxis herausgestellt, dass die Wahlfreiheit, andere Browseranwendungen vorzuinstallieren, den OEM zwar sehr wohl Möglichkeiten einräumte, die sie faktisch aber nur nutzen konnten, um Browseranwendungen vorzuinstallieren, die Google Search als standardmäßig eingestellte Suchmaschine verwendeten. 443 Im Gegensatz zum Beispiel von Opera beschreibt Seznam in ihrem Streithilfeschriftsatz nämlich, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden gewesen sei, die Vorinstallation ihrer Such- und Browseranwendungen zu erreichen. Seznam weist außerdem darauf hin, dass diese Schwierigkeiten sowohl zur Zeit der sortimentbezogenen VAE als auch später, als die gerätebezogenen VAE in Kraft getreten seien, bestanden hätten. Ebenso gelang es Qwant erst im September 2018, d. h. nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, als Standardsuchmaschine für den Browser Brave in Frankreich und Deutschland festgelegt zu werden. 444 Erstens trifft es zwar zu, dass von 2013 bis 2016 auf fast 60 % der Android-Geräte neben Chrome auch konkurrierende Browser vorinstalliert waren (Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses). 445 Zum einen ist jedoch in Bezug auf die von Google angeführten Fälle von Samsung und Huawei festzustellen, dass die einzigen mobilen Internetbrowser, die auf einer erheblichen Anzahl von Google-Android-Geräten dieser OEM vorinstalliert waren, deren eigene Browser und nicht Browser von Drittanbietern waren (936. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 446 Hierzu weist die Kommission darauf hin, dass einige Anbieter, darunter Samsung und Huawei, Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt hatten. So verweist der 798. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses auf „Vereinbarungen mit den OEM und MNO, die sicherstellen sollen, dass Google Search der einzige vorinstallierte allgemeine Suchdienst ist und in allen vorinstallierten mobilen Browsern von Drittanbietern als Standard eingestellt wird“. Auf Nachfrage hat die Kommission klargestellt, dass es sich hierbei um einen Verweis auf die VAE handelte. Die Kommission führt auch HTC an, die in ihrem Browser ebenfalls Google Search als Standarddienst für die allgemeine Suche festgelegt hatte, und weist darauf hin, dass HTC die Entwicklung ihres eigenen Browsers zum 30. November 2016 eingestellt habe. 447 Zum anderen ist in Bezug auf die Situation der Anbieter, die eine VAE abgeschlossen hatten, festzustellen, dass sich diese Anbieter, um in den Genuss der Aufteilung der Einnahmen zu gelangen, verpflichten mussten, Google Search auf den verschiedenen Einstiegspunkten ihrer Google-Android-Geräte, einschließlich ihres eigenen Browsers, als Standard festzulegen (822. Erwägungsgrund, Fn. 908 und Abschnitt 6.3.3 zu den sortimentbezogenen VAE) und keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren (Erwägungsgründe 192 und 198 des angefochtenen Beschlusses). 448 Dies ist umso bedeutsamer, als die Kommission im 822. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angibt, dass sich die VAE von 2011 bis 2016 auf [80-90 %] bis [50-60 %] der im EWR verkauften Google-Android-Geräte erstreckt hätten. Aus den Angaben in Fn. 908 zum 822. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass die in diesem Zusammenhang berücksichtigten Informationen nicht nur diejenigen umfassen, die aus dem Anwendungsbereich der sortimentbezogenen VAE abgeleitet wurden, sondern auch diejenigen, die sich aus dem Anwendungsbereich der gerätebezogenen VAE ergaben, die die sortimentbezogenen VAE ablösten. Dies hat die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage im Rahmen prozessleitender Maßnahmen bestätigt. 449 So fielen von 2011 bis 2016 mehr als 50 % der im EWR verkauften Google-Android-Geräte unter mit Google geschlossene VAE, die alle, seien sie sortiment- oder gerätebezogen, die Festlegung von Google Search als Standardsuchmaschine in den vorinstallierten Browsern verlangten und die Installation eines konkurrierenden Suchdienstes untersagten. 450 Somit erweist sich – und dies gilt für Samsung, HTC, LG und Sony ebenso wie für die anderen Anbieter, die VAE abgeschlossen hatten –, dass immer dann, wenn neben Chrome, bei dem Google Search als Standard festgelegt ist, ein weiterer Browser vorinstalliert war, auch bei diesem Google Search als Standard festgelegt war. 451 Anhand dieser Feststellung lässt sich die Komplementarität der verschiedenen Praktiken von Google veranschaulichen, was zwangsläufig bedeutet, dass – wie auch im angefochtenen Beschluss dargelegt – die kombinierten Auswirkungen der VVMA und der VAE berücksichtigt werden müssen. Die mit der VAE verbundene vertragliche Verpflichtung, für die allgemeine Suche keine andere Lösung als Google Search zu installieren, hat zur Folge, dass die theoretische Möglichkeit der Vorinstallation eines mit den Anwendungen von Google konkurrierenden Dienstes, obwohl die VVMA sie grundsätzlich erlauben, von 2011 bis 2016 für mindestens die Hälfte der im EWR verkauften Google-Android-Geräte faktisch ausgeschlossen war. Mit anderen Worten garantierten die VAE Exklusivität auf den betroffenen Geräten, was bei der Bewertung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen der VVMA berücksichtigt werden muss. 452 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der kombinierten Auswirkungen der VVMA und der VAE als tatsächlicher Umstand in keiner Weise davon abhängt, ob die VAE missbräuchlich sind oder nicht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um sortimentbezogene VAE handelt, die nach der von Google im Rahmen des dritten Klagegrundes beanstandeten Analyse der Kommission einen Missbrauch darstellen, oder um gerätebezogene VAE, die im angefochtenen Beschluss nicht als missbräuchlich angesehen werden. 453 Unter diesen Umständen stellt das von Google in Bezug auf einen OEM vorgebrachte Argument, dessen mobiler Internetbrowser habe im Jahr 2016 auf einer Kategorie seiner Geräte höhere Suchumsätze im EWR erzielt als die Anwendung Google Search oder Chrome, die vorstehende Analyse nicht in Frage. 454 Die Kommission ist diesem in der Klageschrift vorgebrachten Argument mit der Begründung entgegengetreten, dass sie eine solche Behauptung nicht überprüfen könne, und zwar weder in Bezug auf die genannte Kategorie der Geräte dieses OEM im Jahr 2016 noch allgemein in Bezug auf andere Jahre und andere Kategorien seiner Geräte. Als Antwort darauf hat Google die internen Daten vorgelegt, auf die sie die in der Klageschrift aufgestellten Behauptungen gestützt hatte. Diese Daten zeigen in der Tat, dass der eigene Browser dieses OEM im Jahr 2016 bei zwei Modellreihen höhere Einnahmen durch Suchanfragen generiert hatte als Google Search oder Chrome. 455 Diese Einnahmen waren auch höher als diejenigen, die Chrome 2017 auf drei Modellreihen (den beiden oben genannten und einer dritten) und 2018 auf vier Modellreihen (den drei oben genannten und einer vierten) dieses OEM generierte, aber geringer als die Einnahmen, die zu diesem Zeitpunkt durch die Anwendung Google Search auf diesen Geräten erzielt wurden. 456 Google macht geltend, dass dies ein Fall sei, in dem ein OEM durch die Vorinstallation seines eigenen Browsers auf seinen Google-Android-Geräten in der Lage gewesen sei, den Wettbewerbsvorteil, den sie durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome erlangt habe, bis zu einem gewissen Grad auszugleichen. 457 Da der in Rede stehende OEM jedoch durch eine VAE gebunden und somit verpflichtet war, Google Search auf den verschiedenen Einstiegspunkten seiner Geräte, einschließlich seines eigenen Browsers, als Standard festzulegen, muss die Auswirkung eines solchen Ausgleichs auf den Wettbewerb relativiert werden. Dies hat Google in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen bestätigt. 458 Darüber hinaus ist die Situation eines OEM, der auf seinen Geräten seinen eigenen Browser vorinstalliert, nicht mit der eines Mitbewerbers von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, der nicht über die Möglichkeit verfügt, eigene Geräte herzustellen, vergleichbar, weil dieser mit einem OEM verhandeln muss, um seine Anwendungen vorinstallieren lassen zu können. 459 Jedenfalls weist die Kommission zweitens darauf hin, dass ein konkurrierender Browser, selbst wenn er auf einem Google Android-Gerät vorinstalliert ist, nicht als Standardbrowser festgelegt werden kann (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 460 Zu dem Vorbringen von Google bezüglich der Aussage eines Vertreters von Huawei in einer E‑Mail an die Kommission im Dezember 2015, wonach ein anderer Browser als Chrome der „Standardbrowser des Systems“ sein könne, weist die Kommission darauf hin, dass dies nicht möglich gewesen sei. 461 Zum einen geht nämlich aus den VVMA hervor, dass die OEM verpflichtet waren, Chrome auf nahezu allen ihren im EWR verkauften Google-Android-Geräten vorzuinstallieren, und zum anderen aus den AFV und der Klausel 3.2.3.2 des Android Compatibility Definition Document (im Folgenden: CDD), dass „die Geräteentwickler keine besonderen Privilegien an die Verwendung von … Intent-Schemata durch Systemanwendungen knüpfen oder Anwendungen von Drittanbietern daran hindern [dürfen], sich mit diesen Schemata zu verbinden und deren Kontrolle zu übernehmen“. Daher konnte ein OEM, der Chrome vorinstalliert hatte, was die Unterzeichnung einer VVMA und einer AFV voraussetzte, einen konkurrierenden mobilen Internetbrowser nicht als Standard festlegen. 462 Die Erklärungen von Orange und einem weiteren Unternehmen (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) bestätigen, dass ein mit Chrome konkurrierender Browser, selbst wenn er vorinstalliert ist, nicht „als Standardbrowser festgelegt“ werden kann. Diese beiden Anbieter verweisen insoweit auf die von der Kommission erwähnte und oben wiedergegebene Verpflichtung, einen mit Chrome konkurrierenden Browser nicht zu bevorzugen, wenn dieser ebenfalls auf dem Google Android-Gerät vorinstalliert ist. 463 In diesem Zusammenhang ist keiner der von Google angeführten Beweise geeignet, ihre Behauptung zu stützen, dass eine solche Standardeinstellung des konkurrierenden Browsers möglich sei, wenn Chrome vorhanden sei: – Die Erklärung, dass „der Browser von Huawei … auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert [preloaded]“ sei, stellt sich heraus, wurde nicht im Namen von Huawei als Antwort auf ein Auskunftsersuchen abgegeben, sondern stellt lediglich eine „allgemeine Information“ im Rahmen einer „vorläufigen Antwort“ dar, die von einem Mitarbeiter von Huawei stammt, und ihr ist nicht zu entnehmen, was dieser Mitarbeiter mit „Standardsystembrowser“ meinte, insbesondere im Hinblick auf die Anforderung des oben genannten CDD, wonach die OEM keinen konkurrierenden Browser als Standard festlegen durften; jedenfalls installiert Huawei seit 2016 ihren eigenen mobilen Internetbrowser nicht mehr vor (vgl. Huawei ALE Android 6.0 Release Notes, 7. Juni 2016: „Für ein besseres Nutzererlebnis wird bei allen unseren für den ausländischen Markt ausgelegten Mobiltelefonen mit Android 5.0 und höher der Huawei-Browser entfernt und Google Chrome verwendet“). – Aus der Erklärung von Orange in einer E‑Mail vom 3. August 2012, wonach „Chrome mit den Browsern der Hersteller koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“, geht lediglich hervor, dass die VVMA die OEM nicht dazu verpflichten, Chrome als Standardbrowser festzulegen – was von der Kommission nicht bestritten wird –, nicht aber, dass die OEM ihren eigenen mobilen Internetbrowser als Standardbrowser festlegen können. 464 Außerdem ist die Frage, ob ein konkurrierender Browser als Standard festgelegt werden kann, irrelevant. Google bestreitet im Übrigen nicht, dass diese Frage in Anbetracht der kombinierten Wirkungen der VVMA und der AFV theoretischer Natur ist. Im vorliegenden Fall geht es darum, die verschiedenen praktischen Möglichkeiten zu untersuchen, die den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zur Verfügung stehen, um die Nutzer zu erreichen, wobei Google darauf achtet, dass die OEM in Bezug auf Browser, die mit Chrome konkurrieren, ihrer Verpflichtung aus den AFV nachkommen, Google Search mindestens die gleiche Behandlung zukommen zu lassen, die sie auch einem etwaigen anderen allgemeinen Suchdienst gewähren. 465 Drittens ändert die Tatsache, dass die OEM auf einigen ihrer Geräte ihre eigenen Browser vorinstallieren, nichts daran, dass die Zahl der Vorinstallationen jedes dieser Browser niedriger ist als die Zahl der Vorinstallationen von Google Chrome auf diesen Geräten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass einige der von Google angeführten Daten die Vorinstallation weltweit, einschließlich China, betreffen (vgl. z. B. Tabelle 19 des angefochtenen Beschlusses). Das Fehlen einer Vorinstallation von Google Chrome in China hat jedoch erhebliche Auswirkungen auf die den EWR betreffenden Daten. Die Vorinstallation von Google Chrome erfasste praktisch alle Google-Android-Geräte im EWR, während die gemeinsame Vorinstallation eines anderen Browsers im Vergleich dazu in Bezug auf die Verbreitung und die Wirksamkeit weniger bedeutend blieb. Die Ausführungen der Kommission zu diesem Punkt werden daher von Google nicht in Frage gestellt. – Zu den anderen Anwendungen 466 Was die anderen, neben Google Search und Chrome im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen und die mit ihnen konkurrierenden Anwendungen betrifft, ist der Kommission beizupflichten, dass die von Google dazu vorgebrachten Argumente irrelevant sind. Diese anderen Anwendungen und die mit ihnen konkurrierenden Anwendungen sind nämlich keine allgemeinen Suchanwendungen oder Browser und daher nicht Gegenstand der im angefochtenen Beschluss definierten Missbräuche einer beherrschenden Stellung. iii) Zum angeblichen Widerspruch zwischen den die VAE betreffenden Erwägungen und der Behauptung, es bestehe kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen 467 Als Zweites macht Google geltend, die Ausführungen zu den VAE im angefochtenen Beschluss stünden im Widerspruch zu der Behauptung, dass die OEM kein Interesse daran hätten, neben den Anwendungen von Google weitere allgemeine Such- und Browseranwendungen vorzuinstallieren. 468 Insoweit ist zunächst der Inhalt der streitigen Ausführungen wiederzugeben. 469 Einerseits hat die Kommission, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM hinsichtlich ihrer Reichweite und Wirksamkeit nicht mit den Vereinbarungen über die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten verglichen werden könnten, neben anderen Faktoren festgestellt, dass es „wenig wahrscheinlich“ sei, dass die OEM neben der obligatorischen Anwendung Google Search eine oder mehrere andere allgemeine Suchanwendungen vorinstallieren würden. Diese Schlussfolgerung ergebe sich insbesondere daraus, dass die OEM die potenziellen Einnahmen aus dieser anderen allgemeinen Suchanwendung gegen die Kosten eines solchen Vorhabens und andere Kosten im Zusammenhang mit Faktoren wie dem Nutzererlebnis und der Kundenbetreuung abwägen müssten (Erwägungsgründe 823 und 824 des angefochtenen Beschlusses). 470 Zur Erläuterung dieser Schlussfolgerung hat die Kommission angegeben, folgende Gesichtspunkte berücksichtigt zu haben: – Erstens wäre der Anteil der potenziellen Einnahmen, die die OEM erzielen könnten, wenn sie zusätzlich zur Anwendung Google Search eine oder mehrere andere Anwendungen installierten, angesichts des Marktanteils von Google von über 90 % auf den meisten nationalen Märkten für Suchdienste im EWR und der Tatsache, dass Google nach wie vor auf allen anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere auf den Internetbrowsern, als Standard festgelegt sei, gering (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Zweitens entstünden den OEM durch den Abschluss solcher Vorinstallationsvereinbarungen Transaktionskosten, die für eine geringe Zahl von Geräten kaum gerechtfertigt sein dürften (826. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Drittens müssten die OEM auch berücksichtigen, dass es, da das GMS-Paket 12 bis 30 Anwendungen umfasse, zu mehrfach vorhandenen Anwendungen kommen könne, was sich möglicherweise negativ auf das Nutzererlebnis auswirke (Erwägungsgründe 827 bis 829 des angefochtenen Beschlusses). 471 Desgleichen hat die Kommission, um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, dass die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM hinsichtlich ihrer Reichweite und Wirksamkeit nicht mit den Vereinbarungen über die Vorinstallation des Browsers Chrome auf GMS-Geräten verglichen werden könnten, neben anderen Faktoren festgestellt, dass sich die OEM aufgrund von Problemen mit dem Speicherplatz einiger Geräte dagegen „sträubten“, Anwendungen vorzuinstallieren, die bereits installierte Anwendungen duplizierten (Erwägungsgründe 932 und 933 des angefochtenen Beschlusses). 472 Andererseits verweist die Kommission in dem Teil des angefochtenen Beschlusses, der sich mit den VAE befasst, wiederholt auf das Interesse, das die OEM am Abschluss solcher Vereinbarungen hätten, und zwar aus folgenden Gründen: – „Ohne die Zahlungen aus der sortimentbezogenen Aufteilung der Einnahmen hätten die OEM … ein kommerzielles Interesse an der Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste auf zumindest einigen ihrer Google-Android-Geräte gehabt“ (1208. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). – Die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste hätte es den OEM ermöglicht, „differenzierte Produkte an[zu]bieten“ (1213. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Die „Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste neben Google Search hätte den Verkehr zu diesen Diensten erhöht“ (vgl. 1214. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses unter Verweis auf Yahoo!, Qwant, Microsoft, Yandex und Seznam). – Einige OEM hätten Vereinbarungen getroffen, um konkurrierende allgemeine Suchdienste auf Geräten vorzuinstallieren oder als Standarddienste festzulegen (1219. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Eine Vereinbarung zwischen Mozilla und einem konkurrierenden Suchdienst „zeigt, dass Mozilla der Ansicht ist, dass die OEM … ein kommerzielles Interesse daran haben, zumindest auf einigen ihrer Android-Geräte den Browser von Mozilla mit einem als Standard festgelegten konkurrierenden allgemeinen Suchdienst vorzuinstallieren“ (1220. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 473 Entgegen dem Vorbringen von Google können diese beiden Erwägungen nicht als widersprüchlich angesehen werden. Die Kommission hat nämlich zunächst geprüft, wie wahrscheinlich es ist oder welche Anreize dafür bestehen, dass die OEM mit Konkurrenten der im Rahmen der VVMA auf GMS-Geräten vorinstallierten Anwendung Google Search bzw. des Browsers Chrome Vorinstallationsvereinbarungen aushandeln. Die Kommission bestreitet jedoch nicht, dass diese OEM ein kommerzielles Interesse an der Aushandlung solcher Vereinbarungen haben können, das insbesondere in Bezug auf die VAE angeführt wird. Dieses kommerzielle Interesse muss jedoch gegen die anderen Faktoren abgewogen werden, die die Kommission in ihren Erwägungen zum ersten Bündel (geringer verbleibender Marktanteil für eine zweite allgemeine Suchanwendung, Transaktionskosten, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Duplizierung im Hinblick auf Nutzererlebnis und Speicherkapazität) und zum zweiten Bündel (Speicherplatzprobleme) anführt. 474 Daraus folgt, dass die Rüge, die im angefochtenen Beschluss dargelegten Erwägungen der Kommission zu den VAE stünden im Widerspruch zu ihren Behauptungen, dass es wenig wahrscheinlich sei, dass die OEM mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendungen vorinstallierten, und dass die OEM sich dagegen sträubten, mit Chrome konkurrierende Browseranwendungen vorzuinstallieren, zurückzuweisen ist. iv) Zum Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen 475 Als Drittes macht Google geltend, im angefochtenen Beschluss würden für die Behauptung, dass es „wenig wahrscheinlich ist, dass die OEM neben der obligatorischen Anwendung Google Search eine zusätzliche allgemeine Suchanwendung vorinstallieren“ (824. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, im Folgenden: streitige Behauptung), vier Gründe angeführt, und zwar Bedenken im Hinblick auf das Nutzererlebnis, Speicherplatzprobleme, Transaktionskosten und fehlende finanzielle Vorteile durch die Vorinstallation. Da die OEM jedoch tatsächlich konkurrierende Anwendungen auf GMS-Geräten vorinstallierten, sei keiner dieser Gründe durch Beweise untermauert worden und die streitige Behauptung daher falsch. 476 Um dieses Vorbringen zu prüfen, muss es zunächst in seinen Kontext eingeordnet werden. 477 Zum einen beruht die streitige Behauptung nämlich auf dem ebenfalls im 824. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gedanken, dass die Entscheidung über die Vorinstallation einer mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung das Ergebnis einer Abwägung des OEM zwischen den Einnahmen, die sich aus dieser zusätzlichen Anwendung ergeben könnten, einerseits und den Kosten dieses Vorhabens und seinen Auswirkungen auf das Nutzererlebnis oder die technische Unterstützung andererseits sei. Die streitige Behauptung betrifft daher in erster Linie das Interesse der OEM an der Vorinstallation einer Anwendung, die im Wettbewerb mit Google Search oder inzident mit dem Browser Chrome steht, bei dem Google Search als Standard für den allgemeinen Suchdienst festgelegt ist, und nicht an der Vorinstallation einer der anderen im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen, insbesondere nicht derjenigen, die keinen Bezug zur Bereitstellung eines allgemeinen Suchdienstes haben. 478 Für die Beurteilung, ob die streitige Behauptung stichhaltig ist, sind folglich Tatsachen in Bezug auf Anwendungen, die einen allgemeinen Suchdienst bereitstellen, relevant, nicht aber solche, die andere Arten von Anwendungen betreffen. 479 Zum anderen ist die streitige Behauptung nur die erste von fünf Erläuterungen, die die Kommission anführt, um entgegen dem Vorbringen von Google im Verwaltungsverfahren darzutun, dass „die Vorinstallationsvereinbarungen mit den OEM und den MNO in Bezug auf ihre Reichweite und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten verglichen werden können“ (823. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 480 Google lässt die folgenden Erläuterungen unwidersprochen: – Die VVMA hindere die OEM daran, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren. Den Mitbewerbern von Google sei damit die Möglichkeit genommen worden, bessere Bedingungen als die von der VVMA festgelegten zu erhalten. In der Praxis sei ein OEM, der eine solche exklusive Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung akzeptiere, nämlich nicht in der Lage, den Play Store oder die anderen Anwendungen des GMS-Pakets anzubieten (Erwägungsgründe 830 und 831 des angefochtenen Beschlusses); – Die VVMA hindere auch die MNO daran, von den OEM zu verlangen, auf Google-Android-Geräten ausschließlich eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, weil fast alle OEM eine VVMA abgeschlossen und sich somit verpflichtet hätten, die Anwendung Google Search auf GMS-Geräten vorzuinstallieren (832. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Die mit bestimmten OEM und MNO geschlossenen VAE führten dazu, dass auf [80-90 %] bis [50-60 %] der von 2011 bis 2016 im EWR verkauften Google-Android-Geräte ausschließlich die Anwendung Google Search vorinstalliert werde, wodurch den Mitbewerbern von Google die Möglichkeit genommen werde, ihre allgemeine Suchanwendung neben Google Search vorinstallieren zu lassen (833. Erwägungsgrund und Abschnitt 13.4.2.1 des angefochtenen Beschlusses). – Bing, der Hauptkonkurrent von Google Search, habe von 2011 bis 2016 auf keinem einzigen Google Android-Gerät vorinstalliert werden können, mit Ausnahme eines einzigen Gerätemodells, das 2011 in den Vereinigten Staaten auf den Markt gekommen sei (Erwägungsgründe 834 und 789 Nr. 8 des angefochtenen Beschlusses). 481 Vor diesem tatsächlichen Hintergrund, der die Reichweite und Wirksamkeit der Vorinstallation der Anwendung Google Search auf GMS-Geräten im Hinblick auf die verschiedenen Vereinbarungen berücksichtigt, die Google im Rahmen ihrer allgemeinen Strategie zur Stärkung und Wahrung ihrer Anteile am Markt für mobiles Internet im EWR geschlossen hat, sind die von Google gegen die streitige Behauptung vorgebrachten Argumente zu prüfen. Google kritisiert im Wesentlichen die verschiedenen Gründe, die die Kommission angeführt hat (siehe oben, Rn. 475), um das Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen zu bewerten, nämlich potenzielle Einnahmen, Transaktionskosten, Nutzererlebnis und Speicherplatz. – Zu den potenziellen Einnahmen 482 Im Rahmen ihrer Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass ein OEM neben Google Search eine zusätzliche allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert, hat die Kommission festgestellt, dass „der Anteil der potenziellen Einnahmen, die die OEM aus einer oder mehreren zusätzlichen allgemeinen Suchanwendungen erzielen würden, gering wäre, weil Google auf den meisten nationalen Märkten einen Marktanteil von 90 % hat und Google, wie im 796. Erwägungsgrund [des angefochtenen Beschlusses] erläutert, bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei Internetbrowsern, nach wie vor als Standard festgelegt ist“ (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 483 Google beanstandet diese Erläuterung aus folgenden Gründen: – Dem angefochtenen Beschluss zufolge könnten ebenso leistungsfähige Wettbewerber einen Anteil von 22,5 % der Suchanfragen erhalten, wenn ihre allgemeinen Suchanwendungen neben Google vorinstalliert und bei den Einstiegspunkten von Internetbrowsern als Standard festgelegt wären (1226. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses); sie könnten daher die Einnahmen aus diesen Suchanfragen mit den OEM teilen (im Folgenden: erster Kritikpunkt). – Die Behauptung, dass „Google … bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei Internetbrowsern, stets als Standard festgelegt ist“ (825. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), sei falsch, weil „die VVMA niemals verlangt habe, Google [Search] bei konkurrierenden Internetbrowsern als Standard festzulegen“. Der angefochtene Beschluss nehme hier Bezug auf Beweise, die sich auf die Standardeinstellungen auf anderen als Android-Geräten bezögen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2, in dem Browser auf iOS-Geräten oder Notebooks erwähnt würden), was ohne Belang sei. Zudem werde an anderen Stellen des angefochtenen Beschlusses auf eine Version der VVMA Bezug genommen, die jedoch keine Standardeinstellung in Internetbrowsern verlangt habe und die jedenfalls aufgehoben worden sei (185. Erwägungsgrund) (im Folgenden: zweiter Kritikpunkt). – Die Erklärungen zweier Unternehmen, auf die in anderen Teilen des angefochtenen Beschlusses verwiesen werde und denen zufolge konkurrierende Browser nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnten (935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), seien nicht belegt. Keines dieser Unternehmen sei Partei einer VVMA gewesen, und eines von ihnen habe erklärt, dass „Chrome mit den Browsern der OEM koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“. Diese Behauptungen würden auch von denjenigen OEM widerlegt, die – wie Huawei – einen konkurrierenden Browser als Standard festgelegt hätten (im Folgenden: dritter Kritikpunkt). – Die Behauptung, dass die OEM kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen hätten, weil der Großteil der mit Suchvorgängen verbundenen Nutzung auf Google entfalle, impliziere, dass diese Anwendungen weniger attraktiv seien, was darauf hinauslaufe, weniger leistungsfähige Wettbewerber zu schützen (im Folgenden: vierter Kritikpunkt). 484 Diese Kritikpunkte sind jedoch nicht geeignet, die streitige Behauptung in Frage zu stellen. 485 Wie bereits ausgeführt, bestreitet Google nämlich nicht, dass die VVMA zur Folge hatte, dass keine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf Google-Android-Geräten eine exklusive Vorinstallation erlangen konnte (Erwägungsgründe 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses). Nur eine gemeinsame Vorinstallation war auf diesen Geräten möglich. 486 Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich Google allein aufgrund der VVMA eine Vorinstallation sicherte, die faktisch exklusiv blieb, sofern sich der OEM nicht entschied, daneben eine weitere allgemeine Suchanwendung zu installieren. 487 Anders als bei der Vorinstallation, die Google aufgrund der VVMA von vornherein erlangte, musste dieser OEM oder ein Mitbewerber von Google andere Parameter berücksichtigen, um eine andere allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren oder vorinstallieren zu lassen. 488 In diesem Zusammenhang war der Anteil der potenziellen Einnahmen, der mit der Vorinstallation einer oder mehrerer zusätzlicher allgemeiner Suchanwendungen erzielt werden konnte, im Hinblick auf Reichweite und Wirksamkeit nicht mit dem Anteil vergleichbar, der sich aus der VVMA ergab, und konnte nur begrenzt sein. 489 Dies ist, wie die Kommission in den Erwägungsgründen 825 und 830 des angefochtenen Beschlusses feststellt, in erster Linie darauf zurückzuführen, dass der allgemeine Suchdienst von Google mit starken und stabilen Marktanteilen von mehr als 90 % in den meisten EWR-Ländern Branchenführer ist, und zwar seit 2008 (vgl. Erwägungsgründe 683 und 684 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem ist der hohe Bekanntheitsgrad der Marke Google zu berücksichtigen, der ihrem allgemeinen Suchdienst zugutekommt (Erwägungsgründe 712, 812 und 830 des angefochtenen Beschlusses). Keine dieser Behauptungen wird von Google beanstandet. 490 Google kritisiert vielmehr die am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses aufgestellte Behauptung, dass Google selbst dann, wenn eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert wäre, „bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Internetbrowsern, nach wie vor als Standard festgelegt wäre“. Mit ihrem zweiten Kritikpunkt macht Google nämlich geltend, dass diese Behauptung falsch sei, und zwar erstens, weil „die VVMA niemals verlangt habe, Google [Search] bei konkurrierenden Internetbrowsern als Standard festzulegen“, und zweitens, weil sich diese Behauptung auf Beweise stütze, die die Standardeinstellung auf anderen als Android-Geräten beträfen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses, der sich auf iOS-Geräte, PCs mit Chrome und PCs mit Safari, Opera oder Firefox bezieht). 491 Zu den ersten beiden Argumenten, die dem zweiten Kritikpunkt zugrunde liegen, ist zunächst festzustellen, dass im angefochtenen Beschluss nicht behauptet wird, die standardmäßige Voreinstellung des allgemeinen Suchdienstes Google Search bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten sei auf die VVMA zurückzuführen. In ihrem Zusammenhang betrachtet legt die am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses aufgestellte Behauptung vielmehr nahe, dass Google, wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung geltend macht, mehrere ihr zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt hat, um die OEM dazu zu bringen, Google Search bei anderen Einstiegspunkten als demjenigen, der sich aus der Nutzung dieser vorinstallierten Anwendung ergibt, als allgemeinen Standardsuchdienst festzulegen. 492 Es trifft zwar zu, dass, wie Google vorträgt, einige der Beweise, die im angefochtenen Beschluss angeführt werden, um die Bedeutung der Nutzung von Google Search für allgemeine Suchvorgänge zu belegen, nicht GMS-Geräte betreffen, sondern iOS-Geräte, mit Chrome ausgestattete PCs oder mit den Internetbrowsern Safari, Opera oder Firefox ausgestattete PCs, die alle standardmäßig auf Google Search voreingestellt sind (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses); ebenso steht aber auch bei GMS-Geräten fest, dass selbst im Fall der Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung Google Search bei anderen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Browsern, als Standard festgelegt bleibt. 493 Wie sich aus den Erwägungsgründen 818 und 973 des angefochtenen Beschlusses ergibt, lässt Google es nämlich nicht zu, unter Chrome als Standard einen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search festzulegen. Diese Standardeinstellung darf von einem OEM nicht geändert werden. 494 Desgleichen geht aus den Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen hervor, dass bei den meisten Browsern, die neben Chrome vorinstalliert oder sogar heruntergeladen wurden, Google Search als allgemeiner Standardsuchdienst festgelegt war. Dies gilt für Samsung, Mozilla und den UC Browser sowie innerhalb des EWR für Opera. Diese Standardeinstellung war die Folge einer VAE oder einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Google und dem betreffenden Unternehmen und führte somit dazu, den finanziellen Anreiz für einen OEM, eine mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, zu relativieren. 495 Die verschiedenen Mittel, die Google im Rahmen ihrer Gesamtstrategie zur Stärkung und Wahrung ihrer Stellung auf den Märkten für die allgemeine Suche, insbesondere für die Suche über internetfähige Mobilgeräte, eingesetzt hat, haben es ihr somit ermöglicht, mit dem allgemeinen Suchdienst Google Search auf fast allen nationalen Märkten im EWR im Jahr 2016 einen Marktanteil zu erreichen, der dem Zwei- bis Fünffachen des kumulierten Marktanteils aller anderen allgemeinen Suchdienste entsprach (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). 496 In Anbetracht dieser tatsächlichen Feststellungen erweist sich die Behauptung am Ende des 825. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses, dass selbst dann, wenn eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung auf GMS-Geräten vorinstalliert wäre, „Google bei den anderen wichtigen Einstiegspunkten, insbesondere bei den Browsern, nach wie vor als Standard festgelegt wäre“, nicht als falsch. 497 Was das dritte Argument des zweiten Kritikpunkts angeht, ist die Bedeutung der im angefochtenen Beschluss enthaltenen Verweise auf die von Google angeführten Voreinstellungsbedingungen der VVMA, die falsch ausgelegt worden und ohnehin aufgehoben seien, jedenfalls insoweit zu relativieren, als diese Verweise keinen Einfluss auf die vorstehenden Erwägungen haben. Unter diesen Umständen geht ihre Beanstandung durch Google ins Leere. 498 Es trifft zwar zu, dass die Kommission in anderen Teilen des angefochtenen Beschlusses als im 825. Erwägungsgrund darauf hingewiesen hat, dass bestimmte Fassungen der VVMA so formuliert gewesen seien, dass sie den Anschein erweckten, von den OEM zu verlangen, den allgemeinen Suchdienst Google Search bei allen Einstiegspunkten für Suchvorgänge auf GMS-Geräten als Standard festzulegen (vgl. 185. Erwägungsgrund, in dem auch ausgeführt wird, dass Google diese Verpflichtung ab Oktober 2014 aufgegeben habe). 499 Es ist jedoch festzustellen, dass aus den von Google im Verwaltungsverfahren angeführten Gründen nicht mehr bestritten wird, dass diese Vertragsbestimmungen die OEM nicht dazu verpflichteten, Google Search als Standard für alle Suchanfragen festzulegen, die über einen auf einem Google Android-Gerät vorinstallierten Browser gestellt werden. Nach den Angaben von Google, denen die Kommission nicht widersprochen hat, sollte die in Rede stehende Klausel der Lösung von Konflikten dienen, die hätten auftreten können, wenn eine allgemeine Suchanfrage, die von einer beliebigen Anwendung aus gestellt wird, von mehr als einer allgemeinen Suchanwendung verarbeitet wird. 500 Auch wenn die Kommission zu Recht darauf hinweist, dass aus den Akten hervorgeht, dass zu Beginn des Zuwiderhandlungszeitraums eine gewisse Unklarheit über die wirkliche Tragweite dieser Vertragsbestimmungen bestanden haben mag (vgl. – im Rahmen der Analyse der sortimentbezogenen VAE – zum einen die Erwägungsgründe 1228 bis 1238 und zum anderen den 1230. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), vermögen die Erläuterungen, die Google zu diesen Bestimmungen vorgebracht hat, zu überzeugen und den Grund für ihre Existenz zu erklären. In diesem Punkt muss der Zweifel dem beschuldigten Unternehmen zugutekommen. 501 Was den ersten Kritikpunkt anbelangt, stellt der – im Rahmen der Prüfung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE, die Gegenstand des dritten Klagegrundes ist, vorgebrachte – Hinweis, dass ein oder mehrere hypothetische Wettbewerber, die ebenso leistungsfähig wie Google seien, einen Anteil von 22,5 % der allgemeinen Suchanfragen hätten erzielen können, „wenn ihre allgemeinen Suchanwendungen neben den Anwendungen von Google vorinstalliert und auch bei den Einstiegspunkten von Internetbrowsern als Standard festgelegt wären“, die von Google kritisierten Erwägungen der Kommission nicht in Frage. Selbst wenn eine solche Hypothese herangezogen werden könnte, um „den Anteil an den potenziellen Einnahmen“ zu bewerten, „den die OEM mit der Vorinstallation einer oder mehrerer zusätzlicher allgemeiner Suchanwendungen erzielen könnten“, würde dies nichts daran ändern, dass die in Rede stehenden Einnahmen nur schwer mit denen zu vergleichen wären, die Google aufgrund der in den VVMA festgelegten Vorinstallationsbedingungen erzielt. 502 Darüber hinaus würde der OEM von dem Mitbewerber von Google im Regelfall eine Vergütung für die Zustimmung zur gemeinsamen Vorinstallation einer oder mehrerer anderer allgemeiner Suchanwendungen neben den gemäß der VVMA vorinstallierten Anwendungen verlangen. Schon aufgrund des bloßen Vorhandenseins der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome – und selbst wenn man mögliche Zahlungen zur Erlangung der Exklusivität im Rahmen von sortimentbezogenen VAE außer Acht ließe – wäre das, was ein Mitbewerber von Google in dieser Hinsicht anbieten könnte, angesichts der Einnahmen, die er infolge dieser gemeinsamen Vorinstallation erwarten könnte, nicht attraktiv. 503 Was den dritten Kritikpunkt betrifft, weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass ein OEM, selbst wenn er auf GMS-Geräten auch einen mit Chrome konkurrierenden Browser vorinstallieren würde, diesen nicht als Standardbrowser festlegen könnte. 504 Wie aus den Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen hervorgeht, bestreitet Google nämlich nicht, dass gemäß den AFV und dem CDD, wenn mehr als ein Browser auf einem Android-Gerät vorinstalliert war, keiner dieser Browser als Standard festgelegt werden konnte. 505 Da der OEM im Fall von Google-Android-Geräten nach der VVMA verpflichtet war, Chrome vorzuinstallieren, um das GMS-Paket zu erhalten, wird im 935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht ausgeführt, dass angesichts der kombinierten Wirkungen dieser Vereinbarung mit den vorgenannten Bestimmungen „ein konkurrierender Browser, selbst wenn er ebenfalls vorinstalliert wäre, nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnte“. 506 Wie bereits oben in den Rn. 462 und 463 entschieden wurde, können die Erklärungen bestimmter Unternehmen entgegen dem Vorbringen von Google nicht mit Erfolg herangezogen werden, um die beanstandete Beurteilung in Frage zu stellen. 507 So wird in einer E‑Mail von Google vom 27. März 2013 an einen führenden OEM darauf hingewiesen, dass dieser den Nutzern in einem solchen Fall die Wahl zwischen dem von ihm vorinstallierten Browser und Google Chrome ermöglichen müsse. 508 Daher weist die Erklärung von Orange in einer E‑Mail vom 3. August 2012, dass „Chrome mit den Browsern der Hersteller koexistieren kann und von Google nicht als Standardbrowser vorgeschrieben ist“, lediglich darauf hin, dass die VVMA die OEM nicht dazu verpflichtete, Chrome als Standardbrowser festzulegen, und dass dieser Browser daher mit anderen Browsern koexistieren konnte (siehe oben, Rn. 463). 509 Die Erklärungen eines anderen Unternehmens aus dem Jahr 2013 (935. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses) sind ebenfalls vor dem Hintergrund zu sehen, dass die OEM und in der Folge die MNO einen konkurrierenden Browser, wie die Kommission geltend macht, nicht als Standard festlegen konnten. Die Kommission konnte diese Erklärungen sehr wohl für ihre im 935. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung heranziehen, dass „ein konkurrierender Browser, selbst wenn er ebenfalls vorinstalliert wäre, nicht als Standardbrowser festgelegt werden könnte“ (siehe oben, Rn. 462). 510 Die Erklärung von Huawei aus dem Jahr 2015, die als vorläufige Antwort von einem ihrer Mitarbeiter abgegeben wurde und wonach der „Browser von Huawei … auf allen Huawei-Smartphones auf dem EWR-Markt als Standardsystembrowser vorinstalliert ist“, bleibt inhaltlich unklar (siehe oben, Rn. 463). Wie die Kommission geltend macht, lässt sich dieser Antwort nur schwer entnehmen, was ihr Verfasser unter einem „Standardsystembrowser“ verstand, wenn man die Vorgaben des CDD berücksichtigt, das es den OEM untersagte, einen konkurrierenden Browser als Standard festzulegen. Der Browser von Huawei konnte somit grundsätzlich nicht als Standardbrowser festgelegt werden, wenn er auf einem Gerät vorinstalliert war, auf dem auch Chrome vorinstalliert war, zumindest nicht in dem vom DDC definierten Sinne. Daher ist es wahrscheinlich, wie auch die Kommission geltend macht, dass sich der Ausdruck „Standardsystembrowser“ schlicht auf die Tatsache bezieht, dass der Browser von Huawei „preloaded“, d. h. auf den Google-Android-Geräten vorinstalliert, war. 511 Ebenso wenig kann dem Inhalt des Schreibens, das Opera der Kommission am 31. Mai 2017 auf eigene Initiative übermittelt hat und in dem es heißt, dass „einige Android-OEM sich bereit erklärt haben, Opera vorzuinstallieren, als Standardbrowser auf ihren Geräten festzulegen und auf dem Startbildschirm standardmäßig an bevorzugter Stelle anzuzeigen“, ein entscheidender Wert beigemessen werden. Dieses Schreiben steht nämlich im Widerspruch zu dem, was Opera zuvor in ihrer Antwort auf das Auskunftsersuchen vom 19. Oktober 2015 dargelegt hatte, in der es hieß, „dass die Verfügbarkeit des Browsers Chrome als Standard-Browseranwendung, die auf Android-Telefonen vorinstalliert und auf ihrem Startbildschirm verfügbar ist, die Fähigkeit von Opera einschränkt, in den Wettbewerb um die Standardposition auf allen Android-Geräten einzutreten“ (925. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses). 512 In diesem Zusammenhang weist Opera, um die Entwicklung ihres Standpunkts zu erläutern, in ihrer Streithilfeschrift darauf hin, dass sie zwar 2015 noch davon ausgegangen sei, dass „die VVMA von den OEM nicht nur die Vorinstallation von Chrome, sondern auch dessen Festlegung als Standardbrowser und seine bevorzugte Platzierung auf dem Startbildschirm von Android-Geräten verlangten“, aber 2017 erfahren habe, dass „ihre Auslegung offenbar nicht mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA übereinstimmte[;] die VVMA verlangten lediglich, Chrome in einem Ordner vorzuinstallieren“. Eine solche Erläuterung ist in der Tat nachvollziehbar, weil die Vorinstallationsbedingungen der VVMA nicht verlangten, im Fall einer gemeinsamen Vorinstallation einen Browser zum Nachteil eines anderen als Standard festzulegen (siehe oben, Rn. 491). 513 Wie die Kommission jedoch zu Recht feststellt, kam die Festlegung eines konkurrierenden Browsers als Standardbrowser im Fall seiner gemeinsamen Vorinstallation mit Chrome aufgrund der kombinierten Wirkungen der VVMA und des CDD nicht in Betracht. Ein vorinstallierter konkurrierender Browser konnte nur durch einen späteren Eingriff des Nutzers als Standard festgelegt werden. Außerdem beruft sich Opera in ihrer Streithilfeschrift nicht mehr auf die Vorinstallation ihres Browsers mit der Festlegung „als Standardbrowser“ und auf seine Platzierung auf dem Startbildschirm, sondern nur noch auf die Vorinstallation ihres Browsers mit einer Platzierung auf dem Startbildschirm. 514 Was den vierten Kritikpunkt betrifft, kann der Behauptung von Google, die beanstandete Beurteilung impliziere, dass konkurrierende Suchanwendungen für die Nutzer weniger attraktiv seien oder von weniger leistungsfähigen Wettbewerbern stammten, nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 294), werden im angefochtenen Beschluss nämlich die Gründe dargelegt, aus denen eine solche Annahme im vorliegenden Fall angesichts des Nutzens, den die verschiedenen von den Mitbewerbern von Google angebotenen technischen Lösungen für die Nutzer oder die Innovation darstellten, nicht in Betracht kommt. 515 Im Ergebnis folgt aus dem Vorstehenden, dass die Beurteilung der Kommission, wonach die OEM durch die Vorinstallation eines oder mehrerer konkurrierender allgemeiner Suchdienste parallel zur Anwendung Google Search nur begrenzte Einnahmen hätten erzielen können, nicht zu beanstanden ist. – Zu den Transaktionskosten 516 Als Zweites kritisiert Google die Behauptung, dass die Transaktionskosten die OEM davon abhalten würden, Vorinstallationsvereinbarungen mit anderen allgemeinen Suchdiensten auszuhandeln, weil „diese Kosten für eine geringe Zahl von Geräten kaum gerechtfertigt sein dürften“ (826. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Es gebe nämlich keine Beweise, die diese Transaktionskosten belegten oder quantifizierten oder dartun könnten, warum sie nur auf eine geringe Zahl von Geräten entfallen würden. Der einzige in diesem Zusammenhang angeführte Beweis, nämlich eine interne E‑Mail von Google aus dem Jahr 2012 über Gespräche mit einem OEM über die Aufteilung der durch den Play Store auf Fernseh- und Mobilgeräten erzielten Einnahmen (vgl. 1222. Erwägungsgrund Nr. 2 des angefochtenen Beschlusses), sei unzureichend. 517 Nach Auffassung der Kommission enthält der angefochtene Beschluss „keine allgemeine Schlussfolgerung, dass Transaktionskosten Vorinstallationsvereinbarungen verhindern“, sondern lediglich die Feststellung, dass es aufgrund der Transaktionskosten unwahrscheinlich gewesen sei, dass die OEM eine große Zahl von Vereinbarungen über geringe Stückzahlen abschließen würden, seien es Vorinstallationsvereinbarungen oder Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen. Außerdem zeige diese interne E‑Mail aus dem Jahr 2012, dass Google die Existenz solcher Transaktionskosten in Bezug auf das eigene Unternehmen anerkenne. 518 Daraus ergibt sich, dass die Hauptparteien darin übereinstimmen, dass die Aussage zu den Transaktionskosten nicht dahingehend verstanden werden kann, dass sie Vorinstallationsvereinbarungen verhindere. Es geht vielmehr um die Frage, ob diese Kosten den Abschluss von Vorinstallationsvereinbarungen für eine geringe Zahl von Geräten unwahrscheinlich machen. 519 Der einzige Beweis, der im angefochtenen Beschluss zu diesem Punkt angeführt wird, nämlich die im 826. Erwägungsgrund erwähnte und im 1222. Erwägungsgrund Nr. 2 wiedergegebene interne E‑Mail von Google aus dem Jahr 2012, kann nicht als ausreichender Beleg dafür angesehen werden, dass der Aushandlung von Vorinstallationsvereinbarungen ein Hindernis entgegensteht. 520 Es handelt sich nämlich um ein einzelnes, in Bezug auf den Zeitraum der Zuwiderhandlung relativ altes und nicht unmittelbar relevantes Dokument, weil es sich auf eine laufende Verhandlung zwischen Google und einem OEM über die Aufteilung der Einnahmen aus dem Play Store auf Fernseh- und Mobilgeräten bezog. Die Hinweise darauf, dass diese Vereinbarung ein Volumen betroffen habe, das angesichts der eingesetzten Ressourcen und der von Google zu leistenden Zahlungen als „nicht signifikant“ bezeichnet worden sei, sind sowohl zu allgemein gehalten, weil sie keine Zahlenangaben enthalten, als auch zu eng mit der besonderen Situation von Google verknüpft, als dass sie allgemein auf die Situation ihrer Mitbewerber übertragen werden könnten. 521 Wie Google geltend macht, geht somit aus den Akten nicht hervor, dass die im angefochtenen Beschluss erwähnten Transaktionskosten die Aushandlung von Vorinstallationsvereinbarungen zwischen den OEM und den Anbietern mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste behindert hätten. Aber selbst dann, wenn diese Kosten kein Hindernis für die Aushandlung solcher Vereinbarungen darstellten, handelte es sich gleichwohl um einen wirtschaftlichen Faktor, den die OEM bei der Beurteilung des Nutzens solcher Vereinbarungen berücksichtigen. 522 Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen im angefochtenen Beschluss genannten Gesichtspunkte und Bewertungen in Bezug auf die Transaktionskosten zu berücksichtigen. – Zum Nutzererlebnis 523 Als Drittes kritisiert Google die Behauptung, dass „die Duplizierung zu vieler Anwendungen das Nutzererlebnis beeinträchtigen kann“, weil die Nutzer dann z. B. „wiederholt aufgefordert werden, die zu verwendende Anwendung auszuwählen oder als Standardanwendung festzulegen“ (Erwägungsgründe 827 und 828 des angefochtenen Beschlusses). Der angefochtene Beschluss belege nämlich nicht, dass die Wahl einer allgemeinen Suchanwendung oder eines Browsers das Nutzererlebnis derart beeinträchtige, dass die OEM nicht bereit wären, konkurrierende Dienste vorzuinstallieren. Der angefochtene Beschluss belege auch nicht, dass die Nutzer „wiederholt aufgefordert“ würden, zu wählen, welche allgemeine Suchanwendung oder welchen Browser sie verwenden oder als Standard festlegen wollten. Außerdem führe die Vorinstallation einer konkurrierenden allgemeinen Suchanwendung und eines konkurrierenden Browsers nicht zur Anhäufung „zu vieler Anwendungen“, sondern dupliziere lediglich Google Search und Chrome. Es handele sich nicht um „Bloatware“, wobei dieser Begriff Anwendungen bezeichne, die keinen oder nur geringen Nutzen böten. 524 Die Kommission weist ihrerseits darauf hin, dass die OEM gemäß der VVMA ein Bündel von 12 bis 30 Anwendungen und nicht nur die Anwendung Google Search und den Browser Chrome vorinstallieren müssten. In diesem Zusammenhang wirke sich die Duplizierung zu vieler Anwendungen von Google negativ auf das Nutzererlebnis aus. Diese Feststellung gelte für die verschiedenen im GMS-Paket enthaltenen Anwendungen und nicht speziell für die allgemeinen Such- und Browseranwendungen, die mit der Anwendung Google Search oder mit Chrome konkurrierten. 525 Daraus folgt, dass die Hauptparteien darin übereinstimmen, dass die Kritik an der Duplizierung von Anwendungen streng genommen nicht die Anwendungen Google Search und Chrome oder die konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen und Browser betrifft, sondern eher andere Anwendungen, die im GMS-Paket enthalten sind. 526 Die in diesem Zusammenhang in den Erwägungsgründen 827 und 828 des angefochtenen Beschlusses angeführten Beweise, nämlich eine interne E‑Mail von Google vom 10. Januar 2012, eine interne E‑Mail von Google vom 17. Januar 2014 über den Stand der Gespräche zwischen Google und einem OEM und eine E‑Mail von Google an diesen OEM vom 18. April 2014, bestätigen, dass dies tatsächlich der Fall ist. 527 Was darüber hinaus speziell den Nachteil betrifft, den es für einen Nutzer bedeuten könnte, wenn er wiederholt aufgefordert würde, auszuwählen, welche Anwendung er für die allgemeine Suche oder welchen Browser er verwenden oder als Standard festlegen möchte, ist festzustellen, dass Google unwidersprochen geltend macht, dass eine solche Aufforderung nur dann erfolge, wenn eine Anwendung eine allgemeine Suche oder eine Browser-Aktion auslösen wolle und in dieser Anwendung nicht festgelegt sei, welcher allgemeine Suchdienst oder Browser verwendet werden solle, und dass der Nutzer dann generell die Option „immer“ auswählen könne, um die von ihm bevorzugte Anwendung zu verwenden, was dazu führe, dass diese Aufforderung nicht mehr angezeigt werde. Google weist auch unwidersprochen darauf hin, dass die Nutzer die Anwendung Google Search und den Browser Chrome jedenfalls leicht deaktivieren könnten, so dass sie nicht mehr sichtbar wären und nicht mehr funktionierten. 528 Wie Google geltend macht, geht daher aus den Akten nicht hervor, dass die Installation von zwei oder mehr allgemeinen Suchanwendungen und Browsern das Nutzererlebnis beeinträchtigt. – Zum Speicherplatz 529 Als Viertes kritisiert Google die Behauptung, dass „die Duplizierung zu vieler obligatorischer Anwendungen von Google Probleme mit dem Speicherplatz einiger Geräte verursachen kann“ (Erwägungsgründe 829 und 933 des angefochtenen Beschlusses), weil außer Zweifel stehe, dass die Vorinstallation mehrerer allgemeiner Suchanwendungen und Browser den Speicherplatz eines modernen Mobilgeräts nicht vollständig belegen könne. Die Speicherkapazität von Mobilgeräten habe sich nämlich exponentiell vergrößert. Beispielsweise würden das Samsung Galaxy S9 mit 64 GB internem Speicher ausgeliefert, das S9+ mit bis zu 256 GB Speicher, und das HTC Desire verfüge über einen internen Flash-Speicher von 512 MB, während eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung wie Bing 2,9 MB im Jahr 2012 und 14 MB im Jahr 2016 belegt habe. Darüber hinaus hätten nach Angaben der International Data Corporation (IDC) im Jahr 2012 die meisten ausgelieferten Android-Smartphones über 4 GB Speicherkapazität oder mehr und im ersten Halbjahr 2017 74 % der Geräte über 16 GB Speicherkapazität oder mehr verfügt. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen könnten den objektiven Nachweis des verfügbaren Speicherplatzes nicht entkräften. 530 Nach Ansicht der Kommission wird im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt, dass Probleme mit dem Speicherplatz der Geräte die OEM generell davon abhielten, neben der Anwendung Google Search oder dem Browser Chrome eine konkurrierende Anwendung vorzuinstallieren. Im angefochtenen Beschluss werde lediglich festgestellt, dass die OEM die Folgen der Duplizierung einer bestimmten vorinstallierten Anwendung von Google für das Nutzererlebnis bedenken müssten, weil sie aufgrund der VVMA ein Bündel von 12 bis 30 Anwendungen von Google hätten vorinstallieren müssen und die Duplizierung zu vieler Anwendungen von Google Probleme mit dem Speicherplatz bestimmter Geräte verursachen könne (Erwägungsgründe 827 bis 829 und 926 des angefochtenen Beschlusses). 531 Ebenso wie im Hinblick auf die zuvor genannte, das Nutzererlebnis betreffende Rüge stimmen die Hauptparteien darin überein, dass die Bedenken gegen die Duplizierung von Anwendungen streng genommen nicht Google Search und Chrome oder die konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen und Browser betreffen, sondern eher andere im GMS-Paket enthaltene Anwendungen. 532 Was die allgemeinen Suchanwendungen angeht, bereitet die Duplikation dieser Art von Anwendungen angesichts der technologischen Entwicklungen in Bezug auf den Speicher intelligenter Mobilgeräte und der von Google angegebenen Beispiele offenbar keine wirklichen Probleme. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die in diesem Zusammenhang im 829. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses angeführte Erklärung von Hutchison 3G auf die Duplikation von Anwendungen im Allgemeinen und nicht auf die von allgemeinen Suchanwendungen bezieht. Wie Google geltend macht, geht daher aus den Akten nicht hervor, dass die Installation von zwei oder mehr allgemeinen Suchanwendungen Speicherprobleme verursacht. 533 In Bezug auf Browser ist jedoch festzustellen, dass sich die im 934. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebenen Erklärungen zweier OEM in einem Fall auf Anforderungen von MNO im August 2012 und im anderen Fall auf die Entscheidung beziehen, wegen der durch die VVMA vorgeschriebenen Vorinstallation von Chrome den eigenen Browser ab 2012 nicht mehr vorzuinstallieren. Daher kann davon ausgegangen werden, dass diese Erklärungen zu einer Zeit abgegeben wurden, als der verfügbare Speicherplatz intelligenter Mobilgeräte noch relativ begrenzt war, was später nicht mehr der Fall gewesen sein dürfte, wie Google anhand von Beispielen moderner Geräte aufzeigt. 534 Auch wenn nicht erwiesen ist, dass die Vorinstallation mehrerer allgemeiner Suchanwendungen Speicherplatzprobleme verursacht, hat sich somit gleichwohl herausgestellt, dass einige OEM zumindest in den ersten Jahren der Zuwiderhandlung wegen der Installation von Chrome auf die Installation konkurrierender Browser verzichtet hatten. Aus den Akten geht ferner hervor, dass einer der im 934. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannten OEM zumindest ab 2016 in der Lage war, auf seinen Google-Android-Geräten neben Chrome auch seinen eigenen Browser zu installieren. Die durch den Speicherplatz bedingte Einschränkung scheint somit rasch entfallen zu sein. 535 In Fortführung dieser Analyse und unter Berücksichtigung der ständigen Zunahme der Speicherkapazität mobiler Geräte ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Anwendungen Google Search und Chrome Teil eines Bündels waren, was zu einer entsprechenden Vergrößerung des belegten Speicherplatzes führte. 536 Vor diesem Hintergrund sind die verschiedenen im angefochtenen Beschluss angeführten Gesichtspunkte und Bewertungen in Bezug auf den Speicherplatz zu berücksichtigen. – Ergebnis 537 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission ungeachtet der Tatsache, dass einige der Rügen, die die Klägerinnen gegen bestimmte Teile der Begründung des angefochtenen Beschlusses vorgebracht haben, deren Tragweite abschwächen oder nuancieren können, durchaus davon ausgehen durfte, dass es den Anbietern konkurrierender allgemeiner Suchdienste zwar weiterhin freistand, den OEM und den MNO die gleiche Vorinstallation anzubieten, die sie der Anwendung Google Search und dem Browser Chrome auf den im EWR verkauften Google-Android-Geräten gewährten, dass es dazu aber während des überwiegenden Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung nicht gekommen war und das Unterbleiben solcher Vorinstallationen zumindest teilweise durch die kombinierten Auswirkungen der VVMA, der VAE und der AFV zu erklären ist. 538 Insoweit ist der Unterschied zwischen der Situation von Seznam, der es trotz ihrer Bemühungen nicht gelang, Vereinbarungen über die Vorinstallation auf Google-Android-Geräten zu schließen, und der Situation von Opera, die für diese Geräte solche Vereinbarungen erzielen konnte, insofern bemerkenswert, als dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, dass Seznam mit dem allgemeinen Suchdienst Google Search konkurrieren wollte, während Opera diesen Dienst nutzen wollte, indem sie ihn in ihrem Browser als Standard festlegte. c) Andere Mittel zur Erreichung der Nutzer als die Vorinstallation 1) Vorbringen der Parteien 539 Google macht geltend, dass es ihren Mitbewerbern nicht nur freigestanden habe, dafür zu sorgen, dass ihre allgemeinen Suchdienste von den OEM vorinstalliert, als Standard festgelegt und im Vergleich zu vorinstallierten Anwendungen von Google in gleicher Weise oder besser platziert würden, sondern dass sie im Fall allgemeiner Suchdienste auch über das Herunterladen und den Browser ungehinderten Zugang zu den Nutzern hätten. Dies stehe der Schlussfolgerung entgegen, dass die Vorinstallationsbedingungen geeignet seien, die Nutzer zu verdrängen. Das Verhalten der Nutzer zeige vielmehr, dass diese in großem Umfang Anwendungen herunterlüden, einschließlich solcher Anwendungen, die mit einer auf einem Gerät vorinstallierten Alternative konkurrierten. Dieses Downloadverhalten widerspreche der im angefochtenen Beschluss aufgestellten Behauptung, dass die Vorinstallation eine „Status-quo-Präferenz“ erzeuge, der die Nutzer davon abhalte, nach konkurrierenden Diensten zu suchen. 540 Was als Erstes das Herunterladen von Anwendungen durch die Nutzer betrifft, weist Google darauf hin, dass Downloads ein wirksames Mittel seien, um die Nutzer zu erreichen, und zwar auch dann, wenn konkurrierende Anwendungen vorinstalliert seien. Die für die Anwendung Google Search und für Seznam, Naver und Yandex vorgelegten Beweise bestätigten, dass die Nutzer konkurrierende allgemeine Suchdienste herunterlüden, wenn diese attraktiv seien. Auch die Browser erreichten hohe Downloadraten. Demgegenüber reichten die Beweise, auf die sich der angefochtene Beschluss stütze, nicht aus, um zu belegen, dass das Herunterladen keine Wirkung entfalte. Die wiedergegebenen Antworten auf die angeführten Auskunftsersuchen spiegelten den Grundtenor der eingegangenen Antworten nicht wider. 541 Daher ließen sich die im angefochtenen Beschluss festgestellten niedrigen Downloadraten konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen (Erwägungsgründe 808 bis 810) weder auf eine allgemeine Abneigung der Nutzer gegen das Herunterladen von Anwendungen, für die ein konkurrierender Dienst vorinstalliert sei, noch auf eine mangelnde Wirksamkeit des Herunterladens zurückführen. Angesichts der hohen Downloadraten für andere Arten konkurrierender Anwendungen sei es plausibler, diese niedrigen Downloadraten als das Ergebnis von Faktoren anzusehen, die nichts mit der VVMA zu tun hätten, wie etwa der Vorliebe der Nutzer für Google Search, deren Qualität und Leistung oder des Umstands, dass die Nutzer ihre Suchvorgänge über den Browser durchführten. 542 Als Zweites weist Google darauf hin, dass die Nutzer auf die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste einfach und schnell über den Browser zugreifen könnten, ohne Anwendungen herunterladen zu müssen. Einige Browser, wie z. B. Chrome, schlügen bereits konkurrierende allgemeine Suchdienste vor, indem sie den Nutzern Listen in Form von Dropdown-Menüs mit verschiedenen allgemeinen Suchdiensten zur Verfügung stellten, von denen sie einen als Standarddienst auswählen könnten. Im angefochtenen Beschluss werde festgestellt, dass die meisten Suchanfragen bei Google Search über den Browser und nicht über die Anwendung Google Search erfolgten (1234. Erwägungsgrund Nr. 3 Buchst. b). Der hohe Anteil von Chrome an der Nutzung von Browsern und dessen Festlegung von Google Search als Standardsuchdienst (Erwägungsgründe 818 und 821 des angefochtenen Beschlusses) seien nicht relevant. Entscheidend sei vielmehr, dass die Nutzer über Chrome in gleicher Weise auf die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste zugreifen könnten wie mit jedem anderen mobilen Browser und davon auch Gebrauch machten. Die Nutzer hätten daher über den Browser ungehindert Zugang zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten, und ein großer Teil der Suchanfragen werde auf diese Weise durchgeführt. 543 Darüber hinaus beanstandet Google im Rahmen dieses Vorbringens, dass im angefochtenen Beschluss „Wettbewerbsvorteil“ mit „wettbewerbswidriger Verdrängung“ verwechselt werde. Letztere sei aus Ersterem abgeleitet worden. Damit ein Verhalten als missbräuchlich angesehen werden könne, müsse die Kommission jedoch nachweisen, dass die Verdrängungswirkung „den Wettbewerbern des Unternehmens in beherrschender Stellung den Zugang zum Markt erschwere oder unmöglich mache“. Ein Wettbewerbsnachteil sei nicht gleichbedeutend mit einer wettbewerbswidrigen Verdrängungspraxis. Im vorliegenden Fall zeige der angefochtene Beschluss – selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Google einen „signifikanten Wettbewerbsvorteil“ verschafften, was nicht der Fall sei, – nicht auf, dass die Mitbewerber nicht in der Lage gewesen seien, diesen Vorteil auszugleichen, oder dass diese Bedingungen ihnen den Zugang zum Markt erschwert oder unmöglich gemacht hätten. Im angefochtenen Beschluss werde nicht versucht, den behaupteten Wettbewerbsvorteil rechtlich zu qualifizieren, und der Umfang der Markterfassung durch das Verhalten werde nicht untersucht, obwohl die weitaus meisten allgemeinen Suchanfragen im EWR – in den Jahren 2013 bis 2015 zwischen [80-90] % und [70-80] % – nicht von Google-Android-Geräten ausgegangen seien (796. Erwägungsgrund). Die VVMA beschränke sich auf GMS-Geräte, die nur einen Bruchteil derjenigen Geräte ausmachten, mit denen die Nutzer auf Browser und allgemeine Suchdienste zugriffen, weil die Nutzer insbesondere Apple-Mobilgeräte oder Windows-Desktops verwendeten. Außerdem stehe es den Entwicklern konkurrierender Browser und allgemeiner Suchdienste frei, Vorinstallationsvereinbarungen für GMS-Geräte auszuhandeln und sich auf diesen Geräten die gleiche oder eine bessere Werbung für ihre Dienste zu sichern. Der einfache Zugang zu den Mitbewerbern durch das Herunterladen und über den Browser bedeute, dass die Mitbewerber zusätzliche Möglichkeiten hätten, die Nutzer über diese Geräte zu erreichen. Für die Behauptung einer Marktverdrängung fehle daher jede Grundlage. 544 Die Kommission macht geltend, dass keine der Behauptungen von Google die Schlussfolgerung in Frage stelle, wonach die Mitbewerber nicht in der Lage seien, den erheblichen Wettbewerbsvorteil auszugleichen, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschaffe. Das Herunterladen konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen und Browser oder die Festlegung eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes als Standard in Browsern auf Google-Android-Geräten seien nämlich in Bezug auf Präsenz und Wirksamkeit nicht vergleichbar (vgl. Erwägungsgründe 805 bis 812 und 917 bis 931 des angefochtenen Beschlusses). Darüber hinaus berücksichtige der angefochtene Beschluss bei der Feststellung der Wettbewerbsbeschränkung nicht nur den erheblichen Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Vorinstallation ergebe, sondern auch die Tatsache, dass dieser Vorteil von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden könne (vgl. 896. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). Obwohl es nicht erforderlich sei, den durch die Kopplungsgeschäfte erzielten erheblichen Wettbewerbsvorteil zu beziffern oder den Umfang der Markterfassung durch diese Geschäfte zu untersuchen, werde im angefochtenen Beschluss zudem u. a. angegeben, dass zwischen 2013 und 2015 [10-20] % bis [20-30] % der allgemeinen Suchanfragen bei Google Search im EWR und im Jahr 2016 [20-30] % dieser Suchanfragen auf Google-Android-Geräte entfallen seien (vgl. 796. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 2) Würdigung durch das Gericht 545 Abgesehen von den Vorinstallationsmöglichkeiten, die den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten oder Browsern zur Verfügung stünden, macht Google auch geltend, dass ihre Mitbewerber die Tendenz zur Festschreibung der Situation, die sich aus den Vorinstallationsbedingungen der VVMA ergebe, dadurch ausgleichen könnten, dass sie sich auf das Verhalten der Nutzer verließen, die ihre Anwendungen herunterladen oder über den Browser auf ihren allgemeinen Suchdienst zugreifen könnten. i) Zum Herunterladen konkurrierender Anwendungen 546 Zunächst ist festzustellen, dass die Hauptparteien nicht bestreiten, dass die Nutzer problemlos allgemeine Suchanwendungen oder Browser herunterladen können, die mit der Anwendung Google Search oder mit Chrome konkurrieren. 547 Die Hauptparteien streiten vielmehr über das tatsächliche Ausmaß solcher Downloads, was sich unmittelbar auf die Möglichkeit der Mitbewerber von Google auswirkt, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA auszugleichen. 548 Die diese Frage betreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss beziehen sich daher sehr wohl auf den Nachweis der tatsächlichen und konkreten Auswirkungen des beanstandeten Verhaltens von Google im Zeitraum von 2011 oder 2012 bis 2018. 549 Was die allgemeinen Suchanwendungen betrifft, geht insoweit aus den von Google vorgelegten und im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Daten hervor, dass die Zahl der Downloads von Anwendungen, die mit der Anwendung Google Search konkurrierten, im Vergleich zu der Zahl der Geräte, auf denen diese Anwendung vorinstalliert war, gering blieb: – Aus dem Play Store haben die Nutzer zwischen 2011 und 2016 konkurrierende Suchanwendungen auf weniger als 5 % der weltweit verkauften GMS-Geräte heruntergeladen, eine Zahl, die für die im EWR verkauften GMS-Geräte sogar unter 1 % liegt, weil die meisten dieser Downloads in Südkorea erfolgten (Erwägungsgründe 808 und 809 des angefochtenen Beschlusses). – Zwischen 2011 und 2016 war die jährliche Zahl der aus dem Play Store heruntergeladenen konkurrierenden allgemeinen Suchanwendungen in jedem EWR-Land minimal, mit Ausnahme von Seznam in der Tschechischen Republik (810. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); – In der Tschechischen Republik haben die Nutzer die Suchanwendung Seznam aus dem Play Store auf höchstens 23 % der pro Jahr in diesem Mitgliedstaat verkauften GMS-Geräte heruntergeladen. 550 Auch bei den Browsern geht aus den von Google vorgelegten und im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Daten hervor, dass die Zahl der Downloads mit Chrome konkurrierender Browser im Vergleich zur Zahl der Geräte, auf denen Chrome vorinstalliert war, gering blieb: – Im Jahr 2016 erreichte kein konkurrierender mobiler Internetbrowser eine mit der Zahl der Vorinstallationen des Browsers Google Chrome vergleichbare Zahl von Downloads (vgl. 919. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Im Jahr 2016 luden die Nutzer konkurrierende mobile Internetbrowser auf weniger als 50 % der weltweit verkauften GMS-Geräte herunter, und zwischen 2013 und 2016 luden die Nutzer konkurrierende mobile Internetbrowser auf nur etwa 30 % der weltweit verkauften GMS-Geräte herunter (vgl. 920. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Im Jahr 2016 luden die Nutzer die Browser UC, Opera und Firefox auf weniger als 1 %, 1,5 % bzw. 4 % der im EWR verkauften GMS-Geräte herunter, und zwischen 2013 und 2016 entsprach die Gesamtzahl der Downloads konkurrierender mobiler Internetbrowser aus dem Play Store auf GMS-Geräte im EWR weniger als 10 % der Zahl der GMS-Geräte, auf denen Google Chrome vorinstalliert war (vgl. Erwägungsgründe 921 und 922 des angefochtenen Beschlusses). 551 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die von Google angeführten Beweise in Bezug auf das Herunterladen der Anwendungen von Seznam, Naver und Yandex nicht ausreichen, um die vorstehenden Feststellungen in Frage zu stellen. Wie die Hauptparteien anerkennen, lassen sich diese drei Beispiele dadurch erklären, dass es sich um allgemeine Suchdienste handelt, denen ein Algorithmus zugrunde liegt, der die Besonderheiten der tschechischen, der koreanischen und der russischen Sprache berücksichtigt. 552 Die Kommission legt auch überzeugend dar, dass das Gegenbeispiel der Downloads der Anwendung Google Search auf Windows Mobile-Geräte, bei denen Bing als Standard festgelegt ist, keineswegs so beweiskräftig ist, wie Google behauptet, weil das Jahr 2016 nicht repräsentativ ist und die herangezogenen Daten nicht nur Smartphones, sondern auch andere Gerätetypen umfassen (Fn. 901 des angefochtenen Beschlusses). So belief sich die behauptete Zahl von 95 % der Downloads der Anwendung Google Search im Jahr 2016 in Wirklichkeit nur auf 27 %. Eine solche Zahl ist mit der Zahl von 23 % vergleichbar, die den Downloads der Anwendung Seznam auf die in der Tschechischen Republik verkauften Google Android-Smartphones entspricht, auf denen stets die Anwendung Google Search vorinstalliert war. 553 Ebenso stellt die Kommission aus den im 813. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gründen zu Recht fest, dass die von Google herangezogenen Analogien zu den Download-Praktiken bei anderen Arten von Anwendungen wie etwa Messaging-Anwendungen, für Suchanwendungen und Browser nicht relevant sind. 554 Außerdem bleiben die verschiedenen Beweise, die im angefochtenen Beschluss dafür angeführt werden, dass das Herunterladen von mit Google Search und Chrome konkurrierenden Anwendungen den durch die Vorinstallation erzielten Vorteil nicht ausgleicht, entgegen dem Vorbringen von Google weiterhin relevant. Diese Beweise bestätigen, dass das Herunterladen in Bezug auf Präsenz und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation vergleichbar ist. 555 Dies gilt für die von Opera vorgelegte Umfrage (Erwägungsgründe 812 und 923 des angefochtenen Beschlusses), die zwar nur Hinweise auf die Nutzung vorinstallierter Browser gibt und sich nur auf das Jahr 2013 bezieht, aber dennoch im angefochtenen Beschluss herangezogen werden kann, um die Feststellung zu stützen, dass „bestimmte Nutzer nach wie vor ungern Anwendungen herunterladen und lieber den vorinstallierten mobilen Internetbrowser verwenden“. 556 Auch in Bezug auf die verschiedenen Aussagen in den Antworten auf die Auskunftsersuchen stellt sich heraus, dass in Antworten, die im angefochtenen Beschluss nicht wiedergegeben sind, in der Tat von der theoretischen Möglichkeit die Rede ist, dass das Herunterladen die Vorinstallation kompensieren könne. Dies kann jedoch den verschiedenen im angefochtenen Beschluss angeführten Antworten, die die Annahme stützen, dass die Nutzer eine vorinstallierte Anwendung einer solchen vorziehen, die erst heruntergeladen werden muss, nicht ihre Relevanz nehmen. 557 Darüber hinaus lässt sich entgegen dem Vorbringen von Google nicht feststellen, dass der angefochtene Beschluss nicht mit der Rechtsprechung und der bisherigen Entscheidungspraxis im Einklang steht. Im angefochtenen Beschluss wird nämlich nicht bestritten, dass das Herunterladen grundsätzlich den Vorteil ausgleichen kann, der sich aus der Vorinstallation ergibt, was bereits in anderen von der Kommission geprüften Fällen in Betracht gezogen wurde. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten und oben geprüften Gründen heraus, dass eine allgemeine Suchanwendung oder ein Browser zwar einfach und kostenlos heruntergeladen werden kann, dies jedoch in der Praxis nicht oder nur bei einem unzureichenden Anteil der betroffenen Geräte geschieht. 558 Daher ist die von Google in Bezug auf das Herunterladen konkurrierender Anwendungen erhobene Rüge zurückzuweisen. ii) Zum Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser 559 Das Vorbringen von Google stellt die Schlussfolgerung, dass die Mitbewerber den erheblichen Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten verschafft, nicht durch Vereinbarungen mit den Entwicklern mobiler Internetbrowser ausgleichen können, nicht in Frage. 560 Insoweit ist es erforderlich, die von der Kommission beobachtete und im angefochtenen Beschluss dargelegte tatsächliche Situation mit den verschiedenen von Google behaupteten, in der Realität aber nicht verwirklichten Alternativlösungen zu vergleichen. 561 Wie die Kommission darlegt, ist die Festlegung eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes als Standard in mobilen Internetbrowsern auf Google-Android-Geräten nämlich im Hinblick auf Präsenz und Wirksamkeit nicht mit der Vorinstallation der Anwendung Google Search vergleichbar (vgl. Erwägungsgründe 817 bis 822 des angefochtenen Beschlusses). Insbesondere muss berücksichtigt werden, dass Google es nicht erlaubt, in Chrome einen anderen Suchdienst als Google Search als Standard festzulegen, und dass Chrome bei nicht BS-spezifischen mobilen Internetbrowsern in Europa einen Nutzungsanteil von etwa 75 % und weltweit von 58 % hatte. 562 Die Kommission legt außerdem, ohne dass Google ihr in diesem Punkt widerspricht, verschiedene Beweise vor, darunter Präsentationen von Microsoft und Yandex, die belegen, dass die Nutzer in der Praxis auf andere allgemeine Suchdienste nicht über die Browser zugreifen und die Standardeinstellungen dieser Browser nur selten ändern. Diese Feststellungen sind entgegen dem Vorbringen von Google relevant und lassen erkennen, dass es trotz der in diesem Zusammenhang angebotenen Möglichkeit, eine andere allgemeine Suchmaschine festzulegen, in der Praxis bei der ursprünglich voreingestellten bleibt. 563 Unter diesen Umständen ist die von Google in Bezug auf den Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser erhobene Rüge zurückzuweisen. iii) Zur Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung 564 Zur behaupteten Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung ist darauf hinzuweisen, dass diese Rüge auf einem falschen Verständnis des angefochtenen Beschlusses beruht, aus dem hervorgeht, dass mit ihm zum einen das Vorliegen eines mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA verbundenen Vorteils, der von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden kann, und zum anderen die wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieses Vorteils festgestellt werden. 565 Was die Frage betrifft, ob der Vorteil quantifiziert werden muss, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass nach Darstellung der Kommission zwischen 2013 und 2015 im EWR 11 % bis 24 % aller Suchanfragen bei Google Search auf Google-Android-Geräte entfielen. Im Jahr 2016 entfielen auf Google-Android-Geräte 29 % dieser Suchanfragen (796. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Desgleichen erfasste die VVMA im Jahr 2016 alle außerhalb Chinas verkauften Google-Android-Geräte, was 76 % der Gesamtzahl der in Europa verkauften intelligenten Mobilgeräte und 56 % der Gesamtzahl der weltweit (einschließlich China) verkauften intelligenten Mobilgeräte entspricht (Erwägungsgründe 783, 784 und 901 des angefochtenen Beschlusses). Unter diesen Umständen kann jedenfalls davon ausgegangen werden, wie es die Kommission im angefochtenen Beschluss tut, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Google einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschafften. 566 Daher ist die von Google erhobene Rüge einer Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung zurückzuweisen. iv) Ergebnis 567 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission zu Recht davon ausgeht, dass es den Nutzern zwar weiterhin freistand, mit der Anwendung Google Search und mit Chrome konkurrierende Anwendungen herunterzuladen oder die Standardeinstellungen zu ändern, oder auch, dass die Entwickler mobiler Internetbrowser den OEM ihre Anwendungen hätten anbieten können, wovon aber wegen der Vorinstallationsbedingungen der VVMA während des überwiegenden Teils des Zeitraums der Zuwiderhandlung nur unzureichend Gebrauch gemacht wurde. d) Fehlender Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Nutzungsanteilen und der Vorinstallation 1) Vorbringen der Parteien 568 Google weist darauf hin, dass die auf sie entfallenden Anteile an der allgemeinen Suche und an der Nutzung von Browsern dem angefochtenen Beschluss zufolge „offenbar nicht“ durch die Präferenzen der Nutzer „zu erklären“ seien und einer Wettbewerbsbeschränkung „entsprechen“ (Erwägungsgründe 835, 837, 947 und 954). Im angefochtenen Beschluss werde jedoch nicht dargetan, dass die Anteile von Google auf die beanstandeten Vorinstallationsbedingungen zurückzuführen oder mit dem Leistungswettbewerb unvereinbar seien, was die Kommission aber hätte beweisen müssen. Darüber hinaus übergehe der angefochtene Beschluss zahlreiche Beweise dafür, dass der Erfolg des allgemeinen Suchdienstes und des Browsers von Google deren Qualität widerspiegele. Der Verweis auf die im Play Store abgegebenen Bewertungen für die Anwendung Google Search und ihre Konkurrenten reiche nicht aus, um diese Beweise außer Acht zu lassen. 569 Die Kommission macht geltend, keines der Argumente von Google stelle in Frage, dass der erhebliche Wettbewerbsvorteil, der sich aus der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten ergebe, und die Unfähigkeit der Mitbewerber, diesen Vorteil auszugleichen, mit der Entwicklung der Marktanteile von Google korrelierten. Der Erfolg der Anwendung Google Search und des Browsers Google Chrome spiegele nämlich nicht nur die behauptete „überlegene Qualität und Leistung der Dienste von Google“ wider. Auch der Umstand, dass die Nutzerbewertungen im Play Store auf unterschiedlich großen Stichproben beruhten, sei nicht entscheidend. Diese Stichproben seien groß genug, um repräsentativ zu sein. 2) Würdigung durch das Gericht 570 Als Erstes ist in Bezug auf die Vorinstallation und ihre Auswirkungen festzustellen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, dass ihre Schlussfolgerungen, wonach Google durch die Vorinstallation einen Wettbewerbsvorteil erlangt habe, der von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden könne und eine Beschränkung des Leistungswettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher bewirke, durch die Entwicklung der Google zuzurechnenden Nutzungsanteile auf intelligenten Mobilgeräten bestätigt würden (vgl. Erwägungsgründe 835 bis 851 und 947 bis 963 des angefochtenen Beschlusses). 571 In diesem Zusammenhang sind die Hinweise der Kommission auf die Entwicklung dieser Nutzungsanteile als solche nicht zu beanstanden. Sie ermöglichen es der Kommission nämlich, ihre Beweisführung zu untermauern, wonach zum einen die Vorinstallation den von ihr umfassten allgemeinen Suchanwendungen und Browsern von Google einen Vorteil verschaffe und zum anderen die Mitbewerber diesen Vorteil nicht hätten ausgleichen können. 572 Was die Entwicklung des Anteils von Google an den allgemeinen Suchanfragen je nach Gerätetyp in Europa von 2009 bis März 2017 betrifft, ist die Kommission somit zu der Feststellung in der Lage, dass dieser Anteil von 2011 bis März 2017 auf intelligenten Mobilgeräten durchgehend zwischen 95 % und 98 % schwankte und im selben Zeitraum stets höher war als der auf PCs (88-95 %) oder auf Tablets (90-98 % von Juli 2012 bis März 2017) beobachtete Anteil (836. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 573 Hinsichtlich der Entwicklung des Nutzungsanteils von Chrome im Vergleich zu dem anderer nicht BS-spezifischer mobiler Browser in Europa von August 2012 bis März 2017 kann die Kommission ebenfalls feststellen, dass der Anteil von Chrome in diesem Zeitraum von 4,7 % auf 74,9 % gestiegen war. Hingegen ging der Anteil anderer Android-Browser (auch als „AOSP-basierte Browser“ bezeichnet) im selben Zeitraum von 74,5 % auf 8,2 % zurück (vgl. 949. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; für eine Darstellung der weltweiten Ergebnisse vgl. 950. Erwägungsgrund, für eine Darstellung der Ergebnisse mit PC‑Browsern vgl. 951. Erwägungsgrund und für eine Darstellung der Ergebnisse für BS-spezifische Browser in Europa vgl. 952. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 574 Entgegen dem Vorbringen von Google ist die Kommission berechtigt, diese Entwicklungen zur Unterstützung ihrer Schadensthese heranzuziehen. Soweit der Ausgangspunkt dieser These auf die mit der Vorinstallation verbundene „Status-quo-Präferenz“ abstellt, die den freien Wettbewerb stört, von dessen Existenz Google ausgeht, weil sie der Ansicht ist, dass der Nutzer dieser Tendenz insbesondere durch das Herunterladen einer konkurrierenden Anwendung abhelfen könne – was der Nutzer aber gerade nicht tut –, verweist die Kommission zu Recht auf die Nutzungsanteile. 575 Was als Zweites den Faktor der Qualität und ihrer behaupteten Auswirkungen angeht, ist festzustellen, dass die Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden nicht verpflichtet war, genau zu bestimmen, ob diese Nutzungsanteile nicht nur, wie sie meint, durch die Vorinstallation zu erklären sind, sondern auch oder gar vorrangig durch die von Google behauptete höhere Qualität. Google führt die Tatsache, dass die Nutzungsanteile der Anwendung Google Search nicht in Frage gestellt werden oder die Nutzungsanteile von Chrome stetig ansteigen, nämlich eher auf die überlegene Qualität ihrer Produkte als auf die Vorinstallation zurück. Im vorliegenden Fall ist die Vorinstallation jedoch unstreitig, so dass alle Google-Android-Geräte über die Anwendung Google Search und über Chrome verfügten, während Google den Einfluss der Qualität auf das Unterbleiben der Vorinstallation oder des Herunterladens einer konkurrierenden Anwendung lediglich behauptet, ohne dass die hierfür vorgelegten Beweise ausreichend oder besonders relevant sind. 576 Google beruft sich insoweit auf die Erklärung einer ihrer Führungskräfte, die sich zur qualitativen Überlegenheit der Anwendung Google Search im Vergleich zu ihren Konkurrenten äußert. In diesem Dokument werden in der Tat verschiedene Anhaltspunkte erwähnt, darunter eine Verbraucherumfrage aus dem Jahr 2016, aus der hervorgeht, dass Google Search die von den Verbrauchern im Vereinigten Königreich, in Deutschland und in Frankreich bevorzugte allgemeine Suchmaschine war, sowie verschiedene Artikel, aus denen hervorgeht, dass Google Search über bessere oder neuere Funktionen als Bing verfügte oder dass Bing nicht so treffsicher gewesen sei wie angekündigt. Die Erklärung der Führungskraft von Google und die ihr beigefügten Unterlagen reichen jedoch als solche nicht aus, um nachzuweisen, dass der Nutzungsanteil von Google Search und von Chrome eher damit zu erklären ist, dass Google über einen qualitativ überlegenen Dienst verfügte, als mit der Vorinstallierung dieser Anwendungen. 577 Zudem käme es selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, dass Google Search und Chrome den von den Mitbewerbern angebotenen Diensten qualitativ überlegen sind, darauf nicht entscheidend an, weil nicht behauptet wird, dass die verschiedenen von den Mitbewerbern angebotenen Dienste technisch nicht in der Lage seien, den Bedürfnissen der Verbraucher gerecht zu werden. 578 Außerdem werden die Bedürfnisse der Verbraucher, wie aus den Akten hervorgeht, nicht unbedingt durch die qualitativ beste Lösung befriedigt, weil selbst dann, wenn Google behaupten könnte, dass ihre Dienste eine solche Lösung darstellten, auch andere Faktoren als die technische Qualität, wie etwa der Schutz der Privatsphäre oder die Berücksichtigung sprachlicher Besonderheiten der Suchanfragen, eine Rolle spielen. 579 Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, um das Argument von Google zu widerlegen, dass der Umfang und die Entwicklung ihrer Nutzungsanteile eher auf die Qualität ihrer Produkte in den Augen der Verbraucher als auf die Vorinstallation zurückzuführen seien, im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, dass ein solcher Qualitätsvorsprung aus den Bewertungen der miteinander konkurrierenden Dienste im Play Store nicht hervorzugehen scheine. 580 Für das erste Bündel betrug die durchschnittliche Bewertung im Play Store 4,4 für die Anwendung Google Search mit 5,8 Millionen Bewertungen, 4,3 für die Anwendung Bing mit 73000 Bewertungen, 4,2 für die Anwendung Yahoo mit 28000 Bewertungen, 4,3 für die Anwendung Seznam mit 39000 Bewertungen und 4,4 für die Anwendung Yandex mit 219000 Bewertungen (837. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 581 Für das zweite Bündel betrug die durchschnittliche Bewertung im Play Store 4,3 für Chrome mit 7,4 Millionen Bewertungen, 4,3 für Opera mit 2,2 Millionen Bewertungen, 4,4 für Firefox mit 2,8 Millionen Bewertungen, 4,5 für den UC Browser mit 13,9 Millionen Bewertungen und 4,4 für den UC Browser Mini mit 2,8 Millionen Bewertungen (954. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 582 Zwar beruhen die Bewertungen, wie Google vorträgt, nicht auf Stichproben derselben Größe und stellen nicht unbedingt ein repräsentatives Bewertungskriterium dar. Wie die Kommission geltend macht, geht aus den vergebenen Noten jedoch eindeutig hervor, dass die Qualität der verschiedenen konkurrierenden Dienste ähnlich bewertet wird. Dies kann daher bei der Schlussfolgerung berücksichtigt werden, dass die jeweilige Qualität der verschiedenen konkurrierenden Suchdienste und Browser kein entscheidendes Kriterium für ihre Nutzung ist, weil sie alle einen Dienst anbieten, der die an ihn gestellten Anforderungen erfüllen kann. 583 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission in Anbetracht der Tendenz zur Festschreibung der Situation, die mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA einhergeht, und mangels eines Nachweises der präzisen Auswirkungen der von Google behaupteten qualitativen Überlegenheit ihrer allgemeinen Suchanwendungen und Browser zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Nutzungsanteile von Google die mit der Vorinstallation verbundene „Status-quo-Präferenz“ bestätigen. 584 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen. e) Fehlende Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts 1) Vorbringen der Parteien 585 Google macht geltend, dass im angefochtenen Beschluss nicht geprüft worden sei, ob die Vorinstallationsbedingungen der VVMA geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beeinträchtigen, der ohne sie bestanden hätte, und zwar im Hinblick auf den gesamten wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext. Eine vollständige Analyse dieses Kontexts würde belegen, dass diese Bedingungen den Wettbewerb weder verdrängt hätten noch dazu geeignet gewesen seien, weil sie neue Wettbewerbsmöglichkeiten für die Mitbewerber geschaffen hätten, statt sie ihnen zu nehmen. Das Ausmaß, in dem Google oder ihre Mitbewerber diese Möglichkeiten genutzt hätten, sei von der jeweiligen Qualität ihrer Dienste und ihrer Attraktivität für die Nutzer abhängig gewesen. Die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien nämlich Bestandteil des für die Android-Plattform entwickelten kostenlosen Lizenzmodells und könnten daher nicht isoliert betrachtet werden. Außerdem könne jeder das BS Android kostenlos einsetzen und nutzen. 586 Die Kommission macht geltend, dass nicht der angefochtene Beschluss, sondern Google es unterlassen habe, den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext der Kopplung der Anwendung Google Search mit dem Play Store und der Kopplung von Google Chrome mit dem Play Store und der Anwendung Google Search zu würdigen. Der angefochtene Beschluss berücksichtige nämlich die Art der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Komponenten der Android-Plattform (Erwägungsgründe 874 und 875, 990 und 991 des angefochtenen Beschlusses). Dabei müssten insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigt werden, in die sich die Kopplung einfüge: – Innerhalb des EWR habe die Vorinstallation von Google Chrome praktisch alle Google-Android-Geräte erfasst (901. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Google lasse es nicht zu, auf GMS-Geräten eine andere allgemeine Suchanwendung als Google Search exklusiv vorzuinstallieren. Die Anwendung Google Search sei der wichtigste Einstiegspunkt für allgemeine Suchanfragen auf Google-Android-Geräten; auf sie seien im Jahr 2016 [40-50] % aller allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten entfallen (799. Erwägungsgrund Nr. 1 und 974. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). – Google lasse es nicht zu, im Browser Google Chrome, über den im Jahr 2016 [30-40] % aller allgemeinen Suchanfragen auf Google-Android-Geräten durchgeführt worden seien und der damit der zweitwichtigste Einstiegspunkt für diese Suchanfragen auf Google-Android-Geräten sei (Erwägungsgründe 818, 973 und 974 des angefochtenen Beschlusses), einen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search als Standard festzulegen (Erwägungsgründe 818 und 973 des angefochtenen Beschlusses). – Zwischen 2011 und 2016 habe Google mit den OEM und den MNO Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen abgeschlossen. Gemäß diesen Vereinbarungen, die zwischen [50-60] % und [80-90] % aller im EWR verkauften Google-Android-Geräte erfasst hätten, seien die OEM und die MNO verpflichtet gewesen, ausschließlich die Anwendung Google Search vorzuinstallieren und als allgemeinen Standardsuchdienst für alle vorinstallierten mobilen Internetbrowser festzulegen (vgl. Erwägungsgründe 822 und 833 des angefochtenen Beschlusses). – Gemäß den AFV hätten die OEM, die auch nur ein einziges Gerät mit Vorinstallation des Play Store und der Anwendung Google Search hätten verkaufen wollen, daneben keine mit einer Android-Fork betriebenen Geräte verkaufen dürfen. – Aufgrund einer seit 2007 bestehenden Vereinbarung über die Aufteilung der Einnahmen lege Apple auf iOS-Geräten im Browser Safari Google Search als allgemeinen Standardsuchdienst fest (vgl. Erwägungsgründe 119, 154 und 515 Nr. 1, 796. Erwägungsgrund Nr. 2 Buchst. a, 799. Erwägungsgrund Nr. 2, Erwägungsgründe 840 und 1293 des angefochtenen Beschlusses). – Nach den Vereinbarungen über die Aufteilung der Einnahmen seien alle bedeutenden Internetbrowser für PCs mit Ausnahme des Internet Explorers/Edge von Microsoft verpflichtet, Google Search als allgemeinen Standardsuchdienst festzulegen (vgl. 796. Erwägungsgrund Nr. 2 Buchst. c und 845. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 2) Würdigung durch das Gericht 587 Google wirft der Kommission im Wesentlichen vor, nicht alle Umstände analysiert zu haben, die für die Beurteilung der behaupteten Auswirkungen des streitigen Verhaltens relevant seien. 588 Nach Ansicht von Google hätte die Kommission zum einen den Grund, der Google zur Entwicklung der Android-Plattform veranlasst habe, nämlich das Bestreben, der Abschottung anderer BS (iOS oder Windows) durch deren Eigentümer entgegenzuwirken, und zum anderen die wettbewerbsfördernden Auswirkungen, die der Erfolg der offenen und kostenlosen Android-Plattform trotz der Geltung der in Rede stehenden Vorinstallationsbedingungen mit sich gebracht habe und die zu einem Anstieg der Nutzung von allgemeinen Suchdiensten und Browsern sowie zu einem Anstieg der Zahl von Anwendungen geführt hätten, eingehender berücksichtigen müssen. Ihrer Ansicht nach hätte die Kommission in diesem Zusammenhang die Situation durch einen Vergleich mit der Situation beurteilen müssen, die sich ergeben hätte, wenn Google wegen des Fehlens der streitigen Vorinstallationsbedingungen nicht in der Lage gewesen wäre, die offene und kostenlose Android-Plattform zu entwickeln und zu pflegen. 589 Dieses Vorbringen entspricht jedoch nicht dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses. 590 Wie die Kommission geltend macht, bezieht sich das im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich eingestufte Verhalten nämlich weder auf die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform noch auf deren offenen und kostenlosen Charakter, für den sich Google entschieden haben will, um dem entgegenzuwirken, was sie als Abschottung anderer BS durch deren Eigentümer betrachtet. Zudem hat die Kommission vor dem Gericht eingeräumt, dass die Android-Plattform die Möglichkeiten für die Mitbewerber von Google erweitert hat. 591 Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass Google der Kommission gegenüber Argumente derselben Art vorgebracht hatte, wie sie nunmehr vor dem Gericht wiederholt werden, und dass die Kommission sie u. a. mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass nicht die gesamte VVMA beanstandet werde, sondern nur einer ihrer Aspekte, dessen Auswirkungen den Wettbewerb beschränkten (vgl. Erwägungsgründe 867 bis 876 für das erste und Erwägungsgründe 983 bis 992 für das zweite Bündel). Somit hat die Kommission die Argumente von Google bei ihrer Würdigung aller relevanten Umstände berücksichtigt, wie sich aus dem angefochtenen Beschluss ergibt. 592 Selbst wenn man die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Android-Plattform berücksichtigt, zu deren Modalitäten die VVMA gehört, hat die Kommission gleichwohl einen bestimmten Aspekt der VVMA, nämlich die streitigen Vorinstallationsbedingungen, als missbräuchlich angesehen. 593 So hat die Kommission – wie oben im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes erörtert (vgl. auch die oben in Rn. 585 genannten verschiedenen tatsächlichen Umstände) – festgestellt, dass die beiden Produktbündel Google einen Wettbewerbsvorteil verschafften, der auf die mit der Vorinstallation einhergehende „Status-quo-Präferenz“ zurückzuführen war, von den Mitbewerbern nicht ausgeglichen werden konnte und eine Beschränkung des Leistungswettbewerbs zum Nachteil der Verbraucher zur Folge hatte. 594 Es sind daher diese Vorinstallationsbedingungen der VVMA, die das beanstandete Verhalten ausmachen, und nicht generell das von Google zusammen mit den OEM, die diese Vereinbarung unterzeichneten, angestrebte offene und kostenlose Lizenzmodell. 595 Die verschiedenen Erklärungen von Opera sind daher, wie von der Kommission vorgeschlagen, vor diesem Hintergrund zu betrachten. Einige dieser Erklärungen verweisen, wie Google vorträgt, auf die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der Entwicklung und Pflege der Android-Plattform. Andere verweisen, wie die Kommission ausführt, auf die mit der Vorinstallation verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen. 596 Aus dem Vorstehenden folgt, dass Google entgegen ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission bei der Beurteilung des beanstandeten Verhaltens nicht alle relevanten Umstände angemessen berücksichtigt hatte. Diese Rüge ist daher zurückzuweisen. 3. Zweiter Teil: objektive Rechtfertigungen a) Vorbringen der Parteien 597 Google macht geltend, die Vorinstallationsbedingungen der VVMA seien objektiv gerechtfertigt, weil sie es ihr ermöglichten, die Android-Plattform kostenlos anzubieten, indem sie sicherstellten, dass die Anwendungen Google Search und Chrome, die Einnahmen generiert hätten, nicht von der Vorinstallation und den damit verbundenen Werbemöglichkeiten ausgeschlossen würden. Diese legitimen und wettbewerbsfördernden Bedingungen hätten zur Vielfalt und zur weiten Verbreitung von Mobilgeräten beigetragen, die Marktzutrittsbarrieren gesenkt und den Mitbewerbern Chancen eröffnet. Der im angefochtenen Beschluss unterbreitete Vorschlag, den OEM eine Lizenzgebühr für den Play Store in Rechnung zu stellen, die für Geräte des unteren und des oberen Marktsegments unterschiedlich hoch sein solle, würde die wettbewerbsfördernden Vorteile des kostenlosen Angebots der Android-Plattform durch Google zunichtemachen. Google bestreitet auch, eine Vergütung aus mobilen Daten erhalten zu können. Zudem sei der durch die Vorinstallationsbedingungen der VVMA geschaffene nichtmonetäre Leistungsaustausch effizienter und erhöhe die Produktivität im Vergleich zu einer Regelung, bei der die OEM Zahlungen für die Komponenten der Android-Plattform zu leisten hätten. 598 Die Kommission hält die Bedingungen der Vorinstallation von Google Search und Chrome auf praktisch allen im EWR verkauften Google-Android-Geräten für nicht objektiv gerechtfertigt. Google monetarisiere ihre Investitionen nämlich bereits durch die Vermarktung der bei den Nutzern erhobenen Daten und durch die Einnahmen aus dem Play Store und anderen Anwendungen und Diensten einschließlich Google Search. Außerdem würde eine beträchtliche Zahl von Google Android-Nutzern auch ohne diese Vorgaben weiterhin Google Search verwenden. Google habe auch nicht nachgewiesen, dass die Vorinstallation notwendig sei, um sicherzustellen, dass Google nicht von der exklusiven Vorinstallation auf Google-Android-Geräten ausgeschlossen sei und dass sie von den OEM keine Gebühr für den Play Store verlangen müsse. b) Würdigung durch das Gericht 599 Ein Unternehmen in beherrschender Stellung kann im Fall der Feststellung wettbewerbswidriger Auswirkungen seines Verhaltens Handlungen, die möglicherweise unter das in Art. 102 AEUV niedergelegte Verbot fallen, rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 600 Dazu kann ein solches Unternehmen insbesondere entweder den Nachweis erbringen, dass sein Verhalten objektiv notwendig ist oder den Nachweis, dass die dadurch hervorgerufene Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile, die auch dem Verbraucher zugutekommen, ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). 601 In Bezug auf die erste Alternative ist entschieden worden, dass die Kommission zwar die Beweislast für das Vorliegen der Umstände trägt, aus denen sich ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV ergibt, doch obliegt es dem betreffenden beherrschenden Unternehmen und nicht der Kommission, vor dem Ende des Verwaltungsverfahrens gegebenenfalls eine etwaige objektive Rechtfertigung geltend zu machen und dafür Argumente und Beweise vorzubringen. Dann hat die Kommission, wenn sie einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung feststellen will, darzutun, dass die von dem Unternehmen vorgebrachten Argumente und Beweise nicht stichhaltig sind und dass folglich die geltend gemachte Rechtfertigung nicht durchgreifen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 688 und 1144). 602 Was die zweite Alternative anbelangt, hat das Unternehmen in beherrschender Stellung nachzuweisen, dass die durch das betreffende Verhalten möglicherweise eintretenden Effizienzvorteile die mit ihm einhergehende Verdrängungswirkung ausgleichen, dass diese Effizienzvorteile durch das genannte Verhalten erzielt worden sind oder erzielt werden können und dass dieses Verhalten für das Erreichen der Effizienzvorteile notwendig ist und einen wirksamen Wettbewerb nicht dadurch ausschaltet, dass es alle oder die meisten bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 42). 603 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss unter derselben Überschrift „Objektive Rechtfertigungen und Effizienzgewinne“ die verschiedenen Argumente geprüft hat, die Google im Verwaltungsverfahren hierzu vorgebracht hatte (Erwägungsgründe 993 bis 1008). 604 In ihren Schriftsätzen stützt sich Google zur Rechtfertigung ihres Verhaltens im Wesentlichen auf zwei Gruppen von Argumenten, die sich weitgehend mit denen decken, die sie im Verwaltungsverfahren vorgebracht hatte und die im angefochtenen Beschluss geprüft und zurückgewiesen wurden. 605 Als Erstes hatte Google vor der Kommission geltend gemacht, dass ihre Praktiken rechtmäßig seien, weil sie es ihr ermöglicht hätten, ihre Investitionen in Android und in diejenigen ihrer Anwendungen, die keine Einnahmen generierten, zu amortisieren (993. Erwägungsgrund Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses). 606 Dieses Argument wird in der vorliegenden Klage erneut angeführt, in der sich Google zum einen auf den Umfang ihrer Investitionen in die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform, einschließlich des BS Android, des Play Store und des GMS-Pakets, beruft und zum anderen darauf, dass diese Plattform kostenlos sei. Somit seien die Vorinstallationsbedingungen der VVMA gerechtfertigt, weil sie es ihr ermöglichten, durch die mit den Anwendungen Google Search und Chrome erzielten Einnahmen eine angemessene Rendite auf ihre Investitionen zu erzielen, ohne jedoch die Mitbewerber oder Nutzer der Möglichkeit zu berauben, von der Vorinstallation oder von anderen Optionen Gebrauch zu machen. 607 Um dieses Vorbringen zurückzuweisen, hat die Kommission festgestellt, dass Google nicht nachgewiesen habe, dass die streitigen Bündel erforderlich gewesen seien, um ihre Investitionen in Android und in ihre Anwendungen, die keine Einnahmen generierten, zu amortisieren (vgl. Erwägungsgründe 995 bis 998 des angefochtenen Beschlusses). 608 In Anbetracht der Höhe der Investitionen, die Google in die Entwicklung und Pflege von Android getätigt hat – unabhängig davon, ob es sich dabei um den von der Kommission oder den von Google angegebenen Betrag handelt –, erweist sich jedenfalls, dass Google stets über beträchtliche Einnahmequellen verfügen konnte, um diese Investitionen zu finanzieren, die sie im Rahmen ihrer Strategie zur Wahrung ihres Anteils am Markt für allgemeine Suchdienste beim Übergang zum mobilen Internet tätigte. 609 Neben den Einnahmen aus dem Play Store (996. Erwägungsgrund und Fn. 1074 des angefochtenen Beschlusses), die mittlerweile allein ausreichten, um Google die Amortisierung ihrer Investitionen in die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform im entsprechenden Jahr zu ermöglichen (vgl. hierzu die dem Gericht von Google vorgelegten Daten), verfügte Google über weitere Einnahmequellen. 610 Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss feststellt, konnte Google nach wie vor von der Verwertung der Nutzerdaten profitieren, die von Google-Android-Geräten erhoben werden, wie z. B. Standortdaten oder Daten aus der Nutzung der Dienste von Google Play. Angesichts ihrer großen Marktanteile bei PCs konnte Google auch von den erheblichen Einnahmen aus der Werbung auf Suchergebnisseiten profitieren (Erwägungsgründe 997 und 998 des angefochtenen Beschlusses). 611 Die Einwände, die Google gegen diese Möglichkeiten vorbringt, bleiben allgemein und vage. 612 Folglich hat die Kommission in Anbetracht des Wertes der Nutzerdaten einerseits und der hohen Einnahmen aus der Suchwerbung auf PCs andererseits zu Recht festgestellt, dass Google nicht darauf angewiesen war, ihre gesamten Ausgaben für die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform allein aus den mit dieser Plattform erzielten Einnahmen zu decken. 613 Außerdem hat Google, wie die Kommission im angefochtenen Beschluss ebenfalls feststellt, nicht nachgewiesen, dass sie kein Interesse daran gehabt hätte, Android zu entwickeln, um den Risiken entgegenzuwirken, die der Übergang zu intelligenten Mobilgeräten für ihr Geschäftsmodell der Suchmaschinenwerbung mit sich brachte (999. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Annahme berechtigt, dass Google die Ausgaben für die Entwicklung und Pflege der Android-Plattform selbst dann auf sich genommen hätte, wenn sie nicht hätte sicher sein können, dass diese Ausgaben durch die mit dieser Plattform erzielten Einnahmen ausgeglichen würden, wobei z. B. die mit dem Play Store erzielten Einnahmen zu berücksichtigen sind. 614 Daraus folgt, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA insoweit objektiv gerechtfertigt waren, als sie es ihr ermöglichten, durch die Zusage der Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf Google-Android-Geräten die für die Entwicklung und Wartung der Android-Plattform getätigten Ausgaben wieder zu erwirtschaften. 615 Als Zweites macht Google geltend, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA es ihr ermöglicht hätten, den Play Store kostenlos anzubieten, weil dessen Wert für die OEM und die Nutzer dem Wert entspreche, den die Werbung für ihren allgemeinen Suchdienst, die diese OEM betrieben, für Google darstelle. Der Vorschlag der Kommission, für den Play Store eine Lizenzgebühr zu erheben, stelle dieses Modell und seine positiven Auswirkungen auf den Wettbewerb in Frage (vgl. 993. Erwägungsgrund Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses). 616 Auch insoweit ist Google jedoch ihrer Beweislast für das Vorliegen objektiver Rechtfertigungsgründe nicht nachgekommen. 617 Die von Google bevorzugte Lösung, kostenlose Lizenzen zu erteilen, schließt jedenfalls die Anwendung der anderen Lösungen nicht aus, die die Kommission in Betracht gezogen hat, um Google in die Lage zu versetzen, die durch die Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf Google-Android-Geräten erzielten Einnahmen zu ersetzen, wie z. B. die Zahlung einer Lizenzgebühr für den Play Store, die eine unterschiedliche Behandlung von Geräten des unteren und des oberen Marktsegments zulässt. 618 Aus dem Vorstehenden folgt, dass Google nicht nachweisen kann, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA insoweit objektiv gerechtfertigt sind, als sie ihr die kostenlose Lizenzierung des Play Store ermöglichen. 619 Der zweite Teil, der sich auf die objektiven Rechtfertigungsgründe für die Vorinstallation bezieht, ist daher ebenso zurückzuweisen wie der zweite Klagegrund insgesamt, mit dem eine fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Vorinstallationsbedingungen der VVMA gerügt wird. D. Dritter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation 620 Mit dem dritten Klagegrund macht Google geltend, dass die Kommission bestimmte in den sortimentbezogenen VAE enthaltene Bestimmungen zu Unrecht als missbräuchlich angesehen habe. 1. Hintergrund a) Angefochtener Beschluss 621 Dem angefochtenen Beschluss zufolge gewährte Google bestimmten OEM und MNO Zahlungen unter der Bedingung, dass sie keinen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf einer Reihe von Mobilgeräten innerhalb eines vordefinierten Sortiments vorinstallierten oder unmittelbar nach dem Kauf zur Verfügung stellten (Erwägungsgründe 198 und 1195 des angefochtenen Beschlusses). 622 Aus dem angefochtenen Beschluss geht ferner hervor, dass es sich bei den geahndeten sortimentbezogenen VAE um diejenigen handelt, die vom 1. Januar 2011, dem Zeitpunkt, ab dem die Kommission feststellte, dass Google auf jedem nationalen Markt für allgemeine Suchdienste im EWR eine beherrschende Stellung innehabe, bis zum 31. März 2014, dem Zeitpunkt, zu dem eine von der Kommission angeführte sortimentbezogene VAE mit einem OEM endete, in Kraft waren (1333. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1) Zur Natur der sortimentbezogenen VAE 623 Die Kommission macht geltend, dass die sortimentbezogenen VAE Ausschließlichkeitszahlungen vorgesehen hätten. Sie weist darauf hin, dass nach diesen VAE der betreffende OEM oder MNO, wenn er einen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst auf einem unter das vordefinierte und akzeptierte Sortiment fallenden Gerät vorinstalliere, auf jeglichen Anteil an den auf das gesamte Sortiment entfallenden Einnahmen verzichten müsse. 624 Ferner weist die Kommission darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE sowohl im Fall der betroffenen OEM als auch der betroffenen MNO ein beträchtliches Segment der verkauften Mobilgeräte abdeckten. Interne Google-Dokumente bestätigten, dass der Zweck der sortimentbezogenen VAE darin bestanden habe, sicherzustellen, dass Google alle Erfordernisse dieser OEM und MNO in Bezug auf allgemeine Suchdienste auf den in diesen Sortimenten enthaltenen Geräten abdecke. Aus ihnen gehe auch hervor, dass Google sich bewusst gewesen sei, dass diese Praxis wettbewerbsrechtliche Bedenken hervorrufen könne (Erwägungsgründe 1195 bis 1205 des angefochtenen Beschlusses). 2) Zur Eignung der sortimentbezogenen VAE, den Wettbewerb zu beschränken 625 In den Erwägungsgründen 1206 und 1207 des angefochtenen Beschlusses macht die Kommission geltend, die Vermutung, dass die Ausschließlichkeitszahlungen von Google missbräuchlich seien, werde im vorliegenden Fall durch die Analyse ihrer Eignung, den Wettbewerb zu beschränken, bestätigt, insbesondere unter Berücksichtigung des Umfangs der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die beanstandete Praxis. 626 Zunächst stellt die Kommission fest, dass die sortimentbezogenen VAE die Anreize für die betroffenen OEM und MNO verringert hätten, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren. Erstens hätten diese OEM und MNO ohne die sortimentbezogenen VAE ein kommerzielles Interesse daran gehabt, solche Dienste zumindest auf einem Teil ihrer Google-Android-Geräte vorzuinstallieren. Zweitens hätten die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste diesen OEM und MNO nicht das gleiche Einnahmenniveau bieten können, das Google anbiete. Drittens seien die sortimentbezogenen VAE einer der Gründe dafür gewesen, dass die OEM und die MNO gezögert hätten, konkurrierende allgemeine Suchdienste auf ihren Google-Android-Geräten zu installieren (Erwägungsgründe 1208 bis 1281 des angefochtenen Beschlusses). 627 Weiter führt die Kommission aus, dass die sortimentbezogenen VAE den Zugang der Mitbewerber von Google zu den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste erschwert hätten. Erstens hätten diese Zahlungen die OEM und die MNO davon abgehalten, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren. Zweitens hätten die sortimentbezogenen VAE einen erheblichen Teil der relevanten Märkte abgedeckt. Drittens seien die konkurrierenden Dienste nicht in der Lage gewesen, den Wettbewerbsvorteil, den sich Google durch die streitige Praxis verschafft habe, durch alternative Vertriebskanäle wie Downloads auszugleichen (Erwägungsgründe 1282 bis 1312 des angefochtenen Beschlusses). 628 Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE die Innovation gehemmt hätten, weil sie die Markteinführung von Google-Android-Geräten, auf denen andere allgemeine Suchdienste als Google Search vorinstalliert seien, verhindert hätten. Ohne eine solche Praxis hätten die Nutzer eine größere Auswahl gehabt. Diese Praxis habe auch zum einen die Anreize für Mitbewerber verringert, innovative Funktionen zu entwickeln, weil sie sie daran gehindert habe, zusätzliche Suchanfragen und die für die Verbesserung ihrer Dienste erforderlichen Einnahmen und Daten zu erzielen, und zum anderen den Innovationsanreiz für Google verringert, weil sie dem Leistungswettbewerb nicht mehr ausgesetzt gewesen sei. Außerdem habe Google – selbst wenn ihre Praxis mit einer Phase der Verbesserung ihres allgemeinen Suchdienstes zusammengefallen sein sollte – nicht nachgewiesen, dass diese Praxis die Anreize für die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste oder deren Fähigkeit, die eigenen Dienste zu verbessern, nicht beeinträchtigt habe. Somit habe Google ihre Dienste in größerem Ausmaß verbessern können (Erwägungsgründe 1313 bis 1322 des angefochtenen Beschlusses). 629 Wie insbesondere aus dem 1259. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, hat die Kommission im vorliegenden Fall außerdem geprüft, ob die in Rede stehende Praxis geeignet war, Verdrängungswirkungen gegenüber Unternehmen zu entfalten, die als ebenso leistungsfähig wie das beherrschende Unternehmen anzusehen sind. Auf eine entsprechende Frage in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass sie die Merkmale eines solchen hypothetischen Wettbewerbers bei ihrer Beurteilung tatsächlich berücksichtigt hat. 3) Zum Vorliegen objektiver Rechtfertigungen 630 Die Kommission weist die von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen zurück. So macht sie erstens geltend, dass die sortimentbezogenen VAE nicht notwendig gewesen seien, um die OEM oder die MNO in der Anfangsphase zu überzeugen, Google-Android-Geräte zu verkaufen, weil diese Geräte im Januar 2011 bereits mehr als 40 % der weltweiten Verkäufe von intelligenten Mobilgeräten ausgemacht hätten, und dass das Ziel der VAE nicht der Verkauf von Google-Android-Geräten gewesen sei, sondern „die ausschließliche Installation des allgemeinen Suchdienstes“ von Google auf diesen Geräten. Zweitens habe Google nicht nachgewiesen, dass die sortimentbezogenen VAE notwendig gewesen seien, um es ihr zu ermöglichen, die Investitionen in Android zu amortisieren. Auch ohne die sortimentbezogenen VAE wäre Google immer noch in der Lage gewesen, mit Android beträchtliche Einnahmen zu erzielen. Drittens habe Google nicht nachgewiesen, dass die sortimentbezogenen VAE notwendig gewesen seien, damit Google-Android-Geräte mit Apple hätten konkurrieren können (Erwägungsgründe 1323 bis 1332 des angefochtenen Beschlusses). b) Zum Unterschied zwischen sortimentbezogenen und gerätebezogenen VAE 631 Die im angefochtenen Beschluss genannte Aufteilung der Werbeeinnahmen ist an die Bedingung geknüpft, dass auf sämtlichen im Voraus festgelegten Geräten eines Sortiments exklusiv Google Search vorinstalliert wird. Die OEM und die MNO müssen mit anderen Worten für jedes der erfassten Geräte die in den sortimentbezogenen VAE festgelegten Bedingungen erfüllen, um einen Anteil an den Werbeeinnahmen von Google zu erhalten. 632 Wie die Kommission im 197. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses feststellt, hat Google die sortimentbezogenen VAE jedoch seit März 2013 schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzt. Bei einer gerätebezogenen VAE hängt der Anteil eines OEM oder MNO an den Einnahmen von Google von der Anzahl der verkauften Geräte ab, die die Verpflichtung erfüllen, keine konkurrierenden allgemeinen Suchdienste vorinstalliert zu haben. Die gerätebezogenen VAE ermöglichen es einem OEM oder MNO somit, für ein und denselben Gerätetyp sowohl Geräte anzubieten, die ausschließlich den allgemeinen Suchdienst von Google vorsehen, als auch andere, die daneben konkurrierende allgemeine Suchdienste bereitstellen. 633 Anders als in der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission daher im angefochtenen Beschluss die gerätebezogenen VAE, die mehr als fünf Jahre vor dem Erlass dieses Beschlusses schrittweise eingeführt wurden, für sich genommen nicht als missbräuchliche Praxis angesehen. Die gerätebezogenen VAE sind jedoch nach wie vor integraler Bestandteil des sachlichen Kontexts, in dem die Kommission die Verdrängungswirkungen der Praktiken untersucht hat, die sie Google im angefochtenen Beschluss vorwirft (siehe oben, Rn. 448 bis 452). c) Zu den im Rahmen der sortimentbezogenen VAE aufgeteilten Einnahmen 634 Im Rahmen der sortimentbezogenen VAE gewährt Google einen Teil ihrer Werbeeinnahmen als Gegenleistung für die exklusive Vorinstallation von Google Search auf einer Reihe von Mobilgeräten, die in einem vordefinierten Sortiment enthalten sind. 635 Im 1240. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass diese VAE nicht die Einnahmen aus Suchanfragen erfassen, die auf Mobilgeräten über die Internet-Homepage von Google gestellt werden, was Google in Beantwortung einer vor der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts ausdrücklich bestätigt hat. 636 Mit anderen Worten erfassen die sortimentbezogenen VAE die Werbeeinnahmen aus Suchanfragen, die über Google Search, Chrome und die URL-Leiste anderer mobiler Internetbrowser ausgeführt werden, wenn die Suchmaschine von Google dort als Standard festgelegt ist. Eine Zusammenschau der Erwägungsgründe 1234 und 1240 des angefochtenen Beschlusses bestätigt diese Feststellung. d) Zum Nachweis der Missbräuchlichkeit einer Ausschließlichkeitszahlung 637 Dem angefochtenen Beschluss zufolge besteht der Zweck der sortimentbezogenen VAE darin, Google die Exklusivität bei der Vorinstallation von allgemeinen Suchanwendungen auf Mobilgeräten zu sichern. Diese Praxis führt zu einem Ergebnis, das im Wesentlichen mit dem der „Treuerabatte“ identisch ist, die im Mittelpunkt der Rechtssache standen, in der das Urteil vom6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), ergangen ist. Im vorliegenden Fall bezahlt Google die OEM und die MNO dafür, dass sie die exklusive Vorinstallation von Google Search gewährleisten. 638 In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, auf die Grundsätze hinzuweisen, die für die Beurteilung der sogenannten „Ausschließlichkeitszahlungen“ im Hinblick auf Art. 102 AEUV gelten, bevor die Begründetheit der von Google zur Stützung des dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente geprüft wird. 639 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass es in einer Situation, in der – wie im vorliegenden Fall – das Unternehmen, das von einem Verfahren nach Art. 102 AEUV betroffen ist, das zu seiner Verurteilung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung führen kann, im Rahmen dieses Verfahrens geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, Sache der Kommission ist, zur Feststellung des Verschuldens dieses Unternehmens die verschiedenen Umstände zu analysieren, die es ermöglichen, die sich aus der beanstandeten Praxis ergebende Wettbewerbsbeschränkung nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 137 und 138). 640 In einer solchen Situation ist die Kommission nicht nur verpflichtet, das Ausmaß der beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem maßgeblichen Markt und den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis sowie die Bedingungen und Modalitäten der in Rede stehenden Preispolitik, deren Dauer und die Höhe der Beträge zu prüfen, sondern sie ist außerdem verpflichtet, das Vorliegen einer eventuellen Strategie zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber zu prüfen. Desgleichen kann die Abwägung der für den Wettbewerb vorteilhaften und nachteiligen Auswirkungen der beanstandeten Praxis nur im Anschluss an eine Analyse der ihr innewohnenden Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber vorgenommen werden (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 139 und 140). 641 Für die Beurteilung der einer Praxis innewohnenden Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber kann ein sogenannter „As-Efficient-Competitor-Test“ (im Folgenden: AEC‑Test) hilfreich sein. 642 Der AEC‑Test bezieht sich auf einen hypothetisch ebenso leistungsfähigen Wettbewerber, bei dem davon ausgegangen wird, dass er seinen Kunden dieselben Preise berechnet und dabei dieselben Kosten hat wie das marktbeherrschende Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 40 bis 44). Um als „ebenso leistungsfähig“ wie das marktbeherrschende Unternehmen zu gelten, muss dieser hypothetische Wettbewerber für die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens nicht nur im Hinblick auf den Preis, sondern auch im Hinblick auf Auswahl, Qualität oder Innovation ebenso interessant sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 22). 643 Der AEC‑Test, der in den Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. 2009, C 45, S. 7, im Folgenden: Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch) erwähnt wird, zielt darauf ab, zwischen Verhaltensweisen, die ein marktbeherrschendes Unternehmen nicht anwenden darf, und solchen, die ihm erlaubt sind, zu unterscheiden. Der AEC‑Test stellt somit ein mögliches Raster für die Analyse der auf einen bestimmten Fall bezogenen und der beanstandeten Verdrängungswirkungen dar. Er ist jedoch nur einer von mehreren Faktoren, die herangezogen werden können, um anhand von qualitativen oder quantitativen Beweisen festzustellen, ob eine wettbewerbswidrige Verdrängung im Sinne von Art. 102 AEUV vorliegt. 644 Wird der AEC‑Test – wie im vorliegenden Fall – angewandt, muss er jedoch rigoros durchgeführt werden. Um im Hinblick darauf zu ermitteln, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Gefahr läuft, durch die beanstandete Praxis vom Markt verdrängt zu werden, muss die Kommission die wirtschaftlichen Daten in Bezug auf die Kosten und die Verkaufspreise untersuchen und insbesondere prüfen, ob das beherrschende Unternehmen Preise anbietet, die nicht kostendeckend sind. Diese Methode setzt jedoch voraus, dass ausreichend zuverlässige Daten verfügbar sind. Wenn dies der Fall ist, hat die Kommission die Kosteninformationen des marktbeherrschenden Unternehmens selbst zu verwenden. Um die erforderlichen Daten zu erhalten, verfügt sie über Untersuchungsbefugnisse. Darüber hinaus kann sie mangels zuverlässiger Daten bezüglich dieser Kosten beschließen, die Kosten von Mitbewerbern oder andere vergleichbare zuverlässige Daten heranzuziehen. 645 Im Fall von Ausschließlichkeitszahlungen besteht der Zweck des AEC‑Tests darin, zu beurteilen, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber wie das marktbeherrschende Unternehmen in der Lage gewesen wäre, mit diesen Zahlungen mitzuhalten oder sie zu überbieten. Wie aus dem angefochtenen Beschluss hervorgeht, bestand der Zweck des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests im vorliegenden Fall darin, zu beurteilen, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber wie Google ein strategisches oder wirtschaftliches Interesse daran haben konnte, den erzielbaren Anteil der von den sortimentbezogenen VAE erfassten allgemeinen Suchanfragen für sich zu gewinnen. 646 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Analyse, die die Kommission im angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, um die Wettbewerbswidrigkeit der sortimentbezogenen VAE nachzuweisen, insbesondere von zwei Reihen von Erwägungen abhängt, nämlich erstens von der Prüfung der Markterfassung durch diese Praxis und zweitens von den Ergebnissen des von ihr durchgeführten AEC‑Tests. 647 Im Licht dieser einleitenden Erwägungen ist die Begründetheit der von Google zur Stützung des dritten Klagegrundes vorgebrachten Argumente zu beurteilen. 648 Der dritte Klagegrund gliedert sich in drei Teile. Mit dem ersten Teil rügt Google, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die sortimentbezogenen VAE eine Ausschließlichkeitsbedingung enthielten. Mit dem zweiten, in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Teil macht Google geltend, dass der angefochtene Beschluss auf einem Begründungsmangel beruhe, weil die Kommission nicht begründet habe, inwiefern eine Praxis, durch die der relevante Markt nur in begrenztem Umfang erfasst werde, den Wettbewerb beschränke. Mit dem dritten Teil macht Google geltend, dass die Kommission die Wettbewerbswidrigkeit der VAE in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend nachgewiesen habe. 2. Erster Teil: Natur der sortimentbezogenen VAE a) Vorbringen der Parteien 649 Google macht geltend, die Kommission hätte die sortimentbezogenen VAE nicht als Ausschließlichkeitsvereinbarungen einstufen dürfen. Eine Ausschließlichkeitssituation könne abstrakt gesehen nur dann vorliegen, wenn der gesamte Bedarf eines Kunden abgedeckt werde. Erstens seien die sortimentbezogenen VAE aber nicht dazu bestimmt gewesen, den Bedarf der OEM und der MNO an Suchdiensten für andere als Android-Mobilgeräte oder für Computer zu decken. Zweitens beträfen die sortimentbezogenen VAE nur einen der Einstiegspunkte zu allgemeinen Suchdiensten. Sie verpflichteten die OEM und die MNO eindeutig, Einstiegspunkte für konkurrierende allgemeine Suchdienste beizubehalten. Drittens seien einige der sortimentbezogenen VAE räumlich begrenzt. 650 Die Kommission weist darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE den „Höhepunkt“ der verschiedenen eng miteinander verflochtenen und im angefochtenen Beschluss geahndeten Praktiken darstellten. Die OEM hätten, um einen Anteil an den Einnahmen aus den Suchanfragen zu erhalten, die über den allgemeinen Suchdienst von Google auf Geräten mit von Google genehmigten Android-Versionen gestellt worden seien, zunächst eine AFV und eine VVMA und sodann eine sortimentbezogene VAE abschließen müssen, wobei Letztere die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen der AFV und der VVMA verstärkten. Darüber hinaus sei keiner der drei Gründe, aus denen Google bestreite, dass es sich bei den sortimentbezogenen VAE um Ausschließlichkeitsvereinbarungen handele, überzeugend, weil sie sich alle auf das Ausmaß der Markterfassung durch die VAE und nicht auf deren Ausschließlichkeitscharakter bezögen. b) Würdigung durch das Gericht 651 Erstens ergibt sich eine Ausschließlichkeitssituation, wie Google vorträgt, daraus, dass ein Unternehmen den gesamten Bedarf eines Kunden oder einen beträchtlichen Teil davon abschottet. Das Verhalten eines Unternehmens, das auf einem Markt eine beherrschende Stellung innehat und Abnehmer durch die Verpflichtung oder Zusage, ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon ausschließlich von ihm zu beziehen, an sich bindet, kann nämlich einen Missbrauch seiner beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verpflichtung ohne Weiteres oder gegen eine Rabattgewährung eingegangen worden ist. Das Gleiche gilt, wenn ein solches Unternehmen, ohne die Abnehmer durch eine förmliche Verpflichtung zu binden, kraft Vereinbarung mit ihnen oder aber einseitig ein System von Treuerabatten anwendet, also Nachlässe, die daran gebunden sind, dass der Abnehmer, unabhängig im Übrigen vom Umfang seiner Käufe, seinen Gesamtbedarf oder einen wesentlichen Teil hiervon ausschließlich bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung deckt (Urteile vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, EU:C:1979:36, Rn. 89, und vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 137). 652 Um das Argument von Google zu beurteilen, dass die Kommission die sortimentbezogenen VAE zu Unrecht als Ausschließlichkeitsvereinbarungen eingestuft habe, muss daher geprüft werden, ob die Kunden von Google, die OEM und die MNO, nach diesen Vereinbarungen die Möglichkeit hatten, für ihren gesamten Bedarf oder einen beträchtlichen Teil davon auch die Dienstleistungen oder Produkte von Mitbewerbern des marktbeherrschenden Unternehmens in Anspruch zu nehmen. 653 Im vorliegenden Fall und unbeschadet der Prüfung der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste, die Gegenstand des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes ist, ist festzustellen, dass Google nicht bestreitet, dass die sortimentbezogenen VAE einen finanziellen Vorteil darstellten, der den OEM und den MNO unter der Bedingung gewährt wurde, dass sie keinen anderen allgemeinen Suchdienst als Google Search auf einer Reihe von Mobilgeräten vorinstallierten, die in einem vordefinierten Sortiment enthalten waren. Ebenso ist unstreitig, dass die sortimentbezogenen VAE für die betreffenden OEM und MNO, soweit sie mit einem allgemeinen Suchdienst ausgestattete intelligente Mobilgeräte vermarkten wollten, einen Anreiz darstellten, ihren Bedarf bei Google zu decken und deren Mitbewerber für einen erheblichen Teil dieser Geräte auszuschließen (vgl. Erwägungsgründe 1197 und 1199 des angefochtenen Beschlusses). 654 Zweitens macht Google geltend, dass die sortimentbezogenen VAE den Zugang zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten nicht ausgeschlossen hätten, weil diese trotz der exklusiven Vorinstallation von Google Search zugänglich geblieben seien. Dies gelte für das Herunterladen konkurrierender Anwendungen oder den direkten Zugang über andere mobile Internetbrowser als Chrome. 655 Insoweit ergibt sich aus der oben angeführten Rechtsprechung zu Ausschließlichkeitsvereinbarungen, dass der Begriff der Ausschließlichkeit danach zu beurteilen ist, ob die Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens die Möglichkeit haben, identische Leistungen der Mitbewerber dieses Unternehmens in Anspruch zu nehmen. Die Ausschließlichkeit ist also nicht anhand des Verhaltens der Nutzer, sondern anhand des Verhaltens der Kunden des marktbeherrschenden Unternehmens zu beurteilen. Das Argument von Google, dass der Nutzer von sich aus auf mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste zurückgreifen könne, indem er diese Anwendungen oder andere Browser als Chrome herunterlade, ist daher als ins Leere gehend zurückzuweisen. 656 Drittens macht Google geltend, dass der räumliche Geltungsbereich bestimmter sortimentbezogener VAE auf bestimmte Mitgliedstaaten beschränkt gewesen sei. Wie die Kommission jedoch zutreffend feststellt, bestreitet Google nicht, dass es sich bei den erfassten Märkten um alle einzeln betrachteten nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste handelt. Der Umstand, dass einige sortimentbezogene VAE nur für eine begrenzte Anzahl von Mitgliedstaaten gelten, kann eine Ausschließlichkeitswirkung auf den betreffenden nationalen Märkten nicht ausschließen. 657 Google kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission mit der Einstufung der in Rede stehenden Zahlungen als Ausschließlichkeitszahlungen einen Beurteilungsfehler begangen habe. 3. Zweiter Teil: Unzureichende Begründung 658 In der mündlichen Verhandlung hat Google geltend gemacht, dass der angefochtene Beschluss unzureichend begründet sei. Die Kommission habe nämlich in keiner Weise dargelegt, inwiefern eine Praxis, durch die der relevante Markt nach Auffassung von Google nur eingeschränkt erfasst werde, den Wettbewerb beschränken könne. 659 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die nach Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet zu beurteilen ist (Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 99). 660 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gründe, aus denen die Kommission die sortimentbezogenen VAE als missbräuchlich eingestuft hat, in den Erwägungsgründen 1188 bis 1336 des angefochtenen Beschlusses dargelegt werden, die der Prüfung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE gewidmet sind. Im Rahmen dieser Begründung hat sich die Kommission in den Erwägungsgründen 1286 bis 1304 mit der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis befasst. 661 In Anbetracht dieser Erwägungen und des dagegen gerichteten Vorbringens von Google im dritten Teil des vorliegenden Klagegrundes ist das Gericht der Auffassung, dass Google in der Lage war, der Analyse der Kommission in diesem Punkt sachdienlich entgegenzutreten, und dass es selbst in der Lage ist, die Begründetheit dieses Vorbringens zu beurteilen. 662 Folglich ist die von Google erhobene Rüge eines Begründungsmangels als unbegründet zurückzuweisen. 4. Dritter Teil: Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung 663 Google macht geltend – was die Kommission bestreitet –, dass die in den sortimentbezogenen VAE enthaltene Bedingung der exklusiven Vorinstallation im angefochtenen Beschluss nicht ordnungsgemäß im Licht aller relevanten Umstände geprüft worden sei, um ihre Verdrängungswirkungen festzustellen. 664 Erstens berücksichtige der angefochtene Beschluss nicht, dass durch die streitige Praxis nur ein geringer Anteil des Marktes erfasst worden sei und ihre Auswirkungen unbedeutend seien. Zweitens werde im angefochtenen Beschluss die Eignung der sortimentbezogenen VAE, hypothetisch ebenso leistungsfähige Wettbewerber zu verdrängen, insbesondere die Fähigkeit dieser Wettbewerber, die VAE auszugleichen, falsch beurteilt. Drittens lasse der angefochtene Beschluss die Bedingungen für die Gewährung der in Rede stehenden Zahlungen außer Acht, die den Nutzern einen ungehinderten Zugang zu den Mitbewerbern beließen. Viertens habe die Kommission keinen gültigen kontrafaktischen Test durchgeführt. a) Zur Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE und zu deren Auswirkungen 1) Angefochtener Beschluss 665 Im angefochtenen Beschluss hat die Kommission festgestellt, dass die sortimentbezogenen VAE einen „signifikanten Teil“ der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste erfasst hätten (1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 666 Erstens weist die Kommission zur Untermauerung dieser Feststellung darauf hin, dass die sortimentbezogenen VAE mit den wichtigsten OEM, die Google-Android-Smartphones verkauften, und mit den wichtigsten auf dem europäischen Markt tätigen MNO abgeschlossen worden seien. Nach Angaben der Kommission sollen die betreffenden OEM in den Jahren 2011-2012 nahezu [80-90] % der Google-Android-Smartphones auf dem europäischen Markt verkauft haben. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Google-Android-Smartphones 56 % aller in den Jahren 2011-2012 verkauften Smartphones ausmachten, schließt die Kommission daraus, dass die sortimentbezogenen VAE [40-50] % aller in diesem Zeitraum in Europa verkauften Smartphones erfasst hätten. Die Kommission stellt insoweit klar, dass sie nicht alle von den MNO im Rahmen ihrer sortimentbezogenen VAE verkauften Smartphones einbezogen habe, weil diese für die beiden einbezogenen MNO nur einen sehr geringen Teil der genannten Verkäufe ausgemacht hätten (Erwägungsgründe 1287 bis 1289 und Fn. 1376 des angefochtenen Beschlusses). 667 Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass der Anteil der Suchanfragen, die von allen Mobilgeräten über Google Search gestellt worden seien, im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 deutlich gestiegen sei und 2014 fast [30-40] % der im EWR durchgeführten Google-Suchanfragen ausgemacht habe (1290. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 668 Drittens verweist die Kommission darauf, dass die sortimentbezogenen VAE ab 2013 durch die gerätebezogenen VAE ersetzt worden seien, die 2013 fast [50-60] % und 2014 fast [60-70] % der Google-Android-Geräte erfasst hätten. Ebenso weist die Kommission darauf hin, dass Google Search im Apple-Browser Safari und damit für sämtliche iPhones als Standard festgelegt gewesen sei. Google Search sei somit bei der großen Mehrheit der verbleibenden Mobilgeräte oder PCs vorinstalliert oder in einem Browser als Standard festgelegt gewesen (Erwägungsgründe 1291 bis 1293 und 1298 des angefochtenen Beschlusses). 669 Viertens habe sich der Anteil der von Google-Android-Geräten ausgehenden Suchanfragen 2013 auf [10-20] % und 2014 auf [10-20] % der gesamten Google-Suchanfragen im EWR belaufen (1294. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses; für 2011 und 2012 seien diese Daten nicht verfügbar). 670 Fünftens weist die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen von Google, dass die sortimentbezogenen VAE – selbst in Anbetracht bestimmter in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigter Daten, die die Möglichkeit konkurrierender allgemeiner Suchdienste betroffen hätten, mit der Höhe der den betreffenden OEM oder MNO gewährten Zahlungen mitzuhalten (vgl. Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses) – nur minimale „Auswirkungen“ gehabt hätten, darauf hin, dass diese „Auswirkungen“ zwar Google als minimal hätten erscheinen können, für die Suchdienste jedoch erheblich gewesen seien, insbesondere weil die bei der Analyse herangezogenen Suchanfragen für sie zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der allgemeinen Suche, nämlich dem Übergang von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten, eine „erhebliche Menge zusätzlicher Suchanfragen“ dargestellt hätten (Erwägungsgründe 1299 bis 1302 des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission macht ferner geltend, dass sich die weitgehende Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis daraus ergebe, dass die in Rede stehende Art der Suche es ermöglicht habe, wertvolle Standortdaten zu erheben, die als solche den allgemeinen Suchdienst und die daraus resultierenden Werbeeinnahmen hätten verbessern können (1298. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 2) Vorbringen der Parteien 671 Google weist darauf hin, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 1286, 1287 und 1295 des angefochtenen Beschlusses behaupte, dass die sortimentbezogenen VAE „einen erheblichen Teil der relevanten nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste“ erfasst hätten, weil die VAE für die „wichtigsten OEM“, die Google-Android-Geräte vertrieben, und für die „wichtigsten auf dem europäischen Markt tätigen MNO“ gegolten hätten. Diese Beurteilung lasse den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis außer Acht. Eine ordnungsgemäße Analyse der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE sei nämlich von dem Anteil der Suchanfragen abhängig, die auf Google-Android-Geräte entfielen, sowie von dem Anteil der Google-Android-Geräte, die den sortimentbezogenen VAE unterlägen. 672 Google gibt in Rn. 262 der Klageschrift bzw. – unter Berücksichtigung der dazu von der Kommission abgegebenen Stellungnahme – in Rn. 172 der Erwiderung an, dass die sortimentbezogenen VAE während des Zeitraums des behaupteten Missbrauchs durchschnittlich nur [0-5] % der nationalen „Märkte“ für die allgemeine Suche erfasst hätten. Diese „Märkte“ hätten nämlich dem 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zufolge „Suchanfragen über PCs und intelligente Mobilgeräte“ umfasst, und von den sortimentbezogenen VAE, die nur für bestimmte Smartphones gegolten hätten, sei nur ein unwesentlicher Teil der während des relevanten Zeitraums gestellten Suchanfragen betroffen gewesen. Zudem hätten zahlreiche OEM und MNO nie eine sortimentbezogene VAE unterzeichnet. Ein Erfassungsgrad von durchschnittlich [0-5] % im Zeitraum von 2011 bis 2014 lasse daher nicht den Schluss zu, dass die VAE den Zugang der Mitbewerber zu den relevanten Märkten „erschwert oder sogar unmöglich [gemacht]“ hätten. Ein solcher Erfassungsgrad liege zudem deutlich unter der Markterfassung durch Praktiken, die in früheren Sachen als missbräuchlich eingestuft worden seien (39 %, 40 % oder 85 %). 673 Der Kritik der Kommission, Google habe Zahlen für verkaufte und nicht für benutzte Geräte verwendet, hält Google entgegen, dass im angefochtenen Beschluss selbst die Zahl der verkauften Geräte als Maßstab für die Markterfassung herangezogen worden sei. Google fügt hinzu, selbst wenn man ihre Berechnungen dahingehend ändere, dass die in Gebrauch befindlichen Geräte einbezogen würden, und davon ausgehe, dass jedes verkaufte Gerät eine geschätzte Lebensdauer von etwa zwei Jahren habe, würde sich das nur minimal auf den Grad der Marktabdeckung auswirken. 674 Ergänzend weist Google darauf hin, dass die konkurrierenden Suchdienste nach Ansicht der Kommission, wie aus dem 1226. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgehe, höchstens [0-5] % der Suchanfragen auf Google-Android-Geräten, die der Aufteilung der Einnahmen unterlägen, hätten erzielen können, wenn ihre Anwendung neben der Anwendung Google Search vorinstalliert gewesen wäre. In Anbetracht der berücksichtigten Märkte und gemäß der eigenen Analyse der Kommission seien die Auswirkungen der sortimentbezogenen VAE auf die Anteile an den allgemeinen Suchanfragen im EWR daher in jedem Jahr der behaupteten Zuwiderhandlung äußerst gering gewesen. 675 Angesichts der geringen Markterfassung durch die beanstandeten sortimentbezogenen VAE und ihrer zu vernachlässigenden Auswirkungen sei den Gründen, die für die Feststellung angeführt worden seien, dass der Grad der Erfassung durch die Bedingung der exklusiven Vorinstallation „erheblich“ gewesen sei, nicht zu folgen. 676 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass der von Google behauptete Grad der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE die im angefochtenen Beschluss getroffene Feststellung des Ausmaßes dieser Erfassung aus den dort genannten Gründen nicht entkräfte. 677 Insbesondere könnten die jährlichen Verkäufe nicht mit der Zahl der den sortimentbezogenen VAE unterworfenen Geräte gleichgesetzt werden, ohne die in den Vorjahren getätigten Verkäufe noch in Betrieb befindlicher Geräte zu berücksichtigen. Außerdem stütze Google ihre Berechnung der Auswirkungen ohne nähere Erläuterung auf den erzielbaren Marktanteil von [0-5] % und nicht auf den Anteil von 22,5 %, den ein Mitbewerber erreichen könne, wenn sein Suchdienst in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt wäre. 678 Der VDZ macht geltend, der Grad der Markterfassung sei nicht relevant, weil der Wettbewerb so weit wie möglich geschützt werden müsse, sobald der Markt beherrscht werde. In diesem Zusammenhang hätten die sortimentbezogenen VAE dazu beigetragen, die marktbeherrschende Stellung von Google zu stärken, indem sie die OEM daran gehindert hätten, den Nutzern ein Multihoming anzubieten. 3) Würdigung durch das Gericht 679 Macht das betroffene Unternehmen, wie im vorliegenden Fall, im Verwaltungsverfahren unter Vorlage von Beweisen geltend, dass eine von ihm eingeführte Ausschließlichkeitspraxis nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die ihm von der Kommission vorgeworfenen Verdrängungswirkungen zu erzeugen, ist die Kommission u. a. verpflichtet, den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis zu untersuchen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 138 und 139). 680 Eine solche Untersuchung ermöglicht es, die auf die beanstandete Praxis zurückzuführenden Auswirkungen der Abschottung des relevanten Marktes zu ermitteln, um insbesondere festzustellen, welcher Teil dieses Marktes infolge der durch die streitigen Zahlungen gewährten Exklusivität dem Wettbewerb entzogen wird. 681 Aus dem 1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht jedoch unmissverständlich hervor, dass die Kommission der Auffassung war, dass die von Google mit bestimmten OEM und MNO geschlossenen sortimentbezogenen VAE einen erheblichen Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste im EWR erfassten. 682 Desgleichen geht aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass diese unterschiedlichen Märkte sämtliche allgemeinen Suchanfragen umfassten, die von allen Gerätetypen aus durchgeführt wurden, einschließlich mobiler Geräte mit anderen BS als Android und PCs (vgl. z. B. 353. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 683 Wie Google insoweit geltend macht, ergibt sich auch aus den verschiedenen Beispielen aus der bisherigen Praxis der Kommission, dass diese eine Erfassung des relevanten Marktes zwischen 39 % und 85 % als erheblich angesehen hat. 684 Im vorliegenden Fall ist der von der Kommission als erheblich angesehene Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Praxis als solcher jedoch wesentlich geringer als derjenige, den sie in ihrer früheren Praxis zugrunde gelegt hatte. Nach den von Google hierzu vorgelegten Daten soll er nämlich weniger als 5 % des von der Kommission definierten Marktes ausgemacht haben. 685 Obwohl die Kommission geltend macht, dass der von Google in der Klageschrift und anschließend in der Erwiderung angegebene Umfang der Markterfassung die Zahl der Geräte unterschätze, die im relevanten Zeitraum der Zuwiderhandlung Gegenstand der sortimentbezogenen VAE gewesen seien, lassen die Daten und Erläuterungen, die Google hierzu vorgelegt hat, deren Berechnung plausibel erscheinen. 686 Dies gilt umso mehr, als die Kommission – obwohl ihr dies nach der in Rn. 679 angeführten Rechtsprechung oblegen hätte – nicht angegeben hat, in welchen Umfang die verschiedenen Märkte, die sie selbst für ihre Analyse als relevant erachtete, nach ihrer eigenen Einschätzung von sortimentbezogenen VAE erfasst worden sein sollen. 687 Die Argumente, aus denen die Kommission im angefochtenen Beschluss den Schluss gezogen hat, dass durch die sortimentbezogenen VAE ein erheblicher Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste im EWR erfasst worden sei, beziehen sich nämlich entweder nur auf ein Segment der verschiedenen relevanten Märkte, und zwar das Segment der von einem intelligenten Mobilgerät ausgehenden allgemeinen Suchanfragen, oder auf Umstände, die mit den Auswirkungen der streitigen Praxis auf diese Märkte nichts zu tun haben. 688 So stellt die Kommission erstens in den Erwägungsgründen 1287 bis 1289 des angefochtenen Beschlusses zum einen fest, dass die sortimentbezogenen VAE im Wesentlichen die wichtigsten OEM (die Kommission nennt drei) und MNO (die Kommission nennt vier) im EWR gebunden hätten, und zum anderen, dass die diese OEM bindenden sortimentbezogenen VAE [40-50] % aller 2011 und 2012 in Europa verkauften Smartphones betroffen hätten. Diese Feststellungen stützen jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass die nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste in erheblichem Umfang durch die sortimentbezogenen VAE erfasst worden seien. Sie zeigen, dass nur ein Segment dieser Märkte betroffen war, nämlich das der mobilen Suche. Dieser Anteil ist umso mehr zu relativieren, als aus dem 1288. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dass der Anteil der von OEM verkauften Google-Android-Smartphones, die von den sortimentbezogenen VAE erfasst wurden, im Zeitraum von 2011 bis 2014 allmählich von [70-80] % im Jahr 2011 auf [5-10] % im Jahr 2014 zurückging. 689 Zwar geht aus dem 1292. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass Google die sortimentbezogenen VAE ab 2013, dem Jahr, in dem der Anteil der von ihnen erfassten Google-Android-Smartphones stark zurückging, schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzte. Die Kommission stellt fest, dass diese gerätebezogenen VAE [50-60] % bzw. [60-70] % der 2013 und 2014 verkauften Google-Android-Smartphones erfasst hätten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Umfang der Markterfassung durch eine als wettbewerbswidrig eingestufte Ausschließlichkeitspraxis grundsätzlich nicht unter Berücksichtigung von Praktiken ermittelt werden darf, die ihrerseits als nicht wettbewerbswidrig angesehen werden. Für die Beurteilung des Umfangs der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE ist es daher unerheblich, dass diese seit 2013 schrittweise durch gerätebezogene VAE ersetzt wurden. 690 Zweitens stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 1290 und 1297 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die auf allen Mobilgeräten über Google Search durchgeführten allgemeinen Suchanfragen im Zeitraum zwischen 2012 und 2014 stetig zugenommen und 2014 [30-40] % aller Google-Anfragen im EWR ausgemacht hätten. Mit dieser Feststellung lässt sich jedoch nicht der behauptete erhebliche Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE nachweisen, sondern lediglich die Bedeutung, die Google Search als Einstiegspunkt auf Mobilgeräten für Google hatte. 691 Drittens stützt die Kommission in den Erwägungsgründen 1293 und 1298 des angefochtenen Beschlusses den angeblich erheblichen Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE auf die Feststellung, dass Google Search in dem – in die von Apple verkauften Mobilgeräte integrierten – Browser Safari als Standard festgelegt sei. Wie Google jedoch geltend macht, gehört ihre Vereinbarung mit Apple nicht zu den im angefochtenen Beschluss genannten sortimentbezogenen VAE. 692 Viertens stellt die Kommission im 1294. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fest, dass der Anteil der von Google Android-Mobilgeräten ausgehenden Suchanfragen [10-20] % bzw. [10-20] % aller 2013 und 2014 durchgeführten Google-Suchanfragen betragen habe. Diese Feststellung untermauert jedoch nicht den behaupteten erheblichen Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste, sondern belegt das Gegenteil. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass alle Google Android-Mobilgeräte in den Jahren 2013 und 2014 sortimentbezogenen VAE unterlegen hätten, was nicht der Fall war, und dass Google sämtliche Anteile an den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste gehalten hätte, was ebenfalls nicht der Fall war, auch wenn ihre Marktanteile dem nahe kamen, hätte die theoretische Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die sortimentbezogenen VAE in den Jahren 2013 und 2014 nicht mehr als [10-20] % bzw. [10-20] % ausmachen können. Die Kommission hat das Ergebnis dieser rein theoretischen Berechnung in ihrer Antwort auf eine vor der mündlichen Verhandlung gestellte Frage des Gerichts ausdrücklich anerkannt. 693 Unter diesen Umständen kann der Umfang der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis nicht als erheblich eingestuft werden. 694 Zwar weist die Kommission in Erwiderung auf das Argument von Google, dass die sortimentbezogenen VAE – selbst in Anbetracht bestimmter in der Mitteilung der Beschwerdepunkte berücksichtigter Daten, die die Möglichkeit konkurrierender allgemeiner Suchdienste betroffen hätten, mit der Höhe der den betreffenden OEM oder MNO gewährten Zahlungen mitzuhalten (vgl. Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses) – nur minimale „Auswirkungen“ gehabt hätten, darauf hin, dass diese „Auswirkungen“ zwar Google als minimal hätten erscheinen können, für diese Suchdienste jedoch erheblich gewesen seien, insbesondere weil die bei dieser Analyse herangezogenen Suchanfragen für sie zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der Entwicklung der allgemeinen Suche, nämlich dem Übergang von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten, eine „erhebliche Menge zusätzlicher Suchanfragen“ dargestellt hätten (Erwägungsgründe 1299 bis 1302 des angefochtenen Beschlusses). Ferner macht die Kommission in Erwiderung auf ein anderes Argument von Google geltend, dass sich der erhebliche Umfang der Erfassung der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste durch die streitige Praxis auch daraus ergebe, dass die fragliche Art der Suche die Gewinnung wertvoller Standortdaten ermöglicht habe, die als solche den allgemeinen Suchdienst und die daraus resultierenden Werbeeinnahmen hätten verbessern können (1298. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 695 Auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss dargelegten und oben geprüften Erwägungen reichen diese Feststellungen jedoch nicht aus, um den Umfang der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis als erheblich einzustufen. 696 Anders wäre es gewesen, wenn sich die Kommission dafür entschieden hätte, geltend zu machen – was sie nicht getan hat –, trotz eines nicht erheblichen Umfangs der Erfassung der relevanten Märkte durch die beanstandete Praxis seien das von ihr erfasste Segment oder auch nur die hierdurch betroffenen OEM und MNO von so großer strategischer Bedeutung gewesen, dass die auf diese Praxis zurückzuführende Abschottungswirkung die mit Google konkurrierenden allgemeinen Suchdienste von den relevanten Märkten hätte ausschließen können. Dadurch wären diesen konkurrierenden Diensten dann ausreichende Möglichkeiten genommen worden, sich durch den Eintritt in diese Märkte oder durch die Expansion auf ihnen dem Leistungswettbewerb zu stellen, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem es sowohl für Google als auch für ihre Mitbewerber wie Microsoft wichtig war, sich den Herausforderungen des Übergangs von der allgemeinen Suche auf dem PC zur allgemeinen Suche auf Mobilgeräten zu stellen. 697 Eine solche Darlegung ist dem angefochtenen Beschluss aber nicht zu entnehmen, weil die Kommission sie dort lediglich angedeutet und unzureichend untermauert hat, und zwar in einem Abschnitt, der mit dem Hinweis beginnt, ihre Schlussfolgerung, dass durch die sortimentbezogenen VAE ein erheblicher Teil der nationalen Märkte für allgemeine Suchdienste erfasst worden sei, werde durch die von Google hierzu vorgebrachten Argumente nicht in Frage gestellt (vgl. 1295. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 698 Aus der gesamten Analyse der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE folgt, dass deren Umfang im 1286. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses fälschlich als „signifikant“ eingestuft worden ist. Dieser Fehler ist daher bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE als solcher zu berücksichtigen. 699 Darüber hinaus müssen die Argumente geprüft werden, mit denen Google geltend macht, dass die Kommission bei der Beurteilung der Bedingungen, unter denen ein mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber den durch die sortimentbezogenen VAE erzielten Wettbewerbsvorteil habe ausgleichen können, Fehler begangen habe. b) Zum Ausgleich der sortimentbezogenen VAE 1) Angefochtener Beschluss 700 Im angefochtenen Beschluss stellt die Kommission fest, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage sei, den Verlust an Werbeeinnahmen auszugleichen, den die betroffenen OEM und MNO hinnehmen müssten, wenn neben Google Search eine konkurrierende Anwendung vorinstalliert würde. Als Erstes stützt sich die Kommission auf die folgenden Daten (Erwägungsgründe 1225 bis 1271 des angefochtenen Beschlusses). 701 Zunächst könne ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nach Ansicht der Kommission nicht erwarten, mehr als höchstens [0-5] % der auf einem Mobilgerät durchgeführten Suchanfragen für sich zu gewinnen, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Dieser erzielbare Anteil würde nach Ansicht der Kommission auf 22,5 % steigen, wenn die OEM und die MNO zusätzlich zur Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung eine konkurrierende Suchmaschine in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festlegten. 702 Erstens weist die Kommission darauf hin, dass aufgrund der VVMA eine mit Google Search konkurrierende Anwendung nur als Ergänzung zu Google Search, nicht aber an deren Stelle vorinstalliert werden könne. Nach Angaben einiger OEM und einiger Mitarbeiter von Google herrsche auch Unklarheit über die in der VVMA vorgesehene Verpflichtung, die Suchmaschine von Google in anderen mobilen Internetbrowsern als Chrome als Standard festzulegen. Wenn die Suchmaschine von Google in allen mobilen Internetbrowsern als Standard eingestellt wäre, hätte ein konkurrierender Dienst allenfalls darauf hoffen können, dass seine mobile Anwendung neben Google Search vorinstalliert werde. 703 Zweitens gibt die Kommission detailliert an, wie sie den Anteil berechnet, der sich erzielen ließe, wenn eine konkurrierende Suchanwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Zum einen berücksichtigt sie den Prozentsatz (12 %) der über PCs bei allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten im Zeitraum von 2011 bis 2014 durchgeführten Suchanfragen und übernimmt diesen Prozentsatz als hypothetischen Anteil bei Suchanfragen über Mobilgeräte. Zum anderen setzt sie den Anteil der von Google erzielten Suchanfragen, die über Google Search durchgeführt wurden, mit [30-40] % an. Der erzielbare Anteil entspreche somit [0-5] % der über diese Anwendung gestellten Suchanfragen. Das ergebe sich daraus, dass bei dieser Hypothese jede Anwendung eines konkurrierenden Suchdienstes nach den VVMA neben Google Search vorinstalliert sein müsse. Nach Ansicht der Kommission ist dieser Prozentsatz für Google günstig. 704 Drittens gibt die Kommission detailliert an, wie sie den Anteil von 22,5 % berechnet, der sich erzielen ließe, wenn eine konkurrierende Suchmaschine darüber hinaus in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt würde. Dieser Prozentsatz ergibt sich aus der Summe des über eine mobile Anwendung erzielbaren Anteils der Suchanfragen ([0-5] %) und des Anteils der Suchanfragen, die Google über die URL-Leiste eines mobilen Internetbrowsers erhält ([10-20] %). 705 Sodann stellt die Kommission fest, dass die OEM und die MNO zwischen [0-20] % und [30-50] % der unter die sortimentbezogenen VAE fallenden Werbeeinnahmen von Google erhielten. 706 Schließlich hätten die sortimentbezogenen VAE nach Angaben der Kommission nur [70-80] % der von Google mit Suchanfragen erzielten Werbeeinnahmen erfasst. Die Kommission stellt nämlich fest, dass die sortimentbezogenen VAE die über die Homepage von Google generierten Einnahmen nicht betroffen hätten. 707 Als Zweites macht die Kommission im Licht dieser Daten geltend, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage gewesen wäre, den Verlust der Einnahmen aus allen von den sortimentbezogenen VAE erfassten Geräten auszugleichen. Die Kommission zieht zwei verschiedene Szenarien in Betracht, die jeweils davon abhängen, ob die VVMA die Verpflichtung, die Suchmaschine von Google in anderen mobilen Internetbrowsern als Standard festzulegen, vorsehen oder nicht. 708 Für den Fall, dass eine solche Verpflichtung nicht besteht, führt die Kommission aus, dass ein konkurrierender Dienst, um mit einer Beteiligung von [30-40] % an den Einnahmen mitzuhalten, auf mehr als 100 % seiner Werbeeinnahmen verzichten müsste. Die Kommission fügt hinzu, dass ein konkurrierender Dienst auf mehr als [70-80] % seiner Werbeeinnahmen verzichten müsste, um mit einer Beteiligung an den Einnahmen von [10-20] % mitzuhalten. Dieser Prozentsatz sinke bei einer Beteiligung von [10-20] % an den Werbeeinnahmen von Google auf [50-60] % und bei einer Beteiligung von [10-20] % an diesen Einnahmen auf [30-40] %. Diese Unterschiede ließen sich dadurch erklären, dass Google fast [70-80] % ihrer Werbeeinnahmen aufteile, während ein konkurrierender Dienst je nach dem für ihn erzielbaren Anteil höchstens 22,5 % dieser Einnahmen aufteilen könne. 709 Zudem weist die Kommission darauf hin, dass diese Berechnung nur dann gelte, wenn die konkurrierenden Dienste im Fall einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [70-80] % der von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräte, im Falle einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [50-60] % dieser Mobilgeräte und im Falle einer Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf mindestens [30-40] % dieser Mobilgeräte vorhanden seien. Bei einer Einnahmebeteiligung von [30-40] % sei ein Ausgleich in jedem Fall unmöglich. 710 Die Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchdienste auf einer großen Zahl von Mobilgeräten erweise sich in der Praxis als schwierig, insbesondere bei solchen Diensten, die sich an eine kleinere Gruppe von Verbrauchern richteten, wie z. B. der Dienst von Seznam, der sich an tschechischsprachige Nutzer richte. Erschwerend komme hinzu, dass die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste nur darauf hoffen könnten, auf neuen Mobilgeräten vorinstalliert zu werden, nicht aber auf bereits im Umlauf befindlichen Geräten. Je mehr Google Android-Mobilgeräte im Umlauf seien, desto höher sei der Prozentsatz der Einnahmen, auf den die konkurrierenden Dienste verzichten müssten, um die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. 711 Für den Fall hingegen, dass eine solche Verpflichtung besteht, Google Search in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festzulegen, bleibt nach Ansicht der Kommission kein Raum für Zweifel. Um auch nur eine Beteiligung von [10-20] % an den Werbeeinnahmen von Google zu kompensieren, müsse ein konkurrierender Dienst mehr als 100 % seiner eigenen Einnahmen anbieten. Als weitere Hürde komme hinzu, dass die konkurrierende Anwendung wahrscheinlich nur auf einer begrenzten Anzahl der von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräte vorinstalliert werde. 2) Vorbringen der Parteien 712 Google macht geltend, dass es aufgrund der geringen Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE, des freien Zugangs der Nutzer zu den Mitbewerbern und der Möglichkeit für ebenso leistungsfähige Wettbewerber, mit den von ihr im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen mitzuhalten, falsch sei, davon auszugehen, dass diese VAE geeignet gewesen seien, ebenso leistungsfähige Wettbewerber aus dem Markt zu drängen. Auf der Grundlage der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen eigenen Analyse der Kommission hätten nämlich ebenso leistungsfähige oder sogar weniger leistungsfähige Wettbewerber mit den aufgrund der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichziehen können. 713 Als Erstes behauptet Google, dass die überwiegende Mehrheit der sortimentbezogenen VAE zu Zahlungen von [10-20] % der Sucheinnahmen geführt hätten und dass Zahlungen von mehr als [20-30] % äußerst selten gewesen seien. Die im angefochtenen Beschluss, insbesondere im 1243. Erwägungsgrund, dargelegten Berechnungen zeigten jedoch, dass ebenso (oder sogar weniger) leistungsfähige Wettbewerber diejenigen sortimentbezogenen VAE ausgleichen könnten, die Zahlungen von bis zu [20-30] % anböten. Konkret heiße es im angefochtenen Beschluss: „[E]inem OEM oder MNO, der von Google einen Anteil von [20-30] % der sortimentbezogenen Einnahmen erhalten hat, hätte ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst einen Anteil an seinen eigenen Einnahmen von mehr als [70-80] % anbieten müssen“. So hätten die Mitbewerber dem angefochtenen Beschluss zufolge die sortimentbezogenen VAE ausgleichen und dabei eine Marge von etwa [30-40] % der auf die erfassten Geräte entfallenden Sucheinnahmen für sich behalten können. Diese Marge erhöhe sich im Fall einer von Google gezahlten Einnahmebeteiligung von [10-20] % auf [60-70] %. 714 Im 1246. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses werde hingegen erwähnt, dass den Mitbewerbern von den durch die erfassten Geräte erzielten Sucheinnahmen keine Marge verbleibe, wenn die von Google gezahlte Einnahmebeteiligung ein Niveau von [40-50] % erreiche, was aber nur zwei MNO betreffe. Kein anderer Partner habe aus der Beteiligung der Einnahmen Zahlungen dieser Größenordnung erhalten. Außerdem sei die Vereinbarung mit einem dieser beiden Partner-MNO getroffen worden, bevor Google ihre angeblich marktbeherrschende Stellung erlangt habe, und sie sei fast ein Jahr vor der behaupteten Zuwiderhandlung beendet worden, während sich die Vereinbarung mit dem zweiten Partner-MNO nur auf bestimmte EWR-Mitgliedstaaten erstreckt habe, wie sich aus den Erwägungsgründen 208 und 209 des angefochtenen Beschlusses ergebe. Da der Umfang der Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE insgesamt sehr gering gewesen sei, habe die Markterfassung durch diese beiden sortimentbezogenen VAE einen noch erheblich geringeren Umfang gehabt. Der angefochtene Beschluss könne daher keine wahrscheinlichen Verdrängungswirkungen dieser Vereinbarungen nachweisen. 715 Als Zweites macht Google geltend, dass die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Analyse der Fähigkeit der Mitbewerber, mit den Zahlungen aufgrund der sortimentbezogenen VAE gleichzuziehen, mehrere Fehler enthalte, die die Schlussfolgerung der Kommission entkräfteten, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst nicht in der Lage gewesen wäre, den Verlust der Zahlungen auszugleichen, die ein OEM oder ein MNO aufgrund der betreffenden VAE von Google erhalten hätte. 716 Die Marge, die ein konkurrierender Suchdienst selbst dann erzielen könne, wenn er mit den von Google gezahlten Einnahmeanteilen gleichzöge, sei von dem Anteil der Suchanfragen, den ein ebenso leistungsfähiger und attraktiver Mitbewerber erwarten könne, wenn seine Anwendung neben Google vorinstalliert werde, von dem Anteil der Geräte, auf denen ein OEM oder MNO eine konkurrierende Anwendung vorzuinstallieren bereit wäre, und von den Kosten eines ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers abhängig. In jedem dieser Punkte enthalte der angefochtene Beschluss Fehler, nach deren Berichtigung sich herausstellen würde, dass die Mitbewerber die sortimentbezogenen VAE von Google hätten überbieten können; dies gelte auch für VAE, die Einnahmeanteile von [40-50] % vorsähen. 717 Erstens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber weit mehr als 12 % der über die Anwendung Google Search vorgenommenen Suchanfragen erhalten können, wenn die konkurrierende Suchanwendung ebenfalls vorinstalliert gewesen wäre. Beispielsweise habe Seznam in der Tschechischen Republik während des Zeitraums des behaupteten Missbrauchs bis zu 26 % der jährlichen Anteile der allgemeinen Suchanfragen auf PCs erzielt. Ein ebenso attraktiver und damit ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte also mindestens 26 % der allgemeinen Suchanfragen erhalten können. 718 Zweitens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber Suchanfragen über seine Homepage erhalten und über diesen Einstiegspunkt Einnahmen generieren können, die geteilt werden könnten. Google habe solche Einnahmen zwar nicht geteilt, hätte aber von einem mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber durch die Teilung dieser Einnahmen überboten werden können. 719 Drittens hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zusätzliche Suchanfragen über eine Festlegung als Standard in einem mobilen Internetbrowser erhalten können, was die VVMA nicht untersagt hätten. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen von drei OEM belegten nicht, dass die OEM die Bedingungen der VVMA falsch verstanden hätten. Jedenfalls sei diese Frage anhand des objektiven Wortlauts der VVMA zu beurteilen und nicht auf der Grundlage von Missverständnissen. Außerdem deuteten diese Erklärungen nicht darauf hin, dass die OEM keinen anderen Browser oder keinen anderen Suchdienst in der URL-Leiste anderer Browser als Standard hätten festlegen dürfen. Andere Dokumente belegten, dass es den OEM nach der VVMA freigestanden habe, in den Browsern konkurrierende Suchdienste als Standard festzulegen, und bestätigten, dass die OEM dies auch so verstanden hätten. Im angefochtenen Beschluss werde die behauptete Verdrängungswirkung der VAE von Google daher überbewertet. 720 Viertens erkläre der angefochtene Beschluss weder, warum ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber eine Vorinstallation nur auf einem begrenzten Teil der Geräte der OEM erhalten könne, noch, warum ein bestimmter OEM daran gehindert gewesen sein solle, Anwendungen auf einigen seiner Geräte doppelt vorzuinstallieren, auf anderen aber nicht, noch, warum konkurrierende Anwendungen während der Laufzeit der VAE nicht auf bereits verkauften Geräten hätten vorinstalliert werden können. 721 Fünftens überschätze der angefochtene Beschluss die Kosten von Google und unterschätze daher die Marge, die ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber selbst dann erzielen könne, wenn er mit den sortimentbezogenen VAE von Google gleichzöge. 722 Nach Ansicht von Google hätte ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber mindestens [30-40] % der Suchanfragen an sich ziehen können, wenn er neben Google vorinstalliert und als Standard festgelegt worden wäre. Er hätte in der Lage sein müssen, eine Vorinstallation auf einem ganzen Sortiment von Geräten zu erreichen, und wäre mit Kosten von nur [5-10] % konfrontiert gewesen. Folglich hätte er die sortimentbezogenen VAE von Google überbieten und gleichwohl eine Marge von [10-20] % bei VAE, die zu Zahlungen von [40-50] % führten, bis zu [70-80] % bei VAE, die zu Zahlungen von [10-20] % führten, erzielen können. 723 Die Kommission weist ihrerseits als Erstes darauf hin, dass die Analyse der Unfähigkeit ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, die Zahlungen von Google auszugleichen, nur einer von mehreren Faktoren sei, um zu bestimmen, ob die sortimentbezogenen VAE geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken. Darüber hinaus sei die Anwendung des AEC‑Tests in einer Situation, in der die Struktur des Marktes das Auftreten eines ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers praktisch unmöglich mache, nicht relevant. 724 Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall unrealistisch wäre, die beherrschende Stellung von Google bei der allgemeinen Suche außer Acht zu lassen, die die Hebelwirkung verstärke, die Google beim Abschluss sortimentbezogener VAE mit den OEM und den MNO zugutekomme. Auch die Beweggründe von Google für den Abschluss dieser VAE seien von Bedeutung, ebenso wie deren Ziel, sicherzustellen, dass auf den im vereinbarten Sortiment enthaltenen Geräten sämtliche Bedürfnisse der OEM und der MNO nach allgemeinen Suchdiensten durch Google abgedeckt würden. 725 Was als Zweites die Bewertung der sortimentbezogenen VAE betrifft, weist die Kommission insbesondere auf die mangelnde Einheitlichkeit der VAE sowie auf die Beschränkungen hin, die die VVMA den OEM auferlegten. Im angefochtenen Beschluss wird insoweit festgestellt, dass es auf einem Google-Android-Gerät eine Reihe von Einstiegspunkten für die Suche gebe, die aufgrund der VVMA bereits zum Vorteil von Google konfiguriert seien, nämlich infolge der Verpflichtung zur Vorinstallation der Anwendung Google Search auf dem Startbildschirm des Geräts und zur Vorinstallation des Browsers Google Chrome, bei dem Google Search als Standard für die allgemeine Suche festgelegt sei. 726 In diesem Zusammenhang zahle Google den OEM oder den MNO einen Prozentsatz zwischen [0-10] % und [30-40] % der Netto-Werbeeinnahmen von Google, die auf einem definierten Sortiment von Geräten durch die Google-Suche über die Anwendung Google Search, über die URL-Leiste von Chrome und über die URL-Leiste aller anderen mobilen Internetbrowser erzielt würden. Diese Zahlungen seien an die Bedingung geknüpft, dass die OEM oder die MNO die Exklusivität wahrten, d. h., dass sie auf keinem der Geräte des betreffenden Sortiments einen Dienst installieren dürften, der Google Search ähnlich sei. 727 Die Kommission weist auch darauf hin, dass für die OEM Ungewissheit darüber bestanden habe, ob die VVMA sie daran hinderten, in einem von ihnen möglicherweise zusätzlich zu Chrome vorinstallierten Browser einen anderen allgemeinen Suchdienst als Standard festzulegen. Einige OEM hätten ihre VVMA dahin verstanden, dass sie ihnen vorschreibe, den allgemeinen Suchdienst von Google für alle Einstiegspunkte auf den Geräten in ihrem Sortiment als Standarddienst festzulegen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst mit den Zahlungen von Google hätte mithalten können, sei die Kommission jedoch von der für Google günstigen Annahme ausgegangen, dass die VVMA keine derartige Beschränkung vorgeschrieben hätten. Die hierzu von Google vorgebrachten Argumente gingen daher ins Leere. 728 Als Drittes macht die Kommission erstens geltend, dass die Kritik von Google an der Argumentation im angefochtenen Beschluss einen Zwischenschritt der Berechnung zum Ausgangspunkt nehme, ohne die anschließend dargelegte Analyse des begrenzten Umfangs der Installation, die ein Mitbewerber erwarten könne, zu berücksichtigen. Diese Feststellungen würden durch die Kritik in Bezug auf die mit zwei Android-OEM-Partnern geschlossenen sortimentbezogenen VAE nicht in Frage gestellt. 729 Was zweitens das Argument von Google anbelange, dass der Vergleichswert von 12 %, der auf dem Anteil beruhe, den alle Mitbewerber zusammen bei allgemeinen Suchanfragen auf PCs erzielt hätten, irrelevant sei, weil er nicht den Anteil widerspiegele, den ein Mitbewerber hätte erzielen können, weist die Kommission darauf hin, dass ihre Bewertung der Fähigkeit der Mitbewerber, mit den Zahlungen von Google gleichzuziehen, für Google günstig sei. Ebenso weist die Kommission auch alle weiteren von Google in dieser Hinsicht vorgebrachten Argumente zurück. 730 Was drittens das Argument von Google anbelange, dass die Mitbewerber die über ihre Homepage erzielten Einnahmen teilen könnten, sei es illusorisch, davon auszugehen, dass diese Mitbewerber bereit wären, Einnahmen zu teilen, die Google im Rahmen ihrer eigenen VAE nicht teile. 731 Viertens erläutere der angefochtene Beschluss sehr wohl, warum es unwahrscheinlich sei, dass konkurrierende allgemeine Suchdienste auf dem gesamten Gerätesortiment eines OEM installiert würden, welche Auswirkungen die Vorinstallation der Anwendung Google Search auf bereits verkauften Geräten habe, warum ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst die Zahlungen von Google trotz steigender Verkäufe neuer Geräte nicht ausgleichen könne und warum die OEM wahrscheinlich keine VAE mit mehreren konkurrierenden Diensten abschließen würden, um die Zahlungen von Google auszugleichen. 732 Fünftens gehe das die Kosten betreffende Vorbringen von Google ins Leere, sofern das Gericht den Argumenten folge, mit denen die Kommission die Richtigkeit ihrer Analyse untermauere, wonach ein Mitbewerber nicht in der Lage sei, mit den Bedingungen der sortimentbezogenen VAE von Google mitzuhalten. Jedenfalls sei dieses Vorbringen vor allem deshalb unbegründet, weil die von Google berechneten Kosten keinen Anteil an ihren Fixkosten, insbesondere den Kosten für Forschung und Entwicklung (F&E), enthielten. 3) Würdigung durch das Gericht 733 Google wirft der Kommission vor, davon ausgegangen zu sein, dass die konkurrierenden Unternehmen nicht in der Lage gewesen wären, den Verlust auszugleichen, der den OEM und den MNO entstanden wäre, falls sie sich dazu entschlossen hätten, neben Google Search eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren. 734 Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen, hat die Kommission u. a. einen AEC‑Test durchgeführt, dessen Ergebnisse von Google ebenso angezweifelt werden wie die angewandte Methodik und die zugrunde gelegten quantitativen Annahmen. Die von Google behaupteten Fehler sind daher im Licht der oben in den Rn. 639 bis 645 angeführten Rechtsprechungsgrundsätze zu prüfen. i) Zu den einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zuzurechnenden Kosten 735 Nach Ansicht von Google überschätzt die Kommission in den Erwägungsgründen 1265 und 1266 des angefochtenen Beschlusses die Kosten von Google und unterschätzt damit die Marge, die ein konkurrierender Suchdienst erzielen könnte, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. 736 Die Kommission gehe nämlich zu Unrecht davon aus, dass die Kosten von Google [10-20] % ihrer Werbeeinnahmen entsprächen und dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber mindestens [10-20] % der Werbeeinnahmen einbehalten müsse, um mit Google zu konkurrieren. Google trägt vor, die ihr entstandenen und für die Zwecke des AEC‑Tests relevanten Kosten hätten eher in der Größenordnung von [0-10] % gelegen. Statt Vermutungen über die Kosten von Google anzustellen, hätte die Kommission leicht Zugang zu genauen Informationen erhalten können, indem sie Zugang zu den Finanzdaten von Google beantragt hätte. 737 Die Kommission macht geltend, dass sich die Frage der Kosten als irrelevant erweise. Die Behauptung von Google, dass ein ebenso leistungsfähiger Mitbewerber in der Lage gewesen wäre, statt [10-20] % nur [0-10] % der Kosten abzuziehen, reiche nicht aus, um das Ergebnis der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Analyse zu ändern. Google erbringe keinen gegenteiligen Beweis und verschweige, dass ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst, wie im 1267. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt, auch einen Teil seiner Fixkosten, insbesondere der Kosten für Forschung und Entwicklung, decken müsse. 738 Darüber hinaus hält die Kommission die Rüge, dass „relevante und verfügbare Informationen“ nicht berücksichtigt worden seien, für unbegründet. Google habe die ihrer Klageschrift beigefügten Daten im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt. 739 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, wie die Kommission im 1259. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, ein Mitbewerber ist, der die gleiche Fähigkeit zur Erzielung von Einnahmen aufweist und mit den gleichen Kosten konfrontiert ist wie das Unternehmen in beherrschender Stellung. Dieses Erfordernis wird auch in den Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch aufgestellt. Die Kommission weist nämlich im Wesentlichen darauf hin, dass sie nach Rn. 25 dieser Erläuterungen bei der Prüfung der Frage, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Gefahr laufe, durch Preisbildungspraktiken vom Markt verdrängt zu werden, u. a. Wirtschaftsdaten über die Kosten des marktbeherrschenden Unternehmens untersuche, sofern diese verfügbar seien. 740 Die zu berücksichtigenden Kosten wirken sich nämlich unmittelbar auf die Marge aus, die ein hypothetischer Mitbewerber, der mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google, voraussichtlich für sich behalten könnte, wenn er Ausschließlichkeitszahlungen leisten müsste, um im vorliegenden Fall die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. Je niedriger die zu deckenden Kosten sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber eine hohe Marge erzielen und entsprechend hohe Einnahmen teilen kann. 741 Zusätzlich zu dieser Vorbemerkung ist erstens festzustellen, dass die Kommission im 1265. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausführt, Google habe in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben „anerkannt“, dass ihre sogenannten „Betriebskosten“ [10-20] % ausmachten und dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie sie, im Wesentlichen Kosten in derselben Höhe hätte tragen müssen. 742 Es trifft zwar zu, dass Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben einräumt, dass das Dokument, auf das sich die Kommission stützt, nämlich eine mit einem OEM abgeschlossene sortimentbezogene VAE, eine Zeile zu „Betriebskosten“ enthält, in der diese Kosten mit [10-20] % angegeben werden. Google hat jedoch auch deutlich hervorgehoben, dass der von der Kommission angenommene Prozentsatz nicht den im Rahmen der Durchführung des AEC‑Tests relevanten Kosten – den Grenzkosten – entspreche. 743 Google hatte der Kommission nämlich mitgeteilt, dass dieser Prozentsatz nichts mit den Kosten zu tun habe, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zu tragen hätte. Er entspreche lediglich der Verringerung des Prozentsatzes der mit dem Vertragspartner geteilten Einnahmen, die nur als Brutto- und nicht als Nettowert ausgedrückt werde. Dies hatte Google in ihrer Antwort auf das erste Sachverhaltsschreiben dargelegt. 744 Die Kommission kann daher nicht behaupten, dass Google der Berücksichtigung eines solchen Prozentsatzes als für die Durchführung des AEC‑Tests relevanter Kosten stillschweigend zugestimmt habe, denn damit würde sie die Antwort von Google auf das zweite Sachverhaltsschreiben verfälschen. 745 Zweitens hatte Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben darauf hingewiesen, dass es Aufgabe der Kommission sei, eine ordnungsgemäße Untersuchung durchzuführen, um die relevanten Kosten genau zu bestimmen. Konkret hatte Google der Kommission vorgeworfen, die im Rahmen des AEC‑Tests zu berücksichtigenden Kosten mit [10-20] % angesetzt und diesen Prozentsatz aus Dokumenten abgeleitet zu haben, die von einem Dritten vorgelegt worden seien, und nicht aus einer Antwort auf ein direkt an Google gerichtetes Auskunftsersuchen. 746 Wie insbesondere aus Rn. 25 der Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch hervorgeht, muss die Kommission jedoch, sofern verfügbar, wirtschaftliche Daten des marktbeherrschenden Unternehmens berücksichtigen, so dass sie im vorliegenden Fall keine angemessene Prüfung der Kosten vorgenommen hat. 747 Außerdem kann Google nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie diese Daten, wie die Kommission feststellt, im Verwaltungsverfahren nicht von sich aus übermittelt hat. 748 Die Beweislast dafür, dass eine Praxis missbräuchlich ist, liegt nämlich bei der Kommission, die dabei gegebenenfalls die vom betreffenden Unternehmen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 138 bis 140). Daher durfte sich die Kommission im vorliegenden Fall nicht allein auf die Daten in einem von einem Dritten vorgelegten Dokument stützen und davon absehen, sich diese Angaben, gegebenenfalls durch ein Auskunftsersuchen, von Google bestätigen zu lassen. 749 Drittens geht aus dem 1266. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervor, dass die Kommission die Relevanz der Grenzkosten für den im vorliegenden Fall angewendeten AEC‑Test anerkennt, indem sie feststellt, dass die von Google abgezogenen „Betriebskosten“ insofern, als sie einen Prozentsatz der mit den Suchanfragen verbundenen Einnahmen darstellten, im Wesentlichen diesen Kosten nahe kämen. 750 Insoweit stützt sich die Kommission jedoch auf bloße Vermutungen, ohne genauere Daten von Google heranzuziehen. Dieser Punkt ist umso wichtiger, als Google ihre im Rahmen des AEC‑Tests zu berücksichtigenden Grenzkosten vor dem Gericht auf [0-10] % beziffert. Wie Google zutreffend geltend macht, kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass ein hypothetisch ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, der nur [0-10] % der Kosten decken muss, die sortimentbezogenen VAE problemloser hätte ausgleichen können als von der Kommission angenommen. 751 Unter diesen Umständen kann sich die Kommission nicht auf den Hinweis beschränken, dass das Vorbringen von Google ins Leere gehe, indem sie vor dem Gericht geltend macht, dass die Berücksichtigung eines geringeren Prozentsatzes das Ergebnis des AEC‑Tests unverändert lassen würde und Google nicht das Gegenteil behaupte. 752 Daraus folgt, dass der Verweis von Google auf einen wesentlich niedrigeren Prozentsatz als den, von dem die Kommission im angefochtenen Beschluss ausgegangen ist, in Verbindung mit der Tatsache, dass die Kommission keine weitergehende Untersuchung eingeleitet und hierfür im angefochtenen Beschluss keine ausführliche Begründung gegeben hat, Zweifel an der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests aufkommen lassen kann. ii) Zu den Einnahmen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte teilen können 753 Nach Ansicht von Google blendet die Kommission zu Unrecht den Anteil der Suchanfragen aus, den ein konkurrierendes Unternehmen über die Internet-Homepage seiner Suchmaschine erzielen könnte. Auch wenn Google die durch Suchanfragen auf ihrer Internet-Homepage erzielten Werbeeinnahmen nicht teile, hätten sich mindestens ebenso leistungsfähige konkurrierende Unternehmen dafür entscheiden können, diese Einnahmen zu teilen und auf diese Weise mit Google in Wettbewerb zu treten. Im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses habe die Kommission diese Möglichkeit ausgeschlossen, ohne dies jedoch hinreichend zu begründen. 754 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich Google nur gegen einen der beiden Gründe wendet, aus denen die Kommission diese Möglichkeit in Abrede gestellt hat. Im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stellt die Kommission nämlich fest, dass die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste die durch Suchanfragen auf der Webseite ihrer Suchmaschinen generierten Werbeeinnahmen nicht teilen würden, weil Google sie erstens nicht teile und sie zweitens unabhängig von irgendwelchen mit den OEM und den MNO getroffenen Vereinbarungen über die Aufteilung von Einnahmen erzielt würden. 755 Das Argument von Google kann keinen Erfolg haben. Bei der Beurteilung, ob eine Praxis geeignet ist, einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber vom Markt auszuschließen, muss berücksichtigt werden, welche Einnahmen das marktbeherrschende Unternehmen teilt. Andernfalls würde diese Prüfung darauf hinauslaufen, die Auswirkungen des Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens auf einen Mitbewerber zu bewerten, der weniger leistungsfähig ist, weil er eine zusätzliche Einnahmequelle teilen müsste, um konkurrenzfähig zu sein. 756 Darüber hinaus reicht der zweite im 1264. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses genannte Grund aus, um die Berücksichtigung solcher Einkünfte bei der Durchführung des AEC‑Tests im vorliegenden Fall auszuschließen. Der Sinn einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen besteht darin, die OEM und die MNO dazu anzuhalten, Suchanfragen zu privilegieren, die insbesondere über eine mobile Anwendung oder über einen anderen Einstiegspunkt erfolgen. Hingegen haben die OEM und die MNO unabhängig davon, welche Vereinbarungen sie möglicherweise getroffen haben, keine Möglichkeit, die Nutzer dazu zu bewegen, von sich aus die Homepage einer konkurrierenden Suchmaschine zu besuchen. 757 Daher ist dieses Argument als unbegründet zurückzuweisen. iii) Zum Anteil der Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber erzielen könnte 758 Google macht geltend, dass die Marge, die die konkurrierenden Unternehmen hätten verwenden können, um den sortimentbezogenen VAE entgegenzuwirken, nach oben korrigiert werden müsse. Dies beruhe darauf, dass der im 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zugrunde gelegte erzielbare Anteil an Suchanfragen hätte höher sein müssen. Überdies hätten die VVMA die betroffenen OEM oder MNO nicht daran gehindert, in einem anderen vorinstallierten mobilen Internetbrowser als Chrome einen konkurrierenden Suchdienst als Standard festzulegen. Die Kommission weist ihrerseits darauf hin, dass die im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Daten für Google günstig seien. Sie weist ferner darauf hin, dass die Tragweite der VVMA nicht eindeutig sei, was sich im Verhalten der OEM und der MNO widerspiegele. 759 Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass die Tragweite der VVMA nicht von allen betroffenen OEM und MNO in gleicher Weise beurteilt wurde. Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 1229 und 1230 des angefochtenen Beschlusses feststellt, legten einige, aber nicht alle OEM und MNO die VVMA dahin aus, dass sie es untersagten, in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome einen konkurrierenden allgemeinen Suchdienst als Standard festzulegen. 760 Diese Feststellung bleibt nicht ohne Einfluss auf die Erwägungen der Kommission im angefochtenen Beschluss. Für den Fall eines erzielbaren Anteils der Suchanfragen, bei denen als Einstiegspunkt zu den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten auch die standardmäßige Festlegung einer konkurrierenden Suchmaschine in einem Browser eines Drittanbieters in Betracht kommt, gelangt die Kommission nämlich im 1243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in einem Zwischenstadium ihrer Analyse im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, fast alle sortimentbezogenen VAE ausgleichen könnte. Diese Feststellung wird jedoch von der Kommission selbst im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Frage gestellt, weil sie dort als zusätzlichen Parameter, der von Google im Rahmen der vorliegenden Klage ebenfalls bestritten wird, den begrenzten Umfang der Vorinstallation einbezieht, den ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst in der Praxis erreichen könne. 761 Wird hingegen nur ein einziger Einstiegspunkt berücksichtigt, und zwar die Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung neben Google Search, kommt die Kommission im Anschluss an dieses Zwischenstadium ihrer Analyse im 1253. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass es für einen Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, unmöglich sei, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. In diesem Zusammenhang ist daher auf die Frage einzugehen, inwieweit bei der Anwendung des AEC‑Tests die unterschiedlichen Auslegungen der VVMA zu berücksichtigen sind. 762 Unklarheiten oder Zweifel, die sich – wie im vorliegenden Fall – auf den Umfang einer vertraglichen Verpflichtung beziehen, müssen im Rahmen einer der Ahndung dienenden Untersuchung, die zur Verhängung einer Geldbuße führen kann, dem betroffenen Unternehmen zugutekommen, um zu vermeiden, dass es die Last dieser Zweifel tragen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 71 und 72). 763 Daher durfte die Kommission bei der Durchführung des AEC‑Tests nur vom Fall eines erzielbaren Anteils ausgehen, der sowohl den Anteil umfasst, der sich aus der Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung neben Google Search ergibt, als auch den Anteil, der sich daraus ergibt, dass ein konkurrierender Suchdienst in einem anderen mobilen Internetbrowser als Chrome als Standard festgelegt ist. 764 Als Zweites wirft Google der Kommission vor, den von einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mittbewerber erzielbaren Anteil der Suchanfragen auf mobilen Geräten zu niedrig angesetzt zu haben. Nach Ansicht von Google wäre ein solcher Mitbewerber in der Lage, mehr als 12 % der von den Nutzern über Google Search getätigten Suchanfragen zu erzielen. 765 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der erzielbare Anteil von 12 % der Suchanfragen, wie aus dem 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, dem von allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zusammen erzielten Anteil der im EWR auf PCs durchgeführten allgemeinen Suchanfragen entspricht. Die Kommission hat nämlich den erzielten Anteil allgemeiner Suchanfragen auf PCs auf den erzielbaren Anteil allgemeiner Suchanfragen auf Mobilgeräten übertragen. Von diesem Anteil ausgehend hat die Kommission den maximalen Anteil allgemeiner Suchanfragen ermittelt, den ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst höchstens hätte erzielen können, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert gewesen wäre. 766 Um ihre Behauptungen zu untermauern, weist Google erstens darauf hin, dass der von allen konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten zusammen erzielte Anteil auf PCs durchgeführter allgemeiner Suchanfragen sehr gering sei. Dies impliziert nach Auffassung von Google, dass es sich bei den konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten nicht um hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähige Mitbewerber handelt. Google weist zudem darauf hin, dass auf den nationalen Märkten, auf denen konkurrierende Dienste eine große Reichweite hätten, wie z. B. Seznam in der Tschechischen Republik, der erzielte Anteil höher sei. Zweitens habe die Kommission unerwähnt gelassen, dass Bing im maßgeblichen Zeitraum auf fast allen PCs als Standard festgelegt gewesen sei. 767 In diesem Zusammenhang kann zum einen das Argument, dass Bing auf fast allen PCs als Standard festgelegt gewesen sei, keinen Erfolg haben. Die Kommission weist nämlich darauf hin, dass Bing im maßgeblichen Zeitraum (2011 bis 2014) nicht auf allen PCs als Standard eingestellt gewesen sei, ohne dass Google dies bestritten hätte. Microsoft war in diesem Zeitraum verpflichtet, den Nutzern die Wahl zu überlassen. 768 Zum anderen macht Google geltend, dass sich die Kommission bei der Annahme eines erzielbaren Anteils von 12 % der Suchanfragen nicht auf den Anteil gestützt habe, den ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig gewesen sei wie Google, hätte erzielen können. Vielmehr habe die Kommission den Anteil zugrunde gelegt, der tatsächlich von sämtlichen – möglicherweise auch weniger leistungsfähigen – allgemeinen Suchdiensten auf PCs erzielt worden sei. Dieser Fehler mache den gesamten AEC‑Test der Kommission unbrauchbar. 769 Die Definition des erzielbaren Anteils der Suchanfragen beruht, wie Google zu Recht geltend macht, auf einem Denkfehler und einem Fehlverständnis des AEC‑Tests. 770 Erstens lässt der Umstand, dass die Kommission als Ausgangspunkt ihrer Erwägungen den Anteil der von PCs ausgehenden allgemeinen Suchanfragen gewählt hat, den alle konkurrierenden allgemeinen Suchdienste zusammen tatsächlich erzielt haben, nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber auf Mobilgeräten höchstens einen identischen Anteil hätte erzielen können. Die tatsächlich erzielten Anteile auf PCs konnten im vorliegenden Fall vernünftigerweise nicht als Grundlage für einen AEC‑Test herangezogen werden, mit dem der Anteil der allgemeinen Suchanfragen ermittelt werden sollte, den ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig war wie Google, auf Mobilgeräten hätte erzielen können. 771 Zweitens war der auf bestimmten nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, insbesondere dem der Tschechischen Republik, von einigen Wettbewerbern wie z. B. Seznam erzielte Anteil offenbar weit höher als der, den die Kommission im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt hat. Google hat nämlich, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, darauf hingewiesen, dass Seznam während des Zeitraums der Zuwiderhandlung bis zu 26 % der allgemeinen Suchanfragen auf PCs erhalten habe. 772 Auch der Umstand, dass der erzielbare Anteil von 12 % der Suchanfragen den von Seznam in der Tschechischen Republik erzielten Anteil einschließt, lässt nicht den Schluss zu, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber nicht in der Lage wäre, in gleicher Weise wie Seznam in der Tschechischen Republik einen höheren Anteil der Suchanfragen im EWR zu erzielen. Allein schon die Tatsache, dass Google auf bestimmten nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste einem stärkeren Wettbewerb ausgesetzt ist, lässt Zweifel an der Richtigkeit eines solchen Prozentsatzes aufkommen. 773 Drittens kann die Tatsache, dass nur Google die mit ihrer Marktmacht verbundenen Vorteile nutzen konnte, um die Treffsicherheit des von ihr angebotenen Dienstes zu verbessern, nicht mit Sicherheit ausschließen, dass ein – insbesondere im Hinblick auf die Qualität der Dienstleistungen und die Innovation – hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber einen Anteil von mehr als 12 % der Suchanfragen erzielen könnte. 774 Folglich hat die Kommission auch insoweit einen Fehler begangen, als sie von der Prämisse ausging, dass ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig gewesen sei wie Google, auf mobilen Geräten nur 12 % der von den Nutzern über Google Search durchgeführten Suchanfragen hätte erzielen können. iv) Zum Umfang der Vorinstallation einer Anwendung eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers 775 Google macht geltend, die Kommission habe im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht begründet, warum eine konkurrierende Suchanwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten vorinstalliert werden könne. Google hält den Verweis auf den Teil des angefochtenen Beschlusses, der sich auf die VVMA bezieht, für nicht ausreichend, zumal er im Widerspruch zum 1208. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses stehe, in dem die Kommission darauf hinweise, dass die OEM und die MNO ohne die sortimentbezogenen VAE ein wirtschaftliches Interesse daran gehabt hätten, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren. 776 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ihre Feststellung, dass ein Wettbewerber nicht damit rechnen könne, dass seine Anwendung von einem OEM oder einem MNO auf sämtlichen Mobilgeräten, die Gegenstand der sortimentbezogenen VAE seien, vorinstalliert werde, mit einem Verweis auf die Erwägungsgründe 824 bis 832 des angefochtenen Beschlusses begründet. 777 Die Erwägungsgründe 824 bis 832 des angefochtenen Beschlusses betreffen die Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit der VVMA. Die Kommission führt dort aus, die OEM und die MNO seien durch die VVMA zwar theoretisch nicht an der Vorinstallation konkurrierender allgemeiner Suchanwendungen gehindert worden, hätten aber in der Praxis gezögert, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren. 778 Der im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltene Verweis auf die die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der VVMA betreffenden Gründe, der die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers relativieren soll, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, vermag jedoch nicht zu überzeugen, wie Google zutreffend ausführt. Der Kontext der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der VVMA unterscheidet sich nämlich von dem der Beurteilung der Frage, ob ein Mitbewerber, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google und als Gegenleistung für eine Aufteilung der Werbeeinnahmen die Vorinstallation seiner Anwendung erreichen möchte, in der Lage ist, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. 779 Erstens weist die Kommission zum Nachweis der Unmöglichkeit, den von Google aufgrund der VVMA erlangten Wettbewerbsvorteil durch die Vorinstallation konkurrierender Anwendungen auszugleichen, in den Erwägungsgründen 825 bis 832 des angefochtenen Beschlusses darauf hin, dass die OEM und die MNO in Anbetracht des Marktanteils von Google und deren Präsenz an allen Einstiegspunkten zu den allgemeinen Suchdiensten wahrscheinlich nur geringe zusätzliche Einnahmen erzielen würden. Darüber hinaus sähen sich die OEM und die MNO höheren Transaktionskosten sowie technischen Problemen im Zusammenhang mit der Speicherkapazität gegenüber, durch die sich das Nutzererlebnis verschlechtere. 780 Diese Gründe sind zwar für die Beurteilung der Situation eines derzeitigen Mitbewerbers von Google relevant, der seine Werbeeinnahmen nicht zu teilen beabsichtigt, stützen jedoch in keiner Weise die Behauptung, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber, der seine Einnahmen zu teilen bereit sei, nicht in der Lage wäre, die Vorinstallation seiner Anwendung bei dem gesamten Sortiment der Mobilgeräte der betreffenden OEM und MNO zu erreichen. 781 Eine solche gemeinsame Vorinstallation könnte die Attraktivität der intelligenten Mobilgeräte erhöhen und somit den Interessen der OEM und der MNO entsprechen. Das Angebot mehrerer allgemeiner Suchanwendungen, d. h. der von Google und der eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, könnte nämlich das Nutzererlebnis verbessern und die betreffenden Mobilgeräte umso attraktiver machen, wie die Kommission im Übrigen im 1213. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses einräumt. 782 Außerdem könnten, wie aus dem 1243. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, die Einnahmen aus den sortimentbezogenen VAE, die den OEM und MNO entgehen würden, wenn Google Search nicht mehr exklusiv vorinstalliert wäre, von einem mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber ausgeglichen werden, sofern dieser alle Mobilgeräte durch die Beteiligung an seinen Werbeeinnahmen abdeckt. Darüber hinaus stellt die Kommission im 1216. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf der Grundlage der Erklärungen von Google fest, dass die OEM und die MNO auch ohne die sortimentbezogenen VAE noch Einnahmen von Google erhalten könnten, was wiederum die Behauptung relativiert, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber die Vorinstallation seiner Anwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten erreichen könnte. 783 Zweitens stellt die Kommission in den Erwägungsgründen 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses fest, dass die VVMA es den OEM und den MNO untersagten, ausschließlich eine konkurrierende allgemeine Suchanwendung vorzuinstallieren, oder den MNO, von den OEM die exklusive Vorinstallation einer solchen Anwendung zu verlangen. 784 Die im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses betrachtete Situation ist jedoch die einer Vorinstallation neben – und nicht anstelle von – Google Search. Die von der Kommission in den Erwägungsgründen 830 bis 832 des angefochtenen Beschlusses getroffene Feststellung führt insoweit nicht weiter, weil die Hypothese, die im Hinblick auf den Ausgleich der VAE in Betracht gezogen wird, von der Prämisse ausgeht, dass eine konkurrierende Anwendung neben Google Search vorinstalliert ist. 785 Drittens stützt sich die Kommission im 1247. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf zwei im 1219. Erwägungsgrund angeführte Beispiele, um zu veranschaulichen, dass die Mitbewerber, denen es in der Praxis gelungen sei, die Vorinstallation allgemeiner Suchdienste zu erreichen, nur eine begrenzte Zahl von Mobilgeräten hätten abdecken können oder jedenfalls nur eine Zahl, die nicht ausreiche, um die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. Google hält dem entgegen, dass eines der von der Kommission angeführten Beispiele die entgegengesetzte These untermauern könne. 786 Die Beispiele, auf die sich die Kommission stützt, sind jedoch Beispiele von aktuellen Mitbewerbern. Außerdem gibt die Kommission im 1247. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht an, ob sie diese Wettbewerber als hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähige Mitbewerber wie Google ansieht, die bereit waren, ihre Werbeeinnahmen zu teilen. 787 Viertens ist festzustellen, dass die Behauptung, dass der Wettbewerbsvorteil, den Google durch die VVMA erlange, durch das Verhalten der OEM und der MNO, die sich für die Vorinstallation einer konkurrierenden Anwendung entschieden, nicht ausgeglichen werden könne, vor allem darauf beruht, dass diese OEM und MNO auch durch die sortimentbezogenen VAE an Google gebunden seien, wie sich aus dem 833. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt. Das im vorliegenden Fall untersuchte Szenario zielt jedoch auf einen hypothetischen Mitbewerber ab, der anbietet, die VAE von Google durch seine eigene Vereinbarung über die Aufteilung der Einnahmen zu ersetzen. 788 Folglich kann die Kommission die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, nicht durch die bloße Behauptung relativieren, dass ein solcher Mitbewerber in dieser Situation die Vorinstallation seiner Anwendung nur auf einer begrenzten Zahl von Mobilgeräten eines OEM oder MNO erreichen könne. v) Zur zeitlichen Anwendung des AEC‑Tests 789 Im Gegensatz zu dem von der Kommission im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verfolgten Ansatz macht Google geltend, dass die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Vereinbarungen zu prüfen sei. Jedenfalls habe die Kommission nicht untersucht, ob sich mit neueren Mobilgeräten höhere Einnahmen erzielen ließen als mit bereits im Umlauf befindlichen. Die Kommission lasse außerdem die Tatsache, dass die mit älteren Geräten erzielten Einnahmen im Lauf der Zeit zurückgingen, zu Unrecht nur deshalb außer Acht, weil Google im Verwaltungsverfahren keine entsprechenden Beweise vorgelegt habe. Die Kommission macht geltend, dass keiner der von Google vorgebrachten Gesichtspunkte geeignet sei, den angefochtenen Beschluss in Frage zu stellen. 790 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Ausschließlichkeitswirkung einer Vereinbarung über die Aufteilung von Einnahmen – in gleicher Weise, wie bei bestimmten Rabattsystemen, bei denen die Rabatte in Abhängigkeit von den im Referenzzeitraum verkauften Mengen gewährt werden, der Druck auf den Käufer, den Umsatz zu erzielen, der ihn zu diesem Rabatt berechtigt, am Ende des Referenzzeitraums wächst – in dem Maße zunimmt, in dem die Zahl der verkauften Waren, die die Dienstleistungen umfassen, aus denen diese Einnahmen stammen, steigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Post Danmark, C‑23/14, EU:C:2015:651, Rn. 34). 791 Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Wettbewerbswidrigkeit der sortimentbezogenen VAE zu Recht nicht nur zum Zeitpunkt ihres Abschlusses, sondern auch während des Zeitraums beurteilt, in dem sie in Kraft waren. Entgegen der Behauptung von Google lässt sich nicht leugnen, dass es für einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber in der Praxis je schwieriger wird, mit den sortimentbezogenen VAE mitzuhalten, desto mehr Mobilgeräte, die diesen VAE unterliegen, im Umlauf sind. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, weil die von Google geteilten Einnahmen von den Suchanfragen abhängen, die von den verkauften Mobilgeräten ausgehen. 792 Folglich kann die Kommission dadurch, dass sie die Fähigkeit eines Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, nicht statisch, sondern dynamisch analysierte, keinen Rechtsfehler begangen haben. 793 Zum einen ist jedoch festzustellen, dass die Erwägungen im 1249. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses rein theoretisch bleiben. Die Kommission quantifiziert im vorliegenden Fall nicht die konkreten Auswirkungen der bereits verkauften Geräte auf die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers wie Google, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen. 794 Zum anderen schließt die Kommission – obwohl eine solche Angabe, wie Google zu Recht geltend macht, relevant sein könnte, um die Auswirkungen auf die Fähigkeit eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers, die sortimentbezogenen VAE auszugleichen, zu relativieren – im 1270. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Eignung neuerer Mobilgeräte, höhere Umsätze zu erzielen als ältere Mobilgeräte, allein mit der Begründung aus, dass Google in ihrer Antwort auf das zweite Sachverhaltsschreiben keine entsprechenden Nachweise erbracht habe. 795 Die Missbräuchlichkeit von Ausschließlichkeitszahlungen kann aber nicht auf die bloße Vermutung eines Missbrauchs gestützt werden, die vom Unternehmen in marktbeherrschender Stellung zu widerlegen wäre. Vielmehr geht aus der Rechtsprechung eindeutig hervor, dass die Kommission, wenn die wettbewerbsbeschränkende Natur einer Preisbildungspraxis bestritten wird, verpflichtet ist, alle relevanten Umstände zu würdigen, in die sich die in Rede stehende Praxis einfügt, um die ihr innewohnende Eignung zur Verdrängung mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber zu analysieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 139 und 140). 796 Da im vorliegenden Fall die Beweislast für die Verdrängungswirkung der sortimentbezogenen VAE auf einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber nicht bei Google, sondern bei der Kommission lag, konnte sich die Kommission im 1270. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht auf ein angebliches Versäumnis von Google stützen, um die Fähigkeit neuerer und älterer Mobilgeräte, dieselben Einnahmen aus allgemeinen Suchanfragen zu erzielen, ohne nähere Analyse als gegeben anzusehen. 797 Daher hat die Kommission nicht angemessen geprüft, ob ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber in der Lage gewesen wäre, die sortimentbezogenen VAE während des Zeitraums auszugleichen, in dem sie in Kraft waren. vi) Ergebnis zur ordnungsgemäßen Durchführung des AEC‑Tests 798 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der von der Kommission im angefochtenen Beschluss durchgeführte AEC‑Test mehrere Denkfehler aufweist. Diese betreffen zunächst eine der Prämissen des AEC‑Tests, nämlich den Anteil der allgemeinen Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte erzielen können, wenn seine Anwendung neben Google Search vorinstalliert wäre. Weiter ist festzustellen, dass die Kommission von einer gesonderten Ermittlung der Kosten, die einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zugerechnet werden können, abgesehen und stattdessen einfach die in einem von einem Dritten übermittelten Dokument enthaltenen und im Verwaltungsverfahren von Google bestrittenen Daten extrapoliert hat. Darüber hinaus sind die im 1244. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegten Gründe in keiner Weise geeignet, die Behauptung stützen, dass ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber ohne die sortimentbezogenen VAE eine Vorinstallation seiner Anwendung wahrscheinlich nur auf einer begrenzten Anzahl von Mobilgeräten hätte erreichen können. Schließlich hat die Kommission die Tendenz bereits im Umlauf befindlicher Mobilgeräte, geringere Umsätze zu erzielen als neuere Mobilgeräte, nur lückenhaft gewürdigt. 799 Allein schon diese vierfache Feststellung ist geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des von der Kommission durchgeführten AEC‑Tests und damit an der behaupteten Verdrängungswirkung der sortimentbezogenen VAE auf einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zu wecken. Daher kann der AEC‑Test, so wie er von der Kommission durchgeführt wurde, die Feststellung eines sich aus den sortimentbezogenen VAE ergebenden Missbrauchs nicht stützen. 5. Ergebnis zur Stichhaltigkeit der für die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE angeführten Gründe 800 Aufgrund der verschiedenen Denkfehler der Kommission kann die Schlussfolgerung, dass die sortimentbezogenen VAE missbräuchlich gewesen seien, nicht als hinreichend belegt angesehen werden. Die genannten Fehler betreffen nämlich wesentliche Aspekte der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE, nämlich die Beurteilung ihrer Markterfassung und die Durchführung des AEC‑Tests. 801 Lässt man diese Argumentationsschritte der Kommission außer Betracht, kann die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE nicht allein auf die zweifache Feststellung gestützt werden, dass die Innovation eingeschränkt werde oder dass die OEM und die MNO ohne die VAE ein Interesse daran gehabt hätten, mehrere allgemeine Suchanwendungen vorzuinstallieren. Selbst wenn Google diese beiden Aspekte der Argumentation der Kommission nicht bestreiten würde, wäre festzustellen, dass sie für sich genommen nicht ausreichen, um die Zweifel auszuräumen, die durch die von der Kommission bei der Analyse der Markterfassung und – im Rahmen des von ihr durchgeführten AEC‑Tests – bei der Analyse der Eignung der sortimentbezogenen VAE, einen hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber vom Markt zu verdrängen, begangenen Fehler hervorgerufen werden. 802 Folglich ist der angefochtene Beschluss, ohne dass die Argumente von Google in Bezug auf den Zugang der Nutzer zu konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten und auf die Notwendigkeit eines kontrafaktischen Tests geprüft werden müssten, für nichtig zu erklären, soweit die sortimentbezogenen VAE darin schon an sich als missbräuchlich eingestuft werden. E. Vierter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der an die Einhaltung der VVF geknüpften Bedingung für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und für Google Search 1. Vorbemerkungen zur Tragweite des zweiten im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbrauchs 803 Mit dem vierten Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, bestreitet Google, dass ihre Praxis, die Erteilung von Lizenzen für den Play Store und für Google Search (im Rahmen einer VVMA) von der Anerkennung der in den AFV enthaltenen VVF abhängig zu machen, als Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste eingestuft werden kann. 804 Die Kommission ist der Auffassung, die in Rede stehenden Praktiken seien missbräuchlich; zudem gehe ein Teil der von Google zur Stützung des vierten Klagegrundes vorgebrachten Argumente ins Leere. In diesem Zusammenhang macht sie ferner geltend, dass Google zahlreiche Beweise, auf die sich der angefochtene Beschluss stütze, nicht bestreite. 805 Wie aus den Akten hervorgeht, verlangte Google von den OEM, die die Möglichkeit nutzen wollten, intelligente Mobilgeräte zu vermarkten, auf denen der Play Store und Google Search vorinstalliert waren, den Abschluss einer AFV. Die Unterzeichnung einer VVMA war nämlich an den Abschluss einer AFV geknüpft. 806 Die VVF schreiben unstreitig die Einhaltung eines Mindestkompatibilitäts-Referenzstandards für die Implementierung des Android-Quellcodes vor. Dieser von Google im DDC festgelegte Standard, der im Internet veröffentlicht ist, verlangt unter anderem, dass intelligente Mobilgeräte die Installation von Anwendungen ermöglichen, ihre Bildschirmgröße korrekt an die Anwendungen übermitteln, grundlegende Sicherheitsfunktionen implementieren und einen vollständigen Satz von API für Android enthalten. 807 Die VVF gelten für sämtliche Geräte, die von einem OEM, der eine AFV abgeschlossen hat, vermarktet werden, sofern diese Geräte mit Android oder einer Android-Fork (d. h. einem auf der Grundlage des Android-Quellcodes entwickelten BS) betrieben werden. Zum Nachweis ihrer Kompatibilität mit den im DDC vorgesehenen Standards müssen die Geräte eine Reihe von Kompatibilitätstests (Compatibility Test Suite, im Folgenden: CTS) bestehen. Die CTS, zu der Google auf der Android-Website öffentlichen Zugang gewährt, besteht aus einer Reihe von Tests, mit denen nachgewiesen werden kann, dass ein intelligentes Mobilgerät, das mit einer Android-Fork betrieben wird, alle im DDC vorgesehenen technischen Kompatibilitätsanforderungen erfüllt. Die OEM sind selbst dafür verantwortlich, ihre mit einer Android-Fork betriebenen Geräte, einschließlich solcher, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind, dieser CTS zu unterziehen. 808 Android-Forks, die die CTS bestehen, werden im Folgenden als „kompatible Android-Forks“ bezeichnet. Android-Forks, die nicht getestet wurden oder diese Tests nicht bestanden haben, d. h. Varianten, die aus dem Android-Quellcode abgeleitet wurden und nicht nachgewiesen haben, dass sie die CTS bestehen können, werden im Folgenden als „nicht kompatible Android-Forks“ bezeichnet. 809 Dem angefochtenen Beschluss zufolge hat Google seit dem 1. Januar 2011 ihre beherrschende Stellung auf dem weltweiten Markt (ohne China) für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen einerseits und auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste andererseits missbraucht, indem sie die Lizenzierung des Play Store und von Google Search von der Annahme der VVF abhängig gemacht hat. Der zweite Missbrauch soll am 1. Januar 2011 begonnen haben, dem Tag, an dem Google eine beherrschende Stellung auf den genannten Märkten erlangt habe, und bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses angedauert haben (1187. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 810 Zunächst ist klarzustellen, dass die AFV, wie die Hauptparteien in der mündlichen Verhandlung bestätigt haben, im angefochtenen Beschluss nur insoweit als missbräuchlich angesehen werden, als sie die OEM verpflichten, die Kompatibilität aller von ihnen vertriebenen Geräte, deren BS Android oder eine Android-Fork ist, mit dem DDC zu gewährleisten, einschließlich der Geräte, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind. Die AFV werden mit anderen Worten nur insofern als missbräuchlich angesehen, als sie die Vermarktung intelligenter Mobilgeräte mit nicht kompatiblen Android-Forks als BS auch dann verbieten, wenn auf diesen Geräten keine Anwendungen von Google vorinstalliert sind. 811 Die Kommission hat zwar allgemein festgestellt, dass die Einhaltung der VVF als Voraussetzung der Lizenz für den Play Store und für Google Search geeignet sei, den Wettbewerb einzuschränken (1036. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses); diese Beurteilung ist jedoch in Verbindung mit der Feststellung zu sehen, dass im Fall intelligenter Mobilgeräte, auf denen das GMS-Paket vorinstalliert ist, Rechtfertigungen anzuerkennen sein mögen, dies jedoch keinesfalls für mit Android-Forks betriebene Geräte gelten kann, auf denen die Anwendungen von Google nicht installiert sind (1173. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 812 So wirft die Kommission unter Verweis auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), und auf die Voraussetzungen, unter denen die Missbräuchlichkeit einer Bündelung von Produkten oder Verpflichtungen festgestellt werden kann, Google im Wesentlichen vor, eine wettbewerbswidrige Praxis angewandt zu haben, die darauf abziele, nicht kompatiblen Android-Forks den Absatzmarkt zu entziehen. 813 Daraus folgt, dass die von Google und den Streithelferinnen der Klägerinnen vorgebrachten Argumente, die die Rechtmäßigkeit der Anwendung der VVF auf Geräte, auf denen das GMS-Paket installiert ist, belegen sollen, jedenfalls nicht geeignet sind, einen Fehler der Kommission bei der Beurteilung des zweiten Missbrauchs nachzuweisen. 814 Im ersten Teil des vierten Klagegrundes widerspricht Google der Beurteilung der Kommission, wonach die in Rede stehende Praxis den Wettbewerb beschränkt habe. Im zweiten Teil dieses Klagegrundes macht Google geltend, dass ihr Verhalten jedenfalls objektiv gerechtfertigt sei. 2. Erster Teil: Beschränkung des Wettbewerbs a) Angefochtener Beschluss 815 Unter Verweis auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), führt die Kommission aus, zur Feststellung des zweiten Missbrauchs müsse erstens nachgewiesen werden, dass die VVF keinen Bezug zur Lizenz für den Play Store und Google Search aufwiesen, zweitens, dass Google auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste eine beherrschende Stellung einnehme, drittens, dass der Play Store und Google Search ohne die Annahme der VVF nicht erhältlich seien, und viertens, dass die VVF geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken (Erwägungsgründe 1011 ff. des angefochtenen Beschlusses). 816 Nach der Prüfung der ersten drei Kriterien entwickelt die Kommission sechs Argumentationsreihen, um zu belegen, dass die VVF geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken: Erstens stellten nicht kompatible Android-Forks eine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung für Google dar, zweitens lege Google die VVF fest, kontrolliere somit ihren Inhalt und überwache effektiv ihre Einhaltung durch die OEM, drittens behinderten die VVF die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks, viertens stellten kompatible Android-Forks keine ernsthafte Wettbewerbsbedrohung für Google dar, fünftens werde die Eignung der VVF, den Wettbewerb zu beschränken, dadurch verstärkt, dass die proprietären API von Google für Entwickler nicht kompatibler Android-Forks nicht verfügbar seien, was den Anreiz für die Entwickler verringere, auf solchen BS lauffähige Anwendungen zu entwickeln, und sechstens erhalte und verstärke das Verhalten von Google ihre beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste, halte von Innovationen ab und drohe unmittelbar oder mittelbar den Verbrauchern zu schaden (1036. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). b) Vorbringen der Parteien 1) Vorbringen von Google 817 Zur Stützung des ersten Teils des vierten Klagegrundes macht Google geltend, dass die VVF die Wettbewerbsfähigkeit der Android-Varianten nicht einschränkten, sondern im Gegenteil erhöhten, indem sie einen Referenzstandard für die Mindestkompatibilität aufrechterhielten, der gewährleiste, dass die Anwendungen auf allen diesen Varianten einwandfrei funktionierten. Nicht kompatible Android-Forks, die diesen Standard nicht erfüllten, seien nutzlos und gefährdeten das gesamte „Android-Ökosystem“. 818 Erstens hält Google die Einhaltung der technischen Standards des CDD für unerlässlich, um zum einen den reibungslosen Betrieb intelligenter Mobilgeräte zu gewährleisten, deren BS Android oder eine Android-Fork sei, und um zum anderen die Kompatibilität dieser Geräte untereinander und mit den für Android entwickelten Anwendungen (im Folgenden: Interoperabilität) zu ermöglichen. Umgekehrt verringerten nachweisliche Inkompatibilitäten die Attraktivität des BS Android und seiner Forks für die Nutzer und die Anwendungsentwickler. Die VVF ermöglichten es den OEM somit, die große Flexibilität des quelloffenen Modells von Android zu nutzen, während sie gleichzeitig die Lebensfähigkeit und Qualität dieses BS und seiner Forks vor Fehlfunktionen aufgrund von Inkompatibilitäten schützten. Die VVF dienten dazu, die Konsequenzen aus den Erfahrungen der Vergangenheit und dem Niedergang anderer offener Ökosysteme wie Symbian und Unix zu ziehen. Da die VVF für den Schutz des „Android-Ökosystems“ unerlässlich seien, schränkten sie den Wettbewerb nicht ein. 819 Zweitens macht Google geltend, im angefochtenen Beschluss werde nicht angegeben, welche spezifischen Anforderungen der VVF den Wettbewerb beschränken sollten. Darin werde auch nicht präzisiert, welcher relevante Wettbewerbsparameter betroffen sein könnte. Die Parteien der AFV verpflichteten sich lediglich, sicherzustellen, dass ihre Android-Forks die Kompatibilitätsanforderungen des CDD erfüllten. Die VVF ließen den OEM daher die Freiheit, mit ihren Android-Forks bei allen denkbaren Wettbewerbsparametern zu konkurrieren, einschließlich Preis, Qualität und Innovation. Die OEM könnten Innovationen in den Quellcode von Android einbringen, neue Funktionen entwickeln und API hinzufügen. Die VVF hinderten die Anbieter von BS oder die OEM, die eine AFV abgeschlossen hätten, nicht daran, konkurrierende allgemeine Suchdienste anzubieten. Kompatible Android-Forks seien nämlich nicht weniger geeignet als nicht kompatible Forks, konkurrierende Suchdienste anzubieten. 820 Drittens macht Google geltend, die AFV hätten durch die Gewährleistung der Entwicklung und Wartung der Android-Plattform die Möglichkeiten für die Mitbewerber erweitert, indem sie ihnen die höheren Entwicklungskosten erspart hätten, die durch die im Fall einer fragmentierten Plattform erforderlichen zusätzlichen Tests entstanden wären, was folglich auch die Kosten für die Nutzer erhöht hätte. So sei es beispielsweise ein Vorteil und keine Einschränkung, zu verlangen, dass auf einem Gerät, das speziell für den Betrieb mit Android oder einer Android-Fork entwickelt worden sei, sämtliche Android-API installiert werden müssten. Jedes Gerät habe dann nämlich unmittelbaren Zugriff auf die breite Palette von Anwendungen, die für alle kompatiblen BS entwickelt worden seien. Die anderen technischen Anforderungen des CDD zielten auf das gleiche Ergebnis ab. Für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer entfalle somit die Notwendigkeit, ein eigenes „Ökosystem“ von Grund auf neu aufzubauen. 821 Viertens macht Google geltend, die Behauptung, dass die VVF den Wettbewerb einschränkten, beruhe auf vagen und unzutreffenden Argumenten, die zudem in keinem Zusammenhang mit den VVF stünden. In diesem Zusammenhang verweist Google insbesondere auf die behauptete Wettbewerbsbedrohung durch nicht kompatible Android-Forks, auf die Schwierigkeiten, denen sich einige nicht kompatible Android-Forks wie das BS Fire OS von Amazon und das BS Aliyun von Alibaba gegenübergesehen hätten, sowie auf die Behauptung, dass bestimmte Inkompatibilitäten erwünscht seien, was angeblich durch die Entscheidung von Google, die Kompatibilität von Android mit Java zu beenden, verdeutlicht werde. Das Scheitern der nicht kompatiblen Android-Forks sei auf ihre inhärente Schwäche und nicht auf die AFV zurückzuführen. 822 Fünftens sei die Behauptung, Google könnte „im Prinzip“ die Anforderungen des CDD ändern, um sie in Zukunft restriktiver zu gestalten, spekulativ und könne keine Zuwiderhandlung begründen. Google habe ihre begrenzte Kontrolle über die Plattform nie zur Beschränkung des Wettbewerbs eingesetzt, und es bestehe auch kein Grund für die Annahme, dass Google sich dazu veranlasst sehen könnte. Google weist darauf hin, dass die AFV auch die Möglichkeit vorsähen, Ausnahmen von den Kompatibilitätsanforderungen zu vereinbaren. 823 Sechstens und letztens macht Google geltend, entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss sei ihre Stellung auf dem Markt für allgemeine Suchdienste durch die VVF nicht gestärkt worden. Konkurrierende Dienste könnten nämlich nicht kompatible Android-Forks ebenso gut als Vertriebskanal nutzen wie kompatible Android-Forks. Die VVF hinderten die BS-Entwickler oder die OEM nicht daran, Geräte zu vermarkten, auf denen ein konkurrierender allgemeiner Suchdienst vorinstalliert sei. Außerdem habe die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht erläutert, warum sie der Ansicht sei, dass nicht kompatible Android-Forks einen besseren Vertriebskanal für mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste bieten würden. Nicht kompatible Android-Forks hätten geringere Marktchancen als kompatible Forks und seien daher als Vertriebskanäle weniger gut geeignet. Die Beispiele der Vorinstallation von Bing durch Amazon und Nokia auf nicht kompatiblen Android-Forks seien irrelevant. 824 Zur Stützung dieses Vorbringens führen die Streithelferinnen von Google u. a. Folgendes an: – Die ADA macht geltend, die Kommission hätte die AFV im Hinblick auf die Wechselwirkungen zwischen den BS und den Anwendungen prüfen müssen; in diesem Zusammenhang gehe von den nicht kompatiblen Forks aufgrund der Portierungskosten und der mit den Inkompatibilitäten verbundenen Nachteile kein ernsthafter Wettbewerbsdruck aus; ohne Googles proprietäre API könnten die Anwendungen nämlich nicht richtig funktionieren, und die Behebung dieser Fehlfunktionen würde vielfältige und hohe Kosten verursachen; diese Inkompatibilitäten würden daher einen Nachteil für die Entwickler und Unannehmlichkeiten für die Nutzer mit sich bringen; daher gebe es keine realistische Alternative zu den AFV. – Die CCIA macht geltend, die Kommission hätte ein realistisches kontrafaktisches Szenario heranziehen müssen; dies hätte ausgereicht, um zu zeigen, dass die AFV entgegen den Feststellungen im angefochtenen Beschluss die Wettbewerbsmöglichkeiten in Wirklichkeit erweitert hätten. – Gigaset und die HMD machen geltend, die AFV förderten den Wettbewerb, indem sie die Lebensfähigkeit von Android im Verhältnis zu anderen alternativen Modellen schützten. Dies habe den Anwendungsentwicklern, den OEM und den Verbrauchern Vorteile gebracht. Der Geltungsbereich des CDD sei unzweideutig. Die Auswirkungen von Fehlfunktionen, die durch nicht kompatible Forks entstünden, seien für alle Akteure von Nachteil. – Opera macht geltend, sie habe vom Android-Geschäftsmodell profitiert, weil es ihr eine zuverlässige Plattform biete, die ihr den Zugang zu vielen potenziellen Nutzern ermögliche; dieses Modell fördere den Wettbewerb mehr als jedes andere. 2) Vorbringen der Kommission 825 Die Kommission verweist im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses. Aus den internen Dokumenten von Google und ihrer Korrespondenz mit den OEM gehe nämlich hervor, dass Google mit den AFV habe verhindern wollen, dass OEM, die Geräte mit vorinstalliertem Play Store und der vorinstallierten Anwendung Google Search verkaufen wollten, auch Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks verkauften. Die AFV schränkten auch den Wettbewerb im Bereich der allgemeinen Suchdienste ein, indem sie die Partner und Mitbewerber von Google daran hinderten, nicht kompatible Android-Forks zu entwickeln, die sich der Kontrolle durch Google entzögen und auf denen die OEM konkurrierende allgemeine Suchdienste hätten vorinstallieren und als Standard festlegen können. 826 So ist die Kommission erstens der Ansicht, dass die AFV das Ziel verfolgten, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks sowohl durch die BS-Entwickler als auch durch die OEM sowie den Verkauf mit solchen Forks betriebener Geräte zu verhindern. Ein solches Ziel reiche aus, um die Strategie von Google als Strategie zur Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks einzustufen. Zweitens stellten nicht kompatible Android-Forks eine ernsthaftere Wettbewerbsbedrohung für Google dar als kompatible Android-Forks. Drittens würden die mit den AFV einhergehenden Verdrängungswirkungen nicht durch die Existenz anderer lizenzierter BS als Android abgeschwächt. Viertens hätten einige OEM den Wunsch gehabt, mit nicht kompatiblen Android-Forks betriebene Geräte zu verkaufen. In all diesen Fällen hätten die AFV die betroffenen OEM und Entwickler daran gehindert, eine solche Nachfrage zu befriedigen. 827 Die Streithelfer der Kommission machen insbesondere Folgendes geltend: – Der VDZ argumentiert, dass der von nicht kompatiblen Android-Forks ausgehende Wettbewerb die Vielfalt erhöhen, den Preis der Geräte senken und zudem die Innovation fördern könne; die VVF gingen daher über das notwendige Maß hinaus. – FairSearch macht geltend, dass die VVF entwickelt worden seien, um den von frei verfügbarer Software ausgehenden Wettbewerb zu verdrängen, und dass Google bei der Auslegung des Begriffs „Fragmentierung“ über einen Beurteilungsspielraum verfüge, der es ihr ermögliche, ihre Marktmacht zu festigen; daher seien die VVF weder gerechtfertigt noch verhältnismäßig. – Seznam weist darauf hin, dass sie auf den Play Store zurückgreifen müsse, weil es unmöglich sei, Entwickler davon zu überzeugen, für einen so kleinen Markt wie den der Tschechischen Republik eine eigene Vertriebsplattform für Anwendungen einzurichten; die VVF nähmen ihr jede kommerziell interessante Alternative und behinderten den Leistungswettbewerb auf den Märkten für allgemeine Suchdienste. – Qwant macht geltend, dass die von den OEM angebotenen nicht kompatiblen Android-Forks seit dem Erlass des angefochtenen Beschlusses konkurrenzfähig geworden seien, wie das Beispiel von Fairphone zeige; durch die Verhinderung der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks hätten die AFV den mit Google Search konkurrierenden Suchmaschinen die Vertriebsplattformen entzogen. c) Würdigung durch das Gericht 828 Wie bereits erwähnt, wirft die Kommission Google vor, die Erteilung von Lizenzen für den Play Store und Google Search von einer Reihe von Verpflichtungen abhängig zu machen, die die Freiheit der OEM, die diese Lizenzen erwerben wollten, gerade dadurch einschränkten, dass sie ihnen untersagten, irgendwelche anderen Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten. Diese Beschränkung ergibt sich aus den AFV und ist, soweit sie für intelligente Mobilgeräte gilt, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert sind, die einzige Verpflichtung, die im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich angesehen wird. Die Kommission bestreitet nämlich nicht, dass Google das Recht hat, Kompatibilitätsanforderungen an Geräte zu stellen, auf denen ihre Anwendungen installiert sind. Hingegen hält sie die Praxis von Google, die darauf abzielt, die Entwicklung und Marktpräsenz von Geräten zu verhindern, die mit einer nicht kompatiblen Android-Fork betrieben werden, für missbräuchlich. Daher ist zu prüfen, ob der Kommission der Nachweis gelungen ist, dass Google, wie im angefochtenen Beschluss festgestellt, eine Praxis angewandt hat, die darauf abzielt, nicht kompatible Android-Forks zu verdrängen, und ob diese Praxis als wettbewerbswidrig im Sinne von Art. 102 AEUV eingestuft werden kann. 829 Nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. b AEUV bestehen missbräuchliche Verhaltensweisen, die eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellen können, u. a. in der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher. Um zu beurteilen, ob das zweite im angefochtenen Beschluss als Missbrauch eingestufte Verhalten von Google eine solche missbräuchliche Praxis darstellt, ist zunächst zu prüfen, ob die Kommission deren Vorliegen nachgewiesen hat, und anschließend, ob sie belegt hat, dass die Praxis geeignet war, den Wettbewerb zu beschränken. 1) Zum Vorliegen der Praxis 830 Was das Vorliegen der betreffenden Praxis betrifft, wird das Verbot für die Vertragspartner der AFV, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, von den Parteien nicht bestritten. Dieses Verbot geht zudem aus den Akten hervor. 831 Erstens wird das Vorliegen dieser Praxis durch die Antworten von Google auf die ihr gestellten schriftlichen Fragen des Gerichts bestätigt, in denen Google darauf hinweist, dass ihre Entscheidung, die AFV einzuführen, auf die Ursprünge von Android zurückgehe. Google macht geltend, sie habe sich dafür entschieden, nur mit Unternehmen geschäftlich zu verkehren, die sich bereit erklärten, Android nicht zu gefährden. Ihrer Meinung nach sei ein solches Ziel nur dadurch zu erreichen, dass alle möglichen Quellen für Inkompatibilitäten und insbesondere die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks eingeschränkt würden. Diese bedrohten aufgrund der Gefahr von Fehlfunktionen der Anwendungen den Ruf ihres Unternehmens und stellten aus der Sicht sowohl der Entwickler als auch der Verbraucher einen Nachteil dar. Daher ist festzustellen, dass Google einräumt, die AFV von Anfang an eingeführt zu haben, um die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu verhindern. 832 Zweitens bestreitet Google nicht die sieben im angefochtenen Beschluss angeführten Beispiele, aus denen hervorgeht, dass sie aktiv eingegriffen hat, um OEM, die sich anschickten, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vertreiben, an ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erinnern oder Druck auf Entwickler auszuüben, um sie davon abzuhalten, Anwendungen für nicht kompatible Android-Forks zu entwickeln (Erwägungsgründe 1051 bis 1059 des angefochtenen Beschlusses). Google hat zwar im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, dass ihre Interventionen auf die Behebung von Hardwaremängeln abgezielt hätten, dafür jedoch keine Beweise vorgelegt. Aus den damals von Google an die in Rede stehenden Unternehmen versandten E‑Mails geht im Gegenteil hervor, dass Google in dem Bestreben eingeschritten ist, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu verhindern, und nicht wegen der Notwendigkeit, technische Probleme mit den Geräten selbst zu beheben. 833 Drittens zeigen die Stellungnahmen, die der Kommission von einem im Verwaltungsverfahren befragten Unternehmen übermittelt wurden, dass Google die Einhaltung der AFV durch die OEM selbst überwachte, indem sie sporadische Käufe bei MNO tätigte und die so erworbenen Geräte selbst mit der CTS überprüfte (1061. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 834 Daher ist das tatsächliche Vorliegen der Praxis, die von der Kommission als zweiter Missbrauch eingestuft und von Google eingeräumt wird, als erwiesen anzusehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zudem, dass sie tatsächlich umgesetzt wurde, und zwar seit den Anfängen von Android. 835 Daher ist zu prüfen, ob diese Praxis, mit der die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks eingeschränkt werden sollte, einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt. Zu diesem Zweck bedarf es der Prüfung der Gründe, aus denen die Kommission im angefochtenen Beschluss zu der Auffassung gelangt ist, dass diese Marktverdrängung den Wettbewerb einschränkte oder zumindest dazu geeignet war, sowie der Argumente, mit denen Google diese Beurteilungen in Frage stellt. 2) Zur Wettbewerbswidrigkeit der Praxis 836 Was die Wettbewerbswidrigkeit der betreffenden Praxis angeht, soll Google dem angefochtenen Beschluss zufolge wettbewerbswidrige Ziele verfolgt und ihr Verhalten tatsächlich wettbewerbsbeschränkende Wirkungen entfaltet haben. Diese Beurteilungen sind daher zu prüfen. i) Zur Wettbewerbswidrigkeit der verfolgten Ziele 837 Aus internen Dokumenten, die im angefochtenen Beschluss erwähnt werden, geht hervor, dass die VVF u. a. in der Absicht konzipiert wurden, jegliche Entwicklung vom Android-Quellcode, der nicht von Google genehmigt wurde, zu verhindern, indem Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks der Absatzmarkt entzogen wurde. Dieses Ziel wird zudem durch die von Google im Rahmen des ersten Teils des vierten Klagegrundes vorgebrachten Argumente bestätigt. 838 Zum einen ergibt sich nämlich aus internen, im angefochtenen Beschluss zitierten E‑Mails, dass die Strategie, die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks zu behindern, von Anfang an darauf ausgerichtet war, die Partner und Mitbewerber von Google an der Entwicklung eigenständiger Android-Versionen zu hindern. Wie aus internen E‑Mails und auf der Android-Website veröffentlichten Informationen hervorgeht, war Google von Anfang an bestrebt, den Zugang zum „Ökosystem“ den kompatiblen Android-Forks vorzubehalten und den beteiligten Unternehmen die Vermarktung von Geräten mit nicht kompatiblen Android-Forks zu untersagen (Erwägungsgründe 159 und 160 des angefochtenen Beschlusses). 839 Zum anderen stützen sich die Argumente, die Google im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes vorbringt, um die Wettbewerbswidrigkeit der in Rede stehenden Praxis zu bestreiten, auf die Behauptung, dass das „Android-Ökosystem“ vor der Fragmentierung geschützt werden müsse, die mit sogenannten „Open Source“-Lizenzmodellen einhergehe. Dieser Umstand schließe es aus, das Verhalten von Google als missbräuchlich anzusehen, weil die wettbewerbsfördernden Vorteile, die sich aus der Vermeidung einer Fragmentierung des „Android-Ökosystems“ ergäben, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Ausschlusses nicht kompatibler Android-Forks bei weitem überstiegen. Diese Gefahr der Fragmentierung ergebe sich bereits aus der bloßen Marktpräsenz nicht kompatibler Android-Forks, die aufgrund ihrer Inkompatibilität die Interoperabilität beeinträchtigen könnten, d. h. die Fähigkeit, alle für Android entwickelten Anwendungen auf sämtlichen Geräten laufen zu lassen, die als BS Android oder eine beliebige Android-Fork verwendeten. Mit diesem Vorbringen räumt Google ein, durch die Notwendigkeit, eine solche Bedrohung zu bekämpfen, dazu veranlasst worden zu sein, die Entwicklung nicht kompatibler Forks zu behindern. 840 Laut Google hätten insoweit Marktanreize allein nicht zum gewünschten Ergebnis führen können, weil die Entwickler und die OEM ohne die AFV kein ausreichendes Interesse daran gehabt hätten, die Gefahr der Inkompatibilität selbst zu beseitigen. Google macht somit geltend, dass das in den AFV enthaltene Verbot der Vermarktung nicht kompatibler Android-Forks notwendig gewesen sei. Die Frage, ob die von Google behauptete Gefahr der Fragmentierung dieses Verhalten objektiv rechtfertigen kann, wird im Rahmen des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes geprüft. 841 Somit ist festzustellen, dass aus den eigenen Erklärungen von Google, die durch die Akten bestätigt werden, hervorgeht, dass die im angefochtenen Beschluss als missbräuchlich eingestufte Praxis bewusst mit dem Ziel angewandt wurde, den Marktzugang nicht kompatibler Android-Forks zu beschränken. ii) Zur Beschränkung des Wettbewerbs 842 Daher ist zu prüfen, ob Google zu Recht geltend macht, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Rede stehende Praxis geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken. Insoweit lassen sich die Gesichtspunkte, auf die sich die Kommission im angefochtenen Beschluss gestützt hat, um die von Google bestrittene Eignung des zweiten Missbrauchs zur Beschränkung des Wettbewerbs nachzuweisen, zu drei Hauptgründen zusammenfassen. Erstens seien nicht kompatible Android-Forks ernsthaftere Mitbewerber von Google als kompatible Android-Forks. Zweitens habe der zweite Missbrauch es Google ermöglicht, nicht kompatible Android-Forks tatsächlich zu verdrängen. Drittens schließlich schade diese Verdrängung dem Wettbewerb, weil sie die beherrschende Stellung von Google auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste verstärke und ein Innovationshemmnis darstelle. – Zur potenziellen Bedrohung durch nicht kompatible Forks 843 Nach Auffassung der Kommission stellen nicht kompatible Android-Forks für Google eine nicht nur ernsthafte, sondern sogar noch größere Wettbewerbsbedrohung dar als die Bedrohung, die von kompatiblen Android-Forks ausgeht oder von anderen BS wie Windows Mobile oder Linux ausgehen könnte. In dieser Hinsicht streiten die Parteien zum einen darüber, inwieweit für Android entwickelte Anwendungen auf nicht kompatiblen Android-Forks ordnungsgemäß funktionieren könnten, und zum anderen darüber, welche Kosten mit der Anpassung dieser Anwendungen an nicht kompatible Android-Forks verbunden sind, wobei die Kommission der Ansicht ist, dass die Kosten der Portierung einer für Android entwickelten Anwendung auf eine nicht kompatible Android-Fork geringer seien als die Kosten, die für die Portierung dieser Anwendung auf andere BS erforderlich wären. 844 Insoweit geht aus den Akten eindeutig hervor, dass nicht kompatible Android-Forks ebenso wie Android selbst und kompatible Android-Forks lizenzierte BS sind. Darüber hinaus ergibt sich aus der Prüfung des ersten Klagegrundes, dass die lizenzierten BS einen für die Beurteilung von Wettbewerbsbeziehungen relevanten Markt darstellen. Folglich sind nicht kompatible Android-Forks geeignet, auf dem Markt für lizenzierte BS mit Google in Wettbewerb zu treten. Daher kommt es auf die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der relative Wettbewerbsdruck, den nicht kompatible Android-Forks auf Google ausüben, im Vergleich zu dem Wettbewerbsdruck, der von kompatiblen Android-Forks und anderen lizenzierten BS ausgeht, stärker oder schwächer ist, nicht an. Für die Einstufung als Wettbewerbsbeschränkung genügt nämlich die Feststellung, dass die nicht kompatiblen Android-Forks auf dem Markt für lizenzierte BS im Wettbewerb mit Android standen, was Google nicht bestreitet. 845 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kosten der Portierung von Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks – d. h. die Entwicklungsausgaben, die aufgewendet werden müssen, damit die für Android konzipierten Anwendungen auf Geräten, deren BS eine nicht kompatible Android-Fork ist, ordnungsgemäß funktionieren – höher oder niedriger sind als die Kosten für die Portierung auf andere BS als Android. Selbst wenn davon auszugehen wäre – was Google nicht nachgewiesen hat –, dass die Kosten für die Portierung für das „Android-Ökosystem“ entwickelter Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks mit den Kosten vergleichbar wären, die für eine Portierung auf völlig andere, d. h. nicht aus dem Android-Quellcode entwickelte BS anfallen würden, ist festzustellen, dass der von nicht kompatiblen Android-Forks auf Google ausgeübte Wettbewerbsdruck im Hinblick auf diese Ausgaben nicht geringer sein kann als derjenige, der von den anderen im angefochtenen Beschluss untersuchten lizenzierten BS ausgeht. 846 Die Eignung nicht kompatibler Android-Forks, Wettbewerbsdruck auf Google auszuüben, wird auch nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass kein kommerzielles Interesse an der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks bestehe, was es ausschließe, dass sie für die Klägerinnen eine Bedrohung darstellten. Insoweit stellt Google nämlich eine allgemeine und abstrakte Behauptung auf, für deren Begründetheit keine schlüssigen Beweise vorgelegt werden. Im Gegenteil macht Seznam in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend, dass sie vergeblich versucht habe, OEM, die eine AFV mit Google abgeschlossen hätten, davon zu überzeugen, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, auf denen sie ihre eigene Suchmaschine habe installieren wollen. Dieses Beispiel stützt die im angefochtenen Beschluss enthaltene Beurteilung, wonach der zweite Missbrauch dazu beigetragen habe, Google dem Wettbewerbsdruck zu entziehen, den nicht kompatible Android-Forks sowohl auf dem Markt für lizenzierte BS als auch auf dem Markt für allgemeine Suchdienste auf Google hätten ausüben können. 847 Daraus folgt, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass nicht kompatible Android-Forks für sie keinesfalls eine Wettbewerbsbedrohung hätten darstellen können. Daher ist zu prüfen, ob die AFV den Eintritt dieser Mitbewerber von Google in den Markt für BS tatsächlich erschwert haben könnten. – Zur tatsächlichen Verdrängung der nicht kompatiblen Android-Forks und zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Verdrängung 848 Unstreitig hat während des im angefochtenen Beschluss betrachteten Zeitraums der Zuwiderhandlung keine nicht kompatible Android-Fork dauerhaft auf dem Markt bestehen können. Die Parteien streiten jedoch darüber, wie diese Feststellung zu interpretieren ist, wobei die Kommission im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertritt, dass der kommerzielle Misserfolg der vorhandenen nicht kompatiblen Android-Forks einerseits und das Fehlen des Markteintritts neuer nicht kompatibler Android-Forks andererseits auf das Verhalten von Google zurückzuführen seien. Insbesondere wirft die Kommission Google vor, von allen OEM, die den Play Store und Google Search auf den von ihnen vermarkteten Geräten hätten installieren wollen, den Abschluss einer AFV verlangt zu haben. Im Gegensatz dazu macht Google geltend, dass der Misserfolg der nicht kompatiblen Android-Forks auf deren inhärente Schwächen und das Fehlen eines kommerziellen Interesses an ihnen zurückzuführen sei. 849 Zunächst ist festzustellen, dass Google die in Abschnitt 6.3.1 des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Feststellungen zur Markterfassung durch die AFV nicht bestreitet. Insoweit wird im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass Google mit rund 100 Unternehmen, die auf dem Markt für intelligente Mobilgeräte tätig sind, auf allen Ebenen der Produktionskette dieser Geräte AFV oder ähnliche Vereinbarungen geschlossen hat. AFV wurden u. a. mit den 30 OEM geschlossen, die gemessen an ihrem Umsatz mit intelligenten Mobilgeräten am bedeutendsten waren (Schaubild 7 des angefochtenen Beschlusses). Die Laufzeit dieser Vereinbarungen mit den OEM entsprach mindestens der Laufzeit der VVMA, wobei die AFV verlängert werden mussten, wenn die OEM weiterhin in den Genuss einer VVMA kommen wollten. Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass während des Zeitraums der Zuwiderhandlung die wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer, die den Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks einen Absatzmarkt hätten bieten können, durch die AFV daran gehindert wurden. 850 Als Nächstes widerspricht Google der von der Kommission vorgenommenen Interpretation des Scheiterns von Fire OS, einer nicht kompatiblen Android-Fork, die von Amazon entwickelt wurde, um ein von Google unabhängiges „Ökosystem“ zu schaffen, das jedoch das Funktionieren für Android entwickelter Anwendungen ermöglichen sollte. Google führt den Misserfolg von Fire OS auf verschiedene Faktoren zurück, unter anderem auf die Nichtverfügbarkeit des Play Store, was Amazon selbst eingeräumt habe. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass zwar außer Streit steht, dass der Play Store ein „must have“ ist, das bewusst den Teilnehmern des „Android-Ökosystems“ vorbehalten ist. Google bringt jedoch nichts vor, was die im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen entkräften könnte, dass sich sechs der umsatzstärksten OEM geweigert hätten, Vereinbarungen über die Entwicklung von Geräten mit Fire OS zu schließen, und Amazon dabei entgegengehalten hätten, dass dies einen klaren Verstoß gegen die AFV bedeutet hätte (1094. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Selbst wenn für den kommerziellen Misserfolg von Fire OS andere Gründe in Betracht kommen könnten, die im Übrigen nicht unabhängig von der Geschäftspolitik von Google sind, ist daher festzustellen, dass die Kommission gleichwohl nachgewiesen hat, dass die AFV diesem BS die Absatzmärkte vorenthalten haben, die ihm die OEM, die eine AFV mit Google abgeschlossen hatten, hätten bieten können. 851 Außerdem bestreitet Google nicht, aktiv eingegriffen zu haben, um mehrere OEM, die beabsichtigten, das BS Aliyun, eine von Alibaba entwickelte nicht kompatible Android-Fork, zunächst in China zu vermarkten, auf ihre Verpflichtungen hinzuweisen. Aus den Erklärungen, die Alibaba im Verwaltungsverfahren abgegeben hat, geht nämlich hervor, dass sie Herstellungsvereinbarungen zur Einführung ihres BS in China und anschließend in der übrigen Welt, einschließlich des EWR, plante. Aus den Erklärungen mehrerer OEM geht auch hervor, dass Google sie ausdrücklich aufforderte, alle geschäftlichen Verhandlungen mit Alibaba auszusetzen (Erwägungsgründe 1054, 1057 und 1069 des angefochtenen Beschlusses). Google hält ihre Interventionen zwar für gerechtfertigt, weil sie ihren Ruf habe schützen und nicht habe zulassen wollen, dass ihre Mitbewerber von den positiven externen Effekten profitierten, die sich aus dem quelloffenen Charakter der Android-Lizenz ergäben, bestreitet aber nicht, eingegriffen zu haben, um sicherzustellen, dass diese OEM ihre Verpflichtungen aus den AFV in Bezug auf das Verbot der Bereitstellung von Absatzmärkten für nicht kompatible Android-Forks einhielten. Unter diesen Umständen kann Google nicht mit Erfolg geltend machen, der Misserfolg von Alibaba in China sei ausschließlich auf Hardwaremängel und Probleme mit der Qualität der Nachahmungen zurückzuführen. 852 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Google im zweiten Teil des vierten Klagegrundes als Antwort auf ein Argument der Kommission geltend macht, dass ohne die AFV die Marktdisziplin trotz des fehlenden kommerziellen Interesses an der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks nicht ausgereicht hätte, um die Vermeidung von Inkompatibilitäten zu gewährleisten. Ohne verbindliche Verpflichtungen hätten die Betreiber des„Android-Ökosystems“ nämlich nach Ansicht von Google ein Interesse daran gehabt, die sich aus der Kompatibilität ergebende Interoperabilität zu nutzen, aber nicht unbedingt daran, die zur Behebung sämtlicher Inkompatibilitäten erforderlichen Ausgaben selbst zu tätigen. 853 Schließlich besteht zwischen den Parteien auch Uneinigkeit in Bezug auf die Konsequenzen daraus, dass Google sich das geistige Eigentum an den API sowie an anderen von Google selbst entwickelten Programmen vorbehalten hat, die dazu beitrugen, dass die Anwendungen auf den Geräten funktionierten, indem sie es ihnen ermöglichten, einwandfrei mit dem BS zu kommunizieren. Obwohl die Kommission im angefochtenen Beschluss die Auffassung vertritt, dass die Weigerung von Google, ihre API den Entwicklern nicht kompatibler Android-Forks zur Verfügung zu stellen, zum zweiten Missbrauch beigetragen habe, ist jedoch festzustellen, dass die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, das Eigentumsrecht von Google an den von ihr entwickelten Programmen als solches nicht bestreitet. Darüber hinaus ist festzustellen, dass Google unwidersprochen angegeben hat, dass alle aufeinander folgenden Versionen des Android-Quellcodes, die sie veröffentlicht habe, eine Aktualisierung der „grundlegenden“ API enthalten hätten und dass sie ausgereicht hätten, damit die für Android entwickelten Anwendungen auf allen kompatiblen Entwicklungen des Quellcodes funktionierten. 854 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Nutzung eines rechtmäßig erworbenen Eigentumsrechts durch ein Unternehmen, selbst wenn es eine beherrschende Stellung innehat, als solche nicht als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen werden kann. Die Ausübung eines ausschließlichen Rechts an einem Recht des geistigen Eigentums gehört nämlich zu den Vorrechten des Inhabers eines solchen Rechts, so dass dessen Ausübung, selbst durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung, für sich genommen keinen Missbrauch dieser Stellung darstellen kann. Jedoch ist ein derartiges Verhalten nicht zulässig, wenn es gerade auf eine Verstärkung der beherrschenden Stellung und deren Missbrauch abzielt (vgl. Urteil vom 30. Januar 2020, Generics [UK] u. a., C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 150 und 151 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 855 Im vorliegenden Fall sind die im Verwaltungsverfahren eingeholten Erklärungen von drei Unternehmen zu berücksichtigen, wonach die den Teilnehmern des „Android-Ökosystems“ vorbehaltene Bereitstellung immer leistungsfähigerer proprietärer API tendenziell dazu geführt habe, dass die Entwickler von Anwendungen für Android in kritischem Ausmaß von diesen API abhängig gewesen seien. Die Kosten einer möglichen Portierung der Anwendungen auf nicht kompatible Android-Forks seien dadurch noch abschreckender geworden. In Anbetracht dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass die von Google verfolgte Geschäftspolitik in Bezug auf die Bereitstellung ihrer API bei der Beurteilung der Auswirkung der in den AFV eingeführten Absatzbeschränkungen als ein zum Kontext gehörender Aspekt berücksichtigt werden muss. Diese Auswirkung ist umso bedeutsamer, als Google die Feststellung der Kommission, dass sich der technologische Abstand zwischen den API von Google und den Basisversionen des Quellcodes während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung vergrößert habe, nicht bestreitet. Der Zugang zu den proprietären API von Google war daher für die Entwickler und die OEM von strategischem Interesse. Die ADA, die als Streithelferin Google unterstützt, bestätigt darüber hinaus, dass die Anwendungen ohne die proprietären API von Google nicht ordnungsgemäß funktionieren könnten und die Behebung dieser Fehlfunktionen vielfältige und hohe Kosten verursachen würde. 856 Wie jedoch aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes hervorgeht, mussten OEM, die die proprietären API von Google nutzen wollten, eine VVMA abschließen, was die vorherige Zustimmung zu den Bedingungen der AFV voraussetzte. Somit stellte die Politik von Google in Bezug auf die Entwicklung und den Vertrieb ihrer API einen Anreiz für den Abschluss der AFV dar, die, wie soeben ausgeführt, die Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks einschränkten. 857 Als Beleg für den wettbewerbswidrigen Charakter der Ausschlusspraxis, die den zweiten Missbrauch darstellt, führt die Kommission im angefochtenen Beschluss neben der Behinderung der Entwicklung tatsächlicher oder potenzieller Mitbewerber von Google auf dem Markt für lizenzierte BS zwei Hauptfolgen an. Zum einen habe der zweite Missbrauch die beherrschende Stellung von Google auf dem Markt für allgemeine Suchdienste gestärkt. Zum anderen habe er Innovationen behindert und die Vielfalt der den Verbrauchern zur Verfügung stehenden Angebote eingeschränkt (Erwägungsgründe 1139 bis 1145 des angefochtenen Beschlusses). 858 Was zunächst den ersten oben angeführten Punkt betrifft, bestreitet Google, dass die AFV zur Stärkung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beigetragen hätten. Google stellt dies im Wesentlichen mit der Begründung in Abrede, dass die AFV keine Klausel enthielten, die es den OEM untersage, mit Google Search konkurrierende allgemeine Suchdienste zu installieren, und dass der Erfolg ihres eigenen Dienstes auf dessen Vorzüge zurückzuführen sei. 859 Insoweit genügt der Hinweis, dass die Kommission die Klauseln der AFV nicht als missbräuchlich eingestuft hat, soweit sie für Geräte galten, auf denen das GMS-Paket installiert war. Im Rahmen des zweiten Missbrauchs wirft die Kommission Google vielmehr vor, dafür gesorgt zu haben, dass nicht kompatiblen Android-Forks jeder Absatzmarkt genommen worden sei. Unstreitig bestand die Lizenzpolitik von Google darin, das GMS-Paket kompatiblen Android-Forks vorzubehalten. Die Installation von Google Search auf Geräten, die mit nicht kompatiblen Android-Forks betrieben wurden, war somit ausgeschlossen. Allein dieser Umstand reicht aus, um festzustellen, dass nicht kompatible Android-Forks als Vertriebskanäle für konkurrierende allgemeine Suchdienste hätten dienen können. Obwohl die AFV die Vorinstallation mit Google Search konkurrierender allgemeiner Suchdienste in keiner Weise untersagten, trugen sie gleichwohl durch die Beschneidung der Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks dazu bei, die konkurrierenden allgemeinen Suchdienste von Situationen auszuschließen, in denen sie als exklusiv vorinstallierte Anwendungen auf einem bestimmten Gerät nicht in direkten Wettbewerb mit Google Search getreten wären. 860 Auf Geräten mit nicht kompatiblen Android-Forks hätten die mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchdienste nämlich nicht nur eine Vorinstallation, sondern sogar eine exklusive Installation anstreben können. Dies war nach Angaben von Seznam auch der Grund, warum sie einigen OEM vorgeschlagen hatte, Geräte mit nicht kompatiblen Android-Forks zu vermarkten, auf denen nur ihr eigener allgemeiner Suchdienst installiert sein sollte. FairSearch macht, ohne dass ihr ernsthaft widersprochen worden wäre, ebenfalls geltend, dass die streitige Praxis die Entwicklung und den Markterfolg allgemeiner Suchdienste, die den Schwerpunkt auf den Schutz der Privatsphäre der Nutzer legten, erschwert habe. 861 Daraus folgt, dass Google nicht mit Erfolg bestreiten kann, dass ihre Praxis der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks zur Stärkung ihrer beherrschenden Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beitrug. 862 Was zum anderen die Behinderung der Innovationen betrifft, hat die Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die mit den AFV umgesetzte Praxis der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks durch die Verhinderung der Entwicklung unterschiedlicher Varianten des BS die Innovationsmöglichkeiten behindert und den Nutzern Funktionen vorenthalten habe, die sich von denen der kompatiblen Android-Forks unterschieden oder diese ergänzten. Insoweit war die Kommission entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet, zum Nachweis der Begründetheit dieser Beurteilung genauer zu definieren, welche Funktionen ohne die streitige Praxis hätten bereitgestellt werden können. Google bestreitet nämlich nicht, dass sich die in Rede stehenden Märkte durch rasche Innovationen auszeichnen, zu denen Forks mit anderen Merkmalen als denen kompatibler Forks hätten beitragen können. 863 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission hinreichend nachgewiesen hat, dass die AFV ihren Unterzeichnern untersagten, nicht kompatiblen Android-Forks Absatzmärkte zu verschaffen. Diese Behinderung der unmittelbaren Mitbewerber von Google auf dem Markt für BS, deren Auswirkungen zudem durch die Politik von Google hinsichtlich der Bedingungen für die Vermarktung ihrer API und ihrer anderen proprietären Anwendungen verstärkt wurden, hat zudem zur Stärkung der beherrschenden Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste beigetragen und sich darüber hinaus als für die Endnutzer nachteilig erwiesen. 864 Da die Kommission festgestellt hat, dass der zweite Missbrauch in der Anwendung sämtlicher im CDD festgelegten technischen Standards auf Geräte bestanden habe, auf denen das GMS-Paket nicht installiert gewesen sei, und da sie eine umfassende Analyse der Auswirkungen der durch die streitige Praxis verursachten Wettbewerbsbeschränkung vorgenommen hat, war sie entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet, die Standards des CDD, die diese Auswirkungen verursachten, genau zu bestimmen. Die im angefochtenen Beschluss gegen Google erhobenen Vorwürfe betreffen nämlich nicht den Inhalt der von ihr festgelegten Kompatibilitätsverpflichtungen, sondern ihre Praxis, mit der verhindert werden sollte, dass nicht kompatible Android-Forks Absatzmärkte finden. 865 Da sowohl das Vorliegen dieser Praxis als auch ihre Auswirkungen aufgrund der vorstehenden Ausführungen als erwiesen angesehen werden können, ist es nicht erforderlich, sich im Rahmen dieses Teils zu den Argumenten zu äußern, die die Eindeutigkeit der VVF, den rein theoretischen Charakter der Möglichkeit für Google, den Inhalt des CDD in einer wettbewerbswidrigen Weise weiterzuentwickeln, oder das Vorliegen einer Absicht von Google betreffen, ihre Vertragspartner in die Irre zu führen. Diese Argumente zielen nämlich darauf ab, zusätzliche Gründe zu bestreiten, die an anderer Stelle des angefochtenen Beschlusses berücksichtigt wurden, so dass ihre Prüfung nicht geeignet wäre, die vorstehenden Feststellungen in Frage zu stellen. Stattdessen sind nunmehr die von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen zu prüfen. 3. Zweiter Teil: Vorliegen objektiver Rechtfertigungen a) Angefochtener Beschluss 866 Die Kommission ist der Auffassung, dass keine der von Google vorgebrachten objektiven Rechtfertigungen akzeptiert werden könne. Sie widerspricht der Argumentation, die Google im Verwaltungsverfahren in acht Punkten vorgebracht hat, nämlich dass die VVF erstens notwendig seien, um die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu gewährleisten, wobei die Geschäftsmodelle der Entwickler anderer BS den Wettbewerb stärker eingeschränkt hätten, dass die VVF zweitens notwendig seien, um eine Fragmentierung zu verhindern, die für das gesamte „Android-Ökosystem“ schädlich wäre, dass die VVF drittens notwendig seien, um den Ruf von Google zu schützen, dass die VVF viertens notwendig seien, um zu verhindern, dass die Entwickler nicht kompatibler Android-Forks von unverdienten externen Effekten profitierten, die sich aus der Reduzierung ihrer Entwicklungskosten durch die kostenlose Bereitstellung eines bereits funktionierenden Quellcodes ergäben, dass die VVF fünftens notwendig seien, um zu verhindern, dass die Entwickler nicht kompatibler Android-Forks von unverdienten externen Effekten profitierten, die sich daraus ergäben, dass Google ihnen ihre Technologie zur Verfügung stelle, insbesondere durch die frühzeitige Weitergabe des Quellcodes oder durch die Veranstaltung von Entwickler-Workshops, dass die VVF sechstens eingeführt worden seien, bevor Google eine marktbeherrschende Stellung erlangt habe, dass die VVF siebtens nicht mit dem Ziel konzipiert worden seien, die Unternehmen, die eine AFV abgeschlossen hätten, über deren Tragweite in die Irre zu führen, und dass die Kommission achtens die wettbewerbswidrigen und die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF nicht gegeneinander abgewogen habe (Erwägungsgründe 1155 bis 1183 des angefochtenen Beschlusses). b) Vorbringen der Parteien 1) Vorbringen von Google 867 Zur Stützung des zweiten Teils des vierten Klagegrundes macht Google geltend, der angefochtene Beschluss lasse den wettbewerbsfördernden Charakter der VVF, die notwendig seien, um die Integrität und Qualität der Android-Plattform vor den mit etwaigen Inkompatibilitäten verbundenen Risiken zu schützen, außer Acht. 868 Als Erstes macht Google geltend, dass die VVF notwendig seien, um die Lebensfähigkeit und die Qualität von Android vor den Risiken zu schützen, die mit Inkompatibilitäten einhergingen. Die VVF gäben den Entwicklern die Sicherheit, dass ihre Anwendungen auf verschiedenen Android-Geräten ohne Fehlfunktionen lauffähig seien. Sie gäben auch den Endnutzern die Sicherheit, dass die für Android entwickelten Anwendungen auf dem von ihnen gewählten Android-Gerät funktionierten. Die Förderung der Kompatibilität stelle daher sowohl für die Entwickler von Android-Forks als auch für die Anwendungsentwickler, die OEM und die Nutzer einen Wettbewerbsvorteil dar. Die Erhaltung dieser Interoperabilität und der Schutz der Integrität und Qualität der Android-Plattform seien legitime und nicht wettbewerbswidrige Ziele. 869 Als Zweites weist Google darauf hin, dass Android im Rahmen eines offenen Lizenzmodells eingeführt worden sei, das den OEM und den Entwicklern mehr Flexibilität als die sogenannten „proprietären“ Lizenzmodelle biete, indem es ihnen erlaube, den Quellcode zu ändern und an ihre Bedürfnisse anzupassen. Die Android-Plattform, innerhalb derer mehrere Forks koexistierten, sei somit auf eine pluralistische und diversifizierte Entwicklung ausgelegt. Diese Besonderheiten machten es jedoch unerlässlich, Mechanismen einzuführen, die dazu bestimmt seien, eine Fragmentierung zu verhindern, die zur Zerstörung der gesamten Android-Plattform führen könnte. Die VVF, die allein diesem Ziel hätten dienen sollen, wären daher selbst dann gerechtfertigt, wenn sie als wettbewerbswidrig anzusehen wären – was Google zudem im Rahmen des ersten Teils des vorliegenden Klagegrundes bestreitet. 870 Die Notwendigkeit der VVF werde durch mehrere Beweise belegt. Erstens zeigten die bisherigen Erfahrungen mit der Fragmentierung der offenen Plattformen Unix, Symbian und Linux Mobile auf, welche irreparablen Folgen die Verbreitung von Inkompatibilitäten habe. Zweitens untermauerten die Aussagen zahlreicher Teilnehmer des „Android-Ökosystems“ den Standpunkt von Google. So hätten mehr als 94 % (35 von 37) der Android-Akteure, die die Fragen der Kommission zur Fragmentierung inhaltlich beantwortet hätten (darunter Anwendungsentwickler, OEM, MNO und andere Unternehmen), angegeben, dass die Gefahr von Inkompatibilitäten Anlass zur Sorge gebe. Drittens belegten im Verwaltungsverfahren vorgelegte interne Dokumente von Google, dass der einzige Grund für die Existenz der VVF darin bestanden habe, die Kompatibilität sicherzustellen und die Integrität der Android-Plattform zu bewahren. 871 Als Drittes weist Google darauf hin, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss behaupte, dass die VVF nicht erforderlich seien, weil die Entwickler von Forks von sich aus Inkompatibilitäten zu vermeiden suchten, um das reibungslose Funktionieren der Anwendungen zu gewährleisten. Die Kommission könne nicht, ohne sich selbst zu widersprechen, sowohl die VVF beanstanden, weil sie die Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks verhinderten, als auch geltend machen, dass die Entwickler Inkompatibilitäten unabhängig von der Existenz der VVF minimieren würden. Google vertritt die Auffassung, dass die Entwickler die Kompatibilität ihrer Android-Forks nur durch die Einhaltung der technischen Anforderungen des CDD sicherstellen könnten. Ohne die VVF könne die Kompatibilität folglich nicht gewährleistet werden. Es könne auch nicht behauptet werden, dass die Entwickler von Forks oder die OEM die Kompatibilität von sich aus sicherstellen würden, weil sie zwar ein Interesse daran hätten, die Vorteile der Interoperabilität zu nutzen, aber keinen ausreichenden Anreiz, von sich aus alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Kompatibilität zu gewährleisten, wenn es keine gemeinsamen Definitions- und Kontrollkriterien gebe, die nur Google aufstellen könne. 872 Als Viertes weist Google darauf hin, dass die Anwendung der VVF, deren Rechtmäßigkeit die Kommission anerkenne, soweit sie für die Geräte gälten, auf denen das GMS-Paket installiert sei, notwendigerweise auf die Geräte erstreckt werden müsse, auf denen diese Anwendungen nicht vorinstalliert seien. Andernfalls könnten die Integrität und die Lebensfähigkeit der Android-Plattform in ihrer Gesamtheit nicht vor den Problemen geschützt werden, die durch Inkompatibilitäten verursacht würden, d. h. vor dem Risiko der Fragmentierung von Android. 873 Als Fünftes bestreitet Google das Vorbringen der Kommission zu der Möglichkeit, den Nachteilen der Fragmentierung durch eine geeignete Politik des geistigen Eigentums entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang habe die Kommission zu verstehen gegeben, dass die Inkompatibilitätsprobleme lediglich den Ruf von Google beeinträchtigen würden und durch eine Markenstrategie gelöst werden könnten, die die Verwendung der Bezeichnung „Android“ auf kompatible Geräte beschränke. Die Inkompatibilität und das Risiko von Fehlfunktionen der Android-Anwendungen seien jedoch kein Reputationsproblem, sondern ein technisches Problem, das die Integrität und die Lebensfähigkeit des „Android-Ökosystems“ bedrohe. Das Vorbringen der Kommission lasse auch außer Betracht, dass die VVF nur für Geräte gälten, die „speziell für den Betrieb mit Android entwickelt“ worden seien. Wenn diese Geräte die Erwartungen der Nutzer und der Anwendungsentwickler an die Kompatibilität nicht erfüllten, würden sie das Vertrauen in Android als Ganzes untergraben. 2) Vorbringen der Kommission 874 Die Kommission macht geltend, dass die AFV im angefochtenen Beschluss nur insoweit beanstandet würden, als sie von den OEM verlangten, dass ihre Geräte, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert seien, die CTS bestehen müssten. Nach Auffassung der Kommission sind die von Google angeführten objektiven Rechtfertigungen zurückzuweisen, die sich auf die Notwendigkeit bezögen, die Risiken zu vermeiden, die damit einhergingen, dass Anwendungen auf Geräten, auf denen die Anwendungen von Google nicht vorinstalliert seien, nicht oder nicht ordnungsgemäß funktionierten. Die Nutzer und die Anwendungsentwickler würden ein Versagen oder eine Funktionsstörung der Anwendungen auf diesen Geräten nämlich nicht Google anlasten. 875 Zudem hätten die VVF nicht dem alleinigen Zweck dienen sollen, die Kompatibilität sicherzustellen und die Integrität der Android-Plattform zu bewahren, sondern auch dazu, die für Google negativen Folgen des von nicht kompatiblen Android-Forks ausgehenden Wettbewerbs zu bekämpfen. Dies gehe aus internen Dokumenten von Google und aus den Antworten auf die Auskunftsersuchen hervor. c) Würdigung durch das Gericht 876 Nach der im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des zweiten Klagegrundes angeführten Rechtsprechung ist ein Verhalten nicht missbräuchlich, wenn es durch wettbewerbsfördernde Vorteile gerechtfertigt ist oder berechtigten Interessen dient. Das Unternehmen in beherrschender Stellung kann dazu insbesondere den Nachweis erbringen, dass entweder sein Verhalten objektiv notwendig ist oder dass die dadurch hervorgerufene Verdrängungswirkung durch Effizienzvorteile ausgeglichen oder sogar übertroffen werden kann, die auch dem Verbraucher zugutekommen. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen in beherrschender Stellung nachzuweisen, dass die durch das betreffende Verhalten möglicherweise eintretenden Effizienzvorteile die mit diesem Verhalten einhergehende Verdrängungswirkung ausgleichen, dass diese Effizienzvorteile durch das genannte Verhalten erzielt worden sind oder erzielt werden können und dass dieses Verhalten für das Erreichen der Effizienzvorteile notwendig ist und einen wirksamen Wettbewerb nicht ausschaltet, indem es alle oder die meisten bestehenden Quellen tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbs zum Versiegen bringt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 40 bis 42 und die dort angeführte Rechtsprechung). Anhand dieser Grundsätze sind die von Google vorgebrachten Rechtfertigungen zu beurteilen. 1) Zur Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu schützen und die „Fragmentierung“ zu verhindern 877 Google hält das streitige Verhalten für notwendig, um die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherzustellen, das durch eine Fragmentierung gefährdet würde. Es handelt sich jedoch um zwei unterschiedliche Ziele, die getrennt voneinander zu bewerten sind. 878 Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss nicht die Auffassung vertreten hat, dass die Einführung von Verpflichtungen zur Sicherstellung der Kompatibilität von Android-Forks, auf denen der Play Store und Google Search installiert sind, einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstelle. Desgleichen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht das Recht von Google bestreitet, die Installation des GMS-Pakets Geräten vorzubehalten, die mit kompatiblen Android-Forks betrieben werden. Die Kommission hat es lediglich als missbräuchlich angesehen, den OEM, die Geräte vermarkten, auf denen das GMS-Paket installiert ist, zu untersagen, daneben auch nicht kompatiblen Android-Forks Absatzmöglichkeiten zu eröffnen. Daraus folgt, dass die erste von Google angeführte Rechtfertigung, nämlich die Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherzustellen, in keinem Zusammenhang mit dem zweiten Missbrauch steht und daher im vorliegenden Fall irrelevant ist. 879 Zum anderen kann Google den durch die AFV bewirkten Entzug sämtlicher Absatzmöglichkeiten für nicht kompatible Android-Forks nicht allein mit der Gefahr rechtfertigen, die eine „Fragmentierung“, d. h. eine Vervielfachung untereinander inkompatibler Plattformen, für das Überleben von Android selbst darstellen soll. Google verweist in diesem Punkt auf die Misserfolge, die frühere BS, die wie Android als „Open Source“ vertrieben worden seien, aus diesem Grund erlitten hätten. 880 Ohne dass es erforderlich wäre, den Streit zwischen den Parteien über die Frage zu entscheiden, ob die Fragmentierung für Google und die gesamte Branche schädlich oder vorteilhaft gewesen wäre, genügt der Hinweis darauf, dass Google die im angefochtenen Beschluss getroffenen Feststellungen zur überlegenen Marktmacht des „Android-Ökosystems“ nicht ernsthaft in Frage stellt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die zur Stützung des ersten Klagegrundes vorgebrachten Argumente in Bezug auf die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Anwendungen und auf den Märkten für BS zurückzuweisen sind. Außerdem bestreitet Google nicht, eine beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu haben. Darüber hinaus soll laut Tabelle 1 des angefochtenen Beschlusses, die Google ebenfalls nicht bestreitet, der Anteil der mit einem lizenzierten BS betriebenen Geräte, die weltweit – ohne China – von OEM verkauft wurden, die an eine AFV gebunden waren, von [70-80] % im Jahr 2011 auf [90-100] % im Jahr 2016 gestiegen sein (167. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Google bestreitet auch nicht die Richtigkeit der Angaben in Schaubild 16 dieses Beschlusses, aus denen hervorgeht, dass die Zahl der im Play Store verfügbaren Anwendungen im Jahr 2013 eine Million und im Jahr 2017 2,8 Millionen erreichte (607. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Situation von Android bei seiner Einführung mit der von bereits existierenden, als „Open Source“ vertriebenen BS wie Unix, Symbian und Linux vergleichbar gewesen sein könnte. Das extrem schnelle Wachstum des „Android-Ökosystems“ seit den frühen 2010er Jahren lässt jedoch die Behauptungen von Google in Bezug auf das hypothetische Risiko, dass die von ihr beschriebene Bedrohung für das Überleben dieses „Ökosystems“ während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung hätte fortbestehen können, wenig glaubhaft erscheinen. Folglich ist diese Rechtfertigung zurückzuweisen. 2) Zur Notwendigkeit, den eigenen Ruf zu schützen 881 Google macht geltend, dass die VVF zwar in erster Linie dazu dienten, technische Probleme zu lösen, deren Auswirkungen weitaus schwerwiegender seien, dass sie aber auch notwendig seien, um ihren Ruf zu schützen. 882 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission die VVF nicht als missbräuchlich angesehen hat, soweit sie für Geräte galten, auf denen das GMS-Paket, d. h. die Anwendungen von Google, installiert war. Die Behauptungen von Google zum Schutz ihres Rufs sind daher ausschließlich im Hinblick auf die Behinderung zu prüfen, die die AFV für nicht kompatible Android-Forks darstellten, auf denen Google die Installation dieser Anwendungen ohnehin ausgeschlossen hatte. Unstreitig behält sich Google nämlich das Recht vor, ihre Anwendungen nur durch OEM installieren zu lassen, die die im CDD festgelegten technischen Verpflichtungen einhalten. 883 Sodann wendet sich Google gegen die im angefochtenen Beschluss enthaltene Beurteilung, wonach sie Maßnahmen ergreifen könne, die jegliche Verwechslung in Bezug auf die betriebliche Herkunft von Geräten mit Android-kompatiblen Forks ausschlössen, z. B. durch die Eintragung von Marken, die ihr den Namen „Android“ vorbehielten (Erwägungsgründe 1172 bis 1176 des angefochtenen Beschlusses). Google macht insoweit lediglich geltend, dass solche Maßnahmen nicht ausreichen würden, ohne diese Behauptung jedoch im Einzelnen zu belegen. Die mangelnde Wirksamkeit einer von Google zum Schutz ihres Rufs wahrgenommenen Verteidigung ihrer Rechte des geistigen Eigentums, z. B. durch das Verbot der Verwendung der Namen „Google“ und „Android“ bei Geräten, die mit nicht kompatiblen Android-Forks außerhalb des „Android-Ökosystems“ betrieben werden, ist daher nicht erwiesen. Solche Maßnahmen würden den Wettbewerb aber zweifellos weniger stark einschränken als die Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks, die sich aus den AFV ergibt und die daher im Hinblick auf den behaupteten Zweck unverhältnismäßig ist. 884 Schließlich beruft sich Google zur Untermauerung der in Rede stehenden Rufschädigung im Wesentlichen auf die Risiken, die ihrer Ansicht nach mit der „Fragmentierung“ einhergehen, weil etwaige Fehlfunktionen, die auf nicht kompatible Android-Forks zurückzuführen seien, auf das gesamte „Ökosystem“ zurückfallen würden. Aus dem Vorstehenden (siehe oben, Rn. 879 und 880) ergibt sich jedoch, dass die Gefahr einer Ausstrahlung zum Nachteil des Android-Ökosystems im vorliegenden Fall nicht hinreichend nachgewiesen ist. 3) Zur Notwendigkeit, Mitnahmeeffekte zu unterbinden 885 Google macht geltend, dass die VVF notwendig seien, um die Mitnahmeeffekte zu begrenzen, die sich daraus ergäben, dass ihre Technologie Dritten zur Verfügung gestellt werde. Bei den positiven externen Effekten, von denen nicht kompatible Android-Forks profitierten, handele es sich zum einen um finanzielle Mitnahmeeffekte, die sich aus der Verringerung der Entwicklungskosten sowohl für das BS als auch für die Anwendungen ergäben, und zum anderen um technische Mitnahmeeffekte, die mit dem Transfer ihrer Technologie verbunden seien (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark, C‑209/10, EU:C:2012:172, Rn. 41 und 42). 886 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die AFV nur insoweit beanstandet, als sie Verpflichtungen enthalten, die darauf abzielen, nicht kompatiblen Android-Forks den Absatzmarkt zu entziehen. Das Recht eines Unternehmens, Nutzen aus den wirtschaftlichen Vorteilen zu ziehen, die mit den von ihm entwickelten Diensten verbunden sind, bedeutet aber nicht, dass ihm das Recht zuzuerkennen ist, mögliche Wettbewerber vom Markt fernzuhalten. Darüber hinaus ist mit der Kommission (Erwägungsgründe 1177 bis 1181 des angefochtenen Beschlusses) festzustellen, dass die Möglichkeit, dass Dritte aus der von Google entwickelten Technologie Nutzen ziehen, eine unausweichliche Folge der von ihr getroffenen Entscheidung ist, den Android-Quellcode durch die AOSP-Lizenz offenzulegen. Daher kann die Möglichkeit, dass die Mitbewerber von Google in den Genuss von Mitnahmeeffekten kommen könnten, den zweiten Missbrauch nicht rechtfertigen. 4) Zur Vorzeitigkeit gegenüber der Erlangung der marktbeherrschenden Stellung und zum Fehlen einer Täuschung 887 Zum einen stellt Google die Relevanz der Ausführungen im angefochtenen Beschluss nicht in Frage, wonach der Umstand, dass das streitige Verhalten begann, bevor Google eine beherrschende Stellung auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste erlangte, nicht geeignet ist, den zweiten Missbrauch zu rechtfertigen. Insoweit ist lediglich darauf hinzuweisen, dass die Kommission gegen Google für den Zeitraum, der vor der Erlangung ihrer beherrschenden Stellung lag, keine Geldbuße verhängt hat. 888 Darüber hinaus wirft die Kommission Google nicht vor, versucht zu haben, die Parteien der AFV oder Dritte über die Tragweite der VVF zu täuschen, so dass das Argument von Google, es habe keinerlei Täuschung gegeben, als ins Leere gehend zurückzuweisen ist. 5) Zur Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF 889 Google wirft der Kommission vor, die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF nicht gegen ihre wettbewerbsschädigenden Auswirkungen abgewogen zu haben. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht bestreitet, dass die von Google festgelegten Kompatibilitätsstandards zur Entwicklung des „Android-Ökosystems“ beigetragen haben. Die Kommission bestreitet auch nicht, dass die Kompatibilität wettbewerbsfördernde Auswirkungen hatte, indem sie die Entwicklung der Teilnehmer an diesem Ökosystem sowie den Wettbewerb zwischen ihnen begünstigte. Die Kommission spricht Google auch nicht das Recht ab, Standards festzulegen, um die Kompatibilität innerhalb dieses „Ökosystems“ zu gewährleisten. Hingegen hat die Kommission den Standpunkt vertreten, sie habe die wettbewerbsfördernden Auswirkungen der AFV nicht berücksichtigen müssen, weil Google die sich aus den VVF ergebenden Behinderungen nicht kompatibler Android-Forks nicht objektiv gerechtfertigt habe (1183. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 890 In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Bestimmungen der AFV nur insoweit als missbräuchlich ansieht, als sie es den OEM untersagen, Absatzmärkte für nicht kompatible Android-Forks anzubieten. Für die Zwecke der Anwendung von Art. 102 AEUV ist diese Behinderung daher getrennt von den Verpflichtungen zu betrachten, die die Kompatibilität von Android-kompatiblen Forks und die Interoperabilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ sicherstellen sollen und deren wettbewerbsfördernde Auswirkungen nicht bestritten werden. Wie oben bereits ausgeführt, entfaltet die in Rede stehende Behinderung ihre Wirkungen nämlich außerhalb des „Android-Ökosystems“, weil sie nicht kompatible Forks betrifft, auf denen Googles eigene Anwendungen wie das GMS-Paket nicht installiert werden dürfen und bei denen Kompatibilität und Interoperabilität nicht notwendigerweise angestrebt werden. 891 Die Behinderung der Entwicklung nicht kompatibler Android-Forks kann nämlich nicht per se als für die Festlegung von Kompatibilitätsstandards, die innerhalb des „Android-Ökosystems“ gelten sollen, unerlässlich angesehen werden. Aus dem Umstand, dass die Rechtfertigungen von Google hinsichtlich der Notwendigkeit, die „Fragmentierung“ zu bekämpfen, zurückgewiesen werden müssen, folgt insbesondere, dass Google nicht nachgewiesen hat, dass es für sie unmöglich gewesen wäre, das Überleben des „Android-Ökosystems“ ohne die streitigen Bedingungen zu gewährleisten. Da somit kein durch eine Notwendigkeit bedingter Zusammenhang zwischen dem Ausschluss nicht kompatibler Android-Forks einerseits und der Kompatibilität innerhalb des Android-Ökosystems – die im Übrigen das Ziel der VVF ist – andererseits besteht, kann Google nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Kommission die wettbewerbsfördernden Wirkungen der VVF innerhalb des Android-Ökosystems, die sich für die Teilnehmer dieses Ökosystems aus den Vorteilen der Kompatibilität ergeben hätten, gegen die Wettbewerbsbeschränkungen hätte abwägen müssen, die sich außerhalb dieses Ökosystems auswirken und als zweiter Missbrauch identifiziert wurden. 4. Ergebnis der Prüfung des vierten Klagegrundes 892 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Wettbewerbswidrigkeit der Verdrängung nicht kompatibler Android-Forks durch die AFV als erwiesen anzusehen ist. Dieses Verhalten hat den potenziellen oder bestehenden Mitbewerbern von Google jeglichen Absatzmarkt entzogen, die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste gestärkt und die Innovation behindert. Darüber hinaus hat Google weder dargetan, dass der durch die AFV bewirkte Ausschluss nicht kompatibler Android-Forks einem legitimen Ziel diente, noch nachgewiesen, dass dieser Ausschluss wettbewerbsfördernde Auswirkungen hatte, die diesem Unternehmen zuzurechnen sind. 893 Aus dem Vorstehenden ergibt sich auch, dass die Kommission entgegen dem Vorbringen von Google den relevanten wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext sowie die konkreten Auswirkungen des zweiten Missbrauchs ordnungsgemäß berücksichtigt hat. Da die Kommission das Vorliegen der streitigen Beschränkungen und ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb hinreichend nachgewiesen hat, war sie entgegen der Auffassung von Google und ihrer Streithelferinnen auch nicht verpflichtet, darüber hinaus eine kontrafaktische Analyse durchzuführen, um die hypothetischen Folgen zu bewerten, die ohne den zweiten Missbrauch auf den Märkten für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen und auf den Märkten für allgemeine Suchdienste, auf denen dieser Missbrauch festgestellt wurde, sowie auf dem Markt für lizenzierbare BS, auf dem Google ebenfalls eine beherrschende Stellung innehat, hätten beobachtet werden können. 894 Daher ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen. F. Fünfter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte 895 Mit dem fünften Klagegrund, der sich in zwei Teile gliedert, macht Google geltend, dass die Kommission ihre Verteidigungsrechte verletzt habe, indem sie zum einen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör und zum anderen ihr Recht auf Akteneinsicht nicht beachtet habe. Diese Verfahrensfehler machten die Feststellungen im angefochtenen Beschluss ungültig und rechtfertigten dessen Nichtigerklärung. Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist zuerst zu prüfen. 1. Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht a) Vorbringen der Parteien 896 Google macht geltend, dass der Inhalt der Aktenvermerke über die Besprechungen, die die Kommission mit Dritten über den Gegenstand der Untersuchung geführt habe, unzureichend sei und ihre Verteidigungsrechte nicht gewährleiste oder zumindest dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht entspreche. Diese Aktenvermerke seien im Nachhinein erstellt worden, manchmal mehrere Jahre nach der betreffenden Besprechung. Nur 3 der 35 übermittelten Aktenvermerke könnten als vollständig angesehen werden. Die übrigen 32 seien im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Anforderungen an eine Befragung Dritter zu kurz und zu summarisch, insbesondere im Licht des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632). 897 Google beanstandet insbesondere, dass die übermittelten Informationen über die Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin oder einem Mitglied ihres Kabinetts unzureichend seien und dass einige Namensangaben anonymisiert worden seien. 898 Wegen der Kürze der übermittelten Aktenvermerke könne Google weder den Inhalt der Erörterungen zwischen der Kommission und den befragten Dritten noch die Art der in diesem Zusammenhang erteilten Auskünfte feststellen. Diese Verletzung ihrer Verteidigungsrechte sei gravierend, insbesondere in Bezug auf die Befragungen der Anwendungsentwickler, bei denen es plausibel erscheine, dass sie entlastende Aussagen gemacht hätten, die in den von der Kommission übermittelten Aktenvermerken nicht wiedergegeben seien. 899 Die Kommission hält dieses Vorbringen für unbegründet. 900 Einleitend macht sie geltend, dass sie nur dann verpflichtet sei, ein vollständiges Protokoll einer Besprechung mit einem Dritten anzufertigen, wenn es sich dabei um eine „Befragung“ im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 handele, d. h. um eine Besprechung, deren Zweck es sei, Informationen einzuholen, die sich auf den Gegenstand der Untersuchung bezögen. Bei anderen Besprechungen brauche sie lediglich kurze Aktenvermerke anzufertigen, und zwar zum einen über alle während der betreffenden Besprechung vorgelegten Beweise, die sie in ihrem Beschluss zu verwenden beabsichtige, und zum anderen über alle bei dieser Gelegenheit vorgelegten Beweise, die für das von der Untersuchung betroffene Unternehmen möglicherweise günstig seien und auf die es sich hätte stützen können, um die Schlussfolgerungen der Kommission zu entkräften. 901 In diesem Zusammenhang macht die Kommission geltend, dass die Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin und einem Mitglied ihres Kabinetts nicht dazu gedient hätten, den Gegenstand der Untersuchung betreffende Informationen einzuholen. 902 Hinsichtlich der Aktenvermerke über die anderen Besprechungen ist die Kommission der Ansicht, hinreichende Informationen darüber erteilt zu haben, wann und wie sie diese Vermerke erstellt habe, einschließlich der Gründe, aus denen bestimmte Namensangaben gestrichen worden seien. b) Würdigung durch das Gericht 903 Mit dem zweiten Teil des fünften Klagegrundes wirft Google der Kommission im Wesentlichen vor, ihr Aktenvermerke über Besprechungen mit Dritten übermittelt zu haben, die den Inhalt der Erörterungen und die Art der Auskünfte, die zu den bei diesen Besprechungen angesprochenen Themen erteilt worden seien, nicht hätten erkennen lassen, so dass sie ihre Verteidigungsrechte insoweit nicht ordnungsgemäß habe geltend machen können. 904 Aus dem angefochtenen Beschluss geht in der Tat hervor, dass Google am 15. September 2017 im Anschluss an das Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), alle einschlägigen Unterlagen zu den Besprechungen der Kommission mit Dritten angefordert hatte (vgl. 30. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Die Kommission beantwortete dieses Ersuchen am 28. Februar 2018 (vgl. Erwägungsgründe 33 und 63 des angefochtenen Beschlusses). 905 Aus dem angefochtenen Beschluss geht auch hervor, dass die Kommission nach der Übermittlung dieser Unterlagen erklärt hat, über keine weiteren Unterlagen im Zusammenhang mit diesen Besprechungen zu verfügen, unabhängig davon, ob diese in Anwesenheit der Teilnehmer oder telefonisch stattgefunden hätten (vgl. 64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Aus den Akten der vorliegenden Rechtssache ergibt sich nichts, was diese Aussage in Frage stellen könnte. 906 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Verteidigungsrechte als Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, deren Wahrung das Gericht und der Gerichtshof zu sichern haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 52). 907 Auch die Kommission hat in Anwendung des Grundsatzes der guten Verwaltungspraxis dafür zu sorgen, dass ihre internen Vorschriften die Verteidigungsrechte wahren. 908 Im Wettbewerbsrecht verlangt die Wahrung der Verteidigungsrechte, dass dem Adressaten eines Beschlusses, mit dem festgestellt wird, dass er eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln begangen hat, im Verwaltungsverfahren Gelegenheit gegeben wurde, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen und Umstände, die ihm zur Last gelegt werden, sowie zu den von ihr für ihre Behauptung einer Zuwiderhandlung herangezogenen Schriftstücken wirksam Stellung zu nehmen (Urteile vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑109/10 P, EU:C:2011:686, Rn. 53, und vom 25. März 2021, Deutsche Telekom/Kommission, C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 106). 909 Als Ausfluss des Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte bedeutet das Recht auf Akteneinsicht, dass die Kommission dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit geben muss, alle Schriftstücke in der Ermittlungsakte zu prüfen, die möglicherweise für seine Verteidigung erheblich sind. Zu ihnen gehören sowohl belastende als auch entlastende Schriftstücke mit Ausnahme von Geschäftsgeheimnissen anderer Unternehmen, internen Schriftstücken der Kommission und anderen vertraulichen Informationen (Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 68, und vom 12. Juli 2011, Toshiba/Kommission, T‑113/07, EU:T:2011:343, Rn. 41). 910 Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003, auf den sich Google beruft, eine Rechtsgrundlage darstellt, die die Kommission ermächtigt, im Rahmen einer Untersuchung Gespräche mit einer natürlichen oder juristischen Person zu führen (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 86). 911 Schon aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 ergibt sich, dass diese Bestimmung auf jedes Gespräch anwendbar sein soll, das die Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung bezweckt. Weder der Wortlaut dieser Vorschrift noch das mit ihr verfolgte Ziel bietet einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber einzelne dieser Gespräche von ihrem Anwendungsbereich ausnehmen wollte (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 84 und 87). 912 Wenn die Kommission eine Befragung gemäß Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 durchführt, um Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung einzuholen, ist sie verpflichtet, diese Befragung in einer von ihr gewählten Form aufzuzeichnen. Dabei reicht es nicht aus, dass sie eine kurze Zusammenfassung der in der Befragung angesprochenen Themen erstellt. Sie muss Angaben zum Inhalt der Erörterungen im Rahmen dieser Befragung machen können, insbesondere was die Art der Auskünfte betrifft, die bei der Befragung zu den angesprochenen Themen erteilt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 91 und 92). 913 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach gefestigter Rechtsprechung eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Verfahrensfehlers die Möglichkeit besteht, dass das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein klagendes Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte, sondern muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können (Urteile vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31, und vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑827/14, EU:T:2018:930, Rn. 129). Ob die Kommission die Verteidigungsrechte beachtet hat, ist anhand der tatsächlichen und rechtlichen Umstände des konkreten Falles zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 2020, Kommission/RQ, C‑831/18 P, EU:C:2020:481, Rn. 107). 914 Im Hinblick auf diese Grundsätze ist das Vorbringen der Parteien zum zweiten Teil des fünften Klagegrundes zu prüfen. 915 Als Erstes ist zu der Frage, ob alle Aktenvermerke über die Besprechungen mit Dritten Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 betreffen, darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts eingeräumt hat, dass 33 der 35 an Google übermittelten Aktenvermerke Befragungen im Sinne dieser Bestimmung betrafen; dies ist in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden. 916 Die Kommission bestreitet daher nur in Bezug auf zwei der 35 Treffen, auf die sich die an Google übermittelten Aktenvermerke beziehen, nämlich die beiden Treffen, an denen die für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin oder ein Mitglied ihres Kabinetts teilnahm, dass sie als Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 einzustufen seien. Sie begründet diesen Einwand damit, dass der Zweck dieser Treffen nicht darin bestanden habe, den Gegenstand der Untersuchung betreffende Informationen einzuholen. 917 Im vorliegenden Fall sind jedoch entgegen dem Vorbringen der Kommission auch diese beiden Besprechungen als Befragungen im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 anzusehen. Aus den von der Kommission übermittelten Aktenvermerken über diese Besprechungen ergibt sich nämlich, dass es sich bei ihnen sehr wohl um Befragungen handelte, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand der Untersuchung dienten. 918 So geht aus dem ersten Vermerk hervor, dass ein Unternehmen der Branche in einer am 2. Juli 2015 durchgeführten Befragung der Kommission seine Ansichten zu mobilen Plattformen, einschließlich Android, sowie zum Wettbewerbsumfeld, in dem sich seine Anwendungen und Dienste entwickelten, darlegen konnte. 919 Desgleichen geht aus dem zweiten Vermerk hervor, dass die ADA der Kommission während einer Befragung am 27. September 2017 ihre Ansichten zu der Untersuchung darlegen konnte, die zu dem angefochtenen Beschluss geführt hat, insbesondere in Bezug auf die AFV und die zur Lösung der festgestellten Wettbewerbsprobleme in Betracht gezogenen Abhilfemaßnahmen. In diesem Vermerk heißt es ferner, die ADA habe der Kommission gegenüber bestätigt, dass sie alles, was sie bei dieser Befragung geäußert habe, bereits in Dokumenten dargelegt habe, die der Kommission übermittelt worden seien. 920 Folglich ist der Umstand, dass die von der Kommission durchgeführten Befragungen Dritter möglicherweise in Form von Besprechungen mit der für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissarin oder einem Mitglied ihres Kabinetts stattfanden, nicht geeignet, sie vom Anwendungsbereich des Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 auszunehmen, weil die Treffen dazu dienten, Informationen über den Gegenstand einer Untersuchung einzuholen. 921 Was als Zweites die Frage betrifft, ob die Aktenvermerke über die Befragungen Dritter, die die Kommission durchführte, um Informationen zum Gegenstand der Untersuchung einzuholen, im Hinblick auf Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 ordnungsgemäß waren, ist darauf hinzuweisen, dass Google im Wesentlichen geltend macht, die Vermerke seien zu spät angefertigt worden und unvollständig. 922 Zur verspäteten Anfertigung ist festzustellen, dass nur drei der 35 Vermerke, die dem Gericht in einer Anlage zur Klageschrift vorgelegt wurden, Befragungen betreffen, die nach der Verkündung des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), durchgeführt wurden. Dabei handelt es sich um zwei Befragungen der ADA am 18. und 27. September 2017 und eine Befragung des BEUC am 20. Dezember 2017. Die anderen 32 Befragungen fanden zwischen dem 30. Mai 2013 und dem 26. Juli 2017 statt, darunter 21 Befragungen zwischen 2013 und 2015. 923 Die späte Übermittlung einiger dieser Vermerke, insbesondere derjenigen, die viele Jahre nach der jeweiligen Befragung fertiggestellt wurden, ist im vorliegenden Fall auf die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache zurückzuführen. 924 Aus den Akten geht nämlich zunächst hervor, dass Google die Kommission am 2. September 2016 gebeten hatte, ihr Aktenvermerke zu übermitteln, die den Inhalt aller Erörterungen zwischen der Kommission und Dritten, die den Gegenstand der Untersuchung betrafen, vollständig wiedergeben. In ihrer Antwort vom 22. September 2016 erklärte die Kommission, dass sie dieses Ersuchen ablehne, und berief sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichts, die dem Urteil des Gerichtshofs vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), vorausgegangen war, insbesondere auf das Urteil vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission (T‑286/09, EU:T:2014:547, Rn. 619 und die dort angeführte Rechtsprechung). 925 Ferner geht aus den Akten hervor, dass Google ihren Antrag am 15. September 2017 wiederholte, und zwar nunmehr unter Berufung auf das soeben verkündete Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), und auf die in diesem Urteil vorgenommene Klarstellung des Begriffs der Befragung zum Zweck der Einholung von Informationen, die sich auf den Gegenstand einer Untersuchung beziehen. 926 Um diesem Antrag nachzukommen, teilte die Kommission am 28. Februar 2018 mit, dass sie sich mit allen Dritten, mit denen sie Besprechungen durchgeführt habe, in Verbindung gesetzt habe, um deren Zustimmung zum Inhalt der Erörterungen einzuholen, die in den diese Dritten betreffenden Vermerken wiedergegeben seien. Die 32 Vermerke zu den Befragungen, die vor der Verkündung des Urteils vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), stattgefunden hatten, wurden somit tatsächlich erst auf den Antrag von Google vom 15. September 2017 hin fertiggestellt. 927 Da es keine zeitnahen Aufzeichnungen über die von den Dritten bei diesen Befragungen abgegebenen Erklärungen gab, bemühte sich die Kommission, wie der Anhörungsbeauftragte in seinem Schreiben vom 30. April 2018 als Antwort auf eine Eingabe von Google zur Bearbeitung ihrer Anträge auf Akteneinsicht dargelegt hat, ausführlichere Vermerke zu erstellen, in denen, soweit möglich, die einschlägigen Dokumente der Akte erwähnt wurden, die Google bereits übermittelt worden waren, oder in denen, soweit solche Dokumente nicht zu ermitteln waren, die Erinnerungen der Anwesenden so gut wie möglich wiedergegeben wurden. 928 Wie Google geltend macht, ändert das aber nichts daran, dass einige der ihr übermittelten Aktenvermerke nicht sofort oder zeitnah erstellt worden waren, sondern manchmal erst mehrere Jahre nach der jeweiligen Besprechung. Daher ist festzustellen, dass ein großer Teil der Aktenvermerke über die Besprechungen mit Dritten verspätet übermittelt wurde. 929 Zur Frage der Unvollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass nach Auffassung von Google nur drei der 35 von der Kommission übermittelten Vermerke den Anforderungen genügen, die Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 an Befragungen stellt, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung dienen sollen. Dabei handelt es sich um die Vermerke über die am 26. Januar 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens der Branche, die am 28. Mai 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens, dessen Name Google nicht mitgeteilt wurde, und die am 18. September 2017 durchgeführte Befragung der ADA. 930 Hinsichtlich der übrigen 32 Vermerke ist, wie Google geltend macht, davon auszugehen, dass sie zu summarisch sind, um eine den Anforderungen von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 genügende Aufzeichnung einer Befragung darzustellen, die der Einholung von Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung dienen sollte. Insbesondere bleiben diese Aktenvermerke, auch soweit sie den allgemeinen Inhalt der im Rahmen dieser Befragungen geführten Gespräche erkennen lassen, für sich allein in Bezug auf den genauen Inhalt der Gespräche und die Art der von den Dritten im Rahmen dieser Befragungen erteilten Auskünfte noch zu vage oder sind nicht detailliert genug. 931 Wie Google geltend macht, sind die 32 im Februar 2018 übermittelten Vermerke, die sie beanstandet, daher in Anbetracht ihrer bereits oben festgestellten späten Anfertigung als zu summarisch anzusehen. Die nachträgliche Rekonstruktion des Inhalts der Befragungen Dritter, die die Kommission durchgeführt hatte, um Informationen zum Gegenstand der Untersuchung einzuholen, oder die nachträglichen Verweise auf frühere oder spätere Dokumente in der Untersuchungsakte, die diese Befragungen betreffen, können das Fehlen einer ordnungsgemäßen Aufzeichnung daher nicht heilen. 932 Aus dem Vorstehenden folgt, dass ein großer Teil der von der Kommission am 28. Februar 2018 vorgelegten Aktenvermerke zu spät angefertigt wurde und zu summarisch ist, um eine Aufzeichnung im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 darstellen zu können. 933 Künftig wäre es sinnvoll und angemessen, die Aufzeichnung jeder Befragung Dritter, die die Kommission durchführt, um Informationen zum Gegenstand einer Untersuchung einzuholen, zum Zeitpunkt des Gesprächs oder kurz danach anzufertigen oder genehmigen zu lassen, damit sie so schnell wie möglich zu den Akten genommen werden kann, so dass die beschuldigte Person zu gegebener Zeit davon Kenntnis nehmen kann, um ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen. 934 Was als Drittes die Konsequenzen betrifft, die aus den Verfahrensfehlern bei der Aufzeichnung der Befragungen Dritter im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 zu ziehen sind, ist zu prüfen, ob Google unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände der vorliegenden Rechtssache hinreichend nachgewiesen hat, dass sie sich ohne diese Fehler besser hätte verteidigen können. Ohne einen solchen Nachweis kann eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte nämlich nicht festgestellt werden. 935 Ein solcher Nachweis ist als erbracht anzusehen, wenn der Inhalt der nicht offengelegten Beweise weder bestimmt noch bestimmbar ist. In diesem Fall kann dem Unternehmen nicht die unerfüllbare Beweislast für den Inhalt des Dokuments auferlegt werden, insbesondere nicht für das Vorhandensein von belastendem oder entlastendem Beweismaterial, das nicht offengelegt wurde. Das Unternehmen kann sich somit darauf beschränken, auf die bloße Möglichkeit hinzuweisen, dass die nicht offengelegten Informationen für seine Verteidigung hätten nützlich sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2011, Solvay/Kommission, C‑110/10 P, EU:C:2011:687, Rn. 59 bis 62). 936 Ist dagegen der Inhalt der Beweise, zu denen der Zugang beschränkt war, nachträglich ermittelt worden oder lässt er sich nachträglich ermitteln, kann das Unternehmen nicht von dem Nachweis befreit werden, dass es keinen Zugang zu belastenden oder entlastenden Beweisen hatte und welche Schlussfolgerungen daraus für die Ausübung seiner Verteidigungsrechte zu ziehen sind. Dies ist der Fall, sofern das Unternehmen zumindest über aussagekräftige Hinweise zu den Autoren sowie zu Art und Inhalt der ihm vorenthaltenen Dokumente verfügt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Solvay/Kommission, C‑110/10 P, EU:C:2011:257, Nr. 37). 937 Im Fall nicht offengelegter belastender Beweise hat das betroffene Unternehmen nachzuweisen, dass das Verfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, wenn diese belastenden Beweise offengelegt worden wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 71 und 73, sowie vom 12. Juli 2011, Toshiba/Kommission, T‑113/07, EU:T:2011:343, Rn. 46). 938 In Bezug auf entlastende Beweise muss das betroffene Unternehmen nachweisen, dass es diese Beweise zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können, und zwar in dem Sinne, dass es, wenn es sich im Verwaltungsverfahren auf sie hätte berufen können, Gesichtspunkte hätte geltend machen können, die nicht mit den in diesem Stadium von der Kommission gezogenen Schlüssen übereinstimmten und daher, in welcher Weise auch immer, die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommenen Beurteilungen hätten beeinflussen können. Das betroffene Unternehmen muss folglich zum einen dartun, dass es zu bestimmten entlastenden Beweisen keinen Zugang hatte, und zum anderen, dass es diese zu seiner Verteidigung hätte einsetzen können (Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 97 und 98). 939 Im vorliegenden Fall hat Google jedoch nicht nachgewiesen, dass sie sich ohne die Verfahrensfehler, die oben in Bezug auf die von ihr beanstandete Verspätung und Unvollständigkeit der übermittelten Aktenvermerke festgestellt worden sind, besser hätte verteidigen können. 940 Google macht insoweit nur allgemein geltend, dass ihr eine detailgetreue Niederschrift des Inhalts des Austauschs mit den befragten Dritten Erläuterungen und Hintergrundinformationen zu den in der Untersuchungsakte enthaltenen Dokumenten geliefert hätte, auf die sich die Kommission gestützt habe. 941 Was erstens die Möglichkeit betrifft, im Nachhinein festzustellen, ob Beweise nicht offengelegt wurden, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Kommission trotz fehlender Aufzeichnungen der Befragungen gleichwohl versucht hat, deren Inhalt zu rekonstruieren, um es Google zu ermöglichen, ihre Verteidigungsrechte auszuüben. 942 So ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 28. Februar 2018 zum Antrag von Google zum einen angegeben hat, dass sie weder in der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch im ersten Sachverhaltsschreiben auch nur einen einzigen der übermittelten Aktenvermerke als belastendes Beweismaterial verwendet habe, und zum anderen, dass sie Google sämtliche potenziell entlastenden Beweise, die bei diesen Treffen vorgelegt worden seien, zur Verfügung gestellt habe, damit Google sie für ihre Verteidigung nutzen könne. 943 Die Prüfung des angefochtenen Beschlusses und der Akte, von der das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Kenntnis hat, hat nicht ergeben, dass Bestandteile dieser Akten geeignet sein könnten, die von der Kommission insoweit gegebenen Zusicherungen in Frage zu stellen. 944 Zweitens ist festzustellen, dass zu 26 der 32 Aktenvermerke, deren Vollständigkeit Google bestreitet, angegeben wird, dass der Inhalt der bei diesen Befragungen geführten Gespräche vollständig in bestimmten Dokumenten der Untersuchungsakte wiedergegeben sei, zu denen Google, wie sie in Beantwortung einer Frage des Gerichts eingeräumt hat, Zugang hatte. In 24 dieser 26 Vermerke ist außerdem angegeben, dass die Kommission die Zustimmung des jeweils befragten Dritten zum Inhalt des Vermerks erhalten hat, was bestätigt, dass die Verweise auf die in der Akte enthaltenen Dokumente sachdienlich und erschöpfend sind. Die beiden Vermerke, zu deren Inhalt die Zustimmung des jeweils befragten Dritten nicht eingeholt werden konnte, enthalten eine Erklärung hierfür: Einer von ihnen existierte nicht mehr, und der andere reagierte nicht auf die wiederholten Aufforderungen der Kommission, seine Zustimmung zu erteilen. 945 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass Google trotz der die Aufzeichnungen der Befragungen betreffenden Verfahrensmängel von der Kommission Informationen über den Inhalt der bei diesen Befragungen geführten Gespräche erhalten konnte, insbesondere über die Art der bei diesen Gelegenheiten erteilten Auskünfte zu den dort angesprochenen Themen. 946 In Anbetracht der von der Kommission erteilten Hinweise und der Schlussfolgerungen, die daraus für die Beurteilung des Inhalts der Befragungen gezogen werden konnten, hat Google jedoch kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erklären könnte, wie sie ihre Verteidigung besser hätte sicherstellen können, auch nicht in Bezug auf die Befragungen der beiden Dritten, deren Zustimmung zum Inhalt der entsprechenden Aktenvermerke nicht eingeholt werden konnte. 947 Drittens ist zu den verbleibenden sechs Vermerken, die den Inhalt des Austauschs summarisch wiedergeben und auf kein Dokument der Untersuchungsakte verweisen, das ihren Inhalt ergänzen könnte, auf Folgendes hinzuweisen. 948 Der in chronologischer Reihenfolge erste Vermerk betrifft eine am 2. Juli 2015 durchgeführte Befragung eines Unternehmens der Branche. Bei dieser Gelegenheit konnte dieses Unternehmen der Kommission seine Ansichten zu mobilen Plattformen, einschließlich Android, sowie zum Wettbewerbsumfeld, in dem sich seine Anwendungen und Dienste entwickelten, darlegen. 949 Obwohl dieser Vermerk keinen Verweis auf ein Dokument der Akte enthielt, war es Google möglich, ihn mit den Informationen in Verbindung zu bringen, die ihr zu zwei weiteren, am 10. Dezember 2014 bzw. am 12. Januar 2016 zum selben Thema durchgeführten Befragungen dieses Unternehmens übermittelt worden waren. Die Google zu diesen Befragungen übermittelten und von dem in Rede stehenden Unternehmen genehmigten Vermerke beziehen sich auf in der Untersuchungsakte enthaltene Dokumente, die den Inhalt der bei diesen Gelegenheiten, d. h. sowohl vor als auch nach der oben genannten Befragung, besprochenen Themen wiedergeben. Der von diesem Unternehmen im Rahmen der Untersuchung eingenommene Standpunkt war Google somit bekannt. 950 Unter diesen Umständen hat Google kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erkennen lassen könnte, wie sie ihre Verteidigung in der vorliegenden Rechtssache besser hätte sicherstellen können. 951 Der zweite Vermerk bezieht sich auf eine am 15. Juli 2015 durchgeführte Befragung eines Sicherheitsanbieters, dessen Name Google nicht mitgeteilt wurde. Wie die Kommission in ihrem Vermerk, dem das betreffende Unternehmen zugestimmt hat, erläutert, bot dieses Gespräch die Gelegenheit, die Marktdynamik im Hinblick auf das BS Android zu erörtern. Wie sich aus dem Inhalt dieses Vermerks ergibt, betrafen die bei dieser Befragung geäußerten Bedenken jedoch in erster Linie Sicherheitslösungen, d. h. einen Aspekt der Akte, der im angefochtenen Beschluss nicht behandelt wird, und nicht die streitigen Beschränkungen, die im Rahmen der verschiedenen von der Kommission festgestellten Missbräuche untersucht wurden. 952 Ebenso bezieht sich der dritte Vermerk auf eine am 28. Oktober 2015 durchgeführte Befragung eines Zahlungsdienstleisters. Bei dieser Gelegenheit konnte dieser Dienstleister der Kommission seine Ansichten zur Marktdynamik in Bezug auf mobile Geräte und deren Anwendungen im Zusammenhang mit mobilen Zahlungssystemen darlegen. Auch hier handelt es sich um einen Aspekt der Akte, der im angefochtenen Beschluss nicht in Betracht gezogen wurde. 953 Abgesehen davon, dass kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen diesen Befragungen und den im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbräuchen besteht, hat Google jedenfalls kein substantiiertes Argument vorgebracht, das erkennen lassen könnte, wie sie ihre Verteidigung in der vorliegenden Rechtssache ohne die Verfahrensfehler hinsichtlich der Aufzeichnungen dieser beiden Besprechungen im Sinne von Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 besser hätte sicherstellen können. 954 Der vierte und der fünfte Vermerk beziehen sich auf zwei Befragungen des BEUC am 1. Februar und 20. Dezember 2017. Der Zweck dieser Besprechungen bestand für das BEUC darin, von der Kommission Informationen über den Fortgang der Untersuchung zu erhalten. Der eigentliche Zweck dieser Besprechungen und ihre Zusammenfassung, der das BEUC zugestimmt hat, schließen somit jeden Verdacht aus, dass die Kommission Beweise zurückgehalten habe. 955 Der sechste und letzte Vermerk bezieht sich auf Erklärungen der ADA, einer Einrichtung, die im Verwaltungsverfahren zur Unterstützung von Google auftrat, anlässlich einer Befragung am 27. September 2017. Obwohl allgemein formuliert, geht aus diesem Vermerk klar hervor, dass die ADA keinen Grund sah, von Google eine Änderung ihres Verhaltens zu verlangen. Außerdem hat der Vertreter der ADA in diesem Vermerk bestätigt, dass die Erörterung Informationen betroffen habe, die sie der Kommission bereits übermittelt habe. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Google nicht geltend macht, ihr sei der Zugang zu allen von der ADA im Verwaltungsverfahren übermittelten Unterlagen in der Untersuchungsakte verwehrt worden. Diese Umstände sowie die Anwesenheit der ADA, die Google im Rahmen der vorliegenden Klage unterstützt, und die Tatsache, dass sie hierzu nichts angemerkt hat, erlauben es dem Gericht, den Verdacht auszuschließen, dass die Kommission Beweise zurückgehalten habe. 956 Insoweit vermag das in der Klageschrift vorgebrachte Argument von Google, es sei plausibel, dass die Anwendungsentwickler bei ihren verschiedenen Befragungen durch die Kommission entlastende Erklärungen abgegeben hätten, die in den vorgelegten Aktenvermerken nicht wiedergegeben seien, nicht zu überzeugen. Aufgrund des Streitbeitritts der ADA zur Unterstützung von Google im vorliegenden Verfahren und der zahlreichen Gelegenheiten sowohl für die ADA als auch für Google, zu präzisieren, welche von der Kommission nicht aufgezeichneten Erklärungen abgegeben worden sein könnten, ist festzustellen, dass diese Annahme nicht erwiesen ist. 957 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass in Anbetracht der im angefochtenen Beschluss dargelegten Gesichtspunkte und der Hinweise, die die Kommission Google im Verwaltungsverfahren erteilt hatte, nicht davon auszugehen ist, dass Google durch die summarische und zumeist verspätete Erstellung der Aktenvermerke über die Befragungen Dritter der Zugang zu belastenden oder entlastenden Beweisen verwehrt wurde, die ihr eine bessere Verteidigung ermöglicht hätten. 958 Daher können die Verfahrensfehler, die darin bestanden, dass die von der Kommission durchgeführten Befragungen Dritter nicht präzise protokolliert wurden, unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte von Google geführt haben. 959 Diese Schlussfolgerung wird zudem nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Kommission bestimmten Dritten Anonymität gewährt hat. Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass sich das Recht auf Akteneinsicht nach Art. 27 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht auf vertrauliche Informationen erstreckt, zu denen je nach den Umständen des Falles die persönlichen Daten der befragten Unternehmensvertreter und die Namen der Unternehmen selbst gehören können, um mögliche Repressalien zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist aus den Akten nicht ersichtlich, dass die von der Kommission gewährte und vor dem Anhörungsbeauftragten erörterte Anonymität nicht das Ergebnis einer korrekten Abwägung zweier widerstreitender Interessen gewesen wäre, nämlich des Interesses des befragten Unternehmens (und/oder seiner Vertreter), anonym zu bleiben, und des Interesses von Google, ausreichende Informationen über die geführten Gespräche zu erhalten. 960 Ebenso ist das Vorbringen, dass die Kommission den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, ihr internes Verfahrenshandbuch und ihre Mitteilung vom 20. Oktober 2011 nicht beachtet habe, als ins Leere gehend zurückzuweisen. Da das Gericht nämlich oben zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Inhalt der in Rede stehenden Vermerke im vorliegenden Fall keine Verletzung der Verteidigungsrechte von Google darstellt, hätte die Feststellung eines zusätzlichen Verfahrensfehlers hinsichtlich der Erstellung dieser Vermerke und ihrer Übermittlung an Google, selbst wenn er feststünde, keinen Einfluss auf die Frage, ob Google sich ohne diesen Verfahrensfehler besser hätte verteidigen können. 961 Der zweite Teil des fünften Klagegrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen. 2. Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verweigerung einer Anhörung zum AEC‑Test a) Vorbringen der Parteien 962 Google macht geltend, die Kommission hätte anstelle der Übersendung von Sachverhaltsschreiben eine oder mehrere ergänzende Mitteilungen von Beschwerdepunkten erlassen und ihr somit erneut das Recht auf eine Anhörung einräumen müssen. Diese Anhörung hätte wesentliche Aspekte der Rechtssache hinsichtlich der sortimentbezogenen VAE und des AEC‑Tests betreffen sollen. In diesem Zusammenhang könne nicht davon ausgegangen werden, dass Google schon im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf eine Anhörung verzichtet habe oder dass die Sachverhaltsschreiben lediglich die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene vorläufige Beurteilung neu gefasst hätten. 963 Die Kommission macht geltend, Google habe auf ihr Recht auf Anhörung im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte verzichtet; da die Sachverhaltsschreiben keine neuen Beschwerdepunkte enthielten, sei sie nicht verpflichtet gewesen, eine zusätzliche Mitteilung der Beschwerdepunkte zu übermitteln. Die Sachverhaltsschreiben hätten sich auf ein Verhalten bezogen, zu dem Google bereits Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten habe. Daher sei sie nicht verpflichtet gewesen, Google erneut das Recht auf eine Anhörung zu gewähren. b) Würdigung durch das Gericht 964 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Google in Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt hat – was im Protokoll festgehalten wurde –, dass jede Feststellung einer Verletzung ihrer Verteidigungsrechte im Rahmen des ersten Teils des fünften Klagegrundes nur zur Nichtigerklärung desjenigen Teils des angefochtenen Beschlusses führen könne, der sich auf den Missbrauch in Gestalt der sortimentbezogenen VAE beziehe. 965 Der erste Teil des fünften Klagegrundes stellt nämlich das verfahrensrechtliche Gegenstück zum dritten Klagegrund dar, mit dem Google die Begründetheit des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE bestreitet. Google macht somit geltend, dass die Kommission im Verwaltungsverfahren ihre Verteidigungsrechte verletzt habe, weil sie ihr keine Gelegenheit gegeben habe, sich rechtzeitig zu wesentlichen Elementen der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE, insbesondere zum AEC‑Test, mündlich zu äußern. 966 Die Wahrung der Verteidigungsrechte stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der anwendbar ist, wenn die Verwaltung beabsichtigt, gegenüber einer Person eine sie beschwerende Maßnahme zu erlassen (Urteil vom 16. Januar 2019, Kommission/United Parcel Service, C‑265/17 P, EU:C:2019:23, Rn. 28). 967 Dieser Grundsatz kommt insbesondere in Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) zum Ausdruck. Dieser Artikel verpflichtet die Kommission, das betroffene Unternehmen schriftlich über die ihm zur Last gelegten Beschwerdepunkte zu unterrichten und ihm Gelegenheit zu geben, sich schriftlich zu diesen Beschwerdepunkten zu äußern. 968 Ferner heißt es in Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004, dass ein Unternehmen, an das eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet wurde, in seinen schriftlichen Ausführungen beantragen kann, dass die Kommission eine mündliche Anhörung durchführt, damit es seine Argumente mündlich vortragen kann. 969 Im vorliegenden Fall hat Google jedoch in ihrer Antwort vom 23. Dezember 2016 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, auf ihr Recht auf eine Anhörung zu verzichten („We therefore declined our right to such a hearing“). In dieser Antwort gab Google im Wesentlichen an, dass sie nicht genug Zeit habe, um sich innerhalb so kurzer Fristen sachdienlich auf eine Anhörung in den Räumlichkeiten der Kommission vorzubereiten. 970 Konkret wies Google darauf hin, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig zu erörtern, ob es sinnvoll sei, eine Anhörung in Anspruch zu nehmen, weil weniger als drei Wochen vor Ablauf der auf den 23. Dezember 2016 festgesetzten Frist für die Übermittlung ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte fast 60 Dokumente der Untersuchungsakte eingegangen seien und einen Tag vor Fristablauf zwei weitere Dokumente, von denen eines im Hinblick auf die Vorinstallation eines konkurrierenden allgemeinen Suchdienstes auf Android-Geräten besonders wichtig gewesen sei. Google zufolge war ihr Verzicht auf eine Anhörung umso mehr geboten, als der Anhörungsbeauftragte ihr mitgeteilt habe, dass die Anhörung Ende Januar 2017 stattfinden würde, so dass Google und ihren Beratern zur Vorbereitung auf sie nur ein Monat verblieben wäre, dazu noch in einer Zeit intensiver Geschäftstätigkeit. 971 Folglich kann Google – ungeachtet der von ihr angeführten Schwierigkeiten, in diesem besonderen Kontext und in diesem Stadium der Untersuchung zu entscheiden, ob eine Anhörung sinnvoll war – der Kommission nicht vorwerfen, nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Anhörung durchgeführt zu haben. 972 Daher ist zu klären, ob Google sich, nachdem sie am 23. Dezember 2016 in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf ihr Recht auf Anhörung verzichtet hatte, auf die Notwendigkeit der Wahrung ihrer Verteidigungsrechte berufen konnte, um im Mai 2018, also 16 Monate später, eine Anhörung durch die Kommission zu erwirken. 973 Aus den materiell-rechtlichen Bestimmungen über die Ausübung der Verteidigungsrechte ergibt sich, dass ein Unternehmen auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 773/2004 das Recht auf eine neue Anhörung erlangen kann, wenn die Kommission eine zusätzliche Mitteilung der Beschwerdepunkte erlässt. 974 Wie aus Art. 11 der Verordnung Nr. 773/2004 hervorgeht, darf die Kommission in ihren Entscheidungen nur Beschwerdepunkte berücksichtigen, zu denen das betroffene Unternehmen Stellung nehmen konnte. Ein neuer Beschwerdepunkt erfordert daher, dass dem betroffenen Unternehmen erneut Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern und eine mündliche Anhörung zu beantragen, um seine Argumente vortragen zu können. 975 Im vorliegenden Fall hat die Kommission jedoch zwischen der Antwort vom 23. Dezember 2016 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und dem angefochtenen Beschluss vom 18. Juli 2018 keine zusätzliche Mitteilung von Beschwerdepunkten erlassen. Neben den verschiedenen Maßnahmen, die die Kommission im Anschluss an die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergriffen hat, um Google Akteneinsicht und insbesondere Einsicht in die später erlangten Beweismittel zu gewähren, hat sie sich dafür entschieden, Sachverhaltsschreiben an Google zu übermitteln. 976 So richtete die Kommission zwei Sachverhaltsschreiben an Google, eines am 31. August 2017 und das andere am 11. April 2018. Google hatte Gelegenheit, am 23. Oktober 2017 und am 7. Mai 2018 zu ihnen schriftlich Stellung zu nehmen. Dieses Verfahren schloss nach Ansicht der Kommission jegliches Recht von Google auf Durchführung einer neuen Anhörung aus und war die Grundlage dafür, dass der Anhörungsbeauftragte am 18. Mai 2018 den von Google am 7. Mai 2018 gestellten Antrag auf Durchführung einer neuen Anhörung ablehnte. 977 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine verfahrensrechtliche Maßnahme zur Vorbereitung der Entscheidung ist, die den Abschluss des Verwaltungsverfahrens darstellt. Bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung kann daher die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äußerungen der Beteiligten entweder einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen diese erhobenen Beschwerdepunkte fallen lassen und damit ihre Auffassung zugunsten der Beteiligten ändern oder umgekehrt beschließen, neue Beschwerdepunkte hinzuzufügen, sofern sie den betreffenden Unternehmen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen (Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 184). 978 Eine Ergänzung der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist nur dann erforderlich, wenn sich die Kommission aufgrund des Ermittlungsergebnisses veranlasst sieht, den betroffenen Unternehmen neue Handlungen zur Last zu legen oder den Nachweis bestrittener Zuwiderhandlungen auf eine erheblich geänderte Grundlage zu stellen, und nicht, wenn die Kommission ihrer Pflicht nachkommt, Beschwerdepunkte fallen zu lassen, die sich im Hinblick auf die Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als nicht ausreichend begründet erwiesen haben (vgl. Urteil vom 27. Juni 2012, Microsoft/Kommission, T‑167/08, EU:T:2012:323, Rn. 191 und die dort angeführte Rechtsprechung). 979 Dagegen ist der Erlass eines einfachen Sachverhaltsschreibens im Einklang mit Rn. 111 der Bekanntmachung der Kommission vom 20. Oktober 2011 über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 AEUV (ABl. 2011, C 308, S. 6), die die Kommission gegen sich gelten lassen muss, nur dann gerechtfertigt, wenn die Kommission die bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführten Beschwerdepunkte lediglich durch neue Beweise untermauern will. Um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zu wahren, hat die Kommission dem Unternehmen, dessen Praktiken Gegenstand der Untersuchung sind, diese neuen Beweise zur Kenntnis zu bringen und dessen schriftliche Stellungnahme innerhalb einer von ihr gesetzten Frist einzuholen. Die Möglichkeit, Stellungnahmen auch mündlich abzugeben, wird in Rn. 111 der Bekanntmachung nicht erwähnt. 980 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Entscheidung der Kommission, Sachverhaltsschreiben zu verwenden, und die anschließende Entscheidung des Anhörungsbeauftragten, Google die Durchführung einer mündlichen Anhörung zu verweigern, die ihr die Möglichkeit gegeben hätte, sich mündlich zu den von der Kommission angeführten neuen Beweisen zu äußern, die Verteidigungsrechte von Google in einem Sanktionsverfahren verletzen, in dem der Missbrauch einer beherrschenden Stellung geahndet werden soll. 981 Im vorliegenden Fall fügen die Sachverhaltsschreiben den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Beschwerdepunkten zwar formell keine neuen hinzu, weil diese Schreiben nach wie vor auf die missbräuchlichen Praktiken abzielen, die die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte identifiziert hatte; gleichwohl ist festzustellen, dass die Sachverhaltsschreiben den Inhalt und den Umfang der Beschwerdepunkte in Bezug auf die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE, die im Rahmen der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht hinreichend untermauert worden war, wesentlich ergänzen und somit den Nachweis der beanstandeten Zuwiderhandlungen erheblich verändern. 982 Dies gilt insbesondere für den AEC‑Test, der im vorliegenden Fall eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob sich die sortimentbezogenen VAE dergestalt auswirken konnten, dass ebenso leistungsfähige Wettbewerber verdrängt werden, durch die Kommission spielte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission, C‑413/14 P, EU:C:2017:632, Rn. 143). 983 Während die Rn. 718 bis 722 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nur eine grobe Analyse der Fähigkeit eines Mitbewerbers enthielten, mit den von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichzuziehen, war Google erst im Anschluss an die Sachverhaltsschreiben, von denen das letzte drei Monate vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses übermittelt worden war, in der Lage, vom Test und von der Argumentation, auf die sich die Kommission im vorliegenden Fall stützte, umfassend Kenntnis zu erlangen. Die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene quantitative Analyse der Fähigkeit von Mitbewerbern, mit den Zahlungen von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE gleichzuziehen, konnte nur im Licht des ersten Sachverhaltsschreibens in Verbindung mit dem zweiten verstanden werden. 984 Das acht Monate nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte erlassene erste Sachverhaltsschreiben untermauerte die quantitative Analyse, indem es den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig verfolgten Ansatz grundlegend änderte. 985 In der Mitteilung der Beschwerdepunkte hatte sich die gesamte Analyse der Kommission auf zwei Aspekte konzentriert, und zwar auf den Umstand, dass es für einen Mitbewerber in Anbetracht des im Zeitraum 2012 bis 2015 auf Google entfallenden Anteils der Suchanfragen unmöglich gewesen sei, mehr als 5 % der Suchanfragen auf Mobilgeräten zu erzielen, und auf die angeblich durch die VVMA auferlegte Verpflichtung, eine konkurrierende Suchmaschine nicht als Standard in einem Browser eines Drittanbieters festzulegen. 986 Im ersten Sachverhaltsschreiben relativierte die Kommission jedoch die Verpflichtung aufgrund der VVMA, die Suchdienste von Google in Browsern von Drittanbietern als Standard festzulegen. Sie stellte auch erstmals die im 1234. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses wiedergegebene Hypothese auf, dass ein Mitbewerber, der mindestens ebenso leistungsfähig sei wie Google, nicht mehr als 12 % der allgemeinen Suchanfragen auf mobilen Geräten erzielen könne. Von dieser neuen Prämisse ausgehend stellte die Kommission fest, dass eine mit Google Search konkurrierende Anwendung höchstens [0-10] % der von den Nutzern über Google Search durchgeführten Suchanfragen erzielen könne. 987 Das erste Sachverhaltsschreiben änderte den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorläufig verfolgten Ansatz umso grundlegender, als die Kommission in Bezug auf die Fähigkeit eines Mitbewerbers, mit den von Google im Rahmen der sortimentbezogenen VAE geleisteten Zahlungen gleichzuziehen, zu einem deutlich differenzierteren Ergebnis gelangte als dem, das sie ursprünglich in Betracht gezogen hatte. 988 Während die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellt hatte, dass ein Mitbewerber in jedem Fall seine gesamten Werbeeinnahmen hätte teilen müssen, um die Zahlungen von Google zwar nicht zu übertreffen, aber zumindest mit ihnen gleichzuziehen, wies sie im ersten Sachverhaltsschreiben darauf hin, dass ein Mitbewerber, wenn er in einem Browser eines Drittanbieters als Standard festgelegt sei, die von Google in den meisten Fällen geleisteten Zahlungen erreichen oder sogar übertreffen könne, ohne seine gesamten Einnahmen teilen zu müssen. 989 Das zweite Sachverhaltsschreiben, das acht Monate nach dem ersten Sachverhaltsschreiben und drei Monate vor dem angefochtenen Beschluss erlassen wurde, enthielt ebenfalls erhebliche Änderungen gegenüber der im ersten Sachverhaltsschreiben enthaltenen Analyse und erst recht gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte. 990 Erstens hielt es die Kommission, nachdem sie von Google Informationen über zeitlich mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte zusammenhängende Aspekte erhalten hatte, für ausgeschlossen, dass ein Mitbewerber bereit sein könnte, seine Werbeeinnahmen aus Suchanfragen, die über die Homepage der Suchmaschine gestellt würden, zu teilen, weil Google selbst diese Einnahmen nicht teile. 991 Zweitens nahm die Kommission zwei neue Variablen in den AEC‑Test auf, nämlich die Unmöglichkeit für einen Mitbewerber, die Vorinstallation seiner allgemeinen Suchanwendungen auf allen Mobilgeräten im Sortiment eines OEM oder MNO zu erreichen, und die Verpflichtung eines Mitbewerbers, den den betroffenen OEM und MNO entstehenden Verlust der Einnahmen auszugleichen, die mit den bereits im Umlauf befindlichen und von den sortimentbezogenen VAE erfassten Mobilgeräten verbunden waren. Diesen beiden Punkten kommt ersichtlich entscheidende Bedeutung zu, weil sie es der Kommission ermöglichen, die Fähigkeit eines Mitbewerbers, mit den Zahlungen von Google gleichzuziehen, für den Fall zu relativieren, dass die konkurrierenden Suchdienste auch als Standard im Browser eines Drittanbieters festgelegt sind. 992 Drittens fügte die Kommission bestimmte Finanzdaten über Google hinzu, die sie nicht von Google selbst, sondern von einem OEM erlangt hatte. Dies gilt für die mit [10-20] % bezifferten sogenannten „Betriebskosten“, die die Kommission erstmals im zweiten Sachverhaltsschreiben erwähnt und auf einen Mitbewerber extrapoliert, der hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähig ist wie Google. Diese Daten werden jedoch von Google vor dem Gericht nach wie vor bestritten, sowohl ihrer Höhe nach als auch im Hinblick auf die Kategorie der für den AEC‑Test relevanten Kosten. 993 Die Kommission kann in diesem Zusammenhang nicht behaupten, dass Google in ihrer Antwort auf das erste Sachverhaltsschreiben der Berücksichtigung solcher Daten zugestimmt habe. Google führt zur Argumentation der Kommission in Bezug auf die gerätebezogenen – und nicht die sortimentbezogenen – VAE lediglich aus, dass die Prozentsätze der geteilten Einnahmen nur in Bruttowerten ausgedrückt seien, wobei diese Prozentsätze um [10-20] % gekürzt würden, ohne jedoch die Art einer solchen Kürzung anzugeben. Jedenfalls hat die Kommission, die die Beweislast für die angeblichen Verdrängungswirkungen trägt, keinen Versuch unternommen, diese Daten mit denen zu vergleichen, die Google direkt hätte übermitteln können. 994 Ebenso wurden die Erklärungen eines OEM sowie die Daten in den von ihm übermittelten Dokumenten entgegen der Behauptung der Kommission in der Klagebeantwortung nicht ausschließlich zum Zweck der Analyse der gerätebezogenen VAE verwendet. Diese Daten dienten vielmehr dazu, die Analyse der Kommission in Bezug auf die sortimentbezogenen VAE zu ergänzen, wie schon der Wortlaut des zweiten Sachverhaltsschreibens zeigt. 995 Aus dem Vorstehenden folgt, dass davon auszugehen ist, dass die Kommission den Inhalt ihrer Beanstandung der sortimentbezogenen VAE wesentlich verändert hat, indem sie die Daten, die sie für die Durchführung des AEC‑Tests zu verwenden beabsichtigte, erst im Stadium des zweiten Sachverhaltsschreibens mitteilte. 996 Die Mitteilung der Beschwerdepunkte kann nämlich im Hinblick auf diesen entscheidenden Aspekt der wettbewerbsrechtlichen Analyse der sortimentbezogenen VAE nicht als so hinreichend untermauert angesehen werden, dass eine Anhörung, die Anfang 2017 hätte stattfinden sollen, für Google von Nutzen gewesen wäre. Erst das zweite Sachverhaltsschreiben, das im April 2018, drei Monate vor dem Erlass des angefochtenen Beschlusses, übermittelt wurde, konnte die Mitteilung der Beschwerdepunkte hinreichend untermauern und Google somit die Möglichkeit geben, die wichtigsten und entscheidenden Aspekte des von der Kommission in Betracht gezogenen AEC‑Tests zur Kenntnis zu nehmen. Somit hätte die Kommission, die unter keinem Zeitdruck stand, in diesem besonderen Kontext eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte erlassen müssen. 997 Indem die Kommission anstelle einer ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte zwei Sachverhaltsschreiben übermittelte und keine Anhörung zu den in Erwiderung auf diese beiden Sachverhaltsschreiben vorgelegten Stellungnahmen gewährte, hat sie somit das Recht von Google vereitelt, ihre Argumente zu diesen Stellungnahmen mündlich darzulegen, und die Verteidigungsrechte von Google verletzt. 998 Angesichts der Bedeutung, die der Durchführung einer Anhörung im Rahmen eines Sanktionsverfahrens zukommt, mit dem der Missbrauch einer beherrschenden Stellung geahndet werden soll, ist das Verfahren zwangsläufig mit Mängeln behaftet, wenn eine solche mündliche Anhörung unterbleibt, und zwar unabhängig davon, ob Google nachweist, dass dieses Versäumnis den Ablauf des Verfahrens und den Inhalt des angefochtenen Beschlusses zu ihren Lasten hätte beeinflussen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2017, Feralpi/Kommission, C‑85/15 P, EU:C:2017:709, Rn. 45 bis 47). 999 Darüber hinaus ist jedenfalls festzustellen, dass Google in Anbetracht der Art des AEC‑Tests und der Bedeutung, die ihm die Kommission beimisst, um die Eignung der sortimentbezogenen VAE zu beurteilen, Verdrängungswirkungen gegenüber ebenso leistungsfähigen Mitbewerbern zu entfalten, ihre Stellungnahme zur Konzeption dieses Tests – zu dem sie im Anhang zur Klageschrift eine alternative Version vorlegt, die nach dem angefochtenen Beschluss von einer Wirtschaftsberatungskanzlei erstellt wurde und zu einem anderen Ergebnis führt – leichter hätte mündlich vortragen können. 1000 Diese Feststellung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass die Kommission Google Gelegenheit gegeben hatte, sich zum ersten und zum zweiten Sachverhaltsschreiben schriftlich zu äußern. Auch wenn dem kontradiktorischen Verfahren auf schriftlichem Wege genügt wurde, hat die Kommission keinen Versuch unternommen, Google die Möglichkeit zu geben, sich mündlich zu äußern, wie es im Fall des Erlasses einer ergänzenden Mitteilung von Beschwerdepunkten erforderlich gewesen wäre. 1001 Die Bedeutung einer solchen mündlichen Erörterung lässt sich beispielsweise anhand der Frage verdeutlichen, welche Kosten für die Ausarbeitung des AEC‑Tests heranzuziehen sind. Insoweit wurden nämlich die Kosten, die die Kommission Google zugerechnet hat, den von einem OEM übermittelten Unterlagen entnommen, ohne dass sie durch ein an die Hauptbetroffene gerichtetes Auskunftsersuchen bestätigt wurden. Die Kommission ist im Wesentlichen von ihren Erläuterungen zum Behinderungsmissbrauch abgewichen, in denen es heißt: „Wo [zuverlässige Daten] vorhanden [sind], verwendet die Kommission Informationen über die Kosten des marktbeherrschenden Unternehmens selbst.“ 1002 Eine Anhörung hätte es Google somit ermöglicht, der Kommission präzise Angaben zu machen, die einige der Unklarheiten im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des AEC‑Tests zu einem früheren Zeitpunkt hätten ausräumen können, und diese direkt mit der Kommission zu erörtern. Die Durchführung einer Anhörung hätte die Kommission nämlich zu einer umfassenden Erörterung mit Google veranlasst, um die streitigen Punkte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sachdienlich einzugrenzen. Der Wert einer Anhörung geht aus der vorliegenden Rechtssache umso deutlicher hervor, als die Begründetheit der von Google in der vorliegenden Klage vorgebrachten Einwände das Gericht dazu veranlasst, dem dritten Klagegrund stattzugeben. 1003 So hätte Google in Anbetracht der Schwierigkeiten, die mit der Ausarbeitung eines AEC‑Tests verbunden sind, bei einer Anhörung die Möglichkeit gehabt, sich besser zu verteidigen und die Kommission von der Notwendigkeit zu überzeugen, mehrere Aspekte ihrer Analyse neu zu bewerten. 1004 Hätte Google ihre Argumente zu den wesentlichen Änderungen, die von der Kommission an den zum Nachweis der Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE herangezogenen Beweisen vorgenommen wurden, mündlich vortragen können, hätte dies die Kommission zudem in die Lage versetzt, ihre Analyse zu verfeinern. 1005 Folglich ist dem ersten Teil des fünften Klagegrundes stattzugeben und der angefochtene Beschluss ist auch aus diesem Grund für nichtig zu erklären, soweit darin die sortimentbezogenen VAE als missbräuchlich eingestuft werden. G. Zu den Folgen der Prüfung der ersten fünf Klagegründe und zum sechsten Klagegrund 1006 Google weist darauf hin, dass im angefochtenen Beschluss die höchste jemals in Europa von einer Wettbewerbsbehörde verhängte Geldbuße festgesetzt werde, nämlich 4342865000 Euro. 1007 Unabhängig von der Höhe dieses Betrags verpflichtet der repressive und abschreckende Zweck der von der Kommission zur Ahndung eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV verhängten Geldbußen das Gericht, als unparteiisches und unabhängiges Gericht die Wirksamkeit des in Art. 47 der Charta der Grundrechte verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, wenn es über eine Klage entscheidet, die sich gegen eine von einer Verwaltungsbehörde, die auch Untersuchungsbefugnisse wahrnimmt, verhängte Sanktion richtet. 1008 Mit der vorliegenden Klage beantragt Google zum einen die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses und zum anderen, hilfsweise, die Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der dem Gericht zustehenden Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung. 1009 Nach der Prüfung der ersten fünf Klagegründe ist zu beurteilen, welche Folgen sich aus den oben dargelegten Schlussfolgerungen für den angefochtenen Beschluss ergeben. Soweit sich diese Folgen auf die Geldbuße auswirken, ist ferner zu klären, inwieweit das Gericht bei ihrer Beurteilung aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung das Vorbringen zum sechsten Klagegrund berücksichtigen wird, das verschiedene Faktoren betrifft, die bei der Berechnung der Geldbuße herangezogen wurden. 1. Verhältnis zwischen den ersten fünf Klagegründen und dem sechsten Klagegrund in Bezug auf die Geldbuße 1010 Mit dem sechsten Klagegrund, der sich in drei Teile gliedert, macht Google geltend, dass selbst dann, wenn das Gericht die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Beurteilungen zum Vorliegen eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV entgegen dem Vorbringen in den ersten fünf Klagegründen bestätigen sollte, drei Fehler gleichwohl die Aufhebung oder erhebliche Herabsetzung der Geldbuße erforderten. Aufgrund dieser Fehler müsse die Geldbuße somit aufgehoben oder hilfsweise in Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung erheblich herabgesetzt werden. 1011 In diesem Zusammenhang macht Google erstens geltend, dass sie die Zuwiderhandlung weder vorsätzlich noch fahrlässig begangen habe, zweitens, dass der angefochtene Beschluss gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, und drittens, dass dieser Beschluss im Hinblick auf die Umsetzung der Leitlinien der Kommission erhebliche Berechnungsfehler enthalte. Insoweit trägt Google vor, die Kommission habe den relevanten Umsatz falsch berechnet, als Multiplikator einen falschen Schwerekoeffizienten angewandt, einen ungerechtfertigten Zusatzbetrag hinzugerechnet und verschiedene mildernde Umstände, darunter die begrenzte Dauer bestimmter Verhaltensweisen, nicht berücksichtigt. 1012 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Sie macht geltend, im angefochtenen Beschluss werde der Betrag der Geldbuße im Einklang mit den Leitlinien festgesetzt, und er spiegele die Schwere und Dauer der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung wider. 1013 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Vorbringen zum sechsten Klagegrund zwar auf der Prämisse beruht, dass das Gericht die mit den ersten fünf Klagegründen beanstandete Analyse der Kommission bestätigt, dass dieses Vorbringen aber gleichwohl eine Reihe von Rügen enthält, die das Gericht im vorliegenden Fall prüfen kann, wenn es seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung autonom ausübt. 1014 Aus diesem Grund sollen diese Rügen im Rahmen der folgenden Prüfung behandelt werden, soweit dies hierfür sachdienlich und angemessen ist. 2. Schlussfolgerungen zur Zuwiderhandlung nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe 1015 Aus der Prüfung des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes in materiell-rechtlicher Hinsicht sowie des zweiten Teils des fünften Klagegrundes in verfahrensrechtlicher Hinsicht ergibt sich, dass die Kommission die Missbräuchlichkeit des ersten und des zweiten Aspekts der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bewiesen hat, die im angefochtenen Beschluss als erster bis dritter gesonderter Missbrauch eingestuft wurden. Hingegen ergibt sich aus der Prüfung des dritten Klagegrundes und des ersten Teils des fünften Klagegrundes, dass die Kommission die Verteidigungsrechte verletzt und dass der angefochtene Beschluss mit mehreren Beurteilungsfehlern behaftet ist, weil sie den dritten Aspekt dieses Verstoßes, der im angefochtenen Beschluss als gesonderter vierter Missbrauch eingestuft wurde, als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV angesehen hat. 1016 Daraus folgt, dass die Art. 1, 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses nur für nichtig zu erklären sind, soweit in Art. 1 festgestellt wird, dass Google eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV begangen habe, die aus vier gesonderten Missbräuchen bestehe, von denen der vierte darin bestehen soll, dass sie die Teilung der Einnahmen mit OEM und MNO im Rahmen bestimmter VAE von der exklusiven Vorinstallation von Google Search auf einem vorab festgelegten Gerätesortiment abhängig gemacht habe, und soweit dieser vierte Missbrauch in den Art. 3 und 4 aufgeführt wird. Daraus folgt auch, dass Art. 2 des angefochtenen Beschlusses zu ändern ist, soweit darin eine Geldbuße verhängt wird, mit der die Beteiligung der Unternehmen Google und Alphabet an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV, die den vierten Missbrauch einschließt, geahndet wird. 1017 Im vorliegenden Fall ist die Kommission nämlich ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, zu prüfen, ob der vierte Missbrauch, der sich auf die sortimentbezogenen VAE bezieht (dritter Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung), geeignet war, Wettbewerber, die mindestens ebenso leistungsfähig sind wie das beherrschende Unternehmen, vom Markt auszuschließen. Für das Gericht verbleiben daher Zweifel an der Eignung der in Rede stehenden Zahlungen, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu entfalten. 1018 Unabhängig davon, ob ihre Einstufung im Hinblick auf Art. 102 AEUV zutrifft, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die sortimentbezogenen VAE – wie im Übrigen auch die gerätebezogenen VAE – im angefochtenen Beschluss zu Recht als Aspekte des tatsächlichen Kontexts berücksichtigt wurden, um die Verdrängungswirkungen zu beurteilen, die durch den ersten und den zweiten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung (im angefochtenen Beschluss als erster, zweiter und dritter gesonderter Missbrauch bezeichnet) hervorgerufen wurden, deren Missbräuchlichkeit bei der Prüfung des zweiten und des vierten Klagegrundes bestätigt wurde. 1019 Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die kombinierten Wirkungen der von Google angewandten Praktiken diesem Unternehmen – unabhängig von der wettbewerbsrechtlichen Einstufung der VAE – in Bezug auf Google Search den Vorteil einer exklusiven Vorinstallation verschafften, die zumindest bis 2016 mehr als die Hälfte aller im EWR vertriebenen Geräte mit einem von Android abgeleiteten BS umfasste (822. Erwägungsgrund und Fn. 908 des angefochtenen Beschlusses). 1020 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die VVMA vorsahen, dass die GMS-Geräte die im CDD enthaltenen technischen Kompatibilitätsstandards erfüllen mussten, die für die OEM zudem auch in Bezug auf alle ihre Geräte, deren BS eine von Android abgeleitete Version war, aufgrund der AFV galten, deren Abschluss als Voraussetzung für den Abschluss der VVMA vorgeschrieben war. Dieser Zusammenhang zwischen dem CDD und den VVMA erleichterte die Umsetzung der von Google verfolgten Gesamtstrategie. Die Kommission hat daher zu Recht das CDD berücksichtigt, um die Auswirkungen der VVMA auf die Märkte für allgemeine Suchdienste zu beurteilen. 1021 Diese Gesichtspunkte, die als tatsächliche Umstände für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Google vorgeworfenen Verhaltensweisen relevant sind, belegen somit, dass ein Zusammenhang zwischen dem ersten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung und den von Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung geschlossenen VAE einerseits und zwischen dem ersten und dem zweiten Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung andererseits bestand. 1022 Die Prüfung des ersten, des zweiten und des vierten Klagegrundes zeigt darüber hinaus, dass die erste und die zweite der streitigen Beschränkungen Teil einer Gesamtstrategie waren. Auf der Grundlage dieser Feststellung hat die Kommission zu Recht befunden, dass das Verhalten der Klägerinnen, das darin bestand, die Nutzung des BS Android einerseits und bestimmter Anwendungen und Dienste andererseits an besondere Bedingungen zu knüpfen, als einheitlicher und fortgesetzter Verstoß gegen Art. 102 AEUV einzustufen war (zweiter Erwägungsgrund und Art. 1 des angefochtenen Beschlusses). 1023 Die festgestellten Missbräuche fügten sich nämlich in eine Gesamtstrategie ein, die darauf abzielte, die Entwicklung des Internets auf Mobilgeräten zu antizipieren und zugleich das Geschäftsmodell von Google zu bewahren, das im Wesentlichen auf den Einnahmen aus der Nutzung ihres allgemeinen Suchdienstes beruht. 1024 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Google den im angefochtenen Beschluss enthaltenen Feststellungen nicht widerspricht, wonach ihr Geschäftsmodell auf dem Zusammenspiel der Online-Produkte und ‑dienstleistungen, die den Nutzern meist kostenlos angeboten werden, einerseits und den Online-Werbedienstleistungen, mit denen sie den weitaus größten Teil ihrer Einnahmen erzielt, andererseits beruht. So hängen die Einnahmen von Google hauptsächlich vom Umfang der Nutzung ihrer allgemeinen Online-Suchdienste ab, die es ihr ermöglichen, die Online-Werbedienste zu verkaufen, aus denen sie ihr Entgelt bezieht (153. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1025 Im Rahmen dieser von Google verfolgten Gesamtstrategie war die Erhaltung der beherrschenden Stellung, die sie während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste innehatte und zu der die erste und die zweite der streitigen Beschränkungen beitrugen, somit von entscheidender Bedeutung. Wie sich nämlich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes ergibt, trug die Verdrängung konkurrierender BS, die den mit Google Search konkurrierenden allgemeinen Suchdiensten eine Vorinstallation oder sogar eine Exklusivinstallation hätten ermöglichen können, ebenfalls zu demselben Ziel bei. 1026 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Auswirkungen der Umsetzung dieser Gesamtstrategie in eine tatsächliche Situation einfügten, in der Google Search im Rahmen der von ihr geschlossenen VAE – unabhängig von deren wettbewerbsrechtlicher Einstufung – de facto von einer exklusiven Vorinstallation profitierte, die zumindest bis 2016 mehr als die Hälfte aller im EWR vertriebenen Geräte mit einem von Android abgeleiteten BS abdeckte (822. Erwägungsgrund und Fn. 908 des angefochtenen Beschlusses). 1027 Im weiteren Sinne ist als ein bei der Würdigung aller relevanten Umstände zu berücksichtigender tatsächlicher Umstand auch die Tatsache anzuführen, dass Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung eine Vereinbarung mit Apple hatte, die vorsah, dass die Suchmaschine von Google auf allen iPhones dieses OEM als Standard festgelegt war (vgl. Erwägungsgründe 118 und 119 des angefochtenen Beschlusses). Die Präsenz des Apple-Ökosystems, das auf dem weltweiten Markt für intelligente Mobilgeräte neben dem Android-Ökosystem existierte, stellte daher im Hinblick auf die Einnahmen aus der mit allgemeinen Suchdiensten verbundenen Werbung keine erhebliche Wettbewerbsbedrohung für Google dar (vgl. z. B. 515. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1028 Darüber hinaus hatten die missbräuchlichen Praktiken von Google u. a. zur Folge, dass den Mitbewerbern die Möglichkeit genommen wurde, Nutzern, die dies wünschten, ungehindert Alternativen zum allgemeinen Suchdienst Google Search anzubieten (Erwägungsgründe 862 und 1213 des angefochtenen Beschlusses). Allgemein betrachtet schadeten diese Praktiken somit dem Interesse der Verbraucher, für die Informationsbeschaffung im Internet über mehr als eine Quelle zu verfügen. Konkret schränkten diese Praktiken auch die Entwicklung von Suchdiensten ein, die sich an diejenigen Verbrauchergruppen richteten, die u. a. ein besonderes Interesse am Schutz der Privatsphäre oder an sprachlichen Besonderheiten innerhalb des EWR hatten. Solche Interessen standen nicht nur im Einklang mit dem Leistungswettbewerb, weil sie die Innovation zum Nutzen der Verbraucher förderten, sondern waren auch notwendig, um die Pluralität in einer demokratischen Gesellschaft zu gewährleisten. 1029 Aus dem Vorstehenden folgt, dass zwar insoweit, als die Kommission die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE nicht nachgewiesen hat, die Art. 1, 3 und 4 des angefochtenen Beschlusses teilweise für nichtig zu erklären sind und Art. 2 des angefochtenen Beschlusses abzuändern ist, dass aber die Feststellung einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung als Teil einer Gesamtstrategie, zu der der erste und der zweite Aspekt der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beigetragen haben, nicht rechtswidrig ist. Folglich ist es Sache des Gerichts, den angemessenen Betrag der Geldbuße unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und aller relevanten Umstände des Falles in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung selbst festzusetzen, wie Google dies im Rahmen ihres Abänderungsantrags begehrt. 1030 Die Konsequenzen, die aus der teilweisen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße zu ziehen sind, wurden in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen und mit den Beteiligten ausführlich erörtert. 1031 Das Gericht hält es für angebracht, zunächst darauf hinzuweisen, dass es die für die Festsetzung des Betrags der Geldbuße maßgeblichen Kriterien in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eigenständig beurteilt und deshalb aus dieser teilweisen Nichtigerklärung in Bezug auf die Definition der einheitlichen Zuwiderhandlung und ihrer Bestandteile keine automatischen Schlussfolgerungen für die Höhe der Geldbuße zu ziehen sind. Dagegen wird das Gericht alle im angefochtenen Beschluss festgestellten Tatsachen und rechtmäßig getroffenen Feststellungen berücksichtigen, die für die Angemessenheit des Betrags der Geldbuße von Bedeutung sein können. 3. Zur Abänderung der Geldbuße 1032 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen und entsprechend dem hierzu gestellten Antrag ist in Ausübung der dem Gericht durch Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über die Höhe der Geldbuße zu entscheiden. 1033 Die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt das Gericht, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus, die nur die Zurückweisung der Nichtigkeitsklage oder die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts ermöglicht, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern, um z. B. den Betrag der Geldbuße zu ändern und ihn herabzusetzen oder auch zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 61 und 62, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86). Unter diesen Umständen kann das Gericht in Bezug auf die gegen Google verhängte finanzielle Sanktion gegebenenfalls andere Beurteilungen vornehmen als die Kommission im angefochtenen Beschluss. 1034 Dies erfordert nicht, dass das Gericht die Leitlinien der Kommission für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen anwendet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52 bis 55), auch wenn es sich gegebenenfalls von den darin definierten Richtlinien leiten lassen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1035 Im Rahmen seiner Begründungspflicht obliegt es dem Gericht ferner, die Faktoren, die es bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße berücksichtigt, ausführlich darzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2016, Trafilerie Meridionali/Kommission, C‑519/15 P, EU:C:2016:682, Rn. 52). 1036 Im vorliegenden Fall hat das Gericht bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße zur Ahndung der Beteiligung von Google an der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, wie sie sich aus der teilweisen Nichtigerklärung von Art. 1 des angefochtenen Beschlusses nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe ergibt, die folgenden Umstände zu berücksichtigen. a) Vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlung 1037 Es ist zu klären, ob die Zuwiderhandlung vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Diese Unterscheidung, die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen ist, kann sich nämlich auf die Höhe der Geldbuße auswirken. 1038 Die Parteien äußern sich zu diesem Punkt im Rahmen des ersten Teils des sechsten Klagegrundes. 1039 Google macht insoweit geltend, dass die Geldbuße weder ihren fehlenden Vorsatz noch ihre fehlende Fahrlässigkeit berücksichtige. Der angefochtene Beschluss enthalte nämlich keinen Beweis für einen Vorsatz, weil die beanstandeten Praktiken stattgefunden hätten, bevor sie eine beherrschende Stellung erlangt haben solle. Ebenso wenig könne sie sich – insbesondere angesichts der früheren und zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses bestehenden Praxis – der Wettbewerbswidrigkeit ihres quelloffenen, kostenlosen und seinem Wesen nach wettbewerbsfördernden Geschäftsmodells „bewusst“ gewesen sein. Es lasse sich nicht feststellen, wann die Kommission ihre Einschätzung geändert habe. 1040 Die Kommission macht ihrerseits geltend, dass sie keine Ausschlussabsicht nachweisen müsse, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Verstoß vorsätzlich begangen worden sei. Es reiche aus, dass Google „die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens nicht verborgen geblieben“ sein könne. Im vorliegenden Fall sei die Zuwiderhandlung sehr wohl „dazu bestimmt“ gewesen, die beherrschende Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu „verstärken“ (Erwägungsgründe 858 bis 860, 972 bis 977 und 1140 des angefochtenen Beschlusses). Außerdem habe Google die Zuwiderhandlung zumindest fahrlässig begangen, weil ihr die „wesentlichen Tatsachen“, die die Feststellungen im angefochtenen Beschluss in Bezug auf die beherrschende Stellung und die Missbräuche rechtfertigten, bekannt gewesen seien. 1041 Nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 kann die Kommission gegen ein Unternehmen durch Entscheidung eine Geldbuße festsetzen, wenn es vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art. 102 AEUV verstößt. 1042 Zur Voraussetzung der vorsätzlichen oder fahrlässigen Begehung einer Zuwiderhandlung geht aus der Rechtsprechung hervor, dass von Vorsatz auszugehen ist, wenn das betreffende Unternehmen eine Praxis in voller Kenntnis ihrer wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf dem Markt verfolgt und anwendet, ohne dass nachgewiesen werden müsste, ob ihm bewusst war, dass es damit gegen die Wettbewerbsregeln verstieß (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 1983, IAZ International Belgium u. a./Kommission, 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, EU:C:1983:310, Rn. 45). 1043 Als Erstes steht außer Zweifel, dass Google, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, die in Rede stehenden Praktiken vorsätzlich angewandt hat, d. h. in voller Kenntnis der Auswirkungen, die diese Praktiken auf den relevanten Märkten haben würden. 1044 Google konnte nämlich bei vernünftiger Betrachtung nicht entgangen sein, dass sie eine beherrschende Stellung oder eine beträchtliche Macht auf den Märkten für Android-Stores und für allgemeine Suchdienste innehatte. Darüber hinaus bestreitet Google im Rahmen der vorliegenden Klage nicht, dass sie während des Zeitraums der Zuwiderhandlung eine beherrschende Stellung auf den Märkten für allgemeine Suchdienste innehatte. 1045 Über ihre Stellung auf den relevanten Märkten hinaus setzte Google bewusst eine von ihr selbst in einer internen Präsentation als „Zuckerbrot und Peitsche“ bezeichnete Strategie ein, eine Bezeichnung, die die Kommission im angefochtenen Beschluss übernommen hat (1343. Erwägungsgrund). Erklärtes Ziel war es, durch die VVMA, die AFV und die VAE – ungeachtet der Tatsache, dass die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE im angefochtenen Beschluss nicht hinreichend nachgewiesen wurde – die Nutzung nicht genehmigter alternativer Android-Versionen zu verhindern und die ausschließliche Nutzung der Dienste von Google zu fördern, und zwar mit dem klaren Ziel, die Stellung von Google auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu schützen und zu stärken (Erwägungsgründe 1343, 1350 und 1351). Dass die Auswirkungen, die das Eingreifen der Kommission und den Erlass des angefochtenen Beschlusses rechtfertigten, beabsichtigt waren, ist umso offensichtlicher, als sie sich aus vertraglichen Bestimmungen in den in Rede stehenden Vereinbarungen ergaben, die Google selbst konzipiert und ausgearbeitet hatte. Die im angefochtenen Beschluss wiedergegebenen Erklärungen der Vertreter von Google bestätigen diese Sichtweise, zumal einer von ihnen deutlich gemacht hatte, dass das Ziel darin bestanden habe, Android-Versionen zu verhindern, die mit Google konkurrierende Suchdienste integrierten (Erwägungsgründe 1344 und 1347 des angefochtenen Beschlusses). 1046 Insbesondere lässt sich nicht bestreiten, dass Google die Absicht hatte, jede Weiterentwicklung des Android-Quellcodes zu behindern, indem sie den Entwicklern alternativer Android-Forks den Absatzmarkt entzog, wie sich aus der Prüfung des vierten Klagegrundes der vorliegenden Klage ergibt. Das Bestreben, die Entwicklung alternativer Android-Forks zu behindern, ist Bestandteil der verschiedenen mit den AFV verfolgten Ziele, auch wenn Google geltend macht, sie sei hierzu gezwungen gewesen, um das Überleben von Android zu sichern. Aus internen E‑Mails, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben werden, geht außerdem hervor, dass diese Strategie, die Entwicklung alternativer Android-Forks zu behindern, von Anfang an bewusst eingesetzt wurde, um die Partner und Mitbewerber von Google an der Entwicklung eigenständiger Android-Versionen zu hindern (Erwägungsgründe 159 und 160 des angefochtenen Beschlusses). 1047 Als Zweites kann sich Google nicht darauf berufen, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen schon deshalb nicht gekannt zu haben, weil sie diese Vereinbarungen umgesetzt habe, bevor sie eine beherrschende Stellung erlangt habe. Erstens ist nämlich festzustellen, dass Google unabhängig von ihrer Stellung auf den relevanten Märkten die Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen bewusst angestrebt hat. Zweitens konnte die Wettbewerbswidrigkeit dieser Vereinbarungen Google auch zu dem Zeitpunkt, als ihre Marktmacht erheblich zunahm, nicht verborgen geblieben sein. Google konnte daher ab dem Zeitpunkt, zu dem sie marktbeherrschend wurde, wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen Art. 102 AEUV mit einer Sanktion belegt werden, wie sie die Kommission im angefochtenen Beschluss verhängt hat. 1048 Auch die bloße Feststellung, dass Google nach eigenen Angaben andere, angeblich wettbewerbsfördernde und im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Schutz der Android-Plattform stehende Ziele verfolgen wollte, ändert nichts daran, dass sie mit den in Rede stehenden Vereinbarungen auch eine „Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie“ einsetzte, um ihre Stellung insbesondere auf den Märkten für allgemeine Suchdienste zu erhalten und zu stärken und die Präsenz ihrer Mitbewerber auf diesen Märkten zu beschränken oder sogar die Entwicklung jeglichen Wettbewerbs zu verhindern. 1049 Google kann daher weder geltend machen, die fraglichen Praktiken auf andere Weise als vorsätzlich angewandt zu haben, noch, die Auswirkungen, die diese Praktiken haben konnten und die den Erlass des angefochtenen Beschlusses durch die Kommission rechtfertigten, nicht beabsichtigt zu haben. 1050 Diese Feststellung kann nicht durch das Vorbringen von Google in Frage gestellt werden, die Einstufung der in Rede stehenden Praktiken als missbräuchlich sei im Licht der dem angefochtenen Beschluss vorausgegangenen Rechtsprechungs- und Entscheidungspraxis ungewiss gewesen. Diesem Argument nachzugehen würde nämlich auf die Prüfung hinauslaufen, ob sich Google bewusst sein konnte, dass ihr Verhalten einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV zur Folge hatte, was indes, wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervorgeht, unerheblich ist. Im Fall einer vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlung kommt es allein auf den Nachweis an, dass eine Praxis in voller Kenntnis ihrer wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf den Markt angewandt wurde. 1051 Folglich hat Google die Zuwiderhandlung, wie auch die Kommission zu Recht festgestellt hat, vorsätzlich begangen. Das Gericht wird diesen Umstand bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße berücksichtigen. b) Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung 1052 Im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat das Gericht die Höhe der Geldbuße unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles festzusetzen. Dies setzt nach Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung unter Wahrung der Grundsätze u. a. der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Sanktionsfestsetzung voraus (Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission, C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung). 1) Berücksichtigung des Umsatzes als Ausgangswert 1053 Was den von Google im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung erzielten Umsatz betrifft, der es der Kommission ermöglicht, in Anwendung ihrer Leitlinien den Grundbetrag der zu verhängenden Geldbuße zu bestimmen, weist das Gericht zunächst darauf hin, dass die von ihm selbst vorzunehmende Festsetzung einer Geldbuße nach ständiger Rechtsprechung zwar kein streng mathematischer Vorgang ist (Urteile vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission, T‑11/06, EU:T:2011:560, Rn. 266, und vom 15. Juli 2015, SLM und Ori Martin/Kommission, T‑389/10 und T‑419/10, EU:T:2015:513, Rn. 436), die Heranziehung eines solchen Umsatzes im vorliegenden Fall aber ein geeigneter Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße sein kann. 1054 Um die Höhe der Geldbuße festzusetzen, erweist es sich nämlich als angebracht, eine Methode zu verwenden, mit der – ebenso wie mit der von der Kommission angewandten – in einem ersten Schritt ein Grundbetrag ermittelt wird, der dann in einem zweiten Schritt unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles angepasst werden kann. In dieser Hinsicht spiegelt der Umsatz, der mit der Zuwiderhandlung im Zusammenhang steht, im vorliegenden Fall die wirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwiderhandlung und die Bedeutung des an ihr beteiligten Unternehmens wider. 1055 In diesem Zusammenhang wird das Gericht die Argumente prüfen, die im dritten Teil des sechsten Klagegrundes gegen den von der Kommission herangezogenen Betrag vorgebracht werden. 1056 Erstens wirft Google der Kommission vor, den Umsatz berücksichtigt zu haben, der im Jahr 2017, dem letzten vollen Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung, erzielt worden sei, obwohl sie stattdessen den Durchschnittswert der während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze hätte heranziehen müssen. Dies sei wegen des exponentiellen Wachstums der Einnahmen von Google zwischen 2011 und 2017 aufgrund des Übergangs von Digitaltelefonen zu Smartphones und der damit verbundenen Zunahme des Internets auf mobilen Geräten gerechtfertigt. 1057 Die Kommission macht hingegen geltend, dass es Google oblegen hätte, nachzuweisen, dass die im Jahr 2017 erzielten Umsätze nicht die wirtschaftliche Realität der Zuwiderhandlung sowie die Größe und Marktmacht von Google widerspiegelten. Die bloße Feststellung, dass ihre Einnahmen zwischen 2011 und 2017 gestiegen seien, reiche dafür nicht aus. 1058 Die Berücksichtigung des Umsatzes bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zielt darauf ab, die Realität und das wirtschaftliche Ausmaß der geahndeten Zuwiderhandlung widerzuspiegeln. Als Referenzzeitraum für die Berechnung des Umsatzes muss aber nicht immer auf das letzte Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung abgestellt werden, insbesondere dann nicht, wenn die vom Unternehmen im letzten Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung erzielten Umsätze nicht geeignet sind, das wirtschaftliche Ausmaß der Zuwiderhandlung widerzuspiegeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2014, Esso u. a./Kommission, T‑540/08, EU:T:2014:630, Rn. 95). 1059 Die bloße Feststellung eines erheblichen Anstiegs der Einnahmen von Google zwischen 2011 und 2017 reicht jedoch nicht aus, um nachzuweisen, dass die von Google im Jahr 2017 erzielten Einnahmen nicht die wirtschaftliche Realität, das Ausmaß der Zuwiderhandlung, die Größe von Google und ihre Marktmacht widerspiegeln. Der einseitige Charakter der von der Kommission geahndeten Praktiken, die es Google zwischen 2011 und 2017 ermöglichten, ihre beherrschende Stellung und ihre Marktmacht zu stärken und die Expansion ihrer Wettbewerber zu bremsen oder sie sogar vom Markt auszuschließen oder potenzielle Wettbewerber zu behindern, rechtfertigt es im Gegenteil, die Einnahmen heranzuziehen, die Google im Jahr 2017 erzielte, dem Jahr, in dem sie wirtschaftlich sämtliche Früchte ihrer seit 2011 umgesetzten Praktiken ernten konnte. 1060 Das Gericht hält es daher in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für angemessen, den Umsatz zu berücksichtigen, den Google im letzten Jahr ihrer vollständigen Beteiligung an der Zuwiderhandlung erzielte. 1061 Zweitens wirft Google der Kommission vor, in den relevanten Umsatz auch Einnahmen einbezogen zu haben, die in keinem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung gestanden hätten. Dies gelte für die Einnahmen, die Google dadurch erzielt habe, dass Nutzer auf Werbelinks klickten, nachdem sie allgemeine Suchanfragen nicht über vorinstallierte Anwendungen von Google, sondern über die Homepage von Google gestellt hätten. Diese Einnahmen seien von den sortimentbezogenen VAE nicht betroffen gewesen, und Google hätte sie von denen abgrenzen können, die durch Suchanfragen über ihre Anwendungen erzielt worden seien. 1062 Demgegenüber betont die Kommission, wie wichtig es sei, solche Einnahmen zu berücksichtigen, weil sie die Zuwiderhandlung beträfen. 1063 Insoweit ist festzustellen, dass der bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zugrunde gelegte Umsatz in unmittelbarem oder zumindest mittelbarem Zusammenhang mit der geahndeten Zuwiderhandlung stehen muss, weil andernfalls die wirtschaftliche Realität und das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Sanktion verfälscht würden. 1064 Im vorliegenden Fall stehen die Einnahmen, die Google dadurch erzielt, dass Nutzer auf Werbelinks klicken, nachdem sie Suchanfragen über die Homepage von Google und nicht über vorinstallierte Anwendungen von Google gestellt haben, zumindest in mittelbarem Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung. Wie im angefochtenen Beschluss zu Recht ausgeführt wird, haben die von der Kommission geahndeten Praktiken es Google nämlich ermöglicht, ihre beherrschende Stellung und ihre Marktmacht auf sämtlichen nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste aufrechtzuerhalten und zu verstärken, unabhängig davon, ob diese Suchanfragen über eine vorinstallierte Anwendung oder über die Homepage von Google durchgeführt wurden (1439. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1065 Indem Google die Nutzung der konkurrierenden Suchdienste und den Zugang zu ihnen erschwerte und die Nutzer solcher Dienste für sich selbst gewann, haben ihr die Praktiken, die sie anwandte, mittelbar dazu verholfen, auch über ihre Homepage erhebliche Einnahmen zu erzielen. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass die sortimentbezogenen VAE diese Einnahmen nicht berücksichtigen. 1066 Das Gericht hält es daher für angemessen, die Einnahmen aus allgemeinen Suchanfragen, die über die Homepage von Google durchgeführt wurden, nicht von dem Umsatz auszunehmen, der zur Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße herangezogen wird. 1067 Drittens wirft Google der Kommission vor, dass sie beim Umsatz Einnahmen berücksichtigt habe, die nicht von Google, sondern von Dritten erzielt worden seien. Dies betreffe die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr, d. h. die Zahlungen, die Google für die Anzeige ihrer Werbelinks auf den Websites Dritter erbringe. 1068 Die Kommission hält dem entgegen, dass die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr ein integraler Bestandteil der Einnahmen von Google aus kontextbezogener Werbung seien, weil sie einen Bestandteil des Preises darstellten, der den Werbetreibenden für die Dienste von Google in Rechnung gestellt werde. 1069 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass sich Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nach seinem Wortlaut auf den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens ohne jeden Abzug bezieht (Urteil vom 12. Dezember 2012, Almamet/Kommission, T‑410/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:676, Rn. 225). 1070 Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht hervorhebt, handelt es sich im vorliegenden Fall bei den Kosten der Akquisition von Datenverkehr zwar tatsächlich um von Google getragene Kosten, weil sie freiwillige Ausgaben von Google für die Anzeige ihrer Links auf fremden Websites darstellen, doch werden diese Kosten im Wesentlichen den Werbetreibenden in Rechnung gestellt, so dass sie einen Bestandteil der Einnahmen von Google darstellen (1442. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1071 Folglich können die Kosten für die Akquisition von Datenverkehr entgegen dem Vorbringen von Google nicht vom Umsatz abgezogen werden. Diese Kosten lassen nämlich den Bruttobetrag der von Google erzielten Einnahmen unberührt und spiegeln die wirtschaftliche Realität und das Ausmaß der geahndeten Zuwiderhandlung angemessen wider. 1072 Daher beschließt das Gericht, bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße den Umsatz zu berücksichtigen, den die Kommission im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt hat. 2) Berücksichtigung der Schwere 1073 Hinsichtlich der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist insbesondere entschieden worden, dass diese individuell zu beurteilen ist und dass sämtliche Faktoren zu berücksichtigen sind, die dafür eine Rolle spielen, wie z. B. Zahl und Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 196 und 197 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 1074 Im vorliegenden Fall hält es das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zunächst für angebracht, folgende Faktoren zu berücksichtigen, die auch von der Kommission in ihren Leitlinien genannt werden: die Art der Zuwiderhandlung, die Stellung von Google auf den relevanten Märkten, die räumliche Ausdehnung dieser Zuwiderhandlung und ihre etwaige Umsetzung in der Praxis. 1075 Hinsichtlich der Art der Zuwiderhandlung geht aus der vorstehenden Analyse hervor, dass die Kommission eine Reihe von missbräuchlichen Verdrängungspraktiken von Google, die den Wettbewerb durch den Ausschluss von Wettbewerbern zum Nachteil der Verbraucher behinderten, rechtlich hinreichend qualifiziert hat. Diese Praktiken stehen im Zusammenhang mit den Vorinstallationsbedingungen der VVMA und den Verdrängungswirkungen der AFV und sind anhand des relevanten faktischen Kontexts während des Zeitraums der Zuwiderhandlung zu untersuchen. 1076 Hinsichtlich der Stellung von Google auf den relevanten Märkten und der räumlichen Ausdehnung der Zuwiderhandlung ist unstreitig, dass Google während des gesamten Zeitraums der Zuwiderhandlung eine beherrschende Stellung auf den nationalen Märkten für allgemeine Suchdienste im EWR innehatte. Diese Märkte waren Gegenstand der Gesamtstrategie, mit der Google ihre Marktmacht bei allgemeinen Suchanfragen auf PCs und bei allgemeinen Suchanfragen auf intelligenten Mobilgeräten aufrechterhalten wollte. Diese Feststellung wird nicht in Frage gestellt, wenn neben allgemeinen Suchanfragen, die mit einem Android-Gerät durchgeführt werden, auch solche berücksichtigt werden, die mit einem iPhone durchgeführt werden. 1077 Hinsichtlich der etwaigen Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis hält es das Gericht insbesondere für erforderlich, zur Wahrung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Zumessung von Sanktionen die Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen von Google zu beurteilen. 1078 Diese Aufgabe wird durch die sorgfältige Prüfung der konkreten Auswirkungen erleichtert, die die Kommission in der vorliegenden Rechtssache vorgenommen hat, um die Auswirkungen der Gesamtstrategie von Google und der verschiedenen zu ihrer Umsetzung eingesetzten Mittel auf den Leistungswettbewerb zu bewerten. 1079 Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass sich die Kommission im angefochtenen Beschluss zwar zunächst auf die Feststellung beschränkt hatte, dass „die von der Zuwiderhandlung betroffenen relevanten Märkte von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung“ seien, was bedeute, dass „jedes wettbewerbswidrige Verhalten auf diesen Märkten erhebliche Auswirkungen gehabt haben dürfte“ (1449. Erwägungsgrund), dass sie anschließend aber ausdrücklich klargestellt hat, dass diese Beurteilung auf den von ihr aus der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Analyse der wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen jeder einzelnen der in Rede stehenden Verhaltensweisen gezogenen Schlussfolgerungen beruhe (1455. Erwägungsgrund). 1080 Die vom Gericht insoweit vorgenommene Beurteilung ergibt sich aus der Analyse, die oben im Rahmen der entsprechenden Klagegründe in Bezug auf die erste und die zweite streitige Beschränkung dargelegt wurde. Diese Analyse berücksichtigt nicht nur die von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Verdrängungswirkungen, sondern auch die verschiedenen von den Parteien vorgebrachten Argumente in Bezug auf das Interesse an der Entwicklung und Pflege des BS Android und seines „Ökosystems“, das als erwiesen anzusehen ist, wie insbesondere aus den vorstehenden Rn. 889 und 890 hervorgeht. 1081 Insoweit hält das Gericht nach Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte den Hinweis für angebracht, dass seines Erachtens die Anwendung eines von der Kommission ermittelten festen Schwerekoeffizienten von 11 % des Umsatzes (1447. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) die tatsächliche Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis und insbesondere ihre Intensität im betreffenden Zeitraum nicht hinreichend widerspiegelt, insbesondere, wie im Folgenden zu prüfen sein wird, in Bezug auf das wettbewerbswidrige Verhalten von Google in den Jahren 2012 bis 2014. 3) Berücksichtigung der Dauer 1082 Hinsichtlich der Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung sind folgende Umstände zu berücksichtigen, die im Übrigen von Google im Rahmen der vorliegenden Klage nicht bestritten werden. 1083 Zum einen hat sich die Google LLC vom 1. Januar 2011 bis zum 18. Juli 2018, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, ununterbrochen an den folgenden beiden Aspekten der einheitlichen und fortdauernden Zuwiderhandlung beteiligt: dem Aspekt, der sich auf die Bündelung der Anwendung Google Search mit dem Play Store bezog, und dem Aspekt, der sich darauf bezog, dass die Lizenzierung des Play Store und der Anwendung Google Search vom Abschluss einer AFV abhängig gemacht wurde. 1084 Zum anderen hat sich die Google LLC vom 1. August 2012 bis zum 18. Juli 2018, dem Tag des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, ununterbrochen an einem weiteren Aspekt der einheitlichen und fortdauernden Zuwiderhandlung beteiligt, und zwar an der Bündelung von Google Chrome mit dem Play Store und der Anwendung Google Search. 1085 Anders als die Kommission, die einen einheitlichen und globalen Multiplikator verwendet hat, um der Dauer der Beteiligung von Google an der Zuwiderhandlung Rechnung zu tragen (1461. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), wobei der Wert des herangezogenen Umsatzes mit diesem Dauerkoeffizienten multipliziert wurde, hält es das Gericht im vorliegenden Fall jedoch für angemessener, auch andere Parameter zu berücksichtigen, um bestimmte Besonderheiten des zeitlichen Verlaufs der Zuwiderhandlung, insbesondere in Anbetracht ihrer unterschiedlichen Intensität, besser widerzuspiegeln. 4) Kombinierte Bewertung unter Berücksichtigung der Intensität 1086 Das Gericht hält es bei seiner Bemessung der Höhe der Geldbuße anhand von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung für vorzugswürdig, ein anderes als das arithmetische und lineare Berechnungsverfahren anzuwenden, das die Kommission gemäß der allgemeinen Methodik definiert hat, die sie sich in den Leitlinien auferlegt hat. Eine solche Lösung ist eher geeignet, im Einklang mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Zumessung von Sanktionen sicherzustellen, dass den Besonderheiten der vorliegenden Rechtssache angemessen Rechnung getragen wird, ohne dass dadurch die Notwendigkeit, ein ausreichendes Abschreckungsniveau zu erreichen, beeinträchtigt wird. 1087 Zum einen ist es im vorliegenden Fall angebracht, die Komplementarität der ersten Missbräuche zu berücksichtigen. Wie sich aus der in diesem Zusammenhang durchgeführten Analyse ergibt, verstärkten sich die missbräuchlichen Praktiken von Google im Rahmen ihrer Gesamtstrategie von dem Zeitpunkt an, zu dem sowohl die Anwendung Google-Search als auch der Browser Chrome Gegenstand der Vorinstallationsbedingungen der VVMA wurden. Dadurch verschaffte sich Google bei den beiden wichtigsten Einstiegspunkten für eine Suchanfrage im Internet einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, der für ihre Mitbewerber nur sehr schwer auszugleichen war. 1088 Zum anderen hält das Gericht es auch für erforderlich, insbesondere die Intensität des wettbewerbswidrigen Verhaltens im Lauf der Zeit sowie die anderen im angefochtenen Beschluss angeführten tatsächlichen Umstände zu berücksichtigen, die im Zusammenhang mit diesen Verhaltensweisen stehen, wie etwa die VAE. In dieser Hinsicht können mehrere Zeiträume unterschieden werden: – ein erster Sondierungszeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 1. August 2012, der durch die Umsetzung der von Google angestrebten Gesamtstrategie zur Gewährleistung des Übergangs zum Internet auf Mobilgeräten gekennzeichnet war; – ein zweiter Zeitraum vom 1. August 2012 bis zum Ende der sortimentbezogenen VAE am 31. März 2014, in dem die Zuwiderhandlung am intensivsten war, weil ihre Auswirkungen die restriktiven Aspekte der VVMA (für beide Produktbündel) und der AFV in einem Kontext kombinierten, in dem die durch die sortimentbezogenen VAE gewährte Exklusivität die theoretischen Möglichkeiten einer gemeinsamen Vorinstallation auf GMS-Geräten entsprechend reduzierte; – ein dritter Zeitraum vom 31. März 2014 bis zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, für den davon ausgegangen werden kann, dass die Mitbewerber im Rahmen der gerätebezogenen VAE einen größeren Spielraum hatten als unter der Geltung der sortimentbezogenen VAE, in dem aber gleichzeitig auch die Entwicklung der API zu berücksichtigen ist, die die Verdrängungswirkungen der AFV verstärkte. 1089 Diese Aufteilung veranlasst das Gericht, bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße folgende Umstände zu berücksichtigen. 1090 Zunächst trifft es, wie Google im zweiten Teil des sechsten Klagegrundes geltend macht, zu, dass berücksichtigt werden muss, dass sie die sortimentbezogenen VAE von sich aus zum 31. März 2014 beendete und durch gerätebezogene VAE ersetzte und dass dies zwangsläufig eine Abschwächung der Marktabschottung zur Folge hatte, die sich aus der exklusiven Vorinstallation der Anwendung Google Search und des Browsers Chrome auf bestimmten im EWR vermarkteten GMS-Geräten ergab. 1091 Die Verwendung von zwei festen und globalen Multiplikatoren – einem für die Schwere und einem für die Dauer – lässt es aber nicht zu, diesen Umstand zu berücksichtigen, ebenso wenig wie den Umstand, dass die Vorinstallationsbedingungen der VVMA Chrome erst ab dem 1. August 2012 einbezogen. 1092 Sodann ist festzustellen, dass die Auswirkungen der streitigen Praktiken im zweiten Zeitraum besonders erheblich waren, was ebenfalls gesondert zu berücksichtigen ist, weil diese Auswirkungen zu einem sowohl für Google als auch für ihre Mitbewerber kritischen Zeitpunkt eintraten, nämlich dem der Entwicklung des Internets auf Mobilgeräten. 1093 In diesem Zeitraum, der für die Entwicklung auf intelligenten Mobilgeräten nutzbarer Online-Suchdienste von entscheidender Bedeutung war, schadeten die missbräuchlichen Praktiken von Google ihren Mitbewerbern, für die es besonders wichtig war, zumindest auf einer geringen Zahl von Geräten präsent zu sein. Dieser Gesichtspunkt wurde in der mündlichen Verhandlung von den verschiedenen Mitbewerbern von Google, die dem Verfahren als Streithelfer beigetreten waren, überzeugend vorgetragen. 1094 Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße wird das Gericht daher sowohl die jeweilige Dauer der verschiedenen Abschnitte der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung als auch die Unterschiede berücksichtigen, die, wie oben festgestellt, zwischen den verschiedenen Zeiträumen bestanden, um die unterschiedliche Intensität der Auswirkungen dieser Zuwiderhandlung zu beurteilen. c) Mildernde oder erschwerende Umstände 1095 Das Gericht ist der Auffassung, dass der tatsächliche Kontext des vorliegenden Falles es weder rechtfertigt, Google mildernde Umstände zuzugestehen, noch, erschwerende Umstände zu berücksichtigen. 1096 In Bezug auf die im dritten Teil des sechsten Klagegrundes hierzu vorgebrachten Argumente ist zunächst festzustellen, dass Google keine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung verlangen kann, sie habe die Zuwiderhandlung fahrlässig begangen. Wie die Kommission im angefochtenen Beschluss zu Recht festgestellt hat und wie sich aus den vorstehenden Randnummern ergibt, hat Google die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen, weil sie die voraussichtlichen Auswirkungen der in Rede stehenden Vereinbarungen bewusst anstrebte. 1097 Ebenso wenig kann Google eine Herabsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die von ihr behauptete aktive Mitarbeit während des Verwaltungsverfahrens verlangen. Google hat zwar von sich aus Verpflichtungszusagen angeboten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen. Ein solches Angebot allein geht jedoch nicht über die rechtlichen Verpflichtungen von Google zur Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren hinaus, so dass allein aus diesem Grund keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer aktiven Zusammenarbeit gerechtfertigt ist. 1098 Darüber hinaus hält es das Gericht nicht für erforderlich, andere tatsächliche Umstände zu berücksichtigen, die geeignet sein könnten, sich ermäßigend oder erhöhend auf die Geldbuße auszuwirken. d) Höhe der Geldbuße und gesamtschuldnerische Haftung von Alphabet 1099 Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen, insbesondere der sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckenden vorsätzlichen Umsetzung einer Gesamtstrategie, deren Existenz durch die Fehler der Kommission in Bezug auf die dritte im angefochtenen Beschluss geprüfte Art der Verhaltensweise nicht in Frage gestellt wird und die während des Zeitraums der Zuwiderhandlung Auswirkungen unterschiedlicher Intensität hatte, ist das Gericht der Auffassung, dass bei angemessener Bewertung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung – insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes der individuellen Zumessung der Sanktion – der Betrag der gegen die Google LLC verhängten Geldbuße auf 4125000000 Euro statt auf 4342865000 Euro festzusetzen ist. 1100 Darüber hinaus ist die Alphabet, Inc. aus den im angefochtenen Beschluss dargelegten und im Rahmen der vorliegenden Klage nicht bestrittenen Gründen (Erwägungsgründe 1388 und 1389 des angefochtenen Beschlusses) als Muttergesellschaft für das rechtswidrige Verhalten der Google LLC vom 2. Oktober 2015 bis zum 18. Juli 2018 gesamtschuldnerisch haftbar zu machen. Da die Alphabet, Inc. die Google LLC an 1013 Tagen der 2748 Tage dauernden einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung kontrollierte, ist sie im vorliegenden Fall gesamtschuldnerisch zur Zahlung des Betrags von 1520605895 Euro zu verurteilen. e) Angemessenheit der Sanktion 1101 Das Gericht hält eine Geldbuße von 4125000000 Euro in Anbetracht der Bedeutung der Zuwiderhandlung für angemessen. Zu den von Google im zweiten Teil des sechsten Klagegrundes hierzu vorgebrachten Argumenten ist erstens festzustellen, dass die Kommission bei der Ausübung ihrer Sanktionsbefugnis entgegen dem Vorbringen von Google nicht verpflichtet war, sich Zurückhaltung aufzuerlegen, um der angeblichen Neuheit der in Rede stehenden Praktiken Rechnung zu tragen. Das Gleiche gilt für das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. 1102 Es trifft zwar zu, dass die Kommission zum ersten Mal eine Wettbewerbsanalyse der Android-Plattform durchgeführt hat. Die Beurteilungen der Märkte, der beherrschenden Stellung von Google auf diesen Märkten und der von der Kommission im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbräuche stützen sich jedoch auf Analysen, die im Wettbewerbsrecht fest etabliert sind. Im angefochtenen Beschluss weist die Kommission zu Recht darauf hin, dass sie mehrfach Vereinbarungen geahndet hat, die sich bei ihrer Analyse als klassische Fälle von Kopplungs- oder Ausschließlichkeitsgeschäften zwischen Wirtschaftsteilnehmern erwiesen (1432. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). 1103 Somit kann die vorliegende Rechtssache entgegen dem Vorbringen von Google nicht mit derjenigen gleichgesetzt werden, die zum Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C‑62/86, EU:C:1991:286), geführt hat, in dem der Gerichtshof bei der Herabsetzung der Geldbuße dem Umstand Rechnung trug, dass erstmals Verdrängungspreise geahndet wurden, auch wenn dies nicht der einzige Aspekt war, den er dabei heranzog. 1104 In gleicher Weise ist die Entscheidung 93/82/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel [101 AEUV] (IV/32.448 und IV/32.450 ‑ Cewal, Cowac, Ukwal) und Artikel [102 AEUV] (IV/32.448 und IV/32.450 ‑ Cewal) (ABl. 1993, L 34, S. 20), auf die sich Google beruft, zu verstehen. Zwar hat die Kommission im 116. Erwägungsgrund dieser Entscheidung der Möglichkeit Rechnung getragen, dass die betreffenden Unternehmen ihre wettbewerbsrechtlichen Verpflichtungen nicht kannten oder die Schwere der geahndeten Zuwiderhandlung unterschätzten, was sich auf die Festsetzung der Höhe der Geldbuße hätte auswirken können. 1105 Zum einen ist im vorliegenden Fall jedoch festzustellen, dass einem Unternehmen von der Größe Googles, das auf den im angefochtenen Beschluss genannten Märkten über erhebliche Marktmacht verfügt, seine wettbewerbsrechtlichen Verpflichtungen nicht verborgen geblieben sein können. Zum anderen geht aus den internen Dokumenten und Erklärungen von Google, auf die sich die Kommission stützt, eindeutig hervor, dass Google sich der Auswirkungen der im angefochtenen Beschluss beanstandeten Praktiken voll bewusst war (Erwägungsgründe 1343 bis 1347). 1106 Im vorliegenden Fall ist das Gericht außerdem der Auffassung, dass die verschiedenen in Rede stehenden Verhaltensweisen jeweils schon Gegenstand einer früheren Entscheidungspraxis der Kommission waren, die auch bereits vom Unionsrichter überprüft wurde, sei es im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), oder im Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, EU:C:2017:632), die jeweils Klarstellungen zu den bei der Beurteilung dieser verschiedenen Verhaltensweisen heranzuziehenden Analysekriterien enthielten. Die verhängte Geldbuße ist daher nicht deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil die angebliche Neuheit der in Rede stehenden Praktiken nicht berücksichtigt wurde. 1107 Zweitens macht Google geltend, dass die Schwere ihres Verhaltens relativ gering gewesen sei und ihr Verhalten wettbewerbsfördernde Auswirkungen gehabt habe. Die verhängte Geldbuße müsse daher der Schwere des Verhaltens entsprechen, dürfe aber nicht darüber hinausgehen. 1108 In dieser Hinsicht hat das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung sämtliche Begleitumstände dieser Zuwiderhandlung einschließlich des Vorbringens der Parteien zur Entwicklung und Pflege des BS Android und seines „Ökosystems“ in vollem Umfang berücksichtigt, um sicherzustellen, dass die Geldbuße im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. f) Ausreichend abschreckende Wirkung der Sanktion in Anbetracht der Größe des Unternehmens 1109 Wie die Kommission (1479. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses) sieht auch das Gericht im vorliegenden Fall keinen Anlass, die Geldbuße speziell zu dem Zweck zu erhöhen, ihr abschreckende Wirkung zu verleihen. 1110 Die vom Gericht festgesetzte Höhe der Geldbuße berücksichtigt gebührend die Notwendigkeit, Google eine Geldbuße in abschreckender Höhe aufzuerlegen. g) Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes 1111 Der Betrag der Geldbuße, zu der das Gericht in Ausübung der ihm durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gelangt, übersteigt nicht die in Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Verordnung vorgesehene Obergrenze von 10 % des von Alphabet im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes. 1112 Dies gilt sowohl für das Geschäftsjahr 2017, das der Verhängung der Geldbuße durch die Kommission vorausging (1481. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), als auch für das Geschäftsjahr 2021 als das letzte verfügbare Geschäftsjahr, da der Gesamtumsatz seit 2017 stetig gestiegen ist. h) Ergebnis zur Abänderung 1113 Nach alledem ist Art. 2 des angefochtenen Beschlusses dahin abzuändern, dass der Betrag der Geldbuße, die gegen die Google LLC wegen der in Art. 1 des angefochtenen Beschlusses genannten einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung verhängt wurde und für die die Alphabet, Inc. für den Zeitraum vom 2. Oktober 2015 bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses gesamtschuldnerisch haftet, auf 4125000000 Euro festgesetzt wird. 1114 In Anbetracht der Umstände, die das Gericht bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung berücksichtigt hat, erscheint es nicht erforderlich, über die Begründetheit des Vorbringens von Google in Bezug auf den zusätzlichen Betrag in Höhe von 11 % des im Jahr 2017 getätigten relevanten Umsatzes (vgl. Erwägungsgründe 1467 und 1468 des angefochtenen Beschlusses) zu entscheiden, weil das Gericht einen solchen Parameter in Bezug auf dieses Geschäftsjahr nicht berücksichtigt hat. IV. Kosten 1115 Nach Art. 134 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn mehrere Parteien unterliegen, über die Verteilung der Kosten. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die Hauptparteien jeweils ihre eigenen Kosten tragen. 1116 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer als die in den Abs. 1 und 2 dieses Artikels genannten Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall ist zu entscheiden, dass die ADA, die CCIA, Gigaset, HMD, Opera, das BEUC, der VDZ, der BDZV, Seznam, FairSearch und Qwant ihre eigenen Kosten tragen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Sechste erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Art. 1, 3 und 4 des Beschlusses C(2018) 4761 final der Europäischen Kommission vom 18. Juli 2018 in einem Verfahren nach Artikel 102 AEUV und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache AT.40099 – Google Android) werden für nichtig erklärt, soweit sie den vierten Missbrauch der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung betreffen, d. h. die in den Vereinbarungen über die Teilung von Einnahmen mit bestimmten Originalgeräteherstellern und Betreibern von Mobilfunknetzen enthaltene Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation von Google Search auf einem im Voraus festgelegten Sortiment von Geräten. 2. Die Höhe der in Art. 2 des Beschlusses C(2018) 4761 final wegen der einheitlichen Zuwiderhandlung, die von der Google LLC nach den oben in Nr. 1 getroffenen Feststellungen begangen wurde, gegen sie verhängten Geldbuße wird auf 4125000000 Euro festgesetzt; die Alphabet, Inc., haftet für diesen Betrag als Gesamtschuldnerin in Höhe von 1520605895 Euro. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Google und Alphabet tragen ihre eigenen Kosten. 5. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten. 6. Die Application Developers Alliance, der BDZV – Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger e. V., das Bureau européen des unions des consommateurs (BEUC), die Computer & Communications Industry Association, die FairSearch AISBL, die Gigaset Communications GmbH, die HMD global Oy, die Opera Norway AS, Qwant, die Seznam.cz, a.s. und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e. V. tragen ihre eigenen Kosten. Marcoulli Frimodt Nielsen Schwarcz Iliopoulos Norkus Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. September 2022. Unterschriften Inhaltsverzeichnis I. Vorgeschichte des Rechtsstreits A. Hintergrund der Rechtssache B. Verfahren vor der Kommission C. Angefochtener Beschluss II. Verfahren und Anträge der Parteien A. Streithilfeanträge B. Ablauf des Verfahrens, wichtigste Anträge auf vertrauliche Behandlung und Vorbereitung der Entscheidungsreife der Rechtssache C. Anträge der Parteien III. Rechtliche Würdigung A. Vorbemerkungen 1. Kommerzieller Hintergrund der geahndeten Verhaltensweisen a) Geschäftsmodell mit Schwerpunkt auf der Suche über Google Search b) Beim Übergang zum mobilen Internet eingeführte Praktiken c) Mehrere Aspekte umfassende einheitliche Zuwiderhandlung 2. Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle a) Eingehende Kontrolle aller relevanten Elemente b) Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Geldbuße 3. Zur Beweisführung und zu den verschiedenen insoweit vorgebrachten Beanstandungen B. Erster Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Abgrenzung des relevanten Marktes und des Vorliegens einer marktbeherrschenden Stellung 1. Hintergrund a) Begriffe „relevanter Markt“, „marktbeherrschende Stellung“ und „Wettbewerbsdruck“, insbesondere beim Vorhandensein eines „Ökosystems“ b) Unterschiedliche, aber miteinander verbundene Märkte 2. Erster Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt der lizenzierten BS für intelligente Mobilgeräte a) Zur Zulässigkeit des ersten Teils b) Zur Begründetheit des ersten Teils 1) Zum Wettbewerbsdruck durch nicht lizenzierbare BS i) Zu den Beweisen für einen Wettbewerbsdruck durch Apple – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht ii) Zur Berücksichtigung des Urteils vom 22. Oktober 2002, Schneider Electric/Kommission (T‑310/01, EU:T:2002:254), und zur Kohärenz mit der bisherigen Entscheidungspraxis – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht iii) Zum SSNDQ-Test – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht iv) Zur Treue der Nutzer zu ihrem BS – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht v) Zur Sensibilität der Nutzer gegenüber der Qualität des BS – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht vi) Zu den Kosten eines Wechsels zu einem anderen BS – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht vii) Zu den Auswirkungen der Preispolitik von Apple – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht viii) Zum Verhalten der Anwendungsentwickler – Vorbringen der Parteien – Würdigung durch das Gericht 2) Zum Wettbewerbsdruck durch die AOSP-Lizenz i) Vorbringen der Parteien ii) Würdigung durch das Gericht 3. Zweiter Teil: Beherrschende Stellung auf dem Markt für Vertriebsplattformen für Android-Anwendungen a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 4. Dritter Teil: Widerspruch zwischen der beherrschenden Stellung bei Suchdiensten für Nutzer und der Missbrauchstheorie, die sich auf die den OEM erteilten Lizenzen für Suchanwendungen bezieht a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 5. Zur relativen Bedeutung des Wettbewerbs zwischen Ökosystemen für die Zwecke der vorliegenden Rechtssache C. Zweiter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in der VVMA enthaltenen Vorinstallationsbedingungen in Bezug auf die ersten Missbräuche 1. Hintergrund a) Begriffe „missbräuchliche Praxis“, „Verdrängungswirkung“ und „Kopplungsgeschäft“, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289) b) Angefochtener Beschluss 1) Zu den ersten drei im Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289), genannten Voraussetzungen 2) Zur Voraussetzung der „Beschränkung des Wettbewerbs“ i) Das Bündel aus Google Search und Play Store ii) Das Bündel aus Chrome, Play Store und Google Search 3) Zur Voraussetzung des Fehlens objektiver Rechtfertigungen c) Komplementarität der ersten Missbräuche 2. Erster Teil: „Beschränkung des Wettbewerbs“ a) Vorinstallation und „Status-quo-Präferenz“ 1) Angefochtener Beschluss 2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien 3) Würdigung durch das Gericht i) Vorbemerkungen – Fehlende praktische Relevanz der vorgeschlagenen Unterscheidung – Quantitative Bedeutung der Vorinstallationsbedingungen ii) Zu bestimmten Erklärungen und Informationen, die im angefochtenen Beschluss wiedergegeben sind – Von Google stammende Beweise – Von Drittunternehmen stammende Beweise – Die Analyse von Yandex – Vereinbarung zwischen Microsoft und Verizon iii) Zu bestimmten im angefochtenen Beschluss angestellten Vergleichen – FairSearch-Studie – Von Microsoft bereitgestellte Daten und NetMarketShare-Daten – Vergleich der mit Android- und mit iOS-Geräten erzielten Einnahmen von Google iv) Zu bestimmten Aspekten, die Chrome betreffen – Vergleich der Einnahmen von Google durch Safari und durch Chrome – Opera-Umfrage b) Die Möglichkeit für die OEM, konkurrierende allgemeine Suchdienste vorzuinstallieren oder als Standard festzulegen 1) Angefochtener Beschluss 2) Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien 3) Würdigung durch das Gericht i) Vorbemerkungen ii) Zur Vorinstallation konkurrierender Anwendungen – Zur Anwendung Google Search und ihren Mitbewerbern – Zum Browser Chrome und seinen Mitbewerbern – Zu den anderen Anwendungen iii) Zum angeblichen Widerspruch zwischen den die VAE betreffenden Erwägungen und der Behauptung, es bestehe kein Interesse an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen iv) Zum Interesse der OEM an der Vorinstallation konkurrierender Anwendungen – Zu den potenziellen Einnahmen – Zu den Transaktionskosten – Zum Nutzererlebnis – Zum Speicherplatz – Ergebnis c) Andere Mittel zur Erreichung der Nutzer als die Vorinstallation 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht i) Zum Herunterladen konkurrierender Anwendungen ii) Zum Zugang zu konkurrierenden Suchdiensten über den Browser iii) Zur Verwechslung von Wettbewerbsvorteil und wettbewerbswidriger Verdrängung iv) Ergebnis d) Fehlender Nachweis eines Zusammenhangs zwischen den Nutzungsanteilen und der Vorinstallation 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht e) Fehlende Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontexts 1) Vorbringen der Parteien 2) Würdigung durch das Gericht 3. Zweiter Teil: objektive Rechtfertigungen a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht D. Dritter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der in den sortimentbezogenen VAE enthaltenen Bedingung der ausschließlichen Vorinstallation 1. Hintergrund a) Angefochtener Beschluss 1) Zur Natur der sortimentbezogenen VAE 2) Zur Eignung der sortimentbezogenen VAE, den Wettbewerb zu beschränken 3) Zum Vorliegen objektiver Rechtfertigungen b) Zum Unterschied zwischen sortimentbezogenen und gerätebezogenen VAE c) Zu den im Rahmen der sortimentbezogenen VAE aufgeteilten Einnahmen d) Zum Nachweis der Missbräuchlichkeit einer Ausschließlichkeitszahlung 2. Erster Teil: Natur der sortimentbezogenen VAE a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 3. Zweiter Teil: Unzureichende Begründung 4. Dritter Teil: Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung a) Zur Markterfassung durch die sortimentbezogenen VAE und zu deren Auswirkungen 1) Angefochtener Beschluss 2) Vorbringen der Parteien 3) Würdigung durch das Gericht b) Zum Ausgleich der sortimentbezogenen VAE 1) Angefochtener Beschluss 2) Vorbringen der Parteien 3) Würdigung durch das Gericht i) Zu den einem hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerber zuzurechnenden Kosten ii) Zu den Einnahmen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber hätte teilen können iii) Zum Anteil der Suchanfragen, die ein hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähiger Mitbewerber erzielen könnte iv) Zum Umfang der Vorinstallation einer Anwendung eines hypothetisch mindestens ebenso leistungsfähigen Mitbewerbers v) Zur zeitlichen Anwendung des AEC‑Tests vi) Ergebnis zur ordnungsgemäßen Durchführung des AEC‑Tests 5. Ergebnis zur Stichhaltigkeit der für die Missbräuchlichkeit der sortimentbezogenen VAE angeführten Gründe E. Vierter Klagegrund: fehlerhafte Beurteilung der Missbräuchlichkeit der an die Einhaltung der VVF geknüpften Bedingung für die Vergabe von Lizenzen für den Play Store und für Google Search 1. Vorbemerkungen zur Tragweite des zweiten im angefochtenen Beschluss festgestellten Missbrauchs 2. Erster Teil: Beschränkung des Wettbewerbs a) Angefochtener Beschluss b) Vorbringen der Parteien 1) Vorbringen von Google 2) Vorbringen der Kommission c) Würdigung durch das Gericht 1) Zum Vorliegen der Praxis 2) Zur Wettbewerbswidrigkeit der Praxis i) Zur Wettbewerbswidrigkeit der verfolgten Ziele ii) Zur Beschränkung des Wettbewerbs – Zur potenziellen Bedrohung durch nicht kompatible Forks – Zur tatsächlichen Verdrängung der nicht kompatiblen Android-Forks und zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen dieser Verdrängung 3. Zweiter Teil: Vorliegen objektiver Rechtfertigungen a) Angefochtener Beschluss b) Vorbringen der Parteien 1) Vorbringen von Google 2) Vorbringen der Kommission c) Würdigung durch das Gericht 1) Zur Notwendigkeit, die Kompatibilität innerhalb des „Android-Ökosystems“ zu schützen und die „Fragmentierung“ zu verhindern 2) Zur Notwendigkeit, den eigenen Ruf zu schützen 3) Zur Notwendigkeit, Mitnahmeeffekte zu unterbinden 4) Zur Vorzeitigkeit gegenüber der Erlangung der marktbeherrschenden Stellung und zum Fehlen einer Täuschung 5) Zur Berücksichtigung der wettbewerbsfördernden Auswirkungen der VVF 4. Ergebnis der Prüfung des vierten Klagegrundes F. Fünfter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte 1. Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht 2. Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verweigerung einer Anhörung zum AEC‑Test a) Vorbringen der Parteien b) Würdigung durch das Gericht G. Zu den Folgen der Prüfung der ersten fünf Klagegründe und zum sechsten Klagegrund 1. Verhältnis zwischen den ersten fünf Klagegründen und dem sechsten Klagegrund in Bezug auf die Geldbuße 2. Schlussfolgerungen zur Zuwiderhandlung nach Prüfung der ersten fünf Klagegründe 3. Zur Abänderung der Geldbuße a) Vorsätzlich oder fahrlässig begangene Zuwiderhandlung b) Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung 1) Berücksichtigung des Umsatzes als Ausgangswert 2) Berücksichtigung der Schwere 3) Berücksichtigung der Dauer 4) Kombinierte Bewertung unter Berücksichtigung der Intensität c) Mildernde oder erschwerende Umstände d) Höhe der Geldbuße und gesamtschuldnerische Haftung von Alphabet e) Angemessenheit der Sanktion f) Ausreichend abschreckende Wirkung der Sanktion in Anbetracht der Größe des Unternehmens g) Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes h) Ergebnis zur Abänderung IV. Kosten (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Sechste Kammer) vom 15. Juli 2015 (Auszüge).#Socitrel – Sociedade Industrial de Trefilaria, SA und Companhia Previdente – Sociedade de Controle de Participações Financeiras, SA gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Kartelle – Europäischer Markt für Spannstahl – Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Austausch sensibler Geschäftsinformationen – Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird – Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren – Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Angemessene Verfahrensdauer.#Rechtssachen T-413/10 und T-414/10.
62010TJ0413
ECLI:EU:T:2015:500
2015-07-15T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62010TJ0413 URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer) 15. Juli 2015 (*1) „Wettbewerb — Kartelle — Europäischer Markt für Spannstahl — Preisfestsetzung, Marktaufteilung und Austausch sensibler Geschäftsinformationen — Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV festgestellt wird — Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren — Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen — Angemessene Verfahrensdauer“ In den Rechtssachen T‑413/10 und T‑414/10 Socitrel – Sociedade Industrial de Trefilaria, SA, mit Sitz in Trofa (Portugal), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Proença de Carvalho und T. Faria, Klägerin in der Rechtssache T‑413/10, Companhia Previdente – Sociedade de Controle de Participações Financeiras, SA, mit Sitz in Lissabon (Portugal), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte D. Proença de Carvalho und J. Caimoto Duarte, Klägerin in der Rechtssache T‑414/10, gegen Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre, P. Costa de Oliveira und V. Bottka als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Marques Mendes, Beklagte, wegen Nichtigerklärung und Änderung des Beschlusses K(2010) 4387 endg. der Kommission vom 30. Juni 2010 in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/38.344 – Spannstahl), geändert durch den Beschluss K(2010) 6676 endg. der Kommission vom 30. September 2010 und durch den Beschluss C (2011) 2269 final der Kommission vom 4. April 2011, erlässt DAS GERICHT (Sechste Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten S. Frimodt Nielsen (Berichterstatter) sowie der Richter F. Dehousse und A. M. Collins, Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2014 folgendes Urteil (1 ) [nicht wiedergegeben] Verfahren und Anträge der Parteien 1. Rechtssache T‑413/10 – Socitrel/Kommission 60 Mit Klageschrift, die am 15. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Socitrel die vorliegende Klage erhoben. 61 Mit besonderem Schriftsatz, der am 16. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, stellte sie einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 13. April 2011, Socitrel/Kommission (T‑413/10 R, EU:T:2011:179) zurückgewiesen, und die Kostenentscheidung wurde vorbehalten. 62 Mit Schriftsatz, der am 10. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, wies Socitrel darauf hin, dass sie beantrage, ihre Klageanträge nach dem Erlass des ersten Änderungsbeschlusses anpassen zu können. 63 Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, ihm den zweiten Änderungsbeschluss vorzulegen. Die Kommission ist dieser Aufforderung am 17. Juni 2011 nachgekommen. 64 Nach dem Erlass des zweiten Änderungsbeschlusses hat Socitrel ihre Klagegründe und Anträge mit Schreiben, das am 2. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erneut angepasst. 65 Das schriftliche Verfahren ist am 21. November 2011 mit der Einreichung der Gegenerwiderung der Kommission in der Verfahrenssprache abgeschlossen worden. 66 Aufgrund einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab dem 23. September 2013 wurde der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daher am 27. September 2013 zugewiesen worden ist. 67 Der Vorbericht nach Art. 52 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts vom 2. Mai 1991 ist der Sechsten Kammer am 31. März 2014 übermittelt worden. 68 Am 8. Mai 2014 hat das Gericht Socitrel und der Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 eine Liste mit 16 schriftlichen Fragen übersandt. 69 Mit Schreiben vom 6. bzw. 9. Juni 2014 sind die Kommission und Socitrel diesen Maßnahmen jeweils nachgekommen. 70 Am 17. September 2014 hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. 71 Socitrel beantragt: — die Art. 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen; — hilfsweise Art. 2 des angefochtenen Beschlusses teilweise für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft, und die gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 72 Die Kommission beantragt, — die Klage abzuweisen; — Socitrel die Kosten aufzuerlegen. 2. Rechtssache T‑414/10, Companhia Previdente/Kommission 73 Mit Klageschrift, die am 15. September 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Companhia Previdente die vorliegende Klage erhoben. 74 Mit besonderem Schriftsatz, der am 16. September 2010 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, stellte Companhia Previdente einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 10. Juni 2011, Companhia Previdente/Kommission (T‑414/10 R, EU:T:2011:268 zurückgewiesen, und die Kostenentscheidung wurde vorbehalten. 75 Mit Schriftsatz, der am 10. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, wies Companhia Previdente darauf hin, dass sie beantrage, ihre Klagegründe im Anschluss an den Erlass des ersten Änderungsbeschlusses anpassen zu können. 76 Mit Beschluss vom 6. Juni 2011 hat das Gericht die Kommission zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert. Die Kommission ist dieser Aufforderung am 17. Juni 2011 nachgekommen. 77 Im Anschluss an den Erlass des zweiten Änderungsbeschlusses hat Companhia Previdente mit Schriftsatz, der am 2. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, erneut ihre Klagegründe und Anträge angepasst. 78 Das schriftliche Verfahren ist am 21. November 2011 mit der Einreichung der Gegenerwiderung durch die Kommission in der Verfahrenssprache abgeschlossen worden. 79 Aufgrund einer Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab dem 23. September 2013 wurde der Berichterstatter der Sechsten Kammer zugeteilt, der die vorliegende Rechtssache daher am 27. September 2013 zugewiesen worden ist. 80 Der Vorbericht gemäß Art. 52 § 2 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 ist der Sechsten Kammer am 31. März 2014 übermittelt worden. 81 Am 8. Mai 2014 hat das Gericht Companhia Previdente und der Kommission im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 eine Liste mit 16 schriftlichen Fragen übersandt. 82 Mit Schreiben vom 6. und 9. Juni 2014 sind die Kommission und Companhia Previdente diesen Maßnahmen jeweils nachgekommen. 83 Am 17. September 2014 hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. 84 Companhia Previdente beantragt: — die Art. 1, 2 und 4 des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, soweit sie sie betreffen; — anzuerkennen, dass jede Herabsetzung der gegen Socitrel im Rahmen von anderen Verfahren wegen Zuwiderhandlungen, für die Companhia Previdente gesamtschuldnerisch haftet, verhängten Geldbuße automatisch zu einer Herabsetzung führt, die der gesamtschuldnerischen Geldbuße Letzterer entspricht; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 3. Zur Verbindung der Rechtssachen T‑413/10, T‑414/10 und T‑409/13, Companhia Previdente und Socitrel/Kommission, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zur Streichung der Rechtssache T‑409/13, Companhia Previdente und Socitrel/Kommission 85 Mit Klageschrift, die am 2. August 2013 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, haben Companhia Previdente und Socitrel Klage gegen das vom Generaldirektor der GD „Wettbewerb“ der Kommission an sie gerichtete Schreiben vom 24. Mai 2013 erhoben. 86 Die Rechtssache ist daraufhin unter dem Aktenzeichen T‑409/13 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden. Mit Beschluss vom 30. Juni 2014 sind die Rechtssachen T‑413/10, T‑414/10 und T‑409/13 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden. 87 Die Klägerinnen haben die Klage, die im Rahmen der Rechtssache T‑409/13 eingereicht worden war, mit an die Kanzlei des Gerichts gerichtetem Schreiben vom 11. November 2014 zurückgenommen. Nachdem die Kommission mit Schreiben vom 14. November 2014 mitgeteilt hat, dass sie der Rücknahme nicht widerspreche und dass sie die Verurteilung der Klägerinnen zur Tragung der Kosten beantrage, vermerkte das Gericht diese Rücknahme in dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2014, in der es die Rechtssache T‑409/13 aus dem Register des Gerichts gestrichen und die Klägerinnen zur Tragung der Kosten in dieser Rechtssache verurteilt hat. Rechtliche Würdigung 88 Die Rechtssachen T‑413/10 und T‑414/10 werden für das vorliegende Urteil zu gemeinsamer Entscheidung verbunden; die Parteien, die in der mündlichen Verhandlung zu dieser Frage gehört worden sind, widersprechen dem nicht. 89 Socitrel macht zur Stützung ihrer Klage acht Klagegründe sowie im Rahmen der zweiten Anpassung ihrer Klagegründe und Anträge zwei zusätzliche Klagegründe geltend. 90 Companhia Previdente ihrerseits stützt ihre Klage auf vier Klagegründe sowie im Rahmen der zweiten Anpassung ihrer Klagegründe und Anträge auf zwei zusätzliche Klagegründe. 91 Mit dem ersten Klagegrund rügt Socitrel einen Begründungsmangel und eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte insoweit, als in dem angefochtenen Beschluss angeblich verschiedene Punkte für das Verständnis der Art und Weise, in der die Kommission die Höhe der Geldbuße festgesetzt hat, fehlen. 92 Mit ihrem zweiten Klagegrund rügt Socitrel die Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer. 93 Mit dem dritten Klagegrund rügt Socitrel einen Verstoß gegen die der Kommission obliegende Sorgfaltspflicht, die Verletzung der Verteidigungsrechte sowie des Loyalitätsgrundsatzes, des Grundsatzes des guten Glaubens und des Vertrauensschutzes wegen der zweimaligen Änderung des ursprünglichen Beschlusses durch die Kommission. 94 Mit ihrem vierten Klagegrund rügt Socitrel einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit sowie die Unschuldsvermutung, einen Begründungsmangel und die Nichtbeachtung ihrer früheren Entscheidungspraxis durch die Kommission, insoweit als die Höchstgrenze der Geldbuße, die gegen Socitrel habe verhängt werden können, von der Kommission überschritten worden sei. 95 Dieser Klagegrund umfasst drei Teile. 96 Der erste Teil des vierten Klagegrundes stützt sich darauf, dass die Kommission unzutreffend eine gesamtschuldnerische Haftung der Companhia Previdente angenommen habe und infolgedessen die Obergrenze von 10 % des Umsatzes unzutreffend nach dem Umsatz von Companhia Previdente und nicht nach dem Umsatz von Socitrel berechnet worden sei. Dies wird auch von Companhia Previdente in ihrem ersten und ihrem zweiten Klagegrund geltend gemacht. 97 Der zweite Teil des vierten Klagegrundes, der hilfsweise geltend gemacht wird, stützt sich auf die unzutreffende Berücksichtigung der Umsätze von Emesa, Galycas und ITC bei der Berechnung der Obergrenze von 10 %. Dies wird auch im ersten Teil des dritten Klagegrundes von Companhia Previdente vorgetragen. 98 Der dritte Teil des vierten Klagegrundes, der weiter hilfsweise geltend gemacht wird, stützt sich darauf, dass die Umsatzzahlen von Companhia Previdente für das Jahr 2009 fälschlicherweise berücksichtigt wurden. Dies wird von Companhia Previdente auch im zweiten Teil ihres dritten Klagegrundes vorgetragen. 99 Mit ihrem fünften Klagegrund rügt Socitrel eine Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei der Anwendung der Ziff. 13 und 22 der Leitlinien von 2006 sowie einen Begründungsmangel, insoweit als die Kommission zu Unrecht den Schweregrad betreffend die gegen Socitrel zu verhängende Geldbuße auf 18 % festgesetzt habe. 100 Mit ihrem sechsten Klagegrund rügt Socitrel eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes, da die Kommission ihre untergeordnete oder passive Rolle nicht als mildernden Umstand berücksichtigt habe. 101 Mit ihrem siebten Klagegrund macht Socitrel eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes insoweit geltend, als die Kommission ihre tatsächliche Zusammenarbeit nicht als mildernden Umstand berücksichtigt habe. 102 Mit ihrem achten Klagegrund rügt Socitrel eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes wegen der Nichtberücksichtigung des Kontexts der Wirtschaftskrise und der Leistungsunfähigkeit von Socitrel. Auf dieses Vorbringen bezieht sich auch der vierte Klagegrund, der von Companhia Previdente hilfsweise geltend gemacht wird. 103 Die Klägerinnen haben diesen Klagegrund mit an die Kanzlei des Gerichts gerichtetem Schreiben vom 11. November 2014 zurückgenommen. Diese Rücknahme wurde im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2014 vermerkt. 104 Socitrel und Companhia Previdente machen darüber hinaus im Rahmen der zweiten Anpassung ihrer Klagegründe und Anträge einen zusätzlichen Klagegrund geltend, mit dem Socitrel einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sowie einen Begründungsmangel und Companhia Previdente einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes insoweit rügen, als Socitrel und Companhia Previdente nicht auf die gleiche Art und Weise behandelt worden seien wie Arcelor und SLM, denen eine Herabsetzung der Geldbuße gewährt worden sei, die die Klägerinnen nicht erhalten hätten. 105 Schließlich machen Socitrel und Companhia Previdente einen zweiten zusätzlichen Klagegrund geltend, mit dem sie eine Verletzung der Grundsätze der Sorgfalt, der Loyalität, des guten Glaubens und der Rechtssicherheit insoweit rügen, als die Kommission die ursprüngliche Entscheidung im Jahr 2011 erneut geändert habe. 1. Zum ersten Klagegrund von Socitrel, mit dem diese einen Begründungsmangel und eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte rügt Grundsätze 106 Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Art. 296 AEUV vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg, EU:C:1998:154, Rn. 63, vom 30. September 2003, Deutschland/Kommission, C‑301/96, Slg, EU:C:2003:509, Rn. 87, und vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission, C‑42/01, Slg, EU:C:2004:379, Rn. 66). Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes 107 Das Vorbringen von Socitrel zur Unterstützung ihres Klagegrundes, das im Anschluss an den Erlass des ersten Änderungsbeschlusses geändert wurde, ist kurz in Erinnerung zu rufen. 108 In der Klageschrift vertrat Socitrel im Wesentlichen die Ansicht, dass in dem anfänglichen Beschluss verschiedene Punkte fehlten, um die Art und Weise, in der die Kommission die Höhe der Geldbuße festgesetzt hat, zu verstehen; daraus folgt nach ihrer Ansicht ein Begründungsmangel, der ihre Verteidigungsrechte verletze. 109 So waren laut Socitrel in der ersten Entscheidung weder der Umsatz noch der Wert der Verkäufe, die für die Ermittlung der Höhe des Grundbetrags berücksichtigt worden waren, noch die Parameter, die für die Festsetzung des Schweregrades und des Zusatzbetrags auf 18 % angewandt worden waren, angegeben. 110 Darüber hinaus machte Socitrel geltend, der Umstand, dass zahlreiche Passagen des an sie gerichteten Beschlusses als vertraulich angesehen worden seien, habe sie daran gehindert, die Prämissen zu rekonstruieren, auf die sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße gestützt habe. 111 Nach dem Erlass des ersten Änderungsbeschlusses passte Socitrel ihren ersten Klagegrund an. 112 Zum einen trägt Socitrel im Wesentlichen vor, die Änderung des ursprünglichen Beschlusses durch die Kommission beweise die Begründetheit ihres ersten Klagegrundes, wie sie ihn in der Klageschrift dargelegt habe. 113 Zum anderen ist Socitrel der Ansicht, dass der erste Änderungsbeschluss die größten Lücken, die sie in der Klageschrift beanstandet habe, insbesondere betreffend den von der Kommission angewandten Prozentsatz für die Schwere der Zuwiderhandlung und den Zusatzbetrag, nicht geschlossen habe. 114 Sie bemerkt außerdem, der erste Änderungsbeschluss unterscheide in Bezug auf sie zwei Zuwiderhandlungszeiträume (fünfter Erwägungsgrund), wobei er identische Verkaufszahlen für jeden von diesen nenne, jedoch ohne dass sich diese Unterscheidung nach ihrer Ansicht im weiteren Verlauf des ersten Änderungsbeschlusses und insbesondere im siebten Erwägungsgrund dieses Beschlusses, in dem ihr ein einziger Zuwiderhandlungszeitraum zur Last gelegt werde, widerspiegele. 115 Socitrel führt weiter aus, die Kommission räume im achten Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses ein, dass sie bei der Berechnung des Zusatzbetrags einen Fehler begangen habe, ohne jedoch die von diesem Fehler betroffenen Unternehmen zu benennen. Dieser Erwägungsgrund verweise auf die Tabelle im fünften Erwägungsgrund desselben Beschlusses, in dem sie mit einer Verkaufszahl für mehrere Zuwiderhandlungszeiträume aufgeführt sei. Sie vermutet, aus diesem Verweis sei zu schließen, dass sie somit von dem Fehler bei der Berechnung des Zusatzbetrags betroffen sein müsse, der offenbar zu einer Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße führe, denn dieser Betrag werde tatsächlich von 22500000 Euro auf 20000000 Euro herabgesetzt. Dies ändert nichts daran, dass es sich dabei um Mutmaßungen ihrerseits handelt, die ihr zufolge das Vorliegen eines Begründungsmangels beweisen. 116 Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Zur Angabe der Umsätze 117 Zunächst ist festzustellen, dass der erste Änderungsbeschluss einige der den ursprünglichen Beschluss betreffenden Lücken geschlossen hat, insbesondere was die Bestimmung der berücksichtigten Umsätze betrifft (fünfter Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses). 118 Insoweit greift das Vorbringen von Socitrel zur Stützung ihres ersten Klagegrundes betreffend diese Lücke nicht mehr. Zu den beiden Zuwiderhandlungszeiträumen, die die Kommission im fünften Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses unterscheidet 119 Im Übrigen hat die Kommission, wie Socitrel ausführt, zwei Zeitabschnitte in der den Umsatz, insbesondere von Socitrel, betreffenden Tabelle im fünften Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses unterschieden. 120 In dieser Tabelle wird nämlich näher bestimmt, dass die Kommission für den Zeitraum 7. April 1994 bis 8. Januar 1996 auf der Grundlage der Antworten, die Socitrel am 30. Juni 2009 gegeben hatte, einen Betrag von 12016516 Euro festgelegt hat. Der gleiche Betrag wurde für den Zeitraum 9. Januar 1996 bis 19. September 2002 festgelegt. 121 In Rn. 932 des ursprünglichen Beschlusses wird ausgeführt, dass sich der „räumlich relevante Markt … im Laufe der Zeit entwickelt [hat]. Von 1984 bis 1995 (Zeitraum des Züricher Clubs) bestand er aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Spanien und Österreich. 1992 kam Portugal hinzu (im Rahmen der Absprachen im Club España). Von 1996 bis 2002 (dem Zeitraum der Krise des Züricher Clubs, dem Zeitraum, in dem die Quotenvereinbarung des Club Europa vorbereitet wurde, dem Zeitraum des Club Europa, und der Phase der Erweiterung des Club Europa) beinhaltete der räumlich relevante Markt dieselben Länder wie in der Phase des Züricher Clubs, einschließlich Portugals sowie Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen (siehe Abschnitte 9.1.1 bis 9.1.5 des ursprünglichen Beschlusses). Dies wird bei der Berechnung der Höhe der Umsätze berücksichtigt, indem die Umsätze in Portugal vor dem 15.12.1992 und Umsätze in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen vor dem 9.1.1996 ausgeklammert werden.“ 122 Aus dem fünften Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses ergibt sich, dass die Kommission in Bezug auf den zu berücksichtigenden Umsatzwert entsprechend der von dem Kartell betroffenen geografischen Zone verschiedene Zeiträume unterschieden hat (vom 1. Januar 1984 bis zum 21. Dezember 1985; vom 1. Januar 1986 bis zum 14. Dezember 1992; vom 15. Dezember 1992 bis zum 31. Dezember 1993; vom 1. Januar 1994 bis zum 8. Januar 1996; vom 9. Januar 1996 bis zum 19. September 2002). 123 Die von der Kommission Socitrel zur Last gelegte Zuwiderhandlung hat sich auf zwei dieser Zeiträume erstreckt (vom 7. April 1994 [Zeitpunkt, den die Kommission als Beginn der Beteiligung von Socitrel an der Zuwiderhandlung ansah] bis zum 8. Januar 1996 und vom 9. Januar 1996 bis zum 19. September 2002), die von der Kommission somit berücksichtigt wurden. 124 In Rn. 949 des ursprünglichen Beschlusses entschied die Kommission jedoch, dass in Anbetracht dessen, dass Socitrel die europäische Dimension des Kartells erst später bewusst geworden sei, nur ihre Umsätze in Spanien und Portugal zu berücksichtigen seien. 125 Die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Umsätze in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen nach dem 9. Januar 1996 (Rn. 932 des angefochtenen Beschlusses) für die Mitglieder des Kartells, die von dieser geografischen Zone betroffen waren, hat sich somit auf Socitrel nicht ausgewirkt. Dies erklärt, dass die im fünften Erwägungsgrund des ersten Änderungsbeschlusses berücksichtigten Umsätze für die beiden von der Kommission unterschiedenen Zuwiderhandlungszeiträume identisch sind. 126 Im Übrigen hat die Kommission anerkannt, einen Fehler begangen zu haben, indem sie in der ursprünglichen Entscheidung zweimal den Zusatzbetrag berechnet habe, weil sie insbesondere in Bezug auf Socitrel einen doppelten Zuwiderhandlungszeitraum berücksichtigt habe. 127 Sie korrigierte jedoch diesen Fehler mit dem Erlass des ersten Änderungsbeschlusses, was zu einer Herabsetzung des Grundbetrags der gegen Socitrel zu verhängenden Geldbuße führte, die nach dieser Korrektur von 22500000 Euro auf 20000000 Euro geändert wurde. 128 Es ist im Übrigen hinzuzufügen, dass Socitrel als Anlage 8 zur Klageschrift eine E‑Mail der GD „Wettbewerb“ der Kommission mit Datum 13. August 2010 vorgelegt hat, in welcher der für die Sache zuständige Beamte ausführte: „Wie in dem Schreiben [der Kommission] vom 30. Juli ausgeführt wurde, gibt es einen Rechenfehler bei der Ausgangsbuße („entry fee“). Hinsichtlich Ihrer Kunden führt das dazu, dass der Betrag, der in den Tabellen in den Erwägungsgründen 923 und 1057 aufgeführt ist, zu hoch ist. Der Änderungsbeschluss wird den Betrag in Höhe von 22500000 Euro ändern und durch den Betrag von 20000000 Euro ersetzen. Wie oben erwähnt, führt dies wegen der Obergrenze [von 10 %] nicht zu einer Änderung der gegen ihre Kunden verhängten Geldbuße oder zu einer Änderung der Begründung des Beschlusses.“ 129 Insoweit ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss in der Fassung des ersten Änderungsbeschlusses nicht mit einem Begründungsmangel behaftet ist. Zum für die Schwere angewandten Satz von 18 % 130 Der Begründungsmangel hinsichtlich der Schwere wird in Abschnitt 19.1.3 des angefochtenen Beschlusses geprüft. 131 In Bezug auf Socitrel führt die Kommission im angefochtenen Beschluss aus: — erstens, dass „alle Unternehmen außer Fundia … an Marktaufteilungen (Quotenaufteilungen), Kundenaufteilungen und horizontalen Preisabsprachen beteiligt [waren] (siehe Abschnitt 9 und Anhänge 2, 3 und 4)“ und dass „[d]iese Absprachen … zu den schädlichsten Einschränkungen des Wettbewerbs [zählen], da sie die wesentlichen Wettbewerbsparameter verzerren“ (Rn. 939, Abschnitt 19.1.3.1 über die Art der Zuwiderhandlung); — zweitens, dass „der gemeinsame Marktanteil der Unternehmen, denen die Zuwiderhandlung … nachgewiesen werden konnte, … auf ungefähr 80 % geschätzt [wurde] (siehe Randnummer [98])“. (Rn. 946, Abschnitt 19.1.3.2 über den gemeinsamen Marktanteil) dargelegt wird; — drittens, dass sich der räumlich relevante Markt im Laufe der Zeit entwickelt hat (Rn. 932, siehe oben, Rn. 121); — viertens, dass „[b]ei Socitrel, Proderac, Fapricela und Fundia, die ausschließlich am Club España (der nur Spanien und Portugal betraf) oder, was Fundia anbelangt, an der Abstimmung in Bezug auf Addtek beteiligt waren und bei denen erst für eine sehr späte Phase der Zuwiderhandlung (ab dem 17.5.2001 bzw. ab dem 14.5.2001, siehe Abschnitt 12.2.2.4) nachgewiesen werden konnte, dass ihnen die einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung bewusst war, … die Kommission jedoch den eingeschränkteren räumlichen Umfang bei der Festsetzung des Umsatzanteils [berücksichtigt]“ und dass „[e]ine andere Situation … bei den übrigen Mitgliedern des Club España (Emesa/Galycas und Tycsa/Trefilerías Quijano) gegeben [ist], die gleichzeitig an mehreren Ebenen des Kartells beteiligt waren und/oder bei denen nachgewiesen werden konnte, dass ihnen die einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung wesentlich früher bewusst war“ (Rn. 949, Abschnitt 19.1.3.3 betreffend den räumlichen Geltungsbereich). 132 Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass „[a]ngesichts der besonderen Umstände in dieser Sache und unter Berücksichtigung der erörterten Aspekte bezüglich der Art der Zuwiderhandlung (siehe Abschnitt 19.1.3.1) und des räumlichen Umfangs (siehe Abschnitt 19.1.3.3) … für Fundia ein Umsatzanteil von 16 %, für Socitrel, Fapricela und Proderac von 18 % und für alle übrigen Unternehmen von 19 % angenommen werden [sollte]“ (Rn. 953). 133 Es ist davon auszugehen, dass der angefochtene Beschluss insoweit nicht mit einem Begründungsmangel behaftet ist und dass er ermöglicht, die Argumentation der Kommission unbeschadet ihrer Begründetheit zu verstehen. 134 Die Rüge von Socitrel ist deshalb zurückzuweisen. Zum für die Ermittlung des Zusatzbetrags zur Abschreckung angewandten Satz 135 Was den Zusatzbetrag betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 25 der Leitlinien von 2006 die Kommission „unabhängig von der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung … einen Betrag zwischen 15 % und 25 % des Umsatzes hinzu[fügt], um die Unternehmen von vornherein von der Beteiligung an horizontalen Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung von Märkten oder Mengeneinschränkungen abzuschrecken. Dieser Zusatzbetrag kann [im Übrigen] auch in Fällen anderer Zuwiderhandlungen erhoben werden“, und „[b]ei der Entscheidung, welcher Anteil am Umsatz zugrunde zu legen ist, berücksichtigt die Kommission mehrere Umstände, u. a. die in Ziffer 22 genannten“, wie z. B. „die Art der Zuwiderhandlung, den kumulierten Marktanteil sämtlicher beteiligten Unternehmen, den Umfang des von der Zuwiderhandlung betroffenen räumlichen Marktes und die etwaige Umsetzung der Zuwiderhandlung in der Praxis“. 136 Im vorliegenden Fall setzte die Kommission den Prozentsatz für den Zusatzbetrag auf 18 % fest und verwies in Rn. 953 des angefochtenen Beschlusses auf die Erwägungsgründe, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung betreffend die Art (Abschnitt 19.1.3.1 des angefochtenen Beschlusses) und den räumlichen Umfang (Abschnitt 19.1.3.3 des angefochtenen Beschlusses) dargelegt hatte. 137 Eine solche Begründung wurde aber vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 2013, Ziegler/Kommission (C‑439/11 P, Slg, EU:C:2013:513, Rn. 121 bis 124) für ausreichend erklärt. 138 Folglich ist dieser Klagegrund von Socitrel zurückzuweisen. Zur Verletzung der Verteidigungsrechte von Socitrel 139 Nach Ansicht von Socitrel sind ihre Verteidigungsrechte aus zwei Gründen verletzt worden. 140 Zum einen ergebe sich aus den Lücken der ursprünglichen Entscheidung, die zum Teil von der Kommission im ersten Änderungsbeschluss anerkannt worden seien, dass ihre Verteidigungsrechte verletzt worden seien. 141 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da Socitrel vom Gericht mit Schreiben vom 29. Oktober 2010 aufgefordert worden war, ihre Klagegründe und Anträge nach dem Erlass des ersten Änderungsbeschlusses anzupassen, was sie mit Schreiben, das am 10. Dezember 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, getan hat. 142 Was zum anderen ihre Behauptungen betrifft, dass die Parteien des angefochtenen Beschlusses von der Kommission geheim gehalten worden seien, weshalb es Socitrel nicht möglich gewesen sei, zu verstehen, wie die Geldbuße von dieser berechnet worden sei, ist zu bemerken, dass alle von Socitrel genannten Randnummern (Rn. 1142, 1144, 1149, 1157, 1159, 1160, 1165, 1171, 1172, 1175, 1178, 1179, 1181, 1185 und 1188) die Beurteilung von Anträgen zur Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen betrifft. 143 In einem solchen Fall hat die Kommission jedoch die Vertraulichkeit der Daten, die ihr von den Unternehmen übermittelt worden sind, zu gewährleisten, wenn diese dies verlangen, insbesondere wenn es sich um die finanzielle Situation der Unternehmen betreffende Daten handelt. 144 Die Kommission macht außerdem zutreffend geltend, dass Socitrel alle sie betreffenden Beurteilungskriterien und insbesondere die Kriterien zu ihrer Leistungsfähigkeit mitgeteilt worden seien. 145 Dem Vorbringen von Socitrel ist somit nicht zu folgen und die Rüge der Verletzung der Verteidigungsrechte daher insgesamt zurückzuweisen. 146 Folglich ist der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. 2. Zum zweiten Klagegrund von Socitrel: Nichteinhaltung einer angemessenen Verfahrensdauer Grundsätze 147 Erstens stellt die Einhaltung einer angemessenen Dauer bei der Abwicklung der Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat (vgl. Urteil vom 19. Dezember 2012, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, C‑452/11 P, EU:C:2012:829, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung). 148 Der Grundsatz der angemessenen Dauer eines Verwaltungsverfahrens ist in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt worden, wonach „jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden“ (Urteil vom 5. Juni 2012, Imperial Chemical Industries/Kommission, T‑214/06, Slg, EU:T:2012:275, Rn. 284). 149 Zweitens beurteilt sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls und insbesondere nach dessen Kontext, dem Verhalten der Beteiligten im Laufe des Verfahrens, der Bedeutung der Angelegenheit für die verschiedenen betroffenen Unternehmen und der Komplexität der Sache (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg, EU:T:1999:80, Rn. 126) sowie gegebenenfalls nach den Informationen oder Gründen, die die Kommission hinsichtlich der im Verwaltungsverfahren durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen vorträgt. 150 Drittens hat der Gerichtshof festgestellt, dass im Verwaltungsverfahren zwei aufeinanderfolgende Abschnitte unterschieden werden können, von denen jeder einer eigenen inneren Logik folgt. Der erste Abschnitt, der sich bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte erstreckt, beginnt dann, wenn die Kommission in Ausübung der ihr durch den Gemeinschaftsgesetzgeber verliehenen Befugnisse Maßnahmen trifft, die mit dem Vorwurf verbunden sind, eine Zuwiderhandlung begangen zu haben; er soll es ihr ermöglichen, zum weiteren Verlauf des Verfahrens Stellung zu nehmen. Der zweite Abschnitt erstreckt sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung. Er soll es der Kommission ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern (Urteil vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg, EU:C:2006:592, Rn. 38). 151 Viertens ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Verletzung des Grundsatzes der angemessenen Dauer zweierlei Folgen nach sich ziehen kann. 152 Wenn sich einerseits der Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer auf den Ausgang des Verfahrens auswirkt, kann ein solcher Verstoß zur Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2006, Technische Unie/Kommission, C‑113/04 P, Slg, EU:C:2006:593, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 153 Was die Anwendung der Wettbewerbsregeln angeht, kann nämlich die Überschreitung der angemessenen Zeitspanne einen Grund für eine Nichtigerklärung nur bei einer Entscheidung darstellen, mit der Zuwiderhandlungen festgestellt werden, und sofern erwiesen ist, dass der Verstoß gegen diesen Grundsatz die Verteidigungsrechte der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt hat. Außerhalb dieser besonderen Fallgestaltung wirkt sich die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist nicht auf die Rechtsgültigkeit des Verwaltungsverfahrens im Rahmen der Verordnung Nr. 17 aus (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg, EU:T:2003:342, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung, im Rechtsmittelverfahren insoweit bestätigt durch das Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Rn. 150 angeführt, EU:C:2006:592, Rn. 42 und 43). 154 Da jedoch der Beachtung der Verteidigungsrechte als einem Grundsatz, dessen fundamentaler Charakter in der Rechtsprechung des Gerichtshofs mehrfach hervorgehoben wurde (Urteil vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, 322/81, Slg, EU:C:1983:313, Rn. 7), in Verfahren wie dem vorliegenden größte Bedeutung zukommt, muss verhindert werden, dass diese Rechte aufgrund der übermäßigen Dauer der Ermittlungsphase in nicht wiedergutzumachender Weise beeinträchtigt werden und dass die Verfahrensdauer der Erbringung von Beweisen dafür entgegensteht, dass keine Verhaltensweisen vorlagen, die die Verantwortung der betroffenen Unternehmen auslösen könnten. Aus diesem Grund darf sich die Prüfung einer etwaigen Beeinträchtigung der Ausübung der Verteidigungsrechte nicht auf den Abschnitt beschränken, in dem diese Rechte ihre volle Wirkung entfalten, nämlich den zweiten Abschnitt des Verwaltungsverfahrens. Die Beurteilung der Quelle einer etwaigen Schwächung der Wirksamkeit der Verteidigungsrechte muss sich auf das gesamte Verwaltungsverfahren erstrecken und es in voller Länge einbeziehen (Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Rn. 153 angeführt, EU:C:2006:592, Rn. 50). 155 Wenn andererseits die Verletzung der angemessenen Verfahrensdauer ohne Auswirkungen auf den Ausgang des Verfahrens ist, kann eine solche Verletzung dazu führen, dass das Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Verletzung, die sich aus der Überschreitung der angemessenen Dauer des Verwaltungsverfahrens ergibt, in angemessener Weise korrigiert, indem es gegebenenfalls die Höhe der Geldbuße herabsetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Technische Unie/Kommission, oben in Rn. 152 angeführt, EU:C:2006:593, Rn. 202 bis 204, und Urteil vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, Slg, EU:T:2011:284, Rn. 429 und 434, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 147 angeführt, EU:C:2012:829, Rn. 100). Zur Begründetheit des ersten Klagegrundes 156 Socitrel trägt im Wesentlichen vor, dass die Kommission keine angemessene Verfahrensdauer eingehalten habe, indem sie den ursprünglichen Beschluss fast acht Jahre nach Beginn der Verwaltungsverfahren erlassen habe, was der Wahrung ihrer Verteidigungsrechte geschadet habe, insbesondere im Hinblick auf die Umstrukturierungen, die bei ihr durchgeführt worden seien, und die Schwierigkeiten, Gegenbeweise zu sammeln, auf die sie in Anbetracht dessen gestoßen sei, dass im Laufe der Jahre einige ihrer Mitarbeiter ausgeschieden seien. 157 Nach alledem kann ein lange dauerndes Verwaltungsverfahren nur dann die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses oder die Herabsetzung der Höhe der Geldbuße zur Folge haben, wenn diese Verfahrensdauer als übermäßig anzusehen ist. 158 Im vorliegenden Fall bestand das Verwaltungsverfahren aus vier aufeinanderfolgenden Abschnitten, wobei der erste vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte lag und die drei folgenden nach dieser Mitteilung. 159 Der erste Abschnitt begann am 9. Januar 2002 mit der Übermittlung der oben in Rn. 21 genannten Dokumente durch das Bundeskartellamt an die Kommission und endete am 30. September 2008 mit dem Erlass der Mitteilung der Beschwerdepunkte. 160 Dann wurde der zweite Abschnitt eröffnet (siehe oben, Rn. 32 bis 37) und mit dem Erlass des ursprünglichen Beschlusses am 30. Juni 2010 beendet. 161 Nach der Erhebung einer ersten Reihe von Klagen (siehe oben, Rn. 10) erließ die Kommission am 30. September 2010 einen ersten Änderungsbeschluss (siehe oben, Rn. 4), um verschiedene Fehler zu korrigieren, die sie in dem ursprünglichen Beschluss festgestellt hatte; hierdurch wurde der dritte Abschnitt des Verwaltungsverfahrens beendet. 162 Schließlich wurde am 4. April 2011 der vierte Abschnitt des Verwaltungsverfahrens mit dem Erlass des zweiten Änderungsbeschlusses durch die Kommission abgeschlossen, mit dem sie eine Ermäßigung der zum einen gegen ArcelorMittal, ArcelorMittal Verderio, ArcelorMittal Fontaine und ArcelorMittal Wire France sowie zum anderen gegen SLM und Ori Martin verhängten Geldbuße gewährte (siehe oben, Rn. 6). 163 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich der von Socitrel geltend gemachte Klagegrund nur auf die ersten beiden Abschnitte des Verwaltungsverfahrens bezieht. 164 Am 8. Mai 2014 hat das Gericht im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung vom 2. Mai 1991 eine schriftliche Frage an die Kommission gerichtet, um eine detaillierte Beschreibung der von ihr im Anschluss an die Nachprüfungen vom 19. und 20. September 2002 bis zum Erlass des ursprünglichen Beschlusses getroffenen Maßnahmen zu erhalten. 165 Die Kommission ist dieser Aufforderung mit am 6. Juni 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Schriftsatz gefolgt. 166 Eine Abschrift der Antwort der Kommission ist Socitrel am 16. Juni 2014 durch die Kanzlei des Gerichts übermittelt worden. 167 Die Kommission legt in ihrer Antwort in detaillierter und überzeugender Weise die von ihr im Verlauf des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Maßnahmen und die Gründe dafür dar, dass das Verfahren von 2002 bis 2010 dauerte. 168 Mehrere Faktoren erklären die Dauer des Verwaltungsverfahrens im vorliegenden Fall. 169 Zu berücksichtigen sind hierbei die Dauer des Kartells (mehr als 18 Jahre), sein räumlich besonders ausgedehnter Umfang (das Kartell betraf die Mehrheit der Mitgliedstaaten), die Organisation des Kartells in räumlicher und zeitlicher Hinsicht (die verschiedenen, in den Rn. 41 bis 53 beschriebenen Clubs), die Zahl der Zusammenkünfte, die im Rahmen der verschiedenen Clubs abgehalten wurden (mehr als 500), die Zahl der beteiligten Unternehmen (17), die Zahl der Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung (siehe oben, Rn. 22 und 27 ff.) und die besonders hohe Zahl in unterschiedlichen Sprachen abgefasster Dokumente, die im Rahmen der Nachprüfungen zur Verfügung gestellt oder in deren Verlauf sichergestellt wurden und die von der Kommission zu prüfen waren, die verschiedenen ergänzenden Auskunftsverlangen, die die Kommission nach und nach mit zunehmendem Verständnis des Kartells an die verschiedenen betroffenen Gesellschaften richtete (siehe oben, Rn. 24 ff. und Rn. 36 ff.), die Zahl der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte (mehr als 40), die Zahl der Verfahrenssprachen (8) sowie die verschiedenen Anträge betreffend die Leistungsfähigkeit (14). 170 Auf der Grundlage der von der Kommission gelieferten Informationen, die von der besonderen Komplexität der Rechtssache zeugen, ist das Gericht der Ansicht, dass das Verfahren trotz der besonderen Länge der ersten beiden Verfahrensabschnitte nicht als übermäßig lang einzustufen ist. Folglich hat die Kommission den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer nicht verletzt. 171 Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen von Socitrel in Frage gestellt, wonach ihre Verteidigungsrechte dadurch verletzt worden sein sollen, dass sich der Konzern Companhia Previdente zwischen 2002 und 2008 infolge der Umstrukturierung im Zusammenhang mit dem Erwerb mehrerer Unternehmen erheblich verändert habe – die Zahl der Unternehmenseinheiten dieses Konzerns sei von 21 auf 27 gestiegen – und dass im September 2008, dem Zeitpunkt, zu dem sie die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten hatte, der ihr vorgeworfene Sachverhalt so weit zurückgelegen habe, dass keine der unmittelbar betroffenen Personen noch vorhanden oder in der Lage gewesen sei, sich daran zu erinnern. 172 Ein derartiges Vorbringen ist nämlich zu vage, als dass abgeschätzt werden könnte, wie es sich konkret auf die Verteidigungsrechte von Socitrel auswirkt. Insoweit ist hervorzuheben, dass Socitrel, wie das in der Antwort der Kommission auf die prozessleitenden Maßnahmen dargelegt wurde, das erste Informationsersuchen der Kommission am 11. Februar 2004 erhielt und dass dieses Ersuchen eindeutig auf den Gegenstand und den Umfang der Untersuchung sowohl in materieller als auch in zeitlicher Hinsicht hinwies. Ab diesem Zeitpunkt war Socitrel also in der Lage, alle Beweise, die sie für erheblich hielt, um der Kommission zu antworten, zu sammeln und der Kommission vorzulegen. Sie kann daher nicht ihre eigene Nachlässigkeit, eventuelle Beweise zum Zwecke ihrer Verteidigung zu sammeln und aufzubewahren, geltend machen. Auch kann das Gericht ohne das geringste Argument zum Verständnis dafür, inwiefern der Zeitraum von anderthalb Jahren zwischen September 2002 und Februar 2004 – der Zeitraum, in dem die Kommission Unterlagen, die bei der Nachprüfung erlangt oder anlässlich der Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung übermittelt wurden – nachteilig für die Ausübung der Verteidigungsrechte von Socitrel sein konnte, nicht berücksichtigen, dass dieser Zeitraum in der vorliegenden Rechtssache für sie nachteilig sein konnte. 173 Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen. 3. Zum dritten Klagegrund von Socitrel: Verletzung der der Kommission obliegenden Sorgfaltspflicht, der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Loyalität, des guten Glaubens und des Vertrauensschutzes Grundsätze 174 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den grundlegenden Prinzipien der Union gehört. Nach der Rechtsprechung ist die Berufung auf diesen Grundsatz an drei Voraussetzungen gebunden. Erstens muss die Verwaltung dem Betroffenen präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen von zuständiger und zuverlässiger Seite machen. Zweitens müssen diese Zusicherungen geeignet sein, bei dem Adressaten begründete Erwartungen zu wecken. Drittens müssen die Zusicherungen im Einklang mit den anwendbaren Rechtsnormen stehen (vgl. Urteil vom 9. September 2011, Deltafina/Kommission, T‑12/06, Slg, EU:T:2011:441, Rn. 190 und die dort angeführte Rechtsprechung). 175 Im Übrigen beinhaltet die Sorgfaltspflicht nach ständiger Rechtsprechung die Pflicht der Kommission, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. Urteile vom 21. November 1991, Technische Universität München, C‑269/90, Slg, EU:C:1991:438, Rn. 14, und vom 16. September 2013, ATC u. a./Kommission, T‑333/10, Slg, EU:T:2013:451, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung). 176 Es ist auch bereits wiederholt entschieden worden, dass es legitim ist und im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung liegt, dass ein Organ die Fehler und Versäumnisse einer Entscheidung korrigiert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2006, Deutschland/Kommission, T‑314/04 und T‑414/04, EU:T:2006:399, Rn. 45, und Beschluss vom 22. November 2007, Investire Partecipazioni/Kommission, T‑418/05, EU:T:2007:354, Rn. 40). Zur Begründetheit des dritten Klagegrundes 177 Socitrel trägt im Wesentlichen vor, sie sei, obwohl der ursprüngliche Beschluss erlassen worden sei, von der Kommission informiert worden, dass dieser Beschluss geändert werde. Socitrel sei somit gezwungen gewesen, eine Klage einzureichen, ohne den wirklichen Inhalt des Beschlusses, mit dem gegen sie eine Geldbuße festgesetzt worden sei, zu kennen. Die Kommission habe somit gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen – was gegebenenfalls dadurch bestätigt werde, dass die Kommission den Beschluss dann ein zweites Mal geändert habe, ohne dass dieser zweite Änderungsbeschluss Socitrel bekannt gegeben worden sei – und dadurch auch ihre Verteidigungsrechte verletzt. 178 Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. 179 Die Kommission kann nämlich eine Entscheidung, von der sie weiß, dass sie mit Fehlern und Versäumnissen behaftet ist, rechtlich nicht bestehen lassen, und insofern ist es legitim und im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung, dass ein Organ Fehler und Versäumnisse der ursprünglichen Entscheidung korrigiert (siehe die oben in Rn. 176 erwähnte Rechtsprechung). 180 Folglich kann der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, im ersten Änderungsbeschluss die Fehler und Versäumnisse, die sie in dem ursprünglichen Beschluss festgestellt hatte, korrigiert zu haben. 181 Es ist hervorzuheben, dass die Kommission damit auch die Begründung des angefochtenen Beschlusses verbessert hat. 182 Zwar wurde der erste Änderungsbeschluss von der Kommission nach der Einreichung mehrerer Klagen, darunter diejenigen der Klägerinnen, die gegen den ursprünglichen Beschluss gerichtet waren, erlassen. Jedoch wurde Socitrel, wie die anderen Unternehmen, die eine Klage eingereicht hatten, vom Gericht aufgefordert, ihre Klagegründe und Anträge nach dem Erlass dieses Beschlusses gegebenenfalls anzupassen. 183 Es ist festzustellen, dass Socitrel ihre Klagegründe im Hinblick auf den ersten Änderungsbeschluss durch bei der Kanzlei des Gerichts am 10. Dezember 2010 eingereichten Schriftsatz angepasst hat. 184 Weiter erhielt Socitrel, obwohl nicht Adressatin des zweiten Änderungsbeschlusses, auf Veranlassung des Gerichts eine Kopie des Beschlusses, und sie wurde von diesem aufgefordert, gegebenenfalls ihre Klagegründe und Anträge anzupassen, was sie mit Schreiben, das am 2. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hinsichtlich ihrer Klagegründe getan hat. 185 Sie kann daher nicht geltend machen, die Kommission habe beim Erlass dieser Änderungsbeschlüsse ihre Verteidigungsrechte verletzt. 186 Socitrel macht weiter geltend, die Kommission habe den Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie den Loyalitätsgrundsatz und den Grundsatz des guten Glaubens verletzt, wobei die Gründe für die Berufung auf diese letzten beiden Grundsätze in ihrer Klageschrift jedoch nicht eindeutig klargestellt sind. 187 Sofern Socitrel mit dieser Argumentation vortragen möchte, dass die Kommission dadurch, dass sie den ursprünglichen Beschluss korrigiert habe, verhindert habe, dass ihre Klage gegen den ursprünglichen Beschluss Erfolg habe, ist festzustellen, dass die Kommission berechtigt war, im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung den ursprünglichen Beschluss, der mit Fehlern und Versäumnissen behaftet war, vor der Entscheidung des Gerichts zu korrigieren. 188 Socitrel konnte somit von der Verwaltung durch die Aufrechterhaltung einer fehler- und lückenhaften Entscheidung bis zu deren eventueller Nichtigerklärung durch das Gericht, keine genaue, bedingungslose und übereinstimmende Zusicherung aus zuverlässigen und autorisierten Quellen erhalten. 189 Der Kommission kann auch kein illoyales und bösgläubiges Verhalten allein deshalb vorgeworfen werden, weil sie einen Beschluss, der nach ihrem eigenen Bekunden mit mehreren Fehlern und Lücken behaftet war, geändert hat. 190 Der dritte Klagegrund ist infolgedessen insgesamt zurückzuweisen. 4. Zum vierten Klagegrund von Socitrel und zu den ersten drei Klagegründen von Companhia Previdente: Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit, die Unschuldsvermutung sowie Begründungsmangel und Nichtbeachtung ihrer früheren Entscheidungspraxis durch die Kommission, insoweit als die Höchstgrenze der Geldbuße, die gegen Socitrel verhängt werden konnte, überschritten worden sei Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes von Socitrel sowie zum ersten und zum zweiten Klagegrund von Companhia Previdente: zu Unrecht erfolgte Bejahung der gesamtschuldnerischen Haftung von Companhia Previdente durch die Kommission und fehlerhafte Berechnung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes anhand des Umsatzes von Companhia Previdente anstatt des Umsatzes von Socitrel Sachverhalt 191 Companhia Previdente ist eine Gesellschaft, die Anteile an verschiedenen Gesellschaften verwaltet. 192 Zwischen 1994 und 1998 hatte sie eine unmittelbare Beteiligung von 21,2 % am Kapital von Socitrel und von 70 % am Kapital von Preside SGPS, die 70,6 % am Kapital von Socitrel hielt. 193 Zwischen dem 30. Dezember 1998 und dem 19. September 2002 erhöhte Companhia Previdente ihre Beteiligung an Preside SGPS auf 100 % des Kapitals dieser Gesellschaft. 194 Companhia Previdente hatte daher unstreitig während dieser Zeit eine Beteiligung am Kapital von Socitrel, die sich zwischen 91,8 % und 93,7 % bewegte. 195 Außerdem erwarb Companhia Previdente nach dem Zeitpunkt der Beendigung der Zuwiderhandlung verschiedene Unternehmen, darunter Emesa, Galycas und ITC, die alle drei wegen ihrer Teilnahme am Kartell von der Kommission mit Sanktionen belegt wurden. Angefochtener Beschluss 196 Die Rn. 765 bis 768 des angefochtenen Beschlusses lauten: „(765) Von 1994 bis Ende 1998 war die [Companhia Previdente] unmittelbar zu 21,2 % an Socitrel und zu 70 % an Preside SGPS beteiligt; diese wiederum war im gesamten genannten Zeitraum zu 70,6 % an Socitrel beteiligt. Vom 30.12.1998 bis Ende 2002 besaß die Companhia Previdente das gesamte Gesellschaftskapital der Preside SGPS, und über die Preside, SGPS war die Companhia Previdente unmittelbar und mittelbar zu 91,8-93,7 % an Socitrel beteiligt. Wie in Randnummer (32) erläutert, bestanden mindestens von Anfang 1994 bis Ende 2002 zahlreiche und ausgeprägte personelle Verflechtungen zwischen Socitrel und der Companhia Previdente. (766) Die Companhia Previdente macht geltend, sie könne nicht gesamtschuldnerisch mit Socitrel haftbar gemacht werden, weil sie keinen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Socitrel ausgeübt habe. Erstens habe die Kommission keine konkreten Sachverhalte erläutert, aus denen ein bestimmender Einfluss der Companhia Previdente auf Socitrel abzuleiten sei. Außerdem könne bis 1999 (als Socitrel nahezu 100%ige Tochter der Gesellschaft wurde) die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht zur Anwendung kommen. Die beiden Gesellschaften seien getrennte Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten gewesen, und Socitrel habe das eigene Geschäftsverhalten und die eigene Geschäftsstrategie unabhängig gestaltet. Dies gehe aus der Tatsache hervor, dass die Geschäftsführung von Socitrel nach der Übernahme von Socitrel unverändert und damit weiterhin völlig unabhängig geblieben sei. Außerdem habe die Companhia Previdente sich auf die Ausübung ihrer gesellschaftsrechtlich vorgesehenen Rechte und Pflichten wie z. B. die Genehmigung der Finanzaufstellungen von Socitrel und Entscheidungen über die Ausschüttung von Dividenden und die Gestaltung der Kapitalstruktur beschränkt. Schließlich seien die Mitglieder des Vorstands der Companhia Previdente am Vorstand von Socitrel nicht in geschäftsführender Funktion beteiligt gewesen und sei ihre Beteiligung am Vorstand von Socitrel nach portugiesischem Gesellschaftsrecht persönlicher Natur gewesen und habe keine Vertretung der Muttergesellschaft dargestellt. (767) Die Kommission vermutet die Ausübung bestimmenden Einflusses für den Zeitraum vom 30.12.1998 bis Ende 2002, als die Companhia Previdente zu 91,8-93,7% an Socitrel beteiligt war; das Vorbringen der Companhia Previdente ist angesichts der zahlreichen und starken personellen Verflechtungen zwischen den beiden Gesellschaften mindestens für den Zeitraum von Anfang 1994 bis Ende 2002 zurückzuweisen (siehe Randnummer [32]). Insbesondere ist festzustellen, dass die Herren Pedro Bessa, Limpo de Faria und António de Almeida Simões nicht nur den Vorständen beider Gesellschaften angehörten, sondern auch regelmäßig und durchgehend für Socitrel an den Kartellzusammenkünften teilnahmen. Demnach hat die Companhia Previdente während des gesamten Zeitraums der Beteiligung von Socitrel am Kartell bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Socitrel ausgeübt (siehe Randnummer [694]). (768) Daher sollte dieser Beschluss an [Socitrel] und die [Companhia Previdente] gerichtet werden. [Socitrel] sollte für die unmittelbare Beteiligung am Kartell vom 7.4.1994 bis zum 19.9.2002 haften. Die Companhia Previdente sollte ebenfalls für den genannten Zeitraum gesamtschuldnerisch mit [Socitrel] haften.“ Grundsätze 197 Nach ständiger Rechtsprechung bezeichnet der Begriff „Unternehmen“ jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Hierzu hat der Gerichtshof zum einen klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff „Unternehmen“ eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird, und zum anderen, dass eine solche wirtschaftliche Einheit, wenn sie gegen die Wettbewerbsregeln verstößt, nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen hat (vgl. Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 198 Nach ständiger Rechtsprechung kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den beiden Rechtssubjekten (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 199 Da nämlich in einem solchen Fall die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). Somit ergibt sich die Befugnis der Kommission, den Beschluss, mit dem Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten, nicht erst aus einer Anstiftung zur Zuwiderhandlung im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und schon gar nicht aus einer Beteiligung der Muttergesellschaft an dieser Zuwiderhandlung, sondern aus dem Umstand, dass die betroffenen Gesellschaften ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV darstellen (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 88). 200 Dabei ist klarzustellen, dass sich die Kommission nach dieser Rechtsprechung nicht mit der Feststellung begnügen kann, dass ein Unternehmen einen solchen entscheidenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben konnte, ohne dass zu prüfen wäre, ob dieser Einfluss tatsächlich ausgeübt wurde. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich vielmehr, dass es grundsätzlich der Kommission obliegt, einen solchen bestimmenden Einfluss auf der Grundlage einer Gesamtheit von tatsächlichen Gesichtspunkten, u. a. insbesondere einer eventuellen Weisungsbefugnis eines Unternehmens gegenüber dem anderen, nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C‑196/99 P, Slg, EU:C:2003:529, Rn. 95 bis 99, vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg, EU:C:2005:408, Rn. 118 bis 122, und vom 20. März 2002, HFB u. a. /Kommission, T‑9/99, Slg, EU:T:2002:70, Rn. 527). 201 Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft nehmen kann und zum anderen eine widerlegbare Vermutung besteht, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen solchen Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (im Folgenden: Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses) (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). 202 Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission für die Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausübt, nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft als Gesamtschuldnerin für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße in Anspruch nehmen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 203 Zwar hat der Gerichtshof außer der 100%igen Beteiligung am Kapital der Tochtergesellschaft weitere Umstände genannt, wie das fehlende Bestreiten eines Einflusses der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft und die gemeinsame Vertretung beider Gesellschaften im Verwaltungsverfahren (Urteil vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg, EU:C:2000:630, Rn. 28 und 29), doch wurden solche Umstände vom Gerichtshof nicht mit dem Ziel angeführt, die Anwendung der Vermutung davon abhängig zu machen, dass zusätzliche Hinweise in Bezug auf die tatsächliche Ausübung eines Einflusses der Muttergesellschaft vorgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg, EU:C:2009:536, Rn. 60 bis 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). Mit anderen Worten muss die Kommission für die Anwendung der Vermutung, dass in einem konkreten Fall tatsächlich ein bestimmender Einfluss ausgeübt worden ist, zusätzlich zu den Nachweisen dafür, dass diese Vermutung anwendbar ist und greift, keine Hinweise vorlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung. 204 Doch befindet sich die Muttergesellschaft, die nahezu das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die zwischen ihr und dieser Tochtergesellschaft bestehen, bezüglich ihrer Möglichkeit der bestimmenden Einflussnahme auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft in einer ähnlichen Lage wie der ausschließliche Anteilseigner. Folglich ist die Kommission berechtigt, bei dieser Sachlage die gleiche Beweisregelung heranzuziehen, d. h. auf die Vermutung zurückzugreifen, dass diese Muttergesellschaft ihre Macht zu einer bestimmenden Einflussnahme auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft tatsächlich gebraucht. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass in bestimmten Fällen den Minderheiten-Aktionären in Bezug auf die Tochtergesellschaft womöglich Rechte zustehen, die es erlauben, die oben genannte Analogie in Frage zu stellen (Urteil vom 30. September 2009, Arkema/Kommission, T‑168/05, EU:T:2009:367, Rn. 53, bestätigt im Rechtsmittelverfahren mit Urteil vom 29. September 2011, Arkema/Kommission, C‑520/09 P, Slg, EU:C:2011:619). 205 Mit der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses soll u. a. ein Gleichgewicht zwischen der Bedeutung des Ziels, Verhaltensweisen, die gegen die Wettbewerbsregeln, insbesondere gegen Art. 101 AEUV, verstoßen, zu unterbinden und ihre Wiederholung zu verhindern, einerseits und den Anforderungen bestimmter allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts wie etwa des Grundsatzes der Unschuldsvermutung, der individuellen Zumessung von Strafen und der Rechtssicherheit sowie der Verteidigungsrechte einschließlich des Grundsatzes der Waffengleichheit andererseits hergestellt werden. Insbesondere aus diesem Grund ist sie widerlegbar (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 59). 206 Außerdem beruht zum einen diese Vermutung auf der Feststellung, dass – von wirklich außergewöhnlichen Umständen abgesehen – eine Gesellschaft, die die Gesamtheit des Kapitals einer Tochtergesellschaft hält, allein aufgrund dieser Beteiligung einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben kann, und zum anderen ist es normalerweise am zweckmäßigsten, in der Sphäre der Einheiten, denen gegenüber diese Vermutung eingreift, zu ermitteln, ob diese Befugnis zur Einflussnahme tatsächlich nicht ausgeübt wurde (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 60). 207 Könnte daher ein Betroffener die genannte Vermutung durch bloße, nicht belegte Behauptungen widerlegen, wäre sie weitgehend nutzlos (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 61). 208 Im Übrigen kann nach ständiger Rechtsprechung der bloße Umstand, dass die Muttergesellschaft eine Holding ist, nicht genügen, um auszuschließen, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaft ausgeübt hat. Denn im Rahmen einer Unternehmensgruppe führt eine Holding, die insbesondere die finanziellen Investitionen innerhalb des Konzerns koordiniert, die Beteiligungen an mehreren Gesellschaften zusammen und soll insbesondere durch die Budgetkontrolle die einheitliche Leitung sicherstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg, EU:T:2008:415, Rn. 63, vom 13. Juli 2011, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑38/07, Slg, EU:T:2011:355, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 29 Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, T‑360/09, Slg, EU:T:2012:332, Rn. 283). 209 Bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten autonom bestimmt, sind also auch sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die von Fall zu Fall variieren und daher nicht abschließend aufgezählt werden können (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 74). 210 Diese Bewertung ist jedoch nicht nur auf die Faktoren zu beschränken, die sich auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft im engen Sinne, wie die Vertriebs- oder Preisstrategie, beziehen. Insbesondere kann die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht allein dadurch widerlegt werden, dass dargetan wird, dass das Tochterunternehmen diese spezifischen Aspekte seiner Geschäftspolitik selbst in der Hand hat, ohne insoweit Weisungen zu erhalten (vgl. Urteil vom 16. Juni 2011, FMC/Kommission, T‑197/06, Slg, EU:T:2011:282, Rn. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass die Autonomie der Tochtergesellschaft im Sinne der genannten Rechtsprechung nicht durch den einfachen Nachweis dargetan werden kann, dass sie spezifische Aspekte ihrer Vertriebspolitik bezüglich der von der Zuwiderhandlung betroffenen Erzeugnisse eigenständig handhabt (Urteil FMC/Kommission, EU:T:2011:282, Rn. 106). 211 Da sich die Autonomie der Tochtergesellschaft nicht nur unter dem Gesichtspunkt der operativen Führung des Unternehmens allein beurteilt, kann auch der Umstand, dass die Tochtergesellschaft zu keinem Zeitpunkt zugunsten der Muttergesellschaft eine spezifische Informationspolitik auf dem fraglichen Markt durchgeführt hat, nicht zum Nachweis ihrer Autonomie ausreichen (Urteil FMC/Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, EU:T:2011:282, Rn. 145). 212 Im Übrigen erbringt, wie bereits entschieden wurde, der Umstand, dass in den Akten nichts belegt, dass die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft Anweisungen gegeben hätte, keinen Beweis dafür, dass solche Anweisungen tatsächlich nicht gegeben worden sind (vgl. Urteil Arkema/Kommission, EU:T:2011:251, oben in Rn. 204 angeführt, Rn. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung). 213 Außerdem ist der Unionsrichter der Ansicht, dass die Vertretung der Muttergesellschaft in den Führungsorganen ihrer Tochtergesellschaft einen sachdienlichen Beweis für eine tatsächliche Kontrolle über deren Geschäftspolitik darstellt (Urteil vom 27. September 2012, Total/Kommission, T‑344/06, EU:T:2012:479, Rn. 73; vgl. auch in diesem Sinne Urteile vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg, EU:T:2007:115, Rn. 137, und FMC/Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, EU:T:2011:282, Rn. 150). 214 Schließlich kann eine Muttergesellschaft auch als für eine von einer Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung verantwortlich angesehen werden, selbst wenn eine Vielzahl operativer Gesellschaften in einem Konzern bestehen (Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Rn. 149 angeführt, EU:T:1999:80, Rn. 989, und vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Slg, EU:T:2012:478, Rn. 52). Zur Begründetheit des ersten Teils des vierten Klagegrundes von Socitrel sowie des ersten und des zweiten Klagegrundes von Companhia Previdente 215 Wie bereits ausgeführt, wurde Socitrel für den Zeitraum vom 7. April 1994 bis zum 19. September 2002 haftbar gemacht, und die gesamtschuldnerische Haftung von Companhia Previdente wurde für denselben Zuwiderhandlungszeitraum angenommen. 216 Zu unterscheiden ist jedoch zum einen der Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998, für den die Kommission im Wesentlichen der Ansicht war, dass sie Beweise für das Vorliegen eines bestimmenden Einflusses von Companhia Previdente auf Socitrel habe, und zum anderen der Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002, für den sie der Ansicht war, dass im Hinblick auf die Bedeutung der Beteiligung von Companhia Previdente am Kapital ihrer Tochtergesellschaft Socitrel die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses eingreifen könne. 217 Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, erstens könne Companhia Previdente nicht als haftbar angesehen werden, da die Zuwiderhandlung nur von Socitrel begangen worden sei und kein Beweis dafür vorliege, dass die Muttergesellschaft beteiligt gewesen sei oder auch nur Kenntnis von der Zuwiderhandlung gehabt habe, zweitens, dass die Kommission die Vermutung für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht anwenden dürfe, da Companhia Previdente nie über einen Anteil von 100 % am Kapital ihrer Tochtergesellschaft verfügt habe, drittens, dass sie jedenfalls Beweise vorlegten, die diese Vermutung widerlegten, und schließlich viertens, dass die Kommission sich für den Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 darauf beschränkt habe, auf „zahlreiche und enge personelle Verflechtungen“ zwischen Companhia Previdente und Socitrel zu verweisen sowie darauf, dass bestimmte Führungskräfte, die beiden Unternehmen angehörten, über das Kartell auf dem Laufenden gewesen seien, ohne jedoch die Argumente zu berücksichtigen, die von diesen zum Nachweis des fehlenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft vorgetragen worden seien. 218 Keinem dieser Argumente kann jedoch gefolgt werden. 219 Geprüft werden nacheinander die Haftung von Companhia Previdente wegen des rechtswidrigen Verhaltens ihrer Tochtergesellschaft, die Beweise für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses von Companhia Previdente auf Socitrel im Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998, die Frage, ob die Kommission die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses im Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002 anwenden konnte, und schließlich die verschiedenen Argumente der Klägerinnen sowohl zum Nachweis des Fehlens der Ausübung eines solchen Einflusses im Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 als auch zur Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines solchen Einflusses im späteren Zeitraum. – Zur Haftung von Companhia Previdente wegen des rechtswidrigen Verhaltens ihrer Tochtergesellschaft 220 Hinsichtlich der angeblich fehlenden Haftung von Companhia Previdente für die Zuwiderhandlung, die nur Socitrel zurechenbar sei, ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger, bereits oben in Rn. 199 erwähnter Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht erforderlich ist, die persönliche Beteiligung der Muttergesellschaft an der Zuwiderhandlung festzustellen, um einen Beschluss, mit dem eine Geldbuße wegen der Begehung der genannten Zuwiderhandlung gegen sie festgesetzt wird, an sie zu richten. 221 Das Vorbringen der Klägerinnen, die Zuwiderhandlung könne Companhia Previdente nicht zugerechnet werden, da sie selbst nicht Urheberin der Zuwiderhandlung sei, kann somit keinen Erfolg haben, so dass diese Rüge zurückzuweisen ist. – Zum Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 und zu den Beweisen für die Ausübung eines entscheidenden Einflusses von Companhia Previdente auf Socitrel 222 Die Kommission hat in dem angefochtenen Beschluss nach einem Hinweis auf die Beteiligung der Muttergesellschaft am Kapital ihrer Tochtergesellschaft darauf verwiesen, dass „zahlreiche und enge personelle Verflechtungen“ zwischen Companhia Previdente und Socitrel bestanden hätten und dass bestimmte gemeinsame Führungskräfte der beiden Gesellschaften über das Kartell auf dem Laufenden gewesen seien. Sie hat daraus den Schluss gezogen, dass Companhia Previdente einen bestimmenden Einfluss auf Socitrel ausgeübt habe. 223 Die Stichhaltigkeit jedes dieser Beweise ist zu prüfen. 224 Hinsichtlich der Bedeutung der Beteiligung von Companhia Previdente am Kapital von Socitrel ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Kommission vorgetragen hat, dass nach portugiesischem Gesellschaftsrecht ein Aktionär, der – wie Companhia Previdente, die eine unmittelbare Beteiligung von 21,2 % am Kapital von Socitrel und von 70 % am Kapital der Preside SGPS besaß, die wiederum 70,6 % des Kapitals von Socitrel hielt – mehr als zwei Drittel der Stimmrechte einer Aktiengesellschaft halte, diese grundsätzlich vollständig kontrolliere, da er alle Beschlüsse billigen könne, insbesondere diejenigen, die die Benennung des Verwaltungsorgans beträfen, unabhängig von seiner Struktur. Sie hat zum anderen klargestellt, dass eine solche Situation nur vermieden werden könnte, wenn einige Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder bestimmte, durch Aktionärsvereinbarungen eingeführte Regeln etwas anderes vorsähen, um die Möglichkeit vorzusehen, für bestimmte strategische Entscheidungen Sperrminoritäten zu bilden. Nach ihrer Ansicht hat Socitrel weder dargetan noch auch nur behauptet, dass es eine derartige Bestimmung gebe. 225 Die Klägerinnen, die in der mündlichen Verhandlung hierzu befragt wurden, haben dies nicht bestritten. 226 Es ist daher festzustellen, dass Companhia Previdente in dem betreffenden Zeitraum eine besonders erhebliche Beteiligung am Kapital ihrer Tochtergesellschaft besaß, die ihr erlaubte, alle ihre internen Beschlüsse zu kontrollieren. 227 Was die gemeinsamen Führungskräfte betrifft, ist das von Socitrel am 29. Juni 2006 (S. 19662 bis 19664 der Verwaltungsakte) an die Kommission gerichtete Dokument zu beachten, aus dem sich ergibt, dass Socitrel und Companhia Previdente zwei gemeinsame Führungskräfte hatten, und zwar in den Jahren 1995 (Herr A. C. und Herr P. B.), 1996 (Herr L. D. und Herr P. B.) und 1997 (Herr L. D. und Herr P. B.), sowie drei gemeinsame Führungskräfte im Jahr 1998 (Herr A. S., Herr L. D. und Herr L. F.). 228 Wie bereits ausgeführt, ist nach der oben in Rn. 213 angeführten Rechtsprechung die Vertretung der Muttergesellschaft in den Führungsorganen ihrer Tochtergesellschaft ein sachdienlicher Beweis für eine tatsächliche Kontrolle über deren Geschäftspolitik. 229 Es ist auch zu betonen, dass Herr P. B. in der Zeit vom 26. August 1993 bis zum 14. Mai 1998 an den Kartelltreffen teilnahm. Herr L. F. nahm an den Kartelltreffen in der Zeit vom 8. September 1998 bis zum 30. Juli 2002 teil. Schließlich nahm Herr A. S, der die beiden Gesellschaften vom 18. September 1998 bis Ende 2002 leitete, an den Kartelltreffen zwischen 10. Dezember 1998 und 22. Mai 2001 teil. Dieser Sachverhalt wird von den Klägerinnen nicht bestritten. 230 Diese Mitglieder des Verwaltungsrats der Muttergesellschaft waren somit gebührend über das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft informiert, da sie daran selbst beteiligt waren. – Zum Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002 und zur Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf ihre Tochtergesellschaft 231 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen eingeräumt, dass unter Berücksichtigung der oben in Rn. 204 genannten Rechtsprechung des Gerichtshofs, die nach der Einreichung ihrer Klage gegen den ursprünglichen Beschluss erging, die Kommission berechtigt gewesen war, sich auf die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses von Companhia Previdente auf Socitrel zu berufen, obwohl die Beteiligung der Muttergesellschaft am Kapital ihrer Tochtergesellschaft unter 100 % lag. 232 Sie wiesen darauf hin, dass sie zwar auf ihr Vorbringen zu diesem Punkt verzichteten, daran jedoch festhielten, um die genannte Vermutung zu widerlegen. – Zum Vorbringen der Klägerinnen, mit dem sowohl nachgewiesen werden soll, dass es im Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 keinen bestimmenden Einfluss gegeben habe, als auch die Vermutung widerlegt werden soll, dass betreffend den Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002 tatsächlich ein bestimmender Einfluss ausgeübt wurde. 233 Die Klägerinnen sind im Wesentlichen der Ansicht, dass trotz der Bedeutung der Beteiligung von Companhia Previdente am Kapital ihrer Tochtergesellschaft und der Existenz gemeinsamer Führungskräfte im ersten Zeitraum einerseits und der noch größeren Bedeutung der Beteiligung von Companhia Previdente am Kapital ihrer Tochtergesellschaft im zweiten Zeitraum andererseits, die die Anwendung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses rechtfertige, es verschiedene Anhaltspunkte gebe, die das Fehlen der Ausübung eines bestimmenden Einflusses von Companhia Previdente auf Socitrel bestätigten. 234 Zunächst ist von vornherein die erste Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen, mit der beanstandet wird, dass eine Vermutung, die allein darauf gestützt werde, dass das Kapital der Tochtergesellschaft gehalten werde, eine probatio diabolica für die Muttergesellschaft sei, die diese Vermutung widerlegen wolle, was insoweit einen Verstoß gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Unschuldsvermutung darstelle. 235 Mit der Vermutung eines bestimmenden Einflusses auf die Tochtergesellschaft, die vollständig oder fast vollständig im Eigentum ihrer Muttergesellschaft steht, soll nämlich dem Gerichtshof zufolge ein Gleichgewicht hergestellt werden zwischen der Bedeutung des Ziels, Verhaltensweisen, die gegen die Wettbewerbsregeln und insbesondere gegen Art. 101 AEUV verstoßen, zu unterbinden und ihre Wiederholung zu verhindern, und den Anforderungen bestimmter allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts wie etwa der Grundsätze der Unschuldsvermutung, der individuellen Zumessung von Strafen und der Rechtssicherheit sowie der Verteidigungsrechte, einschließlich des Grundsatzes der Waffengleichheit. Insbesondere deshalb ist die Vermutung widerlegbar (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 59). 236 Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass sich eine Vermutung – selbst wenn sie schwer zu widerlegen ist – innerhalb akzeptabler Grenzen hält, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel angemessen ist, die Möglichkeit besteht, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, und die Verteidigungsrechte gewahrt sind (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). 237 Zu diesem Zweck sind ausreichende Beweise dafür zu erbringen, dass die Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig aufgetreten ist (vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerin kann jedoch die genannte Vermutung nicht durch bloße, nicht belegte Behauptungen widerlegen (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 61). 238 Bei der Prüfung der Frage, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten autonom bestimmt, sind sämtliche im Zusammenhang mit ihren wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen zur Muttergesellschaft relevanten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, EU:C:2009:536, Rn. 74). 239 Keines der Argumente der Klägerinnen widerlegt aber die These der Kommission, nach der Companhia Previdente im Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 einen bestimmenden Einfluss auf Socitrel ausgeübt hat oder dass in Anbetracht des Umfangs ihrer Beteiligung am Kapital von Socitrel die tatsächliche Ausübung dieses Einflusses für den Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002 vermutet werden kann. 240 Erstens genügt die Tatsache, dass Companhia Previdente eine Holding ist, selbst wenn sie nicht operativ tätig ist, nicht, um die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteile Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 208 angeführt, EU:T:2008:415, Rn. 63, Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 208 angeführt, EU:T:2011:355, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, oben in Rn. 208 angeführt, EU:T:2012:332, Rn. 283), und führt zu keiner Umkehr der Beweislast, wie Socitrel fälschlicherweise vorträgt. 241 Insoweit genügt der Umstand, dass die Muttergesellschaft sich darauf beschränkt hat, ihre Beteiligungen zu verwalten, in Anbetracht ihrer Gesellschaftsnatur und ihres satzungsmäßigen Zwecks für sich allein nicht, um die These der Kommission in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 208 angeführt, EU:T:2008:415, Rn. 70, und FMC/Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, EU:T:2011:282, Rn. 130). 242 Hieraus ergibt sich auch, dass der Umstand, dass Companhia Previdente und Socitrel Gesellschaften mit unterschiedlicher Rechtspersönlichkeit waren und unterschiedlichen Aktienbesitz und verschiedene Gesellschaftssitze hatten, sich nicht auswirkt, da sie in jedem Fall ein und dasselbe Unternehmen bildeten (vgl. in diesem Sinne Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 243 Völlig unerheblich ist das Vorbringen der Klägerinnen, dem zufolge nach portugiesischem Recht die Verwalter von Companhia Previdente diese nicht vertraten, wenn sie einen Sitz im Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft wahrnahmen. Eine Gesellschaft kann sich nämlich nicht auf das nationale Recht berufen, um sich den Unionsvorschriften zu entziehen, da die im Unionsrecht verwendeten Begriffe grundsätzlich in der gesamten Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden müssen (Urteile vom 1. Februar 1972, Hagen, 49/71, Slg, EU:C:1972:6, Rn. 6, und vom 27. September 2012, Heijmans/Kommission, T‑360/06, EU:T:2012:490, Rn. 70). 244 Zweitens ist es für die Zurechnung der Zuwiderhandlung von Socitrel an ihre Muttergesellschaft nicht erforderlich, dass nachgewiesen wird, dass die Muttergesellschaft die Politik ihrer Tochtergesellschaft in dem spezifischen Bereich, der Gegenstand der Zuwiderhandlung war, beeinflusst hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 208 angeführt, EU:T:2011:355, Rn. 70). 245 Daraus folgt, dass der Umstand, dass die Muttergesellschaft nicht selbst im Bereich Spannstahl tätig war, auch nicht ausreicht, um die Vermutung für die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen, was dazu führt, dass das Vorbringen der Klägerinnen zu diesem Punkt zurückzuweisen ist. 246 Drittens hat der Umstand, dass Companhia Previdente Beteiligungen an vielen anderen Gesellschaften hatte, die in anderen Bereichen als demjenigen, der von dem Kartell betroffen war, tätig waren, nach ständiger Rechtsprechung keinerlei Auswirkung (vgl. in diesem Sinne Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Rn. 149 angeführt, EU:T:1999:80, Rn. 989, und Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 214 angeführt, EU:T:2012:478, Rn. 52). 247 Viertens ist auch das Vorbringen von Socitrel, wonach sie in Bezug auf ihre Geschäftsstrategie völlig eigenständig gewesen sei, zurückzuweisen. 248 Zum einen kann nämlich die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses nicht allein dadurch widerlegt werden, dass der Nachweis geführt wird, dass Socitrel ihre Geschäftspolitik im engeren Sinne, wie die Liefer- oder Preisstrategie, geführt hat, ohne Weisungen von Companhia Previdente in dieser Hinsicht zu erhalten. Da sich die Eigenständigkeit von Socitrel nicht allein nach Aspekten der operativen Führung des Unternehmens bemisst, kann der Umstand, dass die Tochtergesellschaft zugunsten ihrer Muttergesellschaft niemals eine spezifische Informationspolitik auf dem betreffenden Markt durchgeführt hat, ihre Eigenständigkeit nicht beweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil FMC/Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, EU:T:2011:282, Rn. 105 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung). 249 Zum anderen beschränkt sich Socitrel darauf, Argumente vorzutragen, erbringt indessen nicht den Nachweis, dass sie tatsächlich zutreffen. Bloße Behauptungen können jedoch nicht ausreichen, die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 197 angeführt, EU:C:2011:620, Rn. 61). 250 Fünftens kann die Eigenständigkeit, über die Socitrel angeblich wegen des historischen Kontexts verfügt hat, in dem Companhia Previdente diese Gesellschaft erwarb, die zuvor ein staatliches Unternehmen gewesen sei, nicht allein aus diesem Umstand abgeleitet werden, noch daraus, dass das zuvor bestehende Verwaltungsorgan die Leitung des Unternehmens nach dessen Aufkauf beibehalten hat. 251 Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen. 252 Sechstens bedarf es, um einem Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 101 AEUV zurechnen zu können, nach ständiger Rechtsprechung keiner Handlung und nicht einmal einer Kenntnis der Inhaber oder Geschäftsführer des betreffenden Unternehmens von der Zuwiderhandlung, sondern es genügt die Handlung einer Person, die berechtigt ist, für Rechnung des Unternehmens tätig zu werden (Urteile vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg, EU:C:1983:158, Rn. 97, und vom 20. März 2002, Brugg Rohrsysteme/Kommission, T‑15/99, Slg, EU:T:2002:71, Rn. 58). 253 Dass Companhia Previdente keine Kenntnis vom rechtswidrigen Verhalten ihrer Tochtergesellschaft hatte, sofern es erwiesen wäre, quod non, würde sich jedenfalls auf die Möglichkeit, ihre gesamtschuldnerische Haftung für deren Verhalten zu bejahen, nicht auswirken. 254 Somit ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass Companhia Previdente keinen bestimmenden Einfluss auf Socitrel ausgeübt hat und dass diese sich völlig eigenständig auf dem Markt verhalten hat. 255 Die Kommission hat somit die gesamtschuldnerische Haftung von Companhia Previdente sowohl für den Zeitraum 7. April 1994 bis 29. Dezember 1998 als auch für den Zeitraum 30. Dezember 1998 bis 19. September 2002 zutreffend bejaht. 256 Deshalb sind sowohl der erste Teil des vierten Klagegrundes von Socitrel als auch die ersten beiden Klagegründe von Companhia Previdente zurückzuweisen. Zum zweiten und zum dritten Teil des vierten Klagegrundes von Socitrel sowie zum ersten und zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes von Companhia Previdente, die hilfsweise geltend gemacht werden und mit denen zum einen die fälschliche Berücksichtigung des Umsatzes von Emesa, Galycas und ITC bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % sowie zum anderen die fälschliche Berücksichtigung des Umsatzes des Jahrs 2009 von Companhia Previdente gerügt wird Angefochtener Beschluss 257 Für die Berechnung der in Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % hat die Kommission nach Zurückweisung der Behauptungen der Klägerinnen den Umsatz des aus Companhia Previdente und all ihren Tochtergesellschaften bestehenden Konzerns im Jahr 2009, einschließlich Emesa, Galycas und ITC, die von Companhia Previdente in den Jahren 2004 und 2005 erworben worden waren, berücksichtigt (Rn. 1059, 1061, 1062, und 1063 bis 1069 des angefochtenen Beschlusses). Grundsätze 258 Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimmt, dass „ die Geldbuße für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung … 10 % seines bzw. ihres im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen [darf]“. 259 Die Obergrenze von 10 % des Umsatzes im Sinne dieser Bestimmung muss auf der Grundlage des kumulierten Umsatzes aller Gesellschaften berechnet werden, die die wirtschaftliche Einheit bilden, die als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV handelt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2013, Groupe Gascogne/Kommission, C‑58/12 P, EU:C:2013:770, Rn. 56, und HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 200 angeführt, EU:T:2002:70, Rn. 528). 260 Durch diese Obergrenze der Geldbuße soll die Verhängung von Geldbußen verhindert werden, die die Unternehmen aufgrund ihrer Größe, wie sie, wenn auch nur annähernd und unvollständig, anhand ihres Gesamtumsatzes ermittelt wird, voraussichtlich nicht werden zahlen können. Es handelt sich somit um eine Grenze, die einheitlich für alle Unternehmen gilt, von deren jeweiliger Größe abhängt und überhöhte und unverhältnismäßige Geldbußen verhindern soll (vgl. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, oben in Rn. 259 angeführt, EU:C:2013:770, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 261 Diese Zielsetzung ist jedoch im Zusammenhang mit der Notwendigkeit zu sehen, eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, die die Berücksichtigung der Größe und der Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens rechtfertigt, d. h. der Gesamtressourcen des Urhebers der Zuwiderhandlung (vgl. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, oben in Rn. 259 angeführt, EU:C:2013:770, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). 262 Es ist nämlich die angestrebte Wirkung auf das betreffende Unternehmen, die es rechtfertigt, dass die Größe und die Gesamtressourcen dieses Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf seine Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (vgl. Urteil Groupe Gascogne/Kommission, oben in Rn. 259 angeführt, EU:C:2013:770, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). 263 Unter diesen Umständen erscheint es berechtigt, bei der Bewertung der finanziellen Ressourcen eines Unternehmens, dem eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union zugerechnet wird, den Umsatz aller Gesellschaften zu berücksichtigen, auf die das betreffende Unternehmen einen bestimmenden Einfluss ausüben kann (Urteil Groupe Gascogne/Kommission, oben in Rn. 259 angeführt, EU:C:2013:770, Rn. 51). 264 Wurde dagegen die wirtschaftliche Einheit, die das Unternehmen bildet, zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Zuwiderhandlung endete, und dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss, mit dem die Geldbuße verhängt wird, erlassen wurde, beendet, hat jeder Adressat des Beschlusses das Recht, dass die fragliche Obergrenze individuell auf ihn angewandt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, Slg, EU:T:2005:220, Rn. 390). 265 Was im Übrigen die Bestimmung des „vorausgegangenen Geschäftsjahrs“ im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass in den Fällen in denen es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit eingestellt oder seinen Umsatz verfälscht hat, um sich einer schweren Geldbuße zu entziehen, die Kommission die Höchstgrenze der Geldbuße nach dem letzten Umsatz festsetzen muss, den das Unternehmen in einem abgeschlossenen wirtschaftlichen Zeitraum erzielt hat (Urteil vom 29. November 2005, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, T‑33/02, Slg, EU:T:2005:428, Rn. 49). 266 Das Gericht hat auch entschieden, dass es nicht im Belieben der Kommission steht, die Grenze von 10 % auf frühere Geschäftsjahre als das letzte Jahr vor dem Erlass der Entscheidung zu beziehen. Die Kommission kann ein früheres Geschäftsjahr nur in Ausnahmefällen zugrunde legen, z. B. wenn das betreffende Unternehmen in dem dem Erlass der Entscheidung der Kommission vorausgehenden Geschäftsjahr keinen Umsatz erzielt hat. Zudem verfügt sie selbst in einem solchen Fall nicht über ein weites Ermessen bei der Entscheidung, welches Geschäftsjahr für die Festsetzung der Höchstgrenze der Geldbuße zu berücksichtigen ist. Sie ist nämlich verpflichtet, das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr zugrunde zu legen, das einem abgeschlossenen Jahr normaler wirtschaftlicher Tätigkeit entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteil Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, oben in Rn. 265 angeführt, EU:T:2005:428, Rn. 39 bis 42 und 74). 267 So ergibt sich zwar aus der Rechtsprechung, dass die Kommission für die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Berechnung der Höchstgrenze der Geldbuße grundsätzlich den Umsatz berücksichtigen muss, den das betroffene Unternehmen in dem letzten, bei Erlass der angefochtenen Entscheidung abgeschlossenen Geschäftsjahr erzielt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg, EU:C:2007:326, Rn. 32), doch folgt aus dem Kontext und den Zielen, die die Regelung verfolgt, zu der die genannte Vorschrift gehört, dass, wenn der Umsatz des Geschäftsjahrs, das dem Erlass der Entscheidung der Kommission vorausgeht, kein abgeschlossenes Geschäftsjahr mit normaler wirtschaftlicher Tätigkeit in einem Zeitraum von zwölf Monaten darstellt und somit keinen zweckmäßigen Hinweis zur tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des betreffenden Unternehmens und der angemessenen Höhe der gegen es zu verhängenden Geldbuße gibt, dieser Umsatz nicht berücksichtigt werden kann, um die Obergrenze der Geldbuße zu bestimmen. In diesem Fall, der nur unter außergewöhnlichen Umständen vorliegen wird, ist die Kommission verpflichtet, bei der Berechnung der Obergrenze der Geldbuße auf das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr abzustellen, das einem abgeschlossenen Jahr normaler wirtschaftlicher Tätigkeit entspricht (Urteil vom 12. Dezember 2012, 1. garantovaná/Kommission, T‑392/09, EU:T:2012:674, Rn. 86, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil vom 15. Mai 2014, 1. garantovaná/Kommission, C‑90/13 P, EU:C:2014:326). 268 In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die Bezugnahme auf ein „abgeschlossenes Jahr normaler wirtschaftlicher Tätigkeit“ in der Rechtsprechung die Heranziehung eines Geschäftsjahrs ausschließen soll, in dem das betreffende Unternehmen dabei war, seine Tätigkeiten zu beenden, auch wenn noch nicht alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eingestellt wurden, und allgemeiner eines Geschäftsjahrs, in dem das Verhalten des betreffenden Unternehmens auf dem Markt nicht dem Verhalten eines Unternehmens entsprach, das eine wirtschaftliche Tätigkeit in üblicher Form ausübt. Hingegen bedeutet der bloße Umstand, dass der erzielte Umsatz oder Gewinn in einem bestimmten Geschäftsjahr deutlich niedriger oder höher war als in vorausgegangenen Geschäftsjahren, nicht, dass das in Rede stehende Geschäftsjahr kein abgeschlossenes Jahr normaler wirtschaftlicher Tätigkeit darstellt (Urteil vom 12. Dezember 2012, Almamet/Kommission, T‑410/09, EU:T:2012:676, Rn. 253). Würdigung durch das Gericht 269 Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, die Kommission habe zu Unrecht zum einen bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % den Umsatz von Emesa, Galycas und ITC und zum anderen insoweit den Umsatz des Jahres 2009 von Companhia Previdente berücksichtigt. 270 Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. 271 Zum einen musste die Kommission hinsichtlich des für die Anwendung der Obergrenze von 10 % zu berücksichtigenden Geschäftsjahrs gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 für Companhia Previdente auf den Gesamtumsatz des Jahres 2009 Bezug nehmen, ohne dass etwaige Schwankungen dieses Umsatzes nach oben oder unten im Verhältnis zum Zeitpunkt der Beendigung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind, da Companhia Previdente sich nämlich nicht in einer Ausnahmesituation befindet, die erlaubt, von dieser Regel im Sinne der Rechtsprechung des Gerichts und des Gerichtshofs in der Rechtssache Britannia Alloys & Chemicals/Kommission abzuweichen (siehe oben, Rn. 266). 272 Das Vorbringen der Klägerinnen zu diesem Punkt ebenso wie das zur Dauer des Verwaltungsverfahrens ist infolgedessen zurückzuweisen. 273 Zum anderen musste die Kommission die Obergrenze von 10 % des Umsatzes im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 auf der Grundlage der kumulierten Umsätze aller Gesellschaften, die die wirtschaftliche Einheit bilden, die als Unternehmen handelt, nach der oben in Rn. 263 genannten Rechtsprechung berechnen. 274 Folglich musste sie dafür die Umsätze von Emesa, Galycas und ITC, berücksichtigen, die 2009 zum Companhia-Previdente--Konzern gehörte, und die gegen die Klägerinnen verhängte Geldbuße ist aus diesem Grund nicht unverhältnismäßig. 275 Im Übrigen ist festzustellen, wie die Kommission betont, dass Companhia Previdente nur für das Verhalten von Socitrel haftbar gemacht wurde, die zum Zeitpunkt, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, eine Tochtergesellschaft von Companhia Previdente war, und nicht für die gegen Emesa, Galycas und ITC verhängten Geldbußen, die damals nicht zu Companhia Previdente gehörten. 276 Somit sind der zweite und der dritte Teil des vierten Klagegrundes von Socitrel sowie der erste und der zweite Teil des dritten Klagegrundes von Companhia Previdente zurückzuweisen. 5. Zum fünften Klagegrund von Socitrel: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes bei der Anwendung der Ziff. 13 und 22 der Leitlinien von 2006 sowie Begründungsmangel Grundsätze 277 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen die Dauer der Zuwiderhandlung sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Rolle spielen (vgl. Urteile vom 11. Juli 2013, Gosselin Group/Kommission, C‑429/11 P, EU:C:2013:463, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Team Relocations u. a./Kommission, C‑444/11 P, EU:C:2013:464, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung). 278 Insoweit ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (vgl. Urteile Gosselin Group/Kommission, oben in Rn. 277 angeführt, EU:C:2013:463, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Team Relocations u. a./Kommission, oben in Rn. 277 angeführt, EU:C:2013:464, Rn. 99 und die dort angeführte Rechtsprechung). 279 Zu den Faktoren, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen berücksichtigt werden können, gehören das Verhalten jedes einzelnen Unternehmens, die Rolle, die es bei der Errichtung des Kartells gespielt hat, der Gewinn, den die Unternehmen aus ihm ziehen konnten, ihre Größe und der Wert der betroffenen Waren sowie die Gefahr, die derartige Zuwiderhandlungen für die Ziele der Union darstellen (vgl. Urteile vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, C‑554/08 P, EU:C:2009:702, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, Gosselin Group/Kommission, oben in Rn. 277 angeführt, EU:C:2013:463, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Team Relocations u. a./Kommission, oben in Rn. 277 angeführt, EU:C:2013:464, Rn. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung). 280 Der ständigen Rechtsprechung ist auch zu entnehmen, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt hat oder dass es bei den Aspekten, an denen es beteiligt war, eine untergeordnete Rolle gespielt hat, für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant ist. Wenn nun auch die gegebenenfalls eingeschränkte Bedeutung der Teilnahme des betreffenden Unternehmens somit nicht die persönliche Haftung für die Zuwiderhandlung insgesamt in Frage stellen kann, so kann sie dennoch Einfluss auf die Beurteilung ihres Umfangs und ihrer Schwere und folglich auf die Höhe der Sanktion haben (vgl. in diesem Sinne, Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg, EU:C:1999:356, Rn. 90, vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg, EU:C:2004:6, Rn. 86, sowie Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 200 angeführt, EU:C:2005:408, Rn. 145). 281 So ist entschieden worden, dass die Kommission verpflichtet ist, bei der Beurteilung der relativen Schwere der Kartellbeteiligung jedes der Zuwiderhandelnden die Tatsache zu berücksichtigen, dass bestimmte Zuwiderhandelnde gegebenenfalls nicht für sämtliche Teile dieses Kartells im Sinne des Urteils Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 280 angeführt (EU:C:1999:356, Rn. 87), verantwortlich gemacht wurden (Urteil vom 19. Mai 2010, Chalkor/Kommission, T‑21/05, Slg, EU:T:2010:205, Rn. 100). 282 In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, dass er verlangt, dass die Rechtsakte der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist. Bei der Festsetzung von Geldbußen ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand von zahlreichen Gesichtspunkten zu ermitteln, von denen keinem gegenüber den anderen Beurteilungsgesichtspunkten unverhältnismäßiges Gewicht beizumessen ist. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt in diesem Zusammenhang, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Faktoren festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Faktoren dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (vgl. Urteile vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg, EU:T:2006:270, Rn. 226 bis 228 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 28. April 2010, Gütermann und Zwicky/Kommission, T‑456/05 und T‑457/05, Slg, EU:T:2010:168, Rn. 264 und die dort angeführte Rechtsprechung). 283 Schließlich verlangt nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld, C‑303/05, Slg, EU:C:2007:261, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu Begründetheit des fünften Klagegrundes 284 Zunächst macht Socitrel geltend, dadurch, dass ihr ein Satz von 18 % für die Schwere – und ein auf denselben Prozentsatz gestützter Zusatzbetrag zur Abschreckung – zugewiesen worden sei, habe sie eine fast identische Behandlung wie Emesa und Tycsa erfahren, denen ein Satz von 19 %, zugewiesen worden sei, obwohl die von ihr begangene Zuwiderhandlung deutlich weniger schwerwiegend sei als die Zuwiderhandlung dieser beiden anderen Unternehmen. 285 Sodann trägt sie im Wesentlichen vor, die Kommission habe bei der Festlegung des Schweregrades einige sie betreffende Faktoren nicht berücksichtigt, u. a. die Tatsache, dass sie ein kleines familiäres Unternehmen sei, dass sie zum ersten Mal an einem Kartell teilgenommen habe, dass ihre Teilnahme nur inzident gewesen sei und dass sie wegen ihrer geringen rechtlichen und wirtschaftlichen Kenntnisse aufgrund ihrer geringen Größe mehr Schwierigkeiten gehabt habe, die Folgen ihres Tuns einzuschätzen. 286 Schließlich ist sie der Ansicht, dass der Beschluss mit einem Begründungsmangel behaftet sei, da sie die Gründe nicht verstehen könne, die bei der Festlegung des Schweregrades und des Zusatzbetrags ausschlaggebend gewesen seien. 287 Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. 288 Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in dem angefochtenen Beschluss zur Bestimmung des Schweregrades (Rn. 953) drei Kategorien gebildet hat und sich dabei auf die Art der Zuwiderhandlung (Rn. 939 bis 945), den gemeinsamen Marktanteil (Rn. 946) und den räumlichen Umfang des Kartells (Rn. 947 bis 949) gestützt hat: — eine Kategorie von 16 %, die nur Fundia betrifft und die dadurch gerechtfertigt ist, dass dieses Unternehmen nur an der „Abstimmung“ in Bezug auf Addtek teilgenommen hat (Rn. 939); — eine Kategorie von 18 %, die auf der Grundlage von zwei Kriterien gerechtfertigt war: die Beteiligung ausschließlich am Club España und die späte Kenntnis von der paneuropäischen Dimension des Kartells; Socitrel fällt in diese Kategorie (Rn. 949); — eine Kategorie von 19 %, in der sich alle anderen Unternehmen befinden, die an dem Kartell beteiligt waren (Rn. 953). 289 Es ist festzustellen, dass Emesa und Tycsa aktiv am Club Zürich (seit 1992 die eine und seit 1993 die andere) und am Club Europa teilgenommen hatten, während Socitrel an keinem der Clubs beteiligt war, was von der Kommission berücksichtigt worden ist. 290 Zwar ist der Abstand zwischen den Prozentsätzen der jeweiligen Kategorien, in die Emesa und Tycsa zum einen und Socitrel zum anderen fallen, gering, aber es ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Ziff. 21 der Leitlinien von 2006 grundsätzlich ein Betrag von bis zu 30 % des Umsatzes festgesetzt werden kann und dass nach Ziff. 23 dieser Leitlinien horizontale Vereinbarungen zur Festsetzung von Preisen, Aufteilung der Märkte und Einschränkung der Erzeugung, die üblicherweise geheim sind, ihrer Art nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gehören und unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten streng geahndet werden müssen. Für solche Zuwiderhandlungen ist daher grundsätzlich ein Betrag am oberen Ende dieser Bandbreite anzusetzen. 291 Jedoch ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall in Anbetracht der Art der Zuwiderhandlung, auf die in Rn. 939 des angefochtenen Beschlusses hingewiesen wurde (Marktaufteilungen [Quotenaufteilungen], Kundenaufteilungen und horizontale Preisabsprachen), der Schweregrad, den die Kommission auf die Kategorie angewandt hat, die die Zuwiderhandlung begangen hat, am unteren Ende der Bandbreite (von 15 bis 30 %) angesiedelt ist, was dazu führt, dass der Abstand zu einer anderen Kategorie, die selbst auch eine Zuwiderhandlung begangen hat, für die horizontale Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Produktionsbeschränkungen kennzeichnend sind, herabgesetzt wird. 292 Im Übrigen ist auch festzustellen, dass die Unterscheidung, die die Kommission zwischen der Kategorie, zu der zum einen u. a. Emesa und Tycsa gehören, und derjenigen, zu der zum anderen Socitrel, Fapricela und Proderac gehören, auf objektive Elemente gestützt ist. 293 Socitrel kann sich somit nicht allein auf der Grundlage dieses verringerten Unterschieds zwischen den beiden von der Kommission angewandten Schweregraden auf eine Ungleichbehandlung berufen. 294 Socitrel trägt zweitens vor, ihre Teilnahme sei auf die iberische Halbinsel beschränkt gewesen. 295 Die Kommission hat diesen Punkt angemessen berücksichtigt, indem sie bei den Umsätzen nur die Umsätze berücksichtigt hat, die Socitrel auf der iberischen Halbinsel durchgeführt hat (Rn. 949 des angefochtenen Beschlusses). 296 Drittens macht Socitrel geltend, dass ihre untergeordnet Rolle nicht berücksichtigt worden sei. Sie habe nur eine Rolle am Rande gespielt und sei im Gegensatz zu anderen Unternehmen, wie Tycsa und Emesa, keine treibende Kraft gewesen. 297 Es ist darauf hinzuweisen, dass die untergeordnete Rolle, die ein Unternehmen in einem Kartell gegebenenfalls spielt, einen mildernden Umstand darstellt, der gesondert von der objektiven Schwere der Zuwiderhandlung als solcher beurteilt wird. 298 Folglich ist das Vorbringen von Socitrel zu diesem Punkt zurückzuweisen und im Übrigen auf das spezifische Vorbringen von Socitrel dazu im Rahmen des sechsten Klagegrundes zu verweisen. 299 Viertens ist zu dem Vorbringen von Socitrel, sie sei eine kleine Gesellschaft und gehöre zu einem Familienkonzern, festzustellen, dass sich der Umsatz, den die Kommission in dem angefochtenen Beschluss berücksichtigt hat, um den Grundbetrag der Geldbuße zu bestimmen (siehe oben, Rn. 20), auf den Umsatz von APC von Socitrel im Jahr 2001 stützt. 300 Somit wird die Größe von Socitrel auf dem Markt, nimmt man an, sie sei bescheiden, in der Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße widergespiegelt durch die Berücksichtigung des ihr eigenen Umsatzes. 301 Was die Auswirkung ihrer bescheidenen Größe und ihrer Zugehörigkeit zu einem Familienkonzern auf ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Kenntnisse betrifft, die, wie Socitrel ausführt, verhindert hätten, dass sie das genaue Ausmaß der Zuwiderhandlung, an der sie beteiligt gewesen sei, erkenne, ist darauf hinzuweisen, dass Socitrel Teil des Unternehmens Companhia Previdente ist, das 27 Tochtergesellschaften umfasst, die in verschiedenen Wirtschaftssektoren tätig sind (siehe Rn. 129 und 130 der Klageschrift). 302 Es handelt sich folglich um einen Wirtschaftskonzern mit einer breiten Diversifizierung, dessen konsolidierter weltweiter Umsatz sich im Jahr 2009 auf 125904527 Euro belief. 303 Die Verwaltung einer solchen Struktur – die überdies, was Socitrel und Companhia Previdente betrifft, sowohl zwischen 1994 und 1998 als auch zwischen 1998 und 2002 von gemeinsamen Führungskräften durchgeführt wurde (siehe das von Socitrel am 29. Juni 2006 an die Kommission gerichtete Dokument, das sich auf S. 19662 bis 19664 der Verwaltungsakte befindet), die selbst an Treffen des Club España teilgenommen haben ‐ macht das Vorbringen von Socitrel, dass keine dieser Personen gewusst habe, dass die Teilnahme an einem Kartell rechtswidrig sei und das Risiko begründe, dass das Unternehmen zu einer hohen Geldbuße verurteilt werde, unplausibel. 304 Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die Unternehmen grundsätzlich selbst das Risiko einer falschen Beurteilung ihrer Rechtslage tragen, gemäß der allgemeinen Lebensweisheit, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt (Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Schenker & Co. u. a., C‑681/11, Slg, EU:C:2013:126, Rn. 57). 305 Im Übrigen ist festzustellen, dass das Vorbringen von Socitrel sich mit den von ihr und ihrer Muttergesellschaft geltend gemachten Rügen betreffend die Berücksichtigung der Gesamtumsätze des aus Companhia Previdente und ihren verschiedenen Tochtergesellschaften gebildeten Unternehmens zum Zweck der Berechnung der Obergrenze von 10 % vermischt, ein Vorbringen, das zurückzuweisen ist (siehe oben, Rn. 276). 306 Schließlich folgt aus all diesen Erwägungen sowie aus den Ausführungen zum ersten Klagegrund (siehe oben, Rn. 107 ff.), dass der angefochtene Beschluss nicht mit einem Begründungsmangel behaftet ist. 307 Was das Vorbringen von Socitrel zur früheren Entscheidungspraxis der Kommission betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidungspraxis der Kommission keinen rechtlichen Rahmen für nach dem Wettbewerbsrecht verhängte Geldbußen darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 147 angeführt, EU:C:2012:829, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung); dies gilt sowohl für die Festlegung der Höhe der individuellen Geldbußen als auch für die Auslegung ihrer eigenen Leitlinien durch die Kommission (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 200 angeführt, EU:C:2005:408, Rn. 227 und 230), ob es sich somit um die allgemeine Höhe der Geldbußen handelt oder um das für ihre Berechnung angewandte Verfahren. 308 Außerdem trägt Socitrel nichts vor, um ihr beiläufiges Vorbringen in Nr. 193 ihrer Klageschrift zu stützen. 309 Dies gilt ebenso für das Vorbringen, die Kommission habe den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt, das in der Überschrift des Klagegrundes erwähnt ist, ohne anschließend erläutert zu werden. 310 Demzufolge ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen. 6. Zum sechsten Klagegrund von Socitrel: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung, insoweit als die untergeordnete oder passive Rolle der Klägerin nicht als mildernder Umstand berücksichtigt worden ist Angefochtener Beschluss 311 Die Rn. 985 und 986 des angefochtenen Beschlusses lauten: „(985) Socitrel und die Companhia Previdente machen geltend, Socitrel sei nur am Club España beteiligt gewesen, und die Verhaltensweisen dieses Clubs seien weniger erheblich gewesen als die Verhaltensweisen anderer Clubs. Außerdem habe Socitrel nicht zu den Gründungsmitgliedern des Club España gezählt. Und bezüglich des portugiesischen Marktes erklären die Gesellschaften, Socitrel sei anfänglich nicht am Kartellverhalten beteiligt gewesen, auch wenn dies der wichtigste Markt für Socitrel gewesen sei. Socitrel hatte zudem nur Spannstahldraht und keine Litzen hergestellt, die doch als Hauptgegenstand des Kartells genannt würden. Das rechtswidrige Verhalten dieser Gesellschaft habe sich folglich nur auf einen kleinen Teil des europäischen Marktes ausgewirkt. Auch SLM und ITC bringen vor, sie seien nicht von Anfang an am Kartell beteiligt gewesen. (986) Die Kommission stellt zunächst fest, dass Socitrel regelmäßig an den Zusammenkünften des Club España teilgenommen hat, im Zeitraum vom 7.4.1994 bis zum Beginn der Nachprüfungen durch die Kommission regelmäßig bei über 40 Zusammenkünften anwesend war und sich aktiv an diesen Zusammenkünften beteiligt hat. Die Gesellschaft war in vollem Umfang an den Vereinbarungen über die Quoten und Kundenaufteilungen sowie an der Festsetzung von Preisen und am Austausch sensibler geschäftlicher Informationen mit den übrigen Mitgliedern des Club España beteiligt (siehe Abschnitt 9.2.2). Folglich kann die Rolle dieser Gesellschaft nicht als ‚sehr geringfügig‘ im Sinne der Geldbußen-Leitlinien von 2006 oder als passiv oder als die eines bloßen Mitläufers im Sinne der Leitlinien von 1998 betrachtet werden. Ferner ist der Umstand, dass Socitrel neben seiner Beteiligung am Club España nicht auch regelmäßig an Zusammenkünften auf europäischer Ebene teilnahm, insbesondere deshalb nicht von Bedeutung, weil Socitrel seine Erzeugnisse ausschließlich in Spanien und in Portugal (d. h. in dem vom Club España abgedeckten Gebiet) verkaufte und demnach auf der für diese Gesellschaft wichtigsten Ebene in vollem Umfang am Kartell beteiligt war. Auf jeden Fall liegen keine Beweismittel dafür vor, dass sich Socitrel der Umsetzung der Vereinbarung entzogen und ein wettbewerbskonformes Marktverhalten gezeigt hatte. Schließlich ist festzustellen, dass bereits bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße (siehe Abschnitt 19.1) berücksichtigt wurde, dass sich das Verhalten von Socitrel nur in begrenztem Umfang auf den europäischen Markt (nämlich vorwiegend auf Spanien und Portugal) auswirkte, dass Socitrel ausschließlich Spannstahldraht verkaufte und dass Socitrel, SLM und ITC nicht von Anfang an am Kartell beteiligt waren, sondern erst einige Jahre später hinzukamen; folglich können diese Umstände nicht nochmals berücksichtigt werden, um eine Ermäßigung der Geldbuße zu gewahren.“ Grundsätze 312 Ziff. 29 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 besagt: „Der Grundbetrag der Geldbuße kann verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt: … — vom Unternehmen beigebrachte Beweise, dass die eigene Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vereinbarungen in dem Zeitraum, in dem sie ihnen beigetreten war, in Wirklichkeit durch eigenes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt entzogen hat; der bloße Umstand einer kürzeren Beteiligung im Vergleich zu den übrigen Unternehmen wird nicht als mildernder Umstand anerkannt, da er bereits im Grundbetrag zum Ausdruck kommt“. 313 Nach der Rechtsprechung ist, wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen worden ist, die relative Schwere des Tatbeitrags jedes einzelnen von ihnen zu prüfen (Urteile vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg, EU:C:1975:174, Rn. 623, und Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 280 angeführt, EU:C:1999:356, Rn. 150), um festzustellen, ob bei ihnen erschwerende oder mildernde Umstände vorliegen (Urteil vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg, EU:T:2003:193, Rn. 165). 314 Um festzustellen, ob einem Unternehmen ein mildernder Umstand wegen tatsächlicher Nichtdurchführung der widerrechtlichen Vereinbarungen zu gewähren ist, ist zu prüfen, ob die von dem Unternehmen dargelegten Umstände belegen können, dass es sich im Zeitraum seiner Teilnahme an den unzulässigen Vereinbarungen tatsächlich deren Durchführung entzogen hat, indem es sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhalten hat, oder dass es sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung dieses Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar dessen Funktionieren selbst gestört wurde (Urteil vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg, EU:T:2006:75, Rn. 113). 315 Wenn erwiesen ist, dass das zuwiderhandelnde Unternehmen wettbewerbswidrige Vereinbarungen des Kartells berücksichtigen konnte, um sein Verhalten auf dem betreffenden Markt zu bestimmen, kann die fehlende Teilnahme an der einen oder anderen Vereinbarung, sofern sie erwiesen ist, für sich genommen nicht für den von der Rechtsprechung geforderten Beweis ausreichen, wonach die Zuwiderhandelnden, um den mildernden Umstand nach den Leitlinien von 2006 in Anspruch nehmen zu können, nachweisen müssen, dass sie sich wettbewerbskonform verhalten haben oder dass sie sich zumindest den Verpflichtungen zur Umsetzung des Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzt haben, dass dadurch dessen Funktionieren selbst gestört wurde. Der Nachweis der Nichtteilnahme an bestimmten wettbewerbswidrigen Kartellvereinbarungen allein kann als solcher nämlich nicht ausschließen, dass die anderen Vereinbarungen den Wettbewerb auf dem betreffenden Markt schädigen konnten (Urteil vom 5. Dezember 2013, Solvay Solexis/Kommission, C‑449/11 P, EU:C:2013:802, Rn. 81). 316 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Art. 65 Abs. 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), vorsahen, dass „ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum“ ein mildernder Umstand sind. 317 In der Liste der mildernden Umstände, die in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 genannt sind, wird bei den mildernden Umständen, die berücksichtigt werden können, ein solcher Umstand indessen nicht mehr aufgeführt. 318 Es ist jedoch bereits entschieden worden, dass, da die Aufzählung in Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 nicht abschließend ist, eine ausschließlich passive Rolle oder Mitläufertum grundsätzlich nicht von den Umständen ausgeschlossen werden kann, die zu einer Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße führen können (Urteil vom 25. Oktober 2011, Aragonesas Industrias y Energía/Kommission, T‑348/08, Slg, EU:T:2011:621, Rn. 281). Zur Begründetheit des sechsten Klagegrundes 319 Socitrel trägt im Wesentlichen vor, die Kommission habe ihr in Anbetracht ihres Nichtbestreitens des ihr zur Last gelegten Sachverhalts, ihrer ganz unbedeutenden Rolle im Club España, verglichen mit der von Tycsa und Emesa ‐ was sich im Übrigen in der fehlenden Nachprüfung ihrer Geschäftsräume durch die Kommission gezeigt habe ‐, ihrer passiven Rolle und ihrer Nichtbeteiligung an der Ausarbeitung wettbewerbswidriger Vereinbarungen sowie in ihrer Nichtteilnahme an mehreren Treffen, in denen wichtige Fragen besprochen worden seien, die Gewährung mildernder Umstände zu Unrecht verweigert. Sie fügt im Wesentlichen hinzu, es sei Sache der Kommission gewesen, bei der Beurteilung der Schwere ihrer Beteiligung an dem Kartell gemäß den Grundsätzen der persönlichen Verantwortlichkeit und der individuellen Strafzumessung die Tatsache zu berücksichtigen, dass sie nicht an allen Teilen des Kartells beteiligt gewesen sei. 320 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. 321 Hinsichtlich der in den Leitlinien von 2006 vorgesehenen Bedingungen ist festzustellen, wie die Kommission zutreffend betont, dass Socitrel an der Preisfestsetzung, an der Quotenaufteilung und am Austausch sensibler Geschäftsinformationen während der gesamten Dauer ihrer Teilnahme am Club España beteiligt war und dass sie nichts vorträgt, das beweisen könnte, dass sie sich der Vereinbarung entzogen hat, indem sie sich in diesem Zeitraum auf dem Markt wettbewerbskonform verhalten hat. 322 Sie kann somit nicht verlangen, dass ihr eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände gemäß Ziff. 29 der Leitlinien von 2006 gewährt wird. 323 Was die „ausschließlich passive oder Mitläuferrolle“ betrifft, ist zu betonen, dass Socitrel nicht an allen Treffen des Club España teilgenommen hatte und erst spät, im Jahr 2001, Kenntnis vom paneuropäischen Flügel erlangte, ein Punkt, der von der Kommission bei der Festlegung des Schweregrades der Zuwiderhandlung (siehe oben, Rn. 288 ff.) korrekt berücksichtigt wurde. Dagegen ist festzustellen, dass die Klägerin im Club España keine ausschließlich passive oder Mitläuferrolle hatte. Sie hat nämlich aktiv an der Preisfestsetzung, der Quotenaufteilung und dem Austausch sensibler Geschäftsinformationen teilgenommen, und zwar während des gesamten Zeitraums ihrer Beteiligung, und auch wenn sie nicht an allen Treffen teilgenommen hat, hat sie doch an einer großen Zahl davon teilgenommen. 324 Somit hat die Kommission weder den Gleichbehandlungsgrundsatz noch den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit verletzt, ebenso wenig wie den der individuellen Strafzumessung, und die Höhe der Geldbuße erscheint im Hinblick auf die tatsächliche Teilnahme von Socitrel am Club España nicht unverhältnismäßig. 325 Der sechste Klagegrund ist infolgedessen insgesamt zurückzuweisen. 7. Zum siebten Klagegrund von Socitrel: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Gleichbehandlungsgrundsatz, insoweit als die tatsächliche Zusammenarbeit der Klägerin von der Kommission nicht berücksichtigt worden sei Angefochtener Beschluss 326 Die Rn. 1006 bis 1009 des angefochtenen Beschlusses lauten: „(1006) … Socitrel verweis[t] darauf, dass sie unverzüglich und genau auf die Auskunftsverlangen der Kommission geantwortet habe. (1007) In dieser Sache hat die Kommission geprüft, ob nach der Rechtsprechung und gemessen an der Frage, ob die Mitarbeit der betroffenen Unternehmen die Kommission in die Lage versetzt hat, die Zuwiderhandlung leichter nachzuweisen, eine Ermäßigung der Geldbußen gerechtfertigt sein konnte. Wie allgemein bei Kartellen, ist die entsprechende Würdigung nach Maßgabe der Kronzeugenregelung erfolgt (siehe unten Abschnitt 19.4). In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass Austria Draht, Trame, Socitrel, Fapricela, Proderac, die Gesellschaften der Ovako-Gruppe, Itas und CB keine förmlichen Anträge auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt und keine Informationen von erheblichem Mehrwert mitgeteilt haben. (1008) Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Parteien und des begrenzten Umfangs und des begrenzten Wertes der Mitarbeit seitens der Parteien sind keine Umstände gegeben, die eine Ermäßigung der Geldbußen für Zusammenarbeit mit der Kommission außerhalb der Kronzeugenregelung ermöglichen würden, die bei geheimen Kartellen in jedem Fall ohnehin nur ausnahmsweise gewährt werden würde. Eine unverzügliche und genaue Antwort auf ein Auskunftsverlangen der Kommission stellt nicht an sich bereits einen mildernden Umstand dar, da die Parteien ohnehin verpflichtet waren, diese Fragen binnen der gesetzten Fristen zu beantworten. (1009) Auch das bloße Nichtbestreiten des Sachverhalts rechtfertigt nicht bereits eine Ermäßigung der Geldbuße gemäß [Ziff.] 29 der Geldbußen-Leitlinien von 2006, insbesondere dann nicht, wenn der Sachverhalt bereits durch umfangreiche Beweise nachgewiesen wird. Die Kommission ist nicht an ihre frühere Entscheidungspraxis gebunden; eine Belohnung für das Nichtbestreiten des Sachverhalts war zwar in der Kronzeugenregelung von 1996 vorgesehen, wurde später aber aufgegeben. Sofern nicht gewisse außergewöhnliche Umstände gegeben sind, erleichtert das bloße Nichtbestreiten des Sachverhalts nicht die Arbeit der Kommission; der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Kommission sogar in diesem Fall den betreffenden Sachverhalt beweisen muss und dass dem betreffenden Unternehmen freigestellt ist, zu gegebener Zeit, insbesondere im Gerichtsverfahren, alle Argumente anzuführen, die ihm zu seiner Verteidigung geeignet erscheinen. Eine andere Situation ist nur dann gegeben, wenn das betreffende Unternehmen den jeweiligen Sachverhalt ausdrücklich einräumt. Da die hier zur Anwendung kommende Kronzeugenregelung von 2002 eine Ermäßigung für die bloße Einräumung des Sachverhalts (geschweige denn für das Nichtbestreiten dieses Sachverhalts) nicht vorsieht, konnte keine berechtigte Erwartung hinsichtlich einer diesbezüglichen Ermäßigung der Geldbußen bestehen. Auch soweit einzelne Parteien bestimmte Tatsachen eingeräumt haben, hat dies doch die Arbeit der Kommission deshalb nicht erleichtert, weil der Kommission ohnehin Beweise in hinreichendem Umfang vorlagen, um die betreffenden Tatsachen nachweisen zu können. Daher sollte eine Ermäßigung der Geldbuße für das Nichtbestreiten des Sachverhalts nicht gewährt werden.“ Grundsätze 327 Ziff. 29 vierter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 sieht vor: „Der Grundbetrag der Geldbuße kann verringert werden, wenn die Kommission mildernde Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt: … — aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der Kommission außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus.“ Zur Begründetheit des siebten Klagegrundes 328 Socitrel macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe ihr zu Unrecht eine Herabsetzung der Geldbuße für ihre Kooperation verweigert. 329 Damit Socitrel die Anwendung der Bestimmungen in Ziff. 29 vierter Gedankenstrich der Leitlinien von 2006 verlangen kann, hat sie nachzuweisen, dass ihre Zusammenarbeit über ihre gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinausgegangen ist, ohne ihr jedoch einen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbuße nach der Kronzeugenregelung zu geben, und somit für die Kommission objektiv nützlich war, da diese sich in ihrer endgültigen Entscheidung auf Beweise stützen konnte, die sie ihr im Rahmen ihrer Zusammenarbeit geliefert hatte und ohne die die Kommission nicht in der Lage gewesen wäre, die in Rede stehende Zuwiderhandlung ganz oder teilweise zu ahnden. 330 Das ist hier jedoch nicht der Fall. Einerseits hat Socitrel den Sachverhalt nicht bestritten und hat auf die an sie gestellten Auskunftsverlangen fristgerecht geantwortet, was über ihre gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit nicht hinausgeht; andererseits hat sie nicht dargetan, dass die Kommission sich in ihrem endgültigen Beschluss auf Beweise stützen konnte, die sie ihr im Rahmen ihrer Zusammenarbeit vorgelegt hatte und ohne die es der Kommission nicht möglich gewesen wäre, die in Rede stehende Zuwiderhandlung ganz oder teilweise zu ahnden. 331 Folglich ist der siebte Klagegrund zurückzuweisen. 8. Zum ersten zusätzlichen Klagegrund, der im Rahmen der zweiten Anpassung der Klagegründe und Anträge von Socitrel und von Companhia Previdente geltend gemacht wird und mit dem Socitrel einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sowie einen Begründungsmangel und Companhia Previdente einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes insoweit rügen, als Socitrel und Companhia Previdente nicht auf die gleiche Art und Weise behandelt worden seien wie Arcelor und SLM, denen eine Herabsetzung der Geldbuße gewährt worden sei, die die Klägerinnen nicht erhalten hätten. Angefochtener Beschluss 332 Rn. 1072a, die mit dem zweiten Änderungsbeschluss in den angefochtenen Beschluss aufgenommen wurde, lautet: „(1072a) Die in Art. 23 Abs. 2 [der Verordnung Nr. 1/2003] vorgesehene Obergrenze von 10 % wird auf der Grundlage des Gesamtumsatzes aller Einheiten, die ein Unternehmen bilden, berechnet. Die Obergrenze von 10 % stützt sich nicht auf den individuellen Umsatz der Rechtseinheiten, die innerhalb eines Unternehmens gesamtschuldnerisch haften. In diesem besonderen Fall nutzt die Kommission jedoch ihren Ermessensspielraum, um die Teile der Geldbußen, für die die Tochtergesellschaften von ArcelorMittal nicht mit ArcelorMittal SA gesamtschuldnerisch haften, und die Geldbuße, für die SLM allein verantwortlich ist, in einer Höhe festzulegen, die 10 % ihres eigenen Umsatzes in dem Jahr, das dem Erlass des Beschlusses vorausgeht, nicht übersteigt. Folglich wird der Höchstbetrag, für den ArcelorMittal Wire France SA und ArcelorMittal Fontaine SA gesamtschuldnerisch haften, für den Zeitraum vor dem 1. Juli 1999 auf 10 % des konsolidierten Gesamtumsatzes von ArcelorMittal Wire France SA in dem Jahr, das am 31. Dezember 2009 endete, festgesetzt. Von diesem Gesamtbetrag wird der Höchstbetrag der Geldbuße, für den Arcelor Mittal Verderio Srl mit ArcelorMittal Wire France SA und ArcelorMittal Fontaine SA gesamtschuldnerisch haften, auf 10 % ihres eigenen Umsatzes in dem Jahr, das am31. Dezember 2009 endet, festgesetzt. Der Höchstbetrag der Geldbuße, für den SLM allein verantwortlich ist, ist auf 10 % ihres eigenen Umsatzes für das Jahr, das am 31. Dezember 2009 endet, festzusetzen.“ 333 Rn. 1072b des angefochtenen Beschlusses legt den berücksichtigten Gesamtumsatz fest sowie den Betrag, der der Obergrenze von 10 % für jede der vom zweiten Änderungsbeschluss betroffenen Gesellschaften entspricht. Würdigung durch das Gericht 334 Wie die Kommission betont, ist festzustellen dass sich Socitrel und Companhia Previdente nicht in einer mit ArcelorMittal und ihren Tochtergesellschaften einerseits sowie mit Ori Martin und SLM andererseits vergleichbaren Situation befinden. 335 Diese beiden Muttergesellschaften bildeten nämlich mit ihren Tochtergesellschaften während eines Teils des Zuwiderhandlungszeitraums ein Unternehmen, und sie wurden für den Zeitraum, in dem sie zusammen ein Unternehmen bildeten, als mit diesen Tochtergesellschaften gesamtschuldnerisch haftbar angesehen, was in einer differenzierten Berechnung der Obergrenze von 10 % zum Ausdruck kam (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2014, YKK u. a./Kommission, C‑408/12 P, EU:C:2014:2153, Rn. 55 ff.). 336 Dies ist bei Companhia Previdente nicht der Fall, was Emesa, Galycas und ITC betrifft, die sie nach der Zuwiderhandlung erworben hat und für deren wettbewerbswidriges Verhalten sie nicht gesamtschuldnerisch haftete. 337 Die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ist daher zurückzuweisen. 338 Zurückzuweisen ist somit auch die Rüge einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wegen Unverhältnismäßigkeit der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße, insoweit als Socitrel und Companhia Previdente keine Herabsetzung gewährt worden sei, die der ArcelorMittal und Ori Martin gewährten Herabsetzung entspreche. 339 Die Kommission hat den Klägerinnen keine präzise Zusicherung gegeben, die bei ihnen begründete Hoffnungen auf eine Herabsetzung der Höhe der Geldbuße aus den gleichen Gründen, die bei ArcelorMittal und Ori Martin zu einer solchen Herabsetzung führten, hätte wecken können. 340 Schließlich ist die Rüge eines Begründungsmangels zurückzuweisen, da die Erwägungsgründe 4, 5 und 9 bis 13 des zweiten Änderungsbeschlusses die Gründe deutlich machen, aus denen die Kommission ihren Beschluss geändert hat. 341 Der erste zusätzliche Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen. 9. Zum zweiten zusätzlichen Klagegrund von Socitrel und Companhia Previdente: Verstoß gegen die Grundsätze der Sorgfalt, der Loyalität, des guten Glaubens und der Rechtssicherheit, insoweit als die Kommission den ursprünglichen Beschluss im Jahr 2011 ein weiteres Mal geändert habe. 342 Socitrel und Companhia Previdente tragen im Wesentlichen vor, die Kommission habe insoweit gegen die Grundsätze der Sorgfalt, der Loyalität, des guten Glaubens und der Rechtssicherheit verstoßen, als sie, zum zweiten Mal im Jahr 2011, den ursprünglichen Beschluss wegen Begründungsfehlern, die ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigen könnten, geändert habe, wodurch bei den Klägerinnen eine ständige Unsicherheit entstanden sei. 343 Es ist jedoch festzustellen, dass sich der zweite zusätzliche Klagegrund mit dem Vorbringen von Socitrel zur Unterstützung ihres dritten Klagegrundes deckt, das aus den oben in den Rn. 184 bis 189 dargelegten Gründen zurückzuweisen ist. 344 Unter diesen Umständen ist der von Socitrel und von Companhia Previdente vorgetragene zweite zusätzliche Klageantrag aus denselben Gründen zurückzuweisen. 345 Nach alledem kann keinem der Klagegründe der Klägerinnen Erfolg beschieden sein. Demgemäß sind ihre jeweiligen Nichtigkeitsklagen insgesamt abzuweisen, ohne dass unter den vorliegenden Umständen im Übrigen im Rahmen der unbeschränkten Nachprüfung eine Abänderung der gegen sie festgesetzten Geldbuße vorzunehmen wäre. Kosten 346 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Sechste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Rechtssachen T‑413/10 und T‑414/10 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden. 2. Die Klagen werden abgewiesen. 3. Die Socitrel – Sociedade Industrial de Trefilaria, SA und die Companhia Previdente – Sociedade de Controle de Participações Financeiras, SA tragen ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission, einschließlich der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entstandenen Kosten. Frimodt Nielsen Dehousse Collins Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. Juli 2015. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Portugiesisch. (1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.
Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 5. Juni 2012.#Imperial Chemical Industries Ltd gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Kartelle – Markt für Methacrylate – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird – Beteiligung an einem Teil der Zuwiderhandlung – Verteidigungsrechte – Geldbußen – Begründungspflicht – Schwere der Zuwiderhandlung – Abschreckungswirkung – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit – Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung – Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens – Angemessene Verfahrensdauer.#Rechtssache T-214/06.
62006TJ0214
ECLI:EU:T:2012:275
2012-06-05T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer) 5. Juni 2012 (*1) „Wettbewerb — Kartelle — Markt für Methacrylate — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens festgestellt wird — Beteiligung an einem Teil der Zuwiderhandlung — Verteidigungsrechte — Geldbußen — Begründungspflicht — Schwere der Zuwiderhandlung — Abschreckungswirkung — Gleichbehandlung — Verhältnismäßigkeit — Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung — Zusammenarbeit während des Verwaltungsverfahrens — Angemessene Verfahrensdauer“ In der Rechtssache T-214/06 Imperial Chemical Industries Ltd, vormals Imperial Chemical Industries plc, mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst D. Anderson, QC, Rechtsanwälte H. Rosenblatt und B. Lebrun sowie W. Turner, S. Berwick und T. Soames, Solicitors, dann Rechtsanwälte R. Wesseling und C. Swaak und schließlich Rechtsanwälte R. Wesseling, C. Swaak und F. ten Have, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten zunächst durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Amato, dann durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Arbault und schließlich durch V. Bottka und J. Bourke als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat), hilfsweise Herabsetzung der aufgrund dieser Bestimmung verhängten Geldbuße, erlässt DAS GERICHT (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias, Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2011 folgendes Urteil Vorgeschichte des Rechtsstreits 1 Mit Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a. fest, dass eine Reihe von Unternehmen dadurch gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen habe, dass sie während verschiedener Zeiträume zwischen dem 23. Januar 1997 und dem 12. September 2002 an einem Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie im gesamten EWR beteiligt gewesen seien (Art. 1 der angefochtenen Entscheidung). 2 Der angefochtenen Entscheidung zufolge handelte es sich um eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung betreffend die folgenden drei Erzeugnisse aus Polymethyl-Methacrylat (im Folgenden: PMMA): Formmassen, Massivplatten und Platten für Sanitäranwendungen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich ferner, dass sich diese drei PMMA-Produkte sowohl physisch als auch chemisch unterscheiden und unterschiedliche Verwendung finden, wegen ihres gemeinsamen Ausgangsmaterials Methylmethacrylat (im Folgenden: MMA) jedoch als homogene Produktgruppe angesehen werden können (Randnrn. 4 bis 8 der angefochtenen Entscheidung). 3 Merkmale der Zuwiderhandlung – so die angefochtene Entscheidung – waren Preisgespräche, die Vereinbarung, Umsetzung und Überwachung von Preisabsprachen in Form von Preiserhöhungen oder zumindest der Stabilisierung der bestehenden Preise, Gespräche über die Weitergabe der Kosten der zusätzlichen Dienstleistungen an die Kunden, Austausch geschäftlich wichtiger und vertraulicher markt- und/oder unternehmensrelevanter Informationen sowie die Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften und sonstige Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern (Art. 1 und Randnrn. 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung). 4 Die angefochtene Entscheidung war an die Degussa AG, die Röhm GmbH & Co. KG und die Para-Chemie GmbH (im Folgenden zusammen: Degussa), an die Total SA, die Elf Aquitaine SA, die Arkema SA (vormals Atofina SA), die Altuglas International SA und die Altumax Europe SAS (im Folgenden zusammen: Atofina), an die Lucite International Ltd und die Lucite International UK Ltd (im Folgenden zusammen: Lucite), an die Quinn Barlo Ltd, die Quinn Plastics NV und die Quinn Plastics GmbH (im Folgenden zusammen: Barlo) sowie an die Klägerin, die Imperial Chemical Industries Ltd (vormals Imperial Chemical Industries plc), gerichtet. 5 Die Klägerin ist die Muttergesellschaft der Imperial-Chemical-Industries-Gruppe und Hersteller von Chemiespezialitäten. Seit 1990 sind Herstellung und Vertrieb der in der angefochtenen Entscheidung genannten Erzeugnisse gruppenintern der ICI Acrylics, einer gesonderten Geschäftseinheit, jedoch ohne eigene Rechtspersönlichkeit, übertragen. Mit am 3. Oktober 1999 geschlossenem Vertrag wurden das Geschäft und die Vermögenswerte der ICI Acrylics auf die Ineos Acrylics UK Parent Co 2 Ltd und die Ineos Acrylics UK Trader Ltd, der späteren Lucite International Holdings Ltd bzw. der späteren Lucite International UK Ltd, übertragen. 6 Das der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Verfahren wurde eingeleitet, nachdem die Degussa am 20. Dezember 2002 einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) gestellt hatte. 7 Am 25. und 26. März 2003 nahm die Kommission in den Geschäftsräumen von Atofina, Barlo, Degussa und Lucite Nachprüfungen vor. 8 Am 3. April und 11. Juli 2003 reichten Atofina bzw. Lucite einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein (Randnr. 66 der angefochtenen Entscheidung). 9 Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete die Kommission auf die von Lucite gestellte Frage, ob diese mit der Klägerin Kontakt aufnehmen und ihr Zugang zu ihren Beschäftigten sowie Einsicht in ihre Unterlagen gewähren solle, damit die Klägerin ihre Verteidigung vorbereiten könne. 10 Am 29. Juli 2004 richtete die Kommission an mehrere Unternehmen, darunter die Klägerin, ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1). Es handelte sich um die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme. 11 Am 18. Oktober 2004 reichte die Klägerin einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein. Am 11. August 2005 teilte ihr die Kommission mit, dass ihr Antrag abgelehnt worden sei. 12 Am 17. August 2005 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend MMA, PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen und richtete sie u. a. an die Klägerin und an Lucite. Da der Verkauf der ICI Acrylics an Ineos (jetzt Lucite) nach Auffassung der Kommission am 1. Oktober 1999 stattgefunden hatte, ging sie vom 30. September 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus. 13 Die Erwiderung der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte datiert vom 4. November 2005. 14 Am 15. und 16. Dezember 2005 fand eine Anhörung statt. 15 Mit Schreiben vom 10. Februar 2006 gab Lucite auf Aufforderung durch die Kommission Erläuterungen zum Zeitpunkt des Erwerbs der ICI Acrylics. 16 Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 übermittelte die Kommission das vorstehend in Randnr. 15 genannte Schreiben an die Klägerin zur Stellungnahme. 17 Die Klägerin gab ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 17. Februar 2006 ab. 18 Am 31. Mai 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung. Darin ließ sie einige Beschwerdepunkte fallen, auf die sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgestellt hatte, insbesondere die gegenüber allen betroffenen Unternehmen angenommenen Beschwerdepunkte betreffend MMA (Randnr. 93 der angefochtenen Entscheidung). 19 In Art. 1 Buchst. i der angefochtenen Entscheidung heißt es, dass die Klägerin an der oben in den Randnrn. 2 und 3 beschriebenen Zuwiderhandlung in der Zeit vom 23. Januar 1997 bis 1. November 1999 beteiligt gewesen sei. 20 Die Kommission ging insbesondere davon aus, dass die Klägerin die juristische Person sei, der zum Zeitpunkt der Geschehnisse die Geschäftsabteilung angehört habe, die die in Rede stehende Zuwiderhandlung begangen habe, nämlich ICI Acrylics. Infolgedessen stellte die Kommission fest, dass die Klägerin für die Anwendung des Art. 81 EG als Unternehmen anzusehen sei, das an dem wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligt gewesen sei, und dass die angefochtene Entscheidung daher an sie zu richten sei (Randnrn. 288 bis 290 der angefochtenen Entscheidung). 21 Zum Ende des der Klägerin zugerechneten Zeitraums der Zuwiderhandlung führte die Kommission aus, dass sie im Hinblick auf die Erwiderung von Lucite auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als das Datum, an dem die Übertragung des Eigentums an ICI Acrylics stattgefunden habe, und damit für die Aufteilung der Haftung zwischen der Klägerin und Lucite den 2. November 1999 angenommen habe (Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung). Daher ging sie vom 1. November 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus und gab an, dass diese Änderung gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße gehabt habe (Randnr. 292 der angefochtenen Entscheidung). 22 In Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung wird gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 91406250 Euro festgesetzt. 23 Bei der Bemessung der Geldbuße prüfte die Kommission zunächst die Schwere der Zuwiderhandlung und stellte dabei fest, dass sie wegen der Art der Zuwiderhandlung und weil diese das gesamte EWR-Gebiet erfasst habe, als ein besonders schwerer Verstoß im Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), zu gelten habe (Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung). 24 Sodann vertrat die Kommission die Ansicht, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße eine differenzierte Behandlung der Unternehmen in der Weise möglich sei, dass der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung getragen werde. Sie stellte hierzu fest, dass im vorliegenden Fall die betroffenen Unternehmen „nach ihrer jeweiligen relativen Bedeutung gemessen am mit PMMA-Produkten erzielten Umsatz, mit dem sie am Kartell beteiligt waren, [drei] Kategorien zuzuordnen [seien]“ und legte den EWR-weiten Umsatz mit diesen Produkten im Jahr 2000 zugrunde. Die Kommission stufte die Klägerin und Lucite unter Berücksichtigung des Umsatzes, den Lucite mit den drei betreffenden PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielt hatte (105,98 Mio. Euro) in die zweite Kategorie ein und setzte die Ausgangsbeträge ihrer Geldbußen auf 32,5 Mio. Euro fest (Randnrn. 332 bis 336 der angefochtenen Entscheidung). 25 Die Kommission wies ferner darauf hin, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße die Bandbreite der möglichen Geldbußen überdies die Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe erlaube, die in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 2005 (8,49 Mrd. Euro) wandte die Kommission einen Multiplikator von 1,5 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin an, der sich damit auf 48,75 Mio. Euro belief. 26 Zweitens prüfte die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung und stellte fest, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin in Anbetracht dessen, dass diese zwei Jahre und neun Monate an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, um 25 % anzuheben sei. Somit belief sich der Grundbetrag der für die Klägerin berechneten Geldbuße auf 60937500 Euro (Randnrn. 351 bis 354 der angefochtenen Entscheidung). 27 Drittens prüfte die Kommission das Vorliegen erschwerender oder mildernder Umstände. Für die Klägerin stellte die Kommission im Hinblick auf zwei bereits zuvor gegen diese ergangene Entscheidungen fest, dass sie mit einer Zuwiderhandlung der gleichen Art rückfällig geworden sei, und beschloss, den Grundbetrag der Geldbuße für die Klägerin um 50 % anzuheben (Randnrn. 355 bis 369 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem wies die Kommission die von der Klägerin geltend gemachten mildernden Umstände zurück. Dementsprechend wurde deren Geldbuße auf 91406250 Euro und damit einen Betrag festgesetzt, der den in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Schwellenwert von 10 % nicht überstieg (Randnrn. 372 bis 398 der angefochtenen Entscheidung). 28 Schließlich zog die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit heran und erinnerte daran, dass der Antrag der Klägerin nach dieser Mitteilung abgelehnt worden sei. Was die übrigen Unternehmen betrifft, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, gewährte die Kommission zum einen Degussa einen vollständigen Erlass der Geldbuße und setzte zum anderen die Geldbußen bei Atofina und Lucite herab. 29 Unter Berücksichtigung der Ablehnung des Antrags der Klägerin wurde der Endbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße somit auf 91406250 Euro festgesetzt. Verfahren und Anträge der Parteien 30 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. 31 Das schriftliche Verfahren ist am 11. April 2007 geschlossen worden. 32 Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Dritte Kammer) am 15. September 2011 beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen von prozessleitenden Maßnahmen aufgefordert, Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. 33 Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. November 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin der Kommission und dem Gericht einige Unterlagen ausgehändigt, die das Vorbringen untermauern sollten. Gegen die Vorlage eines dieser Dokumente machte die Kommission einen Einwand geltend, und das Gericht hat beschlossen, es nicht zu den Akten zu nehmen. Die übrigen Unterlagen sind zu den Akten genommen worden, da die Kommission gegen sie keine Einwände erhoben hatte. 34 Im Übrigen hat das Gericht in der Sitzung die Kommission aufgefordert, zwei von ihr bei ihrem Vortrag angeführte Dokumente vorzulegen. Nachdem die Kommission dieser Aufforderung fristgerecht Folge geleistet hatte, hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, zu diesen Dokumenten Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme ist fristgerecht eingereicht worden. 35 Das mündliche Verfahren ist am 15. Dezember 2011 geschlossen worden. 36 Die Klägerin beantragt, — Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären; — hilfsweise, Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung abzuändern und die gegen sie festgesetzte Geldbuße herabzusetzen; — der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 37 Die Kommission beantragt, — die Klage als unbegründet abzuweisen; — der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung 38 In ihrer Klageschrift stützt die Klägerin ihre Klage auf fünf Gründe. Der erste Klagegrund ist auf die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gestützt. Mit dem zweiten Klagegrund wird die fehlende Begründung für den„Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt. Der dritte Klagegrund betrifft das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen. Mit dem vierten Klagegrund wird die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird geltend gemacht, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem einen sechsten Klagegrund vorgebracht, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird. Zum ersten Klagegrund, mit dem die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gerügt wird 39 Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung in Bezug auf eines der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Erzeugnisse, nämlich die PMMA-Formmassen, nicht nachgewiesen sei. 40 Wie den in der Klageschrift gestellten Anträgen eindeutig zu entnehmen sei (siehe oben, Randnr. 36) und wie die Klägerin auch in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt habe, beantrage sie ungeachtet der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Argumente nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie darin für die fragliche Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werde. Der vorliegende Klagegrund werde vielmehr zur Stützung ihres Antrags geltend gemacht, der auf die Herabsetzung der in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße gerichtet sei. Sie ist nämlich der Meinung, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen des Kartells beteiligt gewesen sei, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden müsse. Die Geldbuße sei daher so herabzusetzen, dass der Anteil widergespiegelt werde, den die PMMA-Formmassen am Gesamtwert oder -umfang der drei betroffenen Erzeugnisse ausmachten (laut Klägerin 44 % bzw. 36 %). 41 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für einen „Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie“ verantwortlich gemacht wird. Ausgelegt unter Berücksichtigung der Gründe dieser Entscheidung und insbesondere ihrer Randnrn. 2 und 222 bis 225 (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Randnr. 1258 und die dort angeführte Rechtsprechung), macht diese Bestimmung die Klägerin für deren Beteiligung im fraglichen Zeitraum an einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen verantwortlich. 42 Aufgrund der Schwere dieser Zuwiderhandlung wurde die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße bemessen. Insbesondere Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission bei der Bemessung des Ausgangsbetrags der Geldbuße der Klägerin den Umsatz berücksichtigt hat, den sie durch den Verkauf der PMMA-Produkte erzielt hatte, mit denen sie am Kartell beteiligt war, und somit nach Auffassung der Kommission aller genannten Erzeugnisse. 43 Daher ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn die Klägerin nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt (siehe oben, Randnr. 40), angenommen er wäre begründet, zur Herabsetzung ihrer Geldbuße und ganz konkret von deren Ausgangsbetrag führen könnte. Wie die Klägerin nämlich in Erinnerung gerufen hat, ist die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt war, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 90, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 86). Nach der Rechtsprechung ist diese Beurteilung im Stadium der Festsetzung des spezifischen Ausgangsbetrags der Geldbuße vorzunehmen (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2010, IMI u. a./Kommission, T-18/05, Slg. 2010, II-1769, Randnr. 164). 44 Die Klägerin stützt ihren Antrag im Wesentlichen darauf, dass sich die Kommission in Bezug auf die PMMA-Formmassen für den Zeitraum, während dessen die Klägerin Eigentümerin der ICI Acrylics gewesen sei, ausschließlich auf nicht untermauerte Erklärungen eines Unternehmens gestützt habe, das einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße gestellt habe, sowie darauf, dass Treffen stattgefunden hätten. Nach Ansicht der Klägerin genügen diese Anhaltspunkte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Beweisanforderungen. 45 Lediglich die Belege betreffend ein in Randnr. 124 der angefochtenen Entscheidung angesprochenes Treffen, das am 26. Oktober 1999 stattgefunden habe, könnten gegebenenfalls diesen Anforderungen genügen, da sich die Kommission auf zwei Unternehmen stütze, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, sowie auf ein zeitgleiches Dokument dieses Treffens. Diese Zusammenkunft könne aber nicht gegen sie verwendet werden, ohne ihre Verteidigungsrechte zu verletzen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der der 30. September 1999 als Zeitpunkt der Beendigung der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung angenommen worden sei (siehe Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung), sei dieses Treffen von der Kommission nämlich gegen einen anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung, nämlich Lucite, verwendet worden. Dementsprechend habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, sich sachdienlich gegen diese Zusammenkunft betreffende Behauptungen und Beweise zu verteidigen. 46 Es ist darauf hinzuweisen, dass das erwähnte Vorbringen betreffend eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin ausschließlich zu dem Zweck geltend gemacht wird, die Verwendbarkeit des Treffens vom 26. Oktober 1999 und der sich hierauf beziehenden Beweise im Rahmen der Beurteilung der Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung gegen sie zu bestreiten. Insbesondere beantragt die Klägerin nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung wegen angeblicher Verletzung ihrer Verteidigungsrechte insoweit, als darin, soweit sie betroffen ist, eine längere als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegt wird. 47 Daher kann die etwaige Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin keine Auswirkungen auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben, wenn sich herausstellen sollte, dass, auch abgesehen von dem Treffen vom 26. Oktober 1999, die von der Kommission zusammengetragenen Beweise zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil der Zuwiderhandlung hinreichend waren. 48 Unter diesen Voraussetzungen ist es aus Gründen der Prozessökonomie angebracht, den vorliegenden Klagegrund unter Außerachtlassung des erwähnten Treffens zu prüfen. 49 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der angefochtenen Entscheidung die in Rede stehende einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung „aus einer Reihe von Maßnahmen [bestand], die als Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen bezüglich der behandelten drei Produkte eingestuft werden können und durch einen gemeinsamen Zweck sowie durch ein auf die Behinderung des Wettbewerbes gerichtetes andauerndes Vorgehen gekennzeichnet sind“ (Randnr. 222 der angefochtenen Entscheidung). Unter Berücksichtigung der in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten gemeinsamen Merkmale der wettbewerbswidrigen Absprachen bei den drei betreffenden Produkten gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass „trotz der Tatsache, dass die drei Produkte verschiedene Merkmale aufweisen und obwohl man meinen könnte, dass sie zu verschiedenen Produktmärkten gehören, ausreichende Beziehungen zwischen den Produkten [bestanden], um zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass sich die Hersteller [dieser Produkte] an einem gemeinsamen Plan beteiligten, der die Richtung des Marktverhaltens der Unternehmen vorgab und deren individuelles Geschäftsverhalten beschränkte“. Nach Ansicht der Kommission bestand „[d]ie Zuwiderhandlung … aus einem Komplex von Verhaltensweisen mit einem gemeinsamen Plan und einem einzigen wirtschaftlichen Ziel, nämlich die normalen Preisbewegungen auf dem EWR-Markt für alle drei PMMA-Produkte … zu verfälschen“ (Randnr. 224 der angefochtenen Entscheidung). 50 Zu den in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung genannten „gemeinsamen Merkmalen“ zählte die Kommission u. a.: — „Eine Kerngruppe derselben Unternehmen [nämlich] Atofina, ICI (später Lucite) und Degussa“; — den Umstand, dass die drei wichtigsten europäischen Hersteller „voll integrierte Hersteller“ gewesen seien und „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten, so dass] die Kartellbildung bei einem Produkt automatisch die Kostenstruktur und/oder die Preise der anderen Produkte [beeinflusste]“; — den Umstand, dass „Gegenstand der Zusammenkünfte und Kontakte … gelegentlich auch mehr als eines der drei PMMA-Produkte [waren]“, wobei sich „[d]ie Beziehung … auch bei zahlreichen Zusammenkünften [zeigt], bei denen Fragen sowohl im Zusammenhang mit PMMA-Formmassen als auch mit PMMA-Massivplatten behandelt wurden“; — den Umstand, dass „[e]tliche Vertreter der an den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligten Unternehmen … für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig [waren] und wussten, oder hätten wissen müssen, dass [diese] Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden“. In diesem Zusammenhang erwähnte die Kommission u. a. „Herrn [D], den stellvertretenden Geschäftsleiter Global Monomers und EAME bei ICI Acrylics, der an den Zusammenkünften betreffend die [PMMA-Formmassen und die PMMA-Massivplatten]“ beteiligt war, von denen mehrere Treffen in dem der Klägerin zuzurechnenden Zeitraum der Zuwiderhandlung stattfanden; — den Umstand, dass dieselben Mechanismen der Funktionsweise des Kartells auf alle drei betreffenden Produkte Anwendung fanden. 51 Was speziell das wettbewerbswidrige Verhalten in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum angeht, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass, abgesehen von der Zusammenkunft vom 26. Oktober 1999 (siehe oben, Randnr. 48), die Feststellungen der Kommission auf 14 Treffen beruhen, die zwischen dem 23. Januar 1997 und dem Sommer 1999 stattfanden (vgl. Randnrn. 110 bis 123 der angefochtenen Entscheidung). Im Übrigen steht fest, dass die Anwesenheit der Klägerin nur bei zehn dieser Zusammenkünfte behauptet wird und somit nicht bei den vier in den Randnrn. 112, 114, 117 und 121 der angefochtenen Entscheidung genannten Treffen. 52 Es ist daher zu prüfen, ob die von der Kommission zusammengetragenen Beweismittel ausreichend waren, um die Teilnahme der Klägerin an diesem Teil der Zuwiderhandlung zu belegen. 53 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Beweismittel beizubringen hat, die geeignet sind, das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellenden Tatsachen in rechtlich hinreichender Weise darzutun (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 58). Sie muss genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen worden ist (vgl. Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T-62/98, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T-54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55). 54 Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung). 55 Die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Randnr. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56 Es ist auch zu berücksichtigen, dass die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten heimlich ablaufen und deshalb in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 55 bis 57). 57 Weist die Kommission nach, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Ist die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Sitzungen geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnahm (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C-199/92 P, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 155, Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 96, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81). 58 Zu dem Vorbringen der Klägerin zum Wert der im Rahmen der Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegebenen Erklärungen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Rechts der Europäischen Union es der Kommission untersagt, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer beschuldigter Unternehmen zu verwenden (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnr. 512). Den Erklärungen, die im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben wurden, kann daher nicht allein deshalb der Beweiswert abgesprochen werden (Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 57 und 58). 59 Ein gewisses Misstrauen gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell ist verständlich, da sie die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darstellen könnten. Gleichwohl schafft unter Berücksichtigung der inneren Logik des in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Verfahrens ein Antrag auf deren Anwendung, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Mitglieder des inkriminierten Kartells vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Unternehmens in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass es in den vollen Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit gelangt (Urteile des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T-120/04, Slg. 2006, II-4441, Randnr. 70, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 58). 60 Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind daher grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II-947, Randnr. 166, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 59). 61 Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 219, vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T-38/02, Slg. 2005, II-4407, Randnr. 285, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 293). 62 Bei der Prüfung des Beweiswerts der Aussagen von Unternehmen, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben, berücksichtigt das Gericht insbesondere den Umfang von übereinstimmenden Indizien, die für die Richtigkeit dieser Aussagen sprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 220, und Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 70), und das Fehlen von Indizien dafür, dass diese Unternehmen die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 62 und 295). 63 Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle im vorliegenden Fall anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T-41/96, Slg. 2000, II-3383, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). 64 Hat ferner das Gericht Zweifel, so muss dies gemäß der Unschuldsvermutung, die als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, gilt, dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird (Urteil Hüls/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 149 und 150). 65 Im Rahmen dieser allgemeinen Erwägungen sind nunmehr die von der Kommission im vorliegenden Fall zusammengetragenen Beweismittel zu prüfen. 66 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, was die oben in Randnr. 51 genannten zehn Zusammenkünfte betrifft, weder bestreitet, dass diese zwischen den Konkurrenten stattgefunden haben, noch, dass sie daran teilgenommen hat, und sie auch nicht behauptet, dass sie sich offen von deren Inhalt distanziert habe. Um die Verantwortlichkeit der Klägerin festzustellen, genügt daher die Prüfung, ob die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass diese Sitzungen in Bezug auf die PMMA-Formmassen einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Gegenstand hatten (vgl. die oben in Randnr. 57 angeführte Rechtsprechung). 67 Es ist festzustellen, dass die Darstellung dieser Treffen hauptsächlich auf die Aussagen der von einem Geldbußenerlass begünstigten Degussa zurückgeht. Diese ordnet ihnen aber in Bezug auf die PMMA-Formmassen eindeutig einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Inhalt zu (siehe Randnrn. 110, 111, 113, 115, 116, 118 bis 120 und 123 der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet. 68 Die Klägerin trägt demgegenüber zum einen vor, dass diese Erklärungen an sich kein hinreichender Beweis für die Zuwiderhandlung seien und sie zum anderen nicht durch weitere Beweismittel untermauert würden. 69 Wie der oben in den Randnrn. 58 bis 60 angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, kommt hierbei Erklärungen, die im Rahmen der Kronzeugenregelung abgegeben werden, besondere Bedeutung zu. Diese im Namen von Unternehmen abgegebenen Erklärungen haben einen nicht unwesentlichen Beweiswert, da sie mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sind (vgl. auch Urteil des Gerichts vom 24. März 2011, Aalberts Industries u. a./Kommission, T-385/06, Slg. 2011, II-1223, Randnr. 47). Aus der oben in den Randnrn. 59 und 61 angeführten Rechtsprechung geht aber auch hervor, dass die Aussagen von beschuldigten Unternehmen im Rahmen von Anträgen nach der Mitteilung über Zusammenarbeit kritisch zu betrachten sind und, sofern sie bestritten werden, im Allgemeinen ohne Untermauerung nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen werden können. 70 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind jedoch die Aussagen von Degussa darüber, dass im betreffenden Zeitraum wettbewerbswidrige Gespräche betreffend PMMA-Formmassen stattgefunden hätten, durch weitere Beweismittel hinreichend untermauert. 71 In erster Linie ist zu betonen, dass Degussa nicht die einzige Informationsquelle für die Kommission war. Die Schilderung des Treffens vom 11. Mai 1999 (Randnr. 122 der angefochtenen Entscheidung) beruht nämlich auf einer Aussage von Lucite. Auch wenn Degussa, die an diesem Treffen nicht teilgenommen hat, dieses bei ihrer eigenen Aussage nicht erwähnt hat, untermauert die Aussage von Lucite gleichwohl die Behauptung von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Teilnahme der Klägerin an diesem Kartell. 72 Zweitens hat die Kommission für den größten Teil dieser Zusammenkünfte Beweismittel zusammengetragen (wie Tagesordnungsvermerke, Kostennoten), die bescheinigen, dass das Treffen stattgefunden hat oder betreffende Personen daran teilgenommen haben. Auch wenn, wie die Klägerin zu Recht vorträgt, der Umstand, dass eine Zusammenkunft der Konkurrenten stattgefunden hat, allein nicht ausreicht, um dessen wettbewerbswidrigen Charakter zu belegen, ist gleichwohl davon auszugehen, dass es sich um Anhaltspunkte handelt, die die Aussagen von Degussa in gewissem Umfang untermauern. 73 Drittens hat Lucite in seinem Antrag vom 11. Juli 2003 nach der Mitteilung über Zusammenarbeit Erklärungen abgegeben, die im Allgemeinen das Bestehen eines im Nachprüfungsbeschluss angesprochenen Kartells auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell bestätigen. 74 Wohl handelt es sich zwar um allgemeine Aussagen, doch gehen sie in die gleiche Richtung wie die von Degussa. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, einschließlich der Unterlagen und des Personalbestands, von der Klägerin auf Lucite übertragen wurden, so dass deren Aussagen über die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung besonderes Gewicht zukommt. 75 Viertens hat Atofina in ihrem Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit eingeräumt, mindestens seit dem 23. Januar 1997 an einem Kartell auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen teilgenommen zu haben. Im Übrigen haben die Gesellschaften, aus denen sich das Unternehmen Atofina zusammensetzt (Arkema, Altuglas und Altumax auf der einen sowie Total und Elf Aquitaine auf der anderen Seite), das Bestehen eines solchen Kartells im Rahmen ihrer jeweiligen Klagen gegen die angefochtene Entscheidung nicht bestritten (Rechtssachen T-206/06 und T-217/06). 76 Zwar ist das Treffen vom 26. Oktober 1999 die erste wettbewerbswidrige Zusammenkunft betreffend die PMMA-Formmassen, für die in einer Mitteilung von Atofina vom 10. Juni 2003 die Anwesenheit von ICI Acrylics erwähnt wird. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass Atofina in dieser Mitteilung das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen in der Zeit von 1998 bis 2001 eindeutig bestätigt. Daher untermauert auch diese Äußerung die entsprechenden Aussagen von Degussa. 77 Fünftens ist zu unterstreichen, dass der angefochtenen Entscheidung zufolge mindestens sieben der zehn untersuchten Zusammenkünfte sowohl die PMMA-Formmassen als auch die PMMA-Massivplatten betrafen (siehe Randnrn. 110, 111, 115, 116 und 118 bis 120 der angefochtenen Entscheidung) und dass die Klägerin den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis nicht bestreitet. Es handelt sich um einen Anhaltspunkt, der gleichfalls die Glaubhaftigkeit der die Schilderung dieser wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte betreffenden Aussagen von Degussa verstärkt. 78 Sechstens nahm an einigen der oben in Randnr. 77 genannten Treffen, auch an der als zeitlichen Beginn der Zuwiderhandlung angenommenen Zusammenkunft vom 23. Januar 1997, Herr D. teil, der bei ICI Acrylics eine gehobene Position einnahm und der sowohl für die PMMA-Formmassen als auch für die PMMA-Massivplatten verantwortlich war. Da die Klägerin weder den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis bestreitet, noch die Beurteilung der Kommission beanstandet, wonach die betroffenen Unternehmen „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten]“ (siehe Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung sowie oben, Randnr. 50 zweiter Gedankenstrich), handelt es sich um ein Indiz dafür, dass auch die PMMA-Formmassen im Zuge dieser Zusammenkünfte behandelt wurden. 79 In Anbetracht dieser Anhaltspunkte ist festzustellen, dass sie, zusammengenommen, ein Bündel von hinreichend übereinstimmenden Indizien bilden, um die Aussagen von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell zu untermauern. 80 Die von der Klägerin zur Bedeutung der Aussagen von Degussa vorgebrachten Argumente können an diesem Ergebnis nichts ändern. 81 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin können die Aussagen von Degussa nämlich nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil es sich um Äußerungen von Bevollmächtigten des Unternehmens im Rahmen eines Antrags auf Erlass der Geldbuße handelt (siehe insbesondere oben, Randnrn. 59 und 60). Außerdem haben sich, auch wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich einige auf die Aussagen von Degussa gestützte Beschwerdepunkte fallen lassen musste (wie insbesondere sämtliche Beschwerdepunkte betreffend MMA, das Ausgangsmaterial für die PMMA-Produktion), diese Aussagen gleichwohl als umfassend zutreffend erwiesen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Der Beweis dafür besteht u. a. darin, dass drei weitere Unternehmen, nämlich die Klägerin, Atofina und Lucite, in Bezug auf das von Degussa angesprochene Kartell Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben. Im Übrigen hat, mit Ausnahme der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, keines dieser Unternehmen im Rahmen seiner Klage gegen die angefochtene Entscheidung das Bestehen der Zuwiderhandlung bestritten (Rechtssachen T-206/06, T-217/06 und T-216/06). Insbesondere hat die Klägerin selbst implizit die Bedeutung des Antrags von Degussa auf Erlass der Geldbuße bestätigt, da sie ihre Beteiligung am Kartell in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen eingeräumt hat. 82 Da die Aussagen von Degussa hinreichend untermauert sind, kann, anders als die Klägerin meint, ihrer Auffassung, wonach der die PMMA-Formmassen betreffende Teil der Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere ihrer Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße keine Berücksichtigung finden könne, nicht gefolgt werden. 83 Ferner trägt die Klägerin auch zu Unrecht im Wesentlichen vor, dass die Einstufung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung als ein einziger und fortdauernder Verstoß betreffend die drei PMMA-Produkte, darunter die Formmassen (siehe oben, Randnr. 49), keine Auswirkungen auf die Prüfung des vorliegenden Klagegrundes haben könne. 84 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81). Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission selbst dann berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen nach Maßgabe der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 258 und die dort angeführte Rechtsprechung), wenn das betreffende Unternehmen nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen der Zuwiderhandlung unmittelbar mitgewirkt hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T-101/05 und T-111/05, Slg. 2007, II-4949, Randnr. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung). 85 Zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens an einer derartigen einheitlichen Vereinbarung hat die Kommission nach der Rechtsprechung zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und dass es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 87, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 83). 86 Um die Klägerin für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen und die Höhe der Geldbuße entsprechend festzusetzen, hätte es daher für die Kommission genügt, nachzuweisen, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell auch in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T-28/99, Slg. 2002, II-1845, Randnr. 45, und Bolloré u. a./Kommission, oben in Randnr. 60 angeführt, Randnr. 209). 87 Die oben geprüften Anhaltspunkte sind hierfür aber bei Weitem ausreichend. 88 Insbesondere ist daran zu erinnern, dass sich das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum aus den Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina, ergibt. 89 Im Übrigen stellt die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für die während desselben Zeitraums begangene Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen nicht in Abrede. Ebenso wenig bestreitet sie das Bestehen einer einheitlichen Zuwiderhandlung als solcher. Insbesondere versucht sie, ungeachtet einiger fragmentarischer Argumente in der Erwiderung, nicht einmal, die oben in den Randnrn. 49 und 50 wiedergegebenen Argumente in Zweifel zu ziehen, die die Kommission veranlasst haben, vom Bestehen einer einzigen Zuwiderhandlung auszugehen. 90 So stellt die Klägerin u. a. nicht die Feststellungen der Kommission in Frage, wonach ihr bei den wettbewerbswidrigen (der Klägerin zufolge auf andere Erzeugnisse beschränkten) Zusammenkünften anwesender Vertreter für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig gewesen sei „und [wusste], oder [hätte] wissen müssen“, dass diese Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden. Ebenso wenig beanstandet sie die Behauptung der Kommission, sie sei ein „voll [integrierter] Hersteller“ gewesen und habe „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachtet]“ (siehe oben, Randnr. 50 zweiter und vierter Gedankenstrich). 91 Aber, selbst unterstellt, die von der Kommission zusammengetragenen Anhaltspunkte genügten nicht für den Nachweis der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil des Kartells, sind sie zumindest für den Nachweis des Bestehens wettbewerbswidriger Kontakte hinsichtlich dieses Erzeugnisses während des betreffenden Zeitraums sowie dessen bei Weitem ausreichend, dass die einzige Zuwiderhandlung auch dieses Erzeugnis erfasste. Dies ergibt sich u. a. aus den übereinstimmenden Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina. 92 Diese Erwägungen genügen, um zumindest darzutun, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte. 93 Bei dieser Fallgestaltung konnte aber ihre Verantwortlichkeit für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung finden, so dass der auf deren Herabsetzung gerichtete Antrag auf dieser Grundlage zurückzuweisen ist. 94 Aus alledem ergibt sich schließlich, dass die behauptete Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin in Bezug auf das Treffen vom 26. Oktober 1999 keinerlei praktische Auswirkungen auf die Beurteilung des vorliegenden Klagegrundes hätte und die entsprechende Rüge der Klägerin daher als ins Leere gehend zurückzuweisen ist. 95 Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm zum einen der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung und zum anderen der Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung untermauert werden soll. Zum zweiten Klagegrund, mit dem die fehlende Begründung in der angefochtenen Entscheidung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt wird 96 Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Modalitäten für die Bestimmung des in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgelegten Grundbetrags der Geldbuße (32,5 Mio. Euro) nicht erläutert zu haben und somit das Gericht daran zu hindern, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der „wichtigsten Bezugsgröße“ bei der Bemessung der Geldbuße zu prüfen. Die Kommission habe sich nämlich damit begnügt, anzugeben, aus welchen Gründen sie die Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend eingestuft habe, und die Unternehmen anhand ihrer relativen Größe in drei Kategorien aufzuteilen. Sie habe jedoch weder erläutert, wie sie zu den jeder einzelnen dieser Kategorien zugeordneten Beträgen gelangt sei, noch, weshalb der für die Klägerin festgelegte Betrag über den in den Leitlinien für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro weit hinausgehe. Damit habe die Kommission die ihr nach Art. 253 EG obliegende Begründungspflicht verletzt. 97 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, das die Begründungspflicht darstellt, was die Berechnung der verhängten Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 anbelangt, erfüllt sind, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C-248/98 P, Slg. 2000, I-9641, Randnr. 42, Sarrió/Kommission, C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, Randnr. 73, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 463). 98 Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin selbst ein, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zum einen angegeben hat, aus welchen Gründen sie den Verstoß als besonders schwer eingestuft hat, und zum anderen, weshalb sie entschieden hat, die betroffenen Unternehmen in drei Kategorien aufzuteilen und jeder dieser Kategorien einen anderen Ausgangsbetrag der Geldbuße zuzuordnen. 99 Im Übrigen lässt sich anhand der Prüfung der Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung feststellen, dass die Kommission tatsächlich eine insoweit hinreichende Begründung geliefert hat. Insbesondere ist der angefochtenen Entscheidung eindeutig zu entnehmen, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße namentlich auf die Art der Zuwiderhandlung gestützt ist, die anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, der Größe des betreffenden räumlichen Marktes, also des Gebiets des EWR (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung), und der Anwendung einer differenzierten Behandlung auf diese Unternehmen ermittelt wurde, um deren wirkliche wirtschaftliche Durchsetzungskraft für eine erhebliche Schädigung des Wettbewerbs zu berücksichtigen, die aufgrund der mit dem Verkauf von PMMA-Produkten erzielten Umsätze eingeschätzt wurde, mit denen sie an dem in Rede stehenden Kartell beteiligt waren (siehe Randnrn. 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung). Im letztgenannten Zusammenhang hat die Kommission auch den in Volumen und Wert ausgedrückten Gesamtumfang des Marktes für PMMA-Produkte in den Jahren 2000 und 2002 erwähnt (siehe Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung). Demnach ist die Behauptung der Klägerin, die Kommission habe nicht erläutert, weshalb die Schwere der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung die Festsetzung eines solchen Grundbetrags rechtfertige, sachlich unzutreffend. 100 Soweit die Klägerin das Fehlen einer spezifischen Begründung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro beanstandet, der den wie sie in die zweite Kategorie eingestuften Unternehmen zugeordnet worden sei, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen der Begründungspflicht die Kommission nicht zwingen, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen (Urteile Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 80, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 464). Die Kommission war daher nicht nach Art. 253 EG verpflichtet, ihre Entscheidung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro als Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße eingehender zu begründen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361). 101 Zum Vorbringen der Klägerin, wonach die oben in Randnr. 100 angeführte Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Höhe des Ausgangsbetrags der Geldbuße im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, genügt der Hinweis, dass diese Rechtsprechung auch in einer Rechtssache Anwendung gefunden hat, in der die Kommission einen noch weit höheren Ausgangsbetrag festgesetzt hatte als hier (Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361). Auch die Behauptung der Klägerin, der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße gehe über den für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro „weit“ hinaus, vermag an der oben in Randnr. 100 getroffenen Einschätzung nichts zu ändern. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass dieser Schwellenwert nur eine in den Leitlinien für derartige Verstöße vorgesehene Untergrenze darstellt, da diese bestimmen, dass die „voraussichtlichen Beträge“„oberhalb von 20 Millionen [Euro]“ liegen. 102 Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Zum dritten Klagegrund, betreffend das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen 103 Die Klägerin trägt vor, als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen einer einheitlichen Gesamtheit von Vermögenswerten, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gewesen seien, seien sie selbst und Lucite nacheinander Beteiligte an der mutmaßlichen Zuwiderhandlung gewesen und hätten daher zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen. Dementsprechend hätte der dieser „einheitlichen Schwere“ entsprechende Betrag der Geldbuße auf sie aufgeteilt werden müssen, um zu vermeiden, dass die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“, der nach den Leitlinien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung ausschlaggebende Maßstab, doppelt berücksichtigt werde. Die Geldbuße sei jedoch so berechnet worden, als ob die Klägerin und Lucite jeweils einen unterschiedlichen und gleichzeitigen Einfluss auf den Wettbewerb ausgeübt hätten. Diese Berechnungsmethode habe – für eine einheitliche Zuwiderhandlung – zu einer Geldbuße geführt, die allein deshalb erheblich höher gewesen sei, weil es bei einem Unternehmen einen Eigentümerwechsel gegeben habe, und nicht deshalb, weil dem Wettbewerb zusätzlicher Schaden zugefügt worden wäre oder die Klägerin irgendeinen Fehler begangen hätte. Dadurch habe Kommission gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen. 104 Hierzu ist zunächst das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, der vorliegende Klagegrund sei unzulässig. Er wird nämlich zur Stützung der oben in Randnr. 36 aufgeführten Anträge geltend gemacht und würde, wäre er denn begründet, zur Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße führen. Damit beanstandet die Klägerin entgegen dem Vorbringen der Kommission die Höhe ihrer eigenen Geldbuße, nicht aber die Höhe der Geldbuße, die gegen einen Dritten verhängt wurde. 105 Ferner geht aus den Schriftsätzen der Klägerin eindeutig hervor, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn in dessen Überschrift auf den „Grundbetrag“ der Geldbuße Bezug genommen wird, nur den „die Schwere betreffenden Teil der Geldbuße“, d. h. konkret den in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro, betrifft. Zudem beanstandet die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht die oben in den Randnrn. 25 und 26 erwähnten Beurteilungen der Kommission. 106 Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerin vorträgt, verpflichtet war, diesen Ausgangsbetrag der Geldbuße auf die Klägerin und Lucite aufzuteilen. 107 Der angefochtenen Entscheidung zufolge waren die Klägerin und Lucite an der Zuwiderhandlung mit denselben Vermögenswerten beteiligt wie ICI Acrylics, die Einheit, die am 2. November 1999, also etwa in der Mitte des Zeitraums der Zuwiderhandlung, vom erstgenannten auf das zweitgenannte Unternehmen übertragen wurde. Dieses Datum stellt im Übrigen einen Zeitpunkt der „Aufteilung“ der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite dar (siehe oben, Randnr. 21). Außerdem hat die Kommission im Rahmen der differenzierten Behandlung dieser beiden Unternehmen den von Lucite im Jahr 2000 erzielten eigenen Umsatz berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat sie die Ausgangsbeträge der Geldbußen der beiden Unternehmen auf jeweils 32,5 Mio. Euro festgesetzt (siehe Randnrn. 334 und 336 der angefochtenen Entscheidung). 108 Demnach kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass die Anwendung derselben Methode für die Berechnung der Geldbuße, unterstellt ICI Acrylics hätte nicht den Eigentümer gewechselt, die Kommission veranlasst hätte, einen einzigen Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro festzusetzen, den sie diesem einzigen Unternehmen zugeordnet hätte. Folglich erscheint die Behauptung der Klägerin, die Übertragung der ICI Acrylics als solche habe sich auf den Gesamtbetrag der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbußen ausgewirkt, begründet. 109 Gleichwohl ist die Auffassung der Klägerin, die Kommission hätte anders vorgehen und den Ausgangsbetrag zwischen den beiden betroffenen Unternehmen aufteilen müssen, zurückzuweisen. 110 In erster Linie beruht diese Auffassung im Wesentlichen auf der Annahme, dass die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eng mit der „Auswirkung auf den Wettbewerb“ oder mit dessen „Schädigung“ verknüpft sein müsse und dass die Klägerin und Lucite als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen der Vermögenswerte von ICI Acrylics dementsprechend zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf den Wortlaut der Leitlinien, wonach bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ zu berücksichtigen sei. 111 Diese Annahme geht jedoch fehl. 112 Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis als solche bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 118, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C-534/07 P, Slg. 2009, I-7415, Randnr. 96). Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnrn. 241 und 242 und die dort angeführte Rechtsprechung), und beispielsweise Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen handelt (vgl. Urteile Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 118, sowie Prym und Prym Consumer/Kommission, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). 113 Außerdem hat die Klägerin die Leitlinien nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Nach deren Ziff. 1 A sind nämlich „[b]ei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes … seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“. In Anwendung dieser Kriterien werden „[d]ie Verstöße … in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“. Hinsichtlich der besonders schweren Verstöße heißt es in den Leitlinien u. a., dass es sich „sich im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle [handelt]“ und dass die voraussichtlichen Ausgangsbeträge „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ liegen. Außerdem ermöglicht nach den Leitlinien „innerhalb der einzelnen Kategorien von Zuwiderhandlungen … die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes“. 114 Die Leitlinien stellen daher im Zusammenhang mit der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße klar auf die Art der Zuwiderhandlung als bei der Beurteilung ihrer Schwere entscheidenden Gesichtspunkt ab (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone Lorraine/Kommission, T-73/04, Slg. 2008, II-2661, Randnr. 91). Was die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung betrifft, sehen die Leitlinien das Kriterium der „konkreten Auswirkungen auf den Markt“ vor, das die Zuwiderhandlung als Ganzes betrifft, nicht aber die Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens der einzelnen Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, C-554/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 21 und 24), wobei klargestellt wird, dass sie nur Berücksichtigung finden, „sofern diese messbar sind“. 115 Im Übrigen ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass „es nicht möglich [gewesen sei,] die tatsächlichen Auswirkungen der [streitigen] Zuwiderhandlung … auf den EWR zu bemessen“, und sie hat daher ausgeführt, dass sie im Rahmen der Bemessung der Geldbuße nicht „auf derlei spezifisch[e] Auswirkungen [der Zuwiderhandlung auf den Markt]“ (Randnr. 321 der angefochtenen Entscheidung) Bezug genommen habe. Sie ist mithin auf der Grundlage ihrer Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, und der Größe des betreffenden räumlichen Marktes (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen besonders schweren Verstoß handelte. 116 Diese von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandete Vorgehensweise steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach horizontale Preisabsprachen oder Marktaufteilungen allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden können, ohne dass die Kommission namentlich konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste (Urteile des Gerichtshofs Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 75, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Randnr. 103). 117 Das von der Klägerin herangezogene Kriterium der „tatsächliche[n] Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ wird im vorletzten Absatz von Ziff. 1 A der Leitlinien erwähnt, in dem es heißt, dass „[b]ei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind (Kartelle), … in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen … Gruppen festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“. Mithin handelt es sich lediglich um ein fakultatives Kriterium, das bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, eine Anpassung des Ausgangsbetrags der Geldbuße ermöglicht, nicht aber um ein für die Bestimmung dieses Betrags ausschlaggebendes Kriterium. Im Übrigen betrifft dieses Kriterium nicht die quantitative Erfassung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens der einzelnen an einer bestimmten Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, sondern die Berücksichtigung möglicherweise zwischen ihnen bestehender objektiver Unterschiede wie u. a. einen erheblichen Größenunterschied bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße. 118 Folglich ließe der Eigentümerwechsel bei ICI Acrylics, selbst unterstellt, dieser Umstand hätte, wie die Klägerin behauptet, keine zusätzliche Schädigung des Wettbewerbs nach sich gezogen, nicht den Schluss zu, dass die Klägerin und Lucite zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten und der Ausgangsbetrag der Geldbuße daher auf sie hätte aufgeteilt werden müssen. 119 In zweiter Linie lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit einer Aufteilung des Ausgangsbetrags der Geldbuße auf sie und Lucite außer Betracht, dass die der Bestimmung dieses Betrags zugrunde liegenden Erwägungen (siehe Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung) in vollem Umfang auf sie anwendbar sind. 120 Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben sowohl die Klägerin als auch Lucite die in Art. 1 dieser Entscheidung genannte Zuwiderhandlung begangen. Tatsächlich bestreitet die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für eine solche Zuwiderhandlung nicht (siehe oben, Randnr. 40). Ebenso wenig beanstandet sie die Beurteilung der Kommission, wonach sie „als Unternehmen im Sinne von Artikel 81 [EG]“ zu betrachten sei (Randnr. 288 der angefochtenen Entscheidung). 121 Außerdem rügt sie weder die von der Kommission in den Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung noch deren Einschätzung, dass im Rahmen der differenzierten Behandlung der von Lucite mit dem Verkauf von PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielte Umsatz ein angemessener Indikator für die relative Größe und wirtschaftliche Macht von ICI Acrylics auf dem maßgebenden Markt sei (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung). 122 Unter diesen Umständen läuft das Vorbringen der Klägerin in Wirklichkeit darauf hinaus, in Bezug auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße allein deshalb eine Vorzugsbehandlung gegenüber den anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung zu fordern, weil sie die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, übertragen hat. 123 Die von ihr begangene Zuwiderhandlung ist jedoch allein dadurch nicht weniger schwerwiegend geworden. Gegen die Klägerin wurde somit genau derselbe Ausgangsbetrag der Geldbuße festgesetzt, wie wenn sie sich, anstatt ICI Acrylics mit Wirkung vom 2. November 1999 auf Lucite zu übertragen, zum selben Zeitpunkt lediglich von der Zuwiderhandlung zurückgezogen hätte. 124 Folglich hat die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen, ungeachtet der Tatsache, dass sie mit denselben Vermögenswerten wie später Lucite an dem Kartell beteiligt war, eine Zuwiderhandlung begangen, deren Schwere die Festsetzung des von der Kommission bei ihr zugrunde gelegten Ausgangsbetrags rechtfertigte. Daher ist ihrer Auffassung, dass dieser Ausgangsbetrag auf sie und Lucite hätte aufgeteilt werden müssen, nicht zu folgen. 125 Die übrigen Argumente der Klägerin sind nicht geeignet, an diesem Ergebnis etwas zu ändern. 126 Sie macht erstens geltend, dass betreffend die Geldbuße die „Aufteilung des Maßstabs ‚Dauer‘“ auf sie und Lucite nicht hinreichend sei. Nach der Methode der Leitlinien sei es nämlich betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Schwere‘“, der stärkere Auswirkungen auf den Grundbetrag der Geldbuße habe, da der Ausgangsbetrag um lediglich 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung erhöht werde. In Ermangelung einer „linearen Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße seien daher, auch wenn der „Maßstab ‚Dauer‘“ auf die Klägerin und Lucite aufgeteilt worden sei, ihre Grundbeträge zusammengenommen höher als derjenige, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten. 127 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Grundbetrag der Geldbuße der Klägerin anhand der Dauer ihrer eigenen Beteiligung an der Zuwiderhandlung bestimmt wurde (siehe oben, Randnr. 26). Somit wurde, wie die Kommission zu Recht betont, betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Dauer‘“ tatsächlich auf die Klägerin und Lucite „aufgeteilt“. 128 Zwar übersteigen, wie die Klägerin vorträgt, die Ausgangsbeträge für die Klägerin und für Lucite zusammengenommen denjenigen, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten (siehe oben, Randnr. 108). Doch ist festzustellen, dass dies die einfache Folge der Anwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode ist, die die Politik widerspiegeln, die die Kommission im Rahmen der Festsetzung von Geldbußen verfolgen wollte. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommission insoweit verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 109), durfte sie aber eine solche Relation zwischen den Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung herstellen. 129 Dass dem Kriterium der Schwere der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße höheres Gewicht zukam als dem der Dauer der Zuwiderhandlung, erlaubt es daher nicht, der Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit – betreffend die Geldbuße – einer „Aufteilung des Maßstabs ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite beizupflichten. 130 Im Übrigen wäre im vorliegenden Fall eine „lineare Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße, also die Multiplikation des Ausgangsbetrags der Geldbuße mit der Zahl der Jahre der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, zulasten der Klägerin hergestellt worden, da sie zu einem höheren Grundbetrag als demjenigen geführt hätte, der für sie festgesetzt wurde. 131 Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, das auf die Aussage der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt ist, dass dann, „wenn das Unternehmen, das die Vermögenswerte erworben hat, den Verstoß gegen Art. 81 [EG] und/oder Art. 53 EWR-Abkommen, fortsetzt, … die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind, aufzuteilen [ist]“ (Randnr. 347 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). 132 Entgegen den Ausführungen der Klägerin enthält diese Aussage keine Konkretisierung hinsichtlich der Frage – betreffend die Geldbuße – einer etwaigen Aufteilung des „Elements ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite. Wie sich der von der Kommission verwendeten Formulierung und ihrer Platzierung in Abschnitt 5.6 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig entnehmen lässt, betrifft diese Aussage lediglich die Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, im Zusammenhang mit der Bestimmung der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dasselbe Ergebnis folgt zwingend aus dem Verweis in einer Fußnote zu Randnr. 43 der Entscheidung 89/190/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.865, PVC) (ABl. 1989, L 74, S. 1). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eine solche Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite vorgenommen hat (siehe oben, Randnr. 21). 133 Die Klägerin macht drittens geltend, die Kommission habe in ihrer früheren Entscheidungspraxis eine Methode angewandt, die darin bestanden habe, die Geldbuße entsprechend den Zeiträumen des Eigentums an einer an der Zuwiderhandlung beteiligten Einheit aufzuteilen. 134 Hierzu genügt der Hinweis, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für die Bemessung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht dient, da die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfügt, bei dessen Ausübung sie nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden ist (vgl. Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung). 135 Auf jeden Fall zieht die Klägerin nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel, wonach, anders als in der vorliegenden Rechtssache, bei den von ihr herangezogenen Entscheidungen die Übertragung einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Tochtergesellschaft vorgelegen habe. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Abweichung des Sachverhalts im Rahmen der Bemessung der Geldbuße, da in Ermangelung einer Rechtspersönlichkeit von ICI Acrylics gegen diese keine Geldbuße festgesetzt werden konnte. Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall keinesfalls in sachdienlicher Weise auf die Entscheidungspraxis der Kommission bei der Übertragung einer Tochtergesellschaft während des Zeitraums der Zuwiderhandlung berufen. 136 Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes auch die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung erwähnt. Sie trägt insoweit jedoch keine anderen spezifischen Argumente vor als die oben geprüften, die das Vorliegen der angeblichen Verpflichtung der Kommission betreffen, wegen des Fehlens einer sich aus der Übertragung ergebenden zusätzlichen Schädigung des Wettbewerbs „das ‚Element Schwere‘ aufzuteilen“. Daher sind auch diese Argumente zurückzuweisen. 137 Demnach ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Zum vierten Klagegrund, mit dem die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt wird 138 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, dass die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Klägerin verkannt habe. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, die Kommission habe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt. Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kommission gerügt wird 139 Nach Ansicht der Klägerin ist die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der hinreichenden Abschreckung um 50 % unter Verkennung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit erfolgt. Wie sie während der Ermittlungen dargetan habe, werde diese von ihrem Umsatz, auf den die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung abgestellt habe, nicht angemessen widergespiegelt. Das Umsatzkriterium sei für die Wirtschaftskraft eines Unternehmens zwar als „Anhaltspunkt“ oder „Näherungswert“ einschlägig, aber nicht hinreichend, wenn das betreffende Unternehmen weitere seine Wirtschaftskraft betreffende Beweise vorlege. Daher sei die fragliche Erhöhung aufzuheben. 140 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung erklärt hat, dass in der Kategorie der sehr schwerwiegenden Zuwiderhandlungen die Bandbreite der möglichen Geldbußen die Festsetzung der Geldbußen in einer Höhe ermögliche, die „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen“ eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Bei der Ermittlung der Größe und der Wirtschaftskraft der Klägerin hat die Kommission deren weltweiten Umsatz im Jahr 2005 berücksichtigt, dem letzten Geschäftsjahr vor dem Jahr, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (8,49 Mrd. Euro), und beschlossen, auf ihre Geldbuße einen Multiplikationsfaktor von 1,5 anzuwenden (siehe Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung). 141 In diesem Zusammenhang führte die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin zur Beurteilung ihrer Wirtschaftskraft anhand des Umsatzes aus, dass sie den Umsatz als vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke eines Unternehmens betrachte und dass sie im vorliegenden Fall dieses Kriterium für alle Unternehmen gleich gewichtet habe (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung). 142 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Abschreckungswirkung zu den Kriterien gehört, die bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung sollen mit Geldbußen wegen Verstößen gegen Art. 81 EG, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer abgeschreckt werden, künftig Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts zu begehen. Daher kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C-289/04 P, Slg. 2006, I-5859, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). 143 Dass Größe und Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C-413/08 P, Slg. 2010, I-5361, Randnr. 104). So ist entschieden worden, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden kann (Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T-279/02, Slg. 2006, II-897, Randnr. 278). 144 Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die Kommission die Möglichkeit habe, der Größe und der Wirtschaftskraft des Unternehmens Rechnung zu tragen, um die Höhe der Geldbuße anzupassen. Sie zieht jedoch in Zweifel, dass das Kriterium des Umsatzes bei der Beurteilung ihrer eigenen Größe und ihrer Wirtschaftskraft maßgebend sei. 145 Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine – wenn auch nur annähernde und unvollständige Aussage – zu dessen Größe und Wirtschaftskraft erlaubt (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 243 und die dort angeführte Rechtsprechung). So ist bereits entschieden worden, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichende Abschreckungswirkung sicherstellt, den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen kann (Urteile des Gerichtshofs Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 142 angeführt, Randnrn. 15 bis 18, und vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C-266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 120, Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Randnr. 96). 146 Obwohl die Rechtsprechung ausdrücklich einräumt, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine möglicherweise „unvollständige“ und „annähernde“ Aussage zu dessen Größe und Wirtschaftskraft darstellt, bestätigt sie zugleich die Anwendung dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung. Diese Lösung hat den unbestreitbaren Vorteil, der Kommission im Rahmen der Bemessung der Geldbußen den Rückgriff auf ein objektives Kriterium und dessen unterschiedslose Anwendung auf alle betroffenen Unternehmen zu ermöglichen. 147 Folglich ist die Behauptung, der Umsatz eines Unternehmens spiegele dessen Wirtschaftskraft nur unvollständig oder annähernd wider, als solche nicht ausreichend, um die Erheblichkeit dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung zu verneinen. 148 Zwar darf, wie die Klägerin im Wesentlichen vorträgt, nicht aus dem Blick geraten, welches Ziel mit der Anwendung dieser Erhöhung verfolgt wird, nämlich die Anpassung der Geldbuße in der Weise, dass sie insbesondere im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (vgl. oben, Randnr. 143, und Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T-410/03, Slg. 2008, II-881, Randnr. 379). 149 Jedoch lässt sich anhand des Vorbringens der Klägerin nicht feststellen, dass ihr von der Kommission berücksichtigter Umsatz einen so irreführenden Eindruck ihrer Leistungsfähigkeit vermittelte, dass dieses Ziel im vorliegenden Fall verfehlt worden wäre. 150 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von ihr vorgebrachten Argumente und Zahlen auf keinen konkreten Anhaltspunkt stützt, da in der Klageschrift insoweit auf keine Unterlagen Bezug genommen wird. 151 Ferner beschränkt sich die Klägerin in der Klageschrift darauf, das Vorliegen einer Verbindlichkeit aus Pensionsverpflichtungen geltend zu machen, die umfangreicher sei, als ihre Größe vermuten lasse, sowie eine auf die Finanzierung eines im Jahr 1997 erfolgten Erwerbs zurückzuführende Verschuldung, ohne jedoch substantiiert darzulegen, wodurch das Bestehen dieser Verbindlichkeiten die Erheblichkeit ihres von der Kommission berücksichtigten Umsatzes im Jahr 2005 beeinträchtigen sollte. 152 Wie die Kommission zutreffend bemerkt hat, geht es um Umstände, die mehrere Jahre betreffen und daher nicht zwangsläufig einen verlässlichen Indikator für die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu dem Zeitpunkt darstellen, zu dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, und die darüber hinaus grundsätzlich unvermeidbare Auswirkungen auf den Umsatz des Unternehmens haben. Im Übrigen bestätigt die Klägerin selbst in der Klageschrift, dass die in Rede stehende Verschuldung „Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten hatte“. Die Klägerin hat auch nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel gezogen, wonach sich die fraglichen Verbindlichkeiten zwangsläufig auf ihren Umsatz ausgewirkt hätten. 153 Zudem erläutert die Klägerin nicht, inwieweit das Kriterium des Umsatzes aufgrund der von ihr vorgetragenen Umstände ihre Leistungsfähigkeit nicht angemessen widerspiegele. Sie begnügt sich damit, schlicht und einfach die Aufhebung der von der Kommission angewandten Erhöhung zu beantragen. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin dadurch in die gleiche Lage gebracht würde wie Barlo und Lucite, bei denen keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen wurde. Der Umsatz dieser beiden Unternehmen machte im Jahr 2005 aber nur rund 4 % bzw. 13 % des Umsatzes der Klägerin aus (siehe Randnrn. 36 und 46 der angefochtenen Entscheidung). In Ermangelung überzeugender Beweise kann der Auffassung, der Umsatz der Klägerin sei hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit insoweit irreführend, nicht gefolgt werden. 154 Demnach hat die Klägerin die Beurteilung der Kommission nicht widerlegt, wonach ihr Umsatz einen „vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für [ihre] wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke“ liefere (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung). Daher konnte die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin auf diesen Umsatz abstellen, um die angemessene Erhöhung festzulegen (siehe oben, u. a. Randnrn. 146 und 147). 155 Darüber hinaus ist, soweit die Klägerin vorträgt, die Kommission habe versäumt, die im Verwaltungsverfahren in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit vorgelegten Beweise zu prüfen, auch dieses Vorbringen zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich um eine bloße Behauptung der Klägerin, die durch keinen konkreten Anhaltspunkt wie z. B. die Bezeichnung der Beweise, die die Kommission ignoriert habe, untermauert wird. Zum anderen und auf jeden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission das Vorbringen der Klägerin geprüft hat, wonach anhand ihres Umsatzes ihre Leistungsfähigkeit überschätzt worden sei, und dass sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Umsatz einen vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke abgegeben habe (Randnrn. 343 und 347 der angefochtenen Entscheidung). Wenn die Kommission nicht im Einzelnen auf jedes Argument der Klägerin eingegangen ist, erlaubt dies nicht die Behauptung als solche, dass diese Argumente nicht geprüft worden seien. 156 Schließlich trägt die Klägerin noch vor, dass die Notwendigkeit der Erhöhung im vorliegenden Fall besonders deshalb einer eingehenden Begründung bedurft hätte, weil sie dargetan habe, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe, dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe und dass die Geldbuße bereits sehr hoch gewesen sei. 157 Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße vorgenommen hat, um „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung [sicherzustellen]“ (Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung). Diese Stufe der Bemessung der Geldbuße ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Ausgangsbetrag der Geldbuße so anzupassen, dass die Geldbuße im Hinblick auf die Gesamtmittel des Unternehmens und seine Fähigkeit, die für die Bezahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen, eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet. Dementsprechend sind die Behauptungen der Klägerin, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe und dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe, in diesem Zusammenhang unerheblich und gehen daher ins Leere. 158 Im Ergebnis ist daher das Vorbringen im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes nicht geeignet, die bei der Klägerin in den Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Erhöhung in Frage zu stellen. 159 Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gerügt wird 160 Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission, selbst angenommen, sie wäre berechtigt gewesen, eine ausschließlich auf den Umsatz gestützte Erhöhung zu Abschreckungszwecken anzuwenden, die Adressaten der angefochtenen Entscheidung gerecht und in angemessenem Verhältnis hätte behandeln müssen. Die bei der Klägerin angewandte Erhöhung sei jedoch verhältnismäßig höher als die bei Atofina angewandte und verstoße daher gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung. 161 Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Klägerin ausführt, der von der Kommission im Fall der Klägerin berücksichtigte Umsatz (8,49 Mrd. Euro) tatsächlich um das 16-Fache geringer ist als der von Atofina (143 Mrd. Euro), während die auf die Geldbuße der Klägerin angewandte Erhöhung (50 %) nur um das Vierfache geringer ist als die bei Atofina (200 %). 162 Diese Feststellung reicht jedoch nicht aus, um den Umfang der bei der Klägerin angewandten Erhöhung im Hinblick auf die von ihr herangezogenen Grundsätze in Frage zu stellen. 163 Erstens bedeutet dieser Unterschied im Verhältnis zur Behandlung eines anderen Unternehmens nicht als solcher, dass die Erhöhung bei der Klägerin nicht in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck steht, nämlich laut Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung, die Festsetzung ihrer Geldbuße in einer Höhe, die in Anbetracht ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Macht eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstellt. Im Rahmen dieses Teils des Klagegrundes trägt die Klägerin hierzu jedoch nichts vor. 164 Auf jeden Fall liefe das Vorbringen der Klägerin, soweit sie ihren Blick auf die Situation von Atofina richtet und angenommen, es wäre begründet, darauf hinaus, dass die Erhöhung bei der Klägerin lediglich eine Größenordnung von 12,5 % (16-fach geringere Erhöhung als die bei Atofina angewandte von 200 %) hätte. Unter Berücksichtigung ihrer durch ihren Umsatz im Jahr 2005 widergespiegelten Größe und Wirtschaftskraft wäre eine solche Erhöhung aber nicht ausreichend, um das verfolgte Ziel zu erreichen. 165 Zweitens, selbst unterstellt, diese Unterscheidung ließe sich als Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betrachten, folgte daraus nicht zwangsläufig, dass die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, eine Herabsetzung der angewandten Erhöhung zu erwirken. 166 Die Kommission weist hierzu zutreffend darauf hin, dass die Klägerin versucht, die im Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission (T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181, Randnrn. 244 bis 249), entwickelte Lösung „umzukehren“. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte der Umsatz des Unternehmens Showa Denko KK (im Folgenden: SDK) um das Zweifache über dem des Unternehmens VAW Aluminium AG (im Folgenden: VAW) gelegen. Die Kommission hatte bei SDK aber eine um das Sechsfache höhere Erhöhung (150 %) angewandt als bei VAW (25 %). Bei dieser Sachlage hat das Gericht entschieden, die bei SDK angewandte Erhöhung durch eine Erhöhung um 50 %, also eine doppelt so hohe als die bei VAW angewandte, zu ersetzen. 167 Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Unternehmen wie die Klägerin zu seinen Gunsten auf eine angebliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen könnte, die sich daraus ergebe, dass die Erhöhung bei einem größeren Unternehmen, als sie es sei, nicht hinreichend hoch sei, um dem Größenunterschied zwischen diesen beiden Unternehmen Rechnung zu tragen. 168 Drittens und auf jeden Fall müsste die Angemessenheit des Umfangs der bei der Klägerin angewandten Erhöhung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls nicht nur im Verhältnis zu der bei Atofina angewandten Erhöhung, sondern auch im Verhältnis zu den bei den übrigen betroffenen Unternehmen angewandten Erhöhungen geprüft werden. 169 Insbesondere darf, wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, die vom Gericht im Rahmen der Prüfung dieses Teils des Klagegrundes gewählte Lösung nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen, die an der betreffenden Zuwiderhandlung beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 97, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 152). 170 In der Klageschrift bringt die Klägerin aber nichts dahin gehendes vor. 171 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in der angefochtenen Entscheidung in aufsteigender Reihenfolge folgende Erhöhungen vorgenommen wurden: — Bei Barlo mit einem Umsatz von 310,85 Mio. Euro (Randnr. 46 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen; — bei Lucite mit einem Umsatz von etwa 1,14 Mrd. Euro (Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen; — bei drei Gesellschaften der Total-Gruppe (Arkema, Altuglas und Altumax) mit einem Umsatz von 5,71 Mrd. Euro (Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung) wurde zur Bemessung der Erhöhung wegen nur bei diesen drei Gesellschaften vorliegender erneuter Zuwiderhandlung eine „hypothetische“ Erhöhung um 25 % vorgenommen (Multiplikator 1,25) (siehe Fn. 233 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus hat das Gericht bei seiner Entscheidung über die von diesen Gesellschaften gegen die angefochtene Entscheidung erhobene Klage die gegen diese verhängte Geldbuße herabgesetzt, indem es deren Gesamthöhe auf der Grundlage einer Erhöhung um 25 % zum Zweck der Abschreckung neu berechnet hat (Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2011, Arkema France u. a./Kommission, T-217/06, Slg. 2011, II-2593, Randnrn. 339 und 340); — bei der Klägerin mit einem Umsatz im Jahr 2005 von 8,49 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 50 % (Multiplikator 1,5) vorgenommen; — bei Degussa mit einem Umsatz von etwa 11,75 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 75 % (Multiplikator 1,75) vorgenommen; — bei Atofina (den fünf Gesellschaften der Total-Gruppe) wurde auf der Grundlage des Umsatzes der Total SA im Jahr 2005 von 143,168 Mrd. Euro eine Erhöhung um 200 % (Multiplikator 3) vorgenommen (Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung). 172 Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich somit klar, dass bei Atofina der Sonderfall eines Unternehmens mit einem weitaus höheren Umsatz als dem aller anderen betroffenen Unternehmen gegeben ist. Gegenüber den übrigen Unternehmen war das Vorgehen der Kommission hingegen kohärent, da sie für die Unternehmen, deren Umsätze 5,71, 8,49 bzw. 11,75 Mrd. Euro betrugen, Erhöhungen um 25 %, 50 % bzw. 75 % festgelegt hatte. 173 Zwar hat sich die Kommission nicht strikt an mathematische Koeffizienten und insbesondere daran gehalten, dass der relative Unterschied hinsichtlich der (in Prozenten ausgedrückten) Erhöhung zwischen Arkema und der Klägerin (+ 100 %) größer ist als der ihres Umsatzes (+ 48 %), wobei dieser Abstand in Bezug auf die Klägerin und Degussa (+ 50 % bei der Erhöhung und + 38 % beim Umsatz) geringer ist. 174 Diese Feststellung genügt jedoch nicht, um eine Verletzung der von der Klägerin herangezogenen Grundsätze nachzuweisen. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommission insoweit verfügt, und des mit den fraglichen Erhöhungen verfolgten Zwecks der Abschreckung kann von ihr nämlich nicht aufgrund der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verlangt werden, dafür zu sorgen, dass in der unterschiedlichen Höhe dieser Aufschläge getreu alle Unterschiede in Bezug auf den Umsatz der betreffenden Unternehmen zum Ausdruck kommen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 122). Wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, ist bei der Festsetzung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, zwar der Umsatz ein maßgebendes Kriterium, doch kann die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht zwangsläufig das Ergebnis eines bloßen, auf den Umsatz gestützten Rechenvorgangs sein (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr. 121, und Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 120). 175 Folglich lässt sich aufgrund der Behandlung der Unternehmen, die sich hinsichtlich ihres Umsatzes in einer Lage befanden, die eher mit der der Atofina als mit der der Klägerin zu vergleichen war, keine Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit feststellen. Vielmehr wäre die Argumentation der Klägerin, soweit diese begehrt, ausschließlich im gleichen Verhältnis wie Atofina behandelt zu werden, also im Wesentlichen mit einer Erhöhung um 12,5 % (siehe oben, Randnr. 164), würde man ihr folgen, geeignet, eine Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen betroffenen Unternehmen nach sich zu ziehen. 176 In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerin insbesondere den Fall von Lucite mit Stillschweigen übergeht. Es ist aber daran zu erinnern, dass die Klägerin und Lucite nacheinander mit denselben Vermögenswerten an der Zuwiderhandlung beteiligt waren und ihnen die Kommission aufgrund des gleichen Umsatzes mit PMMA-Produkten dieselben Ausgangsbeträge der Geldbuße zugewiesen hat. Somit wurden bis hierhin die Geldbußen dieser beiden Unternehmen daher in gleicher Weise berechnet, doch wurde anders als bei der Klägerin bei Lucite keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen. Da deren Umsatz jedoch um das 7,5-Fache geringer war als der der Klägerin, lässt sich nicht behaupten, dass die der Klägerin auferlegte Erhöhung um 50 % gegen die geltend gemachten Grundsätze verstieße. 177 Demnach ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. 178 Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen auch die von der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße, soweit sie auf der Erhöhung des Ausgangsbetrags zum Zweck der Abschreckung beruht, im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Daher ist der vierte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen. Zum fünften Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei 179 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil beanstandet die Klägerin, dass die Kommission sich geweigert habe, ihre Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, dass die Kommission den Wert ihrer Mitwirkung zumindest außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung hätte anerkennen müssen. Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes betreffend die Weigerung, die Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen 180 Dieser Teil des Klagegrundes beruht im Kern auf zwei Rügen. Zum einen wirft die Klägerin der Kommission vor, zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, dass die von der Klägerin übermittelten Angaben keinerlei Mehrwert für die Untersuchung der Kommission erbracht hätten. Zum anderen macht sie geltend, dass die Verzögerung, die im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen auf ihrer Seite bei der Übermittlung dieser Angaben aufgetreten sei, durch das Verhalten der Kommission hervorgerufen worden sei. – Zur Fehlbeurteilung des Mehrwerts der im Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit enthaltenen Angaben 181 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Kommission hinsichtlich der Methode für die Berechnung von Geldbußen ein weites Ermessen zusteht; sie kann insoweit eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, zu denen auch die Kooperationsbeiträge der betroffenen Unternehmen während der von den Dienststellen der Kommission durchgeführten Untersuchungen gehören. Die Kommission verfügt bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, insoweit über ein weites Ermessen (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C-328/05 P, Slg. 2007, I-3921, Randnrn. 81 und 88). 182 Eine Herabsetzung der Geldbuße auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit ist nur gerechtfertigt, wenn die gelieferten Informationen als Zeichen einer echten Zusammenarbeit des Unternehmens angesehen werden können, wobei das Ziel einer Herabsetzung der Geldbuße darin besteht, ein Unternehmen für einen Beitrag im Verwaltungsverfahren zu belohnen, der es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 305). Somit muss das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtern, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union festzustellen und zu verfolgen (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 499 und die dort angeführte Rechtsprechung); außerdem muss das Verhalten ein Zeichen echter Zusammenarbeit sein (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnrn. 395 und 396). 183 Im Hinblick auf die Ratio des Abschlags kann die Kommission nicht die Nützlichkeit der vorgelegten Information unberücksichtigt lassen, die sich zwangsläufig nach dem Beweismaterial richtet, das sich bereits in ihrem Besitz befindet (Urteil des Gerichts vom 28. April 2010, Gütermann und Zwicky/Kommission, T-456/05 und T-457/05, Slg. 2010, II-1443, Randnr. 221). 184 Im Übrigen ist die Kommission zwar verpflichtet, anzugeben, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, dass die von den Unternehmen im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit gemachten Angaben einen Beitrag darstellen, der eine Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße rechtfertigt oder auch nicht, demgegenüber haben aber die Unternehmen, die die entsprechende Entscheidung der Kommission anfechten wollen, nachzuweisen, dass diese in Ermangelung derartiger, von diesen Unternehmen freiwillig gelieferter Angaben nicht in der Lage gewesen wäre, die wesentlichen Elemente der Zuwiderhandlung zu beweisen und somit eine Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen zu erlassen (Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 297). 185 In ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission erläutert, unter welchen Voraussetzungen Geldbußen, die andernfalls verhängt worden wären, für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können. 186 Sie hat insbesondere ausgeführt, dass Unternehmen, die die Voraussetzungen für einen Erlass der Geldbuße nicht erfüllten, eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden könne (Nr. 20 der Mitteilung über Zusammenarbeit). Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, – so Nr. 21 dieser Mitteilung – „muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen“. 187 Im Übrigen heißt es in Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit: „Der Begriff ‚Mehrwert‘ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.“ 188 In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission ausgeführt, dass die Klägerin den Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit am 18. Oktober 2004 gestellt habe, nachdem bei der Kommission die Anträge auf Anwendung dieser Mitteilung von Degussa (am 20. Dezember 2002), Atofina (am 3. April 2003) und Lucite (am 11. Juli 2003) eingegangen gewesen seien (Randnr. 416 der angefochtenen Entscheidung). In Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung heißt es, die Kommission habe nach Maßgabe der Mitteilung über Zusammenarbeit die Einlassungen der Klägerin in der Reihenfolge ihres Eingangs dahin gehend geprüft, ob diese einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 dieser Mitteilung darstellten. Ausgehend von diesen Kriterien sei die Kommission davon ausgegangen, dass die von der Klägerin übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Mitteilung beinhalteten (Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung). 189 Die Klägerin ist in erster Linie der Ansicht, dass die Kommission ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium verwendet habe, um ihren Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße abzulehnen, da sie in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung ausführe, dass die von der Klägerin vorgelegten Dokumente sie nicht in die Lage versetzt hätten, „die … Sachverhalte zu beweisen“. In Anwendung von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit bestehe das zutreffende Kriterium aber darin, in welchem Ausmaß der Kommission dazu verholfen werde, den Sachverhalt zu beweisen. 190 Dieses Vorbringen ist sachlich unzutreffend und daher zurückzuweisen. 191 Wie nämlich oben in Randnr. 188 ausgeführt worden ist, geht aus den Randnrn. 416 bis 419 der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor, dass die Kommission die maßgebende Bestimmung der Mitteilung über Zusammenarbeit, nämlich deren Nr. 21, zutreffend angewandt hat, indem sie auf das Kriterium des „erheblichen Mehrwerts“ abstellte (siehe oben, Randnr. 188). Im Übrigen hat die Kommission im Schreiben vom 11. August 2005, mit dem sie die Klägerin über die Ablehnung ihres entsprechenden Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße unterrichtete, ausgeführt, dass „die [von der Klägerin] übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Nrn. 21 und 22 der [Mitteilung über Zusammenarbeit darstellten]“; somit hat die Kommission das maßgebende Kriterium genannt. 192 In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das von ihr gelieferte Material den in den Nrn. 21 und 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit genannten Anforderungen genüge. 193 Insoweit ist daran zu erinnern, dass es in Anwendung der oben in Randnr. 184 angeführten Rechtsprechung Sache der Klägerin ist, nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist jedoch zu betonen, dass die im Rahmen der vorliegenden Rüge entwickelte Argumentation, auch wenn die Klägerin in der Klageschrift ganz allgemein und nicht belegt auf die von ihr angeblich unternommenen großen Anstrengungen zur Zusammenarbeit mit der Kommission Bezug nimmt, indem sie auf „zahlreiche Arbeitstage von Spezialisten der Informationstechnologie“ und „über eintausend Stunden der Auswertung durch externe Berater“ hinweist, die zur freiwilligen Übermittlung von „168 aus Speichersystemen und von Servern entnommen Dokumenten“ an die Kommission geführt hätten, in Wirklichkeit auf wenigen in den Randnrn. 101, 104, 115 und 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung beruht. Die Klägerin meint, dass diese Unterlagen die Auffassung der Kommission gestützt und ihr bei ihrer Untersuchung geholfen hätten, da diese sie in der angefochtenen Entscheidung anführe, und dass es sich um seltene aktuelle Dokumente im Rahmen dieser Untersuchung handele. Im Übrigen messe die Mitteilung über Zusammenarbeit solchen aktuellen Dokumenten einen großen Wert bei. 194 Diese Argumente können jedoch die Beurteilung der Kommission nicht in Frage stellen. 195 Was erstens die in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte interne E-Mail der Klägerin betrifft, wird darin auf eine Zustimmung zu einer Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998 und zu einer Erhöhung der Preise für Gussplatten um 5 % ab 1. Januar 1999 für den Markt im Vereinigten Königreich hingewiesen (siehe Fn. 27 der angefochtenen Entscheidung). Auch die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen erwähnen eine Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998. Wie die Kommission vorträgt, ist der angefochtenen Entscheidung jedoch zu entnehmen (siehe z. B. Randnrn. 155, 157 und 158 dieser Entscheidung), dass sie bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen Kenntnis von Gesprächen über die Preise und von Vereinbarungen über Preiserhöhungen auf europäischer Ebene für das zweite Halbjahr 1998 hatte. 196 Zwar hat das in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte Dokument – wie die Klägerin hervorhebt – die Kommission in die Lage versetzt, darzulegen, wie die fraglichen wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte abliefen. Auch zeigen die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen, wie die Preiserhöhungen umgesetzt wurden. Doch handelt es sich lediglich um Informationen, die es der Kommission ermöglichten, die Preiserhöhungen, für die sie bereits über hinreichende Beweise verfügte, in ihren Zusammenhang einzuordnen. 197 Zweitens ist zu den in Randnr. 104 und in Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung angeführten beiden internen E-Mails der Klägerin, die veranschaulichen sollten, dass die Preiserhöhungen nicht immer umgesetzt worden seien (siehe Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung), darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie mehreren Randnummern der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist (siehe z. B. Randnrn. 110, 120, 123, 125, 128, 129, 134, 140, 143, 148, 167 und 184 dieser Entscheidung), bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen hiervon Kenntnis hatte und über entsprechende Beweise verfügte. Der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, es handele sich um die einzigen in Abschnitt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung („Umsetzung und Kontrolle der Preisabsprachen“) angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung, ist als solcher nicht geeignet, seinen erheblichen Mehrwert zu belegen. 198 Was drittens das in Randnr. 115 der angefochtenen Entscheidung angeführte Protokoll einer Zusammenkunft angeht, bestätigt dieses Dokument lediglich, dass zum angegebenen Zeitpunkt eine Zusammenkunft zwischen der Klägerin und Degussa stattgefunden hat, wobei die Informationen zum wettbewerbswidrigen Charakter dieses Treffens von Degussa geliefert worden waren. Im Übrigen trägt die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage gerade vor, dass dieses Dokument der betreffenden Zusammenkunft einen legitimen Charakter verleihe; daher kann sie nicht mit Erfolg behaupten, es sei für die Kommission von erheblichem Mehrwert gewesen. 199 Außerdem zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in Zweifel, wonach diese zum Zeitpunkt des Eingangs der genannten Dokumente bereits über hinreichende maßgebende Beweise seitens anderer Unternehmen verfügt habe, um den Sachverhalt nachzuweisen. Nach Ansicht der Klägerin geht es im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit jedoch nicht um die Frage, ob die Kommission bereits „hinreichende Beweise“ erhalten habe, um die Berechtigung ihrer Auffassung zu belegen, sondern darum, ob das Beweismaterial der Klägerin diese Auffassung „gestützt“ habe. Eine Auffassung, so gefestigt sie auch sein möge, könne durch ergänzendes oder besseres Beweismaterial, insbesondere durch aktuelle Dokumente, immer noch gestützt werden. 200 Diese Argumentation greift nicht durch. Sie läuft im Kern nämlich darauf hinaus, dass jedes Beweismittel, das in einer in Kartellsachen ergangenen Entscheidung angeführt wird, und erst recht ein aktuelles Dokument, so zu betrachten wäre, als hätte es einen „erheblichen Mehrwert“ im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit erbracht und als rechtfertigte es daher eine Herabsetzung der Geldbuße. Dieses Ergebnis wäre jedoch mit der oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführten Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. 201 So ist z. B. entschieden worden, dass eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine Erklärung erhärtet, die der Kommission bereits vorlag, deren Aufgabe nicht erheblich erleichtert und damit nicht ausreicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen (vgl. Urteil Gütermann und Zwicky/Kommission, oben in Randnr. 183 angeführt, Randnr. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich erlaubt es der Umstand allein, dass ein Dokument für die Kommission von gewissem Nutzen ist und sie es daher in ihrer Entscheidung anführt, nicht, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen. 202 Im Übrigen konzentriert die Klägerin ihre Argumentation auf den Wortlaut von Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit, wonach zu prüfen ist, in welchem „Ausmaß … die vorgelegten Beweismittel … der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen“. Aus dieser Nummer geht jedoch klar hervor, dass sie die Definition des Begriffs „Mehrwert“ enthält, während es sich bei dem in Nr. 21 dieser Mitteilung festgelegten Kriterium, das für die Beurteilung maßgebend ist, ob eine Herabsetzung der Geldbuße angezeigt ist, um den „erheblichen Mehrwert“ handelt. Die Klägerin unternimmt jedoch nicht einmal den Versuch, darzutun, wodurch die von ihr angesprochenen Unterlagen der Kommission ihre Aufgabe „erheblich“ erleichtert hätten. 203 Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die oben in Randnr. 188 dargestellte Schlussfolgerung der Kommission mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet war. 204 Mithin ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen. – Zur Verantwortlichkeit der Kommission für die Verzögerung, mit der die Klägerin im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen ihre Angaben gemacht hat 205 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit verspätet gestellt habe. 206 In erster Linie sei die Kommission, nachdem sie alle übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung informiert gehabt habe, über ein Jahr lang ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die Klägerin hiervon in Kenntnis zu setzen. 207 Zu diesem Punkt ist festzustellen, dass die Klägerin keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend macht, die sich aus einer angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung ergäbe. Sie trägt im Kern vielmehr vor, dass ihre Chancen gemindert worden seien, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu erwirken. 208 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme, nämlich ein Auskunftsverlangen, vom 29. Juli 2004 datiert (siehe oben, Randnr. 10). Degussa hat ihren Antrag auf Geldbußenerlass aber am 20. Dezember 2002 eingereicht und die übrigen betroffenen Unternehmen (Atofina, Barlo und Lucite) wurden zwangsläufig am 25. März 2003 von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt, als die Nachprüfungen in ihren Geschäftsräumen begannen (siehe oben, Randnr. 7). Im Übrigen stellten am 3. April und 11. Juli 2003 Atofina und Lucite ihre jeweiligen Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit, denen stattgegeben wurde (siehe oben, Randnrn. 8 und 28). 209 Damit unterscheidet sich die Lage der Klägerin von der aller übrigen Adressaten der angefochtenen Entscheidung, die eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragen konnten, da bei ihr eine erste Untersuchungsmaßnahme 16 Monate später als bei diesen Unternehmen ergriffen wurde. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht (siehe z. B. oben, Randnr. 183), kann der Zeitpunkt der Einreichung eines Antrags nach dieser Mitteilung aber für die Aussichten auf eine Herabsetzung der Geldbuße ausschlaggebend sein. 210 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Erwägung jedoch nicht geeignet, die Beurteilung der Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu widerlegen und zu einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund dieser Zusammenarbeit zu führen. 211 Zum einen führt die Klägerin keine Rechtsvorschrift an, die eine Verpflichtung der Kommission begründete, sie in diesem Stadium speziell über die Ermittlungen zu unterrichten oder Untersuchungsmaßnahmen gegen sie zu ergreifen, um ihr insbesondere zu ermöglichen, rechtzeitig einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen. 212 Zudem hat die Klägerin in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt, dass es ihr zum einen wie jedem anderen betroffenen Unternehmen möglich gewesen wäre, zum gewünschten Zeitpunkt einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen, und dass zum anderen der Akteninhalt zeige, dass sie lange vor der ersten gegen sie ergriffenen Untersuchungsmaßnahme hätte wissen können, dass in der Methacrylat-Industrie eine Untersuchung im Gang war (siehe auch nachstehend Randnrn. 216 und 217). 213 Im Übrigen ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass den Art. 11 und 14 der bis zum 30. April 2004 gültigen Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) und den Art. 18 bis 20 der seit diesem Zeitpunkt geltenden Verordnung Nr. 1/2003 klar zu entnehmen ist, dass die Kommission Untersuchungsmaßnahmen wie Auskunftsverlangen oder Nachprüfungen ergreifen „kann“. Wie diese vorträgt, ist sie nach keiner Bestimmung verpflichtet, solche Maßnahmen zeitgleich gegenüber allen betroffenen Unternehmen zu ergreifen. 214 Ferner hat die Kommission im vorliegenden Fall auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt, dass sie seit dem Eingang eines Schreibens von Lucite vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003, über die mögliche Verwicklung der Klägerin in diese Sache auf dem Laufenden gewesen sei. Sie hat jedoch angegeben, dass sie es für die unmittelbaren Erfordernisse der Untersuchung nicht für notwendig gehalten habe, zu diesem Zeitpunkt Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen. Da nämlich die Geschäftseinheit, die die Zuwiderhandlung begangen habe, die ICI Acrylics, auf Lucite übertragen gewesen sei, sei die Kommission davon ausgegangen, dass in diesem Stadium das letztgenannte Unternehmen am ehesten in der Lage gewesen sei, Fragen zum Kartell zu beantworten, da es Zugang zu den betreffenden Unterlagen und Beschäftigten gehabt habe. 215 Da diese Beurteilung von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht beanstandet worden ist, zeigt sich somit, dass die Entscheidung, vor dem 29. Juli 2004 keine Untersuchungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin zu ergreifen, auf objektive Gesichtspunkte gestützt war. 216 Zum anderen und auf jeden Fall hat die Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts zwei Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die fragliche Untersuchung von der Kommission am 14. April 2003 und von Lucite am 17. Juni 2003, also vor Einreichung des Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von Lucite am 11. Juli 2003 und lange vor Einreichung des Antrags der Klägerin zu diesem Zweck am 18. Oktober 2004, öffentlich bekannt gemacht worden war. 217 Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit auf das Verhalten der Kommission zurückzuführen sei. Im Übrigen hat sie in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts im Hinblick auf die genannten Dokumente eingeräumt, dass sie hätte wissen können, dass eine Untersuchung im Gang war. Sie hat daher erklärt, dass ihre gegenüber der Kommission erhobenen Rügen sich fortan eher auf die Art und Weise bezögen, in der diese sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe (siehe nachstehend, Randnrn. 219 ff.). 218 Folglich ist das Vorbringen zur angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung zurückzuweisen. 219 Die Klägerin wirft der Kommission in zweiter Linie vor, Lucite mitgeteilt zu haben, dass sie von den Ermittlungen keine Kenntnis gehabt habe, und Lucite davon abgeraten zu haben, sie darüber zu unterrichten. 220 Ferner hat die Klägerin in der Sitzung vorgetragen, dass die Art und Weise, wie sich die Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite, insbesondere in ihrem Schreiben an dieses Unternehmen vom 8. Mai 2003, verhalten habe, einen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung darstelle. Die Kommission habe Lucite nämlich mitgeteilt, dass die Klägerin noch keinen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe und habe daher die im Hinblick auf die Anwendung dieser Mitteilung zwischen den betroffenen Unternehmen bestehende Gleichheit aufgehoben. Gestützt auf die vom Gericht im Urteil Hoechst/Kommission (oben, in Randnr. 148 angeführt) getroffene Entscheidung beantragt die Klägerin daher eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Verletzung der genannten Grundsätze. 221 Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihren Schriftsätzen nicht ausdrücklich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung im vorliegenden Zusammenhang geltend gemacht hat. Jedoch hat sie ausführlich die Art und Weise beanstandet, wie die Kommission sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe, und u. a. ausgeführt, dass das Verhalten der Kommission der Grund dafür gewesen sei, dass sie „nicht in gleicher Weise wie die übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung unterrichtet worden“ sei und dass sich die Kommission „zu [ihren] Lasten in das Geschehen eingemischt“ habe. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Vorbringen in der Sitzung die Erweiterung eines bereits in der Klageschrift angeführten Klagegrundes darstellt, das mit diesem in engem Zusammenhang steht, so dass es – wie die Klägerin in der Sitzung vertreten hat – nach Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts für zulässig zu erklären ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichtshofs vom 13. November 2001, Dürbeck/Kommission, C-430/00 P, Slg. 2001, I-8547, Randnr. 17, Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C-402/05 P und C-415/05 P, Slg. 2008, I-6351, Randnrn. 278 und 279, und Urteil des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T-231/99, Slg. 2002, II-2085, Randnr. 156). Im Übrigen hat die insoweit zur Stellungnahme aufgeforderte Kommission keinen Einwand gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens erhoben. 222 Nach ständiger Rechtsprechung hat ferner in den Fällen, in denen den Unionsorganen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, die Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, eine umso grundlegendere Bedeutung. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C-269/90, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14, und des Gerichts vom 24. Januar 1992, La Cinq/Kommission, T-44/90, Slg. 1992, II-1, Randnr. 86). Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. in diesem Sinne Urteile Volkswagen/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 269, und Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 129). 223 Was den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, so darf die Kommission bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen diesen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts nicht außer Acht lassen, der nach ständiger Rechtsprechung verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung). 224 Daher ist das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite anhand dieser Grundsätze zu prüfen. 225 Das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt beruht auf einem Austausch von Mitteilungen zwischen der Kommission und Lucite während des Verwaltungsverfahrens. 226 So unterrichtete zunächst Lucite die Kommission mit Schreiben vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003 und vor Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit darüber, dass die Klägerin während des überwiegenden Teils des im Nachprüfungsbeschluss vom 17. März 2003 bezeichneten Zeitraums Eigentümerin des „business under investigation“ gewesen sei, und führte aus, dass ihre etwaige eigene Verantwortlichkeit lediglich den Zeitraum von Oktober 1999 an betreffen könne. Anschließend stellte Lucite die Frage, „ob die Kommission Kontakte zur ICI plc hergestellt [habe] oder [beabsichtige], im Rahmen ihrer Untersuchung dies zu tun“. Sie stellte klar, dass sie „anderenfalls die Kommission zu einer Aussage darüber [auffordere], ob sie auch nur den geringsten Einwand dagegen [habe], dass [sie] Kontakt zur ICI PLC [aufnehme] und ihr zu gegebener Zeit Zugang zu ihren Beschäftigten und zu den ICI Acrylics betreffenden Unterlagen [gebe], um ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen“. 227 Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete der mit der Sache betraute Referatsleiter wie folgt: „… ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir zu der Frage, ob Lucite in dieser Sache Kontakt zur ICI plc aufnimmt, nicht Stellung nehmen. Ich darf Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass in dieser Sache bereits ein bedingter Geldbußenerlass gewährt wurde und dementsprechend andere verfahrensbeteiligte Unternehmen die Anwendung der Kronzeugenregelung nur noch nach der [Mitteilung über Zusammenarbeit] beantragen können. Darüber hinaus kann die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden. Ein entsprechender gemeinsamer Antrag von zwei oder drei Unternehmen ist daher nicht möglich …“ 228 Nach Ansicht der Klägerin hat das genannte Schreiben der Kommission Lucite davon in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin keine Kenntnis von den Ermittlungen gehabt habe. Sie trägt weiter vor, dass Lucite geglaubt habe, in dem Schreiben und dem nachfolgenden mündlichen Meinungsaustausch eine Warnung der Kommission vor einer Kontaktaufnahme mit der Klägerin erkennen zu können. 229 Zur Stützung dieser Auslegung verweist die Klägerin auch auf spätere Schreiben von Lucite aus der Zeit nach der Einreichung des von dieser gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit am 11. Juli 2003 gestellten Antrags und nachdem die Klägerin durch das Auskunftsverlangen vom 29. Juli 2004 von der Kommission förmlich über die Untersuchung unterrichtet worden war (siehe oben, Randnr. 10). 230 So führte der Anwalt von Lucite in einer E-Mail vom 12. August 2004 an die Klägerin u. a. aus: „Wie ich bei unserem Gespräch erwähnt habe, gab es im Laufe der Untersuchung Äußerungen, aus denen hervorgeht, dass die Kommission es nicht begrüßen würde, wenn Lucite die Angelegenheit mit ICI erörterte.“ 231 Die Klägerin stützt sich weiter auf eine E-Mail des Anwalts von Lucite vom 3. September 2004 an den mit der Sache betrauten Verwaltungsrat der Kommission, in der er ausführte, dass „ICI Lucite um bestimmte Dokumente sowie um ihren Beistand ersucht [habe], wozu Lucite vertraglich nicht verpflichtet [gewesen sei]“. Lucite erklärte weiter, dass sie „insbesondere im Blick auf [ihren] auf Herabsetzung der Geldbuße gerichteten Antrag … ohne die schriftliche Bestätigung des Standpunkts der Kommission [zögere], diesen Ersuchen nachzukommen“, was „teilweise auf den Eindruck zurückzuführen [sei], den [sie] aufgrund der Telefongespräche und früheren Kontakte mit der Kommission in dem Sinne gewonnen [habe], dass diese keinen Kontakt zu ICI aufgenommen und nicht gewünscht [habe], dass [sie selbst] dies [tue] (obwohl die Kommission in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 förmlich geäußert hat, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme).“ 232 In einem Schreiben vom 7. September 2004 an Lucite führte die Kommission aus, sie habe keine Einwände dagegen, dass Lucite der Klägerin Zugang zu ihren Beschäftigten und ihren Unterlagen gebe. Zugleich bestritt sie nachdrücklich, Lucite irgendeine Anweisung hinsichtlich der Kontakte zur Klägerin gegeben zu haben. 233 Auf dieses letztgenannte Schreiben rief Lucite in einem Schreiben vom 7. September 2004 an die Kommission schließlich zunächst den Inhalt des Schreibens der Kommission vom 8. Mai 2003 in Erinnerung und führte anschließend folgendes aus: „In Telefongesprächen und beim Austausch schriftlicher Mitteilungen mit der Kommission (den wir im Detail aufführen können, falls erforderlich), ist Lucite klar geworden, dass die Kommission sich entschieden hatte, bisher keinen Kontakt zu ICI aufzunehmen. Aufgrund dieser Umstände und im Geist einer umfassenden und fortgesetzten Zusammenarbeit im Rahmen der Untersuchung der Kommission nach der Mitteilung [über Zusammenarbeit] ist Lucite zu dem – unserer Meinung nach gewollten – Ergebnis gelangt, dass die Kommission eine Kontaktaufnahme von Lucite mit der ICI plc im Rahmen der in Rede stehenden Untersuchung nicht begrüßt hätte, obwohl die Kommission, wie Sie in Ihrem heutigen Schreiben hervorheben, in dieser Frage keine förmliche ‚Anweisung‘ erteilt hat.“ 234 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Randnr. 220) lässt der genannte Austausch und insbesondere das Schreiben der Kommission vom 8. Mai 2003 nicht die Feststellung zu, dass die Kommission unter Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung oder der Gleichbehandlung gehandelt hätte. 235 Insbesondere geht aus diesem Austausch, wie die Kommission zutreffend vorträgt, klar hervor, dass sie Lucite keine förmliche Anweisung darüber erteilt hat, ob in Bezug auf die Untersuchung eine Kontaktaufnahme mit der Klägerin angebracht sei. Im Schreiben vom 8. Mai 2003 hat sie nämlich ausdrücklich bestätigt, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme. Im Übrigen räumt Lucite in ihren Schreiben ausdrücklich ein, dass die Kommission keine solche Anweisung erteilt habe, und sie verweist lediglich auf ihren „Eindruck“, dass die Kommission „eine Kontaktaufnahme von [ihr] mit der [Klägerin] … nicht begrüßt hätte“. 236 Auch der allgemeine Hinweis von Lucite auf Telefongespräche und weitere Kontakte mit der Kommission (siehe oben, Randnrn. 231 und 233) reicht unter Berücksichtigung des Bestreitens der Kommission (siehe oben, Randnr. 232) und in Ermangelung weiterer Beweismittel nicht für den Nachweis aus, dass ihr solche Anweisungen tatsächlich erteilt worden wären. 237 Außerdem hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin Lucite nicht mitgeteilt, ob sie in Bezug auf die Untersuchung bereits Kontakt zur Klägerin aufgenommen oder ob die Klägerin bereits einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe. 238 Zwar konnte das Schreiben vom 8. Mai 2003 seinem Wortlaut nach von Lucite vernünftigerweise dahin verstanden werden, dass es nicht in ihrem Interesse gelegen habe, in Bezug auf die Untersuchung Kontakt zur Klägerin aufzunehmen, um ihr Zugang zu ihren Beschäftigten und die ICI Acrylics betreffenden Unterlagen zu verschaffen, mit dem Ziel, ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen. Die Kommission hat sich nämlich nicht auf die Aussage beschränkt, dass sie zu dieser Frage „nicht Stellung [nehme]“, sondern sie hat ihr Schreiben im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die Voraussetzungen fortgesetzt, unter denen Lucite eine Herabsetzung der Geldbuße in Anspruch nehmen konnte, dabei aber betont, dass die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne. Auf dieser Grundlage konnte Lucite auch davon ausgehen, dass die Klägerin in diesem Stadium nicht über die Untersuchung auf dem Laufenden war und keinen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt hatte. 239 Im Übrigen bestätigen die späteren Schreiben von Lucite (siehe oben, Randnrn. 230, 231 und 233) eindeutig, dass sie den Standpunkt der Kommission, wie er in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 zum Ausdruck kommt, tatsächlich so verstanden hatte. 240 Diese Erwägungen lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass die von der Klägerin herangezogenen Grundsätze verletzt wären. 241 Die Klägerin zieht nämlich nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne und ein gemeinsamer Antrag zweier Unternehmen auf Anwendung dieser Regelung daher nicht möglich sei. Mithin ist festzustellen, dass die Kommission in diesem Schreiben Lucite lediglich auf die Modalitäten der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit hingewiesen hat. 242 Angesichts des Wortlauts dieser Mitteilung musste sich Lucite aber selbst fragen, ob die Kontaktaufnahme zur Klägerin gegebenenfalls einen negativen Einfluss auf ihre Chancen haben konnte, eine Herabsetzung der Geldbuße zu erwirken. Dies geht im Übrigen aus ihrem Schreiben vom 7. April 2003 (siehe oben, Randnr. 220) hervor, in dem sie gerade um den Standpunkt der Kommission zu dieser Frage bat. Auch in Anbetracht der der Mitteilung über Zusammenarbeit innewohnenden Logik, die jedem Unternehmen einen Anreiz bietet, früher als die anderen betroffenen Unternehmen mit der Kommission zusammenzuarbeiten, musste Lucite ihre Strategie im Rahmen der Untersuchung prüfen und jedenfalls davon ausgehen, dass es sich bei der Klägerin um ihren potenziellen Konkurrenten im „Wettlauf“ um die Anwendung der Kronzeugenregelung handelte. 243 Unter diesen Umständen lässt sich nicht vertreten, dass sich die Kommission durch die genannten Kontakte zu Lucite „zu Lasten der [Klägerin] in das Geschehen eingemischt“ hätte, wie diese vorträgt. Lucite durfte nämlich im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit vernünftigerweise Kenntnis von den ihr übermittelten Informationen haben. 244 Daher ist die Entscheidung von Lucite, in Bezug auf die Untersuchung keinen Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen, als Ergebnis der selbst angestellten Betrachtung ihres Eigeninteresses im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit anzusehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Entscheidung von Lucite nur dann hätte anders ausfallen können, wenn die Kommission ihr die Kontaktaufnahme mit der Klägerin ausdrücklich erlaubt und ihr garantiert hätte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Chancen im Bereich der Zusammenarbeit haben würde. Die Klägerin behauptet jedoch nicht, dass im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung oder auch auf die Mitteilung über Zusammenarbeit die Kommission verpflichtet gewesen wäre, Lucite derartige Zusicherungen zu geben. 245 Somit unterscheidet sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall eindeutig von dem in der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil Hoechst/Kommission (oben in Randnr. 148 angeführt) ergangen ist, in dem sich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung aus Vorschlägen ergab, die das betreffende Unternehmen im Rahmen der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit offen diskriminierten (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 136). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist nicht erwiesen, dass im vorliegenden Fall eine solche Situation gegeben war. 246 Somit ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung gerügt wird, zurückzuweisen. 247 Außerdem kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite berufen, um die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf sie in der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. 248 Zum einen beruht nämlich die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf einer Bewertung der objektiven Nützlichkeit der übermittelten Beweise für die Aufdeckung und Feststellung der Zuwiderhandlung, und zum anderen soll sie den Kartellteilnehmern einen Anreiz bieten, freiwillig mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Die Kommission kann jedoch weder für das begrenzte Ausmaß der Mitwirkung der Klägerin noch für die dabei aufgetretene Verzögerung verantwortlich gemacht werden. Diese Umstände sind vielmehr der Klägerin selbst zuzurechnen, wie sich aus der Akte und gegebenenfalls der objektiven Lage ergibt, in der sie sich aufgrund der Übertragung von ICI Acrylics auf Lucite befand. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall einräumt, dass sie zumindest seit dem 14. April 2003 über die Untersuchung auf dem Laufenden hätte sein können (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217). 249 Im Übrigen ist nicht erwiesen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn die Kommission sich in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 einfach darauf beschränkt hätte, zu der von Lucite gestellten Anfrage nicht Stellung zu nehmen. Insbesondere zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach ein entsprechender gemeinsamer Antrag von ihr und Lucite keinesfalls möglich sei. 250 Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Zum zweiten Teil des Klagegrundes betreffend die Weigerung, den Wert der Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit anzuerkennen 251 Hilfsweise macht die Klägerin einen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit aufgrund ihrer umfangreichen freiwilligen Zusammenarbeit im Zuge der Untersuchung geltend. Sie meint, dass ihre Mitwirkung effektiv und sachdienlich gewesen sei, da sie Informationen geliefert habe, die über das hinausgegangen seien, was die Kommission in Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gefordert habe, wie u. a. in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin angeführte belastende Punkte betreffend PMMA-Massivplatten. 252 Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Kommission in Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand betreffend die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen hat. 253 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 392 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sie anhand der genannten Bestimmung geprüft habe, ob die Mitwirkung eines der betroffenen Unternehmen sie in die Lage versetzt habe, die Zuwiderhandlung leichter nachzuweisen. In Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung hat sie ausgeführt, dass in Anbetracht des sehr begrenzten Umfangs und des sehr begrenzten Wertes der Mitwirkung und der Tatsache, dass abgesehen von dieser begrenzten Mitwirkung, Sachverhalte sogar noch bestritten worden seien, keine sonstigen Umstände gegeben seien, die eine Ermäßigung der Geldbußen außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen würden, und dass diese Ermäßigung in geheimen Kartellsachen ohnehin nur in sehr außergewöhnlichen Fällen gewährt werden könnte. 254 Zu diesem letztgenannten Punkt führte die Kommission ihre Entscheidung K(2005) 4012 endg. vom 20. Oktober 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak – Italien) an, in der sie den einem Unternehmen gewährten bedingten Erlass der Geldbuße mit der Begründung entzogen hatte, dass dieses in der Folgezeit gegen seine ihm nach der Mitteilung über Zusammenarbeit obliegende Verpflichtung zur Mitwirkung verstoßen habe. Gleichwohl hatte die Kommission diesem Unternehmen eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände im Sinne der Leitlinien gewährt, um dem von diesem geleisteten wesentlichen Beitrag zu ihren Ermittlungen Rechnung zu tragen. 255 Im Übrigen führte die Kommission in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung speziell in Bezug auf die Klägerin auch aus, dass für diese eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund einer Mitwirkung außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht in Betracht komme. 256 In erster Linie hält die Klägerin die Beurteilung der Kommission insoweit für fehlerhaft, als diese die Möglichkeit einer Herabsetzung der Geldbuße außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit auf „außergewöhnliche Fälle“ beschränkt habe (Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung). 257 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. 258 Die Anwendung von Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien kann nämlich nicht zur Folge haben, dass der Mitteilung über Zusammenarbeit ihre praktische Wirksamkeit entzogen wird. Dieser Mitteilung ist aber eindeutig zu entnehmen, dass diese den Rahmen festlegt, der es erlaubt, Unternehmen, die Mitglieder von geheimen Kartellen, die die Union beeinträchtigen, sind oder waren, für ihre Mitwirkung bei der Untersuchung der Kommission zu belohnen. Folglich können die Unternehmen grundsätzlich eine Geldbußenermäßigung für ihre Zusammenarbeit nur erhalten, wenn sie die Voraussetzungen nach dieser Mitteilung erfüllen. 259 Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Klägerin tatsächlich einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hat und ihre Mitwirkung in deren Anwendungsbereich fiel, jedoch für nicht hinreichend befunden wurde, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher deutlich von der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (T-224/00, Slg. 2003, II-2597), ergangen ist. In jener Rechtssache hatte das betreffende Unternehmen der Kommission nämlich Informationen zu Handlungen geliefert, deretwegen es auf keinen Fall eine Geldbuße hätte entrichten müssen und die daher nach Ansicht des Gerichts nicht in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fielen. Unter diesen Umständen hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass dieses Unternehmen gleichwohl eine Herabsetzung der Geldbuße nach Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien im Hinblick insbesondere darauf verdient habe, dass seine Mitwirkung die Kommission in die Lage versetzt habe, eine längere Dauer der Zuwiderhandlung festzustellen (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnrn. 294 bis 298, 306 und 311). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat das Gericht in diesem Urteil daher nicht zugelassen, dass die Mitwirkung eines Unternehmens selbst dann belohnt werden kann, wenn sie das Kriterium des erheblichen Mehrwerts im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfüllt. 260 Weiter ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach eine Herabsetzung der Geldbuße allein aufgrund dessen gerechtfertigt sei, dass ein Unternehmen Informationen liefere, die – wie insbesondere belastende Punkte – über diejenigen hinausgingen, deren Übermittlung die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 fordern dürfe. 261 Zwar ist entschieden worden, dass die Mitwirkung eines Unternehmens an der Untersuchung dann kein Recht auf eine Herabsetzung der Geldbuße verleiht, wenn diese Mitwirkung nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 verpflichtet war (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T-12/89, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341 und 342, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 451). Jedoch trifft nicht zwangsläufig das Gegenteil zu. Selbst belastende Punkte können nämlich insbesondere im Verhältnis zu früheren Beiträgen anderer Unternehmen von eingeschränktem Nutzen für die Kommission sein. Die Nützlichkeit einer Information stellt jedoch im Rahmen der Beurteilung des Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit mit der Kommission das ausschlaggebende Kriterium dar (vgl. die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung). 262 Folglich ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien nur in außergewöhnlichen Fällen anzuwenden sei. 263 In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das Kriterium des „außergewöhnlichen Falles“ vorliegend jedenfalls erfüllt sei. Obwohl sie ICI Acrylics fünf Jahre vor Einleitung der Untersuchung verkauft habe, ihr keine der in Rede stehenden Tatsachen bekannt gewesen sei, sie bis zu einem fortgeschrittenen Stadium von den Ermittlungen ausgeschlossen und „ohne berechtigten Grund“ im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit benachteiligt worden sei, habe sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um aktuelle Dokumente vorzulegen, die anschließend in der angefochtenen Entscheidung angeführt worden seien. 264 Hierzu genügt der Hinweis, dass die Klägerin, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht die Beurteilung der Kommission widerlegt hat, wonach von insgesamt 168 ihr von der Klägerin übermittelten Dokumenten einige sich auf Hintergrundinformationen z. B. zu gewissen Aspekten der Umsetzung des Kartells beschränkt hätten, unter Berücksichtigung der der Kommission bereits vorliegenden Informationen aber keines von ihnen sie in die Lage versetzt habe, die Sachverhalte zu beweisen (Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung). 265 Bei der Antwort auf die Frage, ob die Umstände des Einzelfalls so „außergewöhnlich“ sind, dass sie eine Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen, dürfen nämlich die Qualität und die objektive Nützlichkeit der für die Untersuchung übermittelten Informationen nicht außer Acht gelassen werden (vgl. in diesem Sinne die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung). 266 Aus dem Vorstehenden geht jedoch hervor, dass die Nützlichkeit der von der Klägerin übermittelten Informationen sehr begrenzt war, da sie die Kommission insbesondere nicht in die Lage versetzt haben, das Bestehen, den Umfang oder die Dauer der Zuwiderhandlung zu beweisen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnrn. 302 und 311). 267 Demnach können die von der Klägerin geltend gemachten und oben in Randnr. 263 wiedergegebenen Gesichtspunkte eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission nicht rechtfertigen. Im Übrigen trägt die Klägerin zu Unrecht vor, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit dem Verhalten der Kommission zugerechnet werden könne (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217). 268 Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, wonach die Kommission durch die Weigerung, ihren Kooperationsbeitrag zu berücksichtigen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, da sie die Klägerin genauso behandelt habe, wie die Kartellteilnehmer, die nicht mitgewirkt hätten, obwohl diese sich nicht in der gleichen Lage befunden hätten. 269 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Kooperationsbeiträge der Unternehmen nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz außer Acht lassen darf (Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnr. 308 und die dort angeführte Rechtsprechung). 270 Dieser Grundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C-227/04 P, Slg. 2007, I-6767, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). 271 Die Klägerin hat im vorliegenden Fall keine Verletzung dieses Grundsatzes nachgewiesen. 272 Zum einen zieht sie nicht die Behauptung der Kommission in Zweifel, wonach diese sie genauso behandelt habe wie alle anderen Kartellteilnehmer, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, indem sie die von jedem Einzelnen von ihnen vorgelegten Beweise ausgewertet habe. 273 Zum anderen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie sich in einer anderen Lage befunden hätte als Barlo, also der einzige Adressat der angefochtenen Entscheidung, der keinen solchen Antrag gestellt hatte, und bei dem wie bei ihr die Geldbuße nicht aufgrund von Zusammenarbeit mit der Kommission herabgesetzt worden war. Aus der Akte geht vielmehr hervor, dass die Klägerin wie Barlo keine Informationen geliefert hatte, deren Nützlichkeit eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte. Daher ist festzustellen, dass sie sich im Hinblick auf das mit der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes begehrten Herabsetzung der Geldbuße verfolgte Ziel in einer mit der von Barlo vergleichbaren Situation befand und aufgrund dessen gleichbehandelt wurde. 274 Im Übrigen und für alle Fälle geht aus dem Urteil des Gerichts vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T-208/06, Slg. 2011, II-7953, Randnr. 274), hervor, dass Barlo gleichfalls in gewissem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet hat, ohne dass diese Mitwirkung eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte. 275 Folglich ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. 276 Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen die von der Klägerin im Rahmen des fünften Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. 277 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen. Zum sechsten, in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung vorgebrachten Klagegrund, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird 278 Nach Ansicht der Klägerin geht die Dauer des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens, zusammengenommen, über die angemessene Frist hinaus und verletze sie in ihren insbesondere in Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerten Grundrechten. Die erste im Rahmen der vorliegenden Rechtssache gegen sie ergriffene Maßnahme datiere nämlich vom 29. Juli 2004, und am Tag der mündlichen Verhandlung, dem 8. November 2011, warte sie noch immer auf ein Urteil des Gerichts. 279 Ferner beanstandet die Klägerin speziell die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht einschließlich der Zeit zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens und dem Beschluss zur Eröffnung des mündlichen Verfahrens. Ihr seien keine Umstände bekannt, die diese Dauer rechtfertigen könnten. 280 Gestützt auf das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) sowie auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C-109/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I-10329) und C-110/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I-10439, Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011), vertritt sie daher die Meinung, dass die überlange Verfahrensdauer zur Herabsetzung der in der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße führen müsse. 281 Die Kommission trägt vor, es seien Umstände gegeben, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten. Sie betont jedenfalls, dass der vorliegende Klagegrund nicht gegen die angefochtene Entscheidung gerichtet werden könne und dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht als überlang angesehen werden könne. Darüber hinaus mangele es dem Vorbringen der Klägerin an Klarheit. 282 Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten jede Person ein Recht darauf hat, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. 283 Als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts gilt dieses Recht auch im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission. Dieses Recht ist im Übrigen auch in Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bestätigt worden, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes betrifft (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C-385/07 P, Slg. 2009, I-6155, Randnrn. 178 und 179 und die dort angeführte Rechtsprechung). 284 Außerdem ist der Grundsatz der angemessenen Frist nach ständiger Rechtsprechung auch im Rahmen von Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik vor der Kommission anwendbar (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er ist als solcher in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt worden, wonach jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden. 285 Art. 41 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten somit zwei Ausprägungen ein und desselben verfahrensrechtlichen Grundsatzes, nämlich dass die Rechtsunterworfenen eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist erwarten dürfen. 286 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin zwar eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend, behauptet aber nicht, dass die Dauer des Verfahrens irgendeinen Einfluss auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung gehabt hätte oder dass sie die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beeinträchtigen könnte. Sie behauptet insbesondere nicht, dass sich diese Dauer in irgendeiner Weise auf ihre Möglichkeiten zur Verteidigung, sei es im Verwaltungsverfahren, sei es im gerichtlichen Verfahren, ausgewirkt hätte. Sie beantragt auch nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung aufgrund des angeblichen Verstoßes. 287 Die Klägerin ersucht vielmehr das Gericht, die überlange Verfahrensdauer im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu berücksichtigen und die Geldbuße aus diesem Grund herabzusetzen, wie es der Gerichtshof im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) getan habe. 288 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssache, in der das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) ergangen ist, auf das sich die Klägerin beruft, ein gegen ein Urteil des Gerichts gerichtetes Rechtsmittel betraf, in dem das Gericht aufgrund der ihm zu diesem Zweck zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gegen den Kläger eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften verhängt hatte; die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung kann dem Gerichtshof selbst zukommen, wenn er ein solches Urteil des Gerichts aufhebt und über die Klage entscheidet (Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C-120/06 P und C-121/06 P, Slg. 2008, I-6513, Randnr. 206). 289 Im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 33) hat der Gerichtshof an das Recht des Klägers auf einen fairen Prozess innerhalb angemessener Frist und insbesondere darauf, dass über die sachliche Begründetheit der ihm von der Kommission vorgeworfenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und der deswegen gegen ihn festgesetzten Geldbuße entschieden wird, erinnert (Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 207). 290 Nach der Feststellung, dass das Gericht in jener Rechtssache eine solche angemessene Frist überschritten hatte, hat der Gerichtshof entschieden, dass aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf, dass gegen einen solchen Verfahrensfehler ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss, durch eine auf die Frage der Festsetzung der Höhe der Geldbuße beschränkte Aufhebung oder Abänderung des Urteils des Gerichts die Gewährung des erforderlichen angemessenen Ausgleichs in diesem Fall möglich war (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 47, 48 und 141, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 208). 291 Diese Lösung ist im vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. 292 Das Gericht verfügt hier nämlich nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 in Anwendung von Art. 261 AEUV über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, und es ist im Übrigen mit einem entsprechenden Antrag der Klägerin befasst. 293 Wie bereits entschieden worden ist, ermächtigt diese Befugnis das Gericht, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen (Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 692; Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 86, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 577). 294 Wäre im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist, gegebenenfalls auch wegen der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht, festzustellen, wäre dieses in der Lage, durch eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klägerin zur Zahlung eines Betrags zu verurteilen, von dem ein angemessener Ausgleich wegen überlanger Dauer des Verfahrens gegebenenfalls abgezogen werden könnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 210). 295 Eine solche Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf geboten, dass gegen einen solchen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 48). 296 Daher ist das Gericht im vorliegenden Fall für die Entscheidung über den ausdrücklichen Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Geldbuße wegen überlanger Verfahrensdauer auch insoweit zuständig, als er die Dauer des Verfahren vor ihm selbst betrifft (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C-109/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 243 und 275, und C-110/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 86 und 118). 297 Im Übrigen ist hervorzuheben, dass der vorliegende Klagegrund die Gesamtdauer des die Klägerin betreffenden Verfahrens zum Gegenstand hat, d. h. des Verwaltungsverfahrens in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren. Unter diesen Umständen kann dieser Klagegrund, auch wenn er erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, auch insoweit nicht wegen Verspätung als unzulässig betrachtet werden, als er die Dauer des Verwaltungsverfahrens betrifft. Die Gesamtverfahrensdauer stellt nämlich eine neue Tatsache dar, die nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung das Vorbringen dieses Angriffsmittels im Laufe des Verfahrens rechtfertigt. 298 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die von der Klägerin beanstandete Verfahrensdauer vom 29. Juli 2004, dem Zeitpunkt der ersten im Rahmen der von der Kommission durchgeführten Ermittlungen gegen die Klägerin gerichteten Untersuchungsmaßnahme, bis zum 8. November 2011, dem Tag der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache, erstreckt. Sie beträgt daher etwa sieben Jahre und vier Monate. 299 Die Angemessenheit dieser Frist ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Betroffenen und der zuständigen Behörden zu beurteilen (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 29, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 212). 300 Diese von der Klägerin beanstandete Gesamtdauer besteht aus zwei klar unterschiedenen Phasen, nämlich dem Verwaltungsverfahren vor der Kommission und dem Verfahren vor dem Gericht. 301 Was erstens das Verwaltungsverfahren betrifft, hat die Klägerin nicht erläutert, weshalb dessen Dauer als solche als überlang angesehen werden könnte. 302 Jedenfalls ist bei dieser Dauer, was die Klägerin betrifft (etwa ein Jahr und zehn Monate zwischen dem 29. Juli 2004 und dem 31. Mai 2006, dem Tag, an dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde), unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht von einer Überlänge auszugehen. Insoweit genügt der Hinweis, dass es sich um eine Untersuchung handelte, die eine große Zahl von Unternehmen betraf und die die Prüfung zahlreicher Sach- und Rechtsfragen erforderte. Im Übrigen lässt die Darstellung des Verfahrens durch die Kommission in den Randnrn. 79 bis 93 der angefochtenen Entscheidung keine ungerechtfertigten Zeiten der Untätigkeit erkennen. 303 Zweitens ist die Dauer des gerichtlichen Verfahrens anhand der im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände zu prüfen (siehe oben, Randnr. 299). 304 Zu den für sie in dieser Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen hat die Klägerin nichts vorgetragen. 305 Jedenfalls hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit sie darin für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verantwortlich gemacht wird. Sie hat somit keine Entscheidung darüber beantragt, ob die von der Kommission gegen sie erhobenen Anschuldigungen zutreffen, und daher betrifft die Rechtssache nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt oder nicht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 30 und 33, und Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 186). 306 Das einzige Interesse, das in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin auf dem Spiel stehen könnte, betrifft somit die mit der angefochtenen Entscheidung gegen die festgesetzte Geldbuße. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was die Beurteilung zulässt, welche Bedeutung dieses Interesse für sie hat. 307 Auch wenn im Übrigen die Klägerin in ihren Anträgen die Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung begehrt (siehe oben, Randnr. 36), ist festzustellen, dass die zur Stützung der vorliegenden Klage vorgebrachten Gründe, selbst unterstellt, sie griffen durch, nicht geeignet gewesen wären, schlicht und einfach zur Aufhebung der Geldbuße zu führen, sondern lediglich zu deren Herabsetzung. 308 Es ist daher nicht erwiesen, dass in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin ein erhebliches Interesse auf dem Spiel steht. 309 Was das Verhalten der Klägerin betrifft, so hat dieses nicht nennenswert zur Dauer des Verfahrens beigetragen. 310 Zum Verhalten der zuständigen Stellen und zur Komplexität der Rechtssache ist festzustellen, dass die von der Klägerin beanstandete Dauer des Zeitraums zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens am 11. April 2007 und dem Tag der Eröffnung des mündlichen Verfahrens am 15. September 2011 (etwa vier Jahre und fünf Monate) erheblich ist. 311 Diese Dauer ist jedoch durch die Umstände und die Komplexität der Rechtssache zu erklären. 312 So ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass 14 Gesellschaften, die fünf Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts bildeten, durch einen Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie gegen Art. 81 EG verstoßen hätten (siehe oben, Randnrn. 1 bis 4). Die von der Klägerin erhobene Klage ist eine von fünf Klagen gegen die angefochtene Entscheidung, die in zwei verschiedenen Verfahrenssprachen erhoben worden sind. 313 Diese Klagen haben eine erhebliche Zahl von Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, die eine eingehende Prüfung durch das Gericht erforderlich gemacht haben, was u. a. darin zum Ausdruck gekommen ist, dass in diesen Rechtssachen jeweils verfahrensleitende Maßnahmen erlassen worden sind und in einer dieser Rechtssachen das mündliche Verfahren wiedereröffnet worden ist. 314 Darüber hinaus hat der durch den Gegenstand dieser Klagen bedingte Sachzusammenhang ihre teilweise parallele Prüfung erforderlich gemacht. Mit Ausnahme eines engeren Sachzusammenhangs zwischen zwei dieser Klagen (Rechtssachen T-206/06 und T-217/06) haben diese Klagen gleichwohl jeweils unterschiedliche Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, so dass die Synergie-Effekte begrenzt waren. Das Gericht hat daher fünf Urteile erlassen, von denen das vorliegende das letzte aus dieser Reihe ist; bei den übrigen handelt es sich um die Urteile vom 7. Juni 2011, Total und Elf Aquitaine/Kommission (T-206/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), Arkema France u. a./Kommission, oben in Randnr. 171 angeführt, vom 15. September 2011, Lucite International und Lucite International UK/Kommission (T-216/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), und vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T-208/06, Slg. 2011, II-7953). 315 Außerdem hat die eingehende Prüfung der Rechtssache durch das Gericht trotz der Sprachenregelung, die sich aus der Verfahrensordnung ergibt, namentlich die Verkündung des vorliegenden Urteils innerhalb relativ kurzer Zeit nach Abschluss des mündlichen Verfahrens am 15. Dezember 2011 ermöglicht. 316 Somit belief sich die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens auf fünf Jahre und neun Monate. 317 In Ermangelung jeglichen Vorbringens der Klägerin zu den für sie in der Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen und unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 305 bis 308 dargelegten Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass die Rechtssache weder ihrer Art noch ihrer Bedeutung für die Klägerin nach einer besonderen Beschleunigung bedurfte, ist diese Dauer unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die beantragte Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. 318 Diese Feststellung gilt erst recht für die Gesamtdauer des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens, das Gegenstand des vorliegenden Klagegrundes ist (siehe oben, Randnrn. 297 und 298), die bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der oben geprüften Umstände nicht als übermäßig lang angesehen werden kann. 319 Daher sind der vorliegende Klagegrund sowie die Klage insgesamt zurückzuweisen. Kosten 320 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Imperial Chemical Industries Ltd trägt die Kosten. Czúcz Labucka Gratsias Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 5. Juni 2012. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Vorgeschichte des Rechtsstreits Verfahren und Anträge der Parteien Rechtliche Würdigung Zum ersten Klagegrund, mit dem die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gerügt wird Zum zweiten Klagegrund, mit dem die fehlende Begründung in der angefochtenen Entscheidung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt wird Zum dritten Klagegrund, betreffend das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen Zum vierten Klagegrund, mit dem die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt wird Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kommission gerügt wird Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gerügt wird Zum fünften Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes betreffend die Weigerung, die Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen – Zur Fehlbeurteilung des Mehrwerts der im Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit enthaltenen Angaben – Zur Verantwortlichkeit der Kommission für die Verzögerung, mit der die Klägerin im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen ihre Angaben gemacht hat Zum zweiten Teil des Klagegrundes betreffend die Weigerung, den Wert der Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit anzuerkennen Zum sechsten, in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung vorgebrachten Klagegrund, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird Kosten (*1) Verfahrenssprache: Englisch. Parteien Entscheidungsgründe Tenor Parteien In der Rechtssache T-214/06 Imperial Chemical Industries Ltd, vormals Imperial Chemical Industries plc, mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst D. Anderson, QC, Rechtsanwälte H. Rosenblatt und B. Lebrun sowie W. Turner, S. Berwick und T. Soames, Solicitors, dann Rechtsanwälte R. Wesseling und C. Swaak und schließlich Rechtsanwälte R. Wesseling, C. Swaak und F. ten Have, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten zunächst durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Amato, dann durch V. Bottka, I. Chatzigiannis und F. Arbault und schließlich durch V. Bottka und J. Bourke als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat), hilfsweise Herabsetzung der aufgrund dieser Bestimmung verhängten Geldbuße, erlässt DAS GERICHT (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka (Berichterstatterin) und des Richters D. Gratsias, Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2011 folgendes Urteil Entscheidungsgründe Vorgeschichte des Rechtsstreits 1. Mit Entscheidung K(2006) 2098 endg. der Kommission vom 31. Mai 2006 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/F/38.645 – Methacrylat) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften u. a. fest, dass eine Reihe von Unternehmen dadurch gegen Art. 81 EG und Art. 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) verstoßen habe, dass sie während verschiedener Zeiträume zwischen dem 23. Januar 1997 und dem 12. September 2002 an einem Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie im gesamten EWR beteiligt gewesen seien (Art. 1 der angefochtenen Entscheidung). 2. Der angefochtenen Entscheidung zufolge handelte es sich um eine einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung betreffend die folgenden drei Erzeugnisse aus Polymethyl-Methacrylat (im Folgenden: PMMA): Formmassen, Massivplatten und Platten für Sanitäranwendungen. Aus dieser Entscheidung ergibt sich ferner, dass sich diese drei PMMA-Produkte sowohl physisch als auch chemisch unterscheiden und unterschiedliche Verwendung finden, wegen ihres gemeinsamen Ausgangsmaterials Methylmethacrylat (im Folgenden: MMA) jedoch als homogene Produktgruppe angesehen werden können (Randnrn. 4 bis 8 der angefochtenen Entscheidung). 3. Merkmale der Zuwiderhandlung – so die angefochtene Entscheidung – waren Preisgespräche, die Vereinbarung, Umsetzung und Überwachung von Preisabsprachen in Form von Preiserhöhungen oder zumindest der Stabilisierung der bestehenden Preise, Gespräche über die Weitergabe der Kosten der zusätzlichen Dienstleistungen an die Kunden, Austausch geschäftlich wichtiger und vertraulicher markt- und/oder unternehmensrelevanter Informationen sowie die Teilnahme an regelmäßigen Zusammenkünften und sonstige Kontakte, um die Zuwiderhandlung zu erleichtern (Art. 1 und Randnrn. 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung). 4. Die angefochtene Entscheidung war an die Degussa AG, die Röhm GmbH & Co. KG und die Para-Chemie GmbH (im Folgenden zusammen: Degussa), an die Total SA, die Elf Aquitaine SA, die Arkema SA (vormals Atofina SA), die Altuglas International SA und die Altumax Europe SAS (im Folgenden zusammen: Atofina), an die Lucite International Ltd und die Lucite International UK Ltd (im Folgenden zusammen: Lucite), an die Quinn Barlo Ltd, die Quinn Plastics NV und die Quinn Plastics GmbH (im Folgenden zusammen: Barlo) sowie an die Klägerin, die Imperial Chemical Industries Ltd (vormals Imperial Chemical Industries plc), gerichtet. 5. Die Klägerin ist die Muttergesellschaft der Imperial-Chemical-Industries-Gruppe und Hersteller von Chemiespezialitäten. Seit 1990 sind Herstellung und Vertrieb der in der angefochtenen Entscheidung genannten Erzeugnisse gruppenintern der ICI Acrylics, einer gesonderten Geschäftseinheit, jedoch ohne eigene Rechtspersönlichkeit, übertragen. Mit am 3. Oktober 1999 geschlossenem Vertrag wurden das Geschäft und die Vermögenswerte der ICI Acrylics auf die Ineos Acrylics UK Parent Co 2 Ltd und die Ineos Acrylics UK Trader Ltd, der späteren Lucite International Holdings Ltd bzw. der späteren Lucite International UK Ltd, übertragen. 6. Das der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Verfahren wurde eingeleitet, nachdem die Degussa am 20. Dezember 2002 einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission vom 19. Februar 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) gestellt hatte. 7. Am 25. und 26. März 2003 nahm die Kommission in den Geschäftsräumen von Atofina, Barlo, Degussa und Lucite Nachprüfungen vor. 8. Am 3. April und 11. Juli 2003 reichten Atofina bzw. Lucite einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein (Randnr. 66 der angefochtenen Entscheidung). 9. Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete die Kommission auf die von Lucite gestellte Frage, ob diese mit der Klägerin Kontakt aufnehmen und ihr Zugang zu ihren Beschäftigten sowie Einsicht in ihre Unterlagen gewähren solle, damit die Klägerin ihre Verteidigung vorbereiten könne. 10. Am 29. Juli 2004 richtete die Kommission an mehrere Unternehmen, darunter die Klägerin, ein Auskunftsverlangen nach Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1). Es handelte sich um die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme. 11. Am 18. Oktober 2004 reichte die Klägerin einen Antrag auf Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit ein. Am 11. August 2005 teilte ihr die Kommission mit, dass ihr Antrag abgelehnt worden sei. 12. Am 17. August 2005 erließ die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte wegen einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend MMA, PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen und richtete sie u. a. an die Klägerin und an Lucite. Da der Verkauf der ICI Acrylics an Ineos (jetzt Lucite) nach Auffassung der Kommission am 1. Oktober 1999 stattgefunden hatte, ging sie vom 30. September 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus. 13. Die Erwiderung der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte datiert vom 4. November 2005. 14. Am 15. und 16. Dezember 2005 fand eine Anhörung statt. 15. Mit Schreiben vom 10. Februar 2006 gab Lucite auf Aufforderung durch die Kommission Erläuterungen zum Zeitpunkt des Erwerbs der ICI Acrylics. 16. Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 übermittelte die Kommission das vorstehend in Randnr. 15 genannte Schreiben an die Klägerin zur Stellungnahme. 17. Die Klägerin gab ihre Stellungnahme mit Schreiben vom 17. Februar 2006 ab. 18. Am 31. Mai 2006 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung. Darin ließ sie einige Beschwerdepunkte fallen, auf die sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgestellt hatte, insbesondere die gegenüber allen betroffenen Unternehmen angenommenen Beschwerdepunkte betreffend MMA (Randnr. 93 der angefochtenen Entscheidung). 19. In Art. 1 Buchst. i der angefochtenen Entscheidung heißt es, dass die Klägerin an der oben in den Randnrn. 2 und 3 beschriebenen Zuwiderhandlung in der Zeit vom 23. Januar 1997 bis 1. November 1999 beteiligt gewesen sei. 20. Die Kommission ging insbesondere davon aus, dass die Klägerin die juristische Person sei, der zum Zeitpunkt der Geschehnisse die Geschäftsabteilung angehört habe, die die in Rede stehende Zuwiderhandlung begangen habe, nämlich ICI Acrylics. Infolgedessen stellte die Kommission fest, dass die Klägerin für die Anwendung des Art. 81 EG als Unternehmen anzusehen sei, das an dem wettbewerbswidrigen Verhalten beteiligt gewesen sei, und dass die angefochtene Entscheidung daher an sie zu richten sei (Randnrn. 288 bis 290 der angefochtenen Entscheidung). 21. Zum Ende des der Klägerin zugerechneten Zeitraums der Zuwiderhandlung führte die Kommission aus, dass sie im Hinblick auf die Erwiderung von Lucite auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als das Datum, an dem die Übertragung des Eigentums an ICI Acrylics stattgefunden habe, und damit für die Aufteilung der Haftung zwischen der Klägerin und Lucite den 2. November 1999 angenommen habe (Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung). Daher ging sie vom 1. November 1999 als dem Zeitpunkt des Endes der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung aus und gab an, dass diese Änderung gegenüber der Mitteilung der Beschwerdepunkte keine Auswirkungen auf die Höhe der Geldbuße gehabt habe (Randnr. 292 der angefochtenen Entscheidung). 22. In Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung wird gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 91 406 250 Euro festgesetzt. 23. Bei der Bemessung der Geldbuße prüfte die Kommission zunächst die Schwere der Zuwiderhandlung und stellte dabei fest, dass sie wegen der Art der Zuwiderhandlung und weil diese das gesamte EWR-Gebiet erfasst habe, als ein besonders schwerer Verstoß im Sinne der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), zu gelten habe (Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung). 24. Sodann vertrat die Kommission die Ansicht, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße eine differenzierte Behandlung der Unternehmen in der Weise möglich sei, dass der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen, Rechnung getragen werde. Sie stellte hierzu fest, dass im vorliegenden Fall die betroffenen Unternehmen „nach ihrer jeweiligen relativen Bedeutung gemessen am mit PMMA-Produkten erzielten Umsatz, mit dem sie am Kartell beteiligt waren, [drei] Kategorien zuzuordnen [seien]“ und legte den EWR-weiten Umsatz mit diesen Produkten im Jahr 2000 zugrunde. Die Kommission stufte die Klägerin und Lucite unter Berücksichtigung des Umsatzes, den Lucite mit den drei betreffenden PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielt hatte (105,98 Mio. Euro) in die zweite Kategorie ein und setzte die Ausgangsbeträge ihrer Geldbußen auf 32,5 Mio. Euro fest (Randnrn. 332 bis 336 der angefochtenen Entscheidung). 25. Die Kommission wies ferner darauf hin, dass innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße die Bandbreite der möglichen Geldbußen überdies die Festsetzung der Geldbuße in einer Höhe erlaube, die in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Unter Berücksichtigung des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 2005 (8,49 Mrd. Euro) wandte die Kommission einen Multiplikator von 1,5 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin an, der sich damit auf 48,75 Mio. Euro belief. 26. Zweitens prüfte die Kommission die Dauer der Zuwiderhandlung und stellte fest, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin in Anbetracht dessen, dass diese zwei Jahre und neun Monate an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, um 25 % anzuheben sei. Somit belief sich der Grundbetrag der für die Klägerin berechneten Geldbuße auf 60 937 500 Euro (Randnrn. 351 bis 354 der angefochtenen Entscheidung). 27. Drittens prüfte die Kommission das Vorliegen erschwerender oder mildernder Umstände. Für die Klägerin stellte die Kommission im Hinblick auf zwei bereits zuvor gegen diese ergangene Entscheidungen fest, dass sie mit einer Zuwiderhandlung der gleichen Art rückfällig geworden sei, und beschloss, den Grundbetrag der Geldbuße für die Klägerin um 50 % anzuheben (Randnrn. 355 bis 369 der angefochtenen Entscheidung). Außerdem wies die Kommission die von der Klägerin geltend gemachten mildernden Umstände zurück. Dementsprechend wurde deren Geldbuße auf 91 406 250 Euro und damit einen Betrag festgesetzt, der den in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten Schwellenwert von 10 % nicht überstieg (Randnrn. 372 bis 398 der angefochtenen Entscheidung). 28. Schließlich zog die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit heran und erinnerte daran, dass der Antrag der Klägerin nach dieser Mitteilung abgelehnt worden sei. Was die übrigen Unternehmen betrifft, die einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, gewährte die Kommission zum einen Degussa einen vollständigen Erlass der Geldbuße und setzte zum anderen die Geldbußen bei Atofina und Lucite herab. 29. Unter Berücksichtigung der Ablehnung des Antrags der Klägerin wurde der Endbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße somit auf 91 406 250 Euro festgesetzt. Verfahren und Anträge der Parteien 30. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 17. August 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben. 31. Das schriftliche Verfahren ist am 11. April 2007 geschlossen worden. 32. Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Dritte Kammer) am 15. September 2011 beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen von prozessleitenden Maßnahmen aufgefordert, Fragen zu beantworten. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen. 33. Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. November 2011 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin der Kommission und dem Gericht einige Unterlagen ausgehändigt, die das Vorbringen untermauern sollten. Gegen die Vorlage eines dieser Dokumente machte die Kommission einen Einwand geltend, und das Gericht hat beschlossen, es nicht zu den Akten zu nehmen. Die übrigen Unterlagen sind zu den Akten genommen worden, da die Kommission gegen sie keine Einwände erhoben hatte. 34. Im Übrigen hat das Gericht in der Sitzung die Kommission aufgefordert, zwei von ihr bei ihrem Vortrag angeführte Dokumente vorzulegen. Nachdem die Kommission dieser Aufforderung fristgerecht Folge geleistet hatte, hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, zu diesen Dokumenten Stellung zu nehmen. Diese Stellungnahme ist fristgerecht eingereicht worden. 35. Das mündliche Verfahren ist am 15. Dezember 2011 geschlossen worden. 36. Die Klägerin beantragt, – Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären; – hilfsweise, Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung abzuändern und die gegen sie festgesetzte Geldbuße herabzusetzen; – der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 37. Die Kommission beantragt, – die Klage als unbegründet abzuweisen; – der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung 38. In ihrer Klageschrift stützt die Klägerin ihre Klage auf fünf Gründe. Der erste Klagegrund ist auf die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gestützt. Mit dem zweiten Klagegrund wird die fehlende Begründung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt. Der dritte Klagegrund betrifft das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen. Mit dem vierten Klagegrund wird die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird geltend gemacht, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin außerdem einen sechsten Klagegrund vorgebracht, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird. Zum ersten Klagegrund, mit dem die Unzulänglichkeit der Beweismittel für den Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Formmassen gerügt wird 39. Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes macht die Klägerin geltend, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung in Bezug auf eines der von der angefochtenen Entscheidung erfassten Erzeugnisse, nämlich die PMMA-Formmassen, nicht nachgewiesen sei. 40. Wie den in der Klageschrift gestellten Anträgen eindeutig zu entnehmen sei (siehe oben, Randnr. 36) und wie die Klägerin auch in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt habe, beantrage sie ungeachtet der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachten Argumente nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung, soweit sie darin für die fragliche Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werde. Der vorliegende Klagegrund werde vielmehr zur Stützung ihres Antrags geltend gemacht, der auf die Herabsetzung der in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbuße gerichtet sei. Sie ist nämlich der Meinung, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen des Kartells beteiligt gewesen sei, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden müsse. Die Geldbuße sei daher so herabzusetzen, dass der Anteil widergespiegelt werde, den die PMMA-Formmassen am Gesamtwert oder -umfang der drei betroffenen Erzeugnisse ausmachten (laut Klägerin 44 % bzw. 36 %). 41. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für einen „Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie“ verantwortlich gemacht wird. Ausgelegt unter Berücksichtigung der Gründe dieser Entscheidung und insbesondere ihrer Randnrn. 2 und 222 bis 225 (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T-201/04, Slg. 2007, II-3601, Randnr. 1258 und die dort angeführte Rechtsprechung), macht diese Bestimmung die Klägerin für deren Beteiligung im fraglichen Zeitraum an einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung betreffend PMMA-Formmassen, PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen verantwortlich. 42. Aufgrund der Schwere dieser Zuwiderhandlung wurde die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße bemessen. Insbesondere Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, dass die Kommission bei der Bemessung des Ausgangsbetrags der Geldbuße der Klägerin den Umsatz berücksichtigt hat, den sie durch den Verkauf der PMMA-Produkte erzielt hatte, mit denen sie am Kartell beteiligt war, und somit nach Auffassung der Kommission aller genannten Erzeugnisse. 43. Daher ist festzustellen, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn die Klägerin nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt (siehe oben, Randnr. 40), angenommen er wäre begründet, zur Herabsetzung ihrer Geldbuße und ganz konkret von deren Ausgangsbetrag führen könnte. Wie die Klägerin nämlich in Erinnerung gerufen hat, ist die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an allen Bestandteilen eines Kartells beteiligt war, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 90, und vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 86). Nach der Rechtsprechung ist diese Beurteilung im Stadium der Festsetzung des spezifischen Ausgangsbetrags der Geldbuße vorzunehmen (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 2010, IMI u. a./Kommission, T-18/05, Slg. 2010, II-1769, Randnr. 164). 44. Die Klägerin stützt ihren Antrag im Wesentlichen darauf, dass sich die Kommission in Bezug auf die PMMA-Formmassen für den Zeitraum, während dessen die Klägerin Eigentümerin der ICI Acrylics gewesen sei, ausschließlich auf nicht untermauerte Erklärungen eines Unternehmens gestützt habe, das einen Antrag auf Erlass oder Ermäßigung der Geldbuße gestellt habe, sowie darauf, dass Treffen stattgefunden hätten. Nach Ansicht der Klägerin genügen diese Anhaltspunkte nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Beweisanforderungen. 45. Lediglich die Belege betreffend ein in Randnr. 124 der angefochtenen Entscheidung angesprochenes Treffen, das am 26. Oktober 1999 stattgefunden habe, könnten gegebenenfalls diesen Anforderungen genügen, da sich die Kommission auf zwei Unternehmen stütze, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, sowie auf ein zeitgleiches Dokument dieses Treffens. Diese Zusammenkunft könne aber nicht gegen sie verwendet werden, ohne ihre Verteidigungsrechte zu verletzen. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der der 30. September 1999 als Zeitpunkt der Beendigung der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung angenommen worden sei (siehe Randnr. 291 der angefochtenen Entscheidung), sei dieses Treffen von der Kommission nämlich gegen einen anderen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung, nämlich Lucite, verwendet worden. Dementsprechend habe die Klägerin keine Möglichkeit gehabt, sich sachdienlich gegen diese Zusammenkunft betreffende Behauptungen und Beweise zu verteidigen. 46. Es ist darauf hinzuweisen, dass das erwähnte Vorbringen betreffend eine Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin ausschließlich zu dem Zweck geltend gemacht wird, die Verwendbarkeit des Treffens vom 26. Oktober 1999 und der sich hierauf beziehenden Beweise im Rahmen der Beurteilung der Schwere der von ihr begangenen Zuwiderhandlung gegen sie zu bestreiten. Insbesondere beantragt die Klägerin nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung wegen angeblicher Verletzung ihrer Verteidigungsrechte insoweit, als darin, soweit sie betroffen ist, eine längere als die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte festgestellte Dauer der Zuwiderhandlung zugrunde gelegt wird. 47. Daher kann die etwaige Feststellung einer Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin keine Auswirkungen auf die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits haben, wenn sich herausstellen sollte, dass, auch abgesehen von dem Treffen vom 26. Oktober 1999, die von der Kommission zusammengetragenen Beweise zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil der Zuwiderhandlung hinreichend waren. 48. Unter diesen Voraussetzungen ist es aus Gründen der Prozessökonomie angebracht, den vorliegenden Klagegrund unter Außerachtlassung des erwähnten Treffens zu prüfen. 49. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der angefochtenen Entscheidung die in Rede stehende einzige und fortdauernde Zuwiderhandlung „aus einer Reihe von Maßnahmen [bestand], die als Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen bezüglich der behandelten drei Produkte eingestuft werden können und durch einen gemeinsamen Zweck sowie durch ein auf die Behinderung des Wettbewerbes gerichtetes andauerndes Vorgehen gekennzeichnet sind“ (Randnr. 222 der angefochtenen Entscheidung). Unter Berücksichtigung der in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung aufgeführten gemeinsamen Merkmale der wettbewerbswidrigen Absprachen bei den drei betreffenden Produkten gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass „trotz der Tatsache, dass die drei Produkte verschiedene Merkmale aufweisen und obwohl man meinen könnte, dass sie zu verschiedenen Produktmärkten gehören, ausreichende Beziehungen zwischen den Produkten [bestanden], um zur Schlussfolgerung zu gelangen, dass sich die Hersteller [dieser Produkte] an einem gemeinsamen Plan beteiligten, der die Richtung des Marktverhaltens der Unternehmen vorgab und deren individuelles Geschäftsverhalten beschränkte“. Nach Ansicht der Kommission bestand „[d]ie Zuwiderhandlung … aus einem Komplex von Verhaltensweisen mit einem gemeinsamen Plan und einem einzigen wirtschaftlichen Ziel, nämlich die normalen Preisbewegungen auf dem EWR-Markt für alle drei PMMA-Produkte … zu verfälschen“ (Randnr. 224 der angefochtenen Entscheidung). 50. Zu den in Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung genannten „gemeinsamen Merkmalen“ zählte die Kommission u. a.: – „Eine Kerngruppe derselben Unternehmen [nämlich] Atofina, ICI (später Lucite) und Degussa“; – den Umstand, dass die drei wichtigsten europäischen Hersteller „voll integrierte Hersteller“ gewesen seien und „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten, so dass] die Kartellbildung bei einem Produkt automatisch die Kostenstruktur und/oder die Preise der anderen Produkte [beeinflusste]“; – den Umstand, dass „Gegenstand der Zusammenkünfte und Kontakte … gelegentlich auch mehr als eines der drei PMMA-Produkte [waren]“, wobei sich „[d]ie Beziehung … auch bei zahlreichen Zusammenkünften [zeigt], bei denen Fragen sowohl im Zusammenhang mit PMMA-Formmassen als auch mit PMMA-Massivplatten behandelt wurden“; – den Umstand, dass „[e]tliche Vertreter der an den wettbewerbswidrigen Vereinbarungen beteiligten Unternehmen … für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig [waren] und wussten, oder hätten wissen müssen, dass [diese] Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden“. In diesem Zusammenhang erwähnte die Kommission u. a. „Herrn [D], den stellvertretenden Geschäftsleiter Global Monomers und EAME bei ICI Acrylics, der an den Zusammenkünften betreffend die [PMMA-Formmassen und die PMMA-Massivplatten]“ beteiligt war, von denen mehrere Treffen in dem der Klägerin zuzurechnenden Zeitraum der Zuwiderhandlung stattfanden; – den Umstand, dass dieselben Mechanismen der Funktionsweise des Kartells auf alle drei betreffenden Produkte Anwendung fanden. 51. Was speziell das wettbewerbswidrige Verhalten in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum angeht, ist zwischen den Parteien unstreitig, dass, abgesehen von der Zusammenkunft vom 26. Oktober 1999 (siehe oben, Randnr. 48), die Feststellungen der Kommission auf 14 Treffen beruhen, die zwischen dem 23. Januar 1997 und dem Sommer 1999 stattfanden (vgl. Randnrn. 110 bis 123 der angefochtenen Entscheidung). Im Übrigen steht fest, dass die Anwesenheit der Klägerin nur bei zehn dieser Zusammenkünfte behauptet wird und somit nicht bei den vier in den Randnrn. 112, 114, 117 und 121 der angefochtenen Entscheidung genannten Treffen. 52. Es ist daher zu prüfen, ob die von der Kommission zusammengetragenen Beweismittel ausreichend waren, um die Teilnahme der Klägerin an diesem Teil der Zuwiderhandlung zu belegen. 53. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Beweismittel beizubringen hat, die geeignet sind, das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellenden Tatsachen in rechtlich hinreichender Weise darzutun (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 58). Sie muss genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen worden ist (vgl. Urteile des Gerichts vom 6. Juli 2000, Volkswagen/Kommission, T-62/98, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T-54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 55). 54. Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Es reicht aus, dass das von der Kommission angeführte Indizienbündel bei einer Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 180 und die dort angeführte Rechtsprechung). 55. Die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Randnr. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung). 56. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die wettbewerbswidrigen Tätigkeiten heimlich ablaufen und deshalb in den meisten Fällen das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden muss, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnrn. 55 bis 57). 57. Weist die Kommission nach, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, so ist dies im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung ein ausreichender Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell. Ist die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen, so obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Sitzungen geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Konkurrenten darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnahm (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Hüls/Kommission, C-199/92 P, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 155, Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 96, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81). 58. Zu dem Vorbringen der Klägerin zum Wert der im Rahmen der Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegebenen Erklärungen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Rechts der Europäischen Union es der Kommission untersagt, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer beschuldigter Unternehmen zu verwenden (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnr. 512). Den Erklärungen, die im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit abgegeben wurden, kann daher nicht allein deshalb der Beweiswert abgesprochen werden (Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 57 und 58). 59. Ein gewisses Misstrauen gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell ist verständlich, da sie die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darstellen könnten. Gleichwohl schafft unter Berücksichtigung der inneren Logik des in der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehenen Verfahrens ein Antrag auf deren Anwendung, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Mitglieder des inkriminierten Kartells vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Unternehmens in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass es in den vollen Genuss der Mitteilung über Zusammenarbeit gelangt (Urteile des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T-120/04, Slg. 2006, II-4441, Randnr. 70, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 58). 60. Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori , sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind daher grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II-947, Randnr. 166, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 59). 61. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einer Absprache beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen bestritten wird, nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweismittel untermauert wird (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 219, vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T-38/02, Slg. 2005, II-4407, Randnr. 285, und Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 293). 62. Bei der Prüfung des Beweiswerts der Aussagen von Unternehmen, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben, berücksichtigt das Gericht insbesondere den Umfang von übereinstimmenden Indizien, die für die Richtigkeit dieser Aussagen sprechen (vgl. in diesem Sinne Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 220, und Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Randnr. 59 angeführt, Randnr. 70), und das Fehlen von Indizien dafür, dass diese Unternehmen die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Lafarge/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 62 und 295). 63. Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle im vorliegenden Fall anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T-41/96, Slg. 2000, II-3383, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). 64. Hat ferner das Gericht Zweifel, so muss dies gemäß der Unschuldsvermutung, die als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, gilt, dem Unternehmen zugutekommen, an das sich die Entscheidung richtet, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird (Urteil Hüls/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnrn. 149 und 150). 65. Im Rahmen dieser allgemeinen Erwägungen sind nunmehr die von der Kommission im vorliegenden Fall zusammengetragenen Beweismittel zu prüfen. 66. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, was die oben in Randnr. 51 genannten zehn Zusammenkünfte betrifft, weder bestreitet, dass diese zwischen den Konkurrenten stattgefunden haben, noch, dass sie daran teilgenommen hat, und sie auch nicht behauptet, dass sie sich offen von deren Inhalt distanziert habe. Um die Verantwortlichkeit der Klägerin festzustellen, genügt daher die Prüfung, ob die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, dass diese Sitzungen in Bezug auf die PMMA-Formmassen einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Gegenstand hatten (vgl. die oben in Randnr. 57 angeführte Rechtsprechung). 67. Es ist festzustellen, dass die Darstellung dieser Treffen hauptsächlich auf die Aussagen der von einem Geldbußenerlass begünstigten Degussa zurückgeht. Diese ordnet ihnen aber in Bezug auf die PMMA-Formmassen eindeutig einen offensichtlich wettbewerbswidrigen Inhalt zu (siehe Randnrn. 110, 111, 113, 115, 116, 118 bis 120 und 123 der angefochtenen Entscheidung), was die Klägerin nicht bestreitet. 68. Die Klägerin trägt demgegenüber zum einen vor, dass diese Erklärungen an sich kein hinreichender Beweis für die Zuwiderhandlung seien und sie zum anderen nicht durch weitere Beweismittel untermauert würden. 69. Wie der oben in den Randnrn. 58 bis 60 angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, kommt hierbei Erklärungen, die im Rahmen der Kronzeugenregelung abgegeben werden, besondere Bedeutung zu. Diese im Namen von Unternehmen abgegebenen Erklärungen haben einen nicht unwesentlichen Beweiswert, da sie mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sind (vgl. auch Urteil des Gerichts vom 24. März 2011, Aalberts Industries u. a./Kommission, T-385/06, Slg. 2011, II-1223, Randnr. 47). Aus der oben in den Randnrn. 59 und 61 angeführten Rechtsprechung geht aber auch hervor, dass die Aussagen von beschuldigten Unternehmen im Rahmen von Anträgen nach der Mitteilung über Zusammenarbeit kritisch zu betrachten sind und, sofern sie bestritten werden, im Allgemeinen ohne Untermauerung nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen werden können. 70. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sind jedoch die Aussagen von Degussa darüber, dass im betreffenden Zeitraum wettbewerbswidrige Gespräche betreffend PMMA-Formmassen stattgefunden hätten, durch weitere Beweismittel hinreichend untermauert. 71. In erster Linie ist zu betonen, dass Degussa nicht die einzige Informationsquelle für die Kommission war. Die Schilderung des Treffens vom 11. Mai 1999 (Randnr. 122 der angefochtenen Entscheidung) beruht nämlich auf einer Aussage von Lucite. Auch wenn Degussa, die an diesem Treffen nicht teilgenommen hat, dieses bei ihrer eigenen Aussage nicht erwähnt hat, untermauert die Aussage von Lucite gleichwohl die Behauptung von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Teilnahme der Klägerin an diesem Kartell. 72. Zweitens hat die Kommission für den größten Teil dieser Zusammenkünfte Beweismittel zusammengetragen (wie Tagesordnungsvermerke, Kostennoten), die bescheinigen, dass das Treffen stattgefunden hat oder betreffende Personen daran teilgenommen haben. Auch wenn, wie die Klägerin zu Recht vorträgt, der Umstand, dass eine Zusammenkunft der Konkurrenten stattgefunden hat, allein nicht ausreicht, um dessen wettbewerbswidrigen Charakter zu belegen, ist gleichwohl davon auszugehen, dass es sich um Anhaltspunkte handelt, die die Aussagen von Degussa in gewissem Umfang untermauern. 73. Drittens hat Lucite in seinem Antrag vom 11. Juli 2003 nach der Mitteilung über Zusammenarbeit Erklärungen abgegeben, die im Allgemeinen das Bestehen eines im Nachprüfungsbeschluss angesprochenen Kartells auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell bestätigen. 74. Wohl handelt es sich zwar um allgemeine Aussagen, doch gehen sie in die gleiche Richtung wie die von Degussa. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, einschließlich der Unterlagen und des Personalbestands, von der Klägerin auf Lucite übertragen wurden, so dass deren Aussagen über die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung besonderes Gewicht zukommt. 75. Viertens hat Atofina in ihrem Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit eingeräumt, mindestens seit dem 23. Januar 1997 an einem Kartell auch in Bezug auf die PMMA-Formmassen teilgenommen zu haben. Im Übrigen haben die Gesellschaften, aus denen sich das Unternehmen Atofina zusammensetzt (Arkema, Altuglas und Altumax auf der einen sowie Total und Elf Aquitaine auf der anderen Seite), das Bestehen eines solchen Kartells im Rahmen ihrer jeweiligen Klagen gegen die angefochtene Entscheidung nicht bestritten (Rechtssachen T-206/06 und T-217/06). 76. Zwar ist das Treffen vom 26. Oktober 1999 die erste wettbewerbswidrige Zusammenkunft betreffend die PMMA-Formmassen, für die in einer Mitteilung von Atofina vom 10. Juni 2003 die Anwesenheit von ICI Acrylics erwähnt wird. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass Atofina in dieser Mitteilung das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen in der Zeit von 1998 bis 2001 eindeutig bestätigt. Daher untermauert auch diese Äußerung die entsprechenden Aussagen von Degussa. 77. Fünftens ist zu unterstreichen, dass der angefochtenen Entscheidung zufolge mindestens sieben der zehn untersuchten Zusammenkünfte sowohl die PMMA-Formmassen als auch die PMMA-Massivplatten betrafen (siehe Randnrn. 110, 111, 115, 116 und 118 bis 120 der angefochtenen Entscheidung) und dass die Klägerin den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis nicht bestreitet. Es handelt sich um einen Anhaltspunkt, der gleichfalls die Glaubhaftigkeit der die Schilderung dieser wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte betreffenden Aussagen von Degussa verstärkt. 78. Sechstens nahm an einigen der oben in Randnr. 77 genannten Treffen, auch an der als zeitlichen Beginn der Zuwiderhandlung angenommenen Zusammenkunft vom 23. Januar 1997, Herr D. teil, der bei ICI Acrylics eine gehobene Position einnahm und der sowohl für die PMMA-Formmassen als auch für die PMMA-Massivplatten verantwortlich war. Da die Klägerin weder den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Treffen in Bezug auf das zweitgenannte Erzeugnis bestreitet, noch die Beurteilung der Kommission beanstandet, wonach die betroffenen Unternehmen „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachteten]“ (siehe Randnr. 223 der angefochtenen Entscheidung sowie oben, Randnr. 50 zweiter Gedankenstrich), handelt es sich um ein Indiz dafür, dass auch die PMMA-Formmassen im Zuge dieser Zusammenkünfte behandelt wurden. 79. In Anbetracht dieser Anhaltspunkte ist festzustellen, dass sie, zusammengenommen, ein Bündel von hinreichend übereinstimmenden Indizien bilden, um die Aussagen von Degussa zum Bestehen eines Kartells in Bezug auf die PMMA-Formmassen während des betreffenden Zeitraums und die Beteiligung der Klägerin an diesem Kartell zu untermauern. 80. Die von der Klägerin zur Bedeutung der Aussagen von Degussa vorgebrachten Argumente können an diesem Ergebnis nichts ändern. 81. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin können die Aussagen von Degussa nämlich nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil es sich um Äußerungen von Bevollmächtigten des Unternehmens im Rahmen eines Antrags auf Erlass der Geldbuße handelt (siehe insbesondere oben, Randnrn. 59 und 60). Außerdem haben sich, auch wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich einige auf die Aussagen von Degussa gestützte Beschwerdepunkte fallen lassen musste (wie insbesondere sämtliche Beschwerdepunkte betreffend MMA, das Ausgangsmaterial für die PMMA-Produktion), diese Aussagen gleichwohl als umfassend zutreffend erwiesen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt. Der Beweis dafür besteht u. a. darin, dass drei weitere Unternehmen, nämlich die Klägerin, Atofina und Lucite, in Bezug auf das von Degussa angesprochene Kartell Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt haben. Im Übrigen hat, mit Ausnahme der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes, keines dieser Unternehmen im Rahmen seiner Klage gegen die angefochtene Entscheidung das Bestehen der Zuwiderhandlung bestritten (Rechtssachen T-206/06, T-217/06 und T-216/06). Insbesondere hat die Klägerin selbst implizit die Bedeutung des Antrags von Degussa auf Erlass der Geldbuße bestätigt, da sie ihre Beteiligung am Kartell in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen eingeräumt hat. 82. Da die Aussagen von Degussa hinreichend untermauert sind, kann, anders als die Klägerin meint, ihrer Auffassung, wonach der die PMMA-Formmassen betreffende Teil der Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere ihrer Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße keine Berücksichtigung finden könne, nicht gefolgt werden. 83. Ferner trägt die Klägerin auch zu Unrecht im Wesentlichen vor, dass die Einstufung der in Rede stehenden Zuwiderhandlung als ein einziger und fortdauernder Verstoß betreffend die drei PMMA-Produkte, darunter die Formmassen (siehe oben, Randnr. 49), keine Auswirkungen auf die Prüfung des vorliegenden Klagegrundes haben könne. 84. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der Rechtsprechung ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 81). Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen „Gesamtplan“ ein, so ist die Kommission selbst dann berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen nach Maßgabe der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (vgl. Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 258 und die dort angeführte Rechtsprechung), wenn das betreffende Unternehmen nachweislich nur an einem oder mehreren Bestandteilen der Zuwiderhandlung unmittelbar mitgewirkt hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T-101/05 und T-111/05, Slg. 2007, II-4949, Randnr. 161 und die dort angeführte Rechtsprechung). 85. Zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens an einer derartigen einheitlichen Vereinbarung hat die Kommission nach der Rechtsprechung zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und dass es bereit war, das daraus erwachsende Risiko einzugehen (Urteile Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 87, und Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 43 angeführt, Randnr. 83). 86. Um die Klägerin für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung verantwortlich zu machen und die Höhe der Geldbuße entsprechend festzusetzen, hätte es daher für die Kommission genügt, nachzuweisen, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem PMMA-Massivplatten und PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell auch in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, Sigma Tecnologie/Kommission, T-28/99, Slg. 2002, II-1845, Randnr. 45, und Bolloré u. a./Kommission, oben in Randnr. 60 angeführt, Randnr. 209). 87. Die oben geprüften Anhaltspunkte sind hierfür aber bei Weitem ausreichend. 88. Insbesondere ist daran zu erinnern, dass sich das Bestehen wettbewerbswidriger Kontakte in Bezug auf die PMMA-Formmassen im betreffenden Zeitraum aus den Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina, ergibt. 89. Im Übrigen stellt die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für die während desselben Zeitraums begangene Zuwiderhandlung in Bezug auf die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen nicht in Abrede. Ebenso wenig bestreitet sie das Bestehen einer einheitlichen Zuwiderhandlung als solcher. Insbesondere versucht sie, ungeachtet einiger fragmentarischer Argumente in der Erwiderung, nicht einmal, die oben in den Randnrn. 49 und 50 wiedergegebenen Argumente in Zweifel zu ziehen, die die Kommission veranlasst haben, vom Bestehen einer einzigen Zuwiderhandlung auszugehen. 90. So stellt die Klägerin u. a. nicht die Feststellungen der Kommission in Frage, wonach ihr bei den wettbewerbswidrigen (der Klägerin zufolge auf andere Erzeugnisse beschränkten) Zusammenkünften anwesender Vertreter für mehr als eines der in der Untersuchung berücksichtigten Produkte zuständig gewesen sei „und [wusste], oder [hätte] wissen müssen“, dass diese Vereinbarungen bezüglich mehrerer Produkte bestanden. Ebenso wenig beanstandet sie die Behauptung der Kommission, sie sei ein „voll [integrierter] Hersteller“ gewesen und habe „die bereichsübergreifenden Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Absprachen, die für ein Produkt getroffen worden waren, sehr genau [beachtet]“ (siehe oben, Randnr. 50 zweiter und vierter Gedankenstrich). 91. Aber, selbst unterstellt, die von der Kommission zusammengetragenen Anhaltspunkte genügten nicht für den Nachweis der unmittelbaren Beteiligung der Klägerin an dem die PMMA-Formmassen betreffenden Teil des Kartells, sind sie zumindest für den Nachweis des Bestehens wettbewerbswidriger Kontakte hinsichtlich dieses Erzeugnisses während des betreffenden Zeitraums sowie dessen bei Weitem ausreichend, dass die einzige Zuwiderhandlung auch dieses Erzeugnis erfasste. Dies ergibt sich u. a. aus den übereinstimmenden Aussagen von drei Unternehmen, nämlich Degussa, Lucite und Atofina. 92. Diese Erwägungen genügen, um zumindest darzutun, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch die Mitwirkung an einem die PMMA-Massivplatten und die PMMA-Platten für Sanitäranwendungen betreffenden Kartell in ein Gesamtkartell in Bezug auf drei PMMA-Produkte eingliederte. 93. Bei dieser Fallgestaltung konnte aber ihre Verantwortlichkeit für die gesamte einheitliche Zuwiderhandlung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zum Zweck der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung finden, so dass der auf deren Herabsetzung gerichtete Antrag auf dieser Grundlage zurückzuweisen ist. 94. Aus alledem ergibt sich schließlich, dass die behauptete Verletzung der Verteidigungsrechte der Klägerin in Bezug auf das Treffen vom 26. Oktober 1999 keinerlei praktische Auswirkungen auf die Beurteilung des vorliegenden Klagegrundes hätte und die entsprechende Rüge der Klägerin daher als ins Leere gehend zurückzuweisen ist. 95. Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm zum einen der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung und zum anderen der Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung untermauert werden soll. Zum zweiten Klagegrund, mit dem die fehlende Begründung in der angefochtenen Entscheidung für den „Grundbetrag“ der Geldbuße gerügt wird 96. Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Modalitäten für die Bestimmung des in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgelegten Grundbetrags der Geldbuße (32,5 Mio. Euro) nicht erläutert zu haben und somit das Gericht daran zu hindern, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der „wichtigsten Bezugsgröße“ bei der Bemessung der Geldbuße zu prüfen. Die Kommission habe sich nämlich damit begnügt, anzugeben, aus welchen Gründen sie die Zuwiderhandlung als sehr schwerwiegend eingestuft habe, und die Unternehmen anhand ihrer relativen Größe in drei Kategorien aufzuteilen. Sie habe jedoch weder erläutert, wie sie zu den jeder einzelnen dieser Kategorien zugeordneten Beträgen gelangt sei, noch, weshalb der für die Klägerin festgelegte Betrag über den in den Leitlinien für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro weit hinausgehe. Damit habe die Kommission die ihr nach Art. 253 EG obliegende Begründungspflicht verletzt. 97. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen aufgrund des wesentlichen Formerfordernisses, das die Begründungspflicht darstellt, was die Berechnung der verhängten Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 anbelangt, erfüllt sind, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln (vgl. entsprechend Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, C-248/98 P, Slg. 2000, I-9641, Randnr. 42, Sarrió/Kommission, C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, Randnr. 73, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 463). 98. Im vorliegenden Fall räumt die Klägerin selbst ein, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zum einen angegeben hat, aus welchen Gründen sie den Verstoß als besonders schwer eingestuft hat, und zum anderen, weshalb sie entschieden hat, die betroffenen Unternehmen in drei Kategorien aufzuteilen und jeder dieser Kategorien einen anderen Ausgangsbetrag der Geldbuße zuzuordnen. 99. Im Übrigen lässt sich anhand der Prüfung der Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung feststellen, dass die Kommission tatsächlich eine insoweit hinreichende Begründung geliefert hat. Insbesondere ist der angefochtenen Entscheidung eindeutig zu entnehmen, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße namentlich auf die Art der Zuwiderhandlung gestützt ist, die anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, der Größe des betreffenden räumlichen Marktes, also des Gebiets des EWR (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung), und der Anwendung einer differenzierten Behandlung auf diese Unternehmen ermittelt wurde, um deren wirkliche wirtschaftliche Durchsetzungskraft für eine erhebliche Schädigung des Wettbewerbs zu berücksichtigen, die aufgrund der mit dem Verkauf von PMMA-Produkten erzielten Umsätze eingeschätzt wurde, mit denen sie an dem in Rede stehenden Kartell beteiligt waren (siehe Randnrn. 332 bis 334 der angefochtenen Entscheidung). Im letztgenannten Zusammenhang hat die Kommission auch den in Volumen und Wert ausgedrückten Gesamtumfang des Marktes für PMMA-Produkte in den Jahren 2000 und 2002 erwähnt (siehe Randnr. 333 der angefochtenen Entscheidung). Demnach ist die Behauptung der Klägerin, die Kommission habe nicht erläutert, weshalb die Schwere der der Klägerin zur Last gelegten Zuwiderhandlung die Festsetzung eines solchen Grundbetrags rechtfertige, sachlich unzutreffend. 100. Soweit die Klägerin das Fehlen einer spezifischen Begründung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro beanstandet, der den wie sie in die zweite Kategorie eingestuften Unternehmen zugeordnet worden sei, genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen der Begründungspflicht die Kommission nicht zwingen, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen (Urteile Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 80, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 464). Die Kommission war daher nicht nach Art. 253 EG verpflichtet, ihre Entscheidung für den Betrag von 32,5 Mio. Euro als Ausgangsbetrag der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße eingehender zu begründen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361). 101. Zum Vorbringen der Klägerin, wonach die oben in Randnr. 100 angeführte Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Höhe des Ausgangsbetrags der Geldbuße im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, genügt der Hinweis, dass diese Rechtsprechung auch in einer Rechtssache Anwendung gefunden hat, in der die Kommission einen noch weit höheren Ausgangsbetrag festgesetzt hatte als hier (Urteil Microsoft/Kommission, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 1361). Auch die Behauptung der Klägerin, der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße gehe über den für besonders schwere Verstöße festgelegten Schwellenwert von 20 Mio. Euro „weit“ hinaus, vermag an der oben in Randnr. 100 getroffenen Einschätzung nichts zu ändern. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass dieser Schwellenwert nur eine in den Leitlinien für derartige Verstöße vorgesehene Untergrenze darstellt, da diese bestimmen, dass die „voraussichtlichen Beträge“ „oberhalb von 20 Millionen [Euro]“ liegen. 102. Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Zum dritten Klagegrund, betreffend das Versäumnis der Kommission, ihrer Verpflichtung nachzukommen, den „Grundbetrag“ zwischen der Klägerin und Lucite aufzuteilen 103. Die Klägerin trägt vor, als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen einer einheitlichen Gesamtheit von Vermögenswerten, die Gegenstand der Zuwiderhandlung gewesen seien, seien sie selbst und Lucite nacheinander Beteiligte an der mutmaßlichen Zuwiderhandlung gewesen und hätten daher zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen. Dementsprechend hätte der dieser „einheitlichen Schwere“ entsprechende Betrag der Geldbuße auf sie aufgeteilt werden müssen, um zu vermeiden, dass die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“, der nach den Leitlinien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung ausschlaggebende Maßstab, doppelt berücksichtigt werde. Die Geldbuße sei jedoch so berechnet worden, als ob die Klägerin und Lucite jeweils einen unterschiedlichen und gleichzeitigen Einfluss auf den Wettbewerb ausgeübt hätten. Diese Berechnungsmethode habe – für eine einheitliche Zuwiderhandlung – zu einer Geldbuße geführt, die allein deshalb erheblich höher gewesen sei, weil es bei einem Unternehmen einen Eigentümerwechsel gegeben habe, und nicht deshalb, weil dem Wettbewerb zusätzlicher Schaden zugefügt worden wäre oder die Klägerin irgendeinen Fehler begangen hätte. Dadurch habe Kommission gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verstoßen. 104. Hierzu ist zunächst das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, der vorliegende Klagegrund sei unzulässig. Er wird nämlich zur Stützung der oben in Randnr. 36 aufgeführten Anträge geltend gemacht und würde, wäre er denn begründet, zur Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße führen. Damit beanstandet die Klägerin entgegen dem Vorbringen der Kommission die Höhe ihrer eigenen Geldbuße, nicht aber die Höhe der Geldbuße, die gegen einen Dritten verhängt wurde. 105. Ferner geht aus den Schriftsätzen der Klägerin eindeutig hervor, dass der vorliegende Klagegrund, auch wenn in dessen Überschrift auf den „Grundbetrag“ der Geldbuße Bezug genommen wird, nur den „die Schwere betreffenden Teil der Geldbuße“, d. h. konkret den in Randnr. 336 der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro, betrifft. Zudem beanstandet die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht die oben in den Randnrn. 25 und 26 erwähnten Beurteilungen der Kommission. 106. Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission, wie die Klägerin vorträgt, verpflichtet war, diesen Ausgangsbetrag der Geldbuße auf die Klägerin und Lucite aufzuteilen. 107. Der angefochtenen Entscheidung zufolge waren die Klägerin und Lucite an der Zuwiderhandlung mit denselben Vermögenswerten beteiligt wie ICI Acrylics, die Einheit, die am 2. November 1999, also etwa in der Mitte des Zeitraums der Zuwiderhandlung, vom erstgenannten auf das zweitgenannte Unternehmen übertragen wurde. Dieses Datum stellt im Übrigen einen Zeitpunkt der „Aufteilung“ der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite dar (siehe oben, Randnr. 21). Außerdem hat die Kommission im Rahmen der differenzierten Behandlung dieser beiden Unternehmen den von Lucite im Jahr 2000 erzielten eigenen Umsatz berücksichtigt. Auf dieser Grundlage hat sie die Ausgangsbeträge der Geldbußen der beiden Unternehmen auf jeweils 32,5 Mio. Euro festgesetzt (siehe Randnrn. 334 und 336 der angefochtenen Entscheidung). 108. Demnach kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass die Anwendung derselben Methode für die Berechnung der Geldbuße, unterstellt ICI Acrylics hätte nicht den Eigentümer gewechselt, die Kommission veranlasst hätte, einen einzigen Ausgangsbetrag der Geldbuße in Höhe von 32,5 Mio. Euro festzusetzen, den sie diesem einzigen Unternehmen zugeordnet hätte. Folglich erscheint die Behauptung der Klägerin, die Übertragung der ICI Acrylics als solche habe sich auf den Gesamtbetrag der in der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbußen ausgewirkt, begründet. 109. Gleichwohl ist die Auffassung der Klägerin, die Kommission hätte anders vorgehen und den Ausgangsbetrag zwischen den beiden betroffenen Unternehmen aufteilen müssen, zurückzuweisen. 110. In erster Linie beruht diese Auffassung im Wesentlichen auf der Annahme, dass die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eng mit der „Auswirkung auf den Wettbewerb“ oder mit dessen „Schädigung“ verknüpft sein müsse und dass die Klägerin und Lucite als aufeinanderfolgende Eigentümerinnen der Vermögenswerte von ICI Acrylics dementsprechend zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf den Wortlaut der Leitlinien, wonach bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung die „tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ zu berücksichtigen sei. 111. Diese Annahme geht jedoch fehl. 112. Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich die Auswirkungen einer wettbewerbswidrigen Praxis als solche bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C-194/99 P, Slg. 2003, I-10821, Randnr. 118, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C-534/07 P, Slg. 2009, I-7415, Randnr. 96). Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnrn. 241 und 242 und die dort angeführte Rechtsprechung), und beispielsweise Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen handelt (vgl. Urteile Thyssen Stahl/Kommission, Randnr. 118, sowie Prym und Prym Consumer/Kommission, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). 113. Außerdem hat die Klägerin die Leitlinien nicht vollständig zur Kenntnis genommen. Nach deren Ziff. 1 A sind nämlich „[b]ei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes … seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen“. In Anwendung dieser Kriterien werden „[d]ie Verstöße … in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“. Hinsichtlich der besonders schweren Verstöße heißt es in den Leitlinien u. a., dass es sich „sich im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle [handelt]“ und dass die voraussichtlichen Ausgangsbeträge „oberhalb von 20 Mio. [Euro]“ liegen. Außerdem ermöglicht nach den Leitlinien „innerhalb der einzelnen Kategorien von Zuwiderhandlungen … die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung gemäß der Art des begangenen Verstoßes“. 114. Die Leitlinien stellen daher im Zusammenhang mit der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße klar auf die Art der Zuwiderhandlung als bei der Beurteilung ihrer Schwere entscheidenden Gesichtspunkt ab (vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone Lorraine/Kommission, T-73/04, Slg. 2008, II-2661, Randnr. 91). Was die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung betrifft, sehen die Leitlinien das Kriterium der „konkreten Auswirkungen auf den Markt“ vor, das die Zuwiderhandlung als Ganzes betrifft, nicht aber die Auswirkungen des jeweiligen Verhaltens der einzelnen Unternehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 2009, Carbone-Lorraine/Kommission, C-554/08 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 21 und 24), wobei klargestellt wird, dass sie nur Berücksichtigung finden, „sofern diese messbar sind“. 115. Im Übrigen ist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass „es nicht möglich [gewesen sei,] die tatsächlichen Auswirkungen der [streitigen] Zuwiderhandlung … auf den EWR zu bemessen“, und sie hat daher ausgeführt, dass sie im Rahmen der Bemessung der Geldbuße nicht „auf derlei spezifisch[e] Auswirkungen [der Zuwiderhandlung auf den Markt]“ (Randnr. 321 der angefochtenen Entscheidung) Bezug genommen habe. Sie ist mithin auf der Grundlage ihrer Beurteilung der Art der Zuwiderhandlung anhand ihrer hauptsächlichen Merkmale, wie sie in Abschnitt 4.2 der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 320 dieser Entscheidung) dargelegt sind, und der Größe des betreffenden räumlichen Marktes (siehe Randnr. 330 der angefochtenen Entscheidung) zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen besonders schweren Verstoß handelte. 116. Diese von der Klägerin im Übrigen nicht beanstandete Vorgehensweise steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach horizontale Preisabsprachen oder Marktaufteilungen allein aufgrund ihrer Art als besonders schwere Verstöße angesehen werden können, ohne dass die Kommission namentlich konkrete Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt nachweisen müsste (Urteile des Gerichtshofs Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 75, und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Randnr. 103). 117. Das von der Klägerin herangezogene Kriterium der „tatsächliche[n] Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb“ wird im vorletzten Absatz von Ziff. 1 A der Leitlinien erwähnt, in dem es heißt, dass „[b]ei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind (Kartelle), … in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen … Gruppen festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren“. Mithin handelt es sich lediglich um ein fakultatives Kriterium, das bei Verstößen, an denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, eine Anpassung des Ausgangsbetrags der Geldbuße ermöglicht, nicht aber um ein für die Bestimmung dieses Betrags ausschlaggebendes Kriterium. Im Übrigen betrifft dieses Kriterium nicht die quantitative Erfassung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens der einzelnen an einer bestimmten Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen, sondern die Berücksichtigung möglicherweise zwischen ihnen bestehender objektiver Unterschiede wie u. a. einen erheblichen Größenunterschied bei der Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße. 118. Folglich ließe der Eigentümerwechsel bei ICI Acrylics, selbst unterstellt, dieser Umstand hätte, wie die Klägerin behauptet, keine zusätzliche Schädigung des Wettbewerbs nach sich gezogen, nicht den Schluss zu, dass die Klägerin und Lucite zu einer „einheitlichen Schwere“ der Zuwiderhandlung beigetragen hätten und der Ausgangsbetrag der Geldbuße daher auf sie hätte aufgeteilt werden müssen. 119. In zweiter Linie lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit einer Aufteilung des Ausgangsbetrags der Geldbuße auf sie und Lucite außer Betracht, dass die der Bestimmung dieses Betrags zugrunde liegenden Erwägungen (siehe Randnrn. 319 bis 336 der angefochtenen Entscheidung) in vollem Umfang auf sie anwendbar sind. 120. Der angefochtenen Entscheidung zufolge haben sowohl die Klägerin als auch Lucite die in Art. 1 dieser Entscheidung genannte Zuwiderhandlung begangen. Tatsächlich bestreitet die Klägerin ihre Verantwortlichkeit für eine solche Zuwiderhandlung nicht (siehe oben, Randnr. 40). Ebenso wenig beanstandet sie die Beurteilung der Kommission, wonach sie „als Unternehmen im Sinne von Artikel 81 [EG]“ zu betrachten sei (Randnr. 288 der angefochtenen Entscheidung). 121. Außerdem rügt sie weder die von der Kommission in den Randnrn. 319 bis 331 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung noch deren Einschätzung, dass im Rahmen der differenzierten Behandlung der von Lucite mit dem Verkauf von PMMA-Produkten im Jahr 2000 erzielte Umsatz ein angemessener Indikator für die relative Größe und wirtschaftliche Macht von ICI Acrylics auf dem maßgebenden Markt sei (Randnr. 334 der angefochtenen Entscheidung). 122. Unter diesen Umständen läuft das Vorbringen der Klägerin in Wirklichkeit darauf hinaus, in Bezug auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße allein deshalb eine Vorzugsbehandlung gegenüber den anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung zu fordern, weil sie die Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, übertragen hat. 123. Die von ihr begangene Zuwiderhandlung ist jedoch allein dadurch nicht weniger schwerwiegend geworden. Gegen die Klägerin wurde somit genau derselbe Ausgangsbetrag der Geldbuße festgesetzt, wie wenn sie sich, anstatt ICI Acrylics mit Wirkung vom 2. November 1999 auf Lucite zu übertragen, zum selben Zeitpunkt lediglich von der Zuwiderhandlung zurückgezogen hätte. 124. Folglich hat die Klägerin entgegen ihrem Vorbringen, ungeachtet der Tatsache, dass sie mit denselben Vermögenswerten wie später Lucite an dem Kartell beteiligt war, eine Zuwiderhandlung begangen, deren Schwere die Festsetzung des von der Kommission bei ihr zugrunde gelegten Ausgangsbetrags rechtfertigte. Daher ist ihrer Auffassung, dass dieser Ausgangsbetrag auf sie und Lucite hätte aufgeteilt werden müssen, nicht zu folgen. 125. Die übrigen Argumente der Klägerin sind nicht geeignet, an diesem Ergebnis etwas zu ändern. 126. Sie macht erstens geltend, dass betreffend die Geldbuße die „Aufteilung des Maßstabs ‚Dauer‘“ auf sie und Lucite nicht hinreichend sei. Nach der Methode der Leitlinien sei es nämlich betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Schwere‘“, der stärkere Auswirkungen auf den Grundbetrag der Geldbuße habe, da der Ausgangsbetrag um lediglich 10 % für jedes Jahr der Zuwiderhandlung erhöht werde. In Ermangelung einer „linearen Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße seien daher, auch wenn der „Maßstab ‚Dauer‘“ auf die Klägerin und Lucite aufgeteilt worden sei, ihre Grundbeträge zusammengenommen höher als derjenige, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten. 127. Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Grundbetrag der Geldbuße der Klägerin anhand der Dauer ihrer eigenen Beteiligung an der Zuwiderhandlung bestimmt wurde (siehe oben, Randnr. 26). Somit wurde, wie die Kommission zu Recht betont, betreffend die Geldbuße der „Maßstab ‚Dauer‘“ tatsächlich auf die Klägerin und Lucite „aufgeteilt“. 128. Zwar übersteigen, wie die Klägerin vorträgt, die Ausgangsbeträge für die Klägerin und für Lucite zusammengenommen denjenigen, der berechnet worden wäre, hätte ICI Acrylics denselben Eigentümer behalten (siehe oben, Randnr. 108). Doch ist festzustellen, dass dies die einfache Folge der Anwendung der in den Leitlinien vorgesehenen Methode ist, die die Politik widerspiegeln, die die Kommission im Rahmen der Festsetzung von Geldbußen verfolgen wollte. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommission insoweit verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 109), durfte sie aber eine solche Relation zwischen den Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung herstellen. 129. Dass dem Kriterium der Schwere der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall bei der Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße höheres Gewicht zukam als dem der Dauer der Zuwiderhandlung, erlaubt es daher nicht, der Auffassung der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit – betreffend die Geldbuße – einer „Aufteilung des Maßstabs ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite beizupflichten. 130. Im Übrigen wäre im vorliegenden Fall eine „lineare Relation“ zwischen der Dauer der Zuwiderhandlung und dem Grundbetrag der Geldbuße, also die Multiplikation des Ausgangsbetrags der Geldbuße mit der Zahl der Jahre der Beteiligung eines Unternehmens an der Zuwiderhandlung, zulasten der Klägerin hergestellt worden, da sie zu einem höheren Grundbetrag als demjenigen geführt hätte, der für sie festgesetzt wurde. 131. Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, das auf die Aussage der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte gestützt ist, dass dann, „wenn das Unternehmen, das die Vermögenswerte erworben hat, den Verstoß gegen Art. 81 [EG] und/oder Art. 53 EWR-Abkommen, fortsetzt, … die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind, aufzuteilen [ist]“ (Randnr. 347 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). 132. Entgegen den Ausführungen der Klägerin enthält diese Aussage keine Konkretisierung hinsichtlich der Frage – betreffend die Geldbuße – einer etwaigen Aufteilung des „Elements ‚Schwere‘“ auf sie und Lucite. Wie sich der von der Kommission verwendeten Formulierung und ihrer Platzierung in Abschnitt 5.6 der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig entnehmen lässt, betrifft diese Aussage lediglich die Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen dem Verkäufer und dem Erwerber der Vermögenswerte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, im Zusammenhang mit der Bestimmung der Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Dasselbe Ergebnis folgt zwingend aus dem Verweis in einer Fußnote zu Randnr. 43 der Entscheidung 89/190/EWG der Kommission vom 21. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.865, PVC) (ABl. 1989, L 74, S. 1). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eine solche Aufteilung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zwischen der Klägerin und Lucite vorgenommen hat (siehe oben, Randnr. 21). 133. Die Klägerin macht drittens geltend, die Kommission habe in ihrer früheren Entscheidungspraxis eine Methode angewandt, die darin bestanden habe, die Geldbuße entsprechend den Zeiträumen des Eigentums an einer an der Zuwiderhandlung beteiligten Einheit aufzuteilen. 134. Hierzu genügt der Hinweis, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für die Bemessung von Geldbußen im Wettbewerbsrecht dient, da die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfügt, bei dessen Ausübung sie nicht an frühere eigene Beurteilungen gebunden ist (vgl. Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung). 135. Auf jeden Fall zieht die Klägerin nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel, wonach, anders als in der vorliegenden Rechtssache, bei den von ihr herangezogenen Entscheidungen die Übertragung einer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Tochtergesellschaft vorgelegen habe. Dabei handelt es sich um eine grundlegende Abweichung des Sachverhalts im Rahmen der Bemessung der Geldbuße, da in Ermangelung einer Rechtspersönlichkeit von ICI Acrylics gegen diese keine Geldbuße festgesetzt werden konnte. Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall keinesfalls in sachdienlicher Weise auf die Entscheidungspraxis der Kommission bei der Übertragung einer Tochtergesellschaft während des Zeitraums der Zuwiderhandlung berufen. 136. Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes auch die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung erwähnt. Sie trägt insoweit jedoch keine anderen spezifischen Argumente vor als die oben geprüften, die das Vorliegen der angeblichen Verpflichtung der Kommission betreffen, wegen des Fehlens einer sich aus der Übertragung ergebenden zusätzlichen Schädigung des Wettbewerbs „das ‚Element Schwere‘ aufzuteilen“. Daher sind auch diese Argumente zurückzuweisen. 137. Demnach ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Im Übrigen rechtfertigen auch die im Rahmen dieses Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Zum vierten Klagegrund, mit dem die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung als unangemessen gerügt wird 138. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, dass die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Klägerin verkannt habe. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, die Kommission habe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verletzt. Zum ersten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verkennung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die Kommission gerügt wird 139. Nach Ansicht der Klägerin ist die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der hinreichenden Abschreckung um 50 % unter Verkennung ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit erfolgt. Wie sie während der Ermittlungen darget an habe, werde diese von ihrem Umsatz, auf den die Kommission bei der Festlegung der Erhöhung abgestellt habe, nicht angemessen widergespiegelt. Das Umsatzkriterium sei für die Wirtschaftskraft eines Unternehmens zwar als „Anhaltspunkt“ oder „Näherungswert“ einschlägig, aber nicht hinreichend, wenn das betreffende Unternehmen weitere seine Wirtschaftskraft betreffende Beweise vorlege. Daher sei die fragliche Erhöhung aufzuheben. 140. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Kommission in Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung erklärt hat, dass in der Kategorie der sehr schwerwiegenden Zuwiderhandlungen die Bandbreite der möglichen Geldbußen die Festsetzung der Geldbußen in einer Höhe ermögliche, die „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen“ eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstelle. Bei der Ermittlung der Größe und der Wirtschaftskraft der Klägerin hat die Kommission deren weltweiten Umsatz im Jahr 2005 berücksichtigt, dem letzten Geschäftsjahr vor dem Jahr, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde (8,49 Mrd. Euro), und beschlossen, auf ihre Geldbuße einen Multiplikationsfaktor von 1,5 anzuwenden (siehe Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung). 141. In diesem Zusammenhang führte die Kommission in Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin zur Beurteilung ihrer Wirtschaftskraft anhand des Umsatzes aus, dass sie den Umsatz als vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke eines Unternehmens betrachte und dass sie im vorliegenden Fall dieses Kriterium für alle Unternehmen gleich gewichtet habe (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung). 142. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Abschreckungswirkung zu den Kriterien gehört, die bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen sind. Nach ständiger Rechtsprechung sollen mit Geldbußen wegen Verstößen gegen Art. 81 EG, wie sie in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen sind, rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen geahndet und diese Unternehmen und andere Wirtschaftsteilnehmer abgeschreckt werden, künftig Verletzungen der Wettbewerbsregeln des Unionsrechts zu begehen. Daher kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße u. a. die Größe und die Wirtschaftskraft des betreffenden Unternehmens berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, Showa Denko/Kommission, C-289/04 P, Slg. 2006, I-5859, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). 143. Dass Größe und Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine hinreichende Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere im Hinblick auf dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juni 2010, Lafarge/Kommission, C-413/08 P, Slg. 2010, I-5361, Randnr. 104). So ist entschieden worden, dass das Abschreckungsziel, das die Kommission bei der Bemessung einer Geldbuße verfolgen darf, nur unter Berücksichtigung der Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbuße erreicht werden kann (Urteil des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T-279/02, Slg. 2006, II-897, Randnr. 278). 144. Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin nicht in Abrede, dass die Kommission die Möglichkeit habe, der Größe und der Wirtschaftskraft des Unternehmens Rechnung zu tragen, um die Höhe der Geldbuße anzupassen. Sie zieht jedoch in Zweifel, dass das Kriterium des Umsatzes bei der Beurteilung ihrer eigenen Größe und ihrer Wirtschaftskraft maßgebend sei. 145. Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine – wenn auch nur annähernde und unvollständige Aussage – zu dessen Größe und Wirtschaftskraft erlaubt (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 243 und die dort angeführte Rechtsprechung). So ist bereits entschieden worden, dass die Kommission bei der Bemessung der Geldbuße in einer Höhe, die eine hinreichende Abschreckungswirkung sicherstellt, den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen kann (Urteile des Gerichtshofs Showa Denko/Kommission, oben in Randnr. 142 angeführt, Randnrn. 15 bis 18, und vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C-266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 120, Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Randnr. 96). 146. Obwohl die Rechtsprechung ausdrücklich einräumt, dass der Gesamtumsatz des Unternehmens eine möglicherweise „unvollständige“ und „annähernde“ Aussage zu dessen Größe und Wirtschaftskraft darstellt, bestätigt sie zugleich die Anwendung dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung. Diese Lösung hat den unbestreitbaren Vorteil, der Kommission im Rahmen der Bemessung der Geldbußen den Rückgriff auf ein objektives Kriterium und dessen unterschiedslose Anwendung auf alle betroffenen Unternehmen zu ermöglichen. 147. Folglich ist die Behauptung, der Umsatz eines Unternehmens spiegele dessen Wirtschaftskraft nur unvollständig oder annähernd wider, als solche nicht ausreichend, um die Erheblichkeit dieses Kriteriums bei der Festlegung der Erhöhung der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung zu verneinen. 148. Zwar darf, wie die Klägerin im Wesentlichen vorträgt, nicht aus dem Blick geraten, welches Ziel mit der Anwendung dieser Erhöhung verfolgt wird, nämlich die Anpassung der Geldbuße in der Weise, dass sie insbesondere im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (vgl. oben, Randnr. 143, und Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T-410/03, Slg. 2008, II-881, Randnr. 379). 149. Jedoch lässt sich anhand des Vorbringens der Klägerin nicht feststellen, dass ihr von der Kommission berücksichtigter Umsatz einen so irreführenden Eindruck ihrer Leistungsfähigkeit vermittelte, dass dieses Ziel im vorliegenden Fall verfehlt worden wäre. 150. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin die von ihr vorgebrachten Argumente und Zahlen auf keinen konkreten Anhaltspunkt stützt, da in der Klageschrift insoweit auf keine Unterlagen Bezug genommen wird. 151. Ferner beschränkt sich die Klägerin in der Klageschrift darauf, das Vorliegen einer Verbindlichkeit aus Pensionsverpflichtungen geltend zu machen, die umfangreicher sei, als ihre Größe vermuten lasse, sowie eine auf die Finanzierung eines im Jahr 1997 erfolgten Erwerbs zurückzuführende Verschuldung, ohne jedoch substantiiert darzulegen, wodurch das Bestehen dieser Verbindlichkeiten die Erheblichkeit ihres von der Kommission berücksichtigten Umsatzes im Jahr 2005 beeinträchtigen sollte. 152. Wie die Kommission zutreffend bemerkt hat, geht es um Umstände, die mehrere Jahre betreffen und daher nicht zwangsläufig einen verlässlichen Indikator für die Wirtschaftskraft des Unternehmens zu dem Zeitpunkt darstellen, zu dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, und die darüber hinaus grundsätzlich unvermeidbare Auswirkungen auf den Umsatz des Unternehmens haben. Im Übrigen bestätigt die Klägerin selbst in der Klageschrift, dass die in Rede stehende Verschuldung „Auswirkungen auf ihre Tätigkeiten hatte“. Die Klägerin hat auch nicht das Vorbringen der Kommission in Zweifel gezogen, wonach sich die fraglichen Verbindlichkeiten zwangsläufig auf ihren Umsatz ausgewirkt hätten. 153. Zudem erläutert die Klägerin nicht, inwieweit das Kriterium des Umsatzes aufgrund der von ihr vorgetragenen Umstände ihre Leistungsfähigkeit nicht angemessen widerspiegele. Sie begnügt sich damit, schlicht und einfach die Aufhebung der von der Kommission angewandten Erhöhung zu beantragen. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerin dadurch in die gleiche Lage gebracht würde wie Barlo und Lucite, bei denen keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen wurde. Der Umsatz dieser beiden Unternehmen machte im Jahr 2005 aber nur rund 4 % bzw. 13 % des Umsatzes der Klägerin aus (siehe Randnrn. 36 und 46 der angefochtenen Entscheidung). In Ermangelung überzeugender Beweise kann der Auffassung, der Umsatz der Klägerin sei hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit insoweit irreführend, nicht gefolgt werden. 154. Demnach hat die Klägerin die Beurteilung der Kommission nicht widerlegt, wonach ihr Umsatz einen „vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für [ihre] wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke“ liefere (Randnr. 347 der angefochtenen Entscheidung). Daher konnte die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin auf diesen Umsatz abstellen, um die angemessene Erhöhung festzulegen (siehe oben, u. a. Randnrn. 146 und 147). 155. Darüber hinaus ist, soweit die Klägerin vorträgt, die Kommission habe versäumt, die im Verwaltungsverfahren in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit vorgelegten Beweise zu prüfen, auch dieses Vorbringen zurückzuweisen. Zum einen handelt es sich um eine bloße Behauptung der Klägerin, die durch keinen konkreten Anhaltspunkt wie z. B. die Bezeichnung der Beweise, die die Kommission ignoriert habe, untermauert wird. Zum anderen und auf jeden Fall geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission das Vorbringen der Klägerin geprüft hat, wonach anhand ihres Umsatzes ihre Leistungsfähigkeit überschätzt worden sei, und dass sie zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Umsatz einen vernünftigen und hilfreichen Anhaltspunkt für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Stärke abgegeben habe (Randnrn. 343 und 347 der angefochtenen Entscheidung). Wenn die Kommission nicht im Einzelnen auf jedes Argument der Klägerin eingegangen ist, erlaubt dies nicht die Behauptung als solche, dass diese Argumente nicht geprüft worden seien. 156. Schließlich trägt die Klägerin noch vor, dass die Notwendigkeit der Erhöhung im vorliegenden Fall besonders deshalb einer eingehenden Begründung bedurft hätte, weil sie dargetan habe, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe, dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe und dass die Geldbuße bereits sehr hoch gewesen sei. 157. Hierzu genügt der Hinweis, dass die Kommission in den Randnrn. 337 bis 350 der angefochtenen Entscheidung bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung eine Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße vorgenommen hat, um „in Anbetracht der Größe und der wirtschaftlichen Macht der einzelnen Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung [sicherzustellen]“ (Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung). Diese Stufe der Bemessung der Geldbuße ergibt sich aus der Notwendigkeit, den Ausgangsbetrag der Geldbuße so anzupassen, dass die Geldbuße im Hinblick auf die Gesamtmittel des Unternehmens und seine Fähigkeit, die für die Bezahlung der Geldbuße erforderlichen Mittel aufzubringen, eine hinreichende Abschreckungswirkung entfaltet. Dementsprechend sind die Behauptungen der Klägerin, dass keiner der tatsächlichen Urheber der Zuwiderhandlung bei ihr beschäftigt gewesen sei oder eine Position mit Verantwortung bei ihr innegehabt habe und dass keines ihrer Vorstandsmitglieder die Durchführung der Zuwiderhandlung erleichtert habe, in diesem Zusammenhang unerheblich und gehen daher ins Leere. 158. Im Ergebnis ist daher das Vorbringen im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes nicht geeignet, die bei der Klägerin in den Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Erhöhung in Frage zu stellen. 159. Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Zum zweiten Teil des Klagegrundes, mit dem die Verletzung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung gerügt wird 160. Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission, selbst angenommen, sie wäre berechtigt gewesen, eine ausschließlich auf den Umsatz gestützte Erhöhung zu Abschreckungszwecken anzuwenden, die Adressaten der angefochtenen Entscheidung gerecht und in angemessenem Verhältnis hätte behandeln müssen. Die bei der Klägerin angewandte Erhöhung sei jedoch verhältnismäßig höher als die bei Atofina angewandte und verstoße daher gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung. 161. Hierzu ist festzustellen, dass, wie die Klägerin ausführt, der von der Kommission im Fall der Klägerin berücksichtigte Umsatz (8,49 Mrd. Euro) tatsächlich um das 16-Fache geringer ist als der von Atofina (143 Mrd. Euro), während die auf die Geldbuße der Klägerin angewandte Erhöhung (50 %) nur um das Vierfache geringer ist als die bei Atofina (200 %). 162. Diese Feststellung reicht jedoch nicht aus, um den Umfang der bei der Klägerin angewandten Erhöhung im Hinblick auf die von ihr herangezogenen Grundsätze in Frage zu stellen. 163. Erstens bedeutet dieser Unterschied im Verhältnis zur Behandlung eines anderen Unternehmens nicht als solcher, dass die Erhöhung bei der Klägerin nicht in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck steht, nämlich laut Randnr. 337 der angefochtenen Entscheidung, die Festsetzung ihrer Geldbuße in einer Höhe, die in Anbetracht ihrer Größe und ihrer wirtschaftlichen Macht eine hinreichend abschreckende Wirkung sicherstellt. Im Rahmen dieses Teils des Klagegrundes trägt die Klägerin hierzu jedoch nichts vor. 164. Auf jeden Fall liefe das Vorbringen der Klägerin, soweit sie ihren Blick auf die Situation von Atofina richtet und angenommen, es wäre begründet, darauf hinaus, dass die Erhöhung bei der Klägerin lediglich eine Größenordnung von 12,5 % (16-fach geringere Erhöhung als die bei Atofina angewandte von 200 %) hätte. Unter Berücksichtigung ihrer durch ihren Umsatz im Jahr 2005 widergespiegelten Größe und Wirtschaftskraft wäre eine solche Erhöhung aber nicht ausreichend, um das verfolgte Ziel zu erreichen. 165. Zweitens, selbst unterstellt, diese Unterscheidung ließe sich als Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes betrachten, folgte daraus nicht zwangsläufig, dass die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, eine Herabsetzung der angewandten Erhöhung zu erwirken. 166. Die Kommission weist hierzu zutreffend darauf hin, dass die Klägerin versucht, die im Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission (T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181, Randnrn. 244 bis 249), entwickelte Lösung „umzukehren“. In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, hatte der Umsatz des Unternehmens Showa Denko KK (im Folgenden: SDK) um das Zweifache über dem des Unternehmens VAW Aluminium AG (im Folgenden: VAW) gelegen. Die Kommission hatte bei SDK aber eine um das Sechsfache höhere Erhöhung (150 %) angewandt als bei VAW (25 %). Bei dieser Sachlage hat das Gericht entschieden, die bei SDK angewandte Erhöhung durch eine Erhöhung um 50 %, also eine doppelt so hohe als die bei VAW angewandte, zu ersetzen. 167. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich ein Unternehmen wie die Klägerin zu seinen Gunsten auf eine angebliche Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes berufen könnte, die sich daraus ergebe, dass die Erhöhung bei einem größeren Unternehmen, als sie es sei, nicht hinreichend hoch sei, um dem Größenunterschied zwischen diesen beiden Unternehmen Rechnung zu tragen. 168. Drittens und auf jeden Fall müsste die Angemessenheit des Umfangs der bei der Klägerin angewandten Erhöhung unter Berücksichtigung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls nicht nur im Verhältnis zu der bei Atofina angewandten Erhöhung, sondern auch im Verhältnis zu den bei den übrigen betroffenen Unternehmen angewandten Erhöhungen geprüft werden. 169. Insbesondere darf, wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, die vom Gericht im Rahmen der Prüfung dieses Teils des Klagegrundes gewählte Lösung nicht zu einer Ungleichbehandlung der Unternehmen führen, die an der betreffenden Zuwiderhandlung beteiligt waren (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Sarrió/Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 97, und vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 152). 170. In der Klageschrift bringt die Klägerin aber nichts dahin gehendes vor. 171. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass in der angefochtenen Entscheidung in aufsteigender Reihenfolge folgende Erhöhungen vorgenommen wurden: – Bei Barlo mit einem Umsatz von 310,85 Mio. Euro (Randnr. 46 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen; – bei Lucite mit einem Umsatz von etwa 1,14 Mrd. Euro (Randnr. 36 der angefochtenen Entscheidung) wurde keine Erhöhung vorgenommen; – bei drei Gesellschaften der Total-Gruppe (Arkema, Altuglas und Altumax) mit einem Umsatz von 5,71 Mrd. Euro (Randnr. 14 der angefochtenen Entscheidung) wurde zur Bemessung der Erhöhung wegen nur bei diesen drei Gesellschaften vorliegender erneuter Zuwiderhandlung eine „hypothetische“ Erhöhung um 25 % vorgenommen (Multiplikator 1,25) (siehe Fn. 233 der angefochtenen Entscheidung). Darüber hinaus hat das Gericht bei seiner Entscheidung über die von diesen Gesellschaften gegen die angefochtene Entscheidung erhobene Klage die gegen diese verhängte Geldbuße herabgesetzt, indem es deren Gesamthöhe auf der Grundlage einer Erhöhung um 25 % zum Zweck der Abschreckung neu berechnet hat (Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2011, Arkema France u. a./Kommission, T-217/06, Slg. 2011, II-2593, Randnrn. 339 und 340); – bei der Klägerin mit einem Umsatz im Jahr 2005 von 8,49 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 50 % (Multiplikator 1,5) vorgenommen; – bei Degussa mit einem Umsatz von etwa 11,75 Mrd. Euro wurde eine Erhöhung um 75 % (Multiplikator 1,75) vorgenommen; – bei Atofina (den fünf Gesellschaften der Total-Gruppe) wurde auf der Grundlage des Umsatzes der Total SA im Jahr 2005 von 143,168 Mrd. Euro eine Erhöhung um 200 % (Multiplikator 3) vorgenommen (Randnrn. 349 und 350 der angefochtenen Entscheidung). 172. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich somit klar, dass bei Atofina der Sonderfall eines Unternehmens mit einem weitaus höheren Umsatz als dem aller anderen betroffenen Unternehmen gegeben ist. Gegenüber den übrigen Unternehmen war das Vorgehen der Kommission hingegen kohärent, da sie für die Unternehmen, deren Umsätze 5,71, 8,49 bzw. 11,75 Mrd. Euro betrugen, Erhöhungen um 25 %, 50 % bzw. 75 % festgelegt hatte. 173. Zwar hat sich die Kommission nicht strikt an mathematische Koeffizienten und insbesondere daran gehalten, dass der relative Unterschied hinsichtlich der (in Prozenten ausgedrückten) Erhöhung zwischen Arkema und der Klägerin (+ 100 %) größer ist als der ihres Umsatzes (+ 48 %), wobei dieser Abstand in Bezug auf die Klägerin und Degussa (+ 50 % bei der Erhöhung und + 38 % beim Umsatz) geringer ist. 174. Diese Feststellung genügt jedoch nicht, um eine Verletzung der von der Klägerin herangezogenen Grundsätze nachzuweisen. Unter Berücksichtigung des Ermessens, über das die Kommiss ion insoweit verfügt, und des mit den fraglichen Erhöhungen verfolgten Zwecks der Abschreckung kann von ihr nämlich nicht aufgrund der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verlangt werden, dafür zu sorgen, dass in der unterschiedlichen Höhe dieser Aufschläge getreu alle Unterschiede in Bezug auf den Umsatz der betreffenden Unternehmen zum Ausdruck kommen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 122). Wie der Rechtsprechung zu entnehmen ist, ist bei der Festsetzung der Geldbuße auf einen Betrag, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet, zwar der Umsatz ein maßgebendes Kriterium, doch kann die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße nicht zwangsläufig das Ergebnis eines bloßen, auf den Umsatz gestützten Rechenvorgangs sein (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 128 angeführt, Randnr. 121, und Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 145 angeführt, Randnr. 120). 175. Folglich lässt sich aufgrund der Behandlung der Unternehmen, die sich hinsichtlich ihres Umsatzes in einer Lage befanden, die eher mit der der Atofina als mit der der Klägerin zu vergleichen war, keine Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit feststellen. Vielmehr wäre die Argumentation der Klägerin, soweit diese begehrt, ausschließlich im gleichen Verhältnis wie Atofina behandelt zu werden, also im Wesentlichen mit einer Erhöhung um 12,5 % (siehe oben, Randnr. 164), würde man ihr folgen, geeignet, eine Ungleichbehandlung gegenüber den übrigen betroffenen Unternehmen nach sich zu ziehen. 176. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Klägerin insbesondere den Fall von Lucite mit Stillschweigen übergeht. Es ist aber daran zu erinnern, dass die Klägerin und Lucite nacheinander mit denselben Vermögenswerten an der Zuwiderhandlung beteiligt waren und ihnen die Kommission aufgrund des gleichen Umsatzes mit PMMA-Produkten dieselben Ausgangsbeträge der Geldbuße zugewiesen hat. Somit wurden bis hierhin die Geldbußen dieser beiden Unternehmen daher in gleicher Weise berechnet, doch wurde anders als bei der Klägerin bei Lucite keine Erhöhung zum Zweck der Abschreckung vorgenommen. Da deren Umsatz jedoch um das 7,5-Fache geringer war als der der Klägerin, lässt sich nicht behaupten, dass die der Klägerin auferlegte Erhöhung um 50 % gegen die geltend gemachten Grundsätze verstieße. 177. Demnach ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. 178. Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen auch die von der Klägerin im Rahmen des vierten Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße, soweit sie auf der Erhöhung des Ausgangsbetrags zum Zweck der Abschreckung beruht, im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. Daher ist der vierte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen. Zum fünften Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Weigerung, die Geldbuße wegen Zusammenarbeit mit der Kommission herabzusetzen, nicht gerechtfertigt sei 179. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil beanstandet die Klägerin, dass die Kommission sich geweigert habe, ihre Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen. Mit dem zweiten Teil trägt sie hilfsweise vor, dass die Kommission den Wert ihrer Mitwirkung zumindest außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Mitteilung hätte anerkennen müssen. Zum ersten Teil des vierten Klagegrundes betreffend die Weigerung, die Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit herabzusetzen 180. Dieser Teil des Klagegrundes beruht im Kern auf zwei Rügen. Zum einen wirft die Klägerin der Kommission vor, zu Unrecht davon ausgegangen zu sein, dass die von der Klägerin übermittelten Angaben keinerlei Mehrwert für die Untersuchung der Kommission erbracht hätten. Zum anderen macht sie geltend, dass die Verzögerung, die im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen auf ihrer Seite bei der Übermittlung dieser Angaben aufgetreten sei, durch das Verhalten der Kommission hervorgerufen worden sei. – Zur Fehlbeurteilung des Mehrwerts der im Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit enthaltenen Angaben 181. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Kommission hinsichtlich der Methode für die Berechnung von Geldbußen ein weites Ermessen zusteht; sie kann insoweit eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigen, zu denen auch die Kooperationsbeiträge der betroffenen Unternehmen während der von den Dienststellen der Kommission durchgeführten Untersuchungen gehören. Die Kommission verfügt bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens, insbesondere im Vergleich zu den Beiträgen anderer Unternehmen, insoweit über ein weites Ermessen (Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C-328/05 P, Slg. 2007, I-3921, Randnrn. 81 und 88). 182. Eine Herabsetzung der Geldbuße auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit ist nur gerechtfertigt, wenn die gelieferten Informationen als Zeichen einer echten Zusammenarbeit des Unternehmens angesehen werden können, wobei das Ziel einer Herabsetzung der Geldbuße darin besteht, ein Unternehmen für einen Beitrag im Verwaltungsverfahren zu belohnen, der es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 305). Somit muss das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtern, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union festzustellen und zu verfolgen (vgl. Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 499 und die dort angeführte Rechtsprechung); außerdem muss das Verhalten ein Zeichen echter Zusammenarbeit sein (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnrn. 395 und 396). 183. Im Hinblick auf die Ratio des Abschlags kann die Kommission nicht die Nützlichkeit der vorgelegten Information unberücksichtigt lassen, die sich zwangsläufig nach dem Beweismaterial richtet, das sich bereits in ihrem Besitz befindet (Urteil des Gerichts vom 28. April 2010, Gütermann und Zwicky/Kommission, T-456/05 und T-457/05, Slg. 2010, II-1443, Randnr. 221). 184. Im Übrigen ist die Kommission zwar verpflichtet, anzugeben, aus welchen Gründen sie der Ansicht ist, dass die von den Unternehmen im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit gemachten Angaben einen Beitrag darstellen, der eine Herabsetzung der festgesetzten Geldbuße rechtfertigt oder auch nicht, demgegenüber haben aber die Unternehmen, die die entsprechende Entscheidung der Kommission anfechten wollen, nachzuweisen, dass diese in Ermangelung derartiger, von diesen Unternehmen freiwillig gelieferter Angaben nicht in der Lage gewesen wäre, die wesentlichen Elemente der Zuwiderhandlung zu beweisen und somit eine Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen zu erlassen (Urteil Erste Group Bank u. a./Kommission, oben in Randnr. 116 angeführt, Randnr. 297). 185. In ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission erläutert, unter welchen Voraussetzungen Geldbußen, die andernfalls verhängt worden wären, für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können. 186. Sie hat insbesondere ausgeführt, dass Unternehmen, die die Voraussetzungen für einen Erlass der Geldbuße nicht erfüllten, eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden könne (Nr. 20 der Mitteilung über Zusammenarbeit). Um für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, – so Nr. 21 dieser Mitteilung – „muss das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen, die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen“. 187. Im Übrigen heißt es in Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit: „Der Begriff ‚Mehrwert‘ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.“ 188. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission ausgeführt, dass die Klägerin den Antrag auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit am 18. Oktober 2004 gestellt habe, nachdem bei der Kommission die Anträge auf Anwendung dieser Mitteilung von Degussa (am 20. Dezember 2002), Atofina (am 3. April 2003) und Lucite (am 11. Juli 2003) eingegangen gewesen seien (Randnr. 416 der angefochtenen Entscheidung). In Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung heißt es, die Kommission habe nach Maßgabe der Mitteilung über Zusammenarbeit die Einlassungen der Klägerin in der Reihenfolge ihres Eingangs dahin gehend geprüft, ob diese einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Nr. 21 dieser Mitteilung darstellten. Ausgehend von diesen Kriterien sei die Kommission davon ausgegangen, dass die von der Klägerin übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Mitteilung beinhalteten (Randnr. 417 der angefochtenen Entscheidung). 189. Die Klägerin ist in erster Linie der Ansicht, dass die Kommission ein fehlerhaftes rechtliches Kriterium verwendet habe, um ihren Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße abzulehnen, da sie in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung ausführe, dass die von der Klägerin vorgelegten Dokumente sie nicht in die Lage versetzt hätten, „die … Sachverhalte zu beweisen“. In Anwendung von Nr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit bestehe das zutreffende Kriterium aber darin, in welchem Ausmaß der Kommission dazu verholfen werde, den Sachverhalt zu beweisen. 190. Dieses Vorbringen ist sachlich unzutreffend und daher zurückzuweisen. 191. Wie nämlich oben in Randnr. 188 ausgeführt worden ist, geht aus den Randnrn. 416 bis 419 der angefochtenen Entscheidung eindeutig hervor, dass die Kommission die maßgebende Bestimmung der Mitteilung über Zusammenarbeit, nämlich deren Nr. 21, zutreffend angewandt hat, indem sie auf das Kriterium des „erheblichen Mehrwerts“ abstellte (siehe oben, Randnr. 188). Im Übrigen hat die Kommission im Schreiben vom 11. August 2005, mit dem sie die Klägerin über die Ablehnung ihres entsprechenden Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße unterrichtete, ausgeführt, dass „die [von der Klägerin] übermittelten Belege keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Nrn. 21 und 22 der [Mitteilung über Zusammenarbeit darstellten]“; somit hat die Kommission das maßgebende Kriterium genannt. 192. In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das von ihr gelieferte Material den in den Nrn. 21 und 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit genannten Anforderungen genüge. 193. Insoweit ist daran zu erinnern, dass es in Anwendung der oben in Randnr. 184 angeführten Rechtsprechung Sache der Klägerin ist, nachzuweisen, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Es ist jedoch zu betonen, dass die im Rahmen der vorliegenden Rüge entwickelte Argumentation, auch wenn die Klägerin in der Klageschrift ganz allgemein und nicht belegt auf die von ihr angeblich unternommenen großen Anstrengungen zur Zusammenarbeit mit der Kommission Bezug nimmt, indem sie auf „zahlreiche Arbeitstage von Spezialisten der Informationstechnologie“ und „über eintausend Stunden der Auswertung durch externe Berater“ hinweist, die zur freiwilligen Übermittlung von „168 aus Speichersystemen und von Servern entnommen Dokumenten“ an die Kommission geführt hätten, in Wirklichkeit auf wenigen in den Randnrn. 101, 104, 115 und 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung beruht. Die Klägerin meint, dass diese Unterlagen die Auffassung der Kommission gestützt und ihr bei ihrer Untersuchung geholfen hätten, da diese sie in der angefochtenen Entscheidung anführe, und dass es sich um seltene aktuelle Dokumente im Rahmen dieser Untersuchung handele. Im Übrigen messe die Mitteilung über Zusammenarbeit solchen aktuellen Dokumenten einen großen Wert bei. 194. Diese Argumente können jedoch die Beurteilung der Kommission nicht in Frage stellen. 195. Was erstens die in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte interne E-Mail der Klägerin betrifft, wird darin auf eine Zustimmung zu einer Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998 und zu einer Erhöhung der Preise für Gussplatten um 5 % ab 1. Januar 1999 für den Markt im Vereinigten Königreich hingewiesen (siehe Fn. 27 der angefochtenen Entscheidung). Auch die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen erwähnen eine Preiserhöhung im zweiten Halbjahr 1998. Wie die Kommission vorträgt, ist der angefochtenen Entscheidung jedoch zu entnehmen (siehe z. B. Randnrn. 155, 157 und 158 dieser Entscheidung), dass sie bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen Kenntnis von Gesprächen über die Preise und von Vereinbarungen über Preiserhöhungen auf europäischer Ebene für das zweite Halbjahr 1998 hatte. 196. Zwar hat das in Randnr. 101 der angefochtenen Entscheidung angeführte Dokument – wie die Klägerin hervorhebt – die Kommission in die Lage versetzt, darzulegen, wie die fraglichen wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte abliefen. Auch zeigen die in Randnr. 156 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen, wie die Preiserhöhungen umgesetzt wurden. Doch handelt es sich lediglich um Informationen, die es der Kommission ermöglichten, die Preiserhöhungen, für die sie bereits über hinreichende Beweise verfügte, in ihren Zusammenhang einzuordnen. 197. Zweitens ist zu den in Randnr. 104 und in Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung angeführten beiden internen E-Mails der Klägerin, die veranschaulichen sollten, dass die Preiserhöhungen nicht immer umgesetzt worden seien (siehe Fn. 31 der angefochtenen Entscheidung), darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie mehreren Randnummern der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist (siehe z. B. Randnrn. 110, 120, 123, 125, 128, 129, 134, 140, 143, 148, 167 und 184 dieser Entscheidung), bereits vor dem Eingang dieser Unterlagen hiervon Kenntnis hatte und über entsprechende Beweise verfügte. Der von der Klägerin geltend gemachte Umstand, es handele sich um die einzigen in Abschnitt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung („Umsetzung und Kontrolle der Preisabsprachen“) angeführten Unterlagen aus der Zeit der Zuwiderhandlung, ist als solcher nicht geeignet, seinen erheblichen Mehrwert zu belegen. 198. Was drittens das in Randnr. 115 der angefochtenen Entscheidung angeführte Protokoll einer Zusammenkunft angeht, bestätigt dieses Dokument lediglich, dass zum angegebenen Zeitpunkt eine Zusammenkunft zwischen der Klägerin und Degussa stattgefunden hat, wobei die Informationen zum wettbewerbswidrigen Charakter dieses Treffens von Degussa geliefert worden waren. Im Übrigen trägt die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage gerade vor, dass dieses Dokument der betreffenden Zusammenkunft einen legitimen Charakter verleihe; daher kann sie nicht mit Erfolg behaupten, es sei für die Kommission von erheblichem Mehrwert gewesen. 199. Außerdem zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in Zweifel, wonach diese zum Zeitpunkt des Eingangs der genannten Dokumente bereits über hinreichende maßgebende Beweise seitens anderer Unternehmen verfügt habe, um den Sachverhalt nachzuweisen. Nach Ansicht der Klägerin geht es im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit jedoch nicht um die Frage, ob die Kommission bereits „hinreichende Beweise“ erhalten habe, um die Berechtigung ihrer Auffassung zu belegen, sondern darum, ob das Beweismaterial der Klägerin diese Auffassung „gestützt“ habe. Eine Auffassung, so gefestigt sie auch sein möge, könne durch ergänzendes oder besseres Beweismaterial, insbesondere durch aktuelle Dokumente, immer noch gestützt werden. 200. Diese Argumentation greift nicht durch. Sie läuft im Kern nämlich darauf hinaus, dass jedes Beweismittel, das in einer in Kartellsachen ergangenen Entscheidung angeführt wird, und erst recht ein aktuelles Dokument, so zu betrachten wäre, als hätte es einen „erheblichen Mehrwert“ im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit erbracht und als rechtfertigte es daher eine Herabsetzung der Geldbuße. Dieses Ergebnis wäre jedoch mit der oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführten Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. 201. So ist z. B. entschieden worden, dass eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine Erklärung erhärtet, die der Kommission bereits vorlag, deren Aufgabe nicht erheblich erleichtert und damit nicht ausreicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen (vgl. Urteil Gütermann und Zwicky/Kommission, oben in Randnr. 183 angeführt, Randnr. 222 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich erlaubt es der Umstand allein, dass ein Dokument für die Kommission von gewissem Nutzen ist und sie es daher in ihrer Entscheidung anführt, nicht, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit zu rechtfertigen. 202. Im Übrigen konzentriert die Klägerin ihre Argumentation auf den Wortlaut von Nr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit, wonach zu prüfen ist, in welchem „Ausmaß … die vorgelegten Beweismittel … der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen“. Aus dieser Nummer geht jedoch klar hervor, dass sie die Definition des Begriffs „Mehrwert“ enthält, während es sich bei dem in Nr. 21 dieser Mitteilung festgelegten Kriterium, das für die Beurteilung maßgebend ist, ob eine Herabsetzung der Geldbuße angezeigt ist, um den „erheblichen Mehrwert“ handelt. Die Klägerin unternimmt jedoch nicht einmal den Versuch, darzutun, wodurch die von ihr angesprochenen Unterlagen der Kommission ihre Aufgabe „erheblich“ erleichtert hätten. 203. Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die oben in Randnr. 188 dargestellte Schlussfolgerung der Kommission mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet war. 204. Mithin ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen. – Zur Verantwortlichkeit der Kommission für die Verzögerung, mit der die Klägerin im Vergleich zu den anderen betroffenen Unternehmen ihre Angaben gemacht hat 205. Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe die Ursache dafür gesetzt, dass die Klägerin ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit verspätet gestellt habe. 206. In erster Linie sei die Kommission, nachdem sie alle übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung informiert gehabt habe, über ein Jahr lang ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, die Klägerin hiervon in Kenntnis zu setzen. 207. Zu diesem Punkt ist festzustellen, dass die Klägerin keine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte geltend macht, die sich aus einer angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung ergäbe. Sie trägt im Kern vielmehr vor, dass ihre Chancen gemindert worden seien, eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu erwirken. 208. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die erste im Rahmen der Ermittlungen gegen die Klägerin ergriffene Untersuchungsmaßnahme, nämlich ein Auskunftsverlangen, vom 29. Juli 2004 datiert (siehe oben, Randnr. 10). Degussa hat ihren Antrag auf Geldbußenerlass aber am 20. Dezember 2002 eingereicht und die übrigen betroffenen Unternehmen (Atofina, Barlo und Lucite) wurden zwangsläufig am 25. März 2003 von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt, als die Nachprüfungen in ihren Geschäftsräumen begannen (siehe oben, Randnr. 7). Im Übrigen stellten am 3. April und 11. Juli 2003 Atofina und Lucite ihre jeweiligen Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit, denen stattgegeben wurde (siehe oben, Randnrn. 8 und 28). 209. Damit unterscheidet sich die Lage der Klägerin von der aller übrigen Adressaten der angefochtenen Entscheidung, die eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit beantragen konnten, da bei ihr eine erste Untersuchungsmaßnahme 16 Monate später als bei diesen Unternehmen ergriffen wurde. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht (siehe z. B. oben, Randnr. 183), kann der Zeitpunkt der Einreichung eines Antrags nach dieser Mitteilung aber für die Aussichten auf eine Herabsetzung der Geldbuße ausschlaggebend sein. 210. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist diese Erwägung jedoch nicht geeignet, die Beurteilung der Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission zu widerlegen und zu einer Herabsetzung der Geldbuße aufgrund dieser Zusammenarbeit zu führen. 211. Zum einen führt die Klägerin keine Rechtsvorschrift an, die eine Verpflichtung der Kommission begründete, sie in diesem Stadium speziell über die Ermittlungen zu unterrichten oder Untersuchungsmaßnahmen gegen sie zu ergreifen, um ihr insbesondere zu ermöglichen, rechtzeitig einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen. 212. Zudem hat die Klägerin in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts ausdrücklich eingeräumt, dass es ihr zum einen wie jedem anderen betroffenen Unternehmen möglich gewesen wäre, zum gewünschten Zeitpunkt einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu stellen, und dass zum anderen der Akteninhalt zeige, dass sie lange vor der ersten gegen sie ergriffenen Untersuchungsmaßnahme hätte wissen können, dass in der Methacrylat-Industrie eine Untersuchung im Gang war (siehe auch nachstehend Randnrn. 216 und 217). 213. Im Übrigen ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass den Art. 11 und 14 der bis zum 30. April 2004 gültigen Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) und den Art. 18 bis 20 der seit diesem Zeitpunkt geltenden Verordnung Nr. 1/2003 klar zu entnehmen ist, dass die Kommission Untersuchungsmaßnahmen wie Auskunftsverlangen oder Nachprüfungen ergreifen „kann“. Wie diese vorträgt, ist sie nach keiner Bestimmung verpflichtet, solche Maßnahmen zeitgleich gegenüber allen betroffenen Unternehmen zu ergreifen. 214. Ferner hat die Kommission im vorliegenden Fall auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt, dass sie seit dem Eingang eines Schreibens von Lucite vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003, über die mögliche Verwicklung der Klägerin in diese Sache auf dem Laufenden gewesen sei. Sie hat jedoch angegeben, dass sie es für die unmittelbaren Erfordernisse der Untersuchung nicht für notwendig gehalten habe, zu diesem Zeitpunkt Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen. Da nämlich die Geschäftseinheit, die die Zuwiderhandlung begangen habe, die ICI Acrylics, auf Lucite übertragen gewesen sei, sei die Kommission davon ausgegangen, dass in diesem Stadium das letztgenannte Unternehmen am ehesten in der Lage gewesen sei, Fragen zum Kartell zu beantworten, da es Zugang zu den betreffenden Unterlagen und Beschäftigten gehabt habe. 215. Da diese Beurteilung von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht beanstandet worden ist, zeigt sich somit, dass die Entscheidung, vor dem 29. Juli 2004 keine Untersuchungsmaßnahmen gegenüber der Klägerin zu ergreifen, auf objektive Gesichtspunkte gestützt war. 216. Zum anderen und auf jeden Fall hat die Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts zwei Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die fragliche Untersuchung von der Kommission am 14. April 2003 und von Lucite am 17. Juni 2003, also vor Einreichung des Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von Lucite am 11. Juli 2003 und lange vor Einreichung des Antrags der Klägerin zu diesem Zweck am 18. Oktober 2004, öffentlich bekannt gemacht worden war. 217. Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit auf das Verhalten der Kommission zurückzuführen sei. Im Übrigen hat sie in der Sitzung auf eine Frage des Gerichts im Hinblick auf die genannten Dokumente eingeräumt, dass sie hätte wissen können, dass eine Untersuchung im Gang war. Sie hat daher erklärt, dass ihre gegenüber der Kommission erhobenen Rügen sich fortan eher auf die Art und Weise bezögen, in der diese sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe (siehe nachstehend, Randnrn. 219 ff.). 218. Folglich ist das Vorbringen zur angeblich verspäteten Unterrichtung über die Untersuchung zurückzuweisen. 219. Die Klägerin wirft der Kommission in zweiter Linie vor, Lucite mitgeteilt zu haben, dass sie von den Ermittlungen keine Kenntnis gehabt habe, und Lucite davon abgeraten zu haben, sie darüber zu unterrichten. 220. Ferner hat die Klägerin in der Sitzung vorgetragen, dass die Art und Weise, wie sich die Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite, insbesondere in ihrem Schreiben an dieses Unternehmen vom 8. Mai 2003, verhalten habe, einen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung darstelle. Die Kommission habe Lucite nämlich mitgeteilt, dass die Klägerin noch keinen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe und habe daher die im Hinblick auf die Anwendung dieser Mitteilung zwischen den betroffenen Unternehmen bestehende Gleichheit aufgehoben. Gestützt auf die vom Gericht im Urteil Hoechst/Kommission (oben, in Randnr. 148 angeführt) getroffene Entscheidung beantragt die Klägerin daher eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Verletzung der genannten Grundsätze. 221. Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihren Schriftsätzen nicht ausdrücklich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung im vorliegenden Zusammenhang geltend gemacht hat. Jedoch hat sie ausführlich die Art und Weise beanstandet, wie die Kommission sich bei ihren Kontakten zu Lucite verhalten habe, und u. a. ausgeführt, dass das Verhalten der Kommission der Grund dafür gewesen sei, dass sie „nicht in gleicher Weise wie die übrigen Kartellteilnehmer über die Untersuchung unterrichtet worden“ sei und dass sich die Kommission „zu [ihren] Lasten in das Geschehen eingemischt“ habe. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Vorbringen in der Sitzung die Erweiterung eines bereits in der Klageschrift angeführten Klagegrundes darstellt, das mit diesem in engem Zusammenhang steht, so dass es – wie die Klägerin in der Sitzung vertreten hat – nach Art. 48 der Verfahrensordnung des Gerichts für zulässig zu erklären ist (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichtshofs vom 13. November 2001, Dürbeck/Kommission, C-430/00 P, Slg. 2001, I-8547, Randnr. 17, Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C-402/05 P und C-415/05 P, Slg. 2008, I-6351, Randnrn. 278 und 279, und Urteil des Gerichts vom 21. März 2002, Joynson/Kommission, T-231/99, Slg. 2002, II-2085, Randnr. 156). Im Übrigen hat die insoweit zur Stellungnahme aufgeforderte Kommission keinen Einwand gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens erhoben. 222. Nach ständiger Rechtsprechung hat ferner in den Fällen, in denen den Unionsorganen ein Ermessensspielraum eingeräumt ist, damit sie ihre Aufgaben erfüllen können, die Beachtung der Garantien, die die Unionsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, eine umso grundlegendere Bedeutung. Zu diesen Garantien gehört insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Technische Universität München, C-269/90, Slg. 1991, I-5469, Randnr. 14, und des Gerichts vom 24. Januar 1992, La Cinq/Kommission, T-44/90, Slg. 1992, II-1, Randnr. 86). Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung (vgl. in diesem Sinne Urteile Volkswagen/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 269, und Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 129). 223. Was den Grundsatz der Gleichbehandlung betrifft, so darf die Kommission bei der Beurteilung der Kooperation der Unternehmen diesen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts nicht außer Acht lassen, der nach ständiger Rechtsprechung verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 130 und die dort angeführte Rechtsprechung). 224. Daher ist das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite anhand dieser Grundsätze zu prüfen. 225. Das Vorbringen der Klägerin zu diesem Punkt beruht auf einem Austausch von Mitteilungen zwischen der Kommission und Lucite während des Verwaltungsverfahrens. 226. So unterrichtete zunächst Lucite die Kommission mit Schreiben vom 7. April 2003, also kurz nach den Nachprüfungen vom 25. März 2003 und vor Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit darüber, dass die Klägerin während des überwiegenden Teils des im Nachprüfungsbeschluss vom 17. März 2003 bezeichneten Zeitraums Eigentümerin des „business under investigation“ gewesen sei, und führte aus, dass ihre etwaige eigene Verantwortlichkeit lediglich den Zeitraum von Oktober 1999 an betreffen könne. Anschließend stellte Lucite die Frage, „ob die Kommission Kontakte zur ICI plc hergestellt [habe] oder [beabsichtige], im Rahmen ihrer Untersuchung dies zu tun“. Sie stellte klar, dass sie „anderenfalls die Kommission zu einer Aussage darüber [auffordere], ob sie auch nur den geringsten Einwand dagegen [habe], dass [sie] Kontakt zur ICI PLC [aufnehme] und ihr zu gegebener Zeit Zugang zu ihren Beschäftigten und zu den ICI Acrylics betreffenden Unterlagen [gebe], um ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen“. 227. Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 antwortete der mit der Sache betraute Referatsleiter wie folgt: „… ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir zu der Frage, ob Lucite in dieser Sache Kontakt zur ICI plc aufnimmt, nicht Stellung nehmen. Ich darf Sie jedoch darauf aufmerksam machen, dass in dieser Sache bereits ein bedingter Geldbußenerlass gewährt wurde und dementsprechend andere verfahrensbeteiligte Unternehmen die Anwendung der Kronzeugenregelung nur noch nach der [Mitteilung über Zusammenarbeit] beantragen können. Darüber hinaus kann die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden. Ein entsprechender gemeinsamer Antrag von zwei oder drei Unternehmen ist daher nicht möglich …“ 228. Nach Ansicht der Klägerin hat das genannte Schreiben der Kommission Lucite davon in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin keine Kenntnis von den Ermittlungen gehabt habe. Sie trägt weiter vor, dass Lucite geglaubt habe, in dem Schreiben und dem nachfolgenden mündlichen Meinungsaustausch eine Warnung der Kommission vor einer Kontaktaufnahme mit der Klägerin erkennen zu können. 229. Zur Stützung dieser Auslegung verweist die Klägerin auch auf spätere Schreiben von Lucite aus der Zeit nach der Einreichung des von dieser gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit am 11. Juli 2003 gestellten Antrags und nachdem die Klägerin durch das Auskunftsverlangen vom 29. Juli 2004 von der Kommission förmlich über die Untersuchung unterrichtet worden war (siehe oben, Randnr. 10). 230. So führte der Anwalt von Lucite in einer E-Mail vom 12. August 2004 an die Klägerin u. a. aus: „Wie ich bei unserem Gespräch erwähnt habe, gab es im Laufe der Untersuchung Äußerungen, aus denen hervorgeht, dass die Kommission es nicht begrüßen würde, wenn Lucite die Angelegenheit mit ICI erörterte.“ 231. Die Klägerin stützt sich weiter auf eine E-Mail des Anwalts von Lucite vom 3. September 2004 an den mit der Sache betrauten Verwaltungsrat der Kommission, in der er ausführte, dass „ICI Lucite um bestimmte Dokumente sowie um ihren Beistand ersucht [habe], wozu Lucite vertraglich nicht verpflichtet [gewesen sei]“. Lucite erklärte weiter, dass sie „insbesondere im Blick auf [ihren] auf Herabsetzung der Geldbuße gerichteten Antrag … ohne die schriftliche Bestätigung des Standpunkts der Kommission [zögere], diesen Ersuchen nachzukommen“, was „teilweise auf den Eindruck zurückzuführen [sei], den [sie] aufgrund der Telefongespräche und früheren Kontakte mit der Kommission in dem Sinne gewonnen [habe], dass diese keinen Kontakt zu ICI aufgenommen und nicht gewünscht [habe], dass [sie selbst] dies [tue] (obwohl die Kommission in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 förmlich geäußert hat, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme).“ 232. In einem Schreiben vom 7. September 2004 an Lucite führte die Kommission aus, sie habe keine Einwände dagegen, dass Lucite der Klägerin Zugang zu ihren Beschäftigten und ihren Unterlagen gebe. Zugleich bestritt sie nachdrücklich, Lucite irgendeine Anweisung hinsichtlich der Kontakte zur Klägerin gegeben zu haben. 233. Auf dieses letztgenannte Schreiben rief Lucite in einem Schreiben vom 7. September 2004 an die Kommission schließlich zunächst den Inhalt des Schreibens der Kommission vom 8. Mai 2003 in Erinnerung und führte anschließend folgendes aus: „In Telefongesprächen und beim Austausch schriftlicher Mitteilungen mit der Kommission (den wir im Detail aufführen können, falls erforderlich), ist Lucite klar geworden, dass die Kommission sich entschieden hatte, bisher keinen Kontakt zu ICI aufzunehmen. Aufgrund dieser Umstände und im Geist einer umfassenden und fortgesetzten Zusammenarbeit im Rahmen der Untersuchung der Kommission nach der Mitteilung [über Zusammenarbeit] ist Lucite zu dem – unserer Meinung nach gewollten – Ergebnis gelangt, dass die Kommission eine Kontaktaufnahme von Lucite mit der ICI plc im Rahmen der in Rede stehenden Untersuchung nicht begrüßt hätte, obwohl die Kommission, wie Sie in Ihrem heutigen Schreiben hervorheben, in dieser Frage keine förmliche ‚Anweisung‘ erteilt hat.“ 234. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin (siehe oben, Randnr. 220) lässt der genannte Austausch und insbesondere das Schreiben der Kommission vom 8. Mai 2003 nicht die Feststellung zu, dass die Kommission unter Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung oder der Gleichbehandlung gehandelt hätte. 235. Insbesondere geht aus diesem Austausch, wie die Kommission zutreffend vorträgt, klar hervor, dass sie Lucite keine förmliche Anweisung darüber erteilt hat, ob in Bezug auf die Untersuchung eine Kontaktaufnahme mit der Klägerin angebracht sei. Im Schreiben vom 8. Mai 2003 hat sie nämlich ausdrücklich bestätigt, dass sie zu dieser Frage nicht Stellung nehme. Im Übrigen räumt Lucite in ihren Schreiben ausdrücklich ein, dass die Kommission keine solche Anweisung erteilt habe, und sie verweist lediglich auf ihren „Eindruck“, dass die Kommission „eine Kontaktaufnahme von [ihr] mit der [Klägerin] … nicht begrüßt hätte“. 236. Auch der allgemeine Hinweis von Lucite auf Telefongespräche und weitere Kontakte mit der Kommission (siehe oben, Randnrn. 231 und 233) reicht unter Berücksichtigung des Bestreitens der Kommission (siehe oben, Randnr. 232) und in Ermangelung weiterer Beweismittel nicht für den Nachweis aus, dass ihr solche Anweisungen tatsächlich erteilt worden wären. 237. Außerdem hat die Kommission entgegen dem Vorbringen der Klägerin Lucite nicht mitgeteilt, ob sie in Bezug auf die Untersuchung bereits Kontakt zur Klägerin aufgenommen oder ob die Klägerin bereits einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt habe. 238. Zwar konnte das Schreiben vom 8. Mai 2003 seinem Wortlaut nach von Lucite vernünftigerweise dahin verstanden werden, dass es nicht in ihrem Interesse gelegen habe, in Bezug auf die Untersuchung Kontakt zur Klägerin aufzunehmen, um ihr Zugang zu ihren Beschäftigten und die ICI Acrylics betreffenden Unterlagen zu verschaffen, mit dem Ziel, ihr die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen. Die Kommission hat sich nämlich nicht auf die Aussage beschränkt, dass sie zu dieser Frage „nicht Stellung [nehme]“, sondern sie hat ihr Schreiben im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die Voraussetzungen fortgesetzt, unter denen Lucite eine Herabsetzung der Geldbuße in Anspruch nehmen konnte, dabei aber betont, dass die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne. Auf dieser Grundlage konnte Lucite auch davon ausgehen, dass die Klägerin in diesem Stadium nicht über die Untersuchung auf dem Laufenden war und keinen Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung gestellt hatte. 239. Im Übrigen bestätigen die späteren Schreiben von Lucite (siehe oben, Randnrn. 230, 231 und 233) eindeutig, dass sie den Standpunkt der Kommission, wie er in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 zum Ausdruck kommt, tatsächlich so verstanden hatte. 240. Diese Erwägungen lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass die von der Klägerin herangezogenen Grundsätze verletzt wären. 241. Die Klägerin zieht nämlich nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach die Anwendung der Kronzeugenregelung nur einem einzelnen Unternehmen gewährt werden könne und ein gemeinsamer Antrag zweier Unternehmen auf Anwendung dieser Regelung daher nicht möglich sei. Mithin ist festzustellen, dass die Kommission in diesem Schreiben Lucite lediglich auf die Modalitäten der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit hingewiesen hat. 242. Angesichts des Wortlauts dieser Mitteilung musste sich Lucite aber selbst fragen, ob die Kontaktaufnahme zur Klägerin gegebenenfalls einen negativen Einfluss auf ihre Chancen haben konnte, eine Herabsetzung der Geldbuße zu erwirken. Dies geht im Übrigen aus ihrem Schreiben vom 7. April 2003 (siehe oben, Randnr. 220) hervor, in dem sie gerade um den Standpunkt der Kommission zu dieser Frage bat. Auch in Anbetracht der der Mitteilung über Zusammenarbeit innewohnenden Logik, die jedem Unternehmen einen Anreiz bietet, früher als die anderen betroffenen Unternehmen mit der Kommission zusammenzuarbeiten, musste Lucite ihre Strategie im Rahmen der Untersuchung prüfen und jedenfalls davon ausgehen, dass es sich bei der Klägerin um ihren potenziellen Konkurrenten im „Wettlauf“ um die Anwendung der Kronzeugenregelung handelte. 243. Unter diesen Umständen lässt sich nicht vertreten, dass sich die Kommission durch die genannten Kontakte zu Lucite „zu Lasten der [Klägerin] in das Geschehen eingemischt“ hätte, wie diese vorträgt. Lucite durfte nämlich im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit vernünftigerweise Kenntnis von den ihr übermittelten Informationen haben. 244. Daher ist die Entscheidung von Lucite, in Bezug auf die Untersuchung keinen Kontakt mit der Klägerin aufzunehmen, als Ergebnis der selbst angestellten Betrachtung ihres Eigeninteresses im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit anzusehen. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Entscheidung von Lucite nur dann hätte anders ausfallen können, wenn die Kommission ihr die Kontaktaufnahme mit der Klägerin ausdrücklich erlaubt und ihr garantiert hätte, dass dies keine Auswirkungen auf ihre Chancen im Bereich der Zusammenarbeit haben würde. Die Klägerin behauptet jedoch nicht, dass im Hinblick auf die von ihr geltend gemachten Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung oder auch auf die Mitteilung über Zusammenarbeit die Kommission verpflichtet gewesen wäre, Lucite derartige Zusicherungen zu geben. 245. Somit unterscheidet sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall eindeutig von dem in der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil Hoechst/Kommission (oben in Randnr. 148 angeführt) ergangen ist, in dem sich die Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung aus Vorschlägen ergab, die das betreffende Unternehmen im Rahmen der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit offen diskriminierten (vgl. in diesem Sinne Urteil Hoechst/Kommission, oben in Randnr. 148 angeführt, Randnr. 136). Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist nicht erwiesen, dass im vorliegenden Fall eine solche Situation gegeben war. 246. Somit ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Gleichbehandlung gerügt wird, zurückzuweisen. 247. Außerdem kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf das Verhalten der Kommission bei ihren Kontakten zu Lucite berufen, um die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf sie in der angefochtenen Entsch eidung in Zweifel zu ziehen. 248. Zum einen beruht nämlich die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit auf einer Bewertung der objektiven Nützlichkeit der übermittelten Beweise für die Aufdeckung und Feststellung der Zuwiderhandlung, und zum anderen soll sie den Kartellteilnehmern einen Anreiz bieten, freiwillig mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Die Kommission kann jedoch weder für das begrenzte Ausmaß der Mitwirkung der Klägerin noch für die dabei aufgetretene Verzögerung verantwortlich gemacht werden. Diese Umstände sind vielmehr der Klägerin selbst zuzurechnen, wie sich aus der Akte und gegebenenfalls der objektiven Lage ergibt, in der sie sich aufgrund der Übertragung von ICI Acrylics auf Lucite befand. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Fall einräumt, dass sie zumindest seit dem 14. April 2003 über die Untersuchung auf dem Laufenden hätte sein können (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217). 249. Im Übrigen ist nicht erwiesen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit einen anderen Inhalt gehabt hätte, wenn die Kommission sich in ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 einfach darauf beschränkt hätte, zu der von Lucite gestellten Anfrage nicht Stellung zu nehmen. Insbesondere zieht die Klägerin nicht die Beurteilung der Kommission in deren Schreiben vom 8. Mai 2003 in Zweifel, wonach ein entsprechender gemeinsamer Antrag von ihr und Lucite keinesfalls möglich sei. 250. Demnach ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. Zum zweiten Teil des Klagegrundes betreffend die Weigerung, den Wert der Mitwirkung der Klägerin außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit anzuerkennen 251. Hilfsweise macht die Klägerin einen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit aufgrund ihrer umfangreichen freiwilligen Zusammenarbeit im Zuge der Untersuchung geltend. Sie meint, dass ihre Mitwirkung effektiv und sachdienlich gewesen sei, da sie Informationen geliefert habe, die über das hinausgegangen seien, was die Kommission in Anwendung von Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gefordert habe, wie u. a. in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin angeführte belastende Punkte betreffend PMMA-Massivplatten. 252. Hierzu ist daran zu erinnern, dass die Kommission in Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien einen mildernden Umstand betreffend die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgesehen hat. 253. Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 392 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass sie anhand der genannten Bestimmung geprüft habe, ob die Mitwirkung eines der betroffenen Unternehmen sie in die Lage versetzt habe, die Zuwiderhandlung leichter nachzuweisen. In Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung hat sie ausgeführt, dass in Anbetracht des sehr begrenzten Umfangs und des sehr begrenzten Wertes der Mitwirkung und der Tatsache, dass abgesehen von dieser begrenzten Mitwirkung, Sachverhalte sogar noch bestritten worden seien, keine sonstigen Umstände gegeben seien, die eine Ermäßigung der Geldbußen außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen würden, und dass diese Ermäßigung in geheimen Kartellsachen ohnehin nur in sehr außergewöhnlichen Fällen gewährt werden könnte. 254. Zu diesem letztgenannten Punkt führte die Kommission ihre Entscheidung K(2005) 4012 endg. vom 20. Oktober 2005 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.281/B.2 – Rohtabak – Italien) an, in der sie den einem Unternehmen gewährten bedingten Erlass der Geldbuße mit der Begründung entzogen hatte, dass dieses in der Folgezeit gegen seine ihm nach der Mitteilung über Zusammenarbeit obliegende Verpflichtung zur Mitwirkung verstoßen habe. Gleichwohl hatte die Kommission diesem Unternehmen eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund mildernder Umstände im Sinne der Leitlinien gewährt, um dem von diesem geleisteten wesentlichen Beitrag zu ihren Ermittlungen Rechnung zu tragen. 255. Im Übrigen führte die Kommission in Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung speziell in Bezug auf die Klägerin auch aus, dass für diese eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund einer Mitwirkung außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht in Betracht komme. 256. In erster Linie hält die Klägerin die Beurteilung der Kommission insoweit für fehlerhaft, als diese die Möglichkeit einer Herabsetzung der Geldbuße außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit auf „außergewöhnliche Fälle“ beschränkt habe (Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung). 257. Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. 258. Die Anwendung von Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien kann nämlich nicht zur Folge haben, dass der Mitteilung über Zusammenarbeit ihre praktische Wirksamkeit entzogen wird. Dieser Mitteilung ist aber eindeutig zu entnehmen, dass diese den Rahmen festlegt, der es erlaubt, Unternehmen, die Mitglieder von geheimen Kartellen, die die Union beeinträchtigen, sind oder waren, für ihre Mitwirkung bei der Untersuchung der Kommission zu belohnen. Folglich können die Unternehmen grundsätzlich eine Geldbußenermäßigung für ihre Zusammenarbeit nur erhalten, wenn sie die Voraussetzungen nach dieser Mitteilung erfüllen. 259. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Klägerin tatsächlich einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hat und ihre Mitwirkung in deren Anwendungsbereich fiel, jedoch für nicht hinreichend befunden wurde, um eine Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher deutlich von der Rechtssache, in der das von der Klägerin herangezogene Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (T-224/00, Slg. 2003, II-2597), ergangen ist. In jener Rechtssache hatte das betreffende Unternehmen der Kommission nämlich Informationen zu Handlungen geliefert, deretwegen es auf keinen Fall eine Geldbuße hätte entrichten müssen und die daher nach Ansicht des Gerichts nicht in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fielen. Unter diesen Umständen hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass dieses Unternehmen gleichwohl eine Herabsetzung der Geldbuße nach Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien im Hinblick insbesondere darauf verdient habe, dass seine Mitwirkung die Kommission in die Lage versetzt habe, eine längere Dauer der Zuwiderhandlung festzustellen (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Randnrn. 294 bis 298, 306 und 311). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat das Gericht in diesem Urteil daher nicht zugelassen, dass die Mitwirkung eines Unternehmens selbst dann belohnt werden kann, wenn sie das Kriterium des erheblichen Mehrwerts im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfüllt. 260. Weiter ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, wonach eine Herabsetzung der Geldbuße allein aufgrund dessen gerechtfertigt sei, dass ein Unternehmen Informationen liefere, die – wie insbesondere belastende Punkte – über diejenigen hinausgingen, deren Übermittlung die Kommission nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 fordern dürfe. 261. Zwar ist entschieden worden, dass die Mitwirkung eines Unternehmens an der Untersuchung dann kein Recht auf eine Herabsetzung der Geldbuße verleiht, wenn diese Mitwirkung nicht über das hinausgegangen ist, wozu das Unternehmen nach Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 verpflichtet war (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T-12/89, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341 und 342, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 451). Jedoch trifft nicht zwangsläufig das Gegenteil zu. Selbst belastende Punkte können nämlich insbesondere im Verhältnis zu früheren Beiträgen anderer Unternehmen von eingeschränktem Nutzen für die Kommission sein. Die Nützlichkeit einer Information stellt jedoch im Rahmen der Beurteilung des Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße aufgrund der Zusammenarbeit mit der Kommission das ausschlaggebende Kriterium dar (vgl. die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung). 262. Folglich ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien nur in außergewöhnlichen Fällen anzuwenden sei. 263. In zweiter Linie macht die Klägerin geltend, dass das Kriterium des „außergewöhnlichen Falles“ vorliegend jedenfalls erfüllt sei. Obwohl sie ICI Acrylics fünf Jahre vor Einleitung der Untersuchung verkauft habe, ihr keine der in Rede stehenden Tatsachen bekannt gewesen sei, sie bis zu einem fortgeschrittenen Stadium von den Ermittlungen ausgeschlossen und „ohne berechtigten Grund“ im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit benachteiligt worden sei, habe sie erhebliche Anstrengungen unternommen, um aktuelle Dokumente vorzulegen, die anschließend in der angefochtenen Entscheidung angeführt worden seien. 264. Hierzu genügt der Hinweis, dass die Klägerin, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht die Beurteilung der Kommission widerlegt hat, wonach von insgesamt 168 ihr von der Klägerin übermittelten Dokumenten einige sich auf Hintergrundinformationen z. B. zu gewissen Aspekten der Umsetzung des Kartells beschränkt hätten, unter Berücksichtigung der der Kommission bereits vorliegenden Informationen aber keines von ihnen sie in die Lage versetzt habe, die Sachverhalte zu beweisen (Randnr. 419 der angefochtenen Entscheidung). 265. Bei der Antwort auf die Frage, ob die Umstände des Einzelfalls so „außergewöhnlich“ sind, dass sie eine Herabsetzung der Geldbuße außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung über Zusammenarbeit rechtfertigen, dürfen nämlich die Qualität und die objektive Nützlichkeit der für die Untersuchung übermittelten Informationen nicht außer Acht gelassen werden (vgl. in diesem Sinne die oben in den Randnrn. 181 bis 183 angeführte Rechtsprechung). 266. Aus dem Vorstehenden geht jedoch hervor, dass die Nützlichkeit der von der Klägerin übermittelten Informationen sehr begrenzt war, da sie die Kommission insbesondere nicht in die Lage versetzt haben, das Bestehen, den Umfang oder die Dauer der Zuwiderhandlung zu beweisen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnrn. 302 und 311). 267. Demnach können die von der Klägerin geltend gemachten und oben in Randnr. 263 wiedergegebenen Gesichtspunkte eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission nicht rechtfertigen. Im Übrigen trägt die Klägerin zu Unrecht vor, dass die verspätete Einreichung ihres Antrags nach der Mitteilung über Zusammenarbeit dem Verhalten der Kommission zugerechnet werden könne (siehe oben, Randnrn. 212, 216 und 217). 268. Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, wonach die Kommission durch die Weigerung, ihren Kooperationsbeitrag zu berücksichtigen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen habe, da sie die Klägerin genauso behandelt habe, wie die Kartellteilnehmer, die nicht mitgewirkt hätten, obwohl diese sich nicht in der gleichen Lage befunden hätten. 269. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Kooperationsbeiträge der Unternehmen nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz außer Acht lassen darf (Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 259 angeführt, Randnr. 308 und die dort angeführte Rechtsprechung). 270. Dieser Grundsatz verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat, C-227/04 P, Slg. 2007, I-6767, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). 271. Die Klägerin hat im vorliegenden Fall keine Verletzung dieses Grundsatzes nachgewiesen. 272. Zum einen zieht sie nicht die Behauptung der Kommission in Zweifel, wonach diese sie genauso behandelt habe wie alle anderen Kartellteilnehmer, die einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gestellt hätten, indem sie die von jedem Einzelnen von ihnen vorgelegten Beweise ausgewertet habe. 273. Zum anderen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie sich in einer anderen Lage befunden hätte als Barlo, also der einzige Adressat der angefochtenen Entscheidung, der keinen solchen Antrag gestellt hatte, und bei dem wie bei ihr die Geldbuße nicht aufgrund von Zusammenarbeit mit der Kommission herabgesetzt worden war. Aus der Akte geht vielmehr hervor, dass die Klägerin wie Barlo keine Informationen geliefert hatte, deren Nützlichkeit eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte. Daher ist festzustellen, dass sie sich im Hinblick auf das mit der im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes begehrten Herabsetzung der Geldbuße verfolgte Ziel in einer mit der von Barlo vergleichbaren Situation befand und aufgrund dessen gleichbehandelt wurde. 274. Im Übrigen und für alle Fälle geht aus dem Urteil des Gerichts vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T-208/06, Slg. 2011, II-7953, Randnr. 274), hervor, dass Barlo gleichfalls in gewissem Umfang mit der Kommission zusammengearbeitet hat, ohne dass diese Mitwirkung eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätte. 275. Folglich ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm der Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung untermauert werden soll. 276. Im Übrigen rechtfertigen aus den vorgenannten Gründen die von der Klägerin im Rahmen des fünften Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte keine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung. 277. Nach alledem ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen. Zum sechsten, in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung vorgebrachten Klagegrund, mit dem die überlange Dauer des Verfahrens beanstandet wird 278. Nach Ansicht der Klägerin geht die Dauer des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens, zusammengenommen, über die angemessene Frist hinaus und verletze sie in ihren insbesondere in Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerten Grundrechten. Die erste im Rahmen der vorliegenden Rechtssache gegen sie ergriffene Maßnahme datiere nämlich vom 29. Juli 2004, und am Tag der mündlichen Verhandlung, dem 8. November 2011, warte sie noch immer auf ein Urteil des Gerichts. 279. Ferner beanstandet die Klägerin speziell die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht einschließlich der Zeit zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens und dem Beschluss zur Eröffnung des mündlichen Verfahrens. Ihr seien keine Umstände bekannt, die diese Dauer rechtfertigen könnten. 280. Gestützt auf das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) sowie auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C-109/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I-10329) und C-110/10 P (Solvay/Kommission, Slg. 2011, I-10439, Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2011), vertritt sie daher die Meinung, dass die überlange Verfahrensdauer zur Herabsetzung der in der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße führen müsse. 281. Die Kommission trägt vor, es seien Umstände gegeben, die die Dauer des Verfahrens rechtfertigen könnten. Sie betont jedenfalls, dass der vorliegende Klagegrund nicht gegen die angefochtene Entscheidung gerichtet werden könne und dass die Dauer des Verwaltungsverfahrens nicht als überlang angesehen werden könne. Darüber hinaus mangele es dem Vorbringen der Klägerin an Klarheit. 282. Hierzu ist daran zu erinnern, dass nach Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten jede Person ein Recht darauf hat, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. 283. Als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts gilt dieses Recht auch im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung der Kommission. Dieses Recht ist im Übrigen auch in Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bestätigt worden, der den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes betrifft (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C-385/07 P, Slg. 2009, I-6155, Randnrn. 178 und 179 und die dort angeführte Rechtsprechung). 284. Außerdem ist der Grundsatz der angemessenen Frist nach ständiger Rechtsprechung auch im Rahmen von Verwaltungsverfahren auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik vor der Kommission anwendbar (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er ist als solcher in Art. 41 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bestätigt worden, wonach jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden. 285. Art. 41 Abs. 1 und Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten somit zwei Ausprägungen ein und desselben verfahrensrechtlichen Grundsatzes, nämlich dass die Rechtsunterworfenen eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist erwarten dürfen. 286. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin zwar eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend, behauptet aber nicht, dass die Dauer des Verfahrens irgendeinen Einfluss auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung gehabt hätte oder dass sie die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits beeinträchtigen könnte. Sie behauptet insbesondere nicht, dass sich diese Dauer in irgendeiner Weise auf ihre Möglichkeiten zur Verteidigung, sei es im Verwaltungsverfahren, sei es im gerichtlichen Verfahren, ausgewirkt hätte. Sie beantragt auch nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung aufgrund des angeblichen Verstoßes. 287. Die Klägerin ersucht vielmehr das Gericht, die überlange Verfahrensdauer im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu berücksichtigen und die Geldbuße aus diesem Grund herabzusetzen, wie es der Gerichtshof im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) getan habe. 288. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtssache, in der das Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt) ergangen ist, auf das sich die Klägerin beruft, ein gegen ein Urteil des Gerichts gerichtetes Rechtsmittel betraf, in dem das Gericht aufgrund der ihm zu diesem Zweck zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gegen den Kläger eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften verhängt hatte; die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung kann dem Gerichtshof selbst zukommen, wenn er ein solches Urteil des Gerichts aufhebt und über die Klage entscheidet (Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2008, FIAMM u. a./Rat und Kommission, C-120/06 P und C-121/06 P, Slg. 2008, I-6513, Randnr. 206). 289. Im Urteil Baustahlgewebe/Kommission (oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 33) hat der Gerichtshof an das Recht des Klägers auf einen fairen Prozess innerhalb angemessener Frist und insbesondere darauf, dass über die sachliche Begründetheit der ihm von der Kommission vorgeworfenen Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und der deswegen gegen ihn festgesetzten Geldbuße entschieden wird, erinnert (Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 207). 290. Nach der Feststellung, dass das Gericht in jener Rechtssache eine solche angemessene Frist überschritten hatte, hat der Gerichtshof entschieden, dass aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf, dass gegen einen solchen Verfahrensfehler ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss, durch eine auf die Frage der Festsetzung der Höhe der Geldbuße beschränkte Aufhebung oder Abänderung des Urteils des Gerichts die Gewährung des erforderlichen angemessenen Ausgleichs in diesem Fall möglich war (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 47, 48 und 141, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 208). 291. Diese Lösung ist im vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. 292. Das Gericht verfügt hier nämlich nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 in Anwendung von Art. 261 AEUV über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, und es ist im Übrigen mit einem entsprechenden Antrag der Klägerin befasst. 293. Wie bereits entschieden worden ist, ermächtigt diese Befugnis das Gericht, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen (Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 97 angeführt, Randnr. 692; Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 86, und JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 577). 294. Wäre im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist, gegebenenfalls auch wegen der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht, festzustellen, wäre dieses in der Lage, durch eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klägerin zur Zahlung eines Betrags zu verurteilen, von dem ein angemessener Ausgleich wegen überlanger Dauer des Verfahrens gegebenenfalls abgezogen werden könnte (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 210). 295. Eine solche Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie und im Hinblick darauf geboten, dass gegen einen solchen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist ein unmittelbarer und effektiver Rechtsbehelf gegeben sein muss (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 48). 296. Daher ist das Gericht im vorliegenden Fall für die Entscheidung über den ausdrücklichen Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Geldbuße wegen überlanger Verfahrensdauer auch insoweit zuständig, als er die Dauer des Verfahren vor ihm selbst betrifft (vgl. in diesem Sinne auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in den Rechtssachen C-109/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 243 und 275, und C-110/10 P, Solvay/Kommission, oben in Randnr. 280 angeführt, Nrn. 86 und 118). 297. Im Übrigen ist hervorzuheben, dass der vorliegende Klagegrund die Gesamtdauer des die Klägerin betreffenden Verfahrens zum Gegenstand hat, d. h. des Verwaltungsverfahrens in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren. Unter diesen Umständen kann dieser Klagegrund, auch wenn er erst in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, auch insoweit nicht wegen Verspätung als unzulässig betrachtet werden, als er die Dauer des Verwaltungsverfahrens betrifft. Die Gesamtverfahrensdauer stellt nämlich eine neue Tatsache dar, die nach Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung das Vorbringen dieses Angriffsmittels im Laufe des Verfahrens rechtfertigt. 298. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich die von der Klägerin beanstandete Verfahrensdauer vom 29. Juli 2004, dem Zeitpunkt der ersten im Rahmen der von der Kommission durchgeführten Ermittlungen gegen die Klägerin gerichteten Untersuchungsmaßnahme, bis zum 8. November 2011, dem Tag der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache, erstreckt. Sie beträgt daher etwa sieben Jahre und vier Monate. 299. Die Angemessenheit dieser Frist ist anhand der Umstände jeder einzelnen Rechtssache und insbesondere anhand der Interessen, die in dem Rechtsstreit für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, der Komplexität der Rechtssache sowie des Verhaltens des Betroffenen und der zuständigen Behörden zu beurteilen (Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 29, und FIAMM u. a./Rat und Kommission, oben in Randnr. 288 angeführt, Randnr. 212). 300. Diese von der Klägerin beanstandete Gesamtdauer besteht aus zwei klar unterschiedenen Phasen, nämlich dem Verwaltungsverfahren vor der Kommission und dem Verfahren vor dem Gericht. 301. Was erstens das Verwaltungsverfahren betrifft, hat die Klägerin nicht erläutert, weshalb dessen Dauer als solche als überlang angesehen werden könnte. 302. Jedenfalls ist bei dieser Dauer, was die Klägerin betrifft (etwa ein Jahr und zehn Monate zwischen dem 29. Juli 2004 und dem 31. Mai 2006, dem Tag, an dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde), unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht von einer Überlänge auszugehen. Insoweit genügt der Hinweis, dass es sich um eine Untersuchung handelte, die eine große Zahl von Unternehmen betraf und die die Prüfung zahlreicher Sach- und Rechtsfragen erforderte. Im Übrigen lässt die Darstellung des Verfahrens durch die Kommission in den Randnrn. 79 bis 93 der angefochtenen Entscheidung keine ungerechtfertigten Zeiten der Untätigkeit erkennen. 303. Zweitens ist die Dauer des gerichtlichen Verfahrens anhand der im vorliegenden Fall maßgebenden Umstände zu prüfen (siehe oben, Randnr. 299). 304. Zu den für sie in dieser Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen hat die Klägerin nichts vorgetragen. 305. Jedenfalls hat die Klägerin im vorliegenden Fall nicht die Nichtigerklärung von Art. 1 der angefochtenen Entscheidung beantragt, soweit sie darin für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verantwortlich gemacht wird. Sie hat somit keine Entscheidung darüber beantragt, ob die von der Kommission gegen sie erhobenen Anschuldigungen zutreffen, und daher betrifft die Rechtssache nicht die Frage, ob ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegt oder nicht (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile Baustahlgewebe/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 30 und 33, und Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, oben in Randnr. 283 angeführt, Randnr. 186). 306. Das einzige Interesse, das in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin auf dem Spiel stehen könnte, betrifft somit die mit der angefochtenen Entscheidung gegen die festgesetzte Geldbuße. Es ist jedoch hervorzuheben, dass die Klägerin nichts vorgetragen hat, was die Beurteilung zulässt, welche Bedeutung dieses Interesse für sie hat. 307. Auch wenn im Übrigen die Klägerin in ihren Anträgen die Nichtigerklärung von Art. 2 Buchst. c der angefochtenen Entscheidung begehrt (siehe oben, Randnr. 36), ist festzustellen, dass die zur Stützung der vorliegenden Klage vorgebrachten Gründe, selbst unterstellt, sie griffen durch, nicht geeignet gewesen wären, schlicht und einfach zur Aufhebung der Geldbuße zu führen, sondern lediglich zu deren Herabsetzung. 308. Es ist daher nicht erwiesen, dass in der vorliegenden Rechtssache für die Klägerin ein erhebliches Interesse auf dem Spiel steht. 309. Was das Verhalten der Klägerin betrifft, so hat dieses nicht nennenswert zur Dauer des Verfahrens beigetragen. 310. Zum Verhalten der zuständigen Stellen und zur Komplexität der Rechtssache ist festzustellen, dass die von der Klägerin beanstandete Dauer des Zeitraums zwischen dem Ende des schriftlichen Verfahrens am 11. April 2007 und dem Tag der Eröffnung des mündlichen Verfahrens am 15. September 2011 (etwa vier Jahre und fünf Monate) erheblich ist. 311. Diese Dauer ist jedoch durch die Umstände und die Komplexität der Rechtssache zu erklären. 312. So ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass 14 Gesellschaften, die fünf Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts bildeten, durch einen Komplex wettbewerbswidriger Vereinbarungen und aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen in der Methacrylat-Industrie gegen Art. 81 EG verstoßen hätten (siehe oben, Randnrn. 1 bis 4). Die von der Klägerin erhobene Klage ist eine von fünf Klagen gegen die angefochtene Entscheidung, die in zwei verschiedenen Verfahrenssprachen erhoben worden sind. 313. Diese Klagen haben eine erhebliche Zahl von Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, die eine eingehende Prüfung durch das Gericht erforderlich gemacht haben, was u. a. darin zum Ausdruck gekommen ist, dass in diesen Rechtssachen jeweils verfahrensleitende Maßnahmen erlassen worden sind und in einer dieser Rechtssachen das mündliche Verfahren wiedereröffnet worden ist. 314. Darüber hinaus hat der durch den Gegenstand dieser Klagen bedingte Sachzusammenhang ihre teilweise parallele Prüfung erforderlich gemacht. Mit Ausnahme eines engeren Sachzusammenhangs zwischen zwei dieser Klagen (Rechtssachen T-206/06 und T-217/06) haben diese Klagen gleichwohl jeweils unterschiedliche Sach- und Rechtsfragen aufgeworfen, so dass die Synergie-Effekte begrenzt waren. Das Gericht hat daher fünf Urteile erlassen, von denen das vorliegende das letzte aus dieser Reihe ist; bei den übrigen handelt es sich um die Urteile vom 7. Juni 2011, Total und Elf Aquitaine/Kommission (T-206/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), Arkema France u. a./Kommission, oben in Randnr. 171 angeführt, vom 15. September 2011, Lucite International und Lucite International UK/Kommission (T-216/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), und vom 30. November 2011, Quinn Barlo u. a./Kommission (T-208/06, Slg. 2011, II-7953). 315. Außerdem hat die eingehende Prüfung der Rechtssache durch das Gericht trotz der Sprachenregelung, die sich aus der Verfahrensordnung ergibt, namentlich die Verkündung des vorliegenden Urteils innerhalb relativ kurzer Zeit nach Abschluss des mündlichen Verfahrens am 15. Dezember 2011 ermöglicht. 316. Somit belief sich die Gesamtdauer des gerichtlichen Verfahrens auf fünf Jahre und neun Monate. 317. In Ermangelung jeglichen Vorbringens der Klägerin zu den für sie in der Rechtssache auf dem Spiel stehenden Interessen und unter Berücksichtigung der oben in den Randnrn. 305 bis 308 dargelegten Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass die Rechtssache weder ihrer Art noch ihrer Bedeutung für die Klägerin nach einer besonderen Beschleunigung bedurfte, ist diese Dauer unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die beantragte Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen. 318. Diese Feststellung gilt erst recht für die Gesamtdauer des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens, das Gegenstand des vorliegenden Klagegrundes ist (siehe oben, Randnrn. 297 und 298), die bei einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der oben geprüften Umstände nicht als übermäßig lang angesehen werden kann. 319. Daher sind der vorliegende Klagegrund sowie die Klage insgesamt zurückzuweisen. Kosten 320. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Tenor Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Imperial Chemical Industries Ltd trägt die Kosten.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 13. Juli 2011.#Schindler Holding Ltd und andere gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb - Kartelle - Markt für die Montage und Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen - Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Manipulation bei Ausschreibungen - Aufteilung der Märkte - Festsetzung der Preise.#Rechtssache T-138/07.
62007TJ0138
ECLI:EU:T:2011:362
2011-07-13T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-04819
Rechtssache T‑138/07 Schindler Holding Ltd u. a. gegen Europäische Kommission „Wettbewerb – Kartelle – Markt für die Montage und Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Manipulation bei Ausschreibungen – Aufteilung der Märkte – Festsetzung der Preise“ Leitsätze des Urteils 1.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Recht auf ein faires Verfahren – Unanwendbarkeit von Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 81 EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 47) 2.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird und Geldbußen verhängt werden – Strafrechtlicher Charakter – Fehlen (Art. 81 EG und 229 EG; Verordnung Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 5 und 31) 3.      Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Verwendung von Erklärungen anderer Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung teilgenommen haben, als Beweismittel – Zulässigkeit – Voraussetzungen (Art. 81 EG und 82 EG) 4.      Handlungen der Organe – Zustellung – Unregelmäßigkeiten – Wirkungen – Hemmung des Laufs der Klagefrist (Art. 230 Abs. 5 EG und 254 Abs. 3 EG) 5.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält (Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) 6.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Vermutung, dass eine Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält (Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) 7.      Unionsrecht – Allgemeine Rechtsgrundsätze – Rechtssicherheit – Gesetzmäßigkeit der Strafen – Tragweite 8.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Der Kommission durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumtes Ermessen – Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen – Fehlen – Vorhersehbarkeit der mit den Leitlinien eingeführten Änderungen (Art. 229 EG; Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2 und 31; Mitteilungen 98/C 9/03 und 2002/C 45/03 der Kommission) 9.      Wettbewerb – Unionsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Geldbußen – Festsetzung – Kriterien – Anhebung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen (Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2) 10.    Wettbewerb – Geldbußen – Eigene Zuständigkeit der Kommission aus dem Vertrag (Art. 81 EG, 82 EG, 83 Abs. 1 und 2 Buchst. a und d EG, 202 dritter Gedankenstrich EG und 211 erster Gedankenstrich EG; Verordnungen Nr. 17 und Nr. 1/2003 des Rates) 11.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Verstoß gegen das strafrechtliche Rückwirkungsverbot – Fehlen (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) 12.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Zulässigkeit – Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Transparenz und der Vorhersehbarkeit – Fehlen (Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) 13.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit – Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes – Fehlen (Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission) 14.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Nichtfestsetzung oder niedrigere Festsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens – Verstoß gegen das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, sowie gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der Verhältnismäßigkeit – Fehlen – Ermessensüberschreitung der Kommission beim Erlass der Mitteilung über Zusammenarbeit – Fehlen (Art. 81 EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 48; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 18 bis 21 und 23; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission, Nrn. 11 und 23) 15.    Unionsrecht – Grundsätze – Grundrechte – Eigentumsrecht – Beschränkungen – Zulässigkeit (Art. 81 EG, 82 EG und 295 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) 16.    Wettbewerb – Geldbußen – Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Rechtsnatur (Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) 17.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Verpflichtung zur Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen auf den Markt – Fehlen – Vorrangige Rolle des Kriteriums der Art der Zuwiderhandlung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A) 18.    Wettbewerb – Geldbußen – Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden – Begründungspflicht – Umfang (Art. 253 EG; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) 19.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Verpflichtung zur Berücksichtigung der Größe des Marktes – Fehlen (Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A Abs. 2 dritter Gedankenstrich) 20.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit des Unternehmens, einen Schaden zu verursachen – Verpflichtung, die Höhe der Geldbuße im Verhältnis zur Größe des Unternehmens festzusetzen – Fehlen – Bestimmung der Höhe der Geldbuße nach Maßgabe einer Aufteilung der Mitglieder des Kartells in Gruppen – Voraussetzungen – Gerichtliche Nachprüfung (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 1 A) 21.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Einstellung der Zuwiderhandlung vor Tätigwerden der Kommission – Fall einer schweren Zuwiderhandlung – Ausschluss (Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 3 dritter Gedankenstrich) 22.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände – Verpflichtung der Kommission, ein Programm des betroffenen Unternehmens zur Befolgung der Wettbewerbsregeln zu berücksichtigen – Fehlen (Art. 81 EG; Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission) 23.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Niedrigere Festsetzung der Geldbuße als Gegenleistung für die Zusammenarbeit des beschuldigten Unternehmens (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission) 24.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Verhalten des Unternehmens während des Verwaltungsverfahrens – Beurteilung des Umfangs der Zusammenarbeit jedes der am Kartell beteiligten Unternehmen (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 2002/C 45/03 der Kommission) 25.    Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessensspielraum der Kommission – Grenzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Voraussetzungen (Verordnung Nr. 1/2003 des Rates, Art. 23 Abs. 2) 1.      Der Grundsatz, wonach jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren hat, ist ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erneut bekräftigt worden ist und durch Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert wird. Dieser Grundsatz fußt auf den Grundrechten, die integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sind, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte liefert. Zwar haben die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention, indem sie eine eigenständige Auslegung des Begriffs der „strafrechtlichen Anklage“ geschaffen haben, den Boden für eine schrittweise Ausdehnung der Anwendung des strafrechtlichen Aspekts von Art. 6 auf Bereiche bereitet, die formal nicht zu den herkömmlichen Kategorien des Strafrechts gehören, wie etwa die finanziellen Sanktionen, die wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt werden, jedoch sind die Garantien, die der strafrechtliche Aspekt von Art. 6 vermittelt, in Bezug auf die Kategorien, die nicht zum harten Kern des Strafrechts gehören, nicht notwendigerweise in ihrer ganzen Strenge anzuwenden. (vgl. Randnrn. 51-52) 2.      Die Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt werden, haben keinen strafrechtlichen Charakter. So entspricht ein Verfahren, in dessen Rahmen die Kommission eine Entscheidung erlässt, mit der ein Verstoß festgestellt und Geldbußen verhängt werden und die später den Gerichten der Union zur Überprüfung vorgelegt werden kann, den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zwar ist die Kommission kein Gericht im Sinne des Art. 6 dieser Konvention, doch ist sie gehalten, die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts im Lauf des Verwaltungsverfahrens zu beachten. Die von den Gerichten der Union ausgeübte Kontrolle über die Entscheidungen der Kommission gewährleistet im Übrigen, dass den Anforderungen an ein faires Verfahren, wie sie in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sind, Genüge getan wird. Insoweit ist es erforderlich, dass das betreffende Unternehmen gegen jede derartige ihm gegenüber ergangene Entscheidung ein Organ der Rechtsprechung mit vollumfänglicher Prüfungsbefugnis anrufen kann, das insbesondere die Befugnis hat, in allen Punkten, sowohl auf tatsächlicher wie auf rechtlicher Ebene, die ergangene Entscheidung abzuändern. Überprüft der Unionsrichter die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird, kann er von den Klägern dazu aufgerufen werden, eine erschöpfende Prüfung sowohl der materiellen Feststellung des Sachverhalts als auch dessen rechtlicher Beurteilung durch die Kommission anzustellen. Außerdem verfügt er hinsichtlich der Geldbußen gemäß Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. (vgl. Randnrn. 53-56) 3.      Keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts verbietet der Kommission, sich gegenüber einem Unternehmen auf die Aussagen anderer Unternehmen zu berufen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die gegen die Art. 81 EG und 82 EG verstoßen, nicht tragbar und mit der durch den EG-Vertrag der Kommission übertragenen Aufgabe der Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung dieser Bestimmungen unvereinbar. Jedoch kann die Erklärung eines der Teilnahme an einem Kartell beschuldigten Unternehmens, deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen in Abrede gestellt wird, nicht ohne Untermauerung durch andere Beweismittel als hinreichender Beleg für die betreffenden Umstände angesehen werden. (vgl. Randnr. 57) 4.      Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung einer Entscheidung berühren die Entscheidung selbst nicht und können daher auch deren Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtigen. Solche Unregelmäßigkeiten können lediglich unter bestimmten Umständen verhindern, dass die in Art. 230 Abs. 5 EG genannte Klagefrist zu laufen beginnt. Das ist nicht der Fall, wenn der Kläger vom Inhalt der angefochtenen Entscheidung unbestreitbar Kenntnis und von seinem Recht auf Klageerhebung innerhalb der in Art. 230 Abs. 5 EG genannten Frist Gebrauch gemacht hat. (vgl. Randnr. 61) 5.      Einer Muttergesellschaft kann das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden, im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt. In einem solchen Fall sind nämlich die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein einziges Unternehmen. Die Tatsache, dass eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, ermöglicht somit der Kommission, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre. In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission für die Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausübt, nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt. (vgl. Randnrn. 69-72, 82) 6.      In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, bedarf es dafür, dass die Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft deren Muttergesellschaft zugerechnet wird, nicht des Beweises, dass die Muttergesellschaft Einfluss auf die Politik ihrer Tochtergesellschaft in dem spezifischen Bereich nimmt, in dem es zu der Zuwiderhandlung gekommen ist. Dagegen können die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft einen Einfluss der Erstgenannten auf die Strategie der Zweitgenannten begründen und es somit rechtfertigen, sie als wirtschaftliche Einheit zu begreifen. Wenn die Kommission also nachweist, dass das gesamte Kapital einer Tochtergesellschaft von deren Muttergesellschaft gehalten wird, kann sie diese für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, außer wenn die Muttergesellschaft beweist, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt. Denn nicht ein zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung verleiht der Kommission die Befugnis, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe zu richten, sondern der Umstand, dass Mutter- und Tochtergesellschaft ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden. Darin, dass die Muttergesellschaft ihren Tochtergesellschaften keine Weisungen, die gegen Art. 81 EG verstoßende Kontakte gestattet oder hierzu ermutigt hätten, erteilt und dass sie von derartigen Kontakten keine Kenntnis gehabt hat, liegt kein Beweis für die Eigenständigkeit dieser Tochtergesellschaften. Auch der Umstand, dass die Tochtergesellschaften in vier verschiedenen Ländern an verschiedenen Verstößen unterschiedlichen Charakters beteiligt waren, vermag die Haftungsvermutung nicht zu widerlegen, wenn sich die Kommission, um der Muttergesellschaft die Verantwortlichkeit für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, nicht auf einen etwaigen Parallelismus zwischen den festgestellten Zuwiderhandlungen gestützt hat. Desgleichen ändert die Tatsache, dass die Muttergesellschaft einen Code of Conduct, mit dem Verstöße ihrer der Tochtergesellschaften gegen das Wettbewerbsrecht verhindert werden sollten, und entsprechende Leitlinien erlassen hat, zum einen nichts am realen Vorliegen der für sie festgestellten Zuwiderhandlung und ermöglicht zum anderen nicht den Nachweis, dass die genannten Tochtergesellschaften ihre Geschäftspolitik eigenständig bestimmten. Dass dieser Code of Conduct angewandt wurde, legt im Gegenteil eine tatsächliche Kontrolle der Geschäftspolitik der Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaft nahe. (vgl. Randnrn. 82, 85, 87-88) 7.      Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ist ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Unionsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegen, ist auch in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und vor allem in Art. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert worden. Dieser Grundsatz verlangt, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definiert. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen. Außerdem ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Klarheit des Gesetzes nicht nur anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung zu beurteilen, sondern auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung. Dieser Grundsatz ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Regelungen zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten. Er gilt nicht nur für Normen, die die Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für solche, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln. Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangt nicht, dass die Vorschriften, aufgrund deren diese Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verletzt nämlich die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren. Dabei berücksichtigt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden. (vgl. Randnrn. 95-97, 99) 8.      Was die Rechtmäßigkeit von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen angeht, hat der Unionsgesetzgeber der Kommission keinen übermäßigen oder willkürlichen Ermessensspielraum bei der Festlegung der Geldbußen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsvorschriften eingeräumt. Erstens beschränkt diese Bestimmung nämlich die Ausübung des genannten Ermessens durch die Einführung objektiver Kriterien, an die sich die Kommission halten muss. Dabei hat zum einen die mögliche Geldbuße eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße eines konkreten Unternehmens im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen verlangt diese Bestimmung von der Kommission, die Geldbußen in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Schwere und auch der Dauer der Zuwiderhandlung festzusetzen. Zweitens hat die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Drittens wird die Ermessensausübung durch die Kommission, um die Vorhersehbarkeit und die Transparenz ihres Vorgehens zu gewährleisten, auch durch die Verhaltensnormen eingeschränkt, die sich die Kommission selbst in der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen und in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, auferlegt hat. Diese Mitteilung und diese Leitlinien stellen dazu zum einen Verhaltensnormen auf, von denen die Kommission nicht abweichen kann, ohne dass dies wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes geahndet würde, und schaffen zum anderen Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen, indem sie das Verfahren regeln, das sich die Kommission zur Festsetzung der Höhe der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen auferlegt hat. Außerdem hat der Erlass dieser Leitlinien und sodann der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003, da er sich in den durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und den durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte, nur einen Beitrag zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmung bereits eingeräumten Ermessens geliefert, und es kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Grenzen der Zuständigkeit der Kommission auf dem fraglichen Gebiet vom Unionsgesetzgeber ursprünglich unzureichend bestimmt worden wären. Viertens befinden die Unionsgerichte gemäß Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße festsetzt, und können somit sowohl diese Entscheidungen für nichtig erklären als auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen. Die bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt mithin der umfassenden Kontrolle durch Unionsgerichte. Diese Kontrolle hat es durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung ermöglicht, die etwaigen unbestimmten Begriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und später in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu präzisieren. Somit kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Die Tatsache, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau zu erkennen vermag, kann keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen darstellen. (vgl. Randnrn. 101-102, 105-108) 9.      Was die Erhöhung des Niveaus der Geldbußen infolge des Erlasses der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, angeht, so kann die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit anpassen, wenn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union dies verlangt, so dass eine solche Änderung einer Verwaltungspraxis als durch das Ziel, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union generell zu verhindern, objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann. Die Anhebung des Niveaus der Geldbußen in jüngster Zeit kann daher als solche nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen angesehen werden, da sie nicht über den in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten gesetzlichen Rahmen hinausgeht. (vgl. Randnr. 112) 10.    Soweit es um die Zuständigkeit der Kommission geht, Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union zu verhängen, kann keine Rede davon sein, dass die Befugnis zur Verhängung solcher Geldbußen ursprünglich dem Rat zugestanden hätte, der sie auf die Kommission übertragen oder diese im Sinne von Art. 202 dritter Gedankenstrich EG mit der Durchführung betraut hätte. Nach den Art. 81 EG, 82 EG, 83 Abs. 1 und 2 Buchst. a und d EG sowie 202 dritter Gedankenstrich EG gehört diese Befugnis zur ureigenen Rolle der Kommission, über die Anwendung des Unionsrechts zu wachen, wobei diese Rolle in Bezug auf die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG durch die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 1/2003 präzisiert, umrahmt und formalisiert wurde. Die der Kommission durch diese Verordnungen eingeräumte Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ergibt sich somit aus den Bestimmungen des EG-Vertrags selbst und soll die effektive Anwendung der in den genannten Artikeln vorgesehenen Verbote ermöglichen. (vgl. Randnr. 115) 11.    Der in Art. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Grundsatz des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der bei der Verhängung von Geldbußen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht zu beachten ist; nach diesem Grundsatz müssen die ausgesprochenen Sanktionen denen entsprechen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung festgelegt waren. Der Erlass von Leitlinien, die geeignet sind, die allgemeine Wettbewerbspolitik der Kommission auf dem Gebiet von Geldbußen zu ändern, kann grundsätzlich in den Geltungsbereich des Rückwirkungsverbots fallen. Zur Frage, ob die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, das Rückwirkungsverbot beachten, ist festzustellen, dass sich die Anhebung des Geldbußenniveaus in dem von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten gesetzlichen Rahmen bewegt, da die Leitlinien unter Nr. 5 Buchst. a ausdrücklich vorsehen, dass die verhängten Geldbußen in keinem Fall die in den genannten Bestimmungen vorgesehene Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes übersteigen dürfen. Die hauptsächliche Neuerung dieser Leitlinien besteht darin, dass als Ausgangspunkt der Berechnung ein Grundbetrag herangezogen wird, der innerhalb von hierfür vorgesehenen Spannen festgelegt wird, wobei diese Spannen verschiedenen Schweregraden der Zuwiderhandlungen entsprechen, als solche aber keinen Bezug zum relevanten Umsatz aufweisen. Diese Methode beruht somit im Wesentlichen auf einer – wenn auch relativen und flexiblen – Tarifierung der Geldbußen. Der Umstand, dass die Kommission in der Vergangenheit Geldbußen eines bestimmten Niveaus auf bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen angewandt hat, vermag ihr nicht die Möglichkeit zu nehmen, dieses Niveau im Rahmen der in den Verordnungen Nrn. 17 und 1/2003 gesetzten Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Im Gegenteil verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln von der Kommission, das Geldbußenniveau nach den Erfordernissen dieser Politik jederzeit anpassen zu können. Daraus folgt, dass die von einem Verwaltungsverfahren, das zur Verhängung einer Geldbuße führen kann, betroffenen Unternehmen nicht darauf vertrauen können, dass die Kommission nicht die Höhe der früher angewandten Geldbußen überschreitet oder sie nach einer bestimmten Methode berechnet. Folglich müssen diese Unternehmen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Kommission jederzeit das Geldbußenniveau gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten anzuheben beschließt. Unter diesen Umständen verstoßen die genannten Leitlinien nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil sie zur Verhängung höherer Geldbußen als derjenigen geführt hätten, die in der Vergangenheit angewandt worden seien, oder weil im vorliegenden Fall die Grenzen der Vorhersehbarkeit überschritten worden seien. Die Leitlinien und insbesondere die in ihnen enthaltene neue Berechnungsmethode für die Geldbußen waren nämlich, falls sich diese Methode auf die Höhe der verhängten Geldbußen verschärfend ausgewirkt haben sollte, hinreichend vorhersehbar. (vgl. Randnrn. 118-119, 123-128, 133) 12.    Aus Gründen der Transparenz und zur Verbesserung der Rechtssicherheit hat die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, veröffentlicht und in ihnen die Berechnungsmethode dargelegt, deren Befolgung sie sich für jeden Einzelfall auferlegt hat. Durch den Erlass derartiger Verhaltensnormen und dadurch, dass sie durch deren Veröffentlichung kundtut, dass sie sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, hat sich die Kommission in der Ausübung ihres Ermessens selbst beschränkt und kann von diesen Regeln nicht mehr abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls als Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes geahndet wird. Die Leitlinien legen allgemein und abstrakt die Methode fest, die sich die Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen auferlegt hat, und gewährleisten somit für die Unternehmen die Rechtssicherheit. Zum anderen kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – hinreichend genau die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Zwar kann ein Wirtschaftsteilnehmer die Höhe der Geldbuße, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, anhand dieser Leitlinien nicht im Voraus genau erkennen. Aufgrund der Schwere der von der Kommission zu ahndenden Zuwiderhandlungen rechtfertigen es aber die Ziele der Repression und der Abschreckung, dass die Unternehmen daran gehindert sind, den Nutzen einzuschätzen, den sie aus ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung zögen, indem sie im Voraus die Höhe der Geldbuße berücksichtigten, die ihnen aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens auferlegt würde. (vgl. Randnrn. 135-136, 201-202) 13.    Es verstößt weder gegen das Rückwirkungsverbot noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, wenn bei der Bemessung der wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union verhängten Geldbußen die Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen berücksichtigt wird. Dem ersten dieser beiden Grundsätze läuft es nämlich nicht zuwider, wenn Leitlinien angewandt werden, die sich möglicherweise verschärfend auf die Höhe von Geldbußen auswirken, sofern die damit umgesetzte Politik hinreichend vorhersehbar war. Was den zweiten dieser Grundsätze betrifft, können die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Lage vertrauen, die von den Organen im Rahmen ihres Ermessens geändert werden kann. (vgl. Randnrn. 143-144) 14.    Nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, deren integraler Bestandteil die Grundrechte sind und in deren Licht alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen sind, dürfen zwar die Unternehmen von der Kommission nicht gezwungen werden, ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln zuzugeben, jedoch ist die Kommission deswegen nicht daran gehindert, bei der Bemessung der Geldbuße den Beitrag zu berücksichtigen, den ein Unternehmen freiwillig zum Nachweis der Zuwiderhandlung geleistet hat. Die Zusammenarbeit im Sinne der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (Mitteilung über Zusammenarbeit) erfolgt insoweit seitens des betreffenden Unternehmens völlig freiwillig. Denn es wird in keiner Weise dazu gezwungen, zu dem vermuteten Kartell Beweismittel vorzulegen. Das Ausmaß der Zusammenarbeit, die das Unternehmen im Lauf des Verwaltungsverfahrens anzubieten wünscht, ist somit ausschließlich Gegenstand seiner freien Entscheidung und wird keinesfalls von der Mitteilung über Zusammenarbeit vorgegeben. Außerdem verlangt keine Bestimmung dieser Mitteilung vom betreffenden Unternehmen, dass es davon absieht, einen falschen Sachverhaltsvortrag eines anderen Unternehmens zu bestreiten oder zu berichtigen. Die Mitteilung über Zusammenarbeit verletzt auch nicht den Grundsatz in dubio pro reo oder den u. a. in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergelegten Grundsatz der Unschuldsvermutung, der ebenfalls zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist, in der Rechtsordnung der Union anerkannt sind. Zum einen erfolgt nämlich die Zusammenarbeit im Sinne dieser Mitteilung seitens des betreffenden Unternehmens völlig freiwillig und bedeutet für ein Unternehmen keine Verpflichtung, Beweismittel für die Zuwiderhandlung, an der es beteiligt gewesen sein soll, vorzulegen; zum anderen berührt die Mitteilung über Zusammenarbeit nicht die Verpflichtung der Kommission, die für die von ihr festgestellte Zuwiderhandlung beweispflichtig ist, Beweismittel vorzulegen, die geeignet sind, rechtlich hinlänglich das Vorliegen von Tatsachen zu belegen, die den Tatbestand der Zuwiderhandlung erfüllen. Dazu kann sich die Kommission ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht nur auf Unterlagen stützen, die sie anlässlich von Nachprüfungen nach den Verordnungen Nrn. 17 und 1/2003 erlangt oder aufgrund von Auskunftsverlangen nach den genannten Verordnungen erhalten hat, sondern auch auf Beweismittel, die ihr ein Unternehmen freiwillig gemäß dieser Mitteilung unterbreitet hat. Die Mitteilung über Zusammenarbeit verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie erscheint als ein geeignetes und unerlässliches Instrument, um das Bestehen geheimer horizontaler Kartelle zu beweisen und somit das Gebaren der Unternehmen in Richtung der Beachtung der Wettbewerbsregeln zu lenken. Selbst wenn nämlich die in den Art. 18 bis 21 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Instrumente – Auskunftsverlangen und Nachprüfungen – unerlässliche Maßnahmen bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht sind, sind geheime Kartelle ohne die Zusammenarbeit der betreffenden Unternehmen häufig schwer zu entdecken und aufzuklären. So kann ein an einem Kartell Beteiligter, der seine Beteiligung beenden möchte, durch die ihm drohende hohe Geldbuße davon abgeschreckt werden, die Kommission zu informieren. Die Mitteilung über Zusammenarbeit zielt, indem sie den Erlass von Geldbußen oder eine bedeutende Geldbußenermäßigung für Unternehmen vorsieht, die der Kommission Beweise für das Vorliegen eines horizontalen Kartells liefern, darauf ab, zu vermeiden, dass ein solcher Beteiligter von einer Information der Kommission über das Vorliegen eines Kartells absieht. Schließlich hat die Kommission nicht gegen die Befugnisse, die sie aus der Verordnung Nr. 1/2003 herleitet, verstoßen, als sie sich mit der Mitteilung über Zusammenarbeit Verhaltensnormen für die Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen gab, um insbesondere das Verhalten der Unternehmen im Lauf des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen und damit die Gleichbehandlung der betroffenen Unternehmen besser zu gewährleisten. Die Kommission ist nämlich befugt, nicht aber verpflichtet, gegen ein Unternehmen, das einen Verstoß gegen Art. 81 EG begangen hat, eine Geldbuße zu verhängen. Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 enthält außerdem keine abschließende Aufzählung der Kriterien, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße heranziehen kann. Das Verhalten des Unternehmens im Verwaltungsverfahren kann somit zu den Gesichtspunkten gehören, die bei dieser Festsetzung zu berücksichtigen sind. (vgl. Randnrn. 149-150, 153, 155, 160, 162-163, 168-169, 171, 174-176) 15.    Die Befugnisse der Gemeinschaft sind unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben. Das Eigentumsrecht wird nicht nur durch das Völkerrecht geschützt, sondern gehört auch zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts. Der Vorrang des Völkerrechts gegenüber dem Unionsrecht erstreckt sich jedoch nicht auf das Primärrecht und insbesondere die allgemeinen Grundsätze, zu denen die Grundrechte gehören. Insoweit stellt sich das Eigentumsrecht nicht als ein absolutes Vorrecht dar, sondern muss in Bezug auf seine Funktion in der Gesellschaft betrachtet werden. Folglich kann die Ausübung des Eigentumsrechts Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde. Da die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG unter das öffentliche Interesse der Gemeinschaft fällt, kann die Ausübung des Eigentumsrechts nach diesen Artikeln Beschränkungen unterworfen werden, sofern sie nicht unverhältnismäßig sind und das Recht nicht in seinem Wesensgehalt antasten. (vgl. Randnrn. 187-190) 16.    Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, können zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, sie stellen jedoch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbaren Gründen abweichen kann. Die Kommission hat dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung kundgetan hat, dass sie sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde. Sodann legen diese Leitlinien allgemein und abstrakt die Methode fest, die sich die Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen auferlegt hat, und gewährleisten somit für die Unternehmen die Rechtssicherheit. (vgl. Randnrn. 200-202) 17.    Die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union ist anhand einer Vielzahl von Faktoren zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten. Nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, muss die Kommission bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes die konkreten Auswirkungen auf den Markt nur dann prüfen, wenn sie messbar erscheinen. Bei der Beurteilung dieser Auswirkungen muss sich die Kommission auf den Wettbewerb beziehen, der normalerweise ohne eine Zuwiderhandlung geherrscht hätte. Da die Klägerinnen nicht nachweisen, dass die konkreten Auswirkungen der Kartelle messbar gewesen wären, ist somit die Kommission nicht verpflichtet, die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlungen bei der Beurteilung ihrer Schwere zu berücksichtigen. Die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis ist nämlich bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes kein ausschlaggebendes Kriterium. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Marktaufteilung handelt. Die Art der Zuwiderhandlung spielt somit insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ eine vorrangige Rolle. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schweren Verstöße in den genannten Leitlinien, dass die Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen, die insbesondere auf die Marktaufteilung abzielen, allein schon aufgrund ihrer Natur als „besonders schwer“ eingestuft werden können, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere Auswirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet sein müssen und ohne dass die fehlende Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung darstellen kann. Unabhängig von der angeblich unterschiedlichen Struktur der Kartelle gehören in einer Entscheidung der Kommission festgestellte Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln, die aus geheimen Absprachen zwischen Kartellmitgliedern zu dem Zweck bestehen, durch die Zuteilung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen, zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 81 EG. Außer der schweren Störung des Wettbewerbs, die diese Absprachen mit sich bringen, bewirken sie, da sie die Parteien dazu verpflichten, gesonderte, oft durch Staatsgrenzen abgegrenzte Märkte zu respektieren, eine Abschottung dieser Märkte und konterkarieren so das Hauptziel des Vertrags, die Integration des Gemeinschaftsmarkts. Daher werden derartige Zuwiderhandlungen, insbesondere wenn es sich um horizontale Absprachen handelt, von der Rechtsprechung als besonders schwer oder als offenkundige Zuwiderhandlungen qualifiziert. (vgl. Randnrn. 198, 214-215, 221-223, 234-235, 254) 18.    Bei Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union feststellt und Geldbußen verhängt, sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermessen, wobei sie nicht verpflichtet ist, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen. Führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung aus, dass die Ausgangsbeträge der Geldbußen unter Berücksichtigung der Art der Verstöße und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt worden seien, und hat sie die Schwere der Zuwiderhandlungen in Bezug auf die Merkmale der Beteiligten analysiert, wobei sie für jeden Verstoß zwischen den betroffenen Unternehmen anhand ihres Umsatzes mit den Produkten, die Gegenstand des Kartells waren, in dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Land unterschieden hat, sind die Beurteilungskriterien, die es ihr ermöglicht haben, die Schwere der festgestellten Verstöße zu bemessen, in der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Beachtung des Art. 253 EG hinreichend genau dargelegt. (vgl. Randnrn. 203, 240, 243-245) 19.    Bei Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union feststellt und Geldbußen verhängt, ist die Größe des betroffenen Marktes für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung grundsätzlich kein obligatorischer, sondern nur ein relevanter Faktor unter anderen, wobei die Kommission im Übrigen nicht zur Abgrenzung des betroffenen Marktes oder der Beurteilung seiner Größe verpflichtet ist, wenn die betreffende Zuwiderhandlung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt. Denn die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, sehen zwar nicht vor, dass die Höhe von Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des Umsatzes der Unternehmen auf dem betreffenden Markt berechnet wird. Sie schließen jedoch auch nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern. Unter diesen Umständen sind Ausgangsbeträge für Geldbußen, die für eine in Luxemburg begangene Zuwiderhandlung festgesetzt worden sind und bei der Hälfte der Mindestschwelle liegen, die normalerweise von den Leitlinien für eine besonders schwere Zuwiderhandlung vorgesehen sind, nicht überhöht. (vgl. Randnrn. 247-248) 20.    Im Rahmen der Berechnung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen ergibt sich eine differenzierte Behandlung der betroffenen Unternehmen unmittelbar aus der Ausübung der der Kommission nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Wertungsspielraums hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Union sicherzustellen. Demgemäß bestimmen die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, dass für eine Zuwiderhandlung von bestimmter Schwere in Fällen, in denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, wie bei Kartellen, der allgemeine Ausgangsbetrag gewichtet werden sollte, um einen spezifischen Ausgangsbetrag festzulegen, der das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb berücksichtigt, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren. Insbesondere ist es nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen. Des Weiteren enthält das Unionsrecht keinen allgemein anwendbaren Grundsatz, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Unternehmens auf dem Markt der Erzeugnisse stehen muss, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind. Was schließlich die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung entsprechend der Einstufung der Mitglieder eines Kartells in Gruppen angeht, muss sich der Unionsrichter bei der Prüfung, ob eine solche Aufteilung den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit genügt, bei seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Ermessens, über das die Kommission auf diesem Gebiet verfügt, darauf beschränken, zu kontrollieren, ob diese Aufteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist. Außerdem kann nach den genannten Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, wobei dieser Abstufung keine arithmetische Formel zugrunde liegt. (vgl. Randnrn. 255-258, 263, 265) 21.    Ein mildernder Umstand nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden, kann nicht anerkannt werden, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war. Von einem mildernden Umstand im Sinne dieser Bestimmung kann denkrichtig nur dann gesprochen werden, wenn die fraglichen Unternehmen durch das Eingreifen der Kommission zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden, so dass eine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war. Bei einer Herabsetzung unter solchen Umständen würde nämlich die Dauer der Zuwiderhandlungen bei der Bemessung der Geldbußen doppelt berücksichtigt. (vgl. Randnr. 274) 22.    Dass ein Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union begangen hat, ein Befolgungsprogramm eingeführt hat, verpflichtet die Kommission nicht, die Geldbuße aufgrund dieses Umstands zu ermäßigen. Auch ist es zwar wichtig, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergreift, um künftige erneute Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Union zu verhindern, doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die festgestellte Zuwiderhandlung stattgefunden hat. Die Kommission ist also nicht gehalten, einen derartigen Aspekt als mildernden Umstand zugrunde zu legen, zumal dann, wenn die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen einen offenkundigen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen. (vgl. Randnr. 282) 23.    Bei der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (Mitteilung über Zusammenarbeit) handelt es sich um ein Instrument, mit dem unter Beachtung des höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden sollen, die die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens im Rahmen der Festsetzung der wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union verhängten Geldbußen anzuwenden gedenkt. Daraus ergibt sich eine Selbstbeschränkung dieses Ermessens, die jedoch nicht unvereinbar mit dem Fortbestand ihres erheblichen Wertungsspielraums ist. Somit verfügt die Kommission über einen weiten Wertungsspielraum, wenn sie zu prüfen hat, ob Beweismittel, die von einem Unternehmen vorgelegt worden sind, das erklärt hat, es wolle die Mitteilung über Zusammenarbeit in Anspruch nehmen, einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 dieser Mitteilung darstellen. Ebenso verfügt die Kommission, nachdem sie festgestellt hat, dass Beweismittel einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit darstellen, über einen Wertungsspielraum, wenn sie den genauen Umfang der dem betreffenden Unternehmen zu gewährenden Ermäßigung der Geldbuße zu bestimmen hat. Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 dieser Mitteilung sieht nämlich für die verschiedenen Kategorien von Unternehmen, auf die er sich bezieht, jeweils Bandbreiten vor, innerhalb deren Geldbußen ermäßigt werden können. Angesichts dieses Wertungsspielraums kann nur dessen offensichtliches Überschreiten vom Unionsrichter beanstandet werden. Unter diesen Umständen überschreitet die Kommission nicht offensichtlich ihren Wertungsspielraum, wenn sie die Ansicht vertritt, dass eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine ihr bereits vorliegende Erklärung erhärtet, keinen erheblichen Mehrwert darstellt, da sie ihre Aufgabe nicht erheblich erleichtert und folglich nicht ausreicht, um eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund der Kooperation zu rechtfertigen. (vgl. Randnrn. 295-296, 298-300, 309, 311) 24.    Bei ihrer im Verwaltungsverfahren vorgenommenen Beurteilung der Zusammenarbeit der Mitglieder eines Kartells darf die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht außer Acht lassen. Befinden sich die verschiedenen Unternehmen, gegen die eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union verhängt wurde, nicht in vergleichbarer Lage, begeht die Kommission keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn sie bestimmten Unternehmen nach Maßgabe des Mehrwerts ihrer jeweiligen Zusammenarbeit eine Geldbußenermäßigung gewährt und einem anderen Unternehmen eine solche Ermäßigung nach der Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen verwehrt. Die Beurteilung des Mehrwerts einer Zusammenarbeit erfolgt insoweit in Abhängigkeit von den Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der Kommission befinden. Wenn also ein Unternehmen Beweismittel vorlegt, die für die Feststellung des Vorliegens eines Kartells nicht entscheidend sind, sondern der Kommission die Feststellung der Zuwiderhandlung lediglich erleichtern, indem sie die bereits in ihrem Besitz befindlichen Beweismittel bestätigen, oder wenn ein solches Unternehmen der Kommission die Beweismittel, die einen erheblichen Mehrwert darstellen, erst mehrere Monate nach den Mitteilungen anderer Unternehmen übermittelt und jedenfalls keine zeitgleichen Beweismittel in Form von Dokumenten übermittelt, überschreitet die Kommission ihren Wertungsspielraum nicht offensichtlich, wenn sie die Ermäßigung der Höhe der Geldbuße für dieses Unternehmen auf einen ganz niedrigen Prozentsatz festsetzt. (vgl. Randnrn. 313, 315, 319, 335-336, 344, 347) 25.    Geldbußen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union dürfen, was die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Rahmen ihrer Bemessung angeht, nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – Beachtung der Wettbewerbsregeln – stehen, und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße ist so zu bemessen, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere in angemessenem Verhältnis zu ihr steht. Außerdem kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen die Notwendigkeit berücksichtigen, deren abschreckende Wirkung sicherzustellen. Erstens stellen Kartelle, die insoweit im Wesentlichen aus geheimen Absprachen zwischen Wettbewerbern zu dem Zweck bestehen, durch die Zuweisung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder die Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen, Zuwiderhandlungen dar, die schon ihrem Wesen nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 81 EG zählen. Zweitens kann die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen insbesondere die Größe und die Wirtschaftsmacht der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigen, die als Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG gehandelt hat. Das zu berücksichtigende maßgebende Unternehmen deckt sich jedoch nicht mit jeder Tochtergesellschaft, die an der Zuwiderhandlung beteiligt war, sondern mit der Muttergesellschaft und deren Tochtergesellschaften. Drittens ist die Kommission, was die Verhältnismäßigkeit der Geldbußen gegenüber der Größe und der Wirtschaftsmacht der betreffenden wirtschaftlichen Einheiten betrifft, an die Obergrenze von 10 % gebunden, die Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aufstellt und deren Ziel es ist, zu vermeiden, dass die Geldbußen gegenüber der Bedeutung des Unternehmens unverhältnismäßig sind. Ein Gesamtbetrag der Geldbußen, der ungefähr 2 % des konsolidierten Umsatzes des betreffenden Unternehmens in dem Geschäftsjahr beträgt, das dem Erlass der angefochtenen Entscheidung vorausging, kann in Bezug auf die Größe dieses Unternehmens nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. (vgl. Randnrn. 367-370) URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer) 13. Juli 2011(*) „Wettbewerb – Kartelle – Markt für die Montage und Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen – Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Manipulation bei Ausschreibungen – Aufteilung der Märkte – Festsetzung der Preise“ In der Rechtssache T‑138/07 Schindler Holding Ltd mit Sitz in Hergiswil (Schweiz), Schindler Management AG mit Sitz in Ebikon (Schweiz), Schindler SA mit Sitz in Brüssel (Belgien), Schindler Deutschland Holding GmbH mit Sitz in Berlin (Deutschland), Schindler Sàrl mit Sitz in Luxemburg (Luxemburg), Schindler Liften BV mit Sitz in Den Haag (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Bechtold, W. Bosch, U. Soltész und S. Hirsbrunner, Klägerinnen, gegen Europäische Kommission, vertreten durch K. Mojzesowicz und R. Sauer als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und G. Kimberley als Bevollmächtigte, Streithelfer, betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2007) 512 (final) der Kommission vom 21. Februar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/E-1/38.823 − Aufzüge und Fahrtreppen), hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen erlässt DAS GERICHT (Achte Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und A. Dittrich, Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009 folgendes Urteil 1        Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist ein Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung C (2007) 512 (final) der Kommission vom 21. Februar 2007 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] (Sache COMP/E-1/38.823 − Aufzüge und Fahrtreppen) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. März 2008 (ABl. C 75, S. 19) veröffentlicht ist, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen. 2        In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung, dass folgende Gesellschaften gegen Art. 81 EG verstoßen hätten: –        die Kone Belgium SA (im Folgenden: Kone Belgien), die Kone GmbH (im Folgenden: Kone Deutschland), die Kone Luxembourg Sàrl (im Folgenden: Kone Luxemburg), die Kone BV Liften en Roltrappen (im Folgenden: Kone Niederlande) und die Kone Oyj (im Folgenden: KC) (im Folgenden zusammen oder einzeln: Kone); –        die Otis SA (im Folgenden: Otis Belgien), die Otis GmbH & Co. OHG (im Folgenden: Otis Deutschland), die General Technic-Otis Sàrl (im Folgenden: GTO), die General Technic Sàrl (im Folgenden: GT), die Otis BV (im Folgenden: Otis Niederlande), die Otis Elevator Company (im Folgenden: OEC) und die United Technologies Corporation (im Folgenden: UTC) (im Folgenden zusammen oder einzeln: Otis); –        die Schindler SA (im Folgenden: Schindler Belgien), die Schindler Deutschland Holding GmbH (im Folgenden: Schindler Deutschland), die Schindler Sàrl (im Folgenden: Schindler Luxemburg), die Schindler Liften BV (im Folgenden: Schindler Niederlande) und die Schindler Holding Ltd (im Folgenden zusammen oder einzeln: Schindler); –        die ThyssenKrupp Liften Ascenseurs NV (im Folgenden: TKLA), die ThyssenKrupp Aufzüge GmbH (im Folgenden: TKA), die ThyssenKrupp Fahrtreppen GmbH (im Folgenden: TKF), die ThyssenKrupp Elevator AG (im Folgenden: TKE), die ThyssenKrupp AG (im Folgenden: TKAG), die ThyssenKrupp Ascenseurs Luxembourg Sàrl (im Folgenden: TKAL) und die ThyssenKrupp Liften BV (im Folgenden: TKL) (im Folgenden zusammen oder einzeln: ThyssenKrupp) sowie –        die Mitsubishi Elevator Europe BV (im Folgenden: MEE). 3        Schindler ist eine der weltweit führenden Unternehmensgruppen, die Aufzüge und Fahrtreppen anbieten. Ihre Muttergesellschaft ist Schindler Holding mit Sitz in der Schweiz (27. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Schindler übt ihre Tätigkeiten im Aufzug- und Fahrtreppengeschäft durch nationale Tochtergesellschaften aus. Dies sind u. a. in Belgien Schindler Belgien, in Deutschland Schindler Deutschland, in Luxemburg Schindler Luxemburg und in den Niederlanden Schindler Niederlande (Erwägungsgründe 28 bis 32 der angefochtenen Entscheidung). Verwaltungsverfahren 1.     Untersuchung der Kommission 4        Im Sommer 2003 wurde die Kommission darüber informiert, dass möglicherweise ein Kartell zwischen den vier größten europäischen Herstellern von Aufzügen und Fahrtreppen mit Geschäftstätigkeit in der Union, nämlich Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp, bestehe (Erwägungsgründe 3 und 91 der angefochtenen Entscheidung). Belgien 5        Ab 28. Januar 2004 und im März 2004 führte die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), Nachprüfungen u. a. in den Geschäftsräumen der Tochtergesellschaften von Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp in Belgien durch (Erwägungsgründe 92, 93, 95 und 97 der angefochtenen Entscheidung). 6        Nacheinander reichten Kone, Otis, ThyssenKrupp und Schindler Anträge nach der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) ein. Diese Anträge wurden von den jeweiligen Unternehmen ergänzt (Erwägungsgründe 94, 96, 98 und 103 der angefochtenen Entscheidung). 7        Am 29. Juni 2004 wurde Kone ein bedingter Geldbußenerlass nach Randnr. 8 Buchst. b dieser Mitteilung gewährt (99. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 8        Zwischen September und Dezember 2004 sandte die Kommission zudem Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) an die Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung in Belgien beteiligt gewesen waren, an einige Kunden in diesem Mitgliedstaat und an den belgischen Verband Agoria (Erwägungsgründe 101 und 102 der angefochtenen Entscheidung). Deutschland 9        Ab 28. Januar 2004 und im März 2004 führte die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 Nachprüfungen u. a. in den Geschäftsräumen der Tochtergesellschaften von Otis und ThyssenKrupp in Deutschland durch (Erwägungsgründe 104 und 106 der angefochtenen Entscheidung). 10      Am 12. und am 18. Februar 2004 ergänzte Kone ihren in Bezug auf Belgien gestellten Antrag vom 2. Februar 2004 auf Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 um Informationen betreffend Deutschland. Entsprechend ergänzte Otis zwischen März 2004 und Februar 2005 ihren Antrag zu Belgien um Informationen betreffend Deutschland. Schindler reichte am 25. November 2004 einen Antrag nach der genannten Mitteilung ein, der Informationen betreffend Deutschland enthielt, und ergänzte ihn zwischen Dezember 2004 und Februar 2005. Schließlich reichte ThyssenKrupp im Dezember 2005 ebenfalls nach dieser Mitteilung einen Antrag betreffend Deutschland bei der Kommission ein (Erwägungsgründe 105, 107, 112 und 114 der angefochtenen Entscheidung). 11      Zwischen September und November 2004 sandte die Kommission des Weiteren Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 an die Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung in Deutschland beteiligt gewesen waren, an einige Kunden in diesem Mitgliedstaat sowie an die Verbände VDMA, VFA und VMA (Erwägungsgründe 110, 111 und 113 der angefochtenen Entscheidung). Luxemburg 12      Am 5. Februar 2004 ergänzte Kone ihren Antrag vom 2. Februar 2004 in Bezug auf Belgien um Informationen betreffend Luxemburg. Otis und ThyssenKrupp stellten mündlich einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Bezug auf Luxemburg. Ein auf die genannte Mitteilung gestützter Antrag in Bezug auf Luxemburg wurde von Schindler eingereicht (Erwägungsgründe 115, 118, 119 und 124 der angefochtenen Entscheidung). 13      Ab 9. März 2004 führte die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 Nachprüfungen u. a. in den Geschäftsräumen der Tochtergesellschaften von Schindler und ThyssenKrupp in Luxemburg durch (116. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 14      Am 29. Juni 2004 wurde Kone gemäß Randnr. 8 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ein bedingter Geldbußenerlass in Bezug auf den Luxemburg betreffenden Teil ihres Antrags gewährt (120. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 15      Im September und im Oktober 2004 sandte die Kommission Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 an die Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung in Luxemburg beteiligt gewesen waren, sowie an einige Kunden in diesem Mitgliedstaat und an die Fédération luxembourgeoise des ascensoristes (Luxemburgischer Verband der Aufzugunternehmen) (Erwägungsgründe 122 und 123 der angefochtenen Entscheidung). Niederlande 16      Im März 2004 reichte Otis einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Bezug auf die Niederlande ein, der später ergänzt wurde. Im April 2004 stellte ThyssenKrupp einen Antrag nach dieser Mitteilung, der ebenfalls im weiteren Verlauf mehrmals ergänzt wurde. Am 19. Juli 2004 ergänzte schließlich Kone ihren in Bezug auf Belgien gestellten Antrag vom 2. Februar 2004 durch Informationen zu den Niederlanden (Erwägungsgründe 127, 129 und 130 der angefochtenen Entscheidung). 17      Am 27. Juli 2004 wurde Otis gemäß Randnr. 8 Buchst. a der genannten Mitteilung ein bedingter Geldbußenerlass gewährt (131. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 18      Ab dem 28. April 2004 führte die Kommission gemäß Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 17 Nachprüfungen u. a. in den Geschäftsräumen der Tochtergesellschaften von Kone, Schindler, ThyssenKrupp und MEE in den Niederlanden sowie in den Räumen des Verbandes Boschduin durch (128. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 19      Im September 2004 sandte die Kommission gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 Auskunftsverlangen an die Unternehmen, die an der Zuwiderhandlung in den Niederlanden beteiligt gewesen waren, an einige Kunden sowie an die Verbände VLR und Boschduin (Erwägungsgründe 133 und 134 der angefochtenen Entscheidung). 2.     Mitteilung der Beschwerdepunkte 20      Am 7. Oktober 2005 beschloss die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie u. a. an die in der vorstehenden Randnr. 2 genannten Gesellschaften richtete. Alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte reichten in Beantwortung der von der Kommission geäußerten Beschwerdepunkte schriftliche Stellungnahmen ein (Erwägungsgründe 135 und 137 der angefochtenen Entscheidung). 21      Eine mündliche Anhörung fand nicht statt, da kein Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte einen entsprechenden Antrag stellte (138. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 3.     Angefochtene Entscheidung 22      Die Kommission erließ am 21. Februar 2007 die angefochtene Entscheidung, in der sie feststellte, dass die Gesellschaften, an die sie gerichtet war, an vier einzelnen, vielschichtigen und fortgesetzten Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 Abs. 1 EG in vier Mitgliedstaaten teilgenommen hätten, indem sie die Märkte durch Absprachen und/oder Abstimmung zum Zweck der Zuweisung von Angeboten und Aufträgen für Verkauf, Montage, Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen untereinander aufgeteilt hätten (zweiter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 23      Hinsichtlich der Adressaten der angefochtenen Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, dass neben den Tochtergesellschaften der betroffenen Unternehmen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden deren Muttergesellschaften für die Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG, die durch ihre jeweiligen Tochtergesellschaften begangen worden seien, gesamtschuldnerisch haftbar zu machen seien, da sie entscheidenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaften während des Zeitraums der Zuwiderhandlung ausgeübt haben könnten, weshalb davon auszugehen sei, dass sie diese Möglichkeit auch wahrgenommen hätten (Erwägungsgründe 608, 615, 622, 627 und 634 bis 641 der angefochtenen Entscheidung). Die Muttergesellschaften von MEE wurden für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft nicht gesamtschuldnerisch haftbar gemacht, da nicht habe ermittelt werden können, ob sie entscheidenden Einfluss auf deren Verhalten ausgeübt hätten (643. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 24      Zur Berechnung der Höhe der Geldbußen wandte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Methode an, die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt ist (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), dargelegt ist. Sie prüfte außerdem, ob und inwieweit die betroffenen Unternehmen den Anforderungen entsprachen, die in der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 aufgestellt waren. 25      Die Kommission stufte die Zuwiderhandlungen in Anbetracht ihrer Art und der Tatsache, dass sich jede einzelne Zuwiderhandlung auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats (Belgien, Deutschland, Luxemburg oder Niederlande) erstreckt habe, als „besonders schwer“ ein, auch wenn ihre konkreten Auswirkungen nicht gemessen werden könnten (671. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 26      Um das tatsächliche wirtschaftliche Vermögen der betroffenen Unternehmen, den Wettbewerb schwerwiegend zu schädigen, zu berücksichtigen, unterteilte die Kommission diese, aufgeschlüsselt nach Ländern, nach ihrem auf dem Markt für Aufzüge und/oder Fahrtreppen einschließlich gegebenenfalls Wartungs- und Modernisierungsdienstleistungen erzielten Umsatz in verschiedene Gruppen (Erwägungsgründe 672 und 673 der angefochtenen Entscheidung). 27      Was das Kartell in Belgien angeht, wurden Kone und Schindler der ersten Gruppe zugeordnet, und zwar mit einem nach der Schwere der Zuwiderhandlung bemessenen Ausgangsbetrag der Geldbuße von je 40 000 000 Euro. Otis wurde der zweiten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 27 000 000 Euro. ThyssenKrupp wurde der dritten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 16 500 000 Euro (Erwägungsgründe 674 und 675 der angefochtenen Entscheidung). Ein Multiplikator von 1,7 wurde auf den Ausgangsbetrag der gegen Otis zu verhängenden Geldbuße angewandt und ein Multiplikator von 2 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße von ThyssenKrupp, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen, so dass die Ausgangsbeträge ihrer jeweiligen Geldbußen auf 45 900 000 Euro bzw. 33 000 000 Euro angehoben wurden (Erwägungsgründe 690 und 691 der angefochtenen Entscheidung). Da die Zuwiderhandlung sieben Jahre und acht Monate (vom 9. Mai 1996 bis zum 29. Januar 2004) gedauert hatte, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der jeweiligen Geldbußen für die betroffenen Unternehmen um 75 % herauf. So wurde der Grundbetrag der Geldbuße für Kone auf 70 000 000 Euro, für Otis auf 80 325 000 Euro, für Schindler auf 70 000 000 Euro und für ThyssenKrupp auf 57 750 000 Euro festgesetzt (Erwägungsgründe 692 und 696 der angefochtenen Entscheidung). Da nach Ansicht der Kommission ThyssenKrupp als Wiederholungstäter anzusehen war, setzte sie deren Geldbuße wegen dieses erschwerenden Umstands um 50 % herauf (Erwägungsgründe 697, 698 und 708 bis 710 der angefochtenen Entscheidung). Mildernde Umstände kamen bei den betroffenen Unternehmen nicht zur Anrechnung (Erwägungsgründe 733, 734, 749, 750 und 753 bis 755 der angefochtenen Entscheidung). Kone wurde aufgrund der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ein vollständiger Geldbußenerlass gewährt. Otis wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 40 % innerhalb der in Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Mitteilung vorgegebenen Bandbreite und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. ThyssenKrupp wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 20 % innerhalb der in Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 zweiter Gedankenstrich der Mitteilung vorgegebenen Bandbreite und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. Schindler wurde eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt (Erwägungsgründe 760 bis 777 der angefochtenen Entscheidung). 28      Was das Kartell in Deutschland angeht, wurden Kone, Otis und ThyssenKrupp der ersten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 70 000 000 Euro. Schindler wurde der zweiten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 17 000 000 Euro (Erwägungsgründe 676 bis 679 der angefochtenen Entscheidung). Ein Multiplikator von 1,7 wurde auf den Ausgangsbetrag der gegen Otis zu verhängenden Geldbuße angewandt und ein Multiplikator von 2 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße von ThyssenKrupp, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen, so dass die Ausgangsbeträge ihrer jeweiligen Geldbußen auf 119 000 000 Euro bzw. 140 000 000 Euro angehoben wurden (Erwägungsgründe 690 und 691 der angefochtenen Entscheidung). Da die Zuwiderhandlungen von Kone, Otis und ThyssenKrupp acht Jahre und vier Monate (vom 1. August 1995 bis zum 5. Dezember 2003) gedauert hatten, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der jeweiligen Geldbußen für diese Unternehmen um 80 % herauf. Da die Zuwiderhandlung von Schindler fünf Jahre und vier Monate (vom 1. August 1995 bis zum 6. Dezember 2000) gedauert hatte, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der Geldbuße für dieses Unternehmen um 50 % herauf. So wurde der Grundbetrag der Geldbuße für Kone auf 126 000 000 Euro, für Otis auf 214 200 000 Euro, für Schindler auf 25 500 000 Euro und für ThyssenKrupp auf 252 000 000 Euro erhöht (Erwägungsgründe 693 und 696 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission sah ThyssenKrupp als Wiederholungstäter an und setzte deren Geldbuße wegen dieses erschwerenden Umstands um 50 % herauf (Erwägungsgründe 697 bis 707 der angefochtenen Entscheidung). Mildernde Umstände zugunsten der betroffenen Unternehmen kamen nicht zur Anrechnung (Erwägungsgründe 727 bis 729, 735, 736, 742 bis 744, 749, 750 und 753 bis 755 der angefochtenen Entscheidung). Kone wurde zum einen die größtmögliche Ermäßigung der Geldbuße um 50 % nach Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. Otis wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 25 % innerhalb der Bandbreite von Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 zweiter Gedankenstrich dieser Mitteilung und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. Schindler wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 15 % innerhalb der Bandbreite von Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 dritter Gedankenstrich dieser Mitteilung und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. ThyssenKrupp wurde eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt (Erwägungsgründe 778 bis 813 der angefochtenen Entscheidung). 29      In Bezug auf das Kartell in Luxemburg wurden Otis und Schindler der ersten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 10 000 000 Euro. Kone und ThyssenKrupp wurden der zweiten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 2 500 000 Euro (Erwägungsgründe 680 bis 683 der angefochtenen Entscheidung). Ein Multiplikator von 1,7 wurde auf den Ausgangsbetrag der gegen Otis zu verhängenden Geldbuße angewandt und ein Multiplikator von 2 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße von ThyssenKrupp, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen, so dass die Ausgangsbeträge ihrer jeweiligen Geldbußen auf 17 000 000 Euro bzw. 5 000 000 Euro angehoben wurden (Erwägungsgründe 690 und 691 der angefochtenen Entscheidung). Da die Zuwiderhandlung acht Jahre und drei Monate (vom 7. Dezember 1995 bis zum 9. März 2004) gedauert hatte, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der jeweiligen Geldbußen für die betroffenen Unternehmen um 80 % herauf. So wurde der Grundbetrag der Geldbußen für Kone auf 4 500 000 Euro, für Otis auf 30 600 000 Euro, für Schindler auf 18 000 000 Euro und für ThyssenKrupp auf 9 000 000 Euro erhöht (Erwägungsgründe 694 und 696 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission sah ThyssenKrupp als Wiederholungstäter an und setzte deren Geldbuße wegen dieses erschwerenden Umstands um 50 % herauf (Erwägungsgründe 697, 698 und 711 bis 714 der angefochtenen Entscheidung). Mildernde Umstände zugunsten der betroffenen Unternehmen kamen nicht zur Anrechnung (Erwägungsgründe 730, 749, 750 und 753 bis 755 der angefochtenen Entscheidung). Kone wurde nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ein vollständiger Geldbußenerlass gewährt. Otis wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 40 % innerhalb der Bandbreite von Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Mitteilung und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. Schindler und ThyssenKrupp wurde lediglich eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt (Erwägungsgründe 814 bis 835 der angefochtenen Entscheidung). 30      Was das Kartell in den Niederlanden betrifft, wurde Kone der ersten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 55 000 000 Euro. Otis wurde der zweiten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 41 000 000 Euro. Schindler wurde der dritten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 24 500 000 Euro. ThyssenKrupp und MEE wurden der vierten Gruppe zugeordnet mit einem Ausgangsbetrag der Geldbuße von 8 500 000 Euro (Erwägungsgründe 684 und 685 der angefochtenen Entscheidung). Ein Multiplikator von 1,7 wurde auf den Ausgangsbetrag der gegen Otis zu verhängenden Geldbuße angewandt und ein Multiplikator von 2 auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße von ThyssenKrupp, um der Größe und den Gesamtressourcen dieser Unternehmen Rechnung zu tragen, so dass die Ausgangsbeträge ihrer jeweiligen Geldbußen auf 69 700 000 Euro bzw. 17 000 000 Euro angehoben wurden (Erwägungsgründe 690 und 691 der angefochtenen Entscheidung). Da die Zuwiderhandlungen von Otis und ThyssenKrupp fünf Jahre und zehn Monate (vom 15. April 1998 bis zum 5. März 2004) gedauert hatten, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der Geldbußen für diese Unternehmen um 55 % herauf. Da die Zuwiderhandlungen von Kone und Schindler vier Jahre und neun Monate (vom 1. Juni 1999 bis zum 5. März 2004) gedauert hatten, setzte die Kommission für diese Unternehmen den Ausgangsbetrag der Geldbußen um 45 % herauf. Da die Zuwiderhandlung von MEE vier Jahre und einen Monat (vom 11. Januar 2000 bis zum 5. März 2004) gedauert hatte, setzte die Kommission den Ausgangsbetrag der Geldbuße für dieses Unternehmen um 40 % herauf. So wurde der Grundbetrag der Geldbuße für Kone auf 79 750 000 Euro, für Otis auf 108 035 000 Euro, für Schindler auf 35 525 000 Euro, für ThyssenKrupp auf 26 350 000 Euro und für MEE auf 11 900 000 Euro erhöht (Erwägungsgründe 695 und 696 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission sah ThyssenKrupp als Wiederholungstäter an und setzte deren Geldbuße wegen dieses erschwerenden Umstands um 50 % herauf (Erwägungsgründe 697, 698 und 715 bis 720 der angefochtenen Entscheidung). Mildernde Umstände zugunsten der betroffenen Unternehmen kamen nicht zur Anrechnung (Erwägungsgründe 724 bis 726, 731, 732, 737, 739 bis 741, 745 bis 748, 751 bis 755 der angefochtenen Entscheidung). Otis wurde nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ein vollständiger Geldbußenerlass gewährt. ThyssenKrupp wurde zum einen eine Ermäßigung der Geldbuße um 40 % innerhalb der Bandbreite von Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 erster Gedankenstrich dieser Mitteilung und zum anderen eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt. Schindler und MEE wurde eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gewährt (Erwägungsgründe 836 bis 855 der angefochtenen Entscheidung). 31      Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet: „Artikel 1 (1)      Hinsichtlich Belgiens haben folgende Unternehmen gegen Art. 81 [EG] verstoßen, indem sie in den angegebenen Zeiträumen im Zusammenhang mit einzelstaatlichen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Aufzüge und Fahrtreppen regelmäßig kollektive Vereinbarungen getroffen haben, um Märkte aufzuteilen, öffentliche und private Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und anderen Verträgen entsprechend den zuvor vereinbarten Anteilen am Verkaufs- und Montagegeschäft zuzuweisen und im Hinblick auf die Wartungs- und Modernisierungsverträge nicht miteinander in Wettbewerb zu treten: –        Kone: [KC] und [Kone Belgien]: vom 9. Mai 1996 bis zum 29. Januar 2004; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Belgien]: vom 9. Mai 1996 bis zum 29. Januar 2004; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Belgien]: vom 9. Mai 1996 bis zum 29. Januar 2004; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE] und [TKLA]: vom 9. Mai 1996 bis zum 29. Januar 2004. (2)      Hinsichtlich Deutschlands haben folgende Unternehmen gegen Art. 81 [EG] verstoßen, indem sie in den angegebenen Zeiträumen im Zusammenhang mit einzelstaatlichen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Aufzüge und Fahrtreppen regelmäßig kollektive Vereinbarungen getroffen haben, um Märkte aufzuteilen, öffentliche und private Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und anderen Verträgen entsprechend den zuvor vereinbarten Anteilen am Verkaufs- und Montagegeschäft zuzuweisen: –        Kone: [KC] und [Kone Deutschland]: vom 1. August 1995 bis zum 5. Dezember 2003; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Deutschland]: vom 1. August 1995 bis zum 5. Dezember 2003; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Deutschland]: vom 1. August 1995 bis zum 6. Dezember 2000; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE], [TKA] und [TKF]: vom 1. August 1995 bis zum 5. Dezember 2003. (3)      Hinsichtlich Luxemburgs haben folgende Unternehmen gegen Art. 81 [EG] verstoßen, indem sie in den angegebenen Zeiträumen im Zusammenhang mit einzelstaatlichen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Aufzüge und Fahrtreppen regelmäßig kollektive Vereinbarungen getroffen haben, um Märkte aufzuteilen, öffentliche und private Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und anderen Verträgen entsprechend den zuvor vereinbarten Anteilen am Verkaufs- und Montagegeschäft zuzuweisen und im Hinblick auf die Wartungs- und Modernisierungsverträge nicht miteinander in Wettbewerb zu treten: –        Kone: [KC] und [Kone Luxemburg]: vom 7. Dezember 1995 bis zum 29. Januar 2004; –        Otis: [UTC], [OEC], [Otis Belgien], [GTO] und [GT]: vom 7. Dezember 1995 bis zum 9. März 2004; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Luxemburg]: vom 7. Dezember 1995 bis zum 9. März 2004; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE] und [TKAL]: vom 7. Dezember 1995 bis zum 9. März 2004. (4)      Hinsichtlich der Niederlande haben folgende Unternehmen gegen Art. 81 [EG] verstoßen, indem sie in den angegebenen Zeiträumen im Zusammenhang mit einzelstaatlichen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Aufzüge und Fahrtreppen regelmäßig kollektive Vereinbarungen getroffen haben, um Märkte aufzuteilen, öffentliche und private Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und anderen Verträgen entsprechend den zuvor vereinbarten Anteilen am Verkaufs- und Montagegeschäft zuzuweisen und im Hinblick auf die Wartungs- und Modernisierungsverträge nicht miteinander in Wettbewerb zu treten: –        Kone: [KC] und [Kone Niederlande]: vom 1. Juni 1999 bis zum 5. März 2004; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Niederlande]: vom 15. April 1998 bis zum 5. März 2004; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Niederlande]: vom 1. Juni 1999 bis zum 5. März 2004; –        ThyssenKrupp: [TKAG] und [TKL]: vom 15. April 1998 bis zum 5. März 2004; und –        [MEE]: vom 11. Januar 2000 bis zum 5. März 2004. Artikel 2 (1)      Wegen der in Art. 1 Abs. 1 angeführten Verstöße in Belgien werden folgende Geldbußen verhängt: –        Kone: [KC] und [Kone Belgien], gesamtschuldnerisch: 0 Euro; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Belgien], gesamtschuldnerisch: 47 713 050 Euro; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Belgien], gesamtschuldnerisch: 69 300 000 Euro; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE] und [TKLA], gesamtschuldnerisch: 68 607 000 Euro. (2)      Wegen der in Art. 1 Abs. 2 angeführten Verstöße in Deutschland werden folgende Geldbußen verhängt: –        Kone: [KC] und [Kone Deutschland], gesamtschuldnerisch: 62 370 000 Euro; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Deutschland], gesamtschuldnerisch: 159 043 500 Euro; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Deutschland], gesamtschuldnerisch: 21 458 250 Euro; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE], [TKA] und [TKF], gesamtschuldnerisch: 374 220 000 Euro. (3)      Wegen der in Art. 1 Abs. 3 angeführten Verstöße in Luxemburg werden folgende Geldbußen verhängt: –        Kone: [KC] und [Kone Luxemburg], gesamtschuldnerisch: 0 Euro; –        Otis: [UTC], [OEC], [Otis Belgien], [GTO] und [GT], gesamtschuldnerisch: 18 176 400 Euro; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Luxemburg], gesamtschuldnerisch: 17 820 000 Euro; und –        ThyssenKrupp: [TKAG], [TKE] und [TKAL], gesamtschuldnerisch: 13 365 000 Euro. (4)      Wegen der in Art. 1 Abs. 4 angeführten Verstöße in den Niederlanden werden folgende Geldbußen verhängt: –        Kone: [KC] und [Kone Niederlande], gesamtschuldnerisch: 79 750 000 Euro; –        Otis: [UTC], [OEC] und [Otis Niederlande], gesamtschuldnerisch: 0 Euro; –        Schindler: [Schindler Holding] und [Schindler Niederlande], gesamtschuldnerisch: 35 169 750 Euro; –        ThyssenKrupp: [TKAG] und [TKL], gesamtschuldnerisch: 23 477 850 Euro; und –        [MEE]: 1 841 400 Euro. …“ Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten 32      Mit Klageschrift, die am 4. Mai 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen, Schindler Holding, Schindler Management AG, Schindler Belgien, Schindler Deutschland, Schindler Luxemburg und Schindler Niederlande, die vorliegende Klage erhoben. 33      Mit Schriftsatz, der am 25. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Rat der Europäischen Union beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Der Präsident der Achten Kammer des Gerichts hat diesem Streithilfeantrag mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 stattgegeben. 34      Der Rat hat seinen Streithilfeschriftsatz am 26. November 2007 eingereicht. Die Parteien haben ihre Stellungnahmen zu diesem Schriftsatz eingereicht. 35      Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung den Klägerinnen schriftlich Fragen gestellt und die Kommission zur Vorlage eines Schriftstücks aufgefordert. Die Parteien sind den Aufforderungen fristgemäß nachgekommen. 36      Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 17. September 2009 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. 37      Die Klägerinnen beantragen, –        die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären; –        hilfsweise, die verhängten Geldbußen herabzusetzen; –        gemäß Art. 113 der Verfahrensordnung die Erledigung der Hauptsache bezüglich der Klage von Schindler Management festzustellen; –        der Kommission die Kosten einschließlich derjenigen aufzuerlegen, die sich aus der Erledigung der Hauptsache in Bezug auf die Klage ergeben, soweit sie von Schindler Management erhoben worden ist. 38      Die Kommission beantragt, –        die Klage abzuweisen; –        den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen. 39      Der Rat beantragt, –        die Klage abzuweisen; –        eine angemessene Kostenentscheidung zu treffen. Zum Erledigungsantrag in Bezug auf Schindler Management 40      In seiner Fassung vor der Klageerhebung führte Art. 4 der angefochtenen Entscheidung Schindler Management als einen der Adressaten dieser Entscheidung auf. 41      Mit Entscheidung vom 4. September 2007, die dem Gericht am 30. Juni 2009 übermittelt worden ist, hat die Kommission Art. 4 der angefochtenen Entscheidung berichtigt und diese Berichtigung Schindler Holding und Schindler Management zugestellt. Der berichtigte Art. 4 der angefochtenen Entscheidung erwähnt Schindler Management nicht mehr. 42      Nach Ansicht der Klägerinnen ist mit der Berichtigung der angefochtenen Entscheidung der Gegenstand der Klage insoweit entfallen, als sie von Schindler Management erhoben worden ist. 43      Es ist gemäß den klägerischen Anträgen festzustellen, dass die vorliegende Klage, soweit sie Schindler Management betrifft, infolge der Berichtigung der angefochtenen Entscheidung gegenstandslos geworden ist. 44      Daher ist nicht mehr über die Klage zu entscheiden, soweit sie von Schindler Management erhoben worden ist. Zur Begründetheit 1.     Vorbemerkungen 45      In ihren Schriftsätzen haben die Klägerinnen ihre Argumente zur Stützung ihrer Klage im Rahmen von 13 Klagegründen wie folgt dargelegt. Der erste Klagegrund wird aus einer Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen hergeleitet, da Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission ein unbegrenztes Ermessen bei der Berechnung der Geldbuße einräume. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bei der Anwendung der Leitlinien von 1998 und der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gerügt. Der dritte Klagegrund ist gegen einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen und eine fehlende Zuständigkeit der Kommission zum Erlass der Leitlinien von 1998 gerichtet. Mit dem vierten Klagegrund wird die Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verletzung der Grundsätze nemo tenetur se ipsum accusare, nemo tenetur se ipsum prodere (im Folgenden: Grundsatz nemo tenetur) und in dubio pro reo sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beanstandet. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und gegen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren gerügt. Der sechste Klagegrund richtet sich gegen den Enteignungscharakter der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen. Der siebte und der achte Klagegrund werden aus einem Verstoß gegen die Leitlinien von 1998 bei der Festlegung des Ausgangsbetrags der Geldbußen und bei der Würdigung der mildernden Umstände hergeleitet. Mit dem neunten Klagegrund wird in Bezug auf die Bestimmung der Geldbußen für die Zuwiderhandlungen in Belgien, Deutschland und Luxemburg ein Verstoß gegen die Leitlinien von 1998 und gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gerügt. Mit dem zehnten Klagegrund wird die Unverhältnismäßigkeit der Geldbußen gerügt. Mit dem elften Klagegrund wird beanstandet, dass die angefochtene Entscheidung Schindler Holding nicht wirksam zugestellt worden sei. Mit dem zwölften Klagegrund wird die Verantwortlichkeit von Schindler Holding bestritten. Der 13. Klagegrund schließlich wird aus einem Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 hergeleitet. 46      Die von den Klägerinnen erhobene Klage hat zweierlei zum Gegenstand, einen Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und einen hilfsweise gestellten Antrag auf Herabsetzung der Geldbußen; in den verschiedenen Rügen, die die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen geltend gemacht haben, ist das mit ihnen jeweils verfolgte Begehren jedoch nicht klar herausgearbeitet worden. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen auf eine Frage des Gerichts im Wesentlichen angegeben, dass die ersten zehn Klagegründe und der 13. Klagegrund auf die Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung abzielten, dass der erste Klagegrund der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung insgesamt gelte, soweit diese sich gegen Schindler Holding richte, und dass mit dem zwölften Klagegrund die Nichtigerklärung der Art. 1, 2 und 3 der angefochtenen Entscheidung, soweit diese sich gegen Schindler Holding richte, verfolgt werde. 47      Demnach betreffen mehrere Rügen der Klägerinnen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung insgesamt und sind daher an erster Stelle zu prüfen. Dies gilt für die Rüge der Klägerinnen im Rahmen ihres fünften Klagegrundes, mit dem im Kern eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gerügt wird. Zu den die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung insgesamt betreffenden Rügen gehören auch diejenigen, die im Rahmen des elften und des zwölften Klagegrundes vorgebracht werden und auf die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung mangels wirksamer Zustellung, soweit sie sich gegen Schindler Holding richtet, bzw. die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit diese Schindler Holding gesamtschuldnerisch in Haftung genommen hat, abstellen. 48      Die Rügen betreffend die Rechtmäßigkeit von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung, die im Rahmen der übrigen Klagegründe vorgebracht werden, werden an zweiter Stelle geprüft. Insoweit hält es das Gericht für zweckmäßig, die Rügen der Klägerinnen wie folgt zu prüfen. Zuerst werden der erste, der zweite, der dritte und der vierte Klagegrund geprüft, in deren Rahmen die Klägerinnen mehrere Rechtswidrigkeitseinwände gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, gegen die Leitlinien von 1998 und gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 vorbringen. Sodann wird das Gericht den sechsten Klagegrund prüfen, wonach die angefochtene Entscheidung Enteignungscharakter habe. Schließlich wird das Gericht den siebten, den achten, den neunten, den zehnten und den 13. Klagegrund prüfen, mit denen die Klägerinnen mehrere Rügen gegen die Festsetzung ihrer Geldbußen vorgebracht haben. 2.     Zum Antrag, die angefochtene Entscheidung insgesamt für nichtig zu erklären Zum Klagegrund der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK 49      Die Klägerinnen machen geltend, dass das Verfahren vor der Kommission, da die Verstöße gegen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EG‑Vertrags dem Strafrecht zuzuordnen seien, den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK genügen müsse. Verwaltungsbehörden könnten strafrechtliche Sanktionen nur verhängen, wenn eine gerichtliche Kontrolle möglich sei, was vorliegend nicht der Fall sei. Eine Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Union sei ein reines Verwaltungskassationsverfahren, das sich auf die Überprüfung der vom Kläger konkret geltend gemachten Klagegründe beschränke und nicht den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) insbesondere in der Rechtssache Öztürk/Deutschland vom 21. Februar 1984 (Serie A Nr. 73) aufgestellten Anforderungen entspreche. Das Verfahren vor der Kommission könne außerdem nicht als Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht eingestuft werden; denn die Beweisführung durch die Kommission im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, die darin bestehe, sich auf Sachverhaltsschilderungen zu stützen, die im Rahmen einer „Selbstbelastung“ erlangt worden seien, verstoße gegen die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, zumal die Unternehmen keine Möglichkeit hätten, die Stichhaltigkeit der Vorwürfe beispielsweise durch Fragen an die Belastungszeugen zu überprüfen. 50      Art. 6 Abs. 1 EMRK bestimmt: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf … eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird …“ 51      Der Gerichtshof hat als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts anerkannt, dass jedermann Anspruch auf ein faires Verfahren hat (Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Salzgitter Mannesmann/Kommission, C‑411/04 P, Slg. 2007, I‑959, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieser Grundsatz, der im Übrigen in Art. 47 der am 17. Dezember 2000 in Nizza verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) (im Folgenden: Charta) erneut bekräftigt worden ist, fußt auf den Grundrechten, die integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts sind, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere der EGMR liefert (Urteil Salzgitter Mannesmann/Kommission, Randnr. 41). 52      Als Erstes ist in Bezug auf das Vorbringen, dass das Verfahren vor der Kommission nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK genüge, darauf hinzuweisen, dass es nach der Rechtsprechung des EGMR für die Anwendung von Art. 6 EMRK ausreicht, wenn die fragliche Zuwiderhandlung ihrer Art nach strafrechtlich ist oder den Betroffenen einer Maßregel ausgesetzt hat, die nach ihrer Art und ihrem Schweregrad im Allgemeinen dem Strafrecht zuzuordnen ist (vgl. Urteil des EGMR vom 23. November 2006, Jussila/Finnland, Recueil des arrêts et décisions 2006, XIII, § 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit haben, wie sich aus der Rechtsprechung des EGMR ergibt, dessen Organe, indem sie eine eigenständige Auslegung des Begriffs der „strafrechtlichen Anklage“ geschaffen haben, den Boden für eine schrittweise Ausdehnung der Anwendung des strafrechtlichen Aspekts von Art. 6 auf Bereiche bereitet, die formal nicht zu den herkömmlichen Kategorien des Strafrechts gehören, wie etwa die finanziellen Sanktionen, die wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt werden. In Bezug auf die Kategorien, die nicht zum harten Kern des Strafrechts gehören, hat der EGMR allerdings klargestellt, dass die Garantien, die der strafrechtliche Aspekt von Art. 6 vermittelt, nicht notwendigerweise in ihrer ganzen Strenge anzuwenden sind (vgl. in diesem Sinne das Urteil des EGMR Jussila/Finnland, § 43 und die dort angeführte Rechtsprechung). 53      Außerdem haben nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte, wie Art. 23 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1/2003 ausdrücklich bekräftigt, die Entscheidungen der Kommission, mit denen Geldbußen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht verhängt werden, keinen strafrechtlichen Charakter (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission, T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 235, vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 717, und vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 390). 54      Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ist davon auszugehen, dass ein Verfahren, in dessen Rahmen die Kommission eine Entscheidung erlässt, mit der ein Verstoß festgestellt und Geldbußen verhängt werden und die später den Gerichten der Union zur Überprüfung vorgelegt werden kann, den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK entspricht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, van Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr. 81, und vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 7). Die Kommission ist allerdings gehalten, die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts im Lauf des Verwaltungsverfahrens zu beachten (Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Randnr. 39, Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 718, und HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 391). 55      Die von den Gerichten der Union ausgeübte Kontrolle über die Entscheidungen der Kommission gewährleistet im Übrigen, dass den Anforderungen an ein faires Verfahren, wie sie in Art. 6 Abs. 1 EMRK verankert sind, Genüge getan wird (siehe oben, Randnr. 50). 56      Insoweit ist es dem EGMR zufolge erforderlich, dass das betreffende Unternehmen gegen jede derartige ihm gegenüber ergangene Entscheidung ein Organ der Rechtsprechung mit vollumfänglicher Prüfungsbefugnis anrufen kann, das insbesondere die Befugnis hat, in allen Punkten, sowohl auf tatsächlicher wie auf rechtlicher Ebene, die ergangene Entscheidung abzuändern (vgl. entsprechend Urteil des EGMR vom 23. Juli 2002, Janosevic/Schweden, Recueil des arrêts et décisions, 2002, VII, § 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). Überprüft das Gericht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen Art. 81 EG festgestellt wird, kann es von den Klägern dazu aufgerufen werden, eine erschöpfende Prüfung sowohl der materiellen Feststellung des Sachverhalts als auch dessen rechtlicher Beurteilung durch die Kommission anzustellen. Außerdem verfügt es hinsichtlich der Geldbußen gemäß Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 über die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung (vgl. in diesem Sinne Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 719). 57      Als Zweites ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass die betroffenen Unternehmen nicht die Möglichkeit gehabt hätten, die Stichhaltigkeit der von der Kommission formulierten Rügen beispielsweise durch Befragung etwaiger Belastungszeugen zu überprüfen. Denn nach der Rechtsprechung verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts der Kommission, sich gegenüber einem Unternehmen auf die Aussagen anderer Unternehmen zu berufen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die gegen die Art. 81 EG und 82 EG verstoßen, nicht tragbar und mit der durch den EG-Vertrag der Kommission übertragenen Aufgabe der Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung dieser Bestimmungen unvereinbar. Jedoch kann die Erklärung eines der Teilnahme an einem Kartell beschuldigten Unternehmens, deren Richtigkeit von mehreren anderen beschuldigten Unternehmen in Abrede gestellt wird, nicht ohne Untermauerung durch andere Beweismittel als hinreichender Beleg für die betreffenden Umstände angesehen werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnr. 285 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem ist jedenfalls festzustellen, dass die Klägerinnen im vorliegenden Fall ausdrücklich den Sachverhalt, wie er in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegt worden ist, anerkannt haben. 58      Als Drittes deckt sich überdies in Bezug auf die Beweisführung durch die Kommission im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 die Rüge der Klägerinnen mit ihrer Rüge, die aus der Rechtswidrigkeit der genannten Mitteilung wegen Verstoßes gegen die Grundsätze nemo tenetur und in dubio pro reo hergeleitet wird, die aus den in den nachstehenden Randnrn. 146 bis 164 dargelegten Gründen zurückzuweisen ist. 59      Folglich ist der Klagegrund einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK zurückzuweisen. Zum Klagegrund, dass die angefochtene Entscheidung, soweit sie an Schindler Holding gerichtet sei, mangels wirksamer Bekanntgabe rechtswidrig sei 60      Die Klägerinnen räumen ein, dass Schindler Holding, die ihren Sitz in der Schweiz habe, die angefochtene Entscheidung erhalten habe. Diese sei jedoch nicht gemäß Art. 254 Abs. 3 EG bekannt gegeben worden. Die Vorgehensweise der Kommission verstoße gegen schweizerisches Strafrecht und sei völkerrechtswidrig. Für eine Bekanntgabe in der Schweiz wäre nämlich eine völkerrechtliche Vereinbarung mit der Schweiz erforderlich, die nicht existiere, so dass die angefochtene Entscheidung, soweit sie an Schindler Holding gerichtet sei, wegen fehlender Bekanntgabe unwirksam und somit rechtlich inexistent sei. 61      Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung einer Entscheidung die Entscheidung selbst nicht berühren und daher auch deren Rechtmäßigkeit nicht zu beeinträchtigen vermögen (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnr. 39). Solche Unregelmäßigkeiten können lediglich unter bestimmten Umständen verhindern, dass die in Art. 230 Abs. 5 EG genannte Klagefrist zu laufen beginnt. Im vorliegenden Fall hatte Schindler Holding unbestreitbar Kenntnis vom Inhalt der angefochtenen Entscheidung und hat von ihrem Recht auf Klageerhebung innerhalb der in Art. 230 Abs. 5 EG genannten Frist Gebrauch gemacht. 62      Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen. Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die gesamtschuldnerische Haftung von Schindler Holding anordnet 63      Mit diesem Klagegrund wenden sich die Klägerinnen gegen die gesamtschuldnerische Haftung von Schindler Holding, der Muttergesellschaft der Schindler‑Gruppe, wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens ihrer Tochtergesellschaften in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden. 64      Was die gesamtschuldnerische Haftung einer Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft angeht, ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Tochtergesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, noch nicht ausschließt, dass ihr Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann (Urteil ICI/Kommission, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 132). 65      Das Wettbewerbsrecht der Union betrifft nämlich die Tätigkeit von Unternehmen, und der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 66      Der Unionsrichter hat weiter klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich von mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11, und Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. außerdem in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2000, DSG/Kommission, T‑234/95, Slg. 2000, II‑2603, Randnr. 124). So hat er betont, dass es bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht auf die sich aus der Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit ergebende formale Trennung zwischen zwei Gesellschaften ankommt, sondern vielmehr darauf, ob sich die beiden Gesellschaften auf dem Markt einheitlich verhalten. Es kann also notwendig sein, zu ermitteln, ob zwei Gesellschaften mit je eigener Rechtspersönlichkeit ein und dasselbe Unternehmen oder ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit mit einheitlichem Marktverhalten bilden oder hierzu gehören (Urteil ICI/Kommission, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 140, und Urteil des Gerichts vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T‑325/01, Slg. 2005, II‑3319, Randnr. 85). 67      Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). 68      Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Union muss eindeutig einer juristischen Person zugerechnet werden, gegen die Geldbußen festgesetzt werden können, und die Mitteilung der Beschwerdepunkte muss an diese gerichtet werden. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte muss auch angegeben werden, in welcher Eigenschaft einer juristischen Person die behaupteten Tatsachen zur Last gelegt werden (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). 69      Nach ständiger Rechtsprechung kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden, im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). 70      In einem solchen Fall sind nämlich die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein einziges Unternehmen im Sinne der oben in den Randnrn. 65 und 66 angeführten Rechtsprechung. Die Tatsache, dass eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, ermöglicht somit der Kommission, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 59). 71      In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung). 72      Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission für die Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausübt, nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). 73      Außerdem hat der Gerichtshof zwar in den Randnrn. 28 und 29 seines Urteils vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925), neben der 100%igen Kapitalbeteiligung an der Tochtergesellschaft weitere Umstände, wie das Nichtbestreiten des von der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung der beiden Gesellschaften im Verwaltungsverfahren, angeführt, er hat diese Umstände jedoch nur erwähnt, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und nicht, um die Geltung der oben in Randnr. 71 genannten Vermutung von der Beibringung zusätzlicher Indizien für die tatsächliche Einflussnahme durch die Muttergesellschaft abhängig zu machen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 65 angeführt, Randnr. 62). 74      Der vorliegende Klagegrund ist im Licht der vorstehend wiedergegebenen Grundsätze zu untersuchen. 75      Im 627. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass Schindler Holding gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaften Schindler Belgien, Schindler Deutschland, Schindler Luxemburg und Schindler Niederlande haften müsse, weil „[sie] als alleinige Muttergesellschaft in der Lage [war], entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik jeder dieser Tochtergesellschaften während der Zeit der Zuwiderhandlung auszuüben, und man … davon ausgehen [kann], dass [sie] diese Befugnis wahr[genommen hat].“ 76      In den Erwägungsgründen 628 und 629 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Ansicht vertreten, dass das Vorbringen von Schindler Holding, die genannten Tochtergesellschaften hätten ihre Geschäfte im Markt als autonome juristische Personen betrieben, die ihre Geschäftspolitik im Wesentlichen eigenständig bestimmten, und Schindler Holding habe auf das Tagesgeschäft der genannten Tochtergesellschaften keinen Einfluss gehabt, „nicht ausreichend [sei], um die Annahme zu widerlegen, dass die Tochtergesellschaften von [Schindler Holding] nicht eigenständig ihr Marktverhalten bestimmten“. 77      Im 630. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass „[Schindler Holding] … während des Verwaltungsverfahrens Beweismittel dahin gehend [hätte] vorlegen können, dass sie keinen entscheidenden Einfluss auf ihre Tochtergesellschaften ausübte …“. Nach Ansicht der Kommission „haben [ihr] Schindler Holding und ihre Tochtergesellschaften … jedoch … keine Beweismittel vorgelegt, die ihre konzerninternen Beziehungen, Führungsstruktur und Weisungshierarchie offenlegten, um [die] Annahme zu widerlegen …, dass Schindler Holding als Alleineigentümer ihrer Tochtergesellschaften, die Adressaten [der angefochtenen] Entscheidung sind, ihre Kontrollbefugnisse ausübte und alle sonstigen Mittel einsetzte, um entscheidenden Einfluss entsprechend ihren Befugnissen auszuüben.“ 78      Im 631. Erwägungsgrund hat die Kommission ausgeführt, dass „[a]llein das Bestehen eines Befolgungsprogramms … keine Schlussfolgerung erlaubt, ob Schindler Holding Anweisungen betreffend die Zuwiderhandlung erteilte“. Folglich „besteht [die Annahme] fort, dass die vollständige Tochtergesellschaft von Schindler Holding ihre Geschäftspolitik im Markt nicht eigenständig bestimmte.“ 79      Nach alledem gelangte die Kommission im 632. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass „Schindler Holding und ihre vollständigen Tochtergesellschaften die Annahme ihrer Haftbarkeit für die in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden begangenen Zuwiderhandlungen nicht widerlegt haben. Deshalb ist Schindler Holding mit ihren Tochtergesellschaften für die von [der angefochtenen] Entscheidung erfassten Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG gesamtschuldnerisch haftbar zu machen.“ 80      Als Erstes steht fest, dass Schindler Holding während des Zeitraums der Zuwiderhandlung unmittelbar 100 % des Kapitals von Schindler Belgien, Schindler Deutschland und Schindler Niederlande und mittelbar über Schindler Belgien 100 % des Kapitals von Schindler Luxemburg hielt. Es besteht somit eine Vermutung, dass Schindler Holding auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften einen bestimmenden Einfluss ausübte (siehe oben, Randnr. 72). 81      Schindler kann nicht damit gehört werden, dass die Kommission hätte beweisen müssen, dass das operative Geschäft der genannten Tochtergesellschaften einschließlich ihres gegen Art. 81 EG verstoßenden Verhaltens wirklich von Schindler Holding beeinflusst wurde und dass die Letztgenannte die Zuwiderhandlung veranlasste oder unterstützte. 82      Dafür, dass die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft deren Muttergesellschaft zugerechnet wird, bedarf es nämlich nicht des Beweises, dass die Muttergesellschaft Einfluss auf die Politik ihrer Tochtergesellschaft in dem spezifischen Bereich nimmt, in dem es zu der Zuwiderhandlung gekommen ist. Dagegen können die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft einen Einfluss der Erstgenannten auf die Strategie der Zweitgenannten begründen und es somit rechtfertigen, sie als wirtschaftliche Einheit zu begreifen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑112/05, Slg. 2007, II‑5049, Randnr. 83). Wenn die Kommission also nachweist, dass das gesamte Kapital einer Tochtergesellschaft von deren Muttergesellschaft gehalten wird, kann sie die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, außer wenn sie beweist, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (siehe oben, Randnr. 72). Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass nicht ein zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und schon gar nicht eine Beteiligung Ersterer an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass sie ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, der Kommission die Befugnis verleiht, die Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe zu richten (Urteil vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, Randnr. 58). 83      Die Klägerinnen können sich ebenso wenig auf einen Verstoß gegen das Schuldprinzip oder gegen den grundsätzlichen Ausschluss der Haftung des Gesellschafters einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer Aktiengesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und für die Handlungen von deren geschäftsführenden Organen stützen. Hierzu genügt die Feststellung, dass eine derartige Argumentation auf der falschen Prämisse beruht, dass gegenüber der Muttergesellschaft kein Verstoß festgestellt worden wäre, was vorliegend nicht der Fall ist, weil sich aus dem 632. Erwägungsgrund und den Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass Schindler Holding für Zuwiderhandlungen selbst verurteilt worden ist, für die davon ausgegangen wird, dass sie sie aufgrund der engen wirtschaftlichen und rechtlichen Bande, die sie mit ihren Tochtergesellschaften verbinden, selbst begangen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, Slg. 2000, I‑10065, Randnrn. 28 und 34, und Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Randnr. 74). 84      Als Zweites sind die von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente zu prüfen, mit denen die vorstehend in Randnr. 71 dargelegte Vermutung widerlegt werden soll, dass die Tochtergesellschaften von Schindler Holding ihre Geschäftspolitik eigenständig bestimmt hätten. 85      Erstens liegt in dem Vorbringen der Klägerinnen, dass Schindler Holding ihren Tochtergesellschaften keine Weisungen, die im vorliegenden Fall gegen Art. 81 EG verstoßende Kontakte gestattet oder hierzu ermutigt hätten, erteilt und dass sie von derartigen Kontakten keine Kenntnis gehabt habe, selbst dann, wenn man dies als erwiesen unterstellt, kein Beweis für die Eigenständigkeit der Tochtergesellschaften. Wie vorstehend in Randnr. 82 ausgeführt, bedarf es dafür, dass die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft deren Muttergesellschaft zugerechnet wird, nämlich nicht der Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Politik ihrer Tochtergesellschaft in dem spezifischen Bereich, in dem es zu der Zuwiderhandlung gekommen ist. 86      Zweitens ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, wonach die Tochtergesellschaften von Schindler Holding in ihren jeweiligen Ländern immer eigenständig operiert hätten, ohne dass Schindler Holding ihr Tagesgeschäft, ihre „Auftragsakquisition“, ihre Vertragsabschlüsse oder ihrer Preispolitik beeinflusst hätte, da Schindler Holding nur über die Abschlüsse informiert worden sei, die zu Verlusten hätten führen können. Denn zum einen haben die betreffenden Klägerinnen keine Beweise zur Stützung dieser Behauptungen vorgelegt, und zum anderen genügten jedenfalls derartige Behauptungen, selbst wenn sie bewiesen wären, nicht, um die vorstehend in Randnr. 71 dargelegte Vermutung zu widerlegen, weil nach der Rechtsprechung auch noch andere als die von den Klägerinnen angeführten Aspekte unter den Begriff der Geschäftspolitik einer Tochtergesellschaft fallen, wenn es um die Anwendung von Art. 81 EG in Bezug auf deren Muttergesellschaft geht. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsrichter im Rahmen der Prüfung, ob mehrere zu einer Gruppe gehörende Gesellschaften eine wirtschaftliche Einheit bilden, insbesondere geprüft hat, ob die Muttergesellschaft die Preispolitik, die Herstellungs- und Vertriebsaktivitäten, die Verkaufsziele, die Bruttomargen, die Verkaufskosten, den Cashflow, die Lagerbestände und das Marketing beeinflussen konnte. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass nur diese Aspekte unter den Begriff der Geschäftspolitik einer Tochtergesellschaft fielen, wenn es um die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG in Bezug auf deren Muttergesellschaft geht (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Randnr. 82 angeführt, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). 87      Drittens vermag auch die Tatsache, dass die Tochtergesellschaften von Schindler Holding in den vier von der Zuwiderhandlung betroffenen Ländern an verschiedenen Verstößen unterschiedlichen Charakters beteiligt waren, was gegen das Vorhandensein einer tatsächlichen Einflussnahme von Schindler Holding auf die operationellen Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften sprechen soll, die Haftungsvermutung nicht zu widerlegen. Es ergibt sich nämlich aus den Erwägungsgründen 627 bis 632 der angefochtenen Entscheidung, dass sich die Kommission, als sie Schindler Holding die Verantwortlichkeit für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften zurechnete, nicht auf einen etwaigen Parallelismus zwischen den in den vier betroffenen Ländern festgestellten Zuwiderhandlungen gestützt hat. Außerdem ist die Behauptung der Klägerinnen, die Zuwiderhandlungen hätten einen unterschiedlichen Charakter, deswegen unzutreffend, weil die Tochtergesellschaften von Schindler Holding in den vier betroffenen Ländern während Zeiträumen, die sich in einem weiten Maß überschneiden (vom 9. Mai 1996 bis 29. Januar 2004 in Belgien, vom 1. August 1995 bis 6. Dezember 2000 in Deutschland, vom 7. Dezember 1995 bis 9. März 2004 in Luxemburg und vom 1. Juni 1999 bis 5. März 2004 in den Niederlanden), an Zuwiderhandlungen beteiligt waren, die ein ähnliches Ziel verfolgten, wobei dieses „aus geheimen Absprachen zwischen Kartellmitgliedern zu dem Zweck [bestand], durch die Zuweisung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder die Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen (außer in Deutschland, wo das Wartungs- und Modernisierungsgeschäft nicht Gegenstand der Absprachen zwischen den Kartellteilnehmern war)“ (658. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 88      Viertens ändert die Tatsache, dass Schindler Holding womöglich alles in ihrer Macht Stehende unternommen hat, um insbesondere durch den Erlass eines Code of Conduct, mit dem Verstöße der Tochtergesellschaften gegen das Wettbewerbsrecht verhindert werden sollten, und durch den Erlass entsprechender Leitlinien zu verhindern, dass ihre Tochtergesellschaften gegen Art. 81 EG verstoßen, zum einen nichts am realen Vorliegen der für sie festgestellten Zuwiderhandlung (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 373) und ermöglicht zum anderen nicht den Nachweis, dass die genannten Tochtergesellschaften ihre Geschäftspolitik eigenständig bestimmten. Dass bei den Tochtergesellschaften von Schindler Holding der genannte Code of Conduct angewandt wurde, legt im Gegenteil eine tatsächliche Kontrolle der Geschäftspolitik der Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaft nahe, zumal die Klägerinnen selbst bekräftigt haben, dass die Beachtung des Code of Conduct durch regelmäßige Überprüfungen und andere Maßnahmen eines Angestellten von Schindler Holding kontrolliert wurde, der mit der Konformitätserzielung betraut war (Compliance Officer). 89      Was fünftens die konzerninternen Beziehungen, die Verwaltungsstruktur und die Leitlinien für die bei Schindler Holding zu erstattenden Berichte betrifft, hat die Kommission im 630. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass Schindler Holding und ihre Tochtergesellschaften ihr keine Informationen vorgelegt hätten, die ihre konzerninternen Beziehungen offengelegt hätten. Aus der Akte ergibt sich zwar, dass die Klägerinnen im Lauf des Verwaltungsverfahrens tatsächlich der Kommission bestimmte Informationen über die konzerninternen Beziehungen, über die Verwaltungsstruktur und über die Leitlinien über die zu erstattenden Berichte (reporting lines) geliefert haben. 90      Jedoch gestatten diese Informationen nicht den Schluss auf die Eigenständigkeit der Tochtergesellschaften von Schindler. Denn die vorgelegten Informationen, denen überdies keine Beweismittel beigefügt sind, bleiben lückenhaft, da sie im Wesentlichen die Verantwortlichkeiten und die Pflichten zur Berichterstattung (reporting obligations) einiger leitender Angestellter von Schindler Luxemburg und Schindler Belgien sowie die Verantwortlichkeiten eines Angestellten von Schindler Deutschland betreffen, ohne dass die konzerninternen Beziehungen zwischen Schindler Holding und ihren in den betreffenden Ländern tätigen Tochtergesellschaften oder auch die Einflussnahme von Schindler Holding auf die Letztgenannten weiter offengelegt würden. 91      Im Hinblick auf die vorstehend in Randnr. 72 dargelegte Haftungsvermutung und auf die Tatsache, dass diese Vermutung, wie sich aus den vorstehenden Randnrn. 84 bis 90 ergibt, von den Klägerinnen nicht widerlegt wurde, hat die Kommission zu Recht die von den Tochtergesellschaften von Schindler Holding begangenen Zuwiderhandlungen der Schindler Holding zugerechnet. 92      Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen. 3.     Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung Zur Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen 93      Die Klägerinnen tragen vor, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen einen fast unbegrenzten Ermessensspielraum einräume, was dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen widerspreche, der in Art. 7 Abs. 1 EMRK definiert werde und sich außerdem aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergebe, die den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde lägen. 94      Art. 7 Abs. 1 EMRK lautet: „Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“ 95      Nach der Rechtsprechung ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ein Korrelat des Grundsatzes der Rechtssicherheit, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts handelt und der insbesondere verlangt, dass jede Unionsregelung, insbesondere wenn sie die Verhängung von Sanktionen vorschreibt oder gestattet, klar und bestimmt ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können (vgl. Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Randnr. 66, und vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Randnr. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). 96      Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten zugrunde liegen, ist auch in verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen und vor allem in Art. 7 EMRK verankert worden. Dieser Grundsatz verlangt, dass das Gesetz die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen klar definiert. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen. Außerdem ist nach der Rechtsprechung des EGMR die Klarheit des Gesetzes nicht nur anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung zu beurteilen, sondern auch anhand der Präzisierungen durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 22. Mai 2008, Evonik Degussa/Kommission und Rat, C‑266/06 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 38 bis 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 97      Dieser Grundsatz ist sowohl bei Normen mit strafrechtlichem Charakter als auch bei spezifischen verwaltungsrechtlichen Regelungen zu beachten, die die Verhängung von Sanktionen durch die Verwaltung vorschreiben oder gestatten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. November 1987, Maizena u. a., 137/85, Slg. 1987, 4587, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er gilt nicht nur für Normen, die die Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung festlegen, sondern auch für solche, die die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen Erstere regeln (vgl. Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 67, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). 98      Im Übrigen gehören die Grundrechte nach ständiger Rechtsprechung zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung der Unionsrichter zu sichern hat (Gutachten 2/94 des Gerichtshofs vom 28. März 1996, Slg. 1996, I‑1759, Randnr. 33, und Urteil des Gerichtshofs vom 29. Mai 1997, Kremzow, C‑299/95, Slg. 1997, I‑2629, Randnr. 14). Dabei lassen sich der Gerichtshof und das Gericht von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Hierbei kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Randnr. 23, und Kremzow, Randnr. 14). Im Übrigen bestimmt Art. 6 Abs. 2 EU: „Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der [EMRK] gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des [Unions]rechts ergeben.“ 99      Zudem verlangt Art. 7 Abs. 1 EMRK, worauf das Gericht bereits hingewiesen hat (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 71), nicht, dass die Vorschriften, aufgrund deren diese Sanktionen verhängt werden, so genau formuliert sind, dass die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen sie mit absoluter Gewissheit vorhersehbar sind. Nach der Rechtsprechung des EGMR verletzt nämlich die Tatsache, dass ein Gesetz ein Ermessen verleiht, als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang und die Modalitäten der Ausübung eines solchen Ermessens im Hinblick auf das in Rede stehende legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um dem Einzelnen angemessenen Schutz vor Willkür zu gewähren (vgl. Urteil des EGMR vom 25. Februar 1992, Margareta und Roger Andersson/Schweden, Serie A, Nr. 226, § 75). Dabei berücksichtigt der EGMR neben dem Wortlaut des Gesetzes die Frage, ob die verwendeten unbestimmten Begriffe durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung präzisiert wurden (vgl. Urteil des EGMR vom 27. September 1995, G./Frankreich, Serie A, Nr. 325‑B, § 25). 100    Die Berücksichtigung der gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten führt nicht dazu, dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, den der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit darstellt, eine andere Auslegung zu geben, als sie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 73). Das Vorbringen der Klägerinnen, wonach es auf nationaler Ebene keine vergleichbare Befugnis für eine Behörde gebe, die zu einer „fast unbegrenzten“ Verhängung von Geldbußen ermächtige, ist somit zurückzuweisen. 101    Im vorliegenden Fall ist zur Rechtmäßigkeit von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen als Erstes festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der Kommission keinen übermäßigen oder willkürlichen Ermessensspielraum bei der Festlegung der Geldbußen wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsvorschriften eingeräumt hat (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 74). 102    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Kommission zwar ein weites Ermessen belässt, dessen Ausübung jedoch durch die Einführung objektiver Kriterien beschränkt, an die sich die Kommission halten muss. Dabei ist zum einen zu beachten, dass die mögliche Geldbuße eine bezifferbare und absolute Obergrenze hat, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße eines konkreten Unternehmens im Voraus bestimmbar ist. Zum anderen verlangt diese Bestimmung von der Kommission, die Geldbußen in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Schwere und auch der Dauer der Zuwiderhandlung festzusetzen (Urteile Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 50, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 75). 103    Die Klägerinnen können nicht geltend machen, dass das Urteil Degussa/Kommission (oben in Randnr. 95 angeführt, Randnrn. 66 bis 88) oder das Urteil Jungbunzlauer/Kommission (oben in Randnr. 95 angeführt, Randnrn. 69 bis 92), in dem der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen ebenso wie im Urteil Degussa/Kommission (oben in Randnr. 95 angeführt) ausgelegt worden ist, auf einer „unrichtigen Rechtsauffassung“ beruhe. Denn in seinem Urteil Evonik Degussa/Kommission (oben in Randnr. 96 angeführt, Randnrn. 36 bis 63) hat der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren die vom Gericht im Urteil Degussa/Kommission (oben in Randnr. 95 angeführt) vorgenommene Auslegung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen bestätigt. 104    Zwar beziehen sich die in der vorstehenden Randnummer erwähnten Urteile auf Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17, während die mit der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen auf Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 beruhen. Da jedoch die Kriterien und die Obergrenze für die Verhängung der Geldbußen in diesen beiden Bestimmungen identisch sind, lässt sich die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung auf Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 übertragen. 105    Zweitens hat die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens in Bezug auf die nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wie sie von der Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts entwickelt wurden (Urteile Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 51, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 77). 106    Drittens wird die Ermessensausübung durch die Kommission, um die Vorhersehbarkeit und die Transparenz ihres Vorgehens zu gewährleisten, auch durch die Verhaltensnormen eingeschränkt, die sich die Kommission selbst in der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und den Leitlinien von 1998 auferlegt hat. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die genannte Mitteilung und die genannten Leitlinien zum einen Verhaltensnormen aufstellen, von denen die Kommission nicht abweichen kann, ohne dass dies wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes geahndet würde, und zum anderen Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen schaffen, indem sie das Verfahren regeln, das sich die Kommission zur Festsetzung der Höhe der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen auferlegt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 52 und 53, und vom 19. März 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, Slg. 2009, I‑1843, Randnr. 60; Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 78 und 82). Außerdem hat entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der Erlass der Leitlinien von 1998 und sodann, im Jahr 2006, der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. C 210, S. 2), da er sich in den durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und den durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte, nur einen Beitrag zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmung bereits eingeräumten Ermessens geliefert, und es kann daraus nicht gefolgert werden, dass die Grenzen der Zuständigkeit der Kommission auf dem fraglichen Gebiet vom Unionsgesetzgeber ursprünglich unzureichend bestimmt worden wären (vgl. in diesem Sinne Urteil Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 44). 107    Viertens ist hinzuzufügen, dass der Gerichtshof und das Gericht gemäß Art. 229 EG und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 mit einer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über Klagen gegen die Entscheidungen befinden, mit denen die Kommission eine Geldbuße festsetzt, und somit sowohl diese Entscheidungen für nichtig erklären als auch die verhängte Geldbuße aufheben, herabsetzen oder erhöhen können. Die bekannte und zugängliche Verwaltungspraxis der Kommission unterliegt mithin der umfassenden Kontrolle durch den Unionsrichter. Diese Kontrolle hat es durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung ermöglicht, die etwaigen unbestimmten Begriffe in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und später in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu präzisieren (vgl. in diesem Sinne Urteile Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 54, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 79). 108    Anhand der vorstehend angeführten unterschiedlichen Elemente kann somit ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – in hinreichend genauer Weise die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen. Die Tatsache, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer das Niveau der Geldbußen, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, nicht im Voraus genau zu erkennen vermag, kann keine Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen darstellen (Urteile Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 55, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 83). 109    Die Klägerinnen können somit nicht mit Erfolg vortragen, dass der Wortlaut von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 das Maß an Vorhersehbarkeit, das die grundlegenden Prinzipien des Strafrechts und des Rechtsstaats erfordern, nicht gewährleiste. Denn die genannte Bestimmung ermöglicht es, mit hinreichender Präzision die Berechnungsmethode und die Höhe der verhängten Geldbußen vorherzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 58). 110    Als Zweites hat sich entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die Entscheidungspraxis der Kommission auf dem Gebiet der Geldbußen nicht unvorhersehbar und sprunghaft entwickelt. 111    Erstens erfolgte in den Zeiträumen, für die die vier Zuwiderhandlungen in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurden, lediglich eine Umstellung der Bestimmungsmethode für die Geldbußen durch die Veröffentlichung der Leitlinien von 1998, die der Gerichtshof für hinreichend vorhersehbar erachtet hat (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 231). 112    Zweitens kann, was die Erhöhung des Niveaus der Geldbußen infolge des Erlasses der Leitlinien von 1998 angeht, nach ständiger Rechtsprechung die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit anpassen, wenn die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union dies verlangt (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 109, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 237), so dass eine solche Änderung einer Verwaltungspraxis als durch das Ziel, Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union generell zu verhindern, objektiv gerechtfertigt angesehen werden kann. Die von den Klägerinnen behauptete und gerügte Anhebung des Niveaus der Geldbußen in jüngster Zeit kann daher als solche nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen angesehen werden, da sie nicht über den in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte festgelegten gesetzlichen Rahmen hinausgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 81, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 43). 113    Als Drittes ist das Argument unbegründet, dass der Rat mit dem Erlass von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 seine Pflicht, die Grenzen der der Kommission übertragenen Befugnisse deutlich anzugeben, verletzt und de facto eine nach dem EG‑Vertrag ihm zustehende Befugnis unter Verstoß gegen Art. 83 EG auf die Kommission übertragen habe. 114    Zum einen belassen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zwar, wie bereits ausgeführt, der Kommission ein weites Ermessen, doch beschränken sie dessen Ausübung durch die Einführung objektiver Kriterien, an die sich die Kommission halten muss. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 17 und die Verordnung Nr. 1/2003 auf der Grundlage von Art. 83 Abs. 1 EG erlassen wurden, in dem es heißt: „Die zweckdienlichen Verordnungen oder Richtlinien zur Verwirklichung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Grundsätze werden vom Rat … auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments beschlossen.“ Diese Verordnungen oder Richtlinien bezwecken nach Art. 83 Abs. 2 Buchst. a und d EG insbesondere, „die Beachtung der in Artikel 81 Absatz 1 [EG] und Artikel 82 [EG] genannten Verbote durch die Einführung von Geldbußen und Zwangsgeldern zu gewährleisten“ und „die Aufgaben der Kommission und des Gerichtshofs bei der Anwendung der in diesem Absatz vorgesehenen Vorschriften gegeneinander abzugrenzen“. Im Übrigen hat die Kommission nach Art. 211 erster Gedankenstrich EG „für die Anwendung dieses Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen“, wobei sie nach dem dritten Gedankenstrich dieses Artikels „in eigener Zuständigkeit Entscheidungen … treffen“ kann (Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 86, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 48). 115    Folglich kann keine Rede davon sein, dass die Befugnis, bei Verstößen gegen die Art. 81 EG und 82 EG Geldbußen zu verhängen, ursprünglich dem Rat zugestanden hätte, der sie auf die Kommission übertragen oder diese im Sinne von Art. 202 dritter Gedankenstrich EG mit der Durchführung betraut hätte. Nach den vorgenannten Bestimmungen des Vertrags gehört diese Befugnis nämlich zur ureigenen Rolle der Kommission, über die Anwendung des Unionsrechts zu wachen, wobei diese Rolle in Bezug auf die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG durch die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 1/2003 präzisiert, umrahmt und formalisiert wurde. Die der Kommission durch diese Verordnung eingeräumte Befugnis zur Verhängung von Geldbußen ergibt sich somit aus den Bestimmungen des EG-Vertrags selbst und soll die effektive Anwendung der in den genannten Artikeln vorgesehenen Verbote ermöglichen (Urteile Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 87, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 49). 116    Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen zurückzuweisen ist. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 1998 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot 117    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass ein Rechtsakt der Union nicht vor seiner Veröffentlichung zu gelten beginne und dass Art. 49 Abs. 1 Satz 2 der Charta bestimme, dass keine schwerere Strafe verhängt werden dürfe als die Strafe, die zur Zeit der Begehung der Tat angedroht gewesen sei. Vorliegend verstießen die Leitlinien von 1998 gegen das Rückwirkungsverbot, weil sie die Grenzen der Vorhersehbarkeit überschritten. Hierbei betonen die Klägerinnen, dass die Verschärfung der Entscheidungspraxis auf dem Gebiet der Geldbußen auf die Kommission und nicht auf den Gesetzgeber zurückgehe. 118    Nach der Rechtsprechung stellt der in Art. 7 EMRK verankerte Grundsatz des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der bei der Verhängung von Geldbußen wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht zu beachten ist; nach diesem Grundsatz müssen die ausgesprochenen Sanktionen denen entsprechen, die zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung festgelegt waren (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 202; Urteile des Gerichts LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnrn. 218 bis 221, und vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnrn. 39 bis 41). 119    Außerdem ist entschieden worden, dass der Erlass von Leitlinien, die geeignet sind, die allgemeine Wettbewerbspolitik der Kommission auf dem Gebiet von Geldbußen zu ändern, grundsätzlich in den Geltungsbereich des Rückwirkungsverbots fallen kann (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 222). 120    Zum einen können nämlich die Leitlinien von 1998 Rechtswirkungen entfalten. Diese Rechtswirkungen ergeben sich nicht daraus, dass die Leitlinien selbst Normcharakter hätten, sondern daraus, dass sie von der Kommission erlassen und veröffentlicht worden sind. Der Erlass und die Veröffentlichung der Leitlinien bewirken eine Selbstbeschränkung der Kommission in der Ausübung ihres Ermessens; sie kann von den Leitlinien nicht mehr abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls als Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit geahndet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnrn. 209 bis 212). 121    Zum anderen steht Art. 7 Abs. 1 EMRK nach der zu ihm ergangenen Rechtsprechung des EGMR einer rückwirkenden Anwendung einer neuen Auslegung einer eine Zuwiderhandlung begründenden Norm zulasten des Angeklagten entgegen (vgl. in diesem Sinne EGMR, Urteile vom 22. November 1995, S. W./Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 335-B, §§ 34 bis 36, vom 22. November 1995, C. R./Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 335-C, §§ 32 bis 34, vom 15. November 1996, Cantoni/Frankreich, Recueil des arrêts et décisions, 1996‑V, §§ 29 bis 32, und vom 22. Juni 2000, Coëme u. a./Belgien, Recueil des arrêts et décisions, 2000‑VII, § 145). Nach dieser Rechtsprechung ist dies u. a. dann der Fall, wenn es sich um eine richterliche Auslegung handelt, deren Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung insbesondere unter Berücksichtigung der Auslegung, die zu dieser Zeit in der Rechtsprechung zu der fraglichen Rechtsvorschrift vertreten wurde, nicht hinreichend vorhersehbar war. Allerdings ist klarzustellen, dass nach derselben Rechtsprechung die Reichweite des Begriffs der Vorhersehbarkeit in weitem Umfang vom Inhalt der fraglichen Vorschrift, dem von ihr erfassten Bereich sowie der Anzahl und der Eigenschaft ihres Adressatenkreises abhängt. So ist es mit der Vorhersehbarkeit eines Gesetzes nicht unvereinbar, dass sich die betroffene Person, um unter den obwaltenden Umständen angemessen abschätzen zu können, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können, dazu veranlasst sieht, fachkundigen Rat einzuholen. Besonders gilt dies nach dem Urteil Cantoni/Frankreich (§ 35) für solche Berufstätige, die es gewohnt sind, bei der Ausübung ihres Berufs besondere Vorsicht an den Tag zu legen. Man kann daher von ihnen erwarten, dass sie bei der Abschätzung der Risiken, die der Beruf mit sich bringt, besondere Sorgfalt walten lassen. 122    Nach alledem ist für die Prüfung, ob das Rückwirkungsverbot beachtet wurde, zu untersuchen, ob die fragliche Änderung, die im Erlass der Leitlinien von 1998 liegt, zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung hinreichend vorhersehbar war (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 224). 123    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich die angebliche Anhebung des Geldbußenniveaus aufgrund der Leitlinien von 1998 in dem von Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegten gesetzlichen Rahmen bewegt, da die Leitlinien unter Nr. 5 Buchst. a ausdrücklich vorsehen, dass die verhängten Geldbußen in keinem Fall die in den genannten Bestimmungen vorgesehene Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes übersteigen dürfen. 124    Sodann ist festzustellen, dass die hauptsächliche Neuerung der Leitlinien von 1998 darin besteht, dass als Ausgangspunkt der Berechnung ein Grundbetrag herangezogen wird, der innerhalb von hierfür in den Leitlinien vorgesehenen Spannen festgelegt wird, wobei diese Spannen verschiedenen Schweregraden der Zuwiderhandlungen entsprechen, als solche aber keinen Bezug zum relevanten Umsatz aufweisen. Diese Methode beruht somit im Wesentlichen auf einer – wenn auch relativen und flexiblen – Tarifierung der Geldbußen (Urteile Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 225, und Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 61). 125    Schließlich ist zu beachten, dass der Umstand, dass die Kommission in der Vergangenheit Geldbußen eines bestimmten Niveaus auf bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen angewandt hat, ihr nicht die Möglichkeit zu nehmen vermag, dieses Niveau im Rahmen der in den Verordnungen Nrn. 17 und 1/2003 gesetzten Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen, sondern dass im Gegenteil die wirksame Anwendung der Wettbewerbsbestimmungen der Union von der Kommission verlangt, das Geldbußenniveau nach den Erfordernissen dieser Politik jederzeit anpassen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 109, vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C‑196/99 P, Slg. 2003, I‑11005, Randnr. 81, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 227; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992, Solvay/Kommission, T‑12/89, Slg. 1992, II‑907, Randnr. 309, und vom 14. Mai 1998, Europa Carton/Kommission, T‑304/94, Slg. 1998, II‑869, Randnr. 89). 126    Daraus folgt, dass die von einem Verwaltungsverfahren, das zur Verhängung einer Geldbuße führen kann, betroffenen Unternehmen nicht darauf vertrauen können, dass die Kommission nicht die Höhe der früher angewandten Geldbußen überschreitet oder sie nach einer bestimmten Methode berechnet (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 228). 127    Folglich müssen diese Unternehmen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die Kommission jederzeit das Geldbußenniveau gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten anzuheben beschließt. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Kommission bei der Verhängung von Geldbußen in Einzelfallentscheidungen eine Erhöhung des Geldbußenniveaus vornimmt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass auf konkrete Fälle Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung, wie etwa die Leitlinien von 1998, angewandt werden (Urteile Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnrn. 229 und 230, und Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 59). 128    Folglich sind die Klägerinnen zu Unrecht der Ansicht, dass die Leitlinien von 1998 gegen das Rückwirkungsverbot verstießen, weil sie zur Verhängung höherer Geldbußen als derjenigen geführt hätten, die in der Vergangenheit angewandt worden seien, oder dass im vorliegenden Fall die Grenzen der Vorhersehbarkeit überschritten worden seien. Die Leitlinien und insbesondere die in ihnen enthaltene neue Berechnungsmethode der Geldbußen waren nämlich, falls sich diese Methode auf die Höhe der verhängten Geldbußen verschärfend ausgewirkt haben sollte, für Unternehmen wie die Klägerinnen zur Zeit der Begehung der fraglichen Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 231). Aus denselben Gründen musste die Kommission in den Leitlinien von 1998 nicht näher darlegen, dass die Anhebung des Geldbußenniveaus erforderlich war, um die Durchführung der Gemeinschaftswettbewerbspolitik sicherzustellen. 129    Zu dem Vorbringen, dass die Verschärfung der Entscheidungspraxis auf dem Gebiet der Geldbußen auf die Kommission und nicht auf den Gesetzgeber zurückgehe, ist zu sagen, dass es sich mit dem im Rahmen des Rechtswidrigkeitseinwands wegen fehlender Zuständigkeit der Kommission geltend gemachten Vortrag überschneidet und im Folgenden in den Randnrn. 131 bis 137 geprüft wird. 130    Nach alledem ist mithin auch die vorliegende Einrede der Rechtswidrigkeit zurückzuweisen. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 1998 wegen fehlender Zuständigkeit der Kommission und, hilfsweise, mangelnder Transparenz und Vorhersehbarkeit der Leitlinien 131    Die Klägerinnen betonen, das weite Ermessen, das der Kommission durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumt werde, bedürfe einer abstrakten und generellen Konkretisierung, also eines materiellen Rechtssatzes. Im Gegensatz zum Rat sei die Kommission zum Erlass eines derartigen Rechtssatzes aber nicht befugt. Selbst wenn die Konkretisierung des Bußgeldrahmens durch die Kommission rechtmäßig wäre, wären außerdem die Leitlinien von 1998 jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie nicht das Mindestmaß an Transparenz und Vorhersehbarkeit gewährleisten könnten, das bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße erforderlich sei. 132    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen nicht klargestellt haben, gegen welche Vorschrift die Kommission mit dem Erlass der Leitlinien von 1998 verstoßen haben soll. Auf eine dahin gehende Frage in der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen angegeben, dass es nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Strafen Sache des Rates gewesen wäre, für die Geldbußenberechnung abstrakte Regeln zu erlassen. 133    Der Erlass der Leitlinien von 1998 durch die Kommission hat, da er sich in den durch Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und später durch Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgegebenen rechtlichen Rahmen einfügte, nur einen Beitrag zur Klarstellung der Grenzen für die Ausübung des der Kommission durch diese Bestimmungen bereits eingeräumten Ermessens geleistet (vgl. in diesem Sinne Urteil Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 44). Demnach ist das auf eine Unzuständigkeit der Kommission zum Erlass der Leitlinien abstellende Vorbringen zurückzuweisen. 134    Als Zweites ist auch die Rüge mangelnder Transparenz und Vorhersehbarkeit der Leitlinien von 1998 zurückzuweisen. 135    Zum einen nämlich hat die Kommission die genannten Leitlinien aus Gründen der Transparenz und zur Verbesserung der Rechtssicherheit veröffentlicht und in ihnen die Berechnungsmethode dargelegt, deren Befolgung sie sich für jeden Einzelfall auferlegt hat. Hierzu hat der Gerichtshof im Übrigen befunden, dass sich die Kommission durch den Erlass derartiger Verhaltensnormen und dadurch, dass sie durch deren Veröffentlichung kundtut, dass sie sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, in der Ausübung ihres Ermessens selbst beschränkt und von diesen Regeln nicht mehr abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls als Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes geahndet wird. Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die Leitlinien allgemein und abstrakt die Methode festlegen, die sich die Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen auferlegt hat, und somit für die Unternehmen die Rechtssicherheit gewährleisten (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnrn. 211 und 213; vgl. außerdem Urteil Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 60). 136    Zum anderen kann ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer – falls erforderlich mit Hilfe eines Rechtsberaters – hinreichend genau die Berechnungsmethode und die Größenordnung der Geldbußen vorhersehen, die ihm bei einem bestimmten Verhalten drohen (Urteil Evonik Degussa/Kommission und Rat, oben in Randnr. 96 angeführt, Randnr. 55). Zwar kann ein Wirtschaftsteilnehmer die Höhe der Geldbuße, die die Kommission in jedem Einzelfall verhängen wird, anhand der Leitlinien von 1998 nicht im Voraus genau erkennen. Aufgrund der Schwere der von der Kommission zu ahndenden Zuwiderhandlungen rechtfertigen es aber die Ziele der Repression und der Abschreckung, dass die Unternehmen daran gehindert sind, den Nutzen einzuschätzen, den sie aus ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung zögen, indem sie im Voraus die Höhe der Geldbuße berücksichtigten, die ihnen aufgrund dieses rechtswidrigen Verhaltens auferlegt würde (Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 83). 137    Nach alledem ist der gegen die Leitlinien von 1998 wegen fehlender Zuständigkeit der Kommission und, hilfsweise, ihrer mangelnden Klarheit und Vorhersehbarkeit gerichtete Einwand unbegründet. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes 138    Die Klägerinnen tragen vor, dass die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 angesichts dessen, dass der Großteil der in der angefochtenen Entscheidung thematisierten Sachverhalte vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens gelegen habe, gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Die Kommission hätte ihre Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4) (im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996) anwenden müssen, wodurch die Klägerinnen in den Genuss einer Geldbußenermäßigung von 10 % bis 50 % wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts gegenüber der symbolischen Ermäßigung von 1 % Prozent gelangt wären, die ihnen in der angefochtenen Entscheidung gewährt worden sei (Erwägungsgründe 777, 806, 835 und 854 der angefochtenen Entscheidung). Durch die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 habe die Kommission auch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. 139    In Abschnitt D bestimmte die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996, dass für ein Unternehmen „die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt [werden kann] …, wenn [es] … der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet“. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sieht demgegenüber hierfür keine Geldbußenermäßigung mehr vor. 140    Zur angeblichen Rückwirkung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ist festzustellen, dass deren Randnr. 28 bestimmt: „Ab dem 14. Februar 2002 ersetzt die vorliegende Mitteilung die Mitteilung [über Zusammenarbeit] von 1996 in allen Fällen, in denen sich noch kein Unternehmen mit der Kommission in Verbindung gesetzt hat, um die Vorteile der Mitteilung von 1996 in Anspruch zu nehmen.“ In Anbetracht dessen, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 am 19. Februar 2002 veröffentlicht worden ist, sieht die genannte Mitteilung somit zwar eine rückwirkende Anwendung ihrer Bestimmungen vor, die jedoch auf den Zeitraum vom 14. Februar 2002 bis 18. Februar 2002 einschließlich beschränkt ist. Da niemand der an dem Kartell Beteiligten einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 vor dem 2. Februar 2004 gestellt hat (Erwägungsgründe 94, 105, 115 und 127 der angefochtenen Entscheidung), konnte eine etwaige Rechtswidrigkeit, die sich aus der genannten Rückwirkung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ergibt, die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht berühren. 141    Die Klägerinnen bestreiten jedoch im vorliegenden Fall die unmittelbare Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 im Hinblick auf die Berechnung der Geldbußen für Sachverhalte, die zum Teil vor 2002 lagen. 142    Erstens ist, wie aus der Akte hervorgeht, festzustellen, dass die Klägerinnen mindestens sechsmal während des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 beantragt haben. 143    Zweitens ergibt sich jedenfalls aus der Rechtsprechung, dass es dem Rückwirkungsverbot nicht zuwiderläuft, wenn Leitlinien angewandt werden, die sich möglicherweise verschärfend auf die Höhe von Geldbußen für vor ihrem Erlass begangene Zuwiderhandlungen auswirken, sofern die damit umgesetzte Politik zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar war (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnrn. 202 bis 232; Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, BASF und UCB/Kommission, T‑101/05 und T‑111/05, Slg. 2007, II‑4949, Randnr. 233; vgl. außerdem Urteil Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 66). Die Klägerinnen behaupten aber nicht, dass die mit dem Erlass der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 eingetretene Änderung nicht vorhersehbar gewesen wäre. 144    Zur Beeinträchtigung des Schutzes des berechtigten Vertrauens der Klägerinnen, die sich aus der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 auf Zuwiderhandlungen ergeben soll, die teilweise vor deren Inkrafttreten begangen worden sind, genügt die Feststellung, dass die Wirtschaftsteilnehmer nach ständiger Rechtsprechung nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Lage vertrauen können, die von den Organen im Rahmen ihres Ermessens geändert werden kann (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1994, Deutschland/Rat, C‑280/93, Slg. 1994, I‑4973, Randnr. 80, und vom 30. Juni 2005, Alessandrini u. a./Kommission, C‑295/03 P, Slg. 2005, I‑5673, Randnr. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem hätten die Klägerinnen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 jedenfalls jederzeit dadurch zur Anwendung bringen können, dass sie der Kommission einen Antrag nach dieser Mitteilung unterbreiteten, bevor die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Kraft trat. Folglich ist diese Rüge zurückzuweisen. 145    Die Einrede der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot und die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes sind demnach zurückzuweisen. Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze nemo tenetur und in dubio pro reo sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und wegen missbräuchlicher Ermessensausübung 146    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 rechtswidrig sei, weil sie gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze verstoße und das Ermessen, das der Kommission eingeräumt worden sei, überschreite. So verstoße die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gegen den Grundsatz nemo tenetur, den Grundsatz in dubio pro reo und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. In ihrem Erlass liege eine missbräuchliche Ermessensausübung der Kommission, und die Mitteilung sei daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, so dass die im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 vorgelegten Beweise nicht verwendet werden dürften, weil der Rückgriff auf rechtswidrig erlangte Beweise untersagt sei. 147    Die verschiedenen im Rahmen des vorliegenden Einwands vorgetragenen Rügen sind getrennt zu prüfen. Zur ersten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur 148    Die Klägerinnen führen aus, dass nach dem Grundsatz nemo tenetur niemand gezwungen werden dürfe, sich selbst anzuklagen oder gegen sich selbst auszusagen. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verstoße gegen diesen Grundsatz, weil sie in der Praxis die Unternehmen dazu zwinge, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und sich ihr gegenüber geständig zu zeigen. Denn zum einen könne lediglich das erste Unternehmen, das Beweismittel vorlege, die die Voraussetzungen von Randnr. 8 Buchst. a oder b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 erfüllten, die Nichtverhängung einer Geldbuße beanspruchen, so dass alle Unternehmen, die sich am „Wettrennen um Platz 1“ beteiligten, der Kommission gegenüber ein vollständiges (und bisweilen übertriebenes) Geständnis ablegten, ohne den Nutzen einer Kooperation in Form der zu erwartenden Ermäßigung der Geldbuße mit den Nachteilen einer solchen Kooperation abwägen zu können. Zum anderen begebe sich ein Unternehmen durch die Kooperation im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 der Möglichkeit, selbst falschen, von anderen Unternehmen vorgetragenen Sachverhaltsvortrag zu bestreiten, da die Kommission jedes Bestreiten von Tatsachen als mangelnde Zusammenarbeit im Sinne von Randnr. 11 und Randnr. 23 dieser Mitteilung werte, was die Gewährung einer Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung ernsthaft gefährde. 149    Aus der Rechtsprechung ergibt sich zum einen, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, deren integraler Bestandteil die Grundrechte sind und in deren Licht alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen sind, die Unternehmen von der Kommission nicht gezwungen werden dürfen, ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung zuzugeben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283, Randnr. 35, und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 273). 150    Auch wenn die Kommission ein Unternehmen nicht zwingen kann, seine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung einzugestehen, ist sie zum anderen aber deswegen nicht daran gehindert, bei der Bemessung der Geldbuße den Beitrag zu berücksichtigen, den das Unternehmen freiwillig zum Nachweis der Zuwiderhandlung geleistet hat (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 2005, Acerinox/Kommission, C‑57/02 P, Slg. 2005, I‑6689, Randnr. 87, und ThyssenKrupp/Kommission, C‑65/02 P und C‑73/02 P, Slg. 2005, I‑6773, Randnr. 50). 151    Dass die in den vorstehenden Randnrn. 149 und 150 angeführte Rechtsprechung „überholt“ sei, können die Klägerinnen nicht geltend machen. Der Gerichtshof hat sie vielmehr ausdrücklich nach Kenntnisnahme der zwischenzeitlichen Entwicklungen in der Rechtsprechung des EGMR, insbesondere der Urteile vom 25. Februar 1993, Funke/Frankreich (Serie A, Nr. 256 A), und vom 17. Dezember 1996, Saunders/Vereinigtes Königreich (Recueil des arrêts et décisions, 1996-VI), auf die sich die Klägerinnen berufen, bestätigt (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 273 bis 280). 152    Daher ist im Licht der Grundsätze, die in der in den vorstehenden Randnrn. 149 und 150 angeführten Rechtsprechung herausgearbeitet worden sind, die Rechtmäßigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 im Hinblick auf den Grundsatz nemo tenetur zu prüfen. 153    Hierbei ist festzustellen, dass die Zusammenarbeit im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 seitens des betreffenden Unternehmens völlig freiwillig erfolgt. Denn es wird in keiner Weise dazu gezwungen, zu dem vermuteten Kartell Beweismittel vorzulegen. Das Ausmaß der Zusammenarbeit, die das Unternehmen im Lauf des Verwaltungsverfahrens anzubieten wünscht, ist somit ausschließlich Gegenstand seiner freien Entscheidung und wird keinesfalls von der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 vorgegeben (vgl. in diesem Sinne Urteil ThyssenKrupp/Kommission, oben in Randnr. 150 angeführt, Randnr. 52, und die Schlussanträge von Generalanwalt Léger in dieser Rechtssache, Slg. 2005, I‑6777, Nr. 140). 154    Das Vorbringen, dass sich ein Unternehmen, wenn es zusammenarbeite, der Möglichkeit begebe, selbst falschen, von anderen Unternehmen vorgebrachten Sachverhaltsvortrag zu bestreiten, beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002. 155    Zum einen verlangen entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder Randnr. 11 dieser Mitteilung, der zufolge das fragliche Unternehmen „während des Verwaltungsverfahrens in vollem Umfang kontinuierlich und zügig … zusammenarbeiten“ muss, noch Randnr. 23 der Mitteilung, wonach die Kommission „berücksichtigen [kann], ob das Unternehmen seit der Vorlage des Beweismittels kontinuierlich mit ihr zusammengearbeitet hat“, von dem betreffenden Unternehmen, dass es davon absieht, einen falschen Sachverhaltsvortrag eines anderen Unternehmens zu bestreiten oder zu berichtigen. Außerdem stützt sich das Vorbringen der Klägerinnen auf die unzutreffende Prämisse, dass fehlerhafte, nicht durch Beweismittel bestätigte einseitige Erklärungen eines einzigen an einem Kartell beteiligten Unternehmens für die Bejahung einer Zuwiderhandlung ausreichten. 156    Zum anderen sieht die Mitteilung von 2002 anders als die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 keine Geldbußenermäßigung wegen Nichtbestreitens der Tatsachen vor. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 kann also nicht so verstanden werden, dass sie die Unternehmen, die von ihr profitieren möchten, dazu „zwingt“, den Sachverhaltsvortrag anderer Unternehmen nicht zu bestreiten. 157    Jedenfalls beruht der vermeintliche Zwang eines Unternehmens, Tatsachen, deren Urheber es nicht ist, nicht zu bestreiten, auf der rein theoretischen Hypothese eines Unternehmens, das sich einer Zuwiderhandlung, die es nicht begangen hat, in der Hoffnung bezichtigt, in den Genuss einer Ermäßigung derjenigen Geldbuße zu kommen, deren Verhängung es gleichwohl befürchtet. Auf eine derartige Annahme lässt sich kein Vorbringen stützen, das aus einem Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur hergeleitet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Finnboard/Kommission, C‑298/98 P, Slg. 2000, I‑10157, Randnr. 58). 158    Daraus folgt, dass die erste Rüge, die im Rahmen der Rechtswidrigkeitseinrede gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 erhoben wird, zurückzuweisen ist. Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo 159    Die Klägerinnen machen geltend, dass nach dem Grundsatz in dubio pro reo oder nach der Unschuldsvermutung die Kommission die Beweislast für das eine Zuwiderhandlung darstellende Verhalten und das Verschulden eines Unternehmens treffe. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verstoße gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, da sie faktisch dazu führe, dass die Unternehmen den Beweis für die eigene Zuwiderhandlung und das eigene Verschulden sowie für die Zuwiderhandlungen und das Verschulden der anderen Unternehmen erbrächten. 160    Es ist darauf hinzuweisen, dass der u. a. in Art. 6 Abs. 2 EMRK niedergelegte Grundsatz der Unschuldsvermutung zu den Grundrechten gehört, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die im Übrigen durch Art. 6 Abs. 2 EU und durch Art. 48 der Charta bekräftigt worden ist, in der Rechtsordnung der Union anerkannt sind. Angesichts der Art der fraglichen Zuwiderhandlungen sowie der Art und Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt der Grundsatz der Unschuldsvermutung auch in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, in denen Geldbußen oder Zwangsgelder verhängt werden können (vgl. Urteil Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 115 und die dort angeführte Rechtsprechung). 161    Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen verkennt die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht. 162    Erstens erfolgt, wie vorstehend in Randnr. 153 angeführt, die Zusammenarbeit im Sinne dieser Mitteilung seitens des betreffenden Unternehmens völlig freiwillig. Sie bedeutet für ein Unternehmen keine Verpflichtung, Beweismittel für die Zuwiderhandlung, an der es beteiligt gewesen sein soll, vorzulegen. 163    Zweitens berührt die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 nicht die Verpflichtung der Kommission, die für die von ihr festgestellte Zuwiderhandlung beweispflichtig ist, Beweismittel vorzulegen, die geeignet sind, rechtlich hinlänglich das Vorliegen von Tatsachen zu belegen, die den Tatbestand der Zuwiderhandlung erfüllen. Jedoch kann sich die Kommission, um eine Zuwiderhandlung zu bejahen, auf alle sachdienlichen Elemente stützen, über die sie verfügt. So kann sie sich ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht nur auf Unterlagen stützen, die sie anlässlich von Nachprüfungen nach den Verordnungen Nrn. 17 und 1/2003 erlangt oder die sie aufgrund von Auskunftsverlangen nach den genannten Verordnungen erhalten hat, sondern auch auf Beweismittel, die ihr ein Unternehmen freiwillig gemäß dieser Mitteilung unterbreitet hat. 164    Nach alledem ist auch der Rüge, die daraus hergeleitet wird, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, da sie gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung verstoße, rechtswidrig sei, nicht stattzugeben. Zur dritten Rüge: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 165    Die Klägerinnen machen geltend, die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sei weder erforderlich noch angemessen und verletze damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sei nicht erforderlich, da die Verordnung Nr. 1/2003, insbesondere deren Art. 18 bis 21, der Kommission ausreichende Mittel zur Ermittlung von Kartellen zur Verfügung stelle. Sie sei auch nicht angemessen oder verhältnismäßig im engeren Sinne. Auch wenn nämlich die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 eine verbesserte Aufklärung von Kartellen ermögliche, wodurch das Gemeinschaftsinteresse gefördert werde, belohne sie doch die Unternehmen, die gegen Art. 81 EG verstoßen hätten, und schaffe für die redlichen Unternehmen Wettbewerbsnachteile, da sie die Verhängung von Geldbußen gegen die am Kartell beteiligten Unternehmen, die vom Kartell profitiert hätten, verhindere. Sie tangiere zudem das Gemeinschaftsinteresse an der Ahndung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. 166    Nach ständiger Rechtsprechung dürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Handlungen der Organe der Union nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen müssen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). 167    Zudem verfügt die Kommission im Rahmen der Verordnung Nr. 1/2003 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße über einen Ermessensspielraum, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln ausrichten zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da sich die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in die Politik der Kommission in Bezug auf die Geldbußenfestsetzung für gegen Art. 81 EG verstoßende horizontale Kartelle einfügt, ist dieser Ermessensspielraum bei der Prüfung der Rüge zu berücksichtigen, die aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hergeleitet wird. 168    Es ist festzustellen, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 als ein geeignetes und unerlässliches Instrument erscheint, um das Bestehen geheimer horizontaler Kartelle zu beweisen und somit das Gebaren der Unternehmen in Richtung der Beachtung der Wettbewerbsregeln zu lenken. 169    Selbst wenn nämlich die in den Art. 18 bis 21 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Instrumente, nämlich Auskunftsverlangen und Nachprüfungen, unerlässliche Maßnahmen bei der Verfolgung von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht sind, ist darauf hinzuweisen, dass geheime Kartelle ohne die Zusammenarbeit der betreffenden Unternehmen häufig schwer zu entdecken und aufzuklären sind. Selbst wenn für einen an einem Kartell Beteiligten immer die Gefahr besteht, dass dieses Kartell eines Tages, insbesondere aufgrund einer bei der Kommission oder einer nationalen Behörde eingereichten Beschwerde, aufgedeckt werden wird, kann ein solcher Beteiligter, der seine Beteiligung beenden möchte, durch die ihm drohende hohe Geldbuße davon abgeschreckt werden, die Kommission zu informieren. Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zielt, indem sie den Erlass von Geldbußen oder eine bedeutende Geldbußenermäßigung für Unternehmen vorsieht, die der Kommission Beweise für das Vorliegen eines horizontalen Kartells liefern, darauf ab, zu vermeiden, dass ein solcher Beteiligter von einer Information der Kommission über das Vorliegen eines Kartells absieht. 170    Das Vorbringen, dass die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 es erlaube, bestimmte Unternehmen zu belohnen, die an nach Art. 81 EG untersagten Kartellen beteiligt waren, ist zurückzuweisen. Denn wie die Kommission in Randnr. 4 der genannten Mitteilung betont, ist das „Interesse der Verbraucher und Bürger an der Aufdeckung und Ahndung von Kartellen … größer als das Interesse an der Verhängung von Geldbußen gegen Unternehmen, die es der Kommission ermöglichen, solche Verhaltensweisen aufzudecken und zu untersagen“. 171    Daher überschreitet die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 nicht offenkundig die Grenzen dessen, was zur Erreichung der mit ihr zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. 172    Nach alledem ist die Rüge der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unbegründet. Zur vierten Rüge: Ermessensmissbrauch 173    Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission mit dem Erlass der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 das ihr in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumte Ermessen überschritten. Nach dieser Bestimmung müsse die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigen, was bei einem „vollständigen Erlass“ nicht der Fall sein könne. Abschnitt A der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sei daher rechtswidrig, was die Rechtswidrigkeit der gesamten Mitteilung nach sich ziehe. 174    Nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 „kann [die Kommission] gegen Unternehmen … durch Entscheidung Geldbußen verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig … gegen Artikel 81 oder Artikel 82 [EG] verstoßen“. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich folglich, dass die Kommission die Befugnis, aber nicht die Verpflichtung hat, gegenüber einem Unternehmen, das ein Verstoß gegen Art. 81 EG begangen hat, eine Geldbuße zu verhängen. 175    Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 enthält außerdem keine abschließende Aufzählung der Kriterien, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße heranziehen kann. Das Verhalten des Unternehmens im Verwaltungsverfahren kann somit zu den Gesichtspunkten gehören, die bei dieser Festsetzung zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Finnboard/Kommission, oben in Randnr. 157 angeführt, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). 176    Somit hat die Kommission nicht gegen die Befugnisse, die sie aus der Verordnung Nr. 1/2003 herleitet, verstoßen, als sie sich mit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 Verhaltensnormen für die Ausübung ihres Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen gab, um insbesondere das Verhalten der Unternehmen im Lauf des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen und damit die Gleichbehandlung der betroffenen Unternehmen besser zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Finnboard/Kommission, oben in Randnr. 157 angeführt, Randnr. 57). 177    Daraus folgt, dass auch diese letzte Rüge nicht begründet ist. 178    Nach alledem ist die gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gerichtete Einrede der Rechtswidrigkeit insgesamt zurückzuweisen. Zum Klagegrund des völkerrechtswidrigen enteignenden Charakters der angefochtenen Entscheidung Zur Zulässigkeit 179    Die Kommission macht geltend, dass der Klagegrund des völkerrechtswidrigen enteignenden Charakters der angefochtenen Entscheidung den Anforderungen des Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts nicht entspreche und folglich unzulässig sei. In tatsächlicher Hinsicht fehle in der Klageschrift jeglicher Vortrag dazu, inwiefern sich die jeweils verhängten Geldbußen tatsächlich dramatisch auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Tochtergesellschaften von Schindler Holding auswirkten. In rechtlicher Hinsicht bezeichneten die Klägerinnen weder die anwendbaren Verträge noch die angeblich verletzten Normen. 180    Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 für das Verfahren vor dem Gericht gilt, sowie nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung muss die Klageschrift u. a. eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass der beklagten Partei die Vorbereitung ihrer Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen die Klage beruht, zumindest in gedrängter Form, jedenfalls aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 6. Mai 1997, Guérin automobiles/Kommission, T‑195/95, Slg. 1997, II‑679, Randnr. 20, vom 25. Mai 2004, Distilleria Palma/Kommission, T‑154/01, Slg. 2004, II‑1493, Randnr. 58, und vom 12. März 2008, European Service Network/Kommission, T‑332/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 229). 181    Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen in ihrer Klageschrift klar und genau angegeben, dass die Verhängung der Geldbußen durch die angefochtene Entscheidung gegenüber Schindler enteignend sei und gegen das Völkerrecht verstoße. 182    Die Kommission kann nicht beanstanden, dass die Klageschrift nicht die anzuwendenden Verträge namhaft mache. Denn die Klägerinnen haben in ihrer Klageschrift keine Verletzung eines bilateralen oder multilateralen Abkommens zum Investitionsschutz gerügt. Sie verweisen lediglich auf die Existenz derartiger Abkommen, um darzutun, dass es einen Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts gebe, der im vorliegenden Fall verletzt worden sei. So erläutern die Klägerinnen in ihrer Klageschrift, dass das Verbot entschädigungsloser Enteignung ausländischer Investoren, das im Völkergewohnheitsrecht verankert sei, selbst wenn zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweiz kein allgemeines Investitionsschutzabkommen bestehe, nicht ernsthaft in Frage gestellt werden könne. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist somit in der Klageschrift der verletzte Rechtssatz, nämlich ein Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts, klar angegeben. 183    Die Klägerinnen führen weiter aus, dass sich der enteignende Charakter der verhängten Geldbußen auf die beträchtliche Wertminderung der Investitionen von Schindler in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden beziehe. Die Schwere des Eingriffs in die Vermögenswerte von Schindler Holding manifestiere sich bei einem Vergleich der Geldbußen mit dem Eigenkapital, dem Jahresumsatz und dem Jahresergebnis von Schindler Belgien, Schindler Luxemburg und Schindler Niederlande. 184    Nach alledem genügt der vorliegende Klagegrund den vorstehend in Randnr. 180 angeführten Bestimmungen. Folglich ist der vorliegende Klagegrund zulässig. Zur Begründetheit 185    Die Klägerinnen tragen vor, der Schutz ausländischer Investoren sei in zahlreichen bilateralen und multilateralen Abkommen verankert. Nach diesen Abkommen falle das grenzüberschreitende Halten von Anteilen an einem Unternehmen in einem anderen Staat unter den Investitionsbegriff und genieße einen Schutz, der zum einen Enteignungen nur unter ganz engen Voraussetzungen erlaube und es zum anderen gebiete, ausländische Investitionen in dem Staat, in dem die Investition getätigt werde, fair und gerecht zu behandeln. Ein solcher Schutz sei auch im Völkergewohnheitsrecht anerkannt. 186    Die gegen Schindler Holding, eine Gesellschaft schweizerischen Rechts, verhängten Geldbußen kämen in ihrer wirtschaftlichen Wirkung einer völkerrechtswidrigen Enteignung der Investitionen von Schindler Holding in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden gleich. Wenn die Verurteilung zu einer Geldbuße auch keine formelle Enteignung darstelle, liege hierin doch eine materielle Enteignung, soweit die Investitionen von Schindler Holding in Belgien, Luxemburg und in den Niederlanden eine beträchtliche Wertminderung erlitten hätten. Die Schwere des Eingriffs in die Vermögenswerte von Schindler Holding manifestiere sich besonders bei einem Vergleich der Geldbußen mit dem Eigenkapital, dem Jahresumsatz und dem Jahresergebnis von Schindler Belgien, Schindler Luxemburg und Schindler Niederlande. 187    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Befugnisse der Gemeinschaft unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑6351, Randnr. 291 und die dort angeführte Rechtsprechung). 188    Das Eigentumsrecht wird nicht nur durch das Völkerrecht geschützt, sondern gehört auch zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts (vgl. Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 355 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da sich jedoch der Vorrang des Völkerrechts gegenüber dem Unionsrecht nicht auf das Primärrecht und insbesondere die allgemeinen Grundsätze, zu denen die Grundrechte gehören, erstreckt (vgl. Urteil Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 308), ist im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes zu prüfen, ob die gegen Schindler Holding verhängten Geldbußen einen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Eigentums bedeuten. 189    Hierbei ist zu beachten, dass sich das Eigentumsrecht nicht als ein absolutes Vorrecht darstellt, sondern in Bezug auf seine Funktion in der Gesellschaft betrachtet werden muss. Folglich kann die Ausübung des Eigentumsrechts Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Europäischen Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antasten würde (Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1989, Schräder HS Kraftfutter, 265/87, Slg. 1989, 2237, Randnr. 15, Deutschland/Rat, oben in Randnr. 144 angeführt, Randnr. 78, und Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, oben in Randnr. 187 angeführt, Randnr. 355). 190    Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG sieht vor, dass zur Erreichung der Ziele der Gemeinschaft deren Tätigkeit „ein System [umfasst], das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“. Infolgedessen fällt die Anwendung der Art. 81 EG und 82 EG unter das öffentliche Interesse der Gemeinschaft. Somit kann die Ausübung des Eigentumsrechts nach diesen Artikeln Beschränkungen unterworfen werden, sofern sie nicht unverhältnismäßig sind und das Recht nicht in seinem Wesensgehalt antasten (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission, T‑65/98, Slg. 2003, II‑4653, Randnr. 170). 191    Es ist daher zu prüfen, ob die gegen Schindler Holding verhängten Geldbußen einen unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das Grundrecht auf Achtung des Eigentums in seinem Wesensgehalt antastet. 192    Erstens ist festzustellen, dass die streitige Entscheidung nicht die Eigentumsstruktur bei Schindler tangiert. 193    Zweitens lässt sich, auch wenn die Zahlung der Geldbuße gewiss den Vermögenswert der Schuldnergesellschaft berührt, nicht sagen, dass die gegen Schindler Holding und ihre Tochtergesellschaften verhängten Geldbußen im vorliegenden Fall den Gesamtwert dieser Gesellschaften aufgezehrt hätten. Denn es ergibt sich aus der Akte, dass sämtliche gegen die Gesellschaften der Schindler‑Gruppe in der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen nicht die Obergrenze von 10 % des konsolidierten Umsatzes von Schindler Holding während des Geschäftsjahrs, das dem Datum der angefochtenen Entscheidung vorausgeht, erreicht haben. Die in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % soll insbesondere die Unternehmen gegen ein überhöhtes Geldbußenniveau schützen, das ihre wirtschaftliche Substanz zerstören könnte (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 389). 194    Drittens ist, soweit die Klägerinnen die Verhängung einer überhöhten Geldbuße gegen die Tochtergesellschaften in den vier betreffenden Ländern beanstanden, darauf hinzuweisen, dass Schindler Holding in der angefochtenen Entscheidung für jede Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch mit der betroffenen Tochtergesellschaft zur Zahlung der Geldbuße verurteilt wurde (siehe auch oben, Randnrn. 63 bis 91). Wie die Kommission betont, ist die Bestimmung der jeweiligen Beiträge von Gesellschaften, die zu derselben Gruppe gehören und gesamtschuldnerisch zur Zahlung einer Geldbuße herangezogen werden, deren eigene Angelegenheit. Die angefochtene Entscheidung berührt somit nicht notwendig den Wert der Investitionen von Schindler Holding in ihren Tochtergesellschaften. 195    Viertens überschneidet sich, soweit die Klägerinnen die Verhängung von Geldbußen für Zuwiderhandlungen rügen, die überhöht seien, wenn man sie zu dem Umsatz und dem Jahresgewinn der betreffenden Tochtergesellschaften in Bezug setze, ein derartiger Vortrag mit dem Klagegrund, der aus der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung wegen Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung von Schindler Holding hergeleitet wird. Denn nur dann, wenn sich erwiese, dass die nationalen Tochtergesellschaften nicht gemeinsam mit Schindler Holding ein Unternehmen im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit bildeten, die für die geahndeten Zuwiderhandlungen verantwortlich ist, könnten die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen. Solche Geldbußen wären jedenfalls rechtswidrig, da sie gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstießen. Es geht aber aus den vorstehenden Randnrn. 63 bis 91 hervor, dass die Kommission zutreffend die Zuwiderhandlungen der fraglichen nationalen Tochtergesellschaften Schindler Holding zugerechnet hat. 196    Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen. Zum Klagegrund einer Verletzung der Leitlinien von 1998 und der Begründungspflicht bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbußen Vorbemerkungen 197    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung über ein weites Ermessen in Bezug auf die Methode zur Berechnung der Geldbußen verfügt. Diese in den Leitlinien von 1998 beschriebene Methode enthält verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission, C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, Slg. 2009, I‑7191, Randnr. 112 und die dort angeführte Rechtsprechung). 198    Die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Union ist anhand einer Vielzahl von Faktoren zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteile des Gerichtshofs, Archer Daniels Midland/Kommission, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 72, und vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission, C‑534/07 P, Slg. 2009, I‑7415, Randnr. 54). 199    Wie vorstehend in Randnr. 24 dargelegt worden ist, hat die Kommission im vorliegenden Fall die Höhe der Geldbußen unter Anwendung der in den Leitlinien von 1998 festgelegten Methode bestimmt. 200    Die Leitlinien von 1998 können zwar nicht als Rechtsnorm qualifiziert werden, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, sie stellen jedoch eine Verhaltensnorm dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 209 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Carbone-Lorraine/Kommission, T‑73/04, Slg. 2008, II‑2661, Randnr. 70). 201    Die Kommission hat, wie vorstehend in Randnr. 135 ausgeführt, dadurch, dass sie derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung kundgetan hat, dass sie sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anwenden werde, selbst die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von diesen Normen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 211 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 71). 202    Sodann legen die Leitlinien von 1998 allgemein und abstrakt die Methode fest, die sich die Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen auferlegt hat, und gewährleisten somit für die Unternehmen die Rechtssicherheit (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnrn. 211 und 213). 203    Schließlich ist zu beachten, dass die Leitlinien von 1998 als Erstes die Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solche regeln, auf deren Grundlage ein allgemeiner Ausgangsbetrag bestimmt werden kann (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 2). Als Zweites wird die Schwere des Verstoßes im Hinblick auf die Art der begangenen Zuwiderhandlungen und die Merkmale des betroffenen Unternehmens untersucht, insbesondere im Hinblick auf seine Größe und seine Stellung auf dem relevanten Markt, was Anlass für die Gewichtung des Ausgangsbetrags, die Unterteilung der Unternehmen in Kategorien und die Festsetzung eines spezifischen Ausgangsbetrags sein kann (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 3 bis 7). Angefochtene Entscheidung 204    Als Erstes prüft die Kommission in dem der Schwere der Zuwiderhandlungen gewidmeten Abschnitt der angefochtenen Entscheidung (Abschnitt 13.6.1) parallel die vier in deren Art. 1 festgestellten Zuwiderhandlungen, da sie „gemeinsame Merkmale aufweisen“ (657. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Dieser Abschnitt ist in drei Unterabschnitte unterteilt: erstens „Art der Zuwiderhandlungen“ (Unterabschnitt 13.6.1.1), zweitens „Umfang des räumlich relevanten Marktes“ (Unterabschnitt 13.6.1.2) und drittens „Schlussfolgerung zur Schwere der Zuwiderhandlung“ (Unterabschnitt 13.6.1.3). 205    In den Erwägungsgründen 658 und 659 in Unterabschnitt „Art der Zuwiderhandlungen“ der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission dar: „658      Die von dieser Entscheidung erfassten Zuwiderhandlungen bestanden im Wesentlichen aus geheimen Absprachen zwischen Kartellmitgliedern zu dem Zweck, durch die Zuweisung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen (außer in Deutschland, wo das Wartungs- und Modernisierungsgeschäft nicht Gegenstand der Absprachen zwischen den Kartellmitgliedern war). Solche horizontalen Beschränkungen zählen schon ihrem Wesen nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 81 [EG]. Im vorliegenden Fall sind die Vorteile, die die Kunden im Rahmen eines im freien Wettbewerb durchgeführten Bieterverfahrens für sich erwarten konnten, durch die Zuwiderhandlungen zunichtegemacht und ihnen vorenthalten worden. Außerdem ist zu beachten, dass es sich bei einigen der manipulierten Projekte um aus Steuermitteln finanzierte öffentliche Ausschreibungen handelte, die gerade im Hinblick darauf durchgeführt wurden, konkurrenzfähige, kostenwirksame Angebote zu erhalten. 659      Für die Ermittlung der Schwere einer Zuwiderhandlung sind die Faktoren, die ihren Gegenstand betreffen, im Allgemeinen von größerer Bedeutung als diejenigen, die ihre Wirkungen betreffen, insbesondere wenn die Vereinbarungen, wie im vorliegenden Fall, besonders schwere Zuwiderhandlungen, wie z. B. die Preisfestsetzung und Marktaufteilung, betreffen. Die Auswirkungen einer Vereinbarung sind im Allgemeinen kein schlüssiges Kriterium für die Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung.“ 206    Die Kommission führt weiter aus, sie habe „im vorliegenden Fall nicht versucht, die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nachzuweisen, da es unmöglich ist, mit hinreichender Gewissheit die betreffenden Wettbewerbsparameter (u. a. Preis, Handelsbedingungen, Qualität, Innovation) ohne die Zuwiderhandlungen zu bestimmen“ (660. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Es sei jedoch „offenkundig, dass die Zuwiderhandlungen tatsächliche Auswirkungen hatten“, denn „[a]llein die Tatsache, dass die verschiedenen wettbewerbswidrigen Vorkehrungen von den Kartellteilnehmern durchgeführt wurden, lässt auf Auswirkungen auf den Markt schließen, auch wenn die tatsächliche Wirkung schwer zu messen wäre …, weil insbesondere nicht bekannt ist, ob und gegebenenfalls wie viele andere Projekte manipuliert wurden oder wie viele Projekte möglicherweise zwischen den Kartellmitgliedern aufgeteilt wurden, ohne dass es Kontakten zwischen ihnen bedurft hätte“ (660. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Weiter heißt es im selben Erwägungsgrund: „Die zusammengenommen hohen gemeinsamen Marktanteile der Kartellteilnehmer machen wettbewerbswidrige Wirkungen wahrscheinlich, und die verhältnismäßig hohe Stabilität dieser Marktanteile während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlungen dürfte diese Wirkungen bestätigen.“ 207    In den Erwägungsgründen 661 bis 669 der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission auf das von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren geltend gemachte Vorbringen ein, mit dem diese dartun wollen, dass sich die Zuwiderhandlungen nur beschränkt auf den Markt ausgewirkt hätten. 208    Im 670. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Unterabschnitt „Umfang des räumlich relevanten Marktes“ führt die Kommission aus: „Die von [der angefochtenen] Entscheidung erfassten Kartelle erstrecken sich auf die vollständigen Gebiete Belgiens, Deutschlands, Luxemburgs bzw. der Niederlande. Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass ein räumlich relevanter nationaler Markt, der sich auf einen Mitgliedstaat insgesamt erstreckt, bereits als solcher einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bildet.“ 209    Im 671. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung im Unterabschnitt „Schlussfolgerung zur Schwere der Zuwiderhandlung“ weist die Kommission darauf hin, dass jeder Adressat „[i]n Anbetracht der Art der Zuwiderhandlungen und der Tatsache, dass sich jede einzelne auf das ganze Gebiet eines Mitgliedstaats (Belgien, Deutschland, Luxemburg oder Niederlande) erstreckte“, eine oder mehrere besonders schwere Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG begangen habe. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass „diese Faktoren … so geartet [sind], dass die Zuwiderhandlungen als besonders schwer einzustufen sind, auch wenn ihre tatsächlichen Auswirkungen nicht messbar sind“. 210    Als Zweites setzt die Kommission im Abschnitt „Unterschiedliche Behandlung“ (Abschnitt 13.6.2) für jedes Unternehmen, das an den verschiedenen Kartellen teilgenommen hat, einen Ausgangsbetrag der Geldbuße fest (siehe oben, Randnrn. 27 bis 30), der dem 672. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zufolge „die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb schwerwiegend zu schädigen“, berücksichtigt. Im 673. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission: „Hierzu können die Unternehmen gemäß ihrem Umsatz mit Aufzügen und/oder Fahrtreppen einschließlich gegebenenfalls Wartungs- und Modernisierungsdienstleistungen in verschiedene Gruppen unterteilt werden.“ Zur Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ 211    Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Verstöße irre. Die Kommission habe bei der Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ eine pauschale Wertung vorgenommen, ohne zum einen die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Absprachen in den betroffenen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich ausgeprägt gewesen seien, und ohne zum anderen zu berücksichtigen, welche konkreten Auswirkungen die Zuwiderhandlungen gehabt hätten. 212    So verweisen die Klägerinnen auf die sinkenden Preise auf dem deutschen und dem luxemburgischen Markt, auf die schwankenden Marktanteile auf dem deutschen, dem belgischen und dem luxemburgischen Markt, auf die Ineffizienz und die Nichtbeachtung der Absprachen auf dem deutschen, dem belgischen, dem luxemburgischen und dem niederländischen Markt oder auch darauf, dass die Kartelle in Luxemburg und in den Niederlanden nur für bestimmte Projekte gegolten hätten. In Deutschland sei Schindler außerdem lediglich auf dem Gebiet der Fahrtreppen in Erscheinung getreten. Das Kartell in Luxemburg sei schließlich nach der Entscheidungspraxis der Kommission angesichts dessen als „schwer“ einzustufen, dass es nur einen Mitgliedstaat geringer Größe betroffen habe. 213    Es ist darauf hinzuweisen, dass es in den Leitlinien von 1998 in Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 und 2 zur Beurteilung der Schwere des Verstoßes heißt: „Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen. Die Verstöße werden in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße“. 214    Nach Nr. 1 Abschnitt A Abs. 1 der Leitlinien von 1998 muss die Kommission somit bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes die konkreten Auswirkungen auf den Markt nur dann prüfen, wenn sie messbar erscheinen (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteile Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 143, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 216). 215    Nach ständiger Rechtsprechung muss sich die Kommission bei der Beurteilung der konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf den Markt auf den Wettbewerb beziehen, der normalerweise ohne eine Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. Urteil Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 83 und die dort angeführte Rechtsprechung). 216    Die Kommission gibt im 660. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu bedenken, dass sie „im vorliegenden Fall nicht versucht [hat], die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nachzuweisen, da es unmöglich ist, mit hinreichender Gewissheit die betreffenden Wettbewerbsparameter (u. a. Preis, Handelsbedingungen, Qualität, Innovation) ohne die Zuwiderhandlungen zu bestimmen“. Selbst wenn die Kommission in diesem Erwägungsgrund die Auffassung vertritt, es sei offenkundig, dass die Kartelle konkrete Auswirkungen gehabt hätten, da sie durchgeführt worden seien, was an sich schon auf Auswirkungen auf den Markt schließen lasse, und auch wenn sie in den Erwägungsgründen 661 bis 669 das Vorbringen der betreffenden Unternehmen zurückgewiesen hat, mit dem diese dartun wollen, dass die Auswirkungen der Kartelle beschränkt gewesen seien, ist doch festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen nicht deren etwaige Auswirkungen auf den Markt berücksichtigt hat. 217    So gründet die Kommission im 671. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung das Ergebnis ihrer Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen nur auf die Berücksichtigung der Art dieser Zuwiderhandlungen und deren räumlichen Umfangs. Sie gelangt nämlich in diesem Erwägungsgrund zu dem Schluss, dass „[i]n Anbetracht der Art der Zuwiderhandlungen und der Tatsache, dass sich jede einzelne auf das ganze Gebiet eines Mitgliedstaats (Belgien, Deutschland, Luxemburg oder Niederlande) erstreckte“, davon auszugehen sei, dass „jeder Adressat … eine oder mehrere besonders schwere Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG begangen [hat]“. 218    Es ist festzustellen, dass die Klägerinnen nicht nachweisen, dass die konkreten Auswirkungen der Kartelle im vorliegenden Fall messbar gewesen wären; sie beschränken sich darauf, in ihrer Erwiderung zu betonen, dass es unterschiedliche wissenschaftliche Methoden gebe, die es ermöglichten, die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Kartells zu ermitteln, belassen es aber bei der Behauptung, dass die Auswirkungen zwangsläufig geringfügig gewesen seien. In dieser Hinsicht erlauben die von den Klägerinnen in Bezug auf die sinkenden Preise, die schwankenden Marktanteile oder auch die Ineffizienz der Absprachen angeführten Umstände (siehe oben, Randnr. 212), selbst wenn man sie als erwiesen unterstellte, nicht den Schluss, dass die Auswirkungen der Kartelle auf den betroffenen Märkten messbar gewesen wären, zumal die Klägerinnen nicht den Vortrag der Kommission bestreiten, dem zufolge es im vorliegenden Fall unmöglich gewesen sei, mit hinreichender Gewissheit die Wettbewerbsparameter zu bestimmen, die ohne die Zuwiderhandlungen gegolten hätten. 219    Unter diesen Umständen haben die Klägerinnen nicht dargetan, dass die Kommission im vorliegenden Fall gemäß den Leitlinien von 1998 und der vorstehend in Randnr. 214 angeführten Rechtsprechung verpflichtet gewesen wäre, die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlungen bei der Beurteilung ihrer Schwere zu berücksichtigen. 220    Selbst unterstellt, dass die konkreten Auswirkungen der Verstöße messbar gewesen wären und dass das vorstehend in den Randnrn. 211 und 212 wiedergegebene Vorbringen der Klägerinnen begründet wäre, soweit es geringfügige Auswirkungen der Kartelle auf den betroffenen Märkten dartut, ist außerdem festzustellen, dass die Einstufung der vorliegenden Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ gleichwohl angemessen bleibt. 221    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass unabhängig von der angeblich unterschiedlichen Struktur der Kartelle die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Verstöße zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 81 EG gehören, da sie „aus geheimen Absprachen zwischen Kartellmitgliedern zu dem Zweck [bestanden], durch die Zuteilung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen (außer in Deutschland, wo das Wartungs- und Modernisierungsgeschäft nicht Gegenstand der Absprachen zwischen den Kartellmitgliedern war)“ (658. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Hierzu legen die Leitlinien von 1998 dar, dass die „besonders schweren“ Verstöße im Wesentlichen in horizontalen Beschränkungen wie z. B. Preiskartellen, Marktaufteilungsquoten und sonstigen Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarkts bestehen. Diese Verstöße werden außerdem in Art. 81 Abs. 1 Buchst. c EG unter den Beispielen für Absprachen genannt, die ausdrücklich für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt werden. Außer der schweren Störung des Wettbewerbs, die diese Absprachen mit sich bringen, bewirken sie, da sie die Parteien dazu verpflichten, gesonderte, oft durch Staatsgrenzen abgegrenzte Märkte zu respektieren, eine Abschottung dieser Märkte und konterkarieren so das Hauptziel des EG-Vertrags, die Integration des Gemeinschaftsmarkts. Daher werden derartige Zuwiderhandlungen, insbesondere wenn es sich um horizontale Absprachen handelt, von der Rechtsprechung als „besonders schwer“ oder als „offenkundige Zuwiderhandlungen“ qualifiziert (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfilunion/Kommission, T‑148/89, Slg. 1995, II‑1063, Randnr. 109, vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission, T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, Slg. 1998, II‑3141, Randnr. 136, und vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnr. 85). 222    Zweitens ist nach ständiger Rechtsprechung die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes kein ausschlaggebendes Kriterium. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Marktaufteilung handelt (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 118, und Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 96; Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T‑45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II‑3757, Randnr. 199, und Degussa/Kommission, oben in Randnr. 95 angeführt, Randnr. 251). 223    Die Art der Zuwiderhandlung spielt somit insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ eine vorrangige Rolle. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schweren Verstöße in den Leitlinien von 1998, dass die Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen, die insbesondere wie hier auf die Marktaufteilung abzielen, allein schon aufgrund ihrer Natur als „besonders schwerwiegend“ eingestuft werden können, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere Auswirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet zu sein brauchen (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 75). Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass zwar in der Beschreibung der schweren Verstöße ausdrücklich erwähnt wird, dass sie Auswirkungen auf den Markt haben und in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen, die Beschreibung der besonders schweren Verstöße aber kein Erfordernis konkreter Auswirkungen auf den Markt oder auf ein besonderes geografisches Gebiet enthält (vgl. in diesem Sinne Urteil Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 171 und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, wonach es im vorliegenden Fall nicht um eine Marktaufteilung, sondern „in der Hauptsache … um die Vereinbarung von Quoten“ gegangen sei, da ein Einfrieren der Marktanteile notwendig eine vorherige Aufteilung der betroffenen Märkte voraussetzt. 224    Folglich sind im Hinblick auf ihren Gegenstand die mit der angefochtenen Entscheidung beanstandeten Zuwiderhandlungen ihrer Art nach besonders schwer, selbst wenn sich nachweisen ließe, dass die Kartelle nicht den gesamten Markt der fraglichen Produkte betrafen und nicht alle erwünschten Auswirkungen zeitigten. 225    Außerdem ist, da eine Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen auf dem Gebiet des Wettbewerbs dienen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission, C‑167/04 P, Slg. 2006, I‑8935, Randnrn. 201 und 205, und vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Randnr. 60; Urteil Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 92), und jedenfalls im Hinblick auf die in den vorstehenden Randnrn. 221 bis 224 angestellte Prüfung das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, das auf die Entscheidungspraxis der Kommission abstellt, wonach die Zuwiderhandlung in Luxemburg angesichts der geringen Größe dieses Mitgliedstaats als „schwer“ hätte eingestuft werden müssen. Hierbei ist überdies darauf hinzuweisen, dass insbesondere die Berücksichtigung des „Umfang[s] des luxemburgischen Marktes in Bezug auf die anderen Mitgliedstaaten“ (666. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) die Kommission dazu veranlasst hat, einen allgemeinen Ausgangsbetrag für diese Zuwiderhandlung festzusetzen, der bei der Hälfte der Mindestschwelle von 20 Millionen Euro liegt, die normalerweise in den Leitlinien für diese Art besonders schwerer Zuwiderhandlung vorgesehen ist (vgl. Nr. 1 Abschnitt A Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 1998). 226    Schließlich ist, selbst angenommen, dass die Kommission dieses fakultative Element, das in den Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt besteht, berücksichtigen wollte und dass sie konkrete, glaubhafte und ausreichende Indizien hätte vorlegen müssen, die ihr erlauben, die tatsächlichen Auswirkungen, die die Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb auf dem genannten Markt haben konnte, zu beurteilen (Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 82), davon auszugehen, dass sie dieser Verpflichtung jedenfalls nachgekommen wäre. 227    Aus der angefochtenen Entscheidung geht nämlich hervor, dass die Kommission für die Zuwiderhandlung in Belgien u. a. festgestellt hat, dass die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen sich unabhängig vom Wert der Projekte auf alle Segmente des Aufzugs- und Fahrtreppenmarkts bezogen und dass die fraglichen Unternehmen im Hinblick auf ihren hohen gemeinsamen Anteil am Markt (50. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) kaum Gefahr liefen, durch von kleineren Aufzugs- und Fahrtreppenherstellern ausgehenden Wettbewerbsdruck daran gehindert zu werden, vom Wettbewerb unbeeinflusste Preise mit Auswirkungen im Markt festzusetzen (662. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat außerdem festgestellt, dass Vertreter der vier Unternehmen sich regelmäßig trafen (Erwägungsgründe 153 und 160 der angefochtenen Entscheidung), sich ebenfalls regelmäßig telefonisch wegen spezifischer Projekte unterhielten (153. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und einen Ausgleichsmechanismus im Fall von Abweichungen der vereinbarten Marktanteile von den tatsächlichen Marktanteilen vorgesehen hatten (Erwägungsgründe 162 und 175 der angefochtenen Entscheidung). Ferner wurden Projektlisten erstellt, die es den betroffenen Unternehmen ermöglichten, kontinuierlich zu überprüfen und sicherzustellen, dass sich jedes an seine Vereinbarungen hielt, und bei nicht vollständiger Beachtung des zuvor Vereinbarten die erforderlichen Korrekturmaßnahmen zu ergreifen (166. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Besonders ausgefeilte Maßnahmen waren ferner zur Verschleierung der Absprachen getroffen worden (153. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 228    Zur Zuwiderhandlung in Deutschland hat die Kommission u. a. festgestellt, dass auf die Kartellteilnehmer wertbezogen über 60 % des Fahrstuhlmarkts und nahezu 100 % des Marktes für Fahrtreppen entfielen (Erwägungsgründe 51 und 232 der angefochtenen Entscheidung) und dass das Kartell das Einfrieren der jeweiligen Marktanteile der betreffenden Unternehmen (Erwägungsgründe 236 ff. der angefochtenen Entscheidung) bezweckte. Außerdem hat die Kommission die Häufigkeit der Treffen hervorgehoben (Erwägungsgründe 217 und 218 angefochtenen Entscheidung) und auf die Vorsichtsmaßnahmen der Teilnehmer zur Verheimlichung ihrer Kontakte hingewiesen (Erwägungsgründe 219 bis 221 der angefochtenen Entscheidung). 229    In Bezug auf die Zuwiderhandlung in Luxemburg hat die Kommission festgestellt, dass im Jahr 2003 auf die von den Absprachen betroffenen Unternehmen nahezu 100 % des Gesamtumsatzes mit Aufzügen und Fahrtreppen entfielen, wobei sie darauf hinwies, dass die lokalen Tochtergesellschaften von Kone, Otis, Schindler und ThyssenKrupp die einzigen in Luxemburg niedergelassenen Anbieter von Fahrtreppen waren (52. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat außerdem die Häufigkeit der Treffen (302. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), die Vorsichtsmaßnahmen zur Verheimlichung der Treffen und Kontakte (Erwägungsgründe 304 bis 307 der angefochtenen Entscheidung) und die Existenz eines Ausgleichsmechanismus (Erwägungsgründe 317 und 336 der angefochtenen Entscheidung) unterstrichen. 230    In Bezug auf die Zuwiderhandlung in den Niederlanden hat die Kommission schließlich auf den sehr hohen gemeinsamen Marktanteil der Kartellteilnehmer hingewiesen (53. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Sie hat außerdem die Häufigkeit der Treffen zwischen den Beteiligten (Erwägungsgründe 383 und 397 bis 401 der angefochtenen Entscheidung), das von den Beteiligten ausgearbeitete Verteilungsverfahren (Erwägungsgründe 411 ff. der angefochtenen Entscheidung), die Vorsichtsmaßnahmen zur Verheimlichung der Treffen der Beteiligten (391. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) oder auch die Existenz eines De‑facto‑Ausgleichsmechanismus (434. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) unterstrichen. 231    Die Kommission ist somit im 660. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass allein schon die Tatsache, dass die verschiedenen wettbewerbswidrigen Vorkehrungen durchgeführt worden seien, auf Auswirkungen auf den Markt schließen lasse, auch wenn die tatsächliche Wirkung schwer zu messen wäre, weil insbesondere nicht bekannt sei, ob und gegebenenfalls wie viele andere Projekte manipuliert oder wie viele Projekte möglicherweise zwischen den Kartellmitgliedern aufgeteilt worden seien, ohne dass es Kontakten zwischen ihnen bedurft hätte. Die zusammengenommen hohen gemeinsamen Marktanteile der Wettbewerber machten wettbewerbswidrige Wirkungen wahrscheinlich, und die verhältnismäßig hohe Stabilität dieser Marktanteile während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlungen bestätige diese Wirkungen. 232    Aus alledem geht hervor, dass die in den vorstehenden Randnrn. 211 und 212 wiedergegebenen Argumente der Klägerinnen nicht geeignet sind, die Rechtmäßigkeit der Einstufung der in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Verstöße als „besonders schwer“ zu erschüttern; sie sind daher zurückzuweisen. 233    Die Klägerinnen sind als Zweites der Ansicht, dass die Kommission den Grundsatz der Unschuldsvermutung verkenne, indem sie den betroffenen Unternehmen die Beweislast für das Fehlen von Auswirkungen ihres Kartells zuschiebe. 234    Es ist festzustellen, dass nach Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998 die Kommission die konkreten Auswirkungen eines Kartells nachzuweisen hat, wenn sie messbar sind. Die Kommission hat allerdings im 660. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, die konkreten Auswirkungen seien nicht messbar, ohne dass die Klägerinnen diese Beurteilung stichhaltig angegriffen hätten (siehe oben, Randnrn. 211 bis 232). 235    Unter diesen Voraussetzungen konnte die fehlende Berücksichtigung der konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung darstellen, da die Schwere der Zuwiderhandlungen im vorliegenden Fall nach Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998 bestimmt werden konnte, ohne dass derartige Auswirkungen hätten festgestellt werden müssen. 236    Dem Vorbringen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung kann somit ebenfalls nicht gefolgt werden. 237    Somit sind sämtliche Rügen, die sich auf die Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ richten, zurückzuweisen. Zum Vorwurf der Rechtswidrigkeit der Ausgangsbeträge der Geldbußen 238    Die Klägerinnen betonen, die Kommission habe gegen Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998 verstoßen, da sie in der angefochtenen Entscheidung bei der Festsetzung der Grundbeträge der Geldbußen nicht die Größe des Marktes berücksichtigt habe, der von den fraglichen Unternehmen kontrolliert und von den Absprachen betroffen gewesen sei. Sie berufen sich außerdem auf fehlende Verhältnismäßigkeit und Kohärenz der Grundbeträge der Geldbußen gegenüber der Größe des betroffenen Marktes und in Bezug auf die Umsätze der Tochtergesellschaften von Schindler. In ihrer Erwiderung haben die Klägerinnen außerdem vorgebracht, dass das vorstehend in den Randnrn. 211 und 212 dargelegte Vorbringen unabhängig von der Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ eine Ermäßigung der Ausgangsbeträge der Geldbußen rechtfertige. Die Kommission habe ferner nicht hinlänglich zwischen den betroffenen Unternehmen unterschieden. Auf eine Frage in der mündlichen Verhandlung zur Reichweite ihres Klagegrundes haben die Klägerinnen klargestellt, dass ihre Rügen entgegen ihrem schriftsätzlichen Vorbringen nicht die Grundbeträge der Geldbußen, sondern deren Ausgangsbeträge betreffen. 239    Insbesondere für die Zuwiderhandlung in Luxemburg sind die Klägerinnen der Ansicht, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße von 10 Millionen Euro unverhältnismäßig sei, da er nahezu ein Drittel des vom Kartell betroffenen Marktvolumens in Luxemburg ausmache. Die Klägerinnen fügen hinzu, dass dieser Betrag [vertraulich](1). Für das Kartell in Deutschland entspreche der spezifische Ausgangsbetrag [vertraulich]. Schließlich unterstreichen die Klägerinnen für das Kartell in den Niederlanden das überhöhte Niveau des spezifischen Ausgangsbetrags der Geldbuße, der [vertraulich] betrage, während Schindler in den Niederlanden nur einen geringen Marktanteil habe. 240    Wie in der vorstehenden Randnr. 203 ausgeführt, regeln die Leitlinien erstens die Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solche, auf deren Grundlage ein allgemeiner Ausgangsbetrag errechnet werden kann (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 2). Zweitens wird die Schwere des Verstoßes im Hinblick auf die Merkmale des betroffenen Unternehmens untersucht, insbesondere im Hinblick auf seine Größe und seine Stellung auf dem relevanten Markt, was Anlass für die Gewichtung des Ausgangsbetrags, die Unterteilung der Unternehmen in Kategorien und die Festsetzung eines spezifischen Ausgangsbetrags sein kann (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 3 bis 7) (Urteil Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 73). 241    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Rügen der Klägerinnen, die aus einem Verstoß gegen die Leitlinien von 1998 oder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wegen fehlender Berücksichtigung der Größe der von den Absprachen betroffenen Märkte und fehlender Kohärenz der Ausgangsbeträge der Geldbußen im Hinblick auf die Größe der fraglichen Märkte hergeleitet werden, die allgemeinen Ausgangsbeträge der Geldbußen betreffen, weil es bei ihnen um die eigentliche Schwere der Verstöße geht. Gleiches gilt für die Rügen in Bezug auf die Struktur der Absprachen oder ihre begrenzten Auswirkungen, die es nach Ansicht der Klägerinnen, obwohl sie vorgetragen werden, um die Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ anzugreifen, rechtfertigen, dass die Ausgangsbeträge der Geldbußen ermäßigt werden. Sodann gehören die Rügen der Klägerinnen wegen fehlender Verhältnismäßigkeit der Ausgangsbeträge der Geldbußen und fehlender Kohärenz in Bezug auf die Umsätze der Tochtergesellschaften von Schindler oder unzureichender Differenzierung zwischen den betroffenen Unternehmen zur Bestimmung der spezifischen Ausgangsbeträge der Geldbußen, weil es hierbei um die Kategorisierung der Unternehmen geht. Schließlich machen die Klägerinnen einen Klagegrund wegen Begründungsmangels der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Bestimmung der Ausgangsbeträge der Geldbußen geltend. –       Zum Vorwurf eines Begründungsmangels 242    In ihren Schriftsätzen haben die Klägerinnen vorgetragen, dass die in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Grundbeträge der Geldbußen nicht begründet worden seien. Wie vorstehend in Randnr. 238 angegeben, ging allerdings aus ihren Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass ihre Rüge auf einen Begründungsmangel der Ausgangsbeträge der Geldbußen abstellt. Die Klägerinnen seien nicht in der Lage gewesen, zu überprüfen, anhand welcher Grundsätze und materiellen Grundlagen diese Beträge bestimmt worden seien. Die Ausgangsbeträge der Geldbußen seien der Ausgangspunkt der weiteren Berechnungen; daher verliere die Sorgfalt, mit der die Kommission die Erhöhungen und Ermäßigungen des Ausgangsbetrags berechne, jeglichen Nutzen, wenn dieser Betrag willkürlich festgesetzt sei. 243    Nach ständiger Rechtsprechung sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermessen, wobei sie nicht verpflichtet ist, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (Urteile des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C‑279/98 P, Slg. 2000, I‑9693, Randnr. 44, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, oben in Randnr. 149 angeführt, Randnrn. 463 und 464; Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 131). 244    Zunächst hat die Kommission in den Erwägungsgründen 657 bis 671 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass die Ausgangsbeträge der Geldbußen unter Berücksichtigung der Art der Verstöße und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt worden seien. Außerdem geht aus den Erwägungsgründen 672 bis 685 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission die Schwere der Zuwiderhandlungen in Bezug auf die Merkmale der Beteiligten analysiert hat, wobei sie für jeden Verstoß zwischen den betroffenen Unternehmen anhand ihres Umsatzes mit den Produkten, die Gegenstand des Kartells waren, in dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Land unterschieden hat. 245    Die Beurteilungskriterien, die es der Kommission ermöglicht haben, die Schwere der festgestellten Verstöße zu bemessen, sind daher in der angefochtenen Entscheidung hinreichend genau dargelegt worden. Unter diesen Umständen ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG zurückzuweisen. –       Zu den allgemeinen Ausgangsbeträgen der Geldbußen 246    Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen nicht die Rechtmäßigkeit der in Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998 dargelegten Methode zur Ermittlung der allgemeinen Ausgangsbeträge der Geldbußen angreifen. Diese Methode entspricht einer pauschalierenden Betrachtungsweise, wonach der anhand der Schwere des Verstoßes ermittelte allgemeine Ausgangsbetrag der Geldbuße nach Maßgabe von Art und räumlichem Umfang des Verstoßes sowie dessen konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, berechnet wird (Urteile des Gerichts BASF/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 134, und vom 6. Mai 2009, Wieland‑Werke/Kommission, T‑116/04, Slg. 2009, II‑1087, Randnr. 62). 247    Die Größe des betroffenen Marktes ist ferner bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung grundsätzlich kein obligatorischer, sondern nur ein relevanter Faktor unter anderen, wobei die Kommission im Übrigen nach der Rechtsprechung nicht zur Abgrenzung des betroffenen Marktes oder der Beurteilung seiner Größe verpflichtet ist, wenn die betreffende Zuwiderhandlung einen wettbewerbswidrigen Zweck verfolgt (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnrn. 55 und 64). So kann die Kommission bei der Ermittlung des allgemeinen Ausgangsbetrags der Geldbuße den Wert des Marktes, auf den sich die Zuwiderhandlung bezieht, berücksichtigen, ohne hierzu jedoch verpflichtet zu sein (vgl. in diesem Sinne Urteile BASF/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 134, und Wieland‑Werke/Kommission, oben in Randnr. 246 angeführt, Randnr. 63). Denn die Leitlinien von 1998 sehen zwar nicht vor, dass die Höhe von Geldbußen anhand des Gesamtumsatzes oder des Umsatzes der Unternehmen auf dem betreffenden Markt berechnet wird. Sie schließen jedoch auch nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 187). 248    Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, soweit sie sich gegen einen angeblich überhöhten Charakter der Ausgangsbeträge der Geldbußen wenden, die für die Zuwiderhandlung in Luxemburg festgesetzt worden sind. Denn die auf der Ebene dieses Mitgliedstaats erzielten Umsätze sind berücksichtigt worden, um die betreffenden Unternehmen zu kategorisieren und somit die spezifischen Ausgangsbeträge für die genannten Unternehmen festzusetzen (Erwägungsgründe 680 und 684 der angefochtenen Entscheidung). Auf jeden Fall hat, wie vorstehend in Randnr. 225 angegeben, insbesondere die Berücksichtigung des „Umfang[s] des luxemburgischen Marktes in Bezug auf die anderen Mitgliedstaaten“ (666. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) die Kommission dazu veranlasst, einen allgemeinen Ausgangsbetrag für diese Zuwiderhandlungen festzusetzen, der bei der Hälfte der Mindestschwelle von 20 Millionen Euro liegt, die normalerweise von den Leitlinien für diese Art besonders schwerer Zuwiderhandlung vorgesehen ist (vgl. Nr. 1 Abschnitt A Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 1998). 249    Als Zweites weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Festsetzung der allgemeinen Ausgangsbeträge für die verschiedenen Kartelle nicht kohärent sei, und führen weiter aus, dass der Ausgangsbetrag in Bezug auf das Marktvolumen in Luxemburg unverhältnismäßig sei. 250    Entgegen dem Vorbringen der Kommission genügt dieses Vorbringen den Voraussetzungen von Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung. Denn hiermit betonen die Klägerinnen, dass die Kommission, vorausgesetzt, dass die unterschiedlichen Zuwiderhandlungen als ähnlich anzusehen seien, insbesondere für die Zuwiderhandlung in Luxemburg einen den für die anderen Zuwiderhandlungen zugrunde gelegten Ausgangsbeträgen ähnlichen, in einem Prozentsatz zur Marktgröße ausgedrückten Ausgangsbetrag hätte anwenden müssen. 251    Wie dargelegt, muss die Kommission im Hinblick auf die pauschalierende Betrachtungsweise, die der in Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998 dargelegten Methode zugrunde liegt, bei der Festsetzung des allgemeinen Ausgangsbetrags der Geldbuße die Größe des tangierten Marktes nicht berücksichtigen (siehe oben, Randnrn. 246 und 247). 252    Selbst unterstellt, dass die Kommission, wenn sie mehrere besonders schwere Verstöße mit ein und derselben Entscheidung feststellt, eine bestimmte Kohärenz zwischen den allgemeinen Ausgangsbeträgen und der Größe der verschiedenen betroffenen Märkte beachten müsste, deutet im vorliegenden Fall nichts darauf hin, dass es den für die Zuwiderhandlungen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden festgesetzten allgemeinen Ausgangsbeträgen an Kohärenz mangelte. 253    So hat die Kommission umso höhere allgemeine Ausgangsbeträge festgesetzt, je größer der Markt war, ohne hierfür auf eine präzise mathematische Formel zurückzugreifen, wozu sie jedenfalls nicht verpflichtet war. Für den größten Markt, den deutschen, der 576 Millionen Euro ausmacht, wurde der allgemeine Ausgangsbetrag mit 70 Millionen Euro festgesetzt; für die beiden nächstgrößten Märkte, den der Niederlande und den Belgiens, die 363 Millionen Euro bzw. 254 Millionen Euro ausmachen, wurde der allgemeine Ausgangsbetrag auf 55 Millionen Euro bzw. 40 Millionen Euro festgesetzt; schließlich hielt es die Kommission für den luxemburgischen Markt, der mit 32 Millionen Euro von offensichtlich geringerer Größe ist, obgleich die Leitlinien von 1998 für besonders schwere Verstöße die Festsetzung eines Betrags anhand der Schwere „oberhalb von 20 Millionen [Euro]“ vorsehen, für angezeigt, es bei einem Betrag von 10 Millionen Euro zu belassen. 254    Als Drittes haben die Klägerinnen vorgetragen, dass die minimalen Auswirkungen der Zuwiderhandlungen die Festsetzung eines geringeren Ausgangsbetrags rechtfertigten. Auch dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Denn die Kommission muss, wie vorstehend in den Randnrn. 213 bis 219 angegeben, bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Prüfung der konkreten Auswirkungen auf den Markt nur dann anstellen, wenn sich erweist, dass diese Auswirkungen messbar sind, was vorliegend nicht der Fall war. Außerdem bliebe, wie vorstehend in den Randnrn. 220 bis 224 ausgeführt, selbst unterstellt, dass im vorliegenden Fall die konkreten Ausführungen der Zuwiderhandlungen messbar gewesen wären, deren Einstufung als „besonders schwer“ weiterhin angemessen. Die Klägerinnen bringen keine weiteren Argumente vor, nach denen trotz der Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ eine Ermäßigung des allgemeinen Ausgangsbetrags der von der Kommission verhängten Geldbußen gerechtfertigt wäre. –       Zu den spezifischen Ausgangsbeträgen der Geldbußen 255    Im Rahmen der Berechnung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen ergibt sich eine differenzierte Behandlung der betroffenen Unternehmen unmittelbar aus der Ausübung der der Kommission nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Wertungsspielraums hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Union sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 109, und Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, oben in Randnr. 225 angeführt, Randnr. 44). 256    Demgemäß bestimmen die Leitlinien von 1998, dass für eine Zuwiderhandlung von bestimmter Schwere in Fällen, in denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, wie bei Kartellen, der allgemeine Ausgangsbetrag gewichtet werden sollte, um einen spezifischen Ausgangsbetrag festzulegen, der das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb berücksichtigt, vor allem, wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 6). Insbesondere ist es nötig, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, Wettbewerber und Verbraucher wirtschaftlich in erheblichem Umfang zu schädigen, zu berücksichtigen (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 4). 257    Die Leitlinien von 1998 stellen weiter klar, dass der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise gegebenenfalls dazu führen kann, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, ohne dass dieser Abstufung eine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 7). 258    Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, sehen die Leitlinien von 1998 nicht vor, dass die Höhe von Geldbußen anhand des Umsatzes der Unternehmen auf dem betreffenden Markt berechnet wird. Sie schließen jedoch auch nicht aus, dass diese Umsätze bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden, damit die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt bleiben und wenn die Umstände es erfordern (Urteile des Gerichts LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 112 angeführt, Randnr. 283, vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 82, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 157). Das Gericht hat im Übrigen bereits befunden, dass zwischen der Größe eines Unternehmens und der Höhe der ihm auferlegten Geldbuße eine strenge Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werden muss (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Randnr. 534). 259    Im vorliegenden Fall geht aus den Erwägungsgründen 672 bis 685 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission hinsichtlich jeder in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung „die Unternehmen unterschiedlich [behandelt hat], um die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Urheber der Verstöße, den Wettbewerb schwerwiegend zu schädigen, zu berücksichtigen“ (672. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Für jede Zuwiderhandlung hat sie die Unternehmen zur Festsetzung der spezifischen Ausgangsbeträge der Geldbußen anhand ihrer auf jedem nationalen Markt für die betreffenden Produkte erzielten Umsätze kategorisiert (Erwägungsgründe 673 bis 685 der angefochtenen Entscheidung). Abgesehen von der Bestimmung des spezifischen Ausgangsbetrags für Schindler wegen deren Teilnahme am Kartell in Deutschland hat sich die Kommission für die Bestimmung der spezifischen Ausgangsbeträge der übrigen Unternehmen für jede Zuwiderhandlung auf die Umsätze des Jahres 2003 gestützt, das nach Ansicht der Kommission das letzte Jahr war, in dessen Verlauf die genannten Unternehmen aktive Mitglieder der betreffenden Kartelle waren (Erwägungsgründe 674, 676, 680 und 684 der angefochtenen Entscheidung). 260    Die Klägerinnen machen aber geltend, dass für die Zuwiderhandlung in Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden die Bestimmung des spezifischen Ausgangsbetrags der Geldbußen wegen ihrer Beteiligung an der betreffenden Zuwiderhandlung auf einer unzutreffenden Anwendung der Leitlinien von 1998 beruhe und unverhältnismäßig sei. Sie tragen außerdem vor, dass zwischen den betroffenen Unternehmen nicht hinreichend unterschieden worden sei. 261    Erstens machen die Klägerinnen für die Zuwiderhandlungen in Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden einen Verstoß gegen die Leitlinien von 1998 und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geltend [vertraulich]. 262    Zum einen ist aber, wie aus der vorstehenden Randnr. 244 hervorgeht, der Ausgangsbetrag der Geldbußen unter Berücksichtigung der Art der Verstöße und des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes bestimmt worden. Zum anderen wurden die von den fraglichen Unternehmen auf dem deutschen Markt erzielten Umsätze von der Kommission lediglich bei der differenzierten Behandlung der betroffenen Unternehmen berücksichtigt, um ihrer relativen Bedeutung auf dem betroffenen Markt und ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit, den Wettbewerb schwerwiegend zu schädigen, Rechnung zu tragen (672. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), was im Übrigen der vorstehend in den Randnrn. 255 und 258 angeführten Rechtsprechung entspricht. Dem von den Klägerinnen zwischen den Umsätzen, die sie auf den betreffenden Märkten erzielt hätten, und dem Ausgangsbetrag der Geldbußen angestellten Vergleich ist daher nicht zu folgen. 263    Da das Unionsrecht keinen allgemein anwendbaren Grundsatz enthält, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Unternehmens auf dem Markt der Erzeugnisse stehen muss, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind (Urteil Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 118 angeführt, Randnr. 75), ist folglich das Vorbringen zurückzuweisen, das aus dem überhöhten Niveau der spezifischen, gegenüber Schindler wegen der Zuwiderhandlungen in Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden festgesetzten Ausgangsbeträge hergeleitet wird. 264    Zweitens betonen die Klägerinnen in Bezug auf die Zuwiderhandlung in Luxemburg, dass Schindler in die gleiche Kategorie wie Otis eingereiht worden sei, obwohl die Wirtschaftskraft Letzterer mit einem Umsatz von 9 bis 13 Millionen Euro in Luxemburg und einem Marktanteil von 35 % bis 40 % deutlich stärker gewesen sei. 265    In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass sich das Gericht bei der Prüfung, ob eine Aufteilung der Mitglieder eines Kartells in Gruppen den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit genügt, bei seiner Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Ausübung des Ermessens, über das die Kommission auf diesem Gebiet verfügt, darauf beschränken muss, zu kontrollieren, ob diese Aufteilung schlüssig und objektiv gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnrn. 406 und 416, BASF/Kommission, oben in Randnr. 243 angeführt, Randnr. 157, und Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Randnr. 83 angeführt, Randnr. 184). Außerdem kann, wie vorstehend in Randnr. 258 ausgeführt, nach den Leitlinien von 1998 der Grundsatz der Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise dazu führen, dass abgestufte Beträge gegenüber den beteiligten Unternehmen festgesetzt werden, wobei dieser Abstufung keine arithmetische Formel zugrunde liegt (Nr. 1 Abschnitt A Abs. 7). Insoweit muss, wie sich aus der vorstehenden Randnr. 258 ergibt, zwischen der Größe eines Unternehmens und der Höhe der ihm auferlegten Geldbuße eine strenge Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt werden. 266    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Umsätze von Schindler und von Otis auf dem luxemburgischen Markt, wie aus dem 680. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, im Jahr 2003 relativ ähnlich und beide drei- bis viermal höher als die Umsätze von Kone und von ThyssenKrupp auf diesem Markt waren. Folglich hat die Kommission, ohne offenkundig den ihr zugestandenen Wertungsspielraum zu überschreiten, Schindler und Otis in die erste Gruppe und Kone und ThyssenKrupp in die zweite eingeordnet, wobei diese Gruppenbildung kohärent und objektiv gerechtfertigt erscheint. 267    Drittens tragen die Klägerinnen in Bezug auf die Zuwiderhandlung in den Niederlanden vor, dass ihr geringer Marktanteil in diesem Mitgliedstaat „nicht erkennbar berücksichtigt worden“ sei. Der Ausgangsbetrag sei [vertraulich] trotz ihres Marktanteils von [vertraulich]. 268    Es ist festzustellen, dass die Kommission die Kartellteilnehmer angesichts der großen Unterschiede zwischen den von ihnen in den Niederlanden erzielten Umsätzen ohne offenkundige Überschreitung ihres Wertungsspielraums in vier Gruppen für die Bestimmung des besonderen Ausgangsbetrags der Geldbußen und Schindler als dritten Wirtschaftsteilnehmer auf dem niederländischen Markt des betreffenden Produkts in die dritte Gruppe eingeordnet hat. 269    Nach alledem sind sämtliche Rügen, die sich auf die Bestimmung der spezifischen Ausgangsbeträge der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen beziehen, zurückzuweisen. 270    Deshalb ist der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen. Zum Klagegrund des Verstoßes gegen die Leitlinien von 1998, den Grundsatz der schuldangemessenen Strafe, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Begründungspflicht bei der Berücksichtigung mildernder Umstände 271    Die Klägerinnen machen geltend, dass die Kommission gegen die Leitlinien von 1998, den Grundsatz der schuldangemessenen Strafe und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie gegen die Begründungspflicht verstoßen habe, indem sie sich zu Unrecht geweigert habe, als mildernden Umstand erstens die vorzeitige freiwillige Beendigung der Zuwiderhandlung in Deutschland im Jahr 2000 und zweitens die intensiven Anstrengungen von Schindler, jeden Verstoß gegen Art. 81 EG zu vermeiden, zu berücksichtigen. 272    Als Erstes hat die Kommission in Bezug auf die vorzeitige freiwillige Beendigung der Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „Schindler … das deutsche Kartell im Jahr 2000 [verließ]“, aber die Ansicht vertreten, dass „[d]ie Tatsache, dass ein Unternehmen freiwillig seine Kartelltätigkeiten vor Beginn der Kommissionsuntersuchung eingestellt hat, … bei der Berechnung der Dauer der Zuwiderhandlungszeit hinreichend berücksichtigt [wurde] und … nicht als mildernder Umstand gelten [kann]“ (742. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 273    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass die Leitlinien von 1998 in Nr. 3 eine Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie insbesondere der Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission vorsähen. Dieser mildernde Umstand müsse erst recht Berücksichtigung finden, wenn die Beendigung der Zuwiderhandlung, wie im vorliegenden Fall, vor dem genannten Eingreifen erfolge. 274    Dem ist nicht zu folgen. Insoweit hat der Gerichtshof kürzlich bestätigt, dass ein mildernder Umstand nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien von 1998 nicht anerkannt werden kann, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war (Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 198 angeführt, Randnr. 105). Von einem mildernden Umstand im Sinne von Nr. 3 kann nämlich denkrichtig nur dann gesprochen werden, wenn die fraglichen Unternehmen durch das Eingreifen der Kommission zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden, so dass eine Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war. Bei einer Herabsetzung unter solchen Umständen würde nämlich die Dauer der Zuwiderhandlungen bei der Bemessung der Geldbußen doppelt berücksichtigt (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Randnrn. 328 bis 330, und Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 227). 275    Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Zubilligung einer solchen Verringerung des Grundbetrags der Geldbuße notwendig an die Umstände des Einzelfalls gebunden ist, die die Kommission veranlassen können, einem Unternehmen, das Partei einer rechtswidrigen Vereinbarung ist, diese Verringerung nicht zu gewähren (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑510/06 P, Slg. 2009, I‑5843, Randnr. 104). Insoweit erscheint die Anwendung dieser Bestimmung der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren‑Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 281, vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 497, und Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 228). So könnte die Zubilligung eines mildernden Umstands in Situationen, in denen ein Unternehmen Partei einer offensichtlich rechtswidrigen Vereinbarung ist, von der es weiß oder wissen muss, dass sie den Tatbestand einer Zuwiderhandlung erfüllt, einen Anreiz für Unternehmen bieten, eine geheime Vereinbarung so lange wie möglich in der Hoffnung fortzusetzen, dass ihr Verhalten nie aufgedeckt wird, aber in dem Bewusstsein, dass, sollte es doch aufgedeckt werden, die Geldbuße gegen sie bei anschließendem Abbruch der Zuwiderhandlung herabgesetzt werden könnte. Dies würde der verhängten Geldbuße jede Abschreckungswirkung nehmen und die praktische Wirksamkeit von Art. 81 Abs. 1 EG beeinträchtigen (vgl. Urteil vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, Randnr. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist in der angefochtenen Entscheidung selbst die unverzügliche Einstellung der Zuwiderhandlung durch ein anderes Unternehmen, nämlich Kone, nach dem Eingreifen der Kommission im Hinblick auf den offenkundigen und vorsätzlichen Charakter des Verstoßes gegen Art. 81 EG nicht als mildernder Umstand gewertet worden (744. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 276    Selbst unterstellt, dass die Leitlinien von 1998 die freiwillige Beendigung der Zuwiderhandlung vor jedem Eingreifen der Kommission als mildernden Umstand einstuften, könnte gesagt werden, dass der offenkundige und vorsätzliche Charakter der Zuwiderhandlung, den die Klägerinnen nicht bestreiten, sowie die Tatsache, dass nach den Akten Schindler das Kartell lediglich wegen fehlenden Einvernehmens mit den anderen Teilnehmern verlassen hat, weil diese sich weigerten, ihr einen größeren Marktanteil zuzubilligen, ebenfalls einer Verringerung des Grundbetrags aus diesem Grund entgegenstünden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen besteht also jedenfalls kein Grund, die vorstehend in Randnr. 274 angeführte Rechtsprechung in Frage zu stellen. 277    Schließlich berufen sich die Klägerinnen auf die frühere Entscheidungspraxis der Kommission, in deren Rahmen diese die freiwillige Beendigung einer Zuwiderhandlung vor jedem Eingreifen der Kommission als mildernden Umstand angesehen habe. 278    Insoweit sind, wie vorstehend in Randnr. 225 ausgeführt, die von den Klägerinnen angeführten früheren Entscheidungen der Kommission nicht erheblich, da deren frühere Entscheidungspraxis nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen auf dem Gebiet des Wettbewerbs dient. 279    Die erste Rüge im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ist daher zurückzuweisen. 280    Als Zweites tragen die Klägerinnen vor, dass die Kommission das „Compliance“-Programm von Schindler nicht als mildernden Umstand berücksichtigt und nicht einmal geprüft habe; hierin liege ein Begründungsmangel. Außerdem müssten Compliance‑Maßnahmen bei der Berechnung der Geldbußen berücksichtigt werden, denn zum einen hätten die Klägerinnen, indem sie interne Maßnahmen getroffen hätten, alles ihnen Mögliche zur Vermeidung von Zuwiderhandlungen getan, und zum anderen hätten derartige Maßnahmen den Nebeneffekt, die interne Aufklärung von Zuwiderhandlungen zu erschweren, weil die Mitarbeiter Gefahr liefen, gemaßregelt zu werden. Die Klägerinnen beziehen sich außerdem auf bestimmte frühere Entscheidungen der Kommission, in denen ein „Compliance“-Programm als mildernder Umstand berücksichtigt worden sei. 281    Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht ist festzustellen, dass es im 754. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung heißt: „Die Kommission begrüßt zwar Maßnahmen der Unternehmen, mit denen Kartellzuwiderhandlungen in Zukunft verhindert werden sollen, diese können jedoch nichts an den begangenen Zuwiderhandlungen und dem Erfordernis ändern, sie mit dieser Entscheidung zu ahnden … Die Tatsache, dass die Kommission in vorangehenden Entscheidungen derartige Maßnahmen als mildernde Umstände in Erwägung zog, bedeutet nicht, dass sie gezwungen wäre, in jedem Fall auf gleiche Weise vorzugehen.“ Selbst wenn mit dem 754. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf ein Argument von Otis eingegangen wird, das im 753. Erwägungsgrund wiedergegeben ist, erlaubt er auch den Klägerinnen, Kenntnis von den Gründen zu nehmen, derentwegen das „Compliance“-Programm von Schindler – ebenso wie das von Otis – nicht als mildernder Umstand angesehen werden konnte, und dem Gericht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle über die gegen die Gesellschaften der Schindler‑Gruppe verhängten Geldbußen auszuüben. Somit ist das aus einem Begründungsmangel hergeleitete Vorbringen zurückzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63). 282    Zur Berechtigung des Vorgehens der Kommission ist bereits entschieden worden, dass die Einführung eines Befolgungsprogramms durch das betroffene Unternehmen die Kommission nicht verpflichtet, die Geldbuße aufgrund dieses Umstands zu ermäßigen (Urteil BASF und UCB/Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 52). Außerdem ist es zwar wichtig, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, um künftige erneute Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Union zu verhindern, doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die festgestellte Zuwiderhandlung stattgefunden hat. Die Kommission ist also nicht gehalten, einen derartigen Aspekt als mildernden Umstand zugrunde zu legen, zumal dann, wenn die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen, wie im vorliegenden Fall, einen offenkundigen Verstoß gegen Art. 81 EG darstellen (Urteile Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 88 angeführt, Randnr. 373, und Carbone-Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 231). Daraus folgt, dass dem Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe die Notwendigkeit einer individuellen Bestimmung der Höhe der Geldbußen verkannt, indem sie Schindler keine Ermäßigung der Geldbußen im Hinblick auf ihr „Compliance“-Programm gewährt habe, nicht zu folgen ist. 283    Das Vorbringen schließlich, das auf die frühere Praxis der Kommission abstellt, ist aus den vorstehend in Randnr. 278 dargelegten Gründen zurückzuweisen. 284    Die im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorgebrachte zweite Rüge vermag somit ebenfalls nicht durchzudringen. 285    Da die Klägerinnen die Rügen einer nicht schuldangemessenen Strafe und eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur auf die fehlende Berücksichtigung sämtlicher mildernder Umstände gestützt haben, sind diese Rügen im Hinblick auf die vorstehend in den Randnrn. 272 bis 284 gemachten Ausführungen zurückzuweisen. 286    Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Begründungspflicht bei der Gewährung von Ermäßigungen der Geldbußen 287    Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass sie für Belgien, Deutschland und Luxemburg Anträge auf Erlass oder Ermäßigung von Geldbußen nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gestellt hätten. Die Kommission habe jedoch bei der Beurteilung der Qualität und Nützlichkeit ihrer Zusammenarbeit gegen die Bestimmungen der genannten Mitteilung verstoßen. Die Klägerinnen tragen außerdem vor, dass die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Beurteilung der nach dieser Mitteilung anwendbaren Ermäßigung der Geldbuße verstoßen habe. Außerdem berufen sie sich auf einen Begründungsmangel der angefochtenen Entscheidung. Zur Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 288    In der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 hat die Kommission die Voraussetzungen festgelegt, unter denen den Unternehmen, die bei der Feststellung eines Kartells mit ihr zusammenarbeiten, die Geldbußen erlassen oder ermäßigt werden können, die sie andernfalls zu entrichten hätten. 289    Zunächst bestimmt die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Abschnitt A Randnr. 8: „Die Kommission erlässt einem Unternehmen die Geldbuße, die andernfalls verhängt worden wäre, sofern a)      das Unternehmen als erstes Beweismittel vorlegt, die es der Kommission ihrer Ansicht nach ermöglichen, in einer Entscheidung eine Nachprüfung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 … anzuordnen, um gegen ein mutmaßliches, die Gemeinschaft betreffendes Kartell zu ermitteln, oder b)      das Unternehmen als erstes Beweismittel vorlegt, die es der Kommission ihrer Ansicht nach ermöglichen, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 [EG] … in Form eines mutmaßlichen, die Gemeinschaft betreffenden Kartells festzustellen.“ 290    Sodann sieht die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Abschnitt B Randnr. 20 vor, dass „Unternehmen, die die Voraussetzungen [für einen Erlass der Geldbuße] in Abschnitt A nicht erfüllen, … eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden [kann], die andernfalls verhängt worden wäre“, und in Randnr. 21, dass, „[u]m für eine Ermäßigung der Geldbuße in Betracht zu kommen, … das Unternehmen der Kommission Beweismittel für die mutmaßliche Zuwiderhandlung vorlegen [muss], die gegenüber den bereits im Besitz der Kommission befindlichen Beweismitteln einen erheblichen Mehrwert darstellen, und seine Beteiligung an der mutmaßlich rechtswidrigen Handlung spätestens zum Zeitpunkt der Beweisvorlage einstellen [muss]“. 291    Der Begriff des Mehrwerts wird in Randnr. 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 erläutert: „Der Begriff ‚Mehrwert‘ bezieht sich auf das Ausmaß, in dem die vorgelegten Beweismittel aufgrund ihrer Eigenschaft und/oder ihrer Ausführlichkeit der Kommission dazu verhelfen, den betreffenden Sachverhalt nachzuweisen. Bei ihrer Würdigung wird die Kommission im Allgemeinen schriftlichen Beweisen aus der Zeit des nachzuweisenden Sachverhalts einen größeren Wert beimessen als solchen, die zeitlich später einzuordnen sind. Ebenso werden Beweismittel, die den fraglichen Sachverhalt unmittelbar beweisen, höher eingestuft als jene, die nur einen mittelbaren Bezug aufweisen.“ 292    Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 sieht für die Geldbußenermäßigungen eine Einstufung in drei Kategorien vor: „–       für das erste Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung zwischen 30 % und 50 %; –       für das zweite Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung zwischen 20 % und 30 %; –       für jedes weitere Unternehmen, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, eine Ermäßigung bis zu 20 %.“ 293    Randnr. 23 Buchst. b Abs. 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 lautet: „Um den Umfang der Ermäßigung der Geldbuße innerhalb dieser Bandbreiten zu bestimmen, wird die Kommission den Zeitpunkt berücksichtigen, zu dem das Beweismittel, das die Voraussetzungen unter Randnummer 21 erfüllt, vorgelegt wurde, sowie den Umfang des mit dem Beweismittel verbundenen Mehrwerts. Sie kann ebenfalls berücksichtigen, ob das Unternehmen seit der Vorlage des Beweismittels kontinuierlich mit ihr zusammengearbeitet hat.“ 294    Randnr. 23 Buchst. b Abs. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 bestimmt schließlich: „Falls ein Unternehmen Beweismittel für einen Sachverhalt vorlegt, von denen die Kommission zuvor keine Kenntnis hatte und die die Schwere oder Dauer des mutmaßlichen Kartells unmittelbar beeinflussen, lässt die Kommission diese Faktoren bei der Festsetzung der Geldbuße gegen das Unternehmen, das diese Beweismittel geliefert hat, unberücksichtigt.“ Zum Wertungsspielraum der Kommission und zur Kontrolle durch die Unionsgerichte 295    Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der die Rechtsgrundlage für die Verhängung von Geldbußen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Regeln des Wettbewerbsrechts der Union bildet, räumt der Kommission bei der Bußgeldzumessung einen Wertungsspielraum ein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997, Deutsche Bahn/Kommission, T‑229/94, Slg. 1997, II‑1689, Randnr. 127), der sich insbesondere nach ihrer allgemeinen Politik im Bereich des Wettbewerbs richtet (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 105 und 109). In diesem Rahmen erließ und veröffentlichte die Kommission, um die Transparenz und die Objektivität ihrer Bußgeldentscheidungen zu gewährleisten, die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002. Es handelt sich dabei um ein Instrument, mit dem unter Beachtung des höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden sollen, die die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens anzuwenden gedenkt. Daraus ergibt sich eine Selbstbeschränkung dieses Ermessens (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 30. April 1998, Vlaams Gewest/Kommission, T‑214/95, Slg. 1998, II‑717, Randnr. 89), da die Kommission ihre sich selbst auferlegten Leitlinien einhalten muss (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Slg. 1996, II‑2169, Randnr. 57). 296    Die aus der Annahme der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission ist jedoch nicht unvereinbar mit dem Fortbestand ihres erheblichen Wertungsspielraums (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Mai 2007, SGL Carbon/Kommission, C‑328/05 P, Slg. 2007, I‑3921, Randnr. 81; vgl. entsprechend Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Randnr. 275 angeführt, Randnr. 224). 297    Die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 enthält nämlich verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Art. 23 der Verordnung Nr. 1/2003 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (vgl. entsprechend Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Randnr. 275 angeführt, Randnr. 224). 298    Somit verfügt die Kommission über einen weiten Wertungsspielraum, wenn sie zu prüfen hat, ob Beweismittel, die von einem Unternehmen vorgelegt worden sind, das erklärt hat, es wolle die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Anspruch nehmen, einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 dieser Mitteilung darstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 296 angeführt, Randnr. 88). Zu Randnr. 8 Buchst. a und b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ist festzustellen, dass sich dieser erhebliche Wertungsspielraum aus dem Wortlaut dieser Bestimmung selbst ergibt, der ausdrücklich auf die Vorlage von Beweismitteln Bezug nimmt, die es der Kommission „ihrer Ansicht nach“ ermöglichen, in einer Entscheidung eine Nachprüfung anzuordnen bzw. eine Zuwiderhandlung festzustellen. Die Beurteilung von Qualität und Nützlichkeit des Kooperationsbeitrags eines Unternehmens setzt nämlich komplexe Tatsachenwürdigungen voraus (vgl. in diesem Sinne Urteile SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 296 angeführt, Randnr. 81, und Carbone‑Lorraine/Kommission, oben in Randnr. 200 angeführt, Randnr. 271). 299    Ebenso verfügt die Kommission, nachdem sie festgestellt hat, dass Beweismittel einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellen, über einen Wertungsspielraum, wenn sie den genauen Umfang der dem betreffenden Unternehmen zu gewährenden Ermäßigung der Geldbuße zu bestimmen hat. Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 dieser Mitteilung sieht nämlich für die verschiedenen Kategorien von Unternehmen, auf die er sich bezieht, jeweils Bandbreiten vor, innerhalb deren Geldbußen ermäßigt werden können, während Abs. 2 der genannten Randnummer die Kriterien festlegt, die die Kommission bei der Bestimmung des Ermäßigungsniveaus innerhalb dieser Bandbreiten zu beachten hat. 300    Angesichts des Wertungsspielraums, über den die Kommission bei der Würdigung der Zusammenarbeit eines Unternehmens nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verfügt, kann nur ein offensichtliches Überschreiten dieses Spielraums vom Gericht beanstandet werden (vgl. in diesem Sinne Urteil SGL Carbon/Kommission, oben in Randnr. 296 angeführt, Randnrn. 81, 88 und 89). Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Belgien 301    Schindler, die als viertes Unternehmen einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung in Belgien (775. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) gestellt hat, kam nicht in den Genuss einer Ermäßigung der Geldbuße in Bezug auf die genannte Zuwiderhandlung (776. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission erklärt hierzu im 776. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Folgendes: „(776) Schindler hat zwar in Form der Kartelllisten für die Jahre 2000 bis 2003 gewisse zeitgleiche Beweismittel vorgelegt, die jedoch die Argumentation der Kommission nicht absicherten, da Kartelllisten aus jenem Zeitraum bereits vorlagen. Schindler stellte ihren Antrag [nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002] am 21. Januar 2005, d. h. ein Jahr nach der Durchführung der ersten Nachprüfung in Belgien und zu einer Zeit, als die Kommission bereits zwei Nachprüfungsrunden in Belgien durchgeführt und drei ihre Untersuchungsergebnisse erhärtende Anträge [nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002] erhalten hatte. Außerdem waren die sehr beschränkten Informationen in dem Vorbringen von Schindler (überwiegend Kartelllisten für die Jahre 2000–2003) nicht dazu angetan, es der Kommission zu erleichtern, die fraglichen Tatsachen zu beweisen. Damit sind die Voraussetzungen von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfüllt. Im Anschluss an ihren Antrag hat Schindler die Zusammenarbeit mit der Kommission fortgesetzt, ohne jedoch einen erheblichen Mehrwert hinzuzufügen.“ 302    Als Erstes tragen die Klägerinnen vor, die Kommission übersehe, dass die von Schindler im Lauf des Verwaltungsverfahrens eingereichten Projektlisten tatsächlich einen Mehrwert im Sinne der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 für sie dargestellt hätten. Erstens trügen diese Listen andere Daten als die von Kone und Otis vorgelegten Listen. Zweitens enthielten die Listen von Schindler viele Projekte, die auf den Listen von Kone und Otis nicht aufgeführt seien. Drittens beziehe sich die Kommission im 164. Erwägungsgrund (Fn. 176) der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich auf die Projektlisten, die von Kone, Otis und Schindler vorgelegt worden seien. Viertens ziehe die Kommission Schlüsse aus einem Vergleich der von den verschiedenen Unternehmen vorgelegten Projektlisten, was zum einen zeige, dass alle vorgelegten Projektlisten wichtige Beweismittel für den Nachweis der Zuwiderhandlung seien, und zum anderen deutlich mache, dass die Kommission nur aufgrund der Projektlisten von Kone, Otis und Schindler in der Lage gewesen sei, den Nachweis für das Kartell zu führen. Nach Randnr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 habe Schindler als viertes kooperierendes Unternehmen jedoch Anspruch auf eine Ermäßigung der Geldbuße um bis zu 20 %. 303    Somit ist in Anbetracht der vorstehend in Randnr. 300 genannten Rechtsprechung zu prüfen, ob die Kommission ihren Wertungsspielraum offensichtlich überschritten hat, als sie feststellte, dass die von Schindler vorgelegten Beweismittel keinen erheblichen Mehrwert gegenüber den sich bereits in ihrem Besitz befindlichen Beweismitteln zu dem Zeitpunkt bildeten, als dieses Unternehmen seinen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gestellt hat. 304    Hierbei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, die den Geldbußenerlass gegenüber Kone nicht beanstanden, nicht die Feststellung im 761. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bestreiten, wonach „bereits die von Kone vorgelegten Informationen … der Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung in Belgien [ermöglichten]“. Die Kommission hatte also bereits hinreichende Beweismittel erhalten, um eine Zuwiderhandlung in Belgien zu dem Zeitpunkt zu beweisen, als Schindler ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gestellt hat. 305    Sodann ist festzustellen, dass sich die Klägerinnen zum Beweis des erheblichen Mehrwerts der Zusammenarbeit von Schindler ausschließlich auf Projektlisten beziehen, die aus den Jahren 2000 bis 2003 datieren und die dieses Unternehmen der Kommission im Rahmen seines Antrags nach dieser Mitteilung übermittelt hat. 306    Auch wenn jedoch die von Schindler übermittelten Listen andere Daten trugen als diejenigen, die Kone und Otis vorgelegt hatten, und auch wenn sie sich auf einige Projekte bezogen, die nicht in den von Kone und Otis übermittelten Listen enthalten waren, kann nicht gesagt werden, dass sie es der Kommission erheblich erleichtert hätten, die Zuwiderhandlung in Belgien festzustellen. 307    Erstens ist hervorzuheben, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Durchführung des Kartells für neue Aufzüge und Fahrtreppen in Belgien nicht nur unter Bezugnahme auf die von Kone, Otis und Schindler übermittelten Listen bewiesen hat, sondern auch, indem sie sich auf die Erklärungen der Kartellteilnehmer in Belgien im Rahmen ihrer Anträge nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und auf die Antworten von Unternehmen auf Auskunftsverlangen der Kommission gestützt hat (vgl. die Fußnoten zu den Erwägungsgründen 163 bis 168 der angefochtenen Entscheidung). Die Projektlisten sind somit nur ein Beweismittel unter anderen beim Beweis der Durchführung des Kartells in Belgien. 308    Zweitens wird nicht bestritten, dass die Kommission zu dem Zeitpunkt, als ihr Schindler Projektlisten, die aus den Jahren 2000 bis 2003 datierten, übermittelt hat, bereits über Projektlisten für denselben Zeitraum verfügte, die ihr zuvor von Kone und Otis übermittelt worden waren (Erwägungsgründe 164 und 776 der angefochtenen Entscheidung). 309    Eine Erklärung, die nur in gewissem Maße eine Erklärung erhärtet, die der Kommission bereits vorlag, erleichtert aber deren Aufgabe nicht erheblich und reicht folglich nicht aus, um eine Ermäßigung der Geldbuße aufgrund der Kooperation zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 455). 310    Angesichts der in der vorstehenden Randnummer getroffenen Feststellung und der Tatsache, dass die Klägerinnen nicht bestreiten, dass die Kooperation von Kone es der Kommission bereits erlaubte, die Zuwiderhandlung in Belgien festzustellen, können die Klägerinnen auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass lediglich die Gesamtheit der Projektlisten, die in der angefochtenen Entscheidung erwähnt werden, einschließlich derjenigen, die von Schindler übermittelt wurden, es der Kommission ermöglicht hätte, das Vorliegen des Kartells in Belgien zu beweisen. 311    Die Kommission hat daher ihren Wertungsspielraum nicht offensichtlich überschritten, als sie die Ansicht vertrat, dass die von Schindler vorgelegten Beweismittel keinen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellten. Die Rüge, die auf einen erheblichen Mehrwert der Projektlisten, die Schindler der Kommission im Rahmen ihres Antrags nach der genannten Mitteilung übermittelt hat, gestützt wird, ist somit zurückzuweisen. 312    Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, dass ein Vergleich mit der Behandlung von Otis und der von ThyssenKrupp zeige, dass die Kommission, indem sie Schindler eine Ermäßigung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verwehrt habe, den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Insoweit habe Kone ausreichende Beweismittel vorgelegt, die es der Kommission ermöglicht hätten, eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festzustellen. Otis habe Beweismittel vorgelegt, die nur sehr wenige neue Informationen enthalten hätten, und ihr sei eine Ermäßigung in Höhe von 40 % der Geldbuße zugebilligt worden. ThyssenKrupp habe lediglich zusätzliche Informationen zu einigen Wartungsprojekten geliefert, und die Kommission habe festgestellt, dass sich keines der vorgelegten Beweismittel auf Tatsachen beziehe, die ihr bis dahin unbekannt gewesen seien, und dass die Informationen nicht aus der Zeit des Kartells gestammt hätten. Trotzdem sei ThyssenKrupp eine Ermäßigung der Geldbuße um 20 % gewährt worden. Dagegen habe Schindler Listen für die Jahre 2000 bis 2003 vorgelegt, die der Kommission bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt gewesen seien und die aus der Zeit des Kartellverstoßes gestammt hätten. Schindler habe daher Anspruch auf eine Ermäßigung der Geldbuße um bis zu 20 %. 313    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei ihrer Beurteilung der Zusammenarbeit der Mitglieder eines Kartells den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht außer Acht lassen darf (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Randnr. 394 und die dort angeführte Rechtsprechung). 314    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kooperation von Otis und von ThyssenKrupp sich deutlich von der von Schindler unterschied. 315    Erstens erfolgt die Beurteilung des Mehrwerts einer Zusammenarbeit in Abhängigkeit von den Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der Kommission befinden. Da die Zusammenarbeit von Otis und von ThyssenKrupp zeitlich der von Schindler voranging (Erwägungsgründe 96, 98 und 103 der angefochtenen Entscheidung), verfügte die Kommission zu dem Zeitpunkt, als Schindler ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 stellte, über mehr Beweismittel als zum Zeitpunkt der Anträge von Otis und von ThyssenKrupp. 316    Zweitens lässt sich der angefochtenen Entscheidung entnehmen, dass die Zusammenarbeit von ThyssenKrupp und von Otis einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellte. 317    Was die Zusammenarbeit von Otis betrifft, hat nämlich dieses Unternehmen der Kommission „zeitgleiche Beweismittel in Form von Dokumenten“ (766. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) vorgelegt, und diese Beweismittel lieferten, wiewohl beschränkte, Informationen „zu Tatsachen, die … zuvor nicht bekannt waren“ (766. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Zusammenarbeit von ThyssenKrupp stellte ebenfalls einen erheblichen Mehrwert dar, „weil darin zusätzliche Informationen über einige Wartungs- und Modernisierungsaufträge und eingehende Erläuterungen des Systems enthalten waren, mit dem die Preise für Wartungsaufträge festgesetzt wurden“ (771. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 318    In Bezug auf die Kooperation von Schindler geht hingegen aus der in den vorstehenden Randnrn. 302 bis 311 vorgenommenen Analyse hervor, dass die Kommission zutreffend davon ausgehen konnte, dass diese Zusammenarbeit nicht den Voraussetzungen von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 genügte. 319    Unter diesen Voraussetzungen hat die Kommission, da sich die verschiedenen Unternehmen nicht in vergleichbarer Lage befanden, ohne Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung Otis (40 %) und ThyssenKrupp (20 %) Ermäßigungen gewährt und Schindler eine Geldbußenermäßigung nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 verwehrt. 320    Aus dem Vorstehenden geht hervor, dass sämtliche Rügen von Schindler, die sich auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 auf ihre Kooperation zur Feststellung der Zuwiderhandlung in Belgien beziehen, zurückzuweisen sind. Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Deutschland 321    Im 805. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission entschieden, „Schindler innerhalb der unter Randnr. 23 [Abs. 1] Buchstabe b dritter Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit [von 2002] aufgeführten Bandbreite eine Ermäßigung von 15 % [für ihre Kooperation bei der Feststellung der Zuwiderhandlung in Deutschland] zu gewähren“. 322    Im 803. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission, dass die Gewährung eines Geldbußenerlasses nach Randnr. 8 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 oder eine 100%ige Ermäßigung der Höhe der Geldbuße nach Randnr. 23 Buchst. b letzter Absatz der genannten Mitteilung ausgeschlossen gewesen sei, da zu dem Zeitpunkt, als Schindler ihren Antrag nach dieser Mitteilung gestellt habe, „die Kommission bereits über Beweismittel [verfügte], die es ihr ermöglichten, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 [EG] unter anderem im Zeitraum 1995 bis 2000 festzustellen“. 323    Im 804. Erwägungsgrund fügt die Kommission hinzu: „…Da Schindler die Voraussetzung unter Randnr. 21 erst mit der Ergänzung vom 25. November 2004, also acht Monate nach den ersten beiden Anträgen [nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002], erfüllte, ist diese Verzögerung bei der Festlegung der Ermäßigung innerhalb der Bandbreite zu berücksichtigen. Die Beweismittel von Schindler ergaben einen gewissen Mehrwert und erleichterten es der Kommission, die Zuwiderhandlung zu beweisen. Jedoch war der Mehrwert des Antrags von Schindler [nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002] begrenzt, da er größtenteils aus eigenen Erklärungen bestand, keine schriftlichen Beweismittel enthielt und größtenteils nur Beweismittel bestätigte, die der Kommission bereits vorlagen.“ 324    Vorab weisen die Klägerinnen darauf hin, dass Schindler nur an Kartellabsprachen über Neuinstallationen von Fahrtreppen zwischen 1995 und 2000 beteiligt gewesen sei, so dass auch nur diese Absprachen für die Beurteilung der Zusammenarbeit von Schindler relevant seien. Bei diesem Verstoß handele es sich um eine eigenständige Zuwiderhandlung, die von den Zuwiderhandlungen anderer Unternehmen im Bereich Fahrtreppen und Aufzüge, die nach 2000 begangen worden seien, getrennt zu betrachten sei. Schindler habe an diesen Zuwiderhandlungen nicht teilgenommen und von ihnen auch keine Kenntnis gehabt. 325    Erstens sei davon auszugehen, dass Schindler gemäß Randnr. 8 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 als erstes Unternehmen Beweismittel vorgelegt habe, die der Kommission die Feststellung einer Zuwiderhandlung ermöglicht hätten, weshalb Schindler die Geldbuße vollständig erlassen werden müsse. 326    Zwar seien bei der Kommission vor dem Antrag von Schindler nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 bereits solche Anträge von Kone und Otis in Bezug auf Deutschland eingegangen. Diese Anträge seien jedoch nicht geeignet, eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG, an der Schindler teilgenommen habe, d. h. eine solche betreffend Absprachen über Fahrtreppen zwischen 1995 und 2000, nachzuweisen. Die Kommission hätte die Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG ohne die von Schindler vorgelegten Beweismittel nicht feststellen können. In ihrem Antrag und den Ergänzungen zu diesem habe Schindler 33 Treffen nachgewiesen, die zwischen dem 29. April 1994 und dem 6. Dezember 2000 in Deutschland stattgefunden hätten. Otis habe nur drei Treffen im Jahr 1999 (20. Januar, 28. Oktober und 22. Dezember) und fünf Treffen im Jahr 2000 (20. Januar, 18. Februar, 3. April, 16. Juni und 6. Dezember) angeführt. Auch die Erklärungen von Kone ermöglichten nicht den Nachweis der systematischen Treffen zu Fahrtreppen‑Projekten in Deutschland von 1995 bis 2000. 327    Zweitens weisen die Klägerinnen hilfsweise darauf hin, dass gegen Schindler gemäß Randnr. 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 jedenfalls keine Geldbuße hätte verhängt werden dürfen, da allein Schindler ausreichende Beweismittel für die Zuwiderhandlung in Deutschland zwischen 1995 und 2000 vorgelegt habe. Die von Kone und Otis vorgelegten Beweismittel deckten den Zeitraum nach 2000 ab. Da sich im Übrigen die Kommission im 803. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf berufe, dass sie bereits vor dem Antrag von Schindler über Beweismittel verfügt habe, ohne diese Beweismittel jedoch genau zu bezeichnen, sei die angefochtene Entscheidung mit einem Begründungsmangel behaftet. 328    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission der Umstand, dass die Klägerinnen die Einstufung des Kartells in Deutschland als einheitliche Zuwiderhandlung nicht angreifen, für die Zulässigkeit ihres Vorbringens keine Rolle spielt. 329    Die Kommission unterscheidet nämlich in der angefochtenen Entscheidung bei der Zuwiderhandlung in Deutschland zwei Teile, von denen sich der eine, der sich von August 1995 bis Dezember 2000 erstreckt, nur auf Fahrtreppen bezog, wobei der andere, von Dezember 2000 bis Dezember 2003, sowohl Fahrtreppen als auch Aufzüge betraf (Erwägungsgründe 213, 277 und 278 der angefochtenen Entscheidung), ohne dass diese Unterscheidung die Einstufung dieses Kartells als einheitliche Zuwiderhandlung betraf, da alle Vorkehrungen die gleichen Ziele verfolgten und zum selben Ergebnis führten (568. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem steht fest, dass Schindler nur an dem Fahrtreppen betreffenden Teil der in Art. 1 Abs. 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt war, da Schindler das Kartell im Jahr 2000 verlassen hat (213. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 330    Wenn Schindler, wie die Klägerinnen vortragen, das erste Unternehmen gewesen ist, das entscheidende Beweismittel vorgelegt hat, die es der Kommission ermöglicht haben, das Vorliegen eines Kartells in Deutschland von August 1995 bis Dezember 2000 festzustellen, hätte Schindler gemäß dem letzten Absatz von Randnr. 23 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und unabhängig von einer etwaigen Anwendung von Randnr. 8 Buchst. b der genannten Mitteilung Anspruch auf eine 100%ige Ermäßigung der genannten Geldbuße, da ihre Zusammenarbeit einen unmittelbaren Einfluss auf die Dauer des mutmaßlichen Kartells für die gesamte Dauer der Beteiligung von Schindler an diesem gehabt hätte. 331    Jedoch ergibt sich aus den Erwägungsgründen 214 und 803 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission zu dem Zeitpunkt des Antrags von Schindler, nämlich am 25. November 2004, über ausreichende Beweismittel verfügte, die es ermöglichten, die Zuwiderhandlung in Deutschland zwischen 1995 und 2000 festzustellen. 332    So hat Kone in ihrem Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 am 12. Februar 2004 konkrete Angaben über das Kartell in Deutschland sowohl für den Zeitraum vor als auch für den Zeitraum nach dem Ausscheiden von Schindler aus dem Kartell gemacht. So hat die Erklärung von Kone hinsichtlich des ersten Teils der Zuwiderhandlung die Kommission darüber informiert, dass es ein Kartell in Bezug auf die Aufteilung des Fahrtreppenmarkts bereits am 1. August 1995 gab, und sie über die Liste der Kartellteilnehmer und über die Grundsätze, die für die Zuteilung der Projekte galten, in Kenntnis gesetzt sowie weitere Angaben in Bezug auf die Durchführung des Kartells gemacht. Kone hatte außerdem in ihrem Antrag klar darauf hingewiesen, dass Schindler das Kartell „Ende 2000“ verlassen habe. 333    In ihren Erklärungen vom April 2004 zur Ergänzung ihres Antrags vom März 2004 hat Otis das Vorliegen eines Kartells in Deutschland zur Aufteilung des Fahrtreppenmarkts, die Liste der Teilnehmer am Kartell, die Grundsätze, die für die Zuteilung der Projekte galten, und weitere Informationen über die Durchführung des Kartells sowie das Ausscheiden von Schindler aus dem Kartell im Jahr 2000 bestätigt. In ihren ergänzenden Erklärungen vom April 2004 hat Otis außerdem darauf hingewiesen, dass das Kartell auf dem Fahrtreppenmarkt seit den 80er Jahren bestanden habe. 334    Folglich verfügte die Kommission zu dem Zeitpunkt, als Schindler ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 einreichte, bereits über zwei übereinstimmende Erklärungen, die es ihr ermöglichten, den Teil des Kartells in Deutschland festzustellen, an dem Schindler beteiligt war. 335    Zwar hat Schindler in ihrem Antrag vom 25. November 2004 und ihrer Ergänzung vom 7. Dezember 2004 der Kommission Informationen geliefert, von denen diese noch keine Kenntnis hatte. Es handelt sich hierbei insbesondere um die Daten bestimmter Zusammenkünfte zwischen den Kartellteilnehmern, die zwischen dem 29. April 1994 und dem 6. Dezember 2000 stattgefunden haben. Die Kommission konnte allerdings angesichts der vorstehend in Randnr. 334 getroffenen Feststellung zu Recht davon ausgehen, dass es sich um Beweismittel handelte, die einen erheblichen Mehrwert im Sinne von Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellten und Anspruch auf eine Ermäßigung der Geldbuße gaben, nicht aber auf deren vollständigen Erlass gemäß Randnr. 8 Buchst. b oder eine restlose Ermäßigung des Geldbußenbetrags gemäß Randnr. 23 Buchst. b letzter Absatz der genannten Mitteilung. Denn die betreffenden Beweismittel waren für die Feststellung des Vorliegens des Kartells in Deutschland während der Dauer der Beteiligung von Schindler nicht entscheidend, erleichterten es aber der Kommission, die Zuwiderhandlung festzustellen, indem sie die bereits in ihrem Besitz befindlichen Beweismittel bestätigten. 336    Sodann war im Hinblick auf die Tatsache, dass Schindler als drittes Unternehmen einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gestellt hat, die Ermäßigung der Geldbuße anzuwenden, die in Randnr. 23 Buchst. b Abs. 1 dritter Gedankenstrich dieser Mitteilung vorgesehen ist. Da die Beweismittel, die einen erheblichen Mehrwert darstellen, der Kommission erst acht Monate nach den ersten beiden Anträgen nach der Mitteilung übermittelt wurden und Schindler unstreitig keine zeitgleichen Beweismittel in Form von Dokumenten übermittelt hat, hat die Kommission ohne offensichtliches Überschreiten ihres Wertungsspielraums die Ermäßigung der Höhe der Geldbuße für Schindler auf 15 % festgesetzt. 337    Schließlich ist zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG festzustellen, dass der 803. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung klar und eindeutig die Gründe angibt, derentwegen die Kommission der Ansicht war, dass die von Schindler in ihrem Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 vorgelegten Beweismittel keinen Anspruch auf einen Geldbußenerlass gaben. Hierbei bezieht sich die Kommission auf die Tatsache, dass sie „[z]um Zeitpunkt des Vorbringens von Schindler … bereits über Beweismittel [verfügte], die es ihr ermöglichten, eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 [EG] … festzustellen“ (803. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). In ihren Zusammenhang gestellt nimmt diese Begründung notwendig auf die in den Anträgen von Kone und Otis enthaltenen Beweismittel Bezug, deren Mehrwert in den Erwägungsgründen 792 und 799 der angefochtenen Entscheidung bestimmt worden ist. Die vorgenannten Erwägungsgründe erlaubten es somit den Beteiligten, zu erkennen, womit es die Kommission rechtfertigte, Schindler einen Geldbußenerlass für ihre Zusammenarbeit beim Nachweis der Zuwiderhandlung in Deutschland zu verwehren, und ermöglichen dem Gericht die Ausübung seiner Rechtmäßigkeitskontrolle. Somit ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG zurückzuweisen. 338    Nach alledem sind sämtliche Rügen von Schindler, die sich auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 auf ihre Kooperation bei der Feststellung des Kartells in Deutschland beziehen, zurückzuweisen. Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Luxemburg 339    Schindler, die als viertes Unternehmen einen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Bezug auf das Kartell in Luxemburg gestellt hat (830. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), kam nicht in den Genuss einer Ermäßigung der Höhe der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 in Bezug auf die genannte Zuwiderhandlung (834. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission erläutert hierzu in den Erwägungsgründen 831 bis 833 der angefochtenen Entscheidung: „(831) Der Antrag von Schindler [nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002] besteht hauptsächlich aus einer schriftlichen Unternehmenserklärung und einigen internen Unterlagen aus dem Jahr 2002, die nach Angaben von Schindler im Rahmen der üblichen Geschäftsvorgänge erstellt wurden. Der Antrag von Schindler enthielt keine neuen Beweismittel, die für die Kommission einen erheblichen Mehrwert darstellten. Die neuen Informationen bestehen aus Beschreibungen des Wirtschaftszweigs in der Zeit der Zuwiderhandlung und weiteren wenig bedeutsamen Einzelheiten. Im Übrigen bestätigt der Antrag von Schindler größtenteils Informationen, die der Kommission bereits vorlagen. (832) Des Weiteren behauptete Schindler, es habe bereits 1993 Vereinbarungen über den Einbau, die Modernisierung, Reparatur und Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen gegeben und sie habe das Kartell 1994 verlassen und sich ihm erst 1999 wieder angeschlossen. Die Kommission hat keine Nachweise gefunden, die diese Behauptung bestätigen. Sie kann den unbestätigten einseitigen Erklärungen einer Partei zu kritischen Sachverhalten, die schwerwiegende Rechtsfolgen für die anderen Kartellteilnehmer nach sich ziehen könnten, keinen Glauben schenken. (833) Die Kommission gelangt zu dem Schluss, dass der Antrag von Schindler keine neuen Beweismittel von erheblichem Wert enthielt, sondern hauptsächlich der Kommission bereits bekannte Tatsachen bestätigte. Die von Schindler bereitgestellten Informationen erleichterten es der Kommission im Vergleich zu den Beweismitteln, die ihr zum Zeitpunkt des Erhalts des Antrags von Schindler bereits vorlagen, nicht wesentlich, den betreffenden Sachverhalt zu beweisen. Daher sind die Voraussetzungen unter Randnr. 21 der [Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002] nicht erfüllt. Im Anschluss an ihren Antrag … arbeitete Schindler neben der Bereitstellung von Informationen auf Aufforderung der Kommission nicht weiter mit ihr zusammen.“ 340    Die Klägerinnen tragen vor, Schindler habe Anspruch darauf, in den Genuss einer Geldbußenermäßigung in Höhe von 20 % bis 30 % gemäß Randnr. 21 und Randnr. 23 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 zu kommen. Schindler habe nämlich Beweismittel zu den Vereinbarungen im Bereich Wartungsdienstleistungen vorgelegt, die einen erheblichen Mehrwert aufwiesen. Ohne den Antrag von Schindler vom 4. November 2004 hätte die Kommission das Vorliegen von Vereinbarungen in diesem Bereich nicht nachweisen können, zu dem die Anträge von Kone und von ThyssenKrupp nur sehr wenige Informationen enthielten. Außerdem habe Otis ihre Teilnahme an den Vereinbarungen in diesem Bereich nicht ausdrücklich eingestanden. 341    Die Bedeutung des Antrags von Schindler nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 für die Beweisführung der Kommission zeige sich auch an der Häufigkeit der Verweise in der angefochtenen Entscheidung auf diesen Antrag im Vergleich zu den Verweisen auf die Anträge von Kone und ThyssenKrupp. Die Kommission habe diese Argumentation im 831. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen, ohne sich jedoch mit dem Vorbringen von Schindler in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auseinanderzusetzen, was keine ausreichende Begründung im Sinne von Art. 253 EG darstelle. 342    In Anbetracht der vorstehend in Randnr. 300 angeführten Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Kommission ihren Wertungsspielraum bei der Feststellung offensichtlich überschritten hat, dass die von Schindler vorgelegten Beweismittel keinen erheblichen Mehrwert gegenüber denjenigen darstellten, die sich zu dem Zeitpunkt, als das genannte Unternehmen seinen Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 stellte, bereits in ihrem Besitz befanden. 343    Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen, die nicht beanstanden, dass Kone nach Randnr. 8 Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 ein Geldbußenerlass gewährt wurde, nicht bestreiten, dass schon die von Kone vorgelegten Informationen es der Kommission erlaubten, eine Zuwiderhandlung in Luxemburg festzustellen (816. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission verfügte somit bereits über hinreichende Beweismittel, um eine Zuwiderhandlung in Luxemburg festzustellen, als Schindler ihren Antrag nach der genannten Mitteilung stellte. Außerdem lag der Kommission vor dem Antrag von Schindler bereits im März 2004 ein Antrag von Otis nach der genannten Mitteilung vor, der Anlass zu einer Ermäßigung der Höhe der Geldbuße um 40 % gab (Erwägungsgründe 118 und 823 der angefochtenen Entscheidung). 344    Zweitens ist zu der Frage, ob nach den Randnrn. 21 und 22 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 die von Schindler vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert bedeuteten, da sie es der Kommission erheblich erleichtert hätten, die Zuwiderhandlung in Luxemburg nachzuweisen, festzustellen, dass die Beweismittel, die nach Ansicht der Klägerinnen einen erheblichen Mehrwert darstellten, lediglich einen der beiden Teile der in Art. 1 Abs. 3 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung betreffen, nämlich die Aufteilung der Märkte in Bezug auf die Wartungs- und Modernisierungsverträge (vgl. auch Erwägungsgründe 293 und 830 der angefochtenen Entscheidung). 345    Aus dem Antrag von Kone vom 5. Februar 2004 in der durch die Information vom 19. Februar 2004 ergänzten Fassung ergibt sich, dass dieser bereits eine klare Beschreibung des Teils des Kartells enthielt, auf den sich später die Kooperation von Schindler bezog. 346    Drittens können sich die Klägerinnen nicht auf die Anzahl der Verweisungen der angefochtenen Entscheidung auf ihren Antrag nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 berufen. Denn dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung sämtliche Beweismittel, über die sie verfügte, und somit auch die von Schindler in ihrem Antrag vom 4. November 2004 übermittelten ausgewertet hat, beweist noch nicht, dass diese letztgenannten Informationen einen erheblichen Mehrwert gegenüber denjenigen Beweismitteln aufwiesen, die der Kommission in diesem Zeitpunkt bereits vorlagen. 347    Aus alledem geht hervor, dass die Kommission, indem sie die Ansicht vertrat, dass die von Schindler vorgelegten Beweismittel keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellten, ihren Wertungsspielraum nicht offensichtlich überschritten hat. 348    Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG ist festzustellen, dass die Kommission nicht auf alle Argumente einzugehen braucht, die die Betroffenen vor ihr geltend gemacht haben, sondern, dass es ausreicht, wenn sie die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen anführt, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Corsica Ferries France/Kommission, T‑349/03, Slg. 2005, II‑2197, Randnr. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 831 bis 833 der angefochtenen Entscheidung hinreichend die Gründe dargelegt hat, aus denen sie der Ansicht war, dass die von Schindler in ihrem Antrag vom 4. November 2004 vorgelegten Beweismittel keinen erheblichen Mehrwert im Sinne der Randnr. 21 der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 darstellten. Diese Erwägungsgründe erlaubten es den Beteiligten, zu erkennen, womit es die Kommission rechtfertigte, Schindler eine Geldbußenermäßigung für ihre Zusammenarbeit beim Nachweis der Zuwiderhandlung in Luxemburg zu verwehren, und ermöglichen dem Gericht die Ausübung seiner Rechtmäßigkeitskontrolle. Somit ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 253 EG zurückzuweisen. 349    Nach alledem sind sämtliche Rügen von Schindler, die sich auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 auf ihre Kooperation beim Nachweis der Zuwiderhandlung in Luxemburg beziehen, zurückzuweisen. Zum Klagegrund des Verstoßes gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und gegen die Leitlinien von 1998 wegen unzureichender Ermäßigung der Geldbußen wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts 350    In Randnr. 614 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hatte die Kommission angekündigt, zu „prüfen, ob, insbesondere in Fällen, in denen eine Gesellschaft den von der Kommission festgestellten Sachverhalt nicht bestreitet oder an dessen Aufklärung oder Ergänzung weiter mitwirkt, Ermäßigungen wegen Zusammenarbeit außerhalb der Mitteilung über [Zusammenarbeit von 2002] gewährt werden können“. 351    Im 758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission: „Die Kommission hat beschlossen, Randnr. 614 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, soweit diese Randnummer in der vorliegenden Sache Erwartungen geweckt hat, zugunsten derjenigen Unternehmen auszulegen, die sich auf sie berufen und an der Feststellung der Zuwiderhandlung in der vorliegenden Entscheidung dadurch mitwirken, dass sie den Sachverhalt nicht bestreiten oder weitere Informationen oder Klarstellungen liefern.“ 352    So hat die Kommission allen an den vier Zuwiderhandlungen Beteiligten mit Ausnahme zum einen der Unternehmen, die in den Genuss eines Geldbußenerlasses gekommen sind (Erwägungsgründe 762, 817 und 839 der angefochtenen Entscheidung), und zum anderen von Kone im Rahmen des Kartells in den Niederlanden (851. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) dafür, dass sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt nicht bestritten haben, eine Ermäßigung der Geldbuße um 1 % wegen ihrer Zusammenarbeit außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gewährt (Erwägungsgründe 768, 774, 777, 794, 801, 806, 813, 824, 829, 835, 845, 854, 855 und 856 der angefochtenen Entscheidung). 353    Die Klägerinnen sind erstens der Ansicht, sie hätten Anspruch auf eine Ermäßigung der Geldbuße in Höhe von mindestens 10 % statt der gewährten 1 % wegen ihrer Zusammenarbeit außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, was der Entscheidungspraxis der Kommission in anderen Fällen entspreche. Zweitens habe die Kommission trotz eines dahin gehenden Antrags nicht berücksichtigt, dass die Klägerinnen mit ihr in einem Umfang zusammengearbeitet hätten, der weit über ein bloßes Nichtbestreiten der Tatsachen hinausgehe, was ihnen Anspruch auf eine Ermäßigung der Geldbuße in Höhe von mindestens 10 % nach der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 oder Anspruch auf eine Ermäßigung nach Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien von 1998 gebe. 354    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass eine Herabsetzung der Geldbuße wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Verhalten des Unternehmens der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, T‑327/94, Slg. 1998, II‑1373, Randnr. 156, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, oben in Randnr. 222 angeführt, Randnr. 270, und Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 57 angeführt, Randnr. 449). 355    Außerdem geht aus der Rechtsprechung hervor, dass bei einem Unternehmen, das ausdrücklich erklärt, dass es die Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, auf die die Kommission ihre Rügen stütze, davon ausgegangen werden kann, dass es zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Union bestehenden Aufgabe der Kommission beigetragen hat (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Mo och Domsjö/Kommission, T‑352/94, Slg. 1998, II‑1989, Randnr. 395, und SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 354 angeführt, Randnr. 157). 356    Zwar sieht die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 im Gegensatz zur Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 keine Ermäßigung der Geldbuße zugunsten der Unternehmen vor, die den Sachverhalt nicht bestreiten, auf den die Kommission ihre Einwände stützt. Jedoch räumt die Kommission im 758. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ein, dass Randnr. 614 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bei den Unternehmen die berechtigte Erwartung geweckt habe, dass das Nichtbestreiten des Sachverhalts zu einer Ermäßigung der Geldbuße außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 führe. Im selben Erwägungsgrund hat sie außerdem ausgeführt: „Bei dem Umfang der Ermäßigung wird berücksichtigt, dass eine nach der Versendung der Beschwerdepunkte angebotene Zusammenarbeit, als die Kommission sämtliche Bestandteile der Zuwiderhandlung bereits ermittelt hatte, dem Unternehmen die Ergebnisse der Untersuchung bekannt waren und es Zugang zur Untersuchungsakte gehabt hatte, die Kommission, wenn überhaupt, nur geringfügig bei ihrer Untersuchung zu unterstützen vermag.“ Die Kommission hat ferner präzisiert: „Grundsätzlich ist das Eingeständnis von Tatsachen unter diesen Umständen bestenfalls eine Erhärtung des Sachverhalts, den die Kommission in der Regel durch andere Beweismittel in der Akte als hinreichend bewiesen ansieht.“ 357    Als Erstes ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Kommission sei von ihrer früheren Praxis abgewichen, der zufolge ein Unternehmen, das nicht den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgeworfenen Sachverhalt bestreite, in den Genuss einer Ermäßigung von 10 % der Geldbuße komme, die gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 gegen es verhängt worden wäre. 358    Zwar bestimmte die Mitteilung über Zusammenarbeit von 1996 in Abschnitt D Nr. 2 zweiter Gedankenstrich, dass für ein Unternehmen „die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt [werden kann], … wenn … [es] der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet“, doch sieht die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 keine Ermäßigung der Geldbuße aus diesem Grund mehr vor. Wie bereits aus den vorstehenden Randnrn. 142 und 143 hervorgeht, gilt für die Anträge der Klägerinnen nur die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, wobei diese Anträge im Übrigen ausdrücklich gemäß dieser Mitteilung gestellt wurden. 359    Auf jeden Fall kann, wie vorstehend in Randnr. 225 ausgeführt, die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen auf dem Gebiet des Wettbewerbs dienen. 360    Als Zweites genügt in Bezug auf das Vorbringen der Klägerinnen, Schindler habe während des gesamten Verfahrens der Kommission Informationen zu den Zuwiderhandlungen geliefert, die in den zentralen Passagen der angefochtenen Entscheidung zitiert worden seien, die Feststellung, dass die Klägerinnen nicht behaupten, dass diese Zusammenarbeit über diejenige hinausgegangen sei, die bei der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 gefordert wird, so dass ihre Rüge zurückzuweisen ist. Gleiches gilt für das Vorbringen in der Erwiderung, dass die genannte Zusammenarbeit es rechtfertige, Schindler einen mildernden Umstand nach den Leitlinien von 1998 zuzubilligen. 361    Folglich ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 362    Die Klägerinnen machen geltend, dass die in Art. 2 der angefochtenen Entscheidung für jede Zuwiderhandlung verhängten Geldbußen gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verstießen, da die Kommission sich zur Bestimmung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes der fraglichen Unternehmen auf den Umsatz der Muttergesellschaften der betroffenen Gesellschaften anstatt auf den Umsatz der Tochtergesellschaften gestützt habe, die unmittelbar an den Zuwiderhandlungen beteiligt gewesen seien. 363    Den Muttergesellschaften könnten die von ihren jeweiligen Tochtergesellschaften begangenen Zuwiderhandlungen nicht zugerechnet werden, so dass die Obergrenze von 10 % des Umsatzes, auf die Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 abstelle, auf der Grundlage des Umsatzes der genannten Tochtergesellschaften berechnet werden müsse. 364    Jedoch ist im Hinblick auf die Tatsache, dass die Klägerinnen nicht vortragen, dass die in der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen über die Obergrenze von 10 % des von Schindler Holding im vorangehenden Geschäftsjahr erzielten Umsatzes hinausgingen, festzustellen, dass diese Rüge sich mit denjenigen überschneidet, die in den vorstehenden Randnrn. 63 bis 91 über die Zurechnung des Gebarens der Tochtergesellschaften an Schindler Holding geprüft wurden. Aus den Ausführungen dazu geht hervor, dass die Kommission zutreffend Schindler Holding das Verhalten ihrer Tochtergesellschaften, mit denen sie eine wirtschaftliche Einheit bildet, zugerechnet hat. Dieser Klagegrund ist daher zurückzuweisen. Zum Klagegrund des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Berechnung des Endbetrags der Geldbußen 365    Die Klägerinnen tragen vor, der Endbetrag der gegen sie verhängten Geldbußen sei unverhältnismäßig, da er weder erforderlich noch angemessen sei, um das Ziel zu erreichen, repressives rechtswidriges Verhalten zu ahnden und einer Wiederholung der Zuwiderhandlung vorzubeugen. Im vorliegenden Fall handele es sich um von vier verschiedenen Gesellschaften begangene isolierte Zuwiderhandlungen, so dass die verhängten Geldbußen jeweils 10 % des Umsatzes der betreffenden Gesellschaft nicht übersteigen dürften. Wenn die Kommission mit dem Argument Recht hätte, dass die Geldbuße nicht unverhältnismäßig sei, wenn sie die Grenze von 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens nicht überschreite, wäre außerdem die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit praktisch ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall seien gegen Schindler Belgien und Schindler Luxemburg Geldbußen von [vertraulich] % ihres durchschnittlichen gemeinsamen Umsatzes [vertraulich] verhängt worden. Bei Schindler Niederlande habe die Geldbuße [vertraulich] entsprochen. [vertraulich]. 366    Zunächst ist insoweit darauf hinzuweisen, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Organe der Union nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist; dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen, ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteil des Gerichtshofs vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Randnr. 96, und Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 223). 367    Die Geldbußen dürfen folglich nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – Beachtung der Wettbewerbsregeln – stehen, und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße ist so zu bemessen, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (Urteil vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 366 angeführt, Randnr. 224). Zudem kann die Kommission bei der Bemessung der Geldbußen die Notwendigkeit berücksichtigen, deren abschreckende Wirkung sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 108, und Europa Carton/Kommission, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnr. 89). 368    Erstens ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Kartelle im Wesentlichen aus geheimen Absprachen zwischen Wettbewerbern zu dem Zweck bestanden, durch die Zuweisung von Projekten für den Verkauf und den Einbau neuer Aufzüge und/oder Fahrtreppen die Märkte aufzuteilen oder die Marktanteile einzufrieren sowie den gegenseitigen Wettbewerb bei der Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Fahrtreppen zu unterlassen (außer in Deutschland, wo das Wartungs- und Modernisierungsgeschäft nicht Gegenstand der Absprachen zwischen den Kartellmitgliedern war). Solche Zuwiderhandlungen zählen aber schon ihrem Wesen nach zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen Art. 81 EG (658. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). 369    Zweitens kann die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen insbesondere die Größe und die Wirtschaftsmacht der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigen, die als Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG gehandelt hat. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen deckt sich jedoch das maßgebende, im vorliegenden Fall zu berücksichtigende Unternehmen nicht mit jeder Tochtergesellschaft, die an den in Art. 1 Abs. 1, 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen beteiligt war. Vielmehr ergibt sich aus der vorstehenden Prüfung, dass die Schindler zur Last gelegten Zuwiderhandlungen von Schindler Holding und ihren Tochtergesellschaften begangen wurden. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem der Klägerinnen lediglich ein Missverhältnis zwischen der Höhe der von der Kommission verhängten Geldbußen und dem von den genannten Tochtergesellschaften, ohne die Muttergesellschaft, erzielten Umsatz rügen. 370    Drittens ist in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Geldbußen gegenüber der Größe und der Wirtschaftsmacht der betreffenden wirtschaftlichen Einheiten darauf hinzuweisen, dass nach den vorstehenden Ausführungen diese Geldbußen nicht die Obergrenze von 10 % übersteigen, die Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 aufstellt und deren Ziel es ist, zu vermeiden, dass die Geldbußen gegenüber der Bedeutung des Unternehmens unverhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 119, und Urteil vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Randnr. 366 angeführt, Randnr. 229). Hierzu geht im Übrigen aus der Akte hervor, dass der Gesamtbetrag der gegenüber Schindler mit der angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbußen ungefähr 2 % des konsolidierten Umsatzes von Schindler Holding in dem Geschäftsjahr beträgt, das dem Erlass der angefochtenen Entscheidung vorausging, was in Bezug auf die Größe dieses Unternehmens nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann. 371    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Klagegrund des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Berechnung des Endbetrags der Geldbußen zurückzuweisen. 372    Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen. Kosten 373    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen außerdem die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Nach Art. 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht im Fall der Erledigung der Hauptsache nach freiem Ermessen über die Kosten. 374    Es ist festzustellen, dass die vorliegende Klage, soweit sie von Schindler Management erhoben worden ist, infolge der Berichtigung der angefochtenen Entscheidung durch die Kommission gegenstandslos geworden ist. Da alle Klagegründe der Klage unterschiedslos von sämtlichen Klägerinnen geltend gemacht worden sind und da Schindler Holding, Schindler Belgien, Schindler Deutschland, Schindler Luxemburg und Schindler Niederlande mit ihren Anträgen unterlegen sind, sind sie zur Tragung der Kosten der Kommission zu verurteilen. Der Rat trägt seine eigenen Kosten. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Achte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1.      Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, soweit die Klage von der Schindler Management AG erhoben worden ist. 2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3.      Die Schindler Holding Ltd, die Schindler SA, die Schindler Deutschland Holding GmbH, die Schindler Sàrl und die Schindler Liften BV tragen die Kosten. 4.      Die Schindler Management AG trägt ihre eigenen Kosten. 5.      Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten. Martins Ribeiro Wahl Dittrich Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Juli 2011. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Verwaltungsverfahren 1.  Untersuchung der Kommission Belgien Deutschland Luxemburg Niederlande 2.  Mitteilung der Beschwerdepunkte 3.  Angefochtene Entscheidung Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten Zum Erledigungsantrag in Bezug auf Schindler Management Zur Begründetheit 1.  Vorbemerkungen 2.  Zum Antrag, die angefochtene Entscheidung insgesamt für nichtig zu erklären Zum Klagegrund der Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK Zum Klagegrund, dass die angefochtene Entscheidung, soweit sie an Schindler Holding gerichtet sei, mangels wirksamer Bekanntgabe rechtswidrig sei Zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die gesamtschuldnerische Haftung von Schindler Holding anordnet 3.  Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 der angefochtenen Entscheidung Zur Einrede der Rechtswidrigkeit in Bezug auf Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen Verletzung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Strafen Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 1998 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Leitlinien von 1998 wegen fehlender Zuständigkeit der Kommission und, hilfsweise, mangelnder Transparenz und Vorhersehbarkeit der Leitlinien Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes Zur Einrede der Rechtswidrigkeit der Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze nemo tenetur und in dubio pro reo sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und wegen missbräuchlicher Ermessensausübung Zur ersten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz nemo tenetur Zur zweiten Rüge: Verstoß gegen den Grundsatz in dubio pro reo Zur dritten Rüge: Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Zur vierten Rüge: Ermessensmissbrauch Zum Klagegrund des völkerrechtswidrigen enteignenden Charakters der angefochtenen Entscheidung Zur Zulässigkeit Zur Begründetheit Zum Klagegrund einer Verletzung der Leitlinien von 1998 und der Begründungspflicht bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbußen Vorbemerkungen Angefochtene Entscheidung Zur Einstufung der Verstöße als „besonders schwer“ Zum Vorwurf der Rechtswidrigkeit der Ausgangsbeträge der Geldbußen –  Zum Vorwurf eines Begründungsmangels –  Zu den allgemeinen Ausgangsbeträgen der Geldbußen –  Zu den spezifischen Ausgangsbeträgen der Geldbußen Zum Klagegrund des Verstoßes gegen die Leitlinien von 1998, den Grundsatz der schuldangemessenen Strafe, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Begründungspflicht bei der Berücksichtigung mildernder Umstände Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002, den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Begründungspflicht bei der Gewährung von Ermäßigungen der Geldbußen Zur Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 Zum Wertungsspielraum der Kommission und zur Kontrolle durch die Unionsgerichte Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Belgien Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Deutschland Zur Zusammenarbeit von Schindler im Hinblick auf die Feststellung der Zuwiderhandlung in Luxemburg Zum Klagegrund des Verstoßes gegen die Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002 und gegen die Leitlinien von 1998 wegen unzureichender Ermäßigung der Geldbußen wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts Zum Klagegrund des Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 Zum Klagegrund des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Berechnung des Endbetrags der Geldbußen Kosten * Verfahrenssprache: Deutsch. 1 – Nicht wiedergegebene vertrauliche Daten.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 9. Dezember 2014.#Ferriera Valsabbia SpA und Valsabbia Investimenti SpA gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Kartelle – Markt für Bewehrungsrundstahl in Form von Stäben oder Ringen – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 65 KS nach Auslaufen des EGKS-Vertrags auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 festgestellt wird – Festsetzung von Preisen und Zahlungsfristen – Beschränkung oder Kontrolle der Produktion oder des Absatzes – Ermessensüberschreitung – Verteidigungsrechte – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung – Geldbußen – Bestimmung des Ausgangsbetrags – Mildernde Umstände – Dauer des Verwaltungsverfahrens.#Rechtssache T‑92/10.
62010TJ0092
ECLI:EU:T:2014:1032
2014-12-09T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62010TJ0092 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62010TJ0092 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62010TJ0092 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Fünfte Kammer) vom 21. Juni 2023.#Região Autónoma da Madeira gegen Europäische Kommission.#Staatliche Beihilfen – Von Portugal angewandte Beihilferegelung – Freizone Madeira – Beschluss, mit dem die Unvereinbarkeit der Regelung mit den Beschlüssen C(2007) 3037 final und C(2013) 4043 final festgestellt, diese Regelung für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und die Rückforderung der nach dieser Regelung gezahlten Beihilfen angeordnet wird – Nichtigkeitsklage – Klagebefugnis – Zulässigkeit – Begriff ‚staatliche Beihilfe‘ – Bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. b Ziff. ii der Verordnung (EU) 2015/1589 – Rückforderung – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit – Grundsatz der guten Verwaltung – Absolute Unmöglichkeit der Durchführung – Verjährung – Art. 17 der Verordnung 2015/1589.#Rechtssache T-131/21.
62021TJ0131
ECLI:EU:T:2023:348
2023-06-21T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62021TJ0131 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62021TJ0131 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62021TJ0131 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 14. Dezember 2022.#Green Power Technologies, SL gegen Europäische Kommission.#Schiedsklausel – Siebtes Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007‑2013) – Finanzhilfevertrag – Förderfähige Kosten – Bericht des OLAF, in dem festgestellt wurde, dass bestimmte getätigte Ausgaben nicht förderfähig sind – Rückerstattung gezahlter Beträge – Beweislast – Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 – Begründungspflicht – Ungerechtfertigte Bereicherung – Nichtigkeitsklage – Bericht des OLAF – Nicht anfechtbare Handlung – Unzulässigkeit.#Rechtssache T-753/20.
62020TJ0753
ECLI:EU:T:2022:806
2022-12-14T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62020TJ0753 - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62020TJ0753 - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62020TJ0753 Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 19. Oktober 2022.#Hellenische Republik gegen Europäische Kommission.#Staatliche Beihilfen – Tätigkeiten, die mit der Produktion, der Verarbeitung und der Vermarktung von Agrarerzeugnissen in Zusammenhang stehen – Von Griechenland gewährte Beihilferegelungen in Form von Zinsvergütungen und staatlichen Bürgschaften für bestehende Kredite sowie für neue Kredite zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind – Beschluss, mit dem die Beihilferegelungen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt werden und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Hilfe, die auf geschädigte geografische Gebiete beschränkt ist – Vorteil – Selektiver Charakter – Grundsatz der guten Verwaltung – Dauer des Verfahrens – Berechtigtes Vertrauen – Verjährungsfrist – Art. 17 der Verordnung (EU) 2015/1589.#Rechtssache T-850/19.
62019TJ0850
ECLI:EU:T:2022:638
2022-10-19T00:00:00
Gericht
62019TJ0850 URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer) 19. Oktober 2022 (*1) „Staatliche Beihilfen – Tätigkeiten, die mit der Produktion, Verarbeitung und Vermarktung von Agrarerzeugnissen in Zusammenhang stehen – Von Griechenland gewährte Beihilferegelungen in Form von Zinsvergütungen und staatlichen Bürgschaften für bestehende Kredite sowie für neue Kredite zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind – Beschluss, mit dem die Beihilferegelungen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar und rechtswidrig erklärt werden und die Rückforderung der gewährten Beihilfen angeordnet wird – Hilfe, die auf geschädigte geografische Gebiete beschränkt ist – Vorteil – Selektiver Charakter – Grundsatz der guten Verwaltung – Dauer des Verfahrens – Berechtigtes Vertrauen – Verjährungsfrist – Art. 17 der Verordnung (EU) 2015/1589“ In der Rechtssache T‑850/19, Hellenische Republik, vertreten durch E. Tsaousi, E. Leftheriotou und A.‑V. Vasilopoulou als Bevollmächtigte, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch A. Bouchagiar und T. Ramopoulos als Bevollmächtigte, Beklagte, erlässt DAS GERICHT (Erste Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterinnen N. Półtorak und O. Porchia (Berichterstatterin), Kanzler: I. Pollalis, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2022 folgendes Urteil 1 Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV begehrt die Hellenische Republik die Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2020/394 der Kommission vom 7. Oktober 2019 über die Maßnahmen SA.39119 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2014/CP) der Hellenischen Republik in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften im Zusammenhang mit den Bränden von 2007 (dieser Beschluss betrifft nur den Agrarsektor) (ABl. 2020, L 76, S. 4, im Folgenden: angefochtener Beschluss). Vorgeschichte des Rechtsstreits 2 Von den Bränden in Griechenland im Juli 2007 waren die Präfektur Magnisia und genauer gesagt der Pilion, die Insel Skiathos, die Insel Kefalonia, die Präfektur Achaia sowie der Peloponnes betroffen. Im August 2007 wüteten neue Brände in den Präfekturen Messenien, Elis, Arkadien, Lakonien und Euböa sowie in der Gemeinde Egialia in der Präfektur Achaia. Aufgrund der durch diese Brände verursachten Lage rief der Premierminister der Hellenischen Republik am 25. August 2007 den Notstand aus. 3 In der Folge erließ die Hellenische Republik Maßnahmen zur Unterstützung von Wirtschaftsteilnehmern, die in den durch die Brände von 2007 geschädigten Gebietskörperschaften (im Folgenden: geschädigte Gebietskörperschaften) tätig und ansässig waren, die in diesen Maßnahmen ausdrücklich genannt wurden. 4 Am 22. Juli 2014 erhielt die Europäische Kommission ein Beschwerdeschreiben über eine mutmaßliche staatliche Beihilfe der Hellenischen Republik an die landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeitende Gesellschaft Sogia Ellas SA und deren Tochtergesellschaften (im Folgenden zusammen: Sogia Ellas) in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften des griechischen Staates sowohl für bestehende Kredite, die neu ausgehandelt werden sollten und für die ein Tilgungsaufschub gewährt werden sollte, als auch für neue Kredite. 5 Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 forderte die Kommission die griechischen Behörden auf, Informationen über die mutmaßlichen Beihilfen vorzulegen. Dieser Aufforderung kamen die griechischen Behörden durch die Vorlage von Einzelheiten zur Rechtsgrundlage für die Gewährung der Beihilfen nach. 6 Am 11. Dezember 2015 sandte die Kommission ein zweites Schreiben an die griechischen Behörden, worin sie ihnen zusätzliche Fragen stellte und sie darauf hinwies, dass die Untersuchung dieser Maßnahmen nicht nur Sogia Ellas betreffe, da die streitigen Maßnahmen möglicherweise auch anderen Begünstigten gewährt worden seien. 7 Daher beschloss die Kommission, ein Verfahren wegen nicht angemeldeter staatlicher Beihilfen [SA.39119 (2015/NN)] einzuleiten und den Umfang ihrer Untersuchung auf den gesamten griechischen Agrarsektor auszuweiten. 8 Am 11. Februar 2016 legten die griechischen Behörden ergänzende Informationen über die Rechtsgrundlage der betreffenden Beihilfen, die Voraussetzungen für ihre Gewährung sowie über die Begünstigten dieser Beihilfen vor. 9 Mit Schreiben vom 17. Mai 2016 teilte die Kommission der Hellenischen Republik ihren Beschluss mit, das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV betreffend die staatliche Beihilfe SA.39119 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2014/CP) – Beihilfe an Sogia Ellas AE et al. – zu eröffnen (im Folgenden: Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens). 10 Mit der Veröffentlichung des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Union vom 16. September 2016 (ABl. 2016, C 341, S. 23) forderte die Kommission die Beteiligten nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zur Stellungnahme auf. 11 Im Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens forderte die Kommission die griechischen Behörden auf, ihr eine Schätzung der Anzahl der Begünstigten jeder in diesem Beschluss aufgeführten Regelung sowie die Beträge der betreffenden Beihilfen zu übermitteln. 12 Keiner der Beteiligten gab eine Stellungnahme ab. Die griechischen Behörden reichten ihre Stellungnahme zum Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens am 23. September 2016 ein. In ihren Antworten teilten sie der Kommission mit, es sei ihnen unmöglich, alle verlangten Informationen zu liefern, was sie schließlich mit Schreiben vom 9. März 2017 und 21. Februar 2018 taten. 13 Am 7. Oktober 2019 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluss. 14 Nach dem angefochtenen Beschluss, der nur für Tätigkeiten gelten soll, die mit der Produktion, der Verarbeitung und der Vermarktung von Agrarerzeugnissen, d. h. von Erzeugnissen, die in Anhang I des AEUV aufgeführt sind, ausgenommen Produkte aus Fischerei und Aquakultur, in Zusammenhang stehen, entschied die Kommission insbesondere, dass die Beihilferegelungen, die durch den Ministerialbeschluss Nr. 36579/B.1666/27.8.2007 (einschließlich der späteren Änderungen) in Form von Zinsvergütungen und Bürgschaften der Hellenischen Republik eingeführt worden seien (im Folgenden: streitige Maßnahmen), eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten, die rechtswidrig und mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei, so dass die Hellenische Republik verpflichtet sei, von den Begünstigten die in Art. 1 genannten Beihilfen zurückzufordern, außer in den in den Art. 3 und 4 dieses Beschlusses ausdrücklich vorgesehenen Fällen. Anträge der Parteien 15 Die Hellenische Republik beantragt, – den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären; – der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 16 Die Kommission beantragt, – die Klage abzuweisen; – der Hellenischen Republik die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung 17 Die Hellenische Republik stützt ihre Klage auf drei Klagegründe, mit denen sie geltend macht: erstens das Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, zweitens die Vereinbarkeit der Beihilfe nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV und drittens eine Verletzung des Rechts auf eine angemessene Verfahrensdauer und des Grundsatzes der guten Verwaltung, die Unzuständigkeit der Kommission in zeitlicher Hinsicht und eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sowie der Verteidigungsrechte. Zum ersten Klagegrund: Nichtvorliegen einer Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV 18 Der erste Klagegrund besteht aus drei Teilen. Mit dem ersten Teil wirft die Hellenische Republik der Kommission eine fehlerhafte Auslegung und Anwendung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellten Voraussetzungen vor. Mit dem zweiten Teil macht die Hellenische Republik Tatsachenirrtümer und das Fehlen einer Begründung geltend. Mit dem dritten Teil schließlich macht die Hellenische Republik eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend. Da sich der dritte Teil des ersten Klagegrundes und der erste Teil des dritten Klagegrundes teilweise überschneiden, ist es angebracht, sie im Rahmen der Prüfung des dritten Klagegrundes zu untersuchen. Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Auslegung und Anwendung der in Art. 107 Abs. 1 AEUV aufgestellten Voraussetzungen 19 Erstens macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen hätten keine negativen Auswirkungen auf den Staatshaushalt und stellten auch keine Gefahr für die finanziellen Mittel des Staates dar. Zum einen hätte das Erfordernis einer Prämie für die Gewährung der Bürgschaften die Wirksamkeit der Maßnahmen beeinträchtigt. Zum anderen werde das Fehlen einer Prämie durch mehrere Faktoren ausgeglichen. Daher sei das Kriterium, dass eine Beihilfe aus staatlichen Mitteln finanziert werden müsse, nicht erfüllt. 20 Zweitens macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen verschafften ihren Adressaten keinen „Vorteil“, so dass dieses Kriterium nicht erfüllt sei, obwohl es erfüllt sein müsse, um auf das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe zu schließen. 21 Die Hellenische Republik weist zwar darauf hin, dass sie im vorliegenden Fall nicht wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer gehandelt habe, macht aber geltend, die streitigen Maßnahmen seien im Licht einer langfristigen wirtschaftlichen Vernünftigkeit zu sehen, und es stehe ihr frei, eine langfristige Politik zu verfolgen, die ihrer „sozialen Verantwortung“ entspreche, wie dies privaten Wirtschaftsteilnehmern zugestanden worden sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie im vorliegenden Fall von den Marktregeln abgewichen sei, da nicht ausgeschlossen sei, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer ebenso gehandelt hätte, um langfristig einen Gewinn zu erzielen. 22 Speziell zu den staatlichen Bürgschaften macht die Hellenische Republik geltend, das Fehlen einer Prämie bedeute nicht, dass ein Vorteil vorliege. Zum einen hätte eine Prämie nämlich die Wirksamkeit der Maßnahmen beeinträchtigt. Zum anderen werde das Fehlen einer Prämie durch mehrere Faktoren ausgeglichen, insbesondere durch die Tatsache, dass die Rentabilität der Unternehmen geprüft worden sei und dass Unternehmen in Schwierigkeiten ausgeschlossen worden seien, dass die Bürgschaft für höchstens 80 % jedes Darlehens gewährt worden sei, dass die Laufzeit der Darlehen zeitlich begrenzt worden sei und dass sie das Recht habe, den als Bürgschaft gezahlten Betrag vom Hauptschuldner zurückzufordern. 23 Zudem macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen hätten die Lasten nicht verringert, die die Unternehmen „normalerweise“ zu tragen hätten. Denn mit ihren Maßnahmen habe sie versucht, auf die außergewöhnliche Situation zu reagieren, in der sich die Empfänger der streitigen Maßnahmen befunden hätten. 24 Schließlich macht die Hellenische Republik geltend, die streitigen Maßnahmen seien nicht selektiv. Die Begünstigten der streitigen Maßnahmen befänden sich nicht in einer Situation, die mit der Situation anderer Marktteilnehmer vergleichbar sei. Sie hätten sich in einer Ausnahmesituation befunden, da die Brände von 2007 nicht Teil des „wirtschaftlichen Risikos, das jedes Unternehmen treffen kann“, seien, wie die Kommission im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses behaupte. Anstatt den Wettbewerb zu verfälschen, zielten die streitigen Maßnahmen somit darauf ab, die Wettbewerbsbedingungen wiederherzustellen. 25 Drittens trägt die Hellenische Republik vor, dass die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten. In diesem Zusammenhang verweist sie auf statistische Daten, aus denen hervorgehe, dass im Zeitraum von 2008 bis 2010 das Bruttoinlandsprodukt und die Bruttowertschöpfung in den geschädigten Gebietskörperschaften erheblich zurückgegangen seien. Außerdem habe sich die Kommission bei ihrer Beurteilung zu Unrecht darauf gestützt, dass Unternehmen in Schwierigkeiten von den streitigen Maßnahmen profitieren könnten. 26 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik zur Stützung des ersten Teils des ersten Klagegrundes entgegen. 27 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV verlangt, dass alle nachstehend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Maßnahme handeln. Zweitens muss diese Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Empfänger durch sie ein selektiver Vorteil verschafft werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 28 Überdies ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen beschreibt (Urteile vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 27, und vom 29. März 2012, 3M Italia, C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 36). 29 Was erstens die erste Voraussetzung für die Einstufung einer nationalen Maßnahme als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anbelangt, so zeigen die Analyse des Beschlusses Nr. 36579/B.1666/27.8.2007, die in Anhang A 12 der Klageschrift enthalten ist, sowie die von der Hellenischen Republik der Kommission übermittelten Antworten, die in Anhang A 21 der Klageschrift enthalten sind, dass die in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen in den Genuss einer Umschuldung sowie der Gewährung von Betriebskapitaldarlehen kommen konnten, die zum einen Gegenstand vollständiger oder teilweiser Zinsvergütungen waren, die von den griechischen Behörden finanziert wurden, und die zum anderen von der Hellenischen Republik garantiert wurden, ohne dass die Begünstigten dieser Darlehen eine Prämie dafür zu zahlen hatten. 30 Was die Zinsvergütungen betrifft, so hat diese Vergütung, da die zahlbaren Zinsen ganz oder teilweise durch das vom Nómos 128/1975, perí tropopoiíseos kai sympliróseos diatáxeón tinon anaferoménon eis tin leitourgían tou chrimatodotikoú systímatos (Gesetz 128/1975 über die Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Funktionsweise des Finanzsystems) vom 28. August 1975 (FEK A 178/28.8.1975), geschaffene Konto „subventioniert“ wurden, notwendigerweise die finanziellen Mittel der Hellenischen Republik belastet; diese Vergütung vermag im Übrigen nicht die Stichhaltigkeit des 112. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, wonach sowohl die Zinsvergütungen als auch die staatlichen Bürgschaften dem griechischen Staat zugerechnet werden konnten und mit staatlichen Mitteln bereitgestellt wurden. 31 In Bezug auf die staatliche Bürgschaft bestreitet die Hellenische Republik, dass sich die Gewährung solcher Bürgschaften durch die streitigen Maßnahmen negativ auf ihre Mittel ausgewirkt habe. 32 Es ist darauf hinzuweisen, dass als Beihilfen Maßnahmen gelten, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 101). 33 Nach der Rechtsprechung kann die Gewährung einer Bürgschaft eine zusätzliche Belastung für den Staat mit sich bringen (vgl. Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere bringt eine Bürgschaft eine Risikoübernahme mit sich, die normalerweise durch eine angemessene Prämie abgegolten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 65). 34 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Hellenische Republik auf eine Prämie für die Gewährung der in den streitigen Maßnahmen enthaltenen Bürgschaften verzichtet hat, so dass ihre öffentlichen Mittel belastet wurden. 35 Diese Schlussfolgerung kann durch das – im Übrigen nicht belegte – Vorbringen der Hellenischen Republik nicht in Frage gestellt werden, mit dem dargetan werden soll, dass die gewährten Bürgschaften kein Risiko für die öffentlichen Mittel darstellten. 36 In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik das bestätigt, was aus dem 28. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, nämlich, dass ihre Bürgschaft in Höhe von mehr als 6000000 Euro in Anspruch genommen worden sei. Sie hat auf den Umstand hingewiesen, dass diese Beträge wie Steuerschulden automatisch eingezogen werden könnten, wobei die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung des Schuldners bestehe, sie hat jedoch nicht die Beträge genannt, die sie tatsächlich eingezogen hatte. 37 Speziell zu den von den Begünstigten der Maßnahmen gestellten Sicherheiten ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Stellung einer dinglichen Sicherheit nicht systematisch für alle Darlehen erforderlich war. Aus dem als Anhang A 24 der Klageschrift beigefügten Dokument ergibt sich auch, dass die Stellung einer Sicherheit durch den Kreditnehmer die staatliche Bürgschaft nur zu 90 % ihres Betrags absicherte, so dass der Staat keine Gewähr für die Rückzahlung der gesamten Schuld hatte. 38 Zudem trifft es zwar zu, dass die Unternehmen, die einen Antrag auf Schuldenerlass in Höhe von mehr als 100000 Euro stellten, ihre wirtschaftliche Rentabilität in Form einer Studie nachweisen mussten und dass die anderen Unternehmen eine in Anhang A 27 der Klageschrift enthaltene Tabelle ausfüllen mussten, in der insbesondere die früheren Finanz- und Rechnungslegungsdaten der Jahre 2004, 2005 und 2006 sowie ihre zukünftigen Daten für die Jahre 2007, 2008 und 2009 aufgeführt waren. 39 Wie in den Erwägungsgründen 129 und 131 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, wurden jedoch die wirtschaftlichen Kriterien für die Bestimmung der Schwelle, ab der ein Unternehmen als nicht mehr rentabel angesehen wurde, nicht durch die fraglichen Beihilferegelungen bestimmt, so dass die Hellenische Republik nicht behaupten kann, dass die gewährten Bürgschaften ausschließlich rentablen Unternehmen vorbehalten gewesen seien und dass die nicht rentablen davon nicht hätten profitieren können. 40 Aus den Rn. 29 bis 39 oben ergibt sich, dass die Kommission keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie in den Erwägungsgründen 111 und 112 des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen davon ausgegangen ist, dass die streitigen Maßnahmen für die Hellenische Republik eine finanzielle Belastung dargestellt hätten. 41 Was zweitens das Kriterium des Vorteils anbelangt, so gelten als staatliche Beihilfen nach ständiger Rechtsprechung Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (vgl. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Deutsche Post, C‑399/08 P, EU:C:2010:481, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung). 42 Insbesondere erlangt nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ein Kreditnehmer, für dessen Darlehen die staatlichen Stellen eines Mitgliedstaats eine Bürgschaft übernehmen, ebenso wie einer, der in den Genuss einer Bürgschaft kommt, ohne als Gegenleistung eine Provision zahlen zu müssen, normalerweise einen finanziellen Vorteil, da die ihm entstandenen finanziellen Kosten geringer sind als diejenigen, die ihm entstanden wären, wenn er sich die gleichen Finanzmittel und die gleiche Bürgschaft zu Marktpreisen hätte verschaffen müssen (vgl. Urteil vom 3. April 2014, Frankreich/Kommission, C‑559/12 P, EU:C:2014:217, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung). 43 Im vorliegenden Fall hatte das Eingreifen der Hellenischen Republik zur Folge, dass die Unternehmen in den geschädigten Gebieten entweder in den Genuss von Darlehen mit Zinsen kamen, die sie ganz oder teilweise subventionierte, oder von Bürgschaften profitierten, die sie gewährte, ohne dass diese Unternehmen eine Provision zahlen mussten, was ihnen ohne staatliche Intervention nicht möglich gewesen wäre. 44 Die Hellenische Republik macht jedoch im Wesentlichen geltend, im vorliegenden Fall sei kein Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorgelegen. Da die streitigen Maßnahmen im Zusammenhang mit einer Marktkrise erlassen worden seien, fielen sie in die soziale Verantwortung des Staates und erfüllten aufgrund dieser Situation ein Kriterium langfristiger wirtschaftlicher Vernünftigkeit, so dass alle in einer ähnlichen Situation befindlichen privaten Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise hätten handeln können. Aufgrund all dieser Erwägungen vertritt die Hellenische Republik die Auffassung, es könne davon ausgegangen werden, dass solche Maßnahmen unter normalen Marktbedingungen gewährt worden seien. 45 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. 46 Es ist darauf hinzuweisen, dass sich der Begriff „normale Marktbedingungen“, der zur Feststellung des Vorliegens eines Vorteils verwendet wird, auf die Möglichkeit des Unternehmens bezieht, sich auf dem Markt denselben wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, den es durch die Beihilfe erhält, und nicht auf die Einschätzung, inwieweit der Markt wie üblich funktioniert oder sich in einer Krise befindet (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 5. Februar 2015, Griechenland/Kommission, C‑296/14 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:72, Rn. 34). 47 Jede gegenteilige Auslegung liefe darauf hinaus, das Vorliegen eines Vorteils anhand der Ursache oder des Zwecks der Beihilfe festzustellen, was den objektiven Charakter des Begriffs des Vorteils und folglich die Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV in Frage stellen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑52/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:677, Rn. 66 und 67). 48 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass sich die Hellenische Republik nicht darauf beruft, im vorliegenden Fall wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer gehandelt zu haben, und dass sie nicht bestreitet, in ihrer Eigenschaft als Trägerin öffentlicher Gewalt gehandelt zu haben. Sie versucht vielmehr, zu suggerieren, dass ein privater Wirtschaftsteilnehmer in einer Situation, die ihrer Situation möglichst nahekomme, auf ähnliche Weise hätte handeln können, ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sie in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat. 49 Keine Vorschrift des Art. 107 Abs. 1 AEUV befreit jedoch eine Beihilfe, die von einem Mitgliedstaat als Träger öffentlicher Gewalt gewährt wurde und ein Kriterium langfristiger wirtschaftlicher Vernünftigkeit erfüllt oder in die soziale Verantwortung des Staates fällt, von der Einstufung als staatliche Beihilfe, wobei diese Erwägungen im Übrigen bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Binnenmarkt auf der Grundlage von Art. 107 Abs. 2 und 3 AEUV berücksichtigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2018, Kommission/FIH Holding und FIH Erhvervsbank, C‑579/16 P, EU:C:2018:159, Rn. 63 und 75). 50 Die Hellenische Republik kann sich daher nicht auf das Kriterium der wirtschaftlichen Vernünftigkeit berufen, um die Marktbedingungen, unter denen die streitigen Maßnahmen gewährt wurden, als normal einzustufen und den Schluss zu ziehen, dass diese Maßnahmen ihren Begünstigten keinen Vorteil verschafften. 51 Aus den Rn. 41 bis 50 oben ergibt sich, dass es der Hellenischen Republik nicht gelungen ist, die Erwägungsgründe 113 bis 116 des angefochtenen Beschlusses in Frage zu stellen, in denen die Kommission im Wesentlichen zum einen festgestellt hat, dass die Begünstigten der streitigen Maßnahmen in den Genuss dieser Maßnahmen gekommen seien, obwohl dies unter normalen Marktbedingungen, d. h. ohne staatliche Intervention, nicht möglich gewesen wäre, und zum anderen, dass nicht zu prüfen sei, ob der Markt wie üblich funktioniere oder sich in einer Krise befinde, um letztlich zu dem Schluss zu kommen, dass diese Maßnahmen einen Vorteil im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten. 52 Drittens macht die Hellenische Republik in Bezug auf die Voraussetzung des Erfordernisses der Selektivität des Vorteils geltend, das Kriterium der Selektivität sei entgegen den Ausführungen im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im vorliegenden Fall nicht erfüllt, da die streitigen Maßnahmen allen in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen gewährt worden seien und sich diese Unternehmen in einer rechtlichen und tatsächlichen Situation befunden hätten, die sich von der der Unternehmen unterscheide, die in den anderen Gebietskörperschaften ansässig seien. 53 Die Hellenische Republik bestreitet die Selektivität der streitigen Maßnahmen und macht geltend, die bestehende Differenzierung zwischen Unternehmen, die in den von diesen Maßnahmen betroffenen Gebieten ansässig seien, und jenen, auf die dies nicht zutreffe, sei dadurch gerechtfertigt, dass Erstere im Unterschied zu Letzteren in den von den Bränden von 2007 geschädigten Gebieten ansässig seien und das wirtschaftliche Niveau wiedererlangen müssten, das sie vor diesem Ereignis gehabt hätten. 54 Die Differenzierung zwischen diesen beiden Kategorien von Unternehmen sei somit dadurch gerechtfertigt, dass sich die Unternehmen jeder der beiden Kategorien in einer tatsächlich und rechtlich nicht vergleichbaren Lage befänden, da im Wesentlichen alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen durch diese Brände geschädigt worden seien. 55 Aus diesem Grund wendet sich die Hellenische Republik gegen den im 118. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthaltenen Satz, wonach die Brände Teil der wirtschaftlichen Risiken seien, die jedes Unternehmen treffen könnten. In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik dieses Argument vertieft und versucht, nachzuweisen, dass die streitigen Maßnahmen angesichts der durch die Brände von 2007 verursachten systemischen Störung der lokalen Wirtschaft durch die Natur oder die Struktur der Regelung, mit der sie in Zusammenhang stünden, gerechtfertigt seien, ohne nähere Angaben zu machen. 56 Es ist darauf hinzuweisen, dass Maßnahmen, mit denen nur bestimmten Unternehmen Vorteile gewährt werden, die nach dem Ort ihrer Niederlassung bestimmt werden, a priori selektiv sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98, EU:C:2000:467, Rn. 23, und vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 60 und 61). 57 Sofern die Beihilfen nicht von unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Einheiten gewährt werden, die in ihrem Zuständigkeitsbereich über eine ausreichende verfahrensrechtliche und finanzielle institutionelle Autonomie verfügen, oder von einem öffentlichen Unternehmen, das die Bedingungen für die Verwendung seiner Waren oder Dienstleistungen festlegt, ist der anwendbare Bezugsrahmen der nationale Rahmen und erfolgt die Beurteilung der Selektivität einer Maßnahme, die, wie im vorliegenden Fall, Unternehmen zugutekommt, die in einem Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ansässig sind, durch Vergleich mit den Unternehmen dieses Staates. Ein Vorteil, der auf Unternehmen beschränkt ist, die in einem Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ansässig sind, kann zu einer selektiven Maßnahme führen, da er bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen in diesem Staat begünstigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. September 2000, Deutschland/Kommission, C‑156/98,EU:C:2000:467, Rn. 23, vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56 bis 58, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 60 bis 66). 58 Im vorliegenden Fall konnten die in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen von den streitigen Maßnahmen profitieren. Da zum einen der Bezugsrahmen, der bei der Beurteilung der Selektivität der streitigen Maßnahmen gemäß den oben in Rn. 57 genannten Gesichtspunkten zu berücksichtigen ist, der nationale Rahmen und nicht der der geschädigten Gebietskörperschaften ist und zum anderen die in den anderen Gebietskörperschaften der Hellenischen Republik ansässigen Unternehmen von diesen Maßnahmen nicht profitieren konnten, ist jedoch festzustellen, dass diese Maßnahmen nicht allen im Staatsgebiet ansässigen Unternehmen unterschiedslos zugutekamen und dass sie folglich regional selektiv sind. 59 Zudem würde ein Ausschluss der Selektivität allein auf der Grundlage des verfolgten Ziels, die mit den Bränden verbundenen Schäden zu beheben und die Wirtschaft der geschädigten Gebietskörperschaften wieder anzukurbeln, von vornherein jegliche Möglichkeit ausschließen, die Vorteile, die den in den von den Bränden von 2007 betroffenen Gebieten ansässigen Unternehmen gewährt wurden, als „selektive Vorteile“ einzustufen. Es würde ausreichen, dass sich die Behörden auf die Legitimität der mit dem Erlass einer Beihilfemaßnahme angestrebten Ziele berufen, um diese als allgemeine Maßnahme der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV zu entziehen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑52/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:677, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung). 60 Würde einem solchen Ansatz gefolgt, wäre eine Maßnahme, die, wie im vorliegenden Fall, das Ziel verfolgt, die Lage der von einer Naturkatastrophe betroffenen Unternehmen zu verbessern, grundsätzlich nicht selektiv und sie wäre von vornherein der Anwendung von Art. 107 Abs. 1 AEUV entzogen, was dazu führen würde, dass die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme ihrer Substanz beraubt würde. 61 In diesem Kontext ist im Übrigen auch der oben in Rn. 55 angeführte Satz zu lesen. 62 Mit diesem Satz wollte die Kommission zum Ausdruck bringen, dass die Tatsache, dass Unternehmen aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten haben, sowie der Wille der Hellenischen Republik, die Unternehmen wieder in die wirtschaftliche Lage zu versetzen, in der sie sich vor diesen Bränden befanden, nicht ausreichen, um davon auszugehen, dass die streitigen Maßnahmen ihren Begünstigten keinen spezifischen Vorteil verschafften und folglich keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellten. 63 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung der Begriff der staatlichen Beihilfe zwar staatliche Maßnahmen, die eine Differenzierung zwischen Unternehmen vornehmen und damit a priori selektiv sind, dann nicht umfasst, wenn diese Differenzierung aus der Natur oder der Struktur der Regelung folgt, mit der sie in Zusammenhang stehen (vgl. Urteil vom 21. Juni 2012, BNP Paribas und BNL/Kommission, C‑452/10 P, EU:C:2012:366, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung). 64 Allerdings ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen der Hellenischen Republik in der mündlichen Verhandlung nur, dass die streitigen Maßnahmen darauf abzielten, punktuell auf die Brandfolgen in den geschädigten Gebietskörperschaften zu reagieren, ohne jedoch die sich auf diese Maßnahmen beziehende Regelung zu bezeichnen. Daraus folgt, dass die Akten entgegen dem, was die Hellenische Republik anerkannt haben möchte, keinerlei Beleg dafür enthalten, dass die durch diese Maßnahmen vorgenommene Differenzierung aus der Natur oder der Struktur der Regelung folgte, mit der sie in Zusammenhang standen, und dass daher die durch diese Maßnahmen verschafften Vorteile keinen spezifischen Charakter hatten. 65 Folglich hat die Kommission in den Erwägungsgründen 117 bis 118 des angefochtenen Beschlusses rechts- und beurteilungsfehlerfrei festgestellt, dass die streitigen Maßnahmen selektiv seien, da insbesondere die ihren Empfängern dadurch verschafften Vorteile territorial begrenzt seien und nicht für alle Unternehmen im griechischen Hoheitsgebiet gälten. 66 Viertens behauptet die Hellenische Republik unter Berufung auf statistische Daten, dass die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigten und den Wettbewerb nicht verfälschten. 67 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach der Rechtsprechung nicht zum Nachweis einer tatsächlichen Auswirkung der Beihilfen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und einer tatsächlichen Wettbewerbsverzerrung verpflichtet ist, sondern nur zu prüfen hat, ob die Beihilfen geeignet sind, diesen Handel zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 134 und die dort angeführte Rechtsprechung). 68 Zudem kann, wie oben in den Rn. 59 und 60 festgestellt worden ist, der Ausgleichscharakter der streitigen Maßnahmen ihnen nicht den Charakter einer Beihilfe nehmen, so dass das Argument der Hellenischen Republik, dass die streitigen Maßnahmen darauf abzielten, die Situation vor den Bränden von 2007 wiederherzustellen, nicht durchgreifen kann. 69 Die statistischen Daten, auf die sich die Hellenische Republik beruft, beziehen sich auf das Bruttoinlandsprodukt und auf die in den geschädigten Gebietskörperschaften erzielte Wertschöpfung durch alle wirtschaftlichen Tätigkeiten. Somit sind diese Daten nicht stichhaltig, insbesondere was die Situation der Wirtschaftsteilnehmer betrifft, die in dem Wirtschaftssektor tätig sind, um den es im angefochtenen Beschluss geht. 70 Daraus folgt, dass unabhängig von der Frage, ob es zulässig sein kann, dass ein Mitgliedstaat im Nachhinein mit statistischen Daten die fehlende Beeinträchtigung des Handels und die fehlende Wettbewerbsverzerrung nachweist, die statistischen Daten, auf die sich die Hellenische Republik beruft, nicht geeignet sind, das Fehlen einer solchen Beeinträchtigung für die von den streitigen Maßnahmen betroffenen Unternehmen nachzuweisen. 71 Was schließlich das Vorbringen der Hellenischen Republik angeht, dass Unternehmen in Schwierigkeiten von den streitigen Maßnahmen ausgeschlossen seien, so genügt neben den oben in den Rn. 37 bis 39 getroffenen Feststellungen der Hinweis, dass dieser Gesichtspunkt, wie die Kommission vorträgt, für die Frage, ob die streitigen Maßnahmen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen konnten, irrelevant ist. 72 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Hellenische Republik die Begründetheit der Erwägungsgründe 122 und 123 des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage gestellt hat, in denen es im Wesentlichen heißt, dass die streitigen Maßnahmen unabhängig von dem mit ihnen verfolgten Zweck den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen drohten, da die Begünstigten dieser Maßnahmen normalerweise die Kosten der durch die Brände von 2007 verursachten Schäden selbst hätten tragen müssen und sie auf dem stark wettbewerbsorientierten Markt der Agrarprodukte und im Forstsektor tätig gewesen seien, bei denen es sich um Sektoren handele, die durch Maßnahmen, die Unternehmen in einem bestimmten Mitgliedstaat begünstigten, und im vorliegenden Fall durch die streitigen Maßnahmen beeinträchtigt würden, so dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten. 73 Nach alledem ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Tatsachenirrtum und Begründungsmangel 74 Mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, der angefochtene Beschluss sei mit einem Tatsachenirrtum und einem Begründungsmangel behaftet. 75 Die Kommission habe nicht alle relevanten Daten berücksichtigt. 76 Insbesondere habe die Kommission die Schwere der Brände von 2007, die außergewöhnliche Maßnahmen erfordert habe, und die Verpflichtung der Hellenischen Republik, eine langfristige Politik zu verfolgen, nicht hinreichend berücksichtigt. Stattdessen habe sich die Kommission darauf beschränkt, stereotyp festzustellen, dass die Brände von 2007 als „übliches Geschäftsrisiko“ eingestuft werden könnten. Somit sei der angefochtene Beschluss mit einem Tatsachenirrtum und einem schwerwiegenden Begründungsmangel behaftet, was umso schädlicher sei, als die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfüge. 77 Zudem habe es die Kommission versäumt, zum einen den Ernst der durch die Brände von 2007 verursachten Lage und zum anderen die nationalen Vorkehrungen gegeneinander abzuwägen, die getroffen worden seien, um die Auswirkungen auf die finanziellen Mittel der Hellenischen Republik möglichst gering zu halten und gleichzeitig das Anlaufen der Wirtschaft und somit die Einziehung von Steuern zu ermöglichen. 78 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen. 79 Zu dem angeblichen Begründungsmangel ist zu sagen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 80 Ebenso ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 12. September 2017, Anagnostakis/Kommission, C‑589/15 P, EU:C:2017:663, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). 81 Ferner ist hinzuzufügen, dass es sich bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die Begründung einer Entscheidung soll nämlich förmlich die Gründe zum Ausdruck bringen, auf denen diese Entscheidung beruht. Weisen die Gründe Fehler auf, so beeinträchtigen diese die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht aber deren Begründung, die, obwohl sie fehlerhafte Gründe enthält, hinreichend sein kann. Daraus folgt, dass die Rügen und Argumente, die die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen, im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, unerheblich sind (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2020, EKETA/Kommission, C‑274/19 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2020:853, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung). 82 Im vorliegenden Fall lässt sich, wie oben in den Rn. 52 bis 65 angeführt, den Erwägungsgründen 110, 116, 118, 119 und 123 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass die Kommission das Vorbringen der Hellenischen Republik zurückgewiesen hat, mit dem eine außergewöhnliche Situation aufgrund der Brände von 2007 geltend gemacht wurde, weil sie insbesondere und im Wesentlichen zum einen die Ansicht vertreten hat, dass das mit diesen Maßnahmen verfolgte Ziel im Rahmen der Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht berücksichtigt werden dürfe, und zum anderen, dass die Begünstigten der streitigen Maßnahmen unabhängig von diesen Umständen einen selektiven Vorteil erlangt hätten, da sie diese unter normalen Marktbedingungen nicht hätten erhalten können. 83 Im Übrigen und wie oben in den Rn. 31 bis 39, 41 bis 43 und 51 angeführt, lässt sich den Erwägungsgründen 127, 129, 131 und 132 des angefochtenen Beschlusses entnehmen, dass die Kommission in Bezug auf die Maßnahmen der staatlichen Bürgschaft die Ansicht vertreten hat, dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten, da insbesondere im Wesentlichen zum einen abgesehen davon, dass ein Schuldner, für den die Bürgschaft gestellt worden sei, nicht systematisch zugunsten der Hellenischen Republik Sicherheiten habe leisten müssen, diese Maßnahmen gewährt worden seien, ohne dass ihr Begünstigter eine Prämie für das Risiko gezahlt habe, das der Staat mit der Bürgschaft übernommen habe, und zum anderen die Hellenische Republik nicht nachgewiesen habe, dass es eine Bestimmung gebe, die Unternehmen in Schwierigkeiten von der Inanspruchnahme dieser Maßnahmen ausgeschlossen hätte. 84 Somit ergibt sich aus den Rn. 82 und 83 oben, dass die Kommission im angefochtenen Beschluss hinreichend begründet hat, weshalb sie sowohl das Vorbringen der Hellenischen Republik zur außergewöhnlichen Situation aufgrund der Brände von 2007 als auch jenes zu den von den Kreditnehmern gestellten zusätzlichen Sicherheiten und – hinsichtlich der staatlichen Bürgschaften – zum Ausschluss von Unternehmen in Schwierigkeiten zurückgewiesen hat. 85 Was schließlich das Vorbringen der Hellenischen Republik anbelangt, dass es die Kommission außer Acht gelassen habe, dass es zum einen wichtig sei, eine langfristige Wirtschaftspolitik verfolgen zu können, und dass sie es zum anderen versäumt habe, die wirtschaftliche Vernünftigkeit der streitigen Maßnahmen und die tatsächlichen Umstände gegeneinander abzuwägen, ist festzustellen, dass diese Argumente – abgesehen davon, dass sie sich mit den Argumenten im ersten Teil des ersten Klagegrundes überschneiden, die zurückgewiesen worden sind, da sie die Begründetheit eines Rechtsakts in Frage stellen sollen – im Rahmen eines Klagegrundes, mit dem eine fehlende oder unzureichende Begründung gerügt wird, nach der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung unerheblich sind. 86 Nach alledem ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Vereinbarkeit der Beihilferegelungen nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV 87 Mit ihrem zweiten hilfsweise geltend gemachten Klagegrund trägt die Hellenische Republik vor, die streitigen Beihilferegelungen seien nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar. 88 Insoweit macht sie erstens geltend, die Kommission habe in den Erwägungsgründen 62 und 63 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht angenommen, dass die streitigen Maßnahmen gewährt worden seien, ohne dass es einen direkten Zusammenhang mit den durch die Brände von 2007 entstandenen Schäden gegeben habe, obwohl alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Unternehmen Schäden erlitten hätten, die in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit den Bränden von 2007 gestanden hätten, da die Verarbeitung und die Vermarktung von Agrarerzeugnissen in diesen Gebietskörperschaften völlig zum Stillstand gekommen seien. Dies sei im Übrigen von den Vertretern der Organe der Europäischen Union anerkannt worden. 89 Die Hellenische Republik macht zweitens geltend, die von der Kommission in den Erwägungsgründen 64 und 146 des angefochtenen Beschlusses vorgenommene Beurteilung sei fehlerhaft, da sie die Tatsache überhaupt nicht berücksichtigt habe, dass die streitigen Maßnahmen keine Einzelmaßnahmen, sondern Beihilferegelungen seien und dass sie folglich nicht nach den strengen zivilrechtlichen Kriterien für die Zuerkennung von Schadensersatz zu prüfen seien. 90 Jedenfalls sei offensichtlich, dass im vorliegenden Fall nicht nur die Umstände zu berücksichtigen seien, die eine genaue Bewertung der den Wirtschaftsteilnehmern entstandenen Schäden ermöglichten, sondern auch die Tatsache, dass die streitigen Maßnahmen die Schäden niemals hätten ausgleichen können, die den in den geschädigten Gebieten ansässigen Unternehmen entstanden seien, unabhängig davon, dass die Produktionsmittel dieser Unternehmen nicht unmittelbar von den Bränden von 2007 betroffen gewesen seien. 91 Daraus schließt die Hellenische Republik, dass der angefochtene Beschluss wegen eines Rechtsfehlers und eines Begründungsmangels für nichtig zu erklären sei. 92 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen. 93 Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV eng auszulegen ist, da es sich um eine Ausnahme von dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Binnenmarkt handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, Griechenland/Kommission, C‑278/00, EU:C:2004:239, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung). 94 Diese enge Auslegung bedeutet jedoch nicht, dass die zur Definition der Ausnahme verwendeten Begriffe so auszulegen sind, dass sie dieser ihre Wirkung nehmen. Eine Ausnahme muss nämlich im Einklang mit den Zielen ausgelegt werden, die sie verfolgt (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 11. September 2014, Fastweb, C‑19/13, EU:C:2014:2194, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung). 95 Zudem dürfen nach ständiger Rechtsprechung nur die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse verursachten Nachteile basierend auf Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV ausgeglichen werden (vgl. Urteil vom 9. Juni 2011, Comitato Venezia vuole vivere u. a./Kommission, C‑71/09 P, C‑73/09 P und C‑76/09 P, EU:C:2011:368, Rn. 175 und die dort angeführte Rechtsprechung). 96 Daraus folgt, dass auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine Beihilferegelung handelt, zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die in Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV vorgesehene Ausnahme Anwendung finden kann: Zum einen muss ein direkter Zusammenhang zwischen dem durch die Naturkatastrophe verursachten Schaden und der staatlichen Beihilfe bestehen und zum anderen muss eine möglichst genaue Bewertung der den betreffenden Erzeugern entstandenen Schäden erfolgen (Urteil vom 11. November 2004, Spanien/Kommission, C‑73/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2004:711, Rn. 37). 97 Im vorliegenden Fall geht sowohl aus den Schriftsätzen der Hellenischen Republik als auch aus ihren Erklärungen in der mündlichen Verhandlung hervor, dass die streitigen Maßnahmen gewährt wurden, ohne dass die Empfänger das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen den erlittenen Schäden und den Bränden von 2007 nachweisen mussten. 98 Ausgehend von dem Grundsatz, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV in Bezug auf eine Beihilferegelung wie im vorliegenden Fall nicht den Nachweis eines Kausalzusammenhangs im zivilrechtlichen Sinne zwischen dem erlittenen Schaden und dem gewährten Betrag verlange, hat die Hellenische Republik die Ansicht vertreten, dass es ihr gemäß diesem Artikel freistehe, den Erhalt der streitigen Maßnahmen nur vom Vorhandensein einer Niederlassung des Begünstigten dieser Maßnahmen in einer der geschädigten Gebietskörperschaften abhängig zu machen, da alle in diesen Gebieten ansässigen Unternehmen aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten. 99 Es steht jedoch fest, dass der bloße Nachweis einer Niederlassung in den geschädigten Gebietskörperschaften für sich genommen insbesondere nicht ermöglichte, zu prüfen, ob der Betrag der gewährten Maßnahmen nicht die Höhe der tatsächlich von den Begünstigten dieser Maßnahmen erlittenen und mit der Naturkatastrophe in Zusammenhang stehenden Schäden überstieg und ob möglicherweise eine Überkompensierung vorlag. 100 Im Übrigen hat die Hellenische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die umstrittenen Maßnahmen auch Unternehmen gewährt worden seien, die sich in den betroffenen Gemeinden befunden hätten, ohne dass sie jedoch aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten. 101 Da die Hellenische Republik somit nicht den Beweis erbracht hat, dass die beiden oben in Rn. 96 genannten Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV erfüllt sind, kann sie der Kommission nicht vorwerfen, im angefochtenen Beschluss die in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme nicht angewandt zu haben. 102 Darüber hinaus hat der Umstand, dass die Vertreter der Union möglicherweise darauf hingewiesen haben, dass die Brände von 2007 beispiellose Ereignisse darstellten, oder auch, dass alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft eingesetzt werden sollten, keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses. 103 Solche Erklärungen können es nicht rechtfertigen, dass die streitigen Maßnahmen die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nicht erfüllen, auf die insbesondere oben in Rn. 96 hingewiesen worden ist. 104 Diese Schlussfolgerung kann weder durch die angebliche Dringlichkeit, mit der die streitigen Maßnahmen von der Hellenischen Republik ergriffen werden mussten, noch durch das von den Vertretern der Organe der Union anerkannte Ausmaß der Schäden in Frage gestellt werden. 105 Insoweit und in Bezug auf die behauptete Notlage ist festzustellen, dass die Hellenische Republik nicht nachweist, dass es ihr absolut unmöglich gewesen wäre, die Höhe der tatsächlich aufgrund der Brände von 2007 erlittenen Schäden zu ermitteln. Im Übrigen stünde dies im Widerspruch zu den in der mündlichen Verhandlung bestätigten Behauptungen der Hellenischen Republik, wonach sie bei der Einreichung der Anträge auf die streitigen Maßnahmen umfassende Wirtschaftsstudien der Unternehmen, für die sie gebürgt habe, vorgenommen habe, um deren Rentabilität zu überprüfen. 106 Zum Ausmaß der Naturkatastrophe ist zunächst festzustellen, dass die Erklärungen der Unionsvertreter, die die Bedeutung der Katastrophe anerkennen oder darauf hinweisen, dass alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft eingesetzt werden sollten, nicht dazu führen können, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV auf die streitigen Maßnahmen nicht angewandt werden. 107 Sodann ist festzustellen, dass selbst unter der Annahme, dass die Gesamtbeträge, auf die sich die Hellenische Republik beruft, der Wahrheit entsprechen – dass nämlich der gesamte Schaden mehr als zwei Mrd. Euro beträgt und dass, was den Agrarsektor betrifft, der Beihilfebetrag 154 Mio. Euro beträgt –, die Angabe dieser Beträge kein Nachweis dafür sein kann, dass der Betrag der von den Begünstigten erhaltenen Beihilfen tatsächlich der Höhe der Schäden entsprach, die sie jeweils aufgrund der Brände von 2007 erlitten haben. 108 Daraus folgt, dass die Kommission, nachdem sie im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen hat, dass Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV verlange, dass ein direkter Kausalzusammenhang zwischen den gewährten Beihilfen und den von den Begünstigten dieser Beihilfen aufgrund der betreffenden Naturkatastrophe erlittenen Schäden bestehe, ohne einen Rechtsfehler oder einen Fehler bei der Beurteilung des Sachverhalts begangen zu haben, im Wesentlichen in den Erwägungsgründen 62 bis 64 sowie 146 des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertreten hat, dass die Regelung zur Gewährung der streitigen Maßnahmen weder den Nachweis zugelassen habe, dass sie tatsächlich Unternehmen zugutegekommen seien, die aufgrund der Brände von 2007 Schäden erlitten hätten, noch die Annahme, dass der Betrag dieser Beihilfen der Höhe der erlittenen Schäden entsprochen habe, da die fraglichen Regelungen keinerlei Methodik für die möglichst genaue Einschätzung des durch die Brände entstandenen Schadens enthielten und auch nicht festlegten, welche Kosten ausgehend vom jeweiligen Schaden beihilfefähig gewesen seien. 109 Da schließlich die Erwägungsgründe 62 bis 64 sowie 146 des angefochtenen Beschlusses erkennen lassen, weshalb die Kommission der Ansicht war, dass die streitigen Maßnahmen den Anforderungen der Ausnahme nach Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV nicht genügten, ist der Antrag auf Feststellung des Fehlens einer Begründung für die Weigerung der Kommission, diesen Artikel auf die Umstände des vorliegenden Falles anzuwenden, zurückzuweisen. 110 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen. Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes und zum dritten Klagegrund 111 Mit dem dritten Teil des ersten Klagegrundes macht die Hellenische Republik eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend. 112 Der dritte Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. 113 Mit dem ersten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik zunächst und im Wesentlichen geltend, die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung streitiger Beihilfen stünden nicht im Einklang mit dem Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9). Die Hellenische Republik führt sodann aus, die Kommission habe den angefochtenen Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen und somit den Grundsatz der guten Verwaltung verletzt. Schließlich macht sie geltend, die Kommission habe es unterlassen, in der Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der Beihilferegelungen enthalten habe, die Begünstigten der streitigen Maßnahmen zu identifizieren, woraus sie den Schluss zieht, dass die Kommission dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen und die Verteidigungsrechte verletzt habe. Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, die Rückforderungsanordnung verletze die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit. 114 Da sich das im dritten Teil des ersten Klagegrundes enthaltene Vorbringen zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes mit dem Vorbringen im ersten Teil des dritten Klagegrundes überschneidet, sind sie zusammen zu prüfen. Zum dritten Teil des ersten Klagegrundes und zum ersten Teil des dritten Klagegrundes 115 Zu erstens der Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beihilfen trägt die Hellenische Republik vor, zwischen dem Erlass des streitigen Beschlusses im Jahr 2019 und der Gewährung der streitigen Beihilfen im Jahr 2007 sei eine Frist von mehr als zehn Jahren verstrichen, so dass im vorliegenden Fall die Verjährung nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 Anwendung finde. 116 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 bestimmt, dass die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen für eine Frist von zehn Jahren gelten. Diese Frist gilt nur im Verhältnis zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat, an den sich der Rückforderungsbeschluss der Kommission richtet (Urteil vom 30. April 2020, Nelson Antunes da Cunha, C‑627/18, EU:C:2020:321, Rn. 33). 117 Nach der Rechtsprechung beginnt die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe an den Empfänger und nicht am Tag des Erlasses einer Beihilferegelung zu laufen. Die Beihilfe gilt für die Zwecke der Berechnung der Verjährungsfrist als dem Empfänger erst zu dem Zeitpunkt gewährt, zu dem sie tatsächlich an ihn vergeben wurde (Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 81 und 82). 118 Im vorliegenden Fall wurden die Beihilfen gemäß den in Rede stehenden Regelungen zwischen dem 27. August 2007 und dem 31. Dezember 2010 gewährt. 119 Unter diesen Umständen begann die Verjährungsfrist frühestens am 27. August 2007 zu laufen, was im Übrigen sowohl die Hellenische Republik als auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben. 120 Was die Unterbrechung der Verjährungsfrist anbelangt, die nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 zur Folge hat, dass eine neue Verjährungsfrist in Lauf gesetzt wird, ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung der betreffende Mitgliedstaat gemäß Art. 12 Abs. 2 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung verpflichtet ist, auf Ersuchen der Kommission innerhalb der von ihr festgelegten Frist alle sachdienlichen Auskünfte zu erteilen. Wenn die Kommission ein Auskunftsersuchen an einen Mitgliedstaat richtet, teilt sie diesem nämlich mit, dass sie über Informationen in Bezug auf eine angeblich rechtswidrige Beihilfe verfügt und diese Beihilfe gegebenenfalls zurückgezahlt werden muss (Urteil vom 10. April 2003, Département du Loiret/Kommission, T‑369/00, EU:T:2003:114, Rn. 81). 121 Dass es sich um ein einfaches Auskunftsersuchen handelt, nimmt diesem Instrument daher nicht seine Rechtswirkung als Maßnahme, die geeignet ist, den Lauf der in Art. 17 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verjährungsfrist zu unterbrechen, unabhängig von der Mitteilung dieses Ersuchens an die Beihilfeempfänger (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2005, Scott/Kommission, C‑276/03 P, EU:C:2005:590, Rn. 32, und vom 10. April 2003, Département du Loiret/Kommission, T‑369/00, EU:T:2003:114, Rn. 82). 122 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Kommission auf die Beschwerde, die bei ihr am 22. Juli 2014 einging, am 25. Juli 2014 ein Schreiben versandte, worin sie insbesondere auf den Beschluss Nr. 36579/B.1666/27.8.2007 des Ministers für Wirtschaft und Finanzen und auf den Beschluss Nr. 2/54310/0025/13.09.2007 des Staatssekretärs für Wirtschaft und Finanzen Bezug nahm. In diesem Schreiben ersuchte die Kommission die griechischen Behörden zunächst um Übermittlung aller für die Bewertung der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit den Art. 107 und 108 AEUV erforderlichen Informationen, sodann um Mitteilung, ob die streitigen Maßnahmen außer Sogia Ellas auch anderen im Agrar- und Forstsektor tätigen Unternehmen zugutegekommen seien, und schließlich gegebenenfalls um Mitteilung der Höhe der gezahlten Beihilfen. 123 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand der Untersuchung entgegen den Andeutungen der Hellenischen Republik im Lauf des Untersuchungsverfahrens nicht geändert wurde. 124 In diesem Schreiben vom 25. Juli 2014 ging es um die beiden oben in Rn. 122 genannten Beschlüsse, die sowohl in der Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV als auch im angefochtenen Beschluss nochmals erwähnt wurden. Außerdem wurde die Liste der Adressaten der streitigen Maßnahmen niemals auf Sogia Ellas beschränkt, da die Kommission die Hellenische Republik bereits im verfahrenseinleitenden Schreiben gefragt hat, ob diese Maßnahmen auch anderen Unternehmen zugutegekommen seien, und in der Aufforderung zur Stellungnahme nach Art. 108 Abs. 2 AEUV auf andere mögliche Begünstigte im Agrar- und Forstsektor Bezug genommen wurde. 125 Da die in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehene Verjährungsfrist jedenfalls, wie oben in Rn. 116 ausgeführt, nur im Verhältnis zwischen der Kommission und dem Mitgliedstaat, an den sich der Rückforderungsbeschluss der Kommission richtet, gilt, ist das Vorbringen der Hellenischen Republik, dass die Befugnis der Kommission zur Rückforderung der Beihilfen in Bezug auf andere Unternehmen als Sogia Ellas verjährt sei, als ins Leere gehend zurückzuweisen. 126 Daraus folgt, dass das Schreiben vom 25. Juli 2014, mit dem die Kommission ein Auskunftsersuchen an die Hellenische Republik richtete und ihr mitteilte, dass sie im Besitz von Informationen über eine rechtswidrige Beihilfe sei und dass diese Beihilfe gegebenenfalls zurückgezahlt werden müsse, den Lauf der in Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Verjährungsfrist unterbrochen hat. 127 Im Übrigen ist angesichts der Tatsache, dass die Unterbrechung der Verjährungsfrist am 25. Juli 2014 erfolgte, festzustellen, dass die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung der Beihilfe zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses, d. h. am 7. Oktober 2019, nicht verjährt waren. 128 Zu dem Vorbringen der Hellenischen Republik, dass der Umstand, dass die Unterbrechung der Verjährungsfrist dazu führe, dass eine neue Verjährungsfrist von zehn Jahren in Lauf gesetzt werde, es der Kommission ermögliche, das Verfahren unbegrenzt fortzusetzen, genügt der Hinweis, dass zum einen die Kommission im vorliegenden Fall das Verfahren nicht unbegrenzt fortgesetzt hat und dass zum anderen die Hellenische Republik die Rechtswidrigkeit von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung 2015/1589 nicht im Wege einer Einrede geltend gemacht hat. 129 Folglich ist das Vorbringen der Hellenischen Republik zur fehlenden Befugnis der Kommission, die streitigen Beihilfen zurückzufordern, weil die Verjährungsfrist nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 abgelaufen sei, zurückzuweisen. 130 Zu zweitens dem Vorbringen der Hellenischen Republik, dass der angefochtene Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen worden sei, was eine Verletzung des Grundsatzes der guten Verwaltung darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung dann, wenn eine Beihilfe ohne Anmeldung gewährt worden ist, der Umstand, dass die Kommission über einen längeren Zeitraum ihre Kontrollbefugnisse nicht ausgeübt und die Rückforderung dieser Beihilfe nicht angeordnet hat, nur in Ausnahmefällen, in denen eine offensichtliche Untätigkeit der Kommission und eine offenkundige Verletzung ihrer Sorgfaltspflicht erkennbar sind, zur Rechtswidrigkeit dieser Rückforderungsentscheidung führt (Urteil vom 22. April 2008, Kommission/Salzgitter, C‑408/04 P, EU:C:2008:236, Rn. 106). 131 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Dauer des Verfahrens vor Erlass des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass die Hellenische Republik diese Regelungen nicht angemeldet hat und dass ihr Bestehen der Kommission erst sieben Jahre nach den Bränden von 2007 zur Kenntnis gebracht wurde. 132 Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission, nachdem sie am 22. Juli 2014 ein Beschwerdeschreiben erhalten hatte, das Untersuchungsverfahren einleitete und am 25. Juli 2014 ein Schreiben an die griechischen Behörden richtete, um sich über die mutmaßliche Beihilfe zu erkundigen. 133 Sodann erließ die Kommission nach einem Schriftwechsel mit der Hellenischen Republik, der zuletzt am 11. Februar 2016 stattfand, am 17. Mai 2016 den Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens. 134 Schließlich erließ die Kommission nach einem Schriftwechsel mit der Hellenischen Republik, der zuletzt am 21. Februar 2018 stattfand, am 7. Oktober 2019 den angefochtenen Beschluss. 135 Zwar ist der letzte Abschnitt des Verfahrens, der dem Erlass des angefochtenen Beschlusses vorausgeht, nicht durch eine besondere Schnelligkeit gekennzeichnet, allerdings kann der Kommission angesichts der zeitlichen Abfolge der Ereignisse zwischen 2014 und dem Erlass des angefochtenen Beschlusses keine übermäßige Verzögerung oder mangelnde Sorgfalt im Ablauf des Verwaltungsverfahrens vorgeworfen werden, die eine Verletzung der Sorgfaltspflicht darstellen würde. 136 Folglich ist das Vorbringen zur Überschreitung einer angemessenen Frist und damit zu einer Verletzung des Grundsatzes der guten Verwaltung zurückzuweisen. 137 Was drittens das Vorbringen betrifft, dass durch die von der Kommission veröffentlichte Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der fraglichen Beihilferegelungen enthalten habe, der falsche Eindruck entstanden sei, dass es nur um die Beihilfen gehe, die Sogia Ellas gewährt worden seien, und dass dieses Organ daher den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Verteidigungsrechte verletzt habe, ist festzustellen, dass die Kommission nach Art. 108 Abs. 2 AEUV ihre Entscheidung trifft, „nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat“. Nach Art. 6 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 werden in dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens der betreffende Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten zu einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von normalerweise höchstens einem Monat aufgefordert. 138 Aus der Rechtsprechung zu Art. 108 Abs. 2 AEUV ergibt sich, dass diese Vorschrift keine individuelle Aufforderung verlangt und die Kommission lediglich dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass alle potenziell Betroffenen über die Einleitung eines Verfahrens unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt ist unter diesen Umständen ein angemessenes und ausreichendes Mittel zur Unterrichtung aller Beteiligten über die Einleitung eines Verfahrens (vgl. Urteil vom 9. April 2014, Griechenland/Kommission, T‑150/12, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:191, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung). 139 In diesem Zusammenhang, d. h. um festzustellen, ob davon auszugehen ist, dass die Empfänger der zurückzufordernden Beihilfe tatsächlich aufgefordert wurden, im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ihre Stellungnahmen abzugeben, ist das Vorbringen der Hellenischen Republik zu prüfen, wonach der angefochtene Beschluss den Grundsatz der Rechtssicherheit, die Verteidigungsrechte und den Grundsatz der guten Verwaltung verletze, da die im Amtsblatt veröffentlichte Bekanntmachung den falschen Eindruck erwecke, dass nur Sogia Ellas Begünstigte der angeblichen Beihilferegelungen sei. 140 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Hellenische Republik nicht geltend macht, dass der Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens selbst diesen falschen Eindruck erwecke. In ihrer Argumentation beschränkt sich die Hellenische Republik darauf, die im Amtsblatt zusammen mit diesem Beschluss veröffentlichte Bekanntmachung zu kritisieren. 141 Sodann trifft es zwar zu, dass in der Überschrift der Bekanntmachung von einer „Beihilfe an Sogia Ellas SA“ die Rede ist und dass in der griechischen Fassung in lateinischer Schrift „et al.“ hinzugefügt ist, so dass diese Überschrift, wie die Hellenische Republik geltend macht, tatsächlich den Eindruck hervorrufen könnte, dass die geprüfte Beihilfe nur Sogia Ellas betrifft. 142 Aus Abs. 1 der Zusammenfassung, die Teil der Bekanntmachung ist, ergibt sich jedoch, dass die Kommission aufgrund der vorläufigen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass „Beihilfen auch an andere Begünstigte im Agrar- und Forstsektor hätten gewährt werden können“. In Abs. 2 dieser Zusammenfassung werden die Rechtsgrundlagen der Beihilferegelungen angeführt und wird darauf hingewiesen, dass die Beihilfen Unternehmen gewährt worden seien, die in den durch die Brände von 2007 geschädigten Gebieten ansässig und tätig seien. 143 Da die Bekanntmachung einschließlich der in ihr enthaltenen Zusammenfassung nur zwei Seiten umfasst, kann von einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer vernünftigerweise verlangt werden, dass er ein solches Dokument genau durchliest, das unter Bezugnahme auf die oben in Rn. 142 genannten Gesichtspunkte deutlich macht, dass die Aufforderung zur Stellungnahme nicht nur auf Sogia Ellas beschränkt war, sondern sich auf alle in den geschädigten Gebietskörperschaften ansässigen Erzeuger erstreckte, die diese Beihilfen erhalten hatten. 144 Unter diesen Umständen ist der Schluss zu ziehen, dass nach der oben in Rn. 138 angeführten Rechtsprechung ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer, der in den Genuss der in Rede stehenden Beihilferegelungen gekommen ist, durch die mit dem Beschluss über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens im Amtsblatt veröffentlichte Bekanntmachung hinreichend informiert war, um sich als Beteiligter im Sinne dieses Beschlusses anzusehen. 145 In der mündlichen Verhandlung hat die Hellenische Republik im Übrigen den Inhalt des 103. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses bestätigt, da sie ausgeführt hat, dass sie angesichts der Schwierigkeiten, „Begünstigte im Agrar- und Forstsektor“ zu identifizieren, davon ausgegangen sei, dass die Veröffentlichung des Beschlusses über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens ausreiche, um die betroffenen Unternehmen zu unterrichten. 146 Daraus folgt, dass das Vorbringen zurückzuweisen ist, dass durch die von der Kommission veröffentlichte Bekanntmachung, die die Aufforderung zur Stellungnahme zur Prüfung der fraglichen Beihilferegelungen enthalten habe, der falsche Eindruck entstanden sei, dass nur die Sogia Ellas gewährten Beihilfen betroffen seien, und dass dieses Organ daher den Grundsatz der Rechtssicherheit sowie die Verteidigungsrechte verletzt habe. 147 Was viertens und letztens das Vorbringen der Hellenischen Republik angeht, dass sowohl sie als auch die Begünstigten ein berechtigtes Vertrauen darauf gehabt hätten, dass die streitigen Beihilfen keine unvereinbaren staatlichen Beihilfen seien, da die Kommission während eines langen Zeitraums keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Beihilfen geäußert habe, obwohl sie Kenntnis von der durch die Brände von 2007 verursachten Situation gehabt habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Recht, sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berufen, voraussetzt, dass die zuständigen Unionsbehörden dem Betroffenen klare, unbedingte und übereinstimmende, aus befugten und zuverlässigen Quellen stammende Zusicherungen erteilt haben (vgl. Urteil vom 13. Juli 2018, Quadri di Cardano/Kommission, T‑273/17, EU:T:2018:480, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung). 148 Außerdem steht fest, dass sich ein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verletzung des Verfahrens des Art. 108 AEUV gewährt haben, nicht unter Berufung auf das berechtigte Vertrauen der Begünstigten der Verpflichtung entziehen kann, Maßnahmen zur Durchführung einer Entscheidung der Kommission zu ergreifen, die die Rückforderung dieser Beihilfe anordnet. Andernfalls wäre den Art. 107 und 108 AEUV insoweit jede praktische Wirksamkeit genommen, als sich die nationalen Behörden auf ihr eigenes rechtswidriges Verhalten stützen könnten, um Entscheidungen der Kommission nach diesen Vertragsbestimmungen ihrer Wirkung zu berauben (vgl. Urteil vom 19. Juni 2008, Kommission/Deutschland, C‑39/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:349, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). 149 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die von der Hellenischen Republik angeführten Äußerungen verschiedener Unionsvertreter, die im Wesentlichen auf den Ausnahmecharakter der Brände und ihre Folgen sowie ihren Willen hinweisen, alle verfügbaren Mittel zugunsten der Geschädigten und der lokalen Wirtschaft einzusetzen, nicht als „klare, unbedingte und übereinstimmende Zusicherungen“ angesehen werden können, aus denen sich ableiten ließe, dass die streitigen Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen eingestuft werden können. 150 Abgesehen davon, dass der Kommission aus den oben in den Rn. 130 bis 136 dargelegten Gründen nicht vorgeworfen werden kann, den angefochtenen Beschluss innerhalb einer unangemessen langen Frist erlassen zu haben, steht fest, dass die Hellenische Republik die in Rede stehenden Beihilferegelungen nicht rechtzeitig angemeldet hat, so dass sie sich aus den oben in Rn. 147 und 148 genannten Gründen nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes berufen kann. 151 Folglich ist das Vorbringen zur Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zurückzuweisen. 152 Mithin sind der dritte Teil des ersten Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gerügt wird, sowie der erste Teil des dritten Klagegrundes, mit dem die fehlende Zuständigkeit in zeitlicher Hinsicht, eine Verletzung der Grundsätze der guten Verwaltung und der Rechtssicherheit sowie eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend gemacht werden, zurückzuweisen. Zum zweiten Teil des dritten Klagegrundes 153 Mit dem zweiten Teil des dritten Klagegrundes macht die Hellenische Republik geltend, dass die in Art. 2 des angefochtenen Beschlusses festgelegte Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit verletze. 154 Insoweit macht die Hellenische Republik geltend, die außergewöhnlichen Umstände, unter denen die streitigen Maßnahmen erfolgt seien, führten dazu, dass die in Rede stehenden Beihilfen nicht zurückzufordern seien. 155 Erstens hätten die fraglichen Beihilferegelungen keine „Vorteile“ verschafft und nur bezweckt, das Überleben des betreffenden Marktes zu gewährleisten. 156 Zweitens sei der Umstand, dass die Beihilfen nur im Agrarsektor zurückzufordern seien, geeignet, ein Ungleichgewicht zulasten dieses Sektors zu erzeugen, obwohl das für Landwirtschaft zuständige Mitglied der Kommission verkündet habe, dass dieser Sektor Gegenstand einer verstärkten Unterstützung durch die Kommission sein werde. 157 Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Hellenischen Republik entgegen. 158 Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 in Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern, es sei denn, die Rückforderung der Beihilfe würde gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen. 159 Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung die Beseitigung einer rechtswidrigen Beihilfe im Wege der Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit und ist die Verpflichtung des Staates, eine von der Kommission als mit dem Binnenmarkt unvereinbar angesehene Beihilfe zurückzunehmen, auf die Wiederherstellung der vorherigen Situation gerichtet (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung). 160 Durch diese Rückzahlung verliert nämlich der Begünstigte den Vorteil, den er auf dem Binnenmarkt gegenüber seinen Konkurrenten besaß, und die vor der Zahlung der Beihilfe bestehende Lage wird wiederhergestellt (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). 161 Somit kann die Rückforderung einer zu Unrecht gewährten staatlichen Beihilfe zwecks Wiederherstellung der Lage vor dieser Gewährung grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die außer Verhältnis zu den Zielen der einschlägigen Vertragsbestimmungen stünde (vgl. Urteil vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:89, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). 162 Im vorliegenden Fall stellen die streitigen Maßnahmen erstens, wie oben in den Rn. 41 bis 51 entschieden worden ist, einen Vorteil für diejenigen dar, die sie erhalten haben, auch wenn sie nach dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände, die durch eine Naturkatastrophe gekennzeichnet sind, gezahlt wurden, und verstößt die Rückforderung der Beihilfe, wie insbesondere oben in den Rn. 136 und 151 festgestellt worden ist, nicht gegen einen allgemeinen Rechtsgrundsatz. 163 Da zweitens die Tragweite des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich auf den Agrar- und Forstsektor begrenzt ist und die Hellenische Republik nicht geltend gemacht hat, dass die Kommission sie auf andere Sektoren der Wirtschaft hätte ausweiten müssen und solche Beihilfen auch nicht angemeldet hat, kann sie der Kommission nicht vorwerfen, die Rückforderung der Beihilfen nur von den im angefochtenen Beschluss identifizierten Begünstigten angeordnet zu haben. 164 Schließlich trifft es zu, dass das für Landwirtschaft zuständige Mitglied der Kommission die griechische Delegation im Ministerrat vom 26. September 2007 über die verschiedenen verfügbaren Instrumente (staatliche Beihilfen, Regionalbeihilfen, ländliche Entwicklung) in Kenntnis gesetzt und u. a. darauf hingewiesen hat, dass die für die Betriebsprämie in Frage kommenden landwirtschaftlichen Flächen weiterhin in Betracht kämen. 165 Da jedoch solche Erklärungen, auch wenn sie die Brände von 2007 betreffen, in keinem Zusammenhang mit der Frage stehen, ob die Rückforderungsanordnung als rechtmäßig zu beurteilen ist, können sie das diesbezügliche Vorbringen der Hellenischen Republik nicht mit Erfolg stützen. 166 Nach alledem sind der dritte Teil des ersten Klagegrundes und der dritte Klagegrund zurückzuweisen und ist folglich die Klage insgesamt abzuweisen. Kosten 167 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Hellenische Republik unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Hellenische Republik trägt die Kosten. Kanninen Półtorak Porchia Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 19. Oktober 2022. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Griechisch.
Urteil des Gerichts (Vierte erweiterte Kammer) vom 26. Januar 2022.#Intel Corporation Inc. gegen Europäische Kommission.#Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Mikroprozessoren – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 EWR-Abkommen festgestellt wird – Treuerabatte – ‚Reine‘ Beschränkungen – Einstufung als Missbrauch – As-Efficient-Competitor-Test – Gesamtstrategie – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung.#Rechtssache T-286/09 RENV.
62009TJ0286(01)
ECLI:EU:T:2022:19
2022-01-26T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“
62009TJ0286(01) URTEIL DES GERICHTS (Vierte erweiterte Kammer) 26. Januar 2022 (*1) „Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Markt für Mikroprozessoren – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 EWR-Abkommen festgestellt wird – Treuerabatte – ‚Reine‘ Beschränkungen – Einstufung als Missbrauch – As-Efficient-Competitor-Test – Gesamtstrategie – Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ In der Rechtssache T‑286/09 RENV, Intel Corporation, Inc. mit Sitz in Wilmington, Delaware (Vereinigte Staaten), vertreten durch A. Parr, Solicitor, D. Beard, QC, und J. Williams, Barrister, Klägerin, unterstützt durch Association for Competitive Technology, Inc. mit Sitz in Washington, DC (Vereinigte Staaten), vertreten durch die Rechtsanwälte J.‑F. Bellis und K. Van Hove, Streithelferin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch T. Christoforou, V. Di Bucci, N. Khan und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte, Beklagte, unterstützt durch Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir) mit Sitz in Paris (Frankreich), vertreten durch Rechtsanwältin E. Nasry, Streithelferin, betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2009) 3726 endg. der Kommission vom 13. Mai 2009 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/C‑3/37.990 – Intel), hilfsweise Aufhebung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße erlässt DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen, der Richter J. Schwarcz (Berichterstatter) und C. Iliopoulos, der Richterin I. Reine und des Richters B. Berke, Kanzler: E. Artemiou, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung, die vom 10. bis zum 12. März 2020 stattgefunden hat, folgendes Urteil Sachverhalt 1 Die Intel Corporation, Inc. (im Folgenden: Klägerin oder Intel) ist eine Gesellschaft des Rechts der Vereinigten Staaten, die CPU (Central Processing Units, im Folgenden: Prozessoren), Chipsätze und andere Halbleiterbauteile sowie Plattformlösungen für die Datenverarbeitung und für Kommunikationsgeräte konzipiert, entwickelt, herstellt und vertreibt. 2 Die Klägerin hatte Ende 2008 weltweit etwa 94100 Beschäftigte. Das Unternehmen erzielte 2007 Nettoeinnahmen in Höhe von 38334 Mio. US-Dollar (USD) und einen Nettogewinn in Höhe von 6976 Mio. USD. 2008 betrugen die Nettoeinnahmen 37586 Mio. USD und der Nettogewinn 5292 Mio. USD. Verwaltungsverfahren 3 Am 18. Oktober 2000 reichte die Advanced Micro Devices, Inc. (im Folgenden: AMD) bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine förmliche Beschwerde gemäß Art. 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [101] und [102 AEUV] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), ein, die sie mit einer ergänzenden Beschwerde vom 26. November 2003 durch neue Tatsachen und Behauptungen ergänzte. 4 Im Mai 2004 leitete die Kommission zu bestimmten Angaben, die in der ergänzenden Beschwerde von AMD enthalten waren, eine Reihe von Ermittlungen ein. In deren Rahmen nahm sie im Juli 2005 gemäß Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) mit Unterstützung mehrerer nationaler Wettbewerbsbehörden an vier Standorten der Klägerin in Deutschland, in Italien, in Spanien und im Vereinigten Königreich und an den Standorten mehrerer Abnehmer der Klägerin in Deutschland, in Frankreich, in Italien, in Spanien und im Vereinigten Königreich Nachprüfungen vor. 5 Am 17. Juli 2006 reichte AMD eine Beschwerde beim Bundeskartellamt ein. AMD machte geltend, die Klägerin habe u. a. mit der Media-Saturn-Holding GmbH (im Folgenden: MSH), einem auf Mikroelektronikgeräte spezialisierten europäischen Einzelhandelsunternehmen, das in Europa im Bereich Bürocomputer führend ist, Vereinbarungen über einen ausschließlichen Vertrieb getroffen. Das Bundeskartellamt tauschte mit der Kommission gemäß Art. 12 der Verordnung Nr. 1/2003 Informationen über diese Sache aus. 6 Am 23. August 2006 fand eine Besprechung zwischen der Kommission und D1 [vertraulich] (1 ), einer Abnehmerin von der Klägerin, statt. Die Kommission nahm die unverbindliche Tagesordnung dieser Besprechung nicht zu den Akten und erstellte auch kein Protokoll. Ein Mitglied der bei der Kommission für die Bearbeitung der Sache zuständigen Arbeitsgruppe erstellte einen Aktenvermerk über die Besprechung, der von der Kommission als intern eingestuft wurde. Am 19. Dezember 2008 übermittelte die Kommission der Klägerin eine nicht vertrauliche Fassung dieses Aktenvermerks. 7 Die Kommission stellte der Klägerin am 26. Juli 2007 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007) über ihr Verhalten gegenüber fünf bedeutenden Computerherstellern (Original Equipment Manufacturers, OEM, im Folgenden: Computerherstellern), nämlich Dell, Hewlett-Packard Company (HP), Acer Inc., NEC Corp. und International Business Machines Corp. (IBM), zu. Die Klägerin nahm hierzu am 7. Januar 2008 Stellung. Am 11. und 12. März 2008 fand eine Anhörung statt. Der Klägerin wurde dreimal Akteneinsicht gewährt: am 31. Juli 2007, am 23. Juli 2008 und am 19. Dezember 2008. 8 Die Kommission führte im Februar 2008 mehrere Ermittlungsmaßnahmen über die Behauptungen von AMD durch, u. a. Nachprüfungen an den Standorten mehrerer Computereinzelhändler und der Klägerin. Ferner versandte sie an verschiedene bedeutende Computerhersteller mehrere schriftliche Auskunftsverlangen gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003. 9 Am 17. Juli 2008 stellte die Kommission der Klägerin eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte (im Folgenden: ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008) über ihr Verhalten gegenüber MSH zu. Diese befasste sich auch mit dem Verhalten der Klägerin gegenüber der Lenovo Group Ltd (im Folgenden: Lenovo). Sie enthielt neue Beweismittel über das Verhalten der Klägerin gegenüber bestimmten Computerherstellern, das Gegenstand der Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007 war, die die Kommission erst nach der Veröffentlichung dieser Mitteilung erlangt hatte. 10 Die Kommission räumte der Klägerin zur Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 zunächst eine Frist von acht Wochen ein. Die Frist wurde von der Anhörungsbeauftragten am 15. September 2008 bis zum 17. Oktober 2008 verlängert. 11 Die Klägerin erwiderte auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 nicht fristgemäß. Stattdessen erhob sie am 10. Oktober 2008 beim Gericht Klage (T‑457/08), mit der erstens beantragt wurde, die Entscheidung der Kommission über die Festsetzung der Frist zur Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 und die Entscheidung der Kommission, mit der der Antrag abgelehnt wurde, mehrere Kategorien von Dokumenten insbesondere aus den Akten des Zivilrechtsstreits zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware (Vereinigte Staaten) zu beschaffen, für nichtig zu erklären, zweitens, die Frist zur Einreichung der Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 so zu verlängern, dass ab dem Tag des Zugangs zu den einschlägigen Dokumenten eine Frist von 30 Tagen bleibe. 12 Die Klägerin beantragte ferner im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Aussetzung des Verfahrens der Kommission bis zur Entscheidung in der Hauptsache und die Aussetzung des Ablaufs der Frist für die Einreichung der Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008, hilfsweise die Gewährung einer Frist von 30 Tagen ab der Entscheidung in der Hauptsache zur Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 (T‑457/08 R). 13 Am 19. Dezember 2008 übersandte die Kommission der Klägerin ein Schreiben, in dem sie auf bestimmte Beweismittel aufmerksam machte, die sie in einer etwaigen abschließenden Entscheidung heranziehen wolle (im Folgenden: Sachverhaltsschreiben). Die Klägerin antwortete auf dieses Schreiben nicht innerhalb der gesetzten Frist (23. Januar 2009). 14 Mit Beschluss vom 27. Januar 2009, Intel/Kommission (T‑457/08 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:18), wies der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Daraufhin schlug die Klägerin am 29. Januar 2009 vor, auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 und das Sachverhaltsschreiben innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem Beschluss des Präsidenten des Gerichts Stellung zu nehmen. 15 Mit Schreiben vom 2. Februar 2009 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie beschlossen habe, ihr keine Verlängerung der zur Stellungnahme zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 bzw. dem Sachverhaltsschreiben gesetzten Frist zu gewähren. Wenn die Klägerin ihre Stellungnahme bis zum 5. Februar 2009 einreiche, sei sie aber bereit, die etwaige Erheblichkeit eines verspätet eingereichten Schriftsatzes in Erwägung zu ziehen. Sie, die Kommission, müsse einem verspäteten Antrag auf Abhaltung einer Anhörung nicht stattgeben. Sie sei der Auffassung, dass eine Anhörung für einen ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens nicht erforderlich sei. 16 Am 3. Februar 2009 nahm die Klägerin ihre Klage in der Rechtssache T‑457/08 zurück. Sie wurde mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer des Gerichts vom 24. März 2009 aus dem Register gestrichen. 17 Am 5. Februar 2009 reichte die Klägerin einen Schriftsatz mit ihrer Stellungnahme zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 und dem Sachverhaltsschreiben ein, die sie als „Erwiderung auf die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte [von 2008]“ und „Erwiderung auf [das Sachverhaltsschreiben]“ bezeichnete. 18 Am 10. Februar 2009 wandte sich die Klägerin mit einem Schreiben an die Anhörungsbeauftragte, um eine Anhörung über die ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 zu erwirken. Die Anhörungsbeauftragte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 17. Februar 2009 ab. 19 Am 13. Mai 2009 nahm die Kommission die Entscheidung K(2009) 3726 endg. in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] und Artikel 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/C‑3/37.990 – Intel) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) an, von der im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2009, C 227, S. 13) eine Zusammenfassung veröffentlicht ist. Angefochtene Entscheidung 20 Der angefochtenen Entscheidung zufolge hat die Klägerin von Oktober 2002 bis Dezember 2007 dadurch eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV und Art. 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) begangen, dass sie eine Strategie mit dem Ziel umgesetzt hat, einen Wettbewerber – AMD – vom Markt der Prozessoren mit x86-Architektur (im Folgenden: x86-Prozessoren) zu verdrängen. Relevanter Markt 21 Relevantes Produkt der angefochtenen Entscheidung sind Prozessoren. Der Prozessor ist ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Computers, der sowohl die Gesamtleistung des Systems als auch die Gesamtkosten maßgeblich bestimmt. Er wird oft als „Gehirn“ des Computers angesehen. Für die Herstellung von Prozessoren werden kostspielige Anlagen der Spitzentechnologie benötigt. 22 Die in Computern verwendeten Prozessoren lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: x86-Prozessoren und Prozessoren mit einer anderen Architektur. Die x86-Architektur ist Standard, den die Klägerin für ihre Prozessoren entwickelt hat. Sie ist mit den Betriebssystemen Windows und Linux kompatibel. Windows ist in erster Linie mit dem x86-Befehlssatz verknüpft. Vor 2000 gab es auf dem Markt mehrere Hersteller von x86-Prozessoren. Die meisten sind inzwischen jedoch aus dem Markt ausgeschieden. Der angefochtenen Entscheidung zufolge sind die Klägerin und AMD seitdem praktisch die beiden einzigen Unternehmen, die noch x86-Prozessoren herstellen. 23 Bei ihrer Untersuchung ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass der relevante Produktmarkt nicht größer sei als der Markt für x86-Prozessoren. Ob es einen einheitlichen Markt für x86-Prozssoren für alle Computer gibt oder ob drei gesonderte Märkte für x86-Prozessoren (Desktop-Computer, Notebooks, Server) zu unterscheiden sind, wird in der angefochtenen Entscheidung offengelassen. Der angefochtenen Entscheidung zufolge ergeben sich in Anbetracht der jeweiligen Marktanteile der Klägerin für die beherrschende Stellung insofern aber keine Unterschiede. 24 Der räumliche Markt wurde als Weltmarkt definiert. Beherrschende Stellung 25 Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung fest, dass die Klägerin im geprüften Zehnjahreszeitraum (1997 bis 2007) stets einen Marktanteil von etwa 70 % oder mehr gehabt habe. Außerdem bestünden auf dem Markt für x86-Prozessoren für Eintritt und Expansion erhebliche Schranken bzw. Hemmnisse, die mit den verlorenen Investitionen in Forschung und Entwicklung, dem geistigen Eigentum und den für die Herstellung von x86-Prozessoren erforderlichen Produktionsanlagen zusammenhingen. Deshalb seien außer AMD alle Wettbewerber der Klägerin aus dem Markt ausgeschieden oder hätten nur noch einen unbedeutenden Marktanteil. 26 Die Kommission gelangt in der angefochtenen Entscheidung wegen der Marktanteile der Klägerin und der auf dem relevanten Markt bestehenden Eintrittsschranken und Expansionshemmnisse zu dem Schluss, dass die Klägerin auf diesem Markt zumindest in dem Zeitraum, auf den sich die angefochtene Entscheidung beziehe (Oktober 2002 bis Dezember 2007), eine beherrschende Stellung innegehabt habe. Missbräuchliches Verhalten und Geldbuße 27 In der angefochtenen Entscheidung werden zwei Arten von Verhaltensweisen der Klägerin gegenüber ihren Geschäftspartnern beschrieben: bedingte Rabatte und reine Beschränkungen. 28 Erstens habe die Klägerin vier Computerherstellern (Dell, Lenovo, HP und NEC) Rabatte unter der Bedingung gewährt, dass sie alle oder nahezu alle x86-Prozessoren bei ihr bezögen. Ebenso habe sie Zahlungen an MSH unter der Bedingung geleistet, dass MSH ausschließlich Computer mit x86-Prozessoren von ihr verkaufe. 29 Die Kommission gelangt in der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss, dass es sich bei den bedingten Rabatten, die die Klägerin gewährt habe, um Treuerabatte handele. Hinsichtlich der bedingten Zahlungen der Klägerin an MSH wird in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass deren wirtschaftlicher Mechanismus dem der bedingten Rabatte entspreche, die den Computerherstellern gewährt worden seien. 30 Zudem wird in der angefochtenen Entscheidung eine wirtschaftliche Analyse der Frage vorgenommen, ob die Rabatte einen ebenso effizienten Wettbewerber wie die Klägerin, der jedoch keine beherrschende Stellung innehat, vom Markt hätten verdrängen können (As-Efficient-Competitor-Test, im Folgenden: AEC‑Test), und zwar indem der Preis ermittelt wird, zu dem ein solcher Wettbewerber seine Prozessoren hätte anbieten müssen, um einen Computerhersteller für den Verlust der Rabatte, die ihm die Klägerin gewährt hätte, zu entschädigen. Ein solcher Test wurde auch bei den Zahlungen, die die Klägerin an MSH geleistet hat, durchgeführt. 31 Auf der Grundlage der zusammengetragenen Beweismittel gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die von der Klägerin gewährten bedingten Rabatte und Zahlungen eine Treuebindung der strategisch wichtigen Computerhersteller und von MSH erzeugt hätten. Die genannten Verhaltensweisen hätten insoweit Auswirkungen gehabt, die sich gegenseitig ergänzt hätten, als sie die Fähigkeit der Wettbewerber, einen auf der Leistung ihrer x86-Prozessoren beruhenden Wettbewerb auszutragen, erheblich geschwächt hätten. Das wettbewerbswidrige Verhalten der Klägerin habe somit dazu beigetragen, die Auswahl der Verbraucher und die Anreize für Innovation zu verringern. 32 Zweitens stellt die Kommission zu den reinen Beschränkungen fest, dass die Klägerin an drei Computerhersteller, nämlich HP, Acer und Lenovo, unter der Bedingung Zahlungen geleistet habe, dass sie das Auf-den-Markt-Bringen von Produkten mit x86-Prozessoren von AMD aufschöben oder aufgäben oder Beschränkungen für den Vertrieb solcher Produkte auferlegten. Auch dieses Verhalten der Klägerin habe den Wettbewerb unmittelbar geschädigt und stelle keinen normalen Leistungswettbewerb dar. 33 Die Kommission gelangt in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die streitigen Verhaltensweisen der Klägerin gegenüber den genannten Computerherstellern und MSH jeweils einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellten. Sie seien gleichzeitig aber auch Teil einer Gesamtstrategie mit dem Ziel, AMD, den einzigen bedeutenden Wettbewerber der Klägerin, vom Markt für x86-Prozessoren zu verdrängen. Die Missbräuche stellten mithin eine einheitliche Zuwiderhandlung im Sinne von Art. 102 AEUV dar. 34 Unter Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) verhängte die Kommission gegen die Klägerin eine Geldbuße in Höhe von 1,06 Mrd. Euro. Verfügender Teil 35 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung bestimmt: „Artikel 1 Intel … hat von Oktober 2002 bis Dezember 2007 eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Artikel [102 AEUV] und Artikel 54 EWR-Abkommen begangen, indem eine Strategie zur Verdrängung von Wettbewerbern vom Markt für x86-Prozessoren umgesetzt wurde. Sie bestand in: a) Rabatten für Dell von Dezember 2002 bis Dezember 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass Dell alle ihre x86-Prozessoren bei Intel bezieht; b) Rabatten für HP von November 2002 bis Mai 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass HP mindestens 95 % der x86-Prozessoren für ihre Business-Desktop-Computer bei Intel bezieht; c) Rabatten für NEC von Oktober 2002 bis November 2005, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass NEC mindestens 80 % der x86-Prozessoren für ihre Client-PC bei Intel bezieht; d) Rabatten für Lenovo von Januar 2007 bis Dezember 2007, die in dieser Höhe unter der Bedingung gewährt wurden, dass Lenovo alle x86-Prozessoren für ihre Notebooks bei Intel bezieht; e) Zahlungen an [MSH] von Oktober 2002 bis Dezember 2007, die in dieser Höhe unter der Bedingung geleistet wurden, dass [MSH] nur Computer mit x86-Prozessoren von Intel verkauft; f) Zahlungen an HP von November 2002 bis Mai 2005, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass HP i) ihre mit einem x-86-Prozessor von AMD ausgerüsteten Business-Desktop-Computer eher auf kleine und mittlere Unternehmen und Kunden des Regierungs‑, Erziehungs- und Medizinbereichs ausrichtet als auf große Unternehmen, ii) ihren Vertriebspartnern untersagt, ihre Business-Desktop-Computer mit x86-Prozessoren von AMD zu lagern, so dass diese für Kunden nur verfügbar sind, wenn sie sie bei HP bestellen (entweder unmittelbar oder über die Vertriebspartner von HP als Handelsvertreter), iii) das Auf-den-Markt-Bringen seines Business-Desktop-Computers mit einem x86-Prozessor von AMD für die Region [Europa, Mittlerer Osten und Afrika] um sechs Monate aufschiebt; g) Zahlungen an Acer von September 2003 bis Januar 2004, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass Acer das Auf-den-Markt-Bringen eines Notebooks mit einem x86-Prozessor von AMD aufschiebt; h) Zahlungen an Lenovo zwischen Juni 2006 und Dezember 2006, die unter der Bedingung geleistet wurden, dass Lenovo das Auf-den-Markt-Bringen seiner Notebooks mit x86-Prozessoren von AMD aufschiebt und letztlich aufgibt. Artikel 2 Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung wird gegen Intel eine Geldbuße in Höhe von 1060000000 Euro verhängt … Artikel 3 Intel … stellt die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung unverzüglich ab, soweit dies nicht bereits geschehen ist. Intel … sieht künftig von der Wiederholung der in Artikel 1 genannten Handlungen oder Verhaltensweisen sowie von allen Handlungen oder Verhaltensweisen ab, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben. …“ Verfahren vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof 36 Mit Klageschrift, die am 22. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erhoben. Sie macht neun Klagegründe geltend. 37 Mit Schriftsatz, der am 14. Oktober 2009 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, hat AMD beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Am 16. November 2009 hat AMD dem Gericht jedoch mitgeteilt, dass sie ihren Antrag zurücknehme. Entsprechend ist AMD mit Beschluss des Präsidenten der Achten Kammer des Gerichts vom 5. Januar 2010 im Register mit ihrem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe gestrichen worden. 38 Mit Schriftsatz, der am 30. Oktober 2009 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, hat die Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir) (im Folgenden: UFC) beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 7. Juni 2010 hat der Präsident der Achten Kammer diesem Antrag stattgegeben. Mit Schriftsatz, der am 22. September 2010 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, hat die UFC dem Gericht mitgeteilt, dass sie auf die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichte, aber in der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen werde. 39 Mit Schriftsatz, der am 2. November 2009 in das Register der Kanzlei eingetragen worden ist, hat die Association for Competitive Technology, Inc. (im Folgenden: ACT) beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 7. Juni 2010 hat der Präsident der Achten Kammer diesem Antrag stattgegeben. Die ACT hat ihren Streithilfeschriftsatz innerhalb der gesetzten Frist eingereicht. Die Parteien haben sich hierzu geäußert. 40 Die Klägerin und die Kommission haben beantragt, bestimmte in der Klageschrift, der Klagebeantwortung, der Erwiderung, der Gegenerwiderung und ihren Stellungnahmen zum Streithilfeschriftsatz enthaltene Angaben, die vertraulich sind, von der Übermittlung an die Streithelferinnen UFC und ACT auszunehmen. Sie haben eine gemeinsame nicht vertrauliche Fassung dieser verschiedenen Verfahrensschriftstücke vorgelegt. Den Streithelferinnen ist von diesen Verfahrensschriftstücken lediglich diese nicht vertrauliche Fassung übermittelt worden. Die Streithelferinnen haben hiergegen keine Einwände erhoben. 41 Da die Besetzung der Kammern des Gerichts im September 2010 geändert worden ist und der Berichterstatter zum Präsidenten der Siebten Kammer gewählt worden ist, ist die Rechtssache dieser Kammer zugewiesen worden. 42 Mit Beschluss vom 18. Januar 2012 hat das Gericht die Rechtssache gemäß Art. 14 § 1 und Art. 51 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts an die Siebte erweiterte Kammer verwiesen. 43 Die Parteien haben in der Sitzung, die vom 3. bis zum 6. Juli 2012 abgehalten wurde, mündlich verhandelt. 44 Mit Urteil vom 12. Juni 2014, Intel/Kommission (T‑286/09, im Folgenden: erstes Urteil, EU:T:2014:547), hat das Gericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen. 45 Mit ihrem ersten Klagegrund, bei dem es um Querschnittsfragen bezüglich der von der Kommission vorgenommenen rechtlichen Beurteilungen geht, beanstandet die Klägerin die Beweislastverteilung und das Beweismaß, die rechtliche Einstufung der als Gegenleistung für einen ausschließlichen Bezug gewährten Rabatte und Zahlungen sowie die rechtliche Einstufung der von der Kommission als „reine Beschränkungen“ bezeichneten Zahlungen, mit denen erreicht werden sollte, dass die Computerhersteller die Vermarktung von Produkten, die mit Prozessoren von AMD ausgestattet seien, verschöben, aufgäben oder beschränkten. Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass die von der Kommission vorgenommene Beweiswürdigung nicht den einschlägigen Anforderungen genüge. Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Rabattvereinbarungen der Klägerin an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass ihre Kunden ihren gesamten oder nahezu gesamten Bedarf an x86-Prozessoren bei der Klägerin gedeckt hätten. Im Übrigen seien der Kommission bei dem AEC‑Test, den sie durchgeführt habe, um zu ermitteln, ob ihre Rabatte geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, bei ihrer Analyse und bei der Würdigung der Beweise eine ganze Reihe von Fehlern unterlaufen. 46 Das Gericht hat in Rn. 79 des ersten Urteils im Wesentlichen entschieden, dass es sich bei den Dell, HP, NEC und Lenovo gewährten Rabatten um Ausschließlichkeitsrabatte gehandelt habe. Sie seien nämlich unter der Bedingung gewährt worden, dass der Abnehmer seinen Bedarf an x86-Prozessoren ganz oder zu einem beträchtlichen Teil bei der Klägerin decke. In den Rn. 80 bis 89 des ersten Urteils hat das Gericht weiter ausgeführt, dass die Einstufung eines solchen Rabatts als missbräuchlich nicht voraussetze, dass im Einzelfall geprüft werde, dass er geeignet sei, den Wettbewerb zu beschränken. 47 Im Rahmen von Hilfserwägungen hat das Gericht in den Rn. 172 bis 197 des ersten Urteils angenommen, dass die Kommission aufgrund einer Prüfung der Umstände des Einzelfalls rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die Ausschließlichkeitsrabatte und ‑zahlungen, die die Klägerin Dell, HP, NEC, Lenovo und MSH gewährt habe, geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken. 48 Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass die Kommission nicht dargetan habe, dass sie für die Anwendung der Art. 101 und 102 AEUV auf die Verhaltensweisen gegenüber Acer und Lenovo räumlich zuständig wäre. Hierzu hat das Gericht in Rn. 244 des ersten Urteils ausgeführt, dass es, um die Zuständigkeit der Kommission völkerrechtlich zu rechtfertigen, genüge, entweder die qualifizierten Auswirkungen der Verhaltensweise oder ihre Durchführung in der Europäischen Union nachzuweisen. Sodann hat es in Rn. 296 des ersten Urteils entschieden, dass sich die Zuständigkeit der Kommission mit den wesentlichen, vorhersehbaren und unmittelbaren Folgen, die das Verhalten der Klägerin im EWR habe entfalten können, rechtfertigen lasse. Schließlich hat es im Rahmen von Hilfserwägungen in Rn. 314 des ersten Urteils angenommen, dass auch die Durchführung des fraglichen Verhaltens in der Union und im EWR die Zuständigkeit der Kommission begründet habe. 49 Mit dem dritten Klagegrund werden Verfahrensfehler gerügt. Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass es über die Besprechung mit D1, obwohl bestimmte Umstände im Zusammenhang mit dieser Besprechung als entlastende Gesichtspunkte hätten herangezogen werden können, kein Protokoll gebe. Dadurch sei sie in ihren Verteidigungsrechten verletzt worden. Außerdem habe es die Kommission zu Unrecht abgelehnt, eine zweite Anhörung abzuhalten und bestimmte Dokumente von AMD zu übermitteln, die für ihre Verteidigung hätten erheblich sein können. 50 Hierzu hat das Gericht in Rn. 618 des ersten Urteils zunächst festgestellt, dass das fragliche Treffen keine förmliche Befragung im Sinne von Art. 19 der Verordnung Nr. 1/2003 dargestellt habe und die Kommission auch nicht verpflichtet gewesen sei, eine solche Befragung durchzuführen. Es hat daraus in derselben Randnummer den Schluss gezogen, dass Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel [101] und [102 AEUV] durch die Kommission (ABl. 2004, L 123, S. 18) nicht anwendbar gewesen sei, so dass die Rüge eines Verstoßes gegen die in diesem Artikel enthaltenen Formvorschriften ins Leere gehe. 51 Sodann hat das Gericht in den Rn. 621 und 622 des ersten Urteils entschieden, dass die Kommission zwar dadurch gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, dass sie es unterlassen habe, ein Dokument mit einer kurzen Zusammenfassung der bei den fraglichen Besprechungen angesprochenen Themen sowie den Namen der Teilnehmer zu erstellen, sie diesen ursprünglichen Fehler allerdings dadurch geheilt habe, dass sie der Klägerin die nicht vertrauliche Fassung eines internen Aktenvermerks über die Besprechung zur Verfügung gestellt habe. 52 Was den vierten Klagegrund angeht, mit dem Fehler bei der Beurteilung der Verhaltensweisen gegenüber den Computerherstellern und MSH gerügt werden, hat das Gericht die Dell, HP, NEC, Lenovo, Acer und MSH betreffenden Rügen in den Rn. 665, 894, 1032, 1221, 1371 und 1463 des ersten Urteils in vollem Umfang zurückgewiesen. 53 Zum fünften Klagegrund, mit dem die Klägerin bestreitet, dass es eine Gesamtstrategie mit dem Ziel, AMD den Zugang zu den wichtigsten Vertriebskanälen zu versperren, gegeben habe, hat das Gericht in den Rn. 1551 und 1552 des ersten Urteils entschieden, dass die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die Klägerin versucht habe, die Wettbewerbswidrigkeit ihrer Verhaltensweisen zu verschleiern, und eine langfristige Gesamtstrategie mit dem Ziel, AMD den Zugang zu den genannten Vertriebskanälen zu versperren, umgesetzt habe. 54 Zum sechsten Klagegrund, mit dem gerügt wird, dass die Kommission die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 nicht richtig angewandt habe, hat das Gericht in Rn. 1598 des ersten Urteils insbesondere festgestellt, dass weder der Grundsatz der Rechtssicherheit noch der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen die Kommission daran hindere, neue Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen zu erlassen und anzuwenden, auch nachdem eine Zuwiderhandlung begangen worden sei. Das Gericht hat in dieser Randnummer weiter ausgeführt, dass es das Interesse an einer wirksamen Anwendung der Wettbewerbsregeln rechtfertige, dass ein Unternehmen damit rechnen müsse, dass die Kommission ihre allgemeine Wettbewerbspolitik im Bereich der Geldbußen sowohl hinsichtlich der Methode der Berechnung als auch hinsichtlich der Höhe der Geldbußen ändere. 55 Zum siebten Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass kein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen Art. 102 AEUV vorliege, hat das Gericht in den Rn. 1602 und 1603 des ersten Urteils im Wesentlichen entschieden, dass sich die Klägerin über die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens nicht habe im Unklaren sein können und dass mit den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismitteln rechtlich hinreichend nachgewiesen sei, dass die Klägerin eine langfristige Gesamtstrategie mit dem Ziel, AMD den Zugang zu den strategisch wichtigsten Vertriebskanälen zu versperren, durchgeführt und sich bemüht habe, die Wettbewerbswidrigkeit ihres Verhaltens zu verschleiern. 56 Zum achten Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, dass die Geldbuße unverhältnismäßig sei, hat das Gericht in den Rn. 1614 bis 1616 des ersten Urteils festgestellt, dass eine frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden könne und dass die von der Klägerin insoweit angeführten Entscheidungen im Hinblick auf die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung jedenfalls nicht erheblich seien. Ferner hat das Gericht in den Rn. 1627 und 1628 des ersten Urteils entgegen dem Vorbringen der Klägerin festgestellt, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt habe. 57 Zum neunten Klagegrund schließlich, der zur Stützung des Antrags geltend gemacht wird, die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße im Rahmen der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung aufzuheben oder herabzusetzen, hat das Gericht in Rn. 1647 des erstens Urteils entschieden, dass nichts in den Rügen, Argumenten und rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten, die die Klägerin vorgebracht habe, den Schluss zulasse, dass die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße unverhältnismäßig wäre. Die Geldbuße sei in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles angemessen und liege weit unter der Obergrenze von 10 % gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003. 58 Mit Schriftsatz, der am 26. August 2014 bei der Kanzlei des Gerichts einging, legte die Klägerin ein Rechtsmittel gegen das erste Urteil ein. 59 Sie machte sechs Rechtsmittelgründe geltend. Das Gericht habe die streitigen Rabatte rechtsfehlerhaft nicht unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände geprüft (erster Rechtsmittelgrund), ihm sei bei der Beurteilung der Feststellung, dass in den Jahren 2006 und 2007 eine Zuwiderhandlung vorgelegen habe, insbesondere bei der Beurteilung der Markterfassung der streitigen Rabatte während dieser beiden Jahre, ein Rechtsfehler unterlaufen (zweiter Rechtsmittelgrund), ebenso bei der rechtlichen Einstufung der Ausschließlichkeitsrabatte, die die Klägerin mit HP und Lenovo vereinbart habe (dritter Rechtsmittelgrund), es habe zu Unrecht angenommen, dass der Kommission bei der Behandlung der Befragung von D1 kein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen sei, der die Verteidigungsrechte der Klägerin beeinträchtigt hätte (vierter Rechtsmittelgrund), und habe die Kriterien für die Zuständigkeit der Kommission für die von der Klägerin mit Lenovo in den Jahren 2006 und 2007 getroffenen Vereinbarungen nicht richtig angewandt (fünfter Rechtsmittelgrund). Mit dem sechsten Rechtsmittelgrund ersuchte die Klägerin den Gerichtshof, die gegen sie verhängte Geldbuße in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes, dass die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 keine Rückwirkung entfalteten, aufzuheben oder wesentlich herabzusetzen. 60 Die Kommission beantragte, das Rechtsmittel zurückzuweisen. Die ACT beantragte, dem Rechtsmittel in vollem Umfang stattzugeben. 61 Mit seinem Urteil vom 6. September 2017, Intel/Kommission (C‑413/14 P, im Folgenden: Rechtsmittelurteil, EU:C:2017:632), in der berichtigten Fassung hob der Gerichtshof das erste Urteil auf und verwies die Sache an das Gericht zurück. Verfahren und Anträge der Parteien nach der Zurückverweisung 62 Die Rechtssache ist der Vierten erweiterten Kammer des Gerichts zugewiesen worden. 63 Die ACT, die Klägerin und die Kommission haben am 14., 15. bzw. 16. November 2017 jeweils ihre schriftliche Stellungnahme zur Zurückverweisung gemäß Art. 217 Abs. 1 der Verfahrensordnung (im Folgenden: Stellungnahme) eingereicht. 64 Die Klägerin und die Kommission haben beantragt, bestimmte vertrauliche Angaben, die in ihren Stellungnahmen enthalten seien, von der Übermittlung an die Streithelferinnen auszunehmen. Sie haben eine nicht vertrauliche Fassung der betreffenden Verfahrensschriftstücke vorgelegt. Den Streithelferinnen ist von diesen Verfahrensschriftstücken lediglich diese nicht vertrauliche Fassung übermittelt worden. Die Streithelferinnen haben hiergegen keine Einwände erhoben. 65 Es sind von der ACT am 20. Februar 2018 und von der Klägerin und der Kommission am 5. März 2018 gemäß Art. 217 Abs. 3 der Verfahrensordnung zusätzliche Stellungnahmen (im Folgenden: zusätzliche Stellungnahmen) eingereicht worden. 66 Die Klägerin und die Kommission haben beantragt, bestimmte vertrauliche Angaben, die in ihren zusätzlichen Stellungnahmen enthalten seien, von der Übermittlung an die Streithelferinnen auszunehmen. Sie haben eine nicht vertrauliche Fassung der betreffenden Verfahrensschriftstücke vorgelegt. Den Streithelferinnen ist von diesen Verfahrensschriftstücken lediglich diese nicht vertrauliche Fassung übermittelt worden. Die Streithelferinnen haben hiergegen keine Einwände erhoben. 67 In ihrer Stellungnahme beantragt die Klägerin, unterstützt durch die ACT, – die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang oder teilweise für nichtig zu erklären; – hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße aufzuheben oder erheblich herabzusetzen; – der Kommission ihre Kosten aufzuerlegen. 68 Die Kommission beantragt in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. 69 Mit Schreiben vom 7., 15. und 28. Oktober 2019 haben die Klägerin und die Kommission, was die mündliche Verhandlung und die das Verfahren beendende Entscheidung angeht, unter der Bedingung, dass den Streithelferinnen keine vertraulichen Dokumente übermittelt würden, teilweise auf die Vertraulichkeit verzichtet. Sie haben sich im Wesentlichen dahin geäußert, dass mit zwei Ausnahmen, nämlich, dass das Gericht keine Einzelheiten über den Server [vertraulich] verbreite und die Namen der natürlichen Personen, die in den Schriftsätzen genannt würden, nicht veröffentlicht würden, über den gesamten Inhalt der Akten in öffentlicher Sitzung verhandelt werden könne. 70 Mit Schreiben vom 27. Januar 2020 hat die ACT beantragt, an dem Teil der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu dürfen, der nach dem Beschluss des Gerichts vom 10. Dezember 2019 wegen der Vertraulichkeit der Informationen, über die verhandelt werde, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde. 71 Mit Schreiben vom 6. März 2020 hat die UFC dem Gericht mitgeteilt, dass sie darauf verzichte, an der mündlichen Verhandlung, die vom 10. bis zum 12. März 2020 stattfinde (im Folgenden: mündliche Verhandlung von 2020), teilzunehmen. 72 In der mündlichen Verhandlung von 2020 hat der Präsident der Vierten erweiterten Kammer das von der ACT eingereichte Schreiben vom 27. Januar 2020 angesprochen, mit dem die ACT beantragt hat, an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu dürfen, die ursprünglich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden sollte. Der Präsident der Vierten erweiterten Kammer hat entschieden, dieses Schreiben zu den Akten zu nehmen. Er hat darauf hingewiesen, dass die mündliche Verhandlung von 2020 in vollem Umfang in öffentlicher Sitzung durchgeführt werde, so dass sich der Antrag von ACT erledigt habe. Darüber hinaus hat er bestätigt, dass die Namen der natürlichen Personen weder in der öffentlichen Sitzung noch in der das Verfahren beendenden Entscheidung genannt würden. 73 Nachdem der Richter Berke am 1. August 2021 verstorben ist, haben die drei Richter, die das vorliegende Urteil unterzeichnet haben, die Beratungen gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung fortgesetzt. Rechtliche Würdigung Zu dem Vorbringen der Parteien zum Streitgegenstand nach Zurückverweisung 74 Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihren schriftlichen Stellungnahmen gemäß Art. 217 Abs. 1 und 3 der Verfahrensordnung auf die Klagegründe, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission und Verfahrensfehler gerügt werden, verzichtet hat. Diese sind damit nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits nach Zurückverweisung. 75 Die Parteien sind sich nicht darüber einig, inwieweit die übrigen Klagegründe Gegenstand des Rechtsstreits nach Zurückverweisung sind. 76 Die Klägerin macht, unterstützt durch die ACT, im Wesentlichen geltend, dass das Gericht, da das erste Urteil in vollem Umfang aufgehoben worden sei, ein neues Urteil zu erlassen habe. Abgesehen von denen, auf die sie verzichtet habe, habe es alle Klagegründe und Argumente, die sie in ihrer Klage geltend gemacht habe, unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichtshofs, wie sie im Rechtsmittelurteil zum Ausdruck gekommen sei, erneut zu prüfen. Die Klägerin macht weiter geltend, dass die Frage, nach welchen Grundsätzen Beweise für wirtschaftliche Tatsachen zu berücksichtigen seien, im Rechtsmittelurteil eine wesentliche Klärung erfahren habe, und dass sich der Umstand, dass dem ersten Rechtsmittelgrund stattgegeben worden sei, zwangsläufig auf die Würdigung dieser Beweise und den Wortlaut der angefochtenen Entscheidung auswirke. 77 Die Kommission ist anderer Meinung. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die im ersten Urteil getroffenen Feststellungen insoweit endgültig seien, als sie nicht mit einem vom Gerichtshof im Rechtsmittelurteil festgestellten Rechtsfehler zusammenhingen. Dies gelte insbesondere für die vom Gericht im ersten Urteil getroffenen Feststellungen, die im Rahmen des Rechtsmittels überhaupt nicht oder ohne Erfolg angefochten worden seien. Die Kommission macht weiter geltend, dass sich aus den Rn. 147 und 149 des Rechtsmittelurteils ergebe, dass das Gericht nach der Zurückverweisung lediglich zu prüfen habe, ob die Rabatte geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, und dass aus den Rn. 109, 137 und 138 des Rechtsmittelurteils eindeutig hervorgehe, dass dabei von der nicht angefochtenen Feststellung auszugehen sei, dass es sich bei den streitigen Rabatten um Treuerabatte handele. Für den Fall, dass sich das Gericht dafür entscheiden sollte, sämtliche Klagegründe und Argumente, die die Klägerin in ihrer Klage geltend gemacht habe, erneut zu prüfen, macht die Kommission hilfsweise geltend, dass nicht ersichtlich sei, warum das Gericht bei Fragen, die nicht Gegenstand des Rechtsmittels gewesen seien, zu anderen Ergebnissen als im ersten Urteil gelangen sollte. 78 Im vorliegenden Fall stellt sich daher erstens die Frage, ob das Gericht nach der Zurückverweisung erneut über alle Klagegründe und Argumente, die die Klägerin in ihrer Klage geltend gemacht hat, zu entscheiden hat, oder ob die im ersten Urteil enthaltenen Feststellungen, wie die Kommission im Wesentlichen geltend macht, rechtskräftig sind. 79 Für die Beantwortung dieser Frage ist, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung von 2020 zutreffend vorgetragen hat, der Wortlaut des Tenors des Rechtsmittelurteils maßgeblich. 80 Nach Aufhebung durch den Gerichtshof und Zurückverweisung der Sache an das Gericht wird diese nach Art. 215 der Verfahrensordnung durch das zurückverweisende Urteil nämlich beim Gericht anhängig, das erneut über alle vom Kläger geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu entscheiden hat, mit Ausnahme der vom Gerichtshof nicht aufgehobenen Teile des Tenors und der diesen Teilen notwendigerweise zugrunde liegenden Ausführungen, da diese rechtskräftig geworden sind (Urteil vom 14. September 2011, Marcuccio/Kommission, T‑236/02, EU:T:2011:465, Rn. 83). 81 Insoweit ist festzustellen, dass das erste Urteil durch Nr. 1 des Tenors des Rechtsmittelurteils in vollem Umfang aufgehoben worden ist. Dort heißt es nämlich, dass das erste Urteil „aufgehoben [wird]“. 82 Demnach hat das Gericht im vorliegenden Fall, wie die Klägerin und die ACT geltend machen, erneut über sämtliche Gründe und Argumente zu entscheiden, die von den Parteien im ersten Rechtszug geltend gemacht worden sind. Dies gilt nicht für diejenigen Klagegründe und Argumente, mit denen die Unzuständigkeit der Kommission und Verfahrensfehler gerügt werden (siehe oben, Rn. 74), auf die die Klägerin ausdrücklich verzichtet hat. 83 Zweitens ist festzustellen, dass das Gericht nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wenn das Rechtsmittel begründet ist und die Sache zur Entscheidung an es zurückverwiesen wird, an die rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofs gebunden ist. Wie die Kommission geltend gemacht hat und die ACT im Wesentlichen in der mündlichen Verhandlung von 2020 vorgetragen hat, steht mithin grundsätzlich dem nichts entgegen, dass der Spruchkörper, der nach Zurückverweisung zu entscheiden hat, die Klagegründe und Argumente, auf die in den Gründen des Rechtsmittelurteils nicht eingegangen wird, genauso beurteilt wie der Spruchkörper, der im ersten Rechtszug entschieden hat. In diesem Fall gibt es nämlich keine „rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofs“ im Sinne von Art. 61 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, an die der Spruchkörper, der nach Zurückverweisung zu entscheiden hat, gebunden wäre (Urteil vom 14. September 2011, Marcuccio/Kommission, T‑236/02, EU:T:2011:465, Rn. 86). 84 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der einzige Fehler, der die Aufhebung des ersten Urteils gerechtfertigt hat, darin besteht, dass das Gericht „bei seiner Prüfung der Eignung der streitigen Rabatte, den Wettbewerb zu beschränken, zu Unrecht das Vorbringen der Klägerin unberücksichtigt gelassen hat, mit dem angebliche Fehler der Kommission im Rahmen des AEC‑Tests beanstandet werden sollten“ (Rechtsmittelurteil, Rn. 147). 85 Nach der oben in den Rn. 80 und 83 dargestellten Rechtsprechung hat das Gericht nach der Zurückverweisung daher nach Maßgabe der Ausführungen in den Rn. 133 und 141 des Rechtsmittelurteils zu den in dem Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), aufgestellten Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen und zusätzlichen Stellungnahmen der Parteien zu den Schlussfolgerungen, die aus diesen Ausführungen zu ziehen sind, zu prüfen, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken. Folglich hat das Gericht das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, mit dem geltend gemacht wird, dass der Kommission beim AEC‑Test Fehler unterlaufen seien, kann sich im Übrigen bei seiner Prüfung aber sämtliche Feststellungen zu eigen machen, die im Rahmen des Rechtsmittels nicht angefochten wurden oder im Rechtsmittelurteil nicht Gegenstand der „rechtlichen Beurteilung“ waren. 86 Dies gilt insbesondere für die Feststellungen zur rechtlichen Einstufung der sogenannten reinen Beschränkungen in Abschnitt II („Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung“) A („Querschnittsfragen, die die von der Kommission vorgenommenen rechtlichen Beurteilungen betreffen“) 3 („Zur rechtlichen Einstufung der sogenannten ‚reinen Beschränkungen‘“) des ersten Urteils (Rn. 198 bis 220 des ersten Urteils) und zu den reinen Beschränkungen und dem Vorliegen von Ausschließlichkeitsrabatten in Abschnitt II D („Beurteilungsfehler in Bezug auf die Verhaltensweisen gegenüber verschiedenen Computerherstellern und MSH“) des ersten Urteils (Rn. 437 bis 1522 des ersten Urteils). 87 Zu den Feststellungen zu den reinen Beschränkungen machen die Klägerin und die ACT in ihren Stellungnahmen geltend, dass die Kommission nach dem Rechtsmittelurteil in der angefochtenen Entscheidung hätte nach Maßgabe der in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Gesichtspunkte und des AEC‑Tests prüfen müssen, ob die reinen Beschränkungen geeignet gewesen seien, die der Klägerin zur Last gelegten Verdrängungswirkungen hervorzurufen. Die ACT macht weiter geltend, dass die reinen Beschränkungen letztlich eine Art Rabatt oder Ausschließlichkeitszahlung darstellten. Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit dürften diese beiden Preispolitiken nicht unterschieden werden. 88 Hierzu ist festzustellen, dass aus den Erwägungsgründen 1641 ff. der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, dass unterschieden wurde zwischen den Verhaltensweisen der Klägerin gegenüber Acer, HP und Lenovo, die als reine Beschränkungen eingestuft wurden, und den übrigen Verhaltensweisen der Klägerin, bei denen in der angefochtenen Entscheidung der AEC‑Test durchgeführt wurde. Insoweit ist festzustellen, dass diese Unterscheidung darauf zurückzuführen ist, dass die reinen Beschränkungen auf zwei Säulen beruhen und sich hinsichtlich der zweiten von den übrigen Verhaltensweisen der Klägerin, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, unterscheiden. Den betreffenden Computerherstellern (HP, Acer und Lenovo) wurden von der Klägerin nämlich nicht nur Rabatte und Zahlungen angeboten. Von ihnen wurde verlangt, im Gegenzug bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen, nämlich das Auf-den-Markt-Bringen bestimmter Produkte mit x86-Prozessoren von AMD aufzugeben oder zu beschränken. 89 So wie diese Verhaltensweisen vom Gericht in Rn. 198 des ersten Urteils beschrieben worden sind, waren die Zahlungen an folgende Bedingungen geknüpft: – Erstens sollte HP seine Business-Desktop-Computer mit x86-Prozessoren von AMD eher auf kleine und mittlere Unternehmen und den Verwaltungs‑, Bildungs- und Medizinsektor ausrichten als auf Großunternehmen. – Zweitens sollte HP seinen Vertriebspartnern verbieten, Business-Desktop-Computer mit x86-Prozessoren von AMD zu lagern, so dass Kunden diese Computer nur erhalten könnten, indem sie sie unmittelbar bei HP oder über Vertriebspartner von HP, die als Handelsvertreter handelten, bestellten. – Drittens sollten Acer, HP und Lenovo Computer mit AMD-Prozessoren später oder überhaupt nicht auf den Markt bringen. 90 Vor diesem Hintergrund stellt das Gericht zunächst fest, dass aus dem Rechtsmittelurteil in keiner Weise ersichtlich ist, dass der Gerichtshof entschieden hätte, dass die in den Rn. 138 ff. des Rechtsmittelurteils definierte Methode auch auf die reinen Beschränkungen angewandt werden müsste. Aus dem Rechtsmittelurteil geht auch nicht hervor, dass der Gerichtshof für die reinen Beschränkungen die Durchführung eines AEC‑Tests verlangt hätte, wie die Klägerin im ersten Rechtszug geltend gemacht hatte. Obwohl die reinen Beschränkungen sowohl in der angefochtenen Entscheidung der Kommission als auch im ersten Urteil des Gerichts klar unterschieden wurden, werden sie im Rechtsmittelurteil nicht eigens geprüft. Sie werden in den Rn. 11 und 15 des Rechtsmittelurteils im Zusammenhang mit der Vorgeschichte des Rechtsstreits und der Zusammenfassung des Verfahrens vor dem Gericht lediglich genannt, ohne dass weiter auf sie eingegangen würde. 91 Wie die Kommission zu Recht geltend macht, bestätigt die Art und Weise, wie der Gerichtshof den ersten Rechtsmittelgrund zusammengefasst und in den Rn. 137 ff. des Rechtsmittelurteils rechtlich beurteilt hat, dass er sich in keiner Weise zu den reinen Beschränkungen geäußert hat. Aus den Rn. 137 ff. des Rechtsmittelurteils geht nämlich eindeutig hervor, dass Gegenstand der rechtlichen Beurteilung des Gerichtshofs lediglich die Treuerabatte im Sinne des Urteils vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), waren. 92 Besonders deutlich geht dies aus Rn. 141 des Rechtsmittelurteils hervor, wo es heißt: „Wenn die Kommission in einer Entscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit eines Rabattsystems festgestellt wird, [einen AEC‑Test] vornimmt, hat das Gericht das gesamte Vorbringen der Klagepartei zu prüfen, mit dem die Richtigkeit der Feststellungen der Kommission zur Verdrängungsfähigkeit des betreffenden Rabattsystems in Frage gestellt werden soll.“ Da die Kommission bei den reinen Beschränkungen überhaupt keinen AEC‑Test durchgeführt hat und das Gericht dies in den Rn. 198 bis 220 des ersten Urteils im Wesentlichen gebilligt hat, hat der Gerichtshof eindeutig den auf die den Computerherstellern und MSH gewährten Rabatte und Zahlungen anzuwendenden „rechtlichen Test“ gemeint, und nicht den auf die reinen Beschränkungen anzuwendenden. 93 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin und der ACT ist dem Rechtsmittelurteil daher nicht zu entnehmen, dass für die reinen Beschränkungen hinsichtlich der Feststellung ihrer Missbräuchlichkeit dieselben Grundsätze gelten müssten wie für die in Rede stehenden Rabatte. 94 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 88), zeichnen sich die reinen Beschränkungen, wie sie von der Kommission festgestellt worden sind, entgegen dem Vorbringen der ACT dadurch aus, dass es sich um Verhaltensweisen handelt, die auf zwei Säulen beruhen und sich hinsichtlich der zweiten von den übrigen Verhaltensweisen der Klägerin, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, unterscheiden. Es kann daher nicht angenommen werden, dass bei bedingten Rabatten und reinen Beschränkungen wegen des Grundsatzes der Rechtssicherheit keine verschiedenen Prüfungsschemata zur Anwendung kommen dürften, weil eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Verhaltensweisen von den zuständigen Behörden und Gerichten nicht kohärent vorgenommen werden könnte. 95 Im Übrigen haben die Klägerin und die ACT in ihren Stellungnahmen und ihren zusätzlichen Stellungnahmen nicht dargetan, dass bestimmte tatsächliche Elemente betreffend die reinen Beschränkungen, die im ersten Urteil geprüft wurden, nach der Zurückverweisung erneut geprüft werden müssten. 96 Das Gericht macht sich die Feststellungen in den Rn. 198 bis 220, 799 bis 873, 1043 bis 1144, 1222 bis 1361 und 1371 des ersten Urteils daher nur insoweit zu eigen, als sie die reinen Beschränkungen und deren Rechtswidrigkeit gemäß Art. 102 AEUV betreffen. 97 Das Gericht macht sich ferner die in Abschnitt II D des ersten Urteils enthaltenen Ausführungen zur Einstufung der in Rede stehenden Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“ zu eigen. Erstens wird auf sie im Rechtsmittelurteil nicht weiter eingegangen, so dass nicht angenommen werden kann, dass sie gemäß Art. 61 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union Gegenstand der rechtlichen Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofs gewesen wären. Zweitens hat die Klägerin, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung von 2020 zutreffend ausgeführt hat, nicht dargetan, dass bestimmte tatsächliche Elemente, die im ersten Urteil im Zusammenhang mit der Einstufung der in Rede stehenden Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“ geprüft wurden, erneut zu prüfen wären, insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen, die der Gerichtshof im Rechtsmittelurteil zu den in dem Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), aufgestellten Grundsätzen gemacht hat. 98 Das Gericht macht sich daher die Feststellungen in Abschnitt II D des ersten Urteils zu eigen, wonach die Kommission in der angefochtenen Entscheidung erstens festgestellt habe, dass die Klägerin Dell mitgeteilt habe, dass die Höhe der gemäß einem Meet-Competition-Programme gewährten Rabatte von Dezember 2002 bis Dezember 2005 an eine Ausschließlichkeitsbedingung geknüpft sei (erstes Urteil, Rn. 444 bis 584), zweitens, dass die beiden Vereinbarungen, die die Klägerin in der Zeit von November 2002 bis Mai 2005 mit HP geschlossen habe (im Folgenden: HPA-Vereinbarungen) Ausschließlichkeitsrabatte dargestellt hätten (erstes Urteil, Rn. 673 bis 798), drittens, dass die Klägerin NEC von Oktober 2002 bis November 2005 Ausschließlichkeitsrabatte gewährt habe (erstes Urteil, Rn. 900 bis 1018), viertens, dass die Klägerin und Lenovo eine Absichtserklärung, das Memorandum of Understanding von 2007 (im Folgenden: MoU 2007), unterzeichnet hätten, die an eine ungeschriebene Ausschließlichkeitsbedingung geknüpft gewesen sei (erstes Urteil, Rn. 1045 bis 1208), und fünftens, dass die Klägerin von Oktober 2002 bis Dezember 2007 Zahlungen an MSH geleistet habe, die in dieser Höhe an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass MSH ausschließlich Computer mit x86-Prozessoren der Klägerin verkaufe (erstes Urteil, Rn. 1372 bis 1502). 99 Das Gericht macht sich die oben in Rn. 98 genannten Feststellungen mit zwei Einschränkungen zu eigen. 100 Von den oben in Rn. 98 genannten Feststellungen macht sich das Gericht diejenigen, wonach die Kommission nicht verpflichtet war, den Teil der Rabatte, der die Gegenleistung einer Ausschließlichkeit darstellte, genau zu quantifizieren (erstes Urteil, Rn. 453, 538, 916 und 1500) nur insoweit zu eigen, als sie zur Stützung der Einstufung der in Rede stehenden Rabatte als „Ausschließlichkeitsrabatte“ erfolgt sind. 101 Da das Gericht durch die oben in Rn. 84 dargestellte rechtliche Beurteilung in der Entscheidung des Gerichtshofs gebunden ist, macht es sich die oben in Rn. 98 genannten Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zu eigen, aus denen sich ergibt, dass es für die Prüfung der Frage, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, nicht erforderlich war, einen AEC‑Test durchzuführen, oder dass die Einstufung der in Rede stehenden Rabatte als Ausschließlichkeitsrabatte genüge, um sie auch als missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV einzustufen. 102 Somit ist im Hinblick auf das Vorbringen der Parteien festzustellen, dass Gegenstand des Rechtsstreits im Wesentlichen die Prüfung der Frage ist, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken, und zwar nach Maßgabe der in den Rn. 133 ff. des Rechtsmittelurteils enthaltenen Ausführungen zu den im Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), aufgestellten Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Parteien zu den Schlussfolgerungen, die aus diesen Ausführungen zu ziehen sind. Zu dem Vorbringen der Kommission zur Zulässigkeit eines Teils des in den Stellungnahmen der Klägerin und der ACT enthaltenen Vorbringens 103 Die Kommission macht in ihrer zusätzlichen Stellungnahme geltend, dass das Vorbringen der Klägerin in ihrer Stellungnahme größtenteils unzulässig, jedenfalls aber nicht relevant sei. Der eigentliche Zweck der Stellungnahme gemäß Art. 217 der Verfahrensordnung bestehe darin, zu den Folgen Stellung zu nehmen, die das Rechtsmittelurteil für das Verfahren nach Zurückverweisung habe. Da im Rechtsmittelurteil festgestellt worden sei, dass das Vorbringen der Klägerin zum AEC‑Test zu Unrecht nicht geprüft worden sei, aber nicht auf die Frage eingegangen worden sei, ob der AEC‑Test in der angefochtenen Entscheidung richtig durchgeführt worden sei, enthalte das Rechtsmittelurteil nichts, was es rechtfertigen würde, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum größten Teil ihr Vorbringen zum AEC‑Test wiederhole. 104 Das Rechtsmittelurteil stelle auch keinen neuen Umstand dar, der es rechtfertigen würde, dass die Klägerin die Rügen, die sie in dem Verfahren, in dem das erste Urteil ergangen sei, geltend gemacht habe, anpasste oder erweiterte. Das Vorbringen der Klägerin bzw. der ACT in ihren Stellungnahmen sei daher teilweise unzulässig. 105 Nach ständiger Rechtsprechung hat die klagende Partei nach Art. 76 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung in der Klageschrift den Streitgegenstand zu bestimmen und ihre Anträge zu stellen (vgl. Urteil vom 20. Mai 2009, VIP Car Solutions/Parlament, T‑89/07, EU:T:2009:163, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung). Nach Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 218 Anwendung findet, wenn das Gericht wie hier nach Zurückverweisung entscheidet, ist das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens unzulässig, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Zwar lässt Art. 84 Abs. 2 der Verfahrensordnung unter bestimmten Umständen das Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens zu, er darf aber auf keinen Fall so ausgelegt werden, dass er dem Kläger die Möglichkeit einräumt, den Unionsrichter mit neuen Anträgen zu befassen und damit den Streitgegenstand oder die Art der Klage zu ändern (Urteile vom 20. Mai 2009, VIP Car Solutions/Parlament, T‑89/07, EU:T:2009:163, Rn. 110, und vom 13. Juni 2012, Insula/Kommission, T‑246/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:287, Rn. 100 und 103). 106 Daraus folgt, dass die Verfahrensbeteiligten nach einem zurückverweisenden Urteil des Gerichtshofs Klage- und Verteidigungsgründe, die im Laufe des Verfahrens, in dem das vom Gerichtshof aufgehobene Urteil des Gerichts ergangen ist, nicht vorgebracht wurden, grundsätzlich nicht mehr vorbringen können (Urteil vom 1. Juli 2008, Chronopost und La Poste/UFEX u. a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 71). Für zulässig zu erklären sind nur Klagegründe, die eine Erweiterung eines bereits zuvor – unmittelbar oder implizit – in der Klageschrift vorgetragenen Klagegrundes darstellen und einen engen Zusammenhang mit diesem aufweisen (Urteil vom 11. März 2020, Kommission/Gmina Miasto Gdynia und Port Lotniczy Gdynia Kosakowo, C‑56/18 P, EU:C:2020:192, Rn. 66). 107 Das Vorbringen eines Streithelfers ist nur insoweit zulässig, als es sich in dem durch die Anträge und Gründe der Hauptparteien festgelegten Rahmen hält (Urteil vom 4. Februar 2020, Uniwersytet Wrocławski und Polen/REA, C‑515/17 P und C‑561/17 P, EU:C:2020:73, Rn. 51). 108 Im vorliegenden Fall ist die Klage in der Rechtssache T‑286/09 durch die Klageschrift (siehe oben, Rn. 36) abgegrenzt worden. 109 Insoweit ist festzustellen, dass die Klägerin in der Klageschrift geltend gemacht hat, dass der Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei der Durchführung des AEC‑Tests eine Reihe von „offensichtlichen Fehlern“ unterlaufen sei, um dann im Einzelnen auszuführen, welche Fehler der Kommission bei den Dell, Lenovo, HP, NEC und MSH gewährten Rabatten und Zahlungen jeweils unterlaufen sein sollen. Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung steht daher nicht dem entgegen, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen ihr in der Klageschrift enthaltenes Vorbringen zum AEC‑Test wiederholt oder sogar erweitert. Eine solche Vorgehensweise kann nicht mit dem Vorbringen neuer Klage- und Verteidigungsgründe im Laufe des Verfahrens gleichgesetzt werden. 110 Das auf Art. 217 der Verfahrensordnung gestützte Vorbringen der Kommission, dass das Vorbringen der Klägerin in ihrer Stellungnahme größtenteils unzulässig, jedenfalls aber nicht relevant sei, ist mithin zurückzuweisen. 111 Hingegen macht die Kommission zu Recht geltend, dass, auch wenn das Gericht nach Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union an die rechtliche Beurteilung im Rechtsmittelurteil gebunden ist, es aber auch an die von der Klägerin in der Klageschrift geltend gemachten Klagegründe gebunden ist und das Rechtsmittel als solches keinen neuen Umstand darstellt, der eine Änderung oder Erweiterung der von der Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung erhobenen Rügen rechtfertigen würde. Die Kommission macht weiter zu Recht geltend, dass die ACT nach der Zurückverweisung keine Argumente zur Stützung der Anträge der Klägerin geltend machen kann, die nicht Klagegründen entsprechen, die die Klägerin in der Klageschrift geltend gemacht hat. 112 Auf das Vorbringen der Kommission, dass die Klägerin und die ACT in ihren Stellungnahmen mit ihrem Vorbringen teilweise die Rügen, die in dem Verfahren, in dem das erste Urteil ergangen sei, geltend gemacht worden seien, verändert oder erweitert hätten, wird, falls dies für die Entscheidung über die vorliegende Rechtssache erforderlich sein sollte, später eingegangen werden (siehe unten, Rn. 401 und 506). Zur Begründetheit Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung 113 Die Klägerin macht unterstützt durch die ACT geltend, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil sie erstens auf einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung beruhe, zweitens in ihr die in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien nicht gebührend geprüft und berücksichtigt worden seien und sie drittens einen AEC‑Test enthalte, der unter zahlreichen Fehlern leide. 114 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang aufrechtzuerhalten sei, weil sie erstens in Einklang mit dem Rechtsmittelurteil stehe, zweitens in ihr die in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien allesamt berücksichtigt worden seien und drittens der AEC‑Test unter keinem Fehler leide. 115 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 102), hat das Gericht im vorliegenden Fall nach Maßgabe des Rechtsmittelurteils zu prüfen, ob die Klagegründe und Argumente, mit denen die Klägerin geltend macht, dass die in Rede stehenden Rabatte nicht geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, stichhaltig sind. Hierzu ist in einem ersten Schritt zunächst einmal darzustellen, nach welcher Methode bei Rabatten wie den hier in Rede stehenden nach den Vorgaben des Gerichtshofs zu prüfen ist, ob sie geeignet sind, den Wettbewerb zu beschränken. In einem zweiten Schritt wird dann zu prüfen sein, welche Schlüsse sich daraus im Wesentlichen ergeben. I. Zu der vom Gerichtshof vorgegebenen Methode der Beurteilung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken 116 Als Erstes geht der Gerichtshof in den Rn. 133 bis 137 des Rechtsmittelurteils auf das Wesen und den Zweck von Art. 102 AEUV ein. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom 27. März 2012, Post Danmark (C‑209/10, EU:C:2012:172), stellt er insoweit im Wesentlichen fest, dass Leistungswettbewerb dazu führen kann, dass Wettbewerber, die weniger leistungsfähig sind, vom Markt verschwinden (Rechtsmittelurteil, Rn. 134). Er weist aber auch darauf hin, dass Unternehmen, die eine beherrschende Stellung innehaben, eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass sie einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb nicht beeinträchtigen (Rechtsmittelurteil, Rn. 135). Weiter hebt der Gerichtshof hervor, dass nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden kann (Rechtsmittelurteil, Rn. 136). 117 Als Zweites stellt der Gerichtshof in Rn. 137 des Rechtsmittelurteils seine durch das Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36) (im Folgenden: Hoffmann-La Roche-Rechtsprechung), begründete Rechtsprechung dar, wonach Treuerabatte eine missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen. 118 Als Drittes stellt der Gerichtshof in Rn. 138 des Rechtsmittelurteils jedoch fest, dass die Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung für den Fall, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung „im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen“, der Konkretisierung bedarf. 119 In Rn. 139 des Rechtsmittelurteils gibt der Gerichtshof an, auf welche Kriterien in solchen Fällen beim Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV abzustellen ist. Danach hat die Kommission erstens das Ausmaß der beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem relevanten Markt, zweitens den Umfang der Markterfassung durch die beanstandete Verhaltensweise, drittens die Bedingungen und Modalitäten der Gewährung der in Rede stehenden Rabatte, viertens die Dauer und die Höhe dieser Rabatte und fünftens das Vorliegen einer eventuellen Strategie zur Verdrängung der mindestens ebenso effizienten Wettbewerber zu prüfen. 120 Als Viertes stellt der Gerichtshof in Rn. 141 des Rechtsmittelurteils fest, dass „[w]enn die Kommission [wie im vorliegenden Fall] in einer Entscheidung, mit der die Missbräuchlichkeit eines Rabattsystems festgestellt wird, eine [Analyse der Eignung zur Verdrängung] vornimmt, … das Gericht das gesamte Vorbringen der Klagepartei zu prüfen [hat], mit dem die Richtigkeit der Feststellungen der Kommission zur Verdrängungsfähigkeit des betreffenden Rabattsystems in Frage gestellt werden soll“. 121 Als Fünftes stellt der Gerichtshof in Rn. 142 des Rechtsmittelurteils fest, dass die Kommission, auch wenn sie in der angefochtenen Entscheidung hervorgehoben hat, dass „die fraglichen Rabatte bereits aufgrund ihres Wesens geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, so dass eine Analyse sämtlicher Umstände des Einzelfalls und insbesondere ein AEC‑Test nicht erforderlich seien, um einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung festzustellen (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 925 und 1760 der streitigen Entscheidung), eine eingehende Prüfung dieser Umstände vorgenommen [hat], bei der sie in den Erwägungsgründen 1002 bis 1576 der Entscheidung sehr detaillierte Ausführungen zu der von ihr im Rahmen des AEC‑Tests vorgenommenen Analyse gemacht hat, die sie zu der in den Erwägungsgründen 1574 und 1575 gezogenen Schlussfolgerung veranlasste, dass ein ebenso leistungsfähiger Wettbewerber Preise hätte anwenden müssen, die nicht rentabel gewesen wären, und sich infolgedessen die streitige Rabattpraxis dahin hätte auswirken können, dass der Wettbewerber verdrängt werde.“ 122 Der Gerichtshof gelangt in den Rn. 143 und 144 des Rechtsmittelurteils deshalb zu dem Schluss, dass dem AEC‑Test in der streitigen Entscheidung eine tatsächliche Bedeutung für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage zugekommen ist, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, sich dahin auszuwirken, dass ebenso leistungsfähige Wettbewerber verdrängt werden, und dass das Gericht deshalb verpflichtet war, das gesamte Vorbringen der Klägerin zu dem von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung durchgeführten AEC‑Test zu prüfen, was es aber nicht getan habe. II. Zu den Grundsätzen, die sich aus dem Rechtsmittelurteil ergeben 123 Wie die Parteien geltend machen, wird durch das Rechtsmittelurteil die Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung präzisiert, aus der sich dreierlei ableiten lässt. 124 Erstens ergibt sich aus den Rn. 137 und 138 des Rechtsmittelurteils, dass ein Rabattsystem, das von einem Unternehmen eingerichtet wurde, das auf dem Markt eine beherrschende Stellung innehat, als Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden kann, wenn aufgrund seiner Art vermutet werden kann, dass es wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hat, wobei es sich jedoch bloß um eine Vermutung handelt, und nicht um einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV als solchen, bei dem die Kommission ohnehin nicht zu prüfen bräuchte, welche Auswirkungen er hat. 125 Zweitens hat der Gerichtshof entschieden, dass die Kommission, wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung „im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen“, nach Maßgabe der in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien zu prüfen hat, ob das Rabattsystem geeignet ist, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen (siehe oben, Rn. 119). Nach dem Wortlaut von Rn. 139 des Rechtsmittelurteils ist die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob ein Rabattsystem wie das hier in Rede stehende geeignet ist, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, zumindest verpflichtet, diese fünf Kriterien zu prüfen. 126 Drittens ist schließlich festzustellen, dass auch wenn der Gerichtshof nicht entschieden hat, dass bei allen Rabattsystemen im Zusammenhang mit der Prüfung der Frage, ob sie geeignet sind, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, stets ein AEC‑Test durchzuführen wäre, geht aus dem Rechtsmittelurteil im Wesentlichen hervor, dass ein solcher AEC‑Test, wenn er denn von der Kommission durchgeführt worden ist, zu den Gesichtspunkten gehört, die sie bei der Beurteilung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, zu berücksichtigen hat. 127 Das Gericht wird die Klagegründe und Argumente, mit denen die Klägerin geltend macht, dass die streitigen Rabatte nicht geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, nach diesen Grundsätzen und nach der vom Gerichtshof vorgegebenen Methode prüfen. Zunächst wird zu prüfen sein, ob das Vorbringen der Klägerin und der ACT stichhaltig ist, dass die angefochtene Entscheidung auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung beruhe und allein deshalb für nichtig zu erklären sei. III. Zur Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin und der ACT A. Zu dem Vorbringen, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung 128 Erstens machen die Klägerin und die ACT wie im ersten Rechtszug geltend, dass sich die Kommission auf eine rechtliche Beurteilung gestützt habe, die unter einem grundlegenden Fehler leide. Dieser ziehe sich durch die gesamte angefochtene Entscheidung hindurch, die bereits allein deshalb für nichtig zu erklären sei. 129 Die Feststellung einer Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung könne nur dann aufrechterhalten werden, wenn nachgewiesen werden könne, dass sie auf einer rechtlichen Beurteilung beruhe, die im Einklang mit der in den Rn. 138 und 139 des Rechtsmittelurteils dargestellten rechtlichen Beurteilung stehe. Dies sei hier aber ganz klar nicht der Fall. Anstatt die Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass sie eine bloße Vermutung der Rechtswidrigkeit begründe, habe die Kommission nämlich lediglich festgestellt, dass die in Rede stehenden Rabatte ihrem Wesen nach missbräuchlich gewesen seien, so dass es, um feststellen zu können, dass sie missbräuchlich seien, nicht notwendig gewesen sei, zu prüfen, geschweige denn zu berücksichtigen, ob sie geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 130 Zweitens macht die ACT weiter geltend, dass auch wenn die angefochtene Entscheidung Feststellungen zu der Frage enthalte, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, den Wettbewerb zu beschränken, gehörten diese zusätzlichen Feststellungen nicht zu der rechtlichen Beurteilung, die durchgeführt worden sei, um festzustellen, dass die Rabatte missbräuchlich seien und gegen Art. 102 AEUV verstießen. Außerdem habe die Kommission angenommen, dass Kriterien wie die Markterfassung, die Dauer der Rabatte und die Höhe der Rabatte für die Feststellung des Vorliegens eines Missbrauchs nicht relevant seien, was bestätige, dass sie insoweit nicht berücksichtigt worden seien. Nach der im Rechtsmittelurteil bestimmten Methode genüge dies aber, um anzunehmen, dass die gesamte Beurteilung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen habe, unter einem Fehler leide, der die Nichtigerklärung dieser Entscheidung rechtfertige. 131 Die Kommission hält das Vorbringen, dass die angefochtene Entscheidung auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung beruhe und allein deshalb für nichtig zu erklären sei, für nicht stichhaltig. 132 In der mündlichen Verhandlung von 2020 hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts im Wesentlichen ausgeführt, dass die angefochtene Entscheidung im Großen und Ganzen auf einem herkömmlichen Verständnis der Hoffman-La-Roche-Rechtsprechung basiere. Entsprechend habe sie in ihren Schriftsätzen im ersten Rechtszug geltend gemacht, dass die angefochtene Entscheidung nicht auf einen AEC‑Test habe gestützt werden müssen, weil es darauf nicht angekommen sei. Der Gerichtshof habe in Rn. 143 des Rechtsmittelurteils aber festgestellt, dass dem AEC‑Test eine tatsächliche Bedeutung für die von ihr vorgenommene Beurteilung der Frage zugekommen sei, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, sich dahin auszuwirken, dass ebenso leistungsfähige Wettbewerber verdrängt würden, was im Einklang mit dem 925. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stehe. Auch wenn sie sich in der angefochtenen Entscheidung nicht hauptsächlich auf den AEC‑Test gestützt habe, sei dieser Test ergänzend durchgeführt worden. Er habe ergeben, dass die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen. 133 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass im vorliegenden Fall feststeht, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend gemacht hat, dass ihr Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen. Nach den Rn. 138 und 139 des Rechtsmittelurteils war die Kommission daher verpflichtet, zu prüfen, ob das Rabattsystem geeignet war, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Im Übrigen ergibt sich insbesondere aus den Erwägungsgründen 920 bis 926, 950, 972, 981, 989, 1000 und 1001 der angefochtenen Entscheidung und aus den Ausführungen der Kommission in ihren Schriftsätzen im ersten Rechtszug und in der mündlichen Verhandlung von 2020, dass die Kommission angenommen hat, dass es nach den Grundsätzen gemäß dem Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), für den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV deshalb nicht erforderlich sei, nachzuweisen, dass die in Rede stehenden Rabatte geeignet seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, weil letztere ihrem Wesen nach wettbewerbswidrig seien. 134 Als Erstes ist auf die genannten Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen. Sie sind allesamt in dem Teil der angefochtenen Entscheidung enthalten, in dem vor dem AEC‑Test auf die Bedingtheit der Rabatte eingegangen wird. Im 923. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission u. a. fest, dass „[a]nders als Intel geltend macht, … nicht nachgewiesen werden muss, dass tatsächlich Wettbewerber vom Markt verdrängt worden sind“ und dass „sich ein Verstoß gegen Art. [102 AEUV] [im Übrigen] auch aus dem wettbewerbswidrigen Ziel der Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung ergeben [kann]“. 135 Weiter stellt die Kommission im 925. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest: „Auch wenn die vorstehenden Feststellungen mangels einer objektiven Rechtfertigung nach der Rechtsprechung bereits für sich genommen für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. [102 AEUV] genügen, wird die Kommission in den Abschnitten 4.2.3 bis 4.2.6 auch zeigen, dass die bedingten Rabatte, die Intel Dell, HP, NEC und Lenovo gewährt hat, und die bedingten Zahlungen, die an MSH geleistet wurden, nicht nur die oben in den Erwägungsgründen 920, 921 und 923 genannten Voraussetzungen gemäß der Rechtsprechung erfüllen, sondern auch möglicherweise oder wahrscheinlich eine – wahrscheinlich verbraucherschädliche – Verdrängungswirkung hatten. Auch wenn die Durchführung des Tests des ebenso effizienten Wettbewerbers (Abschnitt 4.2.3) für den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. [102 AEUV] nach der Rechtsprechung nicht unbedingt erforderlich ist, lässt sich damit nachweisen, dass durch die Rabatte und Zahlungen von Intel möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber vom Markt verdrängt worden sind. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Tests und der qualitativen und quantitativen Beweise (Abschnitte 4.2.4 und 4.2.5) und wegen des Fehlens einer objektiven Rechtfertigung und von Effizienzgewinnen (Abschnitt 4.2.6) gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass die bedingten Rabatte, die Intel Dell, HP, NEC und Lenovo gewährt hat, und die bedingten Zahlungen, die Intel an MSH geleistet hat, eine missbräuchliche Verhaltensweise im Sinne von Art. [102 AEUV] darstellen, die die besondere Aufmerksamkeit der Kommission verdient.“ 136 Im 926. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, mit dem die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Wesens und der Funktionsweise der Rabatte eingeleitet wird, wird u. a. ausgeführt, dass „auch wenn dies nach der in den Erwägungsgründen 920, 921 und 923 [der angefochtenen Entscheidung] genannten Rechtsprechung nicht unbedingt erforderlich ist, wird die Kommission dartun, dass es für jeden der genannten Computerhersteller wegen der Systeme der bedingten Rabatte unmöglich oder schwerer war, x86-Prozessoren bei AMD zu beziehen, [und wird aufzeigen], inwieweit die Systeme der bedingten Zahlungen an MSH ein Mittel darstellten, MSH dazu zu bewegen, ausschließlich Desktop-Computer mit [Prozessoren] von Intel zu verkaufen, und inwieweit es für MSH deshalb unmöglich oder schwieriger war, Desktop-Computer mit [Prozessoren] von AMD zu verkaufen“. 137 In den Erwägungsgründen 950 (Dell), 972 (HP), 981 (NEC), 989 (Lenovo) und 1000 (MSH) der angefochtenen Entscheidung mit dem Ergebnis der Prüfung der Bedingtheit der den einzelnen Computerherstellern oder MSH gewährten Rabatte stellt die Kommission systematisch fest, dass die Höhe der Rabatte oder Zahlungen, die die Klägerin den Computerherstellern oder MSH gewährt habe, de facto an die Bedingung geknüpft gewesen sei, dass diese ihren Bedarf an x86-Prozessoren in vollem Umfang bei der Klägerin deckten, dass diese Rabatte bzw. Zahlungen gemäß der in den Erwägungsgründen 920, 921 und 923 der angefochtenen Entscheidung genannten Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Einstufung als Missbrauch erfüllten und dass sie dazu geführt hätten, dass die Freiheit der Computerhersteller bzw. von MSH hinsichtlich der Wahl des Lieferanten von x86-Prozessoren eingeschränkt gewesen sei und andere Wettbewerber daran gehindert worden seien, den Computerherstellern bzw. MSH x86-Prozessoren zu liefern. 138 Schließlich stellt die Kommission im 1001. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, der das Ergebnis der in Abschnitt 4.2.2 („Wesen und Funktionsweise der Rabatte“) vorgenommenen Prüfung enthält, fest: „In Anbetracht der in den Abschnitten 4.2.2.2 bis 4.2.2.6 [Wesen und Funktionsweise der Rabatte für die Computerhersteller und MSH] angeführten Beweise und der in Abschnitt 4.2.1 dargestellten Rechtsprechung [Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung] wird festgestellt, dass die Höhe der Rabatte, die Intel Dell, HP und NEC vom vierten Quartal 2002 bis Dezember 2005 gewährt hat, de facto an die Bedingung geknüpft war, dass diese Abnehmer x86-Prozessoren ausschließlich (Dell) oder in bestimmten Segmenten nahezu ausschließlich (HP und NEC) bei Intel beziehen. … Die in Rede stehenden Rabatte und Zahlungen stellen Treuerabatte dar, die die in der einschlägigen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für die Einstufung als Missbrauch erfüllen (vgl. Erwägungsgründe 920, 921 und 923). Außerdem haben sie dazu geführt, dass die Wahlfreiheit der verschiedenen Computerhersteller und von MSH eingeschränkt wurde.“ 139 Als Zweites ist auf die Ausführungen der Kommission in ihren Schriftsätzen im ersten Rechtszug und in der mündlichen Verhandlung von 2020 einzugehen. Die Kommission führt erstens in Rn. 144 der Klagebeantwortung aus: „Anders als die Klägerin geltend macht …, ergibt sich aus der Struktur und dem Wortlaut der Entscheidung, dass die Kommission nicht unbedingt die potenziellen Auswirkungen der Verhaltensweisen von Intel prüfen muss. In den Erwägungsgründen 920 bis 925 wird die Rolle des AEC‑Tests in der [angefochtenen] Entscheidung ganz klar erläutert, wobei kein Zweifel daran gelassen wird, dass mit den vorausgehenden Erwägungsgründen mangels einer objektiven Rechtfertigung nachgewiesen ist, dass die Ausschließlichkeitsrabatte und ‑zahlungen von Intel rechtswidrig waren, da sie Treuerabatte im Sinne der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung darstellen und mit ihnen ein wettbewerbswidriges Ziel verfolgt wird oder sie Teil einer wettbewerbswidrigen Strategie sind. Für jeden dieser Gründe wird in der [angefochtenen] Entscheidung (925. Erwägungsgrund) festgestellt, dass es für die Feststellung, dass diese Verhaltensweisen gegen Art. 102 [AEUV] verstoßen haben, nicht erforderlich war, potenzielle Verdrängungswirkungen der Ausschließlichkeitsrabatte und ‑zahlungen nachzuweisen.“ 140 Zweitens macht die Kommission in Rn. 145 der Klagebeantwortung geltend, dass „in der angefochtenen Entscheidung (925. Erwägungsgrund) klar darauf hingewiesen wird, dass die potenziellen Wirkungen der Rabatte von Intel nur festgestellt werden, um zu zeigen, dass diese Verhaltensweisen [ihre] besondere Aufmerksamkeit verdienen“. 141 Drittens führt die Kommission in Rn. 283 der Klagebeantwortung aus, dass sie „anders als die Klägerin geltend macht, nicht nachweisen musste, dass die Ausschließlichkeitsrabatte geeignet waren, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen“, und dass, „wie es in den Erwägungsgründen 925 und 926 der [angefochtenen] Entscheidung heißt, [ihre] Feststellungen … betreffend die potenziellen Auswirkungen der Ausschließlichkeitsrabatte von Intel auf den Markt nicht zu der rechtlichen Beurteilung gehörten, die vorgenommen worden sei, um deren missbräuchliche Natur nachzuweisen, sondern einer der Faktoren waren, aufgrund derer [sie] zu dem Schluss gelangt ist, dass die Zuwiderhandlung ihre besondere Aufmerksamkeit verdient“. 142 Viertens macht die Kommission in Rn. 109 der Gegenerwiderung geltend, dass, „[w]ie in der [angefochtenen] Entscheidung ausgeführt, … die Mühen, die auf den AEC‑Test verwandt wurden, nicht dahin zu verstehen [sind], dass sie von einer langjährigen Rechtsprechung über die Treuerabatte hätte abweichen wollen“. 143 Schließlich macht die Kommission fünftens, was den Grad der Markterfassung und die Dauer und die Höhe der Rabatte angeht, in Rn. 68 der Gegenerwiderung zunächst geltend, dass „die von Intel hinsichtlich der Dauer aufgeworfene Frage rechtlich nicht relevant ist“, da „in der Hoffmann-La-Roche-Entscheidung … die Dauer nicht als Gesichtspunkt angesehen worden [ist], den die Kommission bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit des Verhaltens zu berücksichtigen hat“. In Rn. 166 der Klagebeantwortung macht die Kommission weiter geltend, dass „das Vorbringen der Klägerin, [dass sie es unterlassen habe, den Umfang der Rabatte zu berücksichtigen], … fehl [geht,] [da] in der angefochtenen Entscheidung …, wie in deren 1620. Erwägungsgrund ausgeführt, nicht die Höhe der Rabatte beanstandet [wird], sondern die Ausschließlichkeit, für die die Rabatte gewährt worden sind, und das wettbewerbswidrige Ziel, das mit ihnen verfolgt worden ist“. In den Rn. 169 und 170 der Klagebeantwortung macht die Kommission schließlich geltend, dass, „wenn Intel geltend machen will, dass ihre Ausschließlichkeitsrabatte den Wettbewerb nur bei bestimmten Arten von x86-Prozessoren beschränkt hätten, [sie] solche Ausführungen eher in dem Abschnitt der Klageschrift, in dem auf die Höhe der Geldbußen eingegangen wird, erwartet [hätte]“, da „aus der Rechtsprechung zu den Treuerabatten … nicht ersichtlich [ist], dass deren Rechtswidrigkeit davon abhinge, dass sie den Markt ganz oder ‚nur‘ teilweise erfassen“. 144 Aus den vorstehenden Rn. 134 bis 143 ergibt sich somit, dass die Kommission aus der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung erstens abgeleitet hat, dass die in Rede stehenden Rabatte ihrem Wesen nach wettbewerbswidrig gewesen seien, so dass es für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV nicht erforderlich gewesen sei, nachzuweisen, dass sie geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Zweitens hat die Kommission, auch wenn in der angefochtenen Entscheidung ergänzend geprüft wird, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, angenommen, dass sie nach der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung nicht verpflichtet sei, diese Prüfung zu berücksichtigen, um festzustellen, dass die Rabatte missbräuchlich seien. Schließlich hat die Kommission auf der Grundlage der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung drittens bei einer Reihe von Kriterien angenommen, dass sie für die Feststellung des Vorliegens eines Missbrauchs nicht relevant seien. 145 Diese rechtliche Beurteilung entspricht jedoch nicht der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung, wie sie vom Gerichtshof in den Rn. 137 bis 139 des Rechtsmittelurteils präzisiert worden ist. Die Klägerin und die ACT machen daher zu Recht geltend, dass die angefochtene Entscheidung insoweit rechtsfehlerhaft ist, als die Kommission angenommen hat, dass sie sich bei den in Rede stehenden Rabatten, weil diese ihrem Wesen nach missbräuchlich seien, nach der Hoffmann-La-Roche-Rechtsprechung auf die Feststellung beschränken könne, dass sie gegen Art. 102 AEUV verstießen, und, um sie als missbräuchlich einstufen zu können, nicht unbedingt berücksichtigen müsse, ob sie geeignet seien, den Wettbewerb zu beschränken. 146 Zwar behauptet die Kommission im 925. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass sie auch nachgewiesen habe, dass die Rabatte, die die Klägerin den Computerherstellern gewährt habe, und die bedingten Zahlungen, die an MSH geleistet worden seien, möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten, indem sie einen AEC‑Test durchgeführt habe, der in Abschnitt 4.2.3 der angefochtenen Entscheidung dargestellt sei, und qualitative und quantitative Beweise berücksichtigt habe, die in den Abschnitten 4.2.4 und 4.2.5 der angefochtenen Entscheidung dargestellt seien. Aus der angefochtenen Entscheidung geht aber hervor, dass die Kommission die Feststellungen, die sie in den Abschnitten 4.2.3 bis 4.2.5 der angefochtenen Entscheidung getroffen hat, für die rechtliche Beurteilung, die sie durchgeführt hat, um festzustellen, dass die Verhaltensweisen der Klägerin missbräuchlich waren, nicht für erforderlich erachtet hat. 147 Die Kommission ist in der angefochtenen Entscheidung mithin davon ausgegangen, dass der AEC‑Test nicht erforderlich sei, um die Missbräuchlichkeit der Verhaltensweisen der Klägerin zu beurteilen und festzustellen, dass diese missbräuchlich seien. 148 Das von der Kommission in der mündlichen Verhandlung von 2020 vorgebrachte Argument, dass diese Feststellung in Widerspruch stehe zu der Tatsache, dass der Gerichtshof in Rn. 143 des Rechtsmittelurteils festgestellt habe, dass dem AEC‑Test eine tatsächliche Bedeutung für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage zugekommen sei, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, sich dahin auszuwirken, dass ebenso effiziente Wettbewerber verdrängt würden, ist zurückzuweisen. In Verbindung mit Rn. 142 des Rechtsmittelurteils ist Rn. 143 des Rechtsmittelurteils nämlich dahin zu verstehen, dass der Gerichtshof aufgrund der detaillierten Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und der Zahl der Erwägungsgründe, die dort dem AEC‑Test gewidmet sind, zu dem Schluss gelangt ist, dass dieser Test bedeutsam war. Anders als im Vorbringen der Kommission anklingt, stützt der Wortlaut von Rn. 143 des Rechtsmittelurteils hingegen nicht die Auffassung, dass der Gerichtshof entschieden hätte, dass der AEC‑Test zu den Gesichtspunkten gehörte, bei denen die Kommission angenommen hat, dass sie für die Feststellung der Missbräuchlichkeit der Rabatte erforderlich sind. 149 Somit ist dem Vorbringen, dass die angefochtene Entscheidung unter einem Rechtsfehler leidet, stattzugeben. Wie aus den Rn. 143 und 144 des Rechtsmittelurteils hervorgeht, kam dem AEC‑Test aber eine tatsächliche Bedeutung für die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage zu, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, sich dahin auszuwirken, dass ebenso effiziente Wettbewerber verdrängt werden. Das Gericht hat daher das gesamte Vorbringen der Klägerin zum AEC‑Test zu prüfen. B. Zu dem Vorbringen, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil sie einen AEC‑Test enthalte, der unter zahlreichen Fehlern leide 1. Zum Umfang der Kontrolle des Gerichts 150 Das System der gerichtlichen Kontrolle von Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV besteht in einer Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe auf der Grundlage von Art. 263 AEUV (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Kontrolle erstreckt sich auf sämtliche Bestandteile der Entscheidungen der Kommission in Verfahren nach den Art. 101 und 102 AEUV, deren eingehende rechtliche und tatsächliche Kontrolle das Gericht sicherstellt, und zwar auf der Grundlage der vom Kläger geltend gemachten Klagegründe und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände, die vom Kläger vorgebracht werden (vgl. Urteil vom 26. September 2018, Infineon Technologies/Kommission, C‑99/17 P, EU:C:2018:773, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle gemäß Art. 263 AEUV dürfen die Unionsgerichte die Begründung, die das Organ gegeben hat, das die angefochtene Handlung erlassen hat, jedoch nicht durch ihre eigene ersetzen (vgl. Urteil vom 24. Januar 2013, Frucona Košice/Kommission, C‑73/11 P, EU:C:2013:32, Rn. 89 und die dort angeführte Rechtsprechung). 151 Der Prüfung der Frage, ob das Vorbringen der Klägerin stichhaltig ist, sind zum einen allgemeine Ausführungen zum AEC‑Test und zum anderen eine kurze Darstellung der Regeln über die Beweislast und über das erforderliche Beweismaß voranzustellen. 2. Allgemeine Ausführungen zum AEC‑Test 152 Ausgangspunkt des AEC‑Tests, wie er in den Erwägungsgründen 1003 ff. der angefochtenen Entscheidung definiert und von der Kommission im vorliegenden Fall durchgeführt wurde, ist, dass die Klägerin insbesondere wegen der Art ihres Produkts, des Ansehens ihrer Marke und ihres Profils ein unumgänglicher Handelspartner war, und dass die Computerhersteller unabhängig von der Qualität des Angebots des alternativen Lieferanten zumindest einen Teil der von ihnen benötigten Prozessoren immer bei der Klägerin bezogen hätten. Die Abnehmer waren also lediglich für einen Teil des Marktes bereit und in der Lage, zu einem solchen alternativen Lieferanten zu wechseln (im Folgenden: bestreitbarer Teil). Da die Klägerin ein unumgänglicher Handelspartner war, konnte sie den nicht bestreitbaren Teil als Hebel einsetzen, um den Preis auf dem bestreitbaren Teil des Marktes zu drücken. 153 Wie das Gericht in Rn. 141 des ersten Urteils ausgeführt hat, wird bei dem in der angefochtenen Entscheidung durchgeführten AEC‑Test davon ausgegangen, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber, der den bestreitbaren Teil der Nachfrage, der bislang von einem Unternehmen in beherrschender Stellung befriedigt wird, abwerben will, dem Abnehmer einen Ausgleich für den Ausschließlichkeitsrabatt anbieten muss, den dieser verliert, wenn er weniger bezieht, als in der Bedingung des ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezugs festgelegt. Mit dem AEC‑Test soll ermittelt werden, ob ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung, der dieselben Kosten hat wie dieses Unternehmen, dann immer noch seine Kosten decken kann. 154 Mit dem AEC‑Test, wie er im vorliegenden Fall durchgeführt wird, wird der Preis ermittelt, zu dem ein ebenso effizienter Wettbewerber wie die Klägerin seine x86-Prozessoren hätte anbieten müssen, um beim Computerhersteller den Verlust einer wie auch immer gearteten Ausschließlichkeitszahlung der Klägerin auszugleichen. Dieser Preis wird beim AEC‑Test „effektiver Preis“ oder „EP“ genannt. 155 Der Teil der gesamten Rabatte, für den ein ebenso effizienter Wettbewerber einen Ausgleich anbieten muss, umfasst grundsätzlich lediglich den Betrag der Rabatte, der an die Bedingung des ausschließlichen Bezugs geknüpft ist, nicht jedoch die Mengenrabatte (im Folgenden: bedingter Teil der Rabatte). Wie insbesondere aus dem 1460. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, wird beim AEC‑Test, um lediglich den bedingten Teil einer Zahlung zu berücksichtigen, im vorliegenden Fall der durchschnittliche Verkaufspreis (average sales price, im Folgenden: ASP), d. h. der Katalogpreis abzüglich der bedingten Rabatte, zugrunde gelegt. 156 Je geringer der bestreitbare Teil und damit die Menge der Produkte ist, mit denen der alternative Lieferant in Wettbewerb treten kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ausschließlichkeitszahlung geeignet ist, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Denn wenn der Verlust der Zahlungen, die die Klägerin an ihren Kunden leistet, auf eine geringe Menge an Produkten aufgeteilt werden muss, die vom alternativen Lieferanten im bestreitbaren Teil angeboten werden, führt dies zu einer erheblichen Senkung des effektiven Preises. Dieser wird dann wahrscheinlich niedriger sein als die vertretbaren Kosten der Klägerin. 157 Der effektive Preis ist mit den vertretbaren Kosten der Klägerin in Beziehung zu setzen. Als vertretbare Kosten der Klägerin werden in der angefochtenen Entscheidung die durchschnittlichen vermeidbaren Kosten (average avoidable costs, im Folgenden: AAC) zugrunde gelegt. 158 Wie sich insbesondere aus dem 1006. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt, ist ein System von Ausschließlichkeitszahlungen mithin geeignet, ebenso effizienten Wettbewerbern den Zugang zum Markt zu versperren, wenn der effektive Preis niedriger ist als die AAC der Klägerin. In diesem Fall fällt der AEC‑Test negativ aus. Ist der effektive Preis hingegen höher als die AAC, ist davon auszugehen, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber seine Kosten decken und damit in den Markt eintreten kann. In diesem Fall fällt der AEC‑Test positiv aus. 159 Die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin, dass der AEC‑Test unter zahlreichen Fehlern leide, ist nach Maßgabe dieser allgemeinen Ausführungen zu prüfen. 3. Zur Beweislast und zum Beweismaß 160 Die Klägerin macht unter Berufung auf die Rechtsprechung der Unionsgerichte u. a. geltend, dass Wettbewerbssachen gleichsam Strafrechtscharakter hätten, so dass ein hohes Beweismaß gelte und die Unschuldsvermutung Anwendung finde. 161 Wie in den Rn. 62 ff. des ersten Urteils ausgeführt, obliegt in allen Verfahren zur Anwendung von Art. 102 AEUV die Beweislast für eine Zuwiderhandlung gegen diesen Artikel nach Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 der Partei oder der Behörde, die einen solchen Vorwurf erhebt, hier also der Kommission. Verbleiben dem Richter Zweifel, so müssen sie nach gefestigter Rechtsprechung dem Unternehmen zugutekommen, an das die Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, gerichtet ist. Der Richter kann also, besonders bei einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße verhängt wird, nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Kommission die betreffende Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn ihm in dieser Frage ein Zweifel verbleibt (Urteile vom 8. Juli 2004, JFE Engineering/Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 177, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, EU:T:2011:342, Rn. 58). 162 In diesem Fall kommt nämlich der Grundsatz der Unschuldsvermutung zum Tragen, bei dem es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts handelt, der nunmehr in Art. 48 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegt ist (vgl. Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Verfahren wegen Verletzung der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, anwendbar (vgl. Urteil vom 22. November 2012, E.ON Energie/Kommission, C‑89/11 P, EU:C:2012:738, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung). 163 Zwar muss die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beibringen, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde. Jedoch muss nicht jeder der von der Kommission vorgelegten Beweise diesen Kriterien notwendig hinsichtlich jedes Merkmals der Zuwiderhandlung genügen. Nach der Rechtsprechung zu Art. 101 AEUV reicht es aus, dass das von dem Organ angeführte Indizienbündel bei seiner Gesamtwürdigung dieser Anforderung genügt (vgl. Urteil vom 26. Januar 2017, Kommission/Keramag Keramische Werke u. a., C‑613/13 P, EU:C:2017:49, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch in Rechtssachen, die die Anwendung von Art. 102 AEUV betreffen (Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission, T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 477). 164 Was die Beweiskraft der von der Kommission herangezogenen Beweismittel angeht, sind zwei Fälle zu unterscheiden. 165 Stellt die Kommission, gestützt auf die Annahme, dass der festgestellte Sachverhalt nur durch die Existenz eines wettbewerbswidrigen Verhaltens erklärt werden könne, eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln fest, erklärt der Unionsrichter die fragliche Entscheidung für nichtig, sofern das Vorbringen der betroffenen Unternehmen den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lässt und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglicht als die der Kommission, dass eine Zuwiderhandlung vorliege. In einem solchen Fall ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Kommission den Beweis für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht erbracht hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1984, Compagnie royale asturienne des mines und Rheinzink/Kommission, 29/83 und 30/83, EU:C:1984:130, Rn. 16, und vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, EU:C:1993:120, Rn. 126 und 127). 166 In einem Fall, in dem sich die Kommission auf Beweismittel stützt, die grundsätzlich genügen, um das Vorliegen einer Zuwiderhandlung darzutun, kann der bloße Hinweis des betroffenen Unternehmens auf die Möglichkeit des Vorliegens eines Umstands, der den Beweiswert dieser Beweismittel erschüttern könnte, nicht dazu führen, dass die Kommission die Last des Gegenbeweises dafür trägt, dass der Beweiswert durch diesen Umstand nicht erschüttert werden konnte. Vielmehr muss das betroffene Unternehmen, es sei denn, dies wäre ihm wegen des eigenen Verhaltens der Kommission nicht möglich, rechtlich hinreichend nachweisen, dass zum einen der von ihm angeführte Umstand vorliegt und zum anderen dieser Umstand den Beweiswert der Beweismittel, auf die sich die Kommission stützt, in Frage stellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Dezember 2010, E.ON Energie/Kommission, T‑141/08, EU:T:2010:516, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). 4. Zur Stichhaltigkeit des Vorbringens, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des AEC‑Tests unter mehreren Fehlern leide 167 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass der für alle Computerhersteller und für MSH durchgeführte AEC‑Test unter zahlreichen Fehlern leide, die insbesondere den bestreitbaren Teil, den bedingten Teil der Rabatte und die AAC beträfen. Sie trägt allgemeine Argumente vor, die dann für die einzelnen Computerhersteller und für MSH sowie für jeden der drei genannten Gesichtspunkte präzisiert werden. a) Allgemeine Ausführungen zu den Fehlern, unter denen der bei Dell durchgeführte AEC‑Test leiden soll 168 Zu dem in Bezug auf die Dell gewährten Rabatte durchgeführten AEC‑Test macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass der Kommission bei der Beurteilung der drei Kernelemente des AEC‑Tests, nämlich des bestreitbaren Teils, des bedingten Teils der Rabatte und der Kosten, jeweils Fehler unterlaufen seien. In den meisten Fällen würde die Berichtigung nur eines dieser Fehler genügen, um nachzuweisen, dass sie den AEC‑Test bestehe, und zwar selbst dann, wenn die übrigen Fehler nicht berichtigt würden. Die Kommission habe Daten aus widersprüchlichen Quellen ausgewählt, damit die Ergebnisse zu ihren Ungunsten ausfielen. Außerdem habe sie die Dokumente selektiv und widersprüchlich verwertet. Dies werde insbesondere deutlich, wenn man die Ergebnisse der Überlegungen, die die Kommission im Rahmen des AEC‑Tests angestellt habe, mit den Vorgängen vergleiche, wie sie tatsächlich stattgefunden hätten, als Dell 2006 damit begonnen habe, Prozessoren bei AMD zu beziehen. 169 Im Übrigen räume die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ein, dass die Rabatte in den ersten vier untersuchten Quartalen (Dezember 2002 bis Oktober 2003) den AEC‑Test bestanden hätten. Dennoch habe die Kommission im 1281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die Rabatte, die die Klägerin „von Dezember 2002 bis Dezember 2005“ gewährt habe, „geeignet gewesen sind, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen, ja, dass es sogar wahrscheinlich gewesen ist, dass sie solche Wirkungen gehabt haben“. Dies sei nicht nachvollziehbar. In der angefochtenen Entscheidung werde nicht einmal der Versuch unternommen, diesen Widerspruch aufzulösen oder zu rechtfertigen. 170 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, dass aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, dass die Dell gewährten Ausschließlichkeitsrabatte geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Aus der angefochtenen Entscheidung gehe nicht hervor, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt habe, von Dezember 2002 bis Oktober 2003 den AEC‑Test bestanden hätten. Die Klägerin lege bei ihren Berechnungen ausschließlich optimistische, ihr günstige Hypothesen zugrunde. Sie habe keine Dokumente aus dem relevanten Zeitraum vorgelegt, die ihre Behauptungen zu dem bestreitbaren Teil stützen würden. Die Vorgänge, die stattgefunden hätten, nachdem Dell angekündigt habe, seine Prozessoren ab Mai 2006 teilweise bei AMD zu beziehen, bestätigten die Feststellung, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt habe, geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber wie die Klägerin vom Markt zu verdrängen. Der AEC‑Test diene nicht dazu, Voraussagen über die tatsächliche Entwicklung des Markts zu treffen, sondern in einer theoretischen Situation den Grad des wirtschaftlichen Anreizes der Rabattsysteme zu bestimmen. 1) Zur Bestimmung des bestreitbaren Teils 171 In der angefochtenen Entscheidung wird bei dem in Bezug auf die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt hat, durchgeführten AEC‑Test ein bestreitbarer Teil von 7,1 % zugrunde gelegt. Nach den Angaben der Kommission ergibt sich dieser Wert aus einem Berechnungsbogen von Januar 2004 (im Folgenden: Berechnungsbogen von 2004), den Dell der Kommission im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat. Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung in den Erwägungsgründen 1202 bis 1208 ausgeführt, dass der Berechnungsbogen von 2004 insbesondere eine spezielle Analyse der zeitlichen Dimension des Übergangs zu einer Beschaffung von Prozessoren bei AMD enthalten habe, während die früheren Aufstellungen, u. a. eine Aufstellung vom 26. Februar 2003 mit dem Titel „AMD Update – Dimension LOB“ und eine Aufstellung vom 17. März 2003 mit dem Titel „AMD Update“ keine solche Analyse enthalten hätten und daher nicht herangezogen worden seien. 172 In den Erwägungsgründen 1209 bis 1212 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass es sich bei dem Berechnungsbogen von 2004 um ein internes Dokument von Dell handele, in dem Hypothesen dargestellt würden, wie sich die Geschäftsbeziehungen zwischen Dell und AMD entwickeln könnten, mit einer zunehmenden Präsenz von AMD in den verschiedenen untersuchten Tätigkeitsbereichen, wobei der Bewertungsbogen in Verbindung mit dem Begleitschreiben von Dell an die Kommission vom 18. April 2007 zu sehen sei, auf das in Fn. 1542 zum 1209. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung verwiesen werde. 173 In der angefochtenen Entscheidung wird in den Erwägungsgründen 1210 bis 1213 hervorgehoben, dass Dell zu der Zeit, als der Berechnungsbogen von 2004 erstellt worden sei, für bestimmte Produktsparten einen Wechsel des Lieferanten von x86-Prozessoren in Erwägung gezogen habe. Auf der Grundlage der Schätzung des Gesamtvolumens in diesen einzelnen Produktsparten ergebe sich ein Gesamtanteil von AMD in den vier in Rede stehenden Jahren, nämlich den Steuerjahren 2005 bis 2008, von 7,1 % im ersten Jahr und 17,3 %, 22,5 % und 24,2 % in den drei folgenden Jahren. Dementsprechend sei beim AEC‑Test ein bestreitbarer Teil von 7,1 % zugrunde zu legen. 174 In den Erwägungsgründen 1214 bis 1254 der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission eine Reihe von Einwänden zurück, die von der Klägerin im Hinblick auf den bestreitbaren Teil erhoben worden waren. Sie betrafen erstens die Bestimmung des Beginns der Berechnungen im Berechnungsbogen von 2004, zweitens die interne Präsentation von Dell mit dem Titel „MAID status review“ vom 17. Februar 2004 (im Folgenden: Präsentation von Dell vom 17. Februar 2004), drittens die internen Schätzungen der Klägerin, viertens den Umstand, dass Dell 2006 tatsächlich dazu übergegangen ist, seine Prozessoren teilweise bei AMD zu beziehen, und fünftens die Aussagen der Mitglieder der Geschäftsführung von Dell in dem Zivilrechtsstreit zwischen AMD und der Klägerin im US-Bundesstaat Delaware. 175 In den Erwägungsgründen 1255 bis 1259 der angefochtenen Entscheidung vergleicht die Kommission den erforderlichen Teil mit dem bestreitbaren Teil. Im Großen und Ganzen setzt die Kommission die im 1213. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten 7,1 % als bestreitbaren Teil an und vergleicht diesen Wert dann mit dem erforderlichen Teil, wie er sich aus Tabelle 22 im 1194. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung (im Folgenden: Tabelle 22) ergibt. Sie gelangt so zu dem Ergebnis, dass der erforderliche Teil den bestreitbaren Teil in 9 von 13 Quartalen überstiegen habe. Sie weist darauf hin, dass dieses Ergebnis durch die Zugrundelegung der von der Klägerin vorgenommenen Schätzung des Quotienten AAC/ASP nicht entkräftet werde, und zwar selbst dann, wenn die AAC zu niedrig angesetzt wären. 176 Die Kommission weist sodann im 1257. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass der Wert von 7,1 %, der für den unbestreitbaren Teil angesetzt worden sei, auf der Grundlage interner Schätzungen von Dell bestimmt worden sei, die im Januar 2004 vorgenommen worden seien, d. h. im Hinblick auf einen Wechsel des Lieferanten, der frühestens im Laufe des ersten Quartals des Steuerjahres 2005 von Dell hätte erfolgen können, während der entsprechende erforderliche Teil 7,9 % betragen habe. Im 1258. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erläutert die Kommission dann, warum der bestreitbare Teil vor dem ersten Quartal des Steuerjahres 2005 weniger als 7,1 % habe betragen können. In den ersten Quartalen des relevanten Zeitraums habe die Differenz zwischen dem erforderlichen und dem bestreitbaren Teil niedriger sein können, als es auf den ersten Blick aus den Zahlen in Tabelle 22 hervorgehe. 177 In den Erwägungsgründen 1260 bis 1265 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission eine Reihe von verstärkenden Faktoren an, von denen sie meint, dass sie, wenn sie beim AEC‑Test berücksichtigt würden, die angenommene Eignung der Rabatte, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, noch verstärken würden. Diese Faktoren bestünden im Wesentlichen darin, erstens, dass Dell ganz klar vorausgesehen habe, dass mit dem Verlust von Rabatten der Klägerin eine Erhöhung der Rabatte einhergehen werde, die die Klägerin ihren Wettbewerbern gewähren werde, und zweitens, dass bei der Schätzung des bestreitbaren Teils nicht berücksichtigt worden sei, dass Dell bei der Klägerin auch noch andere Produkte als x86-Prozessoren bezogen habe, insbesondere Chipsätze. 178 Schließlich berechnet die Kommission den bestreitbaren Teil in den Erwägungsgründen 1266 bis 1280 der angefochtenen Entscheidung nach einer alternativen Methode. 179 Das Vorbringen der Klägerin bezieht sich zum einen auf die Heranziehung des Berechnungsbogens von 2004 und die Bewertung von dessen Inhalt durch die Kommission und zum anderen auf bestimmte andere Beweise, die bei der Beurteilung des bestreitbaren Teils hätten herangezogen werden müssen. 180 Als Erstes macht die Klägerin geltend, dass die Kommission ihre Beurteilung des bestreitbaren Teils nicht hätte auf ein Dokument stützen dürfen, von dem sie, die Klägerin, keine Kenntnis gehabt habe. Eine solche Vorgehensweise verstoße gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Ferner sei die Bestimmung des bestreitbaren Teils auf der Grundlage des Berechnungsbogens von 2004 insoweit fehlerhaft, als der Wert von 7,1 % allein auf acht Monate des Verkaufs von x86-Prozessoren von AMD beruhe und die Schlussfolgerungen, zu denen die Kommission gelangt sei, wegen der selektiven und in sich nicht stimmigen Analyse des Berechnungsbogens von 2004 nicht plausibel seien. Im Übrigen räume die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ein, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt habe, in den ersten vier relevanten Quartalen, d. h. von Dezember 2002 bis Oktober 2003, den AEC‑Test bestanden hätten. 181 Was den in dem Berechnungsbogen von 2004 berücksichtigten Zeitraum angeht, verweist die Klägerin außerdem auf die Rn. 82 bis 86 und 121 bis 131 des Gutachtens von Professor Shapiro vom 4. Januar 2008. Sie macht insoweit geltend, dass Dell, wenn sie befürchtet hätte, nach einem ersten Bezug von Prozessoren bei AMD Repressalien von ihr ausgesetzt zu sein, ihre Entscheidung, auf einen Wettbewerber zurückzugreifen, nicht mitgeteilt hätte, sondern bis zum letzten Moment, dem Abschluss einer Vereinbarung mit ihr über die Bedingungen und den Prozentsatz der Rabatte des Folgequartals, geheim gehalten hätte. 182 In den Rn. 82 bis 86 des Gutachtens von Professor Shapiro vom 4. Januar 2008 werde die Bedeutung des Zeitpunkts hervorgehoben, zu dem Dell entschieden habe, x86-Prozessoren bei AMD zu beziehen. Dieser Zeitpunkt werde in Beziehung gesetzt zu dem Zeitpunkt, zu dem die ersten Lieferungen von x86-Prozessoren von AMD an Dell hätten tatsächlich erfolgen können. Professor Shapiro leite aus der Präsentation von Dell vom 17. Februar 2004 ab, dass diese beiden Zeitpunkte drei oder vier Monate hätten auseinanderliegen können (Februar 2004 für den erstgenannten Zeitpunkt und Juni 2004 für den zweitgenannten Zeitpunkt). Nach Auffassung von Professor Shapiro betrage der bestreitbare Teil, wenn auch der tatsächliche Zeitpunkt des Beginns des Bezugs von x86-Prozessoren bei AMD berücksichtigt werde (und damit der Umstand, dass der Berechnungsbogen von 2004 nach Auffassung von Professor Shapiro lediglich acht Monaten des ersten angegebenen Jahres entspreche), eher 10,65 %. 183 Als Zweites macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Bestimmung des bestreitbaren Teils in der angefochtenen Entscheidung insoweit fehlerhaft sei, als die Kommission Beweise dafür, dass der bestreitbare Teil den von ihr angesetzten Wert bei weitem übersteige und zwischen 12,5 % und 17,5 % liege, die von den Mitgliedern der Geschäftsleitung von Dell vorgelegt worden seien, zu Unrecht zurückgewiesen habe. Dasselbe gelte für die Beweise dafür, dass sie, die Klägerin, davon ausgegangen sei, dass der bestreitbare Teil von Dell zwischen 15 % und 25 % schwanke, und dafür, dass Dell 2006 dazu übergegangen sei, Prozessoren bei AMD zu beziehen. 184 Die Kommission erwidert hierauf als Erstes, dass der Berechnungsbogen von 2004 für die Bestimmung des bestreitbaren Teils zuverlässiger sei als die von der Klägerin vorgelegten Dokumente. Es handele sich um ein Dokument von Dell aus dem relevanten Zeitraum, das eine detaillierte quantitative Analyse des potenziellen Übergangs zur Beschaffung von x86-Prozessoren bei AMD enthalte. 185 In der Klagebeantwortung macht die Kommission geltend, dass die Dokumente aus der Zeit von Mai bis Juli 2006, d. h. nach der Ankündigung von Dell, Prozessoren nun teilweise auch bei AMD zu beziehen, auch wenn sie gegenüber dem in der angefochtenen Entscheidung durchgeführten AEC‑Test nur von untergeordneter Bedeutung seien, bestätigten, dass die Klägerin unmittelbar nach der Ankündigung von Dell, Prozessoren teilweise auch bei AMD zu beziehen, in der Lage gewesen sei, die Dell gewährten Rabatte zu reduzieren, d. h. vier Monate bevor Dell damit begonnen habe, mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüstete Produkte zu verkaufen. Auch wenn es zutreffe, dass der Berechnungsbogen von 2004 für das erste Jahr nur Pläne von Dell betroffen habe, nach Ablauf der ersten vier Monate des Jahres 2004 mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüstete Produkte zu verkaufen, Dell dennoch davon ausgegangen sei, 50 % der Rabatte für das gesamte Jahr 2004 zu verlieren, einschließlich der vier Monate vor dem Beginn der Verkäufe. 186 In Rn. 46 ihrer Stellungnahme macht die Kommission weiter geltend: „[I]n der angefochtenen Entscheidung wird davon ausgegangen, dass der für den AEC‑Test relevante Zeitraum spätestens begonnen hat, als Intel in der Lage gewesen ist, die ihrem Kunden gewährten Rabatte auszusetzen. Der Grund dafür ist einfach: Bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile eines Wechsels zu AMD sollten die Kunden von Intel den gesamten Zeitraum berücksichtigen, in dem eine solche Entscheidung finanzielle Konsequenzen habe.“ 187 Als Zweites macht die Kommission geltend, dass die Klägerin kein Dokument aus dem relevanten Zeitraum vorgelegt habe, um ihre Behauptung zu stützen, dass der bestreitbare Teil zwischen 15 % und 25 % liege. Die Klägerin habe lediglich ein Ad-hoc-Dokument vorgelegt, das von einem Mitglied der Geschäftsleitung für das Verwaltungsverfahren verfasst worden sei und Informationen enthalte, die durch ein Dokument aus dem relevanten Zeitraum, das von demselben Mitarbeiter der Klägerin verfasst worden sei, zumindest teilweise widerlegt würden. Deshalb werde in der angefochtenen Entscheidung nicht auf die Frage eingegangen, ob bei der Bestimmung des bestreitbaren Teils auf die Erwartungen des Unternehmens in beherrschender Stellung abzustellen sei. 188 Zunächst ist auf das Vorbringen der Klägerin zum Grundsatz der Rechtssicherheit einzugehen, dann auf das Vorbringen zu dem Berechnungsbogen von 2004, auf dem die Berechnung des bestreitbaren Teils, die von der Klägerin beanstandet wird, in erster Linie beruht. i) Zu dem Vorbringen zum Grundsatz der Rechtssicherheit 189 Die Klägerin rügt unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtssicherheit, dass die Kommission bei der Festsetzung des bestreitbaren Teils von Dell auf 7,1 % den Berechnungsbogen von 2004 herangezogen habe, der ihr als Anlage des Begleitschreibens von Dell vom 18. April 2007 übermittelt worden sei, obwohl es sich dabei um ein internes Dokument von Dell handele, das vertrauliche Angaben enthalte, von denen sie, die Klägerin, im relevanten Zeitraum, d. h. von Dezember 2002 bis Dezember 2005, keine Kenntnis gehabt habe. 190 Hierzu ist festzustellen, dass der Gerichtshof in dem Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 198 bis 202), entschieden hat, dass das Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob die Preispolitik eines Unternehmens in beherrschender Stellung einen Wettbewerber unter Verstoß gegen Art. 102 AEUV verdrängen kann, auf die Kosten und die Strategie des Unternehmens in beherrschender Stellung selbst gestützt sein muss. Da sich die Missbräuchlichkeit der Preispolitik, um die es in dieser Rechtssache ging, aus ihrer Verdrängungswirkung gegen die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung ergab, hat das Gericht somit rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Kommission bei ihrer Prüfung der Missbräuchlichkeit der Preispolitik des Unternehmens in beherrschender Stellung zu Recht ausschließlich auf deren Entgelte und Kosten abstellen konnte. Ein solches Kriterium war geeignet, um zu ermitteln, ob die Preispolitik des Unternehmens in beherrschender Stellung auf die Wettbewerber durch die Beschneidung ihrer Margen eine Verdrängungswirkung hatte, da sich damit nachprüfen ließ, ob das Unternehmen in beherrschender Stellung selbst in der Lage gewesen wäre, Endkundendienste anzubieten, ohne dabei Verluste hinnehmen zu müssen, wenn es vorher seine eigenen Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste hätte zahlen müssen. Der Gerichtshof hat entschieden, dass ein solcher Ansatz umso mehr gerechtfertigt ist, als er, wie das Gericht in Rn. 192 des Urteils vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission (T‑271/03, EU:T:2008:101), im Wesentlichen ausgeführt hat, außerdem mit dem allgemeinen Grundsatz der Rechtssicherheit im Einklang steht, da die Berücksichtigung der Kosten des Unternehmens in beherrschender Stellung es diesem erlaubt, im Hinblick auf seine besondere Verantwortung nach Art. 102 AEUV, die Rechtmäßigkeit seines eigenen Verhaltens zu beurteilen, da ein marktbeherrschendes Unternehmen zwar seine eigenen Kosten und Entgelte kennt, aber grundsätzlich nicht die seiner Wettbewerber. 191 Diese Rechtsprechung wurde im Urteil vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 41 bis 46), präzisiert. In den Rn. 45 und 46 dieses Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass nicht auszuschließen ist, dass die Kosten und Preise der Wettbewerber für die Prüfung der in Rede stehenden Preispolitik relevant sind. Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn die Kostenstruktur des Unternehmens in beherrschender Stellung aus objektiven Gründen nicht klar erkennbar ist oder wenn die den Wettbewerbern erbrachte Leistung lediglich darin besteht, eine Infrastruktur zu nutzen, deren Herstellungskosten sich bereits amortisiert haben, so dass der Zugang zu dieser Infrastruktur für das Unternehmen in beherrschender Stellung nicht mehr mit Kosten verbunden ist, die mit den Kosten ihrer Wettbewerber für diesen Zugang wirtschaftlich vergleichbar sind, oder wenn die besonderen Wettbewerbsbedingungen des Marktes es erfordern, weil z. B. die Höhe der Kosten des Unternehmens in beherrschender Stellung speziell auf die Intensität des Wettbewerbs zurückzuführen ist, dem es ausgesetzt ist. Daher sind im Rahmen der Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Preispolitik, die auf eine Margenbeschneidung hinausläuft, grundsätzlich in erster Linie die Preise und Kosten des Unternehmens in beherrschender Stellung auf dem Endkundenmarkt zu berücksichtigen. Nur wenn in Anbetracht der Umstände eine Bezugnahme auf diese Preise und Kosten nicht möglich ist, sind die Preise und Kosten der Wettbewerber auf dem Endkundenmarkt zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Dezember 2018, Deutsche Telekom/Kommission, T‑827/14, EU:T:2018:930, Rn. 165). 192 Selbst wenn diese Rechtsprechung, die in Rechtssachen ergangen ist, die Kampfpreise bzw. Margenbeschneidungen betrafen, im Zusammenhang mit dem bei den Rabatten durchgeführten AEC‑Test bei der Bestimmung des bestreitbaren Teils auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar sein sollte, kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht durchdringen. 193 Von dem Grundsatz, dass bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens grundsätzlich in erster Linie die bekannten Daten des betreffenden Unternehmens zu berücksichtigen sind, ist nach der oben in Rn. 191 angeführten Rechtsprechung nämlich eine Ausnahme zu machen, wenn die Berücksichtigung solcher Daten in Anbetracht der Umstände nicht möglich ist. Es sind dann die bekannten Daten anderer Wirtschaftsteilnehmer zu berücksichtigen. 194 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin geltend, dass der bestreitbare Teil von Dell während des relevanten Zeitraums schätzungsweise zwischen 15 % und 25 % gelegen habe „und dass die Dokumente von Dell aus dem relevanten Zeitraum im Einklang mit dieser Schätzung stehen, die bestätigt wird durch“ die Aussage von I1, dem Mitarbeiter, der bei der Klägerin im relevanten Zeitraum für die Geschäftsbeziehungen mit Dell verantwortlich gewesen sei, vom 21. Dezember 2007 (im Folgenden: Aussage von I1 vom 21. Dezember 2007). 195 Hierzu ist festzustellen, dass die Aussage von I1 vom 21. Dezember 2007 von einem Vertreter der Klägerin gemacht wurde und mit ihr das Ziel verfolgt wird, die Verantwortlichkeit der Klägerin für die festgestellte Zuwiderhandlung herunterzuspielen. Sie hat deshalb einen geringen Beweiswert. Zumindest ist ihr Beweiswert geringer als der der Dokumente, die im Verwaltungsverfahren oder in dem Verfahren vor dem Gericht vorgelegt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:255, Rn. 379). 196 Bei den „Dokumenten von Dell aus dem relevanten Zeitraum“, auf die die Klägerin Bezug nimmt, handelt es sich zum einen um ein internes Dokument von Dell, nämlich eine E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 (im Folgenden: E‑Mail von D1 vom 10. November 2005). Das belastende Beweisstück wurde am 18. Februar 2009 vorgelegt. Die Klägerin behauptet nicht, dass sie im relevanten Zeitraum davon Kenntnis gehabt hätte. Zum anderen handelt es sich um die Aussage, die D3 am 11. Februar 2009, also nach dem relevanten Zeitraum, in dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware gemacht hat. 197 Somit besteht das einzige relevante Element, auf das sich die Klägerin beruft, um ihre Behauptung zu stützen, dass sie von bestimmten Schätzungen des bestreitbaren Teils von Dell Kenntnis gehabt habe, auf die sie sich im relevanten Zeitraum hätte stützen können, um die Rechtmäßigkeit ihrer Verhaltensweisen zu beurteilen, in einer Aussage eines Mitglieds ihrer Geschäftsleitung, mit der das Ziel verfolgt wurde, die Verantwortlichkeit der Klägerin für die festgestellte Zuwiderhandlung herunterzuspielen. 198 Wie die Kommission zu Recht geltend macht, hat die Klägerin vor dem Gericht kein Dokument vorgelegt, das sich auf eine Schätzung des bestreitbaren Teils von Dell bezöge, von der sie im relevanten Zeitraum Kenntnis gehabt hätte. Als Beleg für den Inhalt der oben in Rn. 197 genannten Aussage führt die Klägerin nämlich interne Dokumente von Dell oder Aussagen eines Mitglieds der Geschäftsleitung von Dell an, bei denen nicht erwiesen ist, dass sie davon im relevanten Zeitraum Kenntnis gehabt hat. 199 Wenn im vorliegenden Fall, wie die Klägerin geltend macht, der Grundsatz der Rechtssicherheit anzuwenden wäre, hätte sich die Kommission bei der Bestimmung des bestreitbaren Teils von Dell also ausschließlich auf eine Aussage eines Vertreters der Klägerin zu stützen, mit der das Ziel verfolgt wurde, die Verantwortlichkeit für die festgestellte Zuwiderhandlung herunterzuspielen, ohne sich auf interne Dokumente von Dell stützen zu können, die die Klägerin teilweise aber offenbar für relevant hält, weil sie sich selbst auf sie beruft, um darzutun, dass die betreffende Aussage der Wahrheit entspricht. 200 Somit ist festzustellen, dass die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falls nicht verpflichtet war, sich einzig und allein auf die Elemente zu stützen, die sich auf Daten beziehen, die der Klägerin während des relevanten Zeitraums bekannt waren. Vielmehr durfte sie andere Elemente berücksichtigen, die sich auf Daten beziehen, die anderen Wirtschaftsteilnehmern bekannt waren, im vorliegenden Fall interne Dokumente von Dell. Sonst könnte sich ein Unternehmen in beherrschender Stellung seiner Verantwortung allein deshalb entziehen, weil ein Vertreter des Unternehmens im Verwaltungsverfahren bestimmte entlastende Aussagen macht. 201 Das auf den Grundsatz der Rechtssicherheit gestützte Vorbringen der Klägerin, dass sich die Kommission zu Unrecht auf den Berechnungsbogen von 2004 gestützt habe, von dem sie im relevanten Zeitraum keine Kenntnis gehabt habe, anstatt auf ihre im relevanten Zeitraum vorgenommenen eigenen Schätzungen des bestreitbaren Teils, ist daher zurückzuweisen. ii) Zum Ansatz eines bestreitbaren Teils von 7,1 % 202 Die Klägerin macht geltend, dass sich die Kommission beim Ansatz des bestreitbaren Teils von Dell auf 7,1 % zu Unrecht allein auf den Berechnungsbogen von 2004 gestützt habe. Andere Dokumente oder Elemente, die eine höhere Beweiskraft hätten und aus denen sich ein höherer bestreitbarer Teil ableiten lasse, habe sie zu Unrecht zurückgewiesen. 203 Um den von der Kommission angesetzten bestreitbaren Teil von 7,1 % in Zweifel zu ziehen, stützt sich die Klägerin als Erstes auf mehrere Beweismittel. 204 Erstens beruft sich die Klägerin auf die E‑Mail von D1 vom 10. November 2005, in der D1 D3, [vertraulich], und D4, seinerzeit [vertraulich], mitteilt, dass „nach den im Rahmen des MAID-Projekts in den ersten sechs bis zwölf Monaten angestellten Hypothesen … etwa 25 % unseres Gesamtvolumens übertragen werden“ auf AMD. Das MAID-Programm war eines der konkreten Programme, mit denen Dell erwog, in Zukunft einen Teil seiner Einkäufe bei AMD zu tätigen. Die Klägerin macht geltend, dass sich nach den in dem Gutachten von Professor Salop und von Dr. Hayes vom 22. Juli 2009 (im Folgenden: Salop/Hayes-Gutachten) angestellten Berechnungen bei einem prognostizierten Volumen von 25 % des Bedarfs von Dell für das erste Jahr ein bestreitbarer Anteil von 17,5 % (oder von 12,5 % nach dem Ansatz der Kommission, den die Klägerin für falsch hält) ergebe. 205 Zweitens beruft sich die Klägerin auf eine interne E‑Mail von Dell, die D5 am 9. März 2004 an D1 gesandt hat (im Folgenden: E‑Mail von D5 vom 9. März 2004). Diese E‑Mail bezog sich auf eine andere Hypothese, nämlich, dass 25 % des gesamten Bedarfs an x86-Prozessoren von Dell „in 90 Tagen“ nicht mehr bei der Klägerin, sondern bei AMD gedeckt würden. 206 Drittens stützt sich die Klägerin auf die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007. Sie macht geltend, dass der bestreitbare Teil des Bedarfs von Dell an x86-Prozessoren in dem für die Gewährung von Rabatten an Dell relevanten Zeitraum bei ihr intern auf einen Wert zwischen 15 % und 25 % geschätzt worden sei. In dieser Erklärung gibt I1 an, dass er in diesem Zeitraum „davon ausging, dass Dell, wenn er sich AMD als zweitem Lieferanten zuwenden sollte, im ersten Jahr wahrscheinlich 15 bis 25 % seiner x86-Prozessoren bei AMD beziehen werde, im dritten Jahr nach dem Start zwischen einem Viertel und einem Drittel seiner Prozessoren“. 207 Die Kommission macht erstens zu der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 geltend, dass sie für die Festsetzung des bestreitbaren Teils weniger zuverlässig sei als der Berechnungsbogen von 2004. Es handele sich nämlich um eine summarische Zusammenfassung der Erinnerungen von D1 zu dem MAID-Programm, die zwei Jahre nach dem relevanten Zeitraum erstellt worden sei. Der potenzielle Teil der auf AMD übertragbaren Käufe von Dell werde in dem Berechnungsbogen von 2004 im Zusammenhang mit dem MAID-Projekt, das Dell seinerzeit verfolgt habe, hingegen nach den einzelnen Produktlinien und Segmenten aufgeschlüsselt bewertet. Die Kommission macht in den Rn. 287 bis 290 der Klagebeantwortung unter Verweis auf Anlage B.31 der Klagebeantwortung ferner geltend, dass sie dargetan habe, dass die Behauptung der Klägerin, dass die E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Schätzung des bestreitbaren Teils auf 7,1 % widerlege, auf hypothetischen Berechnungen beruhe, bei denen spekulative Szenarien einer „starken Zunahme“ der Käufe bei AMD zugrunde gelegt würden, die für die Klägerin günstig seien. Auch wenn in dieser E‑Mail von einem Zeitraum zwischen sechs und zwölf Monaten die Rede sei, in dem der Anteil an x86-Prozessoren von anderen Lieferanten als der Klägerin, nämlich AMD, zunehmen werde, habe die Klägerin für diese letztgenannte Hypothese, nämlich eine langsame Zunahme über zwölf Monate, keine prognostische Berechnung angestellt. Außerdem werde in den Berechnungshypothesen der Klägerin als Ausgangspunkt der Zunahme von 5 % und nicht von 0 % ausgegangen, ohne dass es für eine solche plötzliche, abrupte Zunahme eine logische Rechtfertigung gäbe. In Rn. 198 der Gegenerwiderung macht die Kommission unter Verweis auf Anlage D.9 geltend, dass das Vorbringen in der Erwiderung, dass die Berechnungen der Klägerin nicht verfälscht seien, jeglicher Grundlage entbehre und auf schweren Verzerrungen der tatsächlichen Daten beruhe. 208 Die Kommission führt hierzu im Einzelnen aus, dass die für die Klägerin weniger günstigen Szenarien, die in der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 angesprochen würden, systematisch verschwiegen würden. Wenn auch die Hypothesen einbezogen würden, die nicht für bestimmte Arten von Szenarien günstig seien, ergebe sich aus den in der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 enthaltenen Daten ein bestreitbarer Teil zwischen 5,6 % und 10,4 %. Dieser Wert stehe in Einklang mit dem in der angefochtenen Entscheidung angesetzten Wert von 7,1 %, der auf genaueren Daten basiere. 209 Zweitens macht die Kommission geltend, dass die Klägerin zwar behaupte, dass sie davon ausgegangen sei, dass Dell seinen Bedarf an x86-Prozessoren im ersten Jahr zu 15 % bis 25 % bei AMD decken werde, wie in den Erwägungsgründen 1231 bis 1238 der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen ausgeführt werde, aber kein Dokument aus dem relevanten Zeitraum vorgelegt habe, das diese Behauptung belegen würde. Die Klägerin stütze sich insoweit lediglich auf ein Ad-hoc-Dokument, das von einem Mitglied ihrer Geschäftsleitung, I1, für das Verwaltungsverfahren verfasst worden sei und Angaben enthalte, die zumindest in einem Punkt in Widerspruch zu einem Dokument aus dem relevanten Zeitraum stünden, das von I1 verfasst worden sei. Dieses Dokument könne daher nicht als glaubwürdiger Beweis für die internen Schätzungen des bestreitbaren Teils durch die Klägerin akzeptiert werden. 210 In den Erwägungsgründen 1251 und 1252 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission zu der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 im Wesentlichen festgestellt, dass der angegebene Wert eher Wunschdenken entsprochen habe. Es habe sich nicht um eine ernsthafte, reale Schätzung gehandelt. Außerdem sei es nicht möglich gewesen, den Zeitpunkt des Beginns der Lancierung der in Rede stehenden Produkte genau zu bestimmen. Als Beginn des Zeitraums von einem Jahr, der mit dem AEC‑Test untersucht worden sei, sei der Zeitpunkt angesetzt worden, zu dem die Klägerin auf den Lieferantenwechsel von Dell hätte erstmals reagieren können. Dieser Zeitpunkt liege nach der angefochtenen Entscheidung vor dem Zeitpunkt, zu dem Dell tatsächlich erstmals mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüstete Computer verkauft habe. 211 In den Erwägungsgründen 1233 bis 1236 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass die Glaubwürdigkeit der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007, die nur für das Verwaltungsverfahren vorbereitet worden sei, zum einen darunter leide, dass die Klägerin sie nicht mit Beweisen aus dem relevanten Zeitraum habe untermauern können, und zum anderen darunter, dass sie zu einem anderen Punkt, nämlich der Reaktion der Klägerin, falls Dell seine Prozessoren nicht mehr ausschließlich bei ihr beziehen sollte, Informationen enthalte, die in Widerspruch zu einer Präsentation von I1 vom 10. Januar 2003 mit dem Titel „Dell F1H’04 MCP“ stünden. 212 Im 1237. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission weiter aus, dass sie von der Klägerin selbst darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass „D1 ausgesagt hat, das AMD für Dell Anfang 2003 keine realistische Option dargestellt hat“, und dass „Intel auf der Grundlage von zwei Erklärungen von I1 und D1, die nicht im relevanten Zeitraum verfasst worden sind, versucht, [sie] dazu zu bringen, sowohl festzustellen, dass AMD für Dell Anfang 2003 keine realistische Option dargestellt habe, als auch, dass Dell im ersten Jahr in der Lage gewesen sei, bei AMD 15 bis 25 % seiner Prozessoren zu beziehen“. 213 Zunächst ist festzustellen, dass die Dokumente, auf die sich die Klägerin beruft, entgegen deren Vorbringen als solche keinen höheren Beweiswert als der Berechnungsbogen von 2004 haben. 214 Bei dem Berechnungsbogen von 2004 handelt es sich ebenso wie bei der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 und bei der E‑Mail von D5 vom 9. März 2004 um ein internes Dokument von Dell, das im relevanten Zeitraum erstellt wurde und die Menge an x86-Prozessoren betrifft, die Dell in Zukunft bei AMD beziehen wollte. 215 Die Klägerin macht geltend, dass die Dokumente, auf die sie sich berufe, von hochrangigen Mitgliedern der Geschäftsleitung von Dell verfasst worden seien, dass D1 den Inhalt seiner E‑Mail vom 10. November 2005 in dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware unter Eid bestätigt habe und dass D3 in diesem Verfahren ausgesagt habe, dass es keinen Grund gebe, Zweifel an der Richtigkeit der Angaben von D1 zu haben. 216 Nach der Rechtsprechung sind Antworten, die im Namen eines Unternehmens als solches abgegeben werden, aber glaubwürdiger als die Antwort eines Mitarbeiters des Unternehmens oder eines Mitglieds der Geschäftsleitung des Unternehmens, unabhängig von dessen persönlicher Erfahrung oder Meinung (vgl. Urteil vom 8. Juli 2004, JFE Engineering/Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 205 und die dort angeführte Rechtsprechung). 217 Die Kommission macht mithin zu Recht geltend, dass der Berechnungsbogen von 2004 einen höheren Beweiswert hat als die Dokumente oder Erklärungen der hochrangigen Mitglieder der Geschäftsleitung von Dell, auf die sich die Klägerin beruft. 218 Die Kommission weist auch zu Recht darauf hin, dass der Berechnungsbogen von 2004 genaue und detaillierte Angaben enthielt. Genaue und detaillierte Angaben sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Beweiswert eines Dokuments zu bekräftigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, EU:T:1999:80, Rn. 593). 219 Das heißt aber nicht, dass die Beweise, auf die sich die Klägerin beruft, überhaupt keinen Beweiswert hätten. 220 Es sind daher folgende Beweise zu würdigen: die von D1 und D5 vorgenommenen Schätzungen des bestreitbaren Teils bei Dell, die Aussagen, die die Mitglieder der Geschäftsleitung von Dell in dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware gemacht haben, und das Dokument mit der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007. 221 Erstens heißt es in der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005, dass „nach den im Rahmen des MAID-Projekts in den ersten sechs bis zwölf Monaten angestellten Hypothesen … etwa 25 % [des] Gesamtvolumens [von Dell auf AMD] übertragen werden“. Zu den Bedenken, die die Kommission hinsichtlich der objektiven Glaubwürdigkeit der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 äußert, ist festzustellen, dass der Absender, D1, im relevanten Zeitraum [vertraulich] war, dass die E‑Mail im relevanten Zeitraum verfasst wurde und dass die in der E‑Mail enthaltenen Angaben hinreichend klar sind und sich speziell auf den im relevanten Zeitraum bestreitbaren Teil beziehen. Die E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 ist daher zu berücksichtigen. Ihr ist eine reale Relevanz beizumessen. Ihre Glaubwürdigkeit wird nicht dadurch geschmälert, dass es sich um eine summarische Zusammenfassung der Erinnerungen von D1 handelt. 222 Zweitens betraf die Behauptung, dass „der Wert von 25 %, der nach einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten [wie er in der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 genannt wird] erreicht wird, einer ‚Wunschvorstellung‘ entspricht und es sich dabei nicht um eine ernsthafte reale Schätzung handelt“, anders als die Kommission im 1251. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, in Wirklichkeit einen anderen Beweis, nämlich die E‑Mail von D5 vom 9. März 2004, und bezog sich auf eine andere Hypothese, nämlich, dass Dell „in 90 Tagen“ 25 % seines gesamten Bedarfs an x86-Prozessoren bei AMD deckt. Die Ausdrücke „Wunschvorstellung“ und „planning guidelines“ (Richtlinien für die Planung) kommen nämlich nur in dieser letztgenannten E‑Mail vor. 223 Ferner ist zu der E‑Mail von D5 vom 9. März 2004 festzustellen, dass, selbst wenn man berücksichtigt, dass der besonders schnelle Übergang zu einem Bezug von 25 % der x86-Prozessoren bei AMD „in 90 Tagen“ dort nur als „Wunschvorstellung“ angesprochen wird, dies bereits beweist, dass eine solche Hypothese in einer internen Diskussion von Dell in Betracht gezogen werden konnte, zumindest zur Motivation oder zu einer gezielten Planung, was ein weiteres Indiz dafür darstellt, dass der bestreitbare Teil möglicherweise hoch war. Dies gilt umso mehr, als diese E‑Mail nur wenige Monate nach der Erstellung des Berechnungsbogens von 2004 verfasst wurde und in ihr ebenso wie in der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 davon die Rede ist, dass Dell in Zukunft 25 % der benötigten Prozessoren bei AMD beziehen werde. 224 Drittens hat D1 in dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware bestätigt, dass er im Rahmen des MAID-Projekts davon ausgegangen sei, dass Dell in den ersten sechs bis zwölf Monaten 25 % der x86-Prozessoren bei AMD beziehen werde, und hat D3 erklärt, dass es keinen Grund gebe, an der Richtigkeit der Angaben von D1 zu zweifeln. 225 Die Aussagen, die die Mitglieder der Geschäftsleitung von Dell in dem Zivilrechtsstreit zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware gemacht haben, bestätigen mithin die Annahme, dass Dell im Rahmen des MAID-Projekts in den ersten sechs bis zwölf Monaten möglicherweise etwa 25 % der x86-Prozessoren bei AMD beziehen könnte. 226 Viertens ist schließlich noch die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007 zu würdigen. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission hinsichtlich dieser Erklärung dreierlei Bedenken geäußert: Erstens sei sie nur für das Verwaltungsverfahren vorbereitet worden, zweitens sei sie nicht durch weitere Beweise aus dem relevanten Zeitraum untermauert worden, und drittens enthalte sie bestimmte Widersprüche zu einer an Dell gerichteten Präsentation von I1 vom 10. Januar 2003 (siehe oben, Rn. 211). 227 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 195), ist die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007 in der Tat von einem Vertreter der Klägerin abgegeben worden und wird mit ihr das Ziel verfolgt, die Verantwortlichkeit der Klägerin für die festgestellte Zuwiderhandlung herunterzuspielen. 228 Sie ist aber unter Eid abgegeben worden, und I1 war, wie sich aus Rn. 1 der Erklärung vom 21. Dezember 2007 ergibt, [vertraulich], und zwar seit 1999. Bei I1 ist aufgrund der Funktionen, die er bei der Klägerin ausübte, und aufgrund seiner langen Unternehmenszugehörigkeit, davon auszugehen, dass ihm die wesentlichen Elemente der Geschäftsbeziehung mit Dell und damit auch der bestreitbare Teil, der für den relevanten Zeitraum vorhersehbar war, in vollem Umfang bekannt waren. 229 Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 221 bis 223), bestätigen interne Dokumente von Dell aus dem relevanten Zeitraum die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007 insoweit, als darin angenommen wird, dass Dell möglicherweise bis zu 25 % seiner x86-Prozessoren hätte bei AMD beziehen können. Jedenfalls geht aus dieser Erklärung, in der von einem Volumen von x86-Prozessoren zwischen 15 % und 25 % die Rede ist, wie aus den internen Dokumenten von Dell hervor, dass Dell seine x86-Prozessoren möglicherweise in einem Umfang von mehr als jenen 7 %, die in dem Berechnungsbogen von 2004 angegeben sind, hätte bei AMD beziehen können. 230 Zu dem Vorbringen der Kommission, dass es wirtschaftlich nicht logisch sei, auf AMD umzusteigen, und zu den Widersprüchen in den Angaben von I1 ist festzustellen, dass I1 in seiner Präsentation vom 10. Januar 2003 dargelegt hat, welche Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und Dell bestehe, und dabei insbesondere betont hat, dass Dell für den Fall, dass das Unternehmen erwäge, auf AMD umzusteigen, die Besonderheit dieser Geschäftsbeziehung klargemacht werden müsse. Wie die Kommission in den Erwägungsgründen 1235 und 1236 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt hat, kann der Eindruck entstehen, dass zwischen dieser Stelle der Präsentation und Nr. 4 der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007, in der es darum geht, dass die von der Klägerin vorgeschlagenen Rabatte nicht an eine Bedingung geknüpft gewesen seien, ein Widerspruch besteht. Da dieser aber einen anderen Punkt der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007 betrifft als den, auf den es bei der Beurteilung des bestreitbaren Teils ankommt, kann aus ihm, anders als die Kommission annimmt, nicht gefolgert werden, dass die Erklärung insgesamt und damit auch, soweit sie den bestreitbaren Teil betrifft, keinen Beweiswert hätte. 231 Im Übrigen ist die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007, dass es wegen der Kosten, der hohen Komplexität und der zusätzlichen Mittel für Konzeption, Assistenz und Verkauf, die mit der Hinzufügung von AMD-Plattformen einhergingen, weitreichende Folgen haben werde, wenn Dell x86-Prozessoren bei AMD beziehe, weder unlogisch noch widersprüchlich. Aus der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007 ergibt sich, dass sich I1 bemüht hat, einen objektiven Überblick zu geben. Er weist nämlich auch darauf hin, dass er davon ausgehe, dass es nur „wenig“ wahrscheinlich sei, dass Dell im relevanten Zeitraum Prozessoren teilweise bei AMD beziehen werde. Hingegen erläutert I1 in seiner Erklärung eindeutig, dass Dell bei einem Bezug von x86-Prozessoren bei AMD als zweitem Lieferanten aus den genannten Gründen zwingend 15 % bis 25 % seines Bedarfs bei AMD decken müsse. 232 Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Dell im relevanten Zeitraum tatsächlich die Absicht gehabt hat, x86-Prozessoren teilweise bei AMD zu beziehen. Aus mehreren Elementen der Akte, u. a. dem Berechnungsbogen von 2004, geht nämlich hervor, dass Dell während des gesamten relevanten Zeitraums intern ständig die Möglichkeit eines teilweisen Umstiegs auf AMD in Betracht gezogen und analysiert hat. Ferner ist festzustellen, dass die Aussage von D1 (siehe oben, Rn. 212), dass AMD für Dell keine realistische Option gewesen sei, lediglich das Jahr 2003 betraf. Die Kommission hat aber insbesondere im 1258. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst darauf hingewiesen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der bestreitbare Teil von Dell Schwankungen unterliege. Insbesondere könne er mittelfristig zunehmen, weil sich die Verbraucher nach und nach an die von AMD hergestellten x86-Prozessoren gewöhnen würden. Somit kann nicht angenommen werden, dass die Situation hinsichtlich des bestreitbaren Teils von Dell im Jahr 2003 unbedingt mit der der Jahre 2004 und 2005 übereinstimmen müsste. Die Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007, die durch die oben in den Rn. 221 und 222 genannten Beweise untermauert wird, ist daher auch insoweit als glaubwürdig anzusehen, als sie den bestreitbaren Teil von Dell betrifft. 233 Somit ergibt sich aus der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005, aus der E‑Mail von D5 vom 9. März 2004, aus den Erklärungen, die die Mitglieder der Geschäftsleitung von Dell in dem Zivilprozess zwischen der Klägerin und AMD im US-Bundesstaat Delaware abgegeben haben, und aus der Erklärung von I1 vom 21. Dezember 2007, die sich insgesamt gegenseitig untermauern, dass Dell im Jahr 2005 bis zu 25 % der x86-Prozessoren bei AMD beziehen konnte, und nicht 7 %, wie in dem Berechnungsbogen von 2004 angegeben. 234 Folglich lassen die Beweise, auf die sich die Klägerin beruft, Zweifel daran aufkommen, dass der bestreitbare Teil von Dell ausschließlich auf der Grundlage des Berechnungsbogens von 2004 zu bestimmen war, in dem angegeben ist, dass Dell 2005 7 % seiner Prozessoren bei AMD beziehe, woraus die Kommission auf einen bestreitbaren Teil von 7,1 % geschlossen hat. 235 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den wirtschaftlichen Analysen, die die Kommission in Anlage B.31, mit der ihr Vorbringen in Rn. 290 der Klagebeantwortung veranschaulicht wird, und in den Rn. 196 und 199 der Gegenerwiderung, in denen auf Anlage D.9 Bezug genommen wird, angestellt hat und mit denen gezeigt werden soll, dass, selbst wenn der bestreitbare Teil anhand der oben in Rn. 233 genannten Dokumente zu bestimmen wäre, sich nicht der Wert zwischen 12,5 % und 17,5 % ergebe, für den sich die Klägerin ausspreche. 236 Denn das Gericht kann diese ergänzenden Analysen, die erstmals im Verfahren vor dem Gericht vorgelegt worden sind, nicht heranziehen, um den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen AEC‑Test zu stützen. Es würde dann nämlich die Begründung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegeben hat, durch seine eigene ersetzen. Nach der oben in Rn. 150 angeführten Rechtsprechung ist eine solche Ersetzung der Begründung aber nicht zulässig. 237 Im Übrigen ergeben selbst die wirtschaftlichen Analysen, die die Kommission im Verfahren vor dem Gericht vorgelegt hat, zumindest in einer der vorhersehbaren Hypothesen auf der Grundlage der Analyse der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 einen bestreitbaren Teil von 10,4 %. 238 In ihren Schriftsätzen weist die Kommission insoweit darauf hin, dass die Bandbreite von 5,6 % bis 10,4 % als bestreitbarer Teil, wie er sich aus einer unverfälschten Analyse der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 ergebe, dem Ergebnis des Berechnungsbogens von 2004 entspreche, der 7,1 % vorsehe. 239 Dem kann nicht gefolgt werden, da das Ergebnis des AEC‑Tests je nachdem, ob als bestreitbarer Teil 7,1 % oder 10,4 % angesetzt werden, anders ausfallen könnte. Der prognostizierte bestreitbare Teil wird dann in den Erwägungsgründen 1255 bis 1259 der angefochtenen Entscheidung nämlich mit dem erforderlichen Teil verglichen, der in Tabelle 22 angegeben ist und lediglich in den ersten drei Quartalen über 10,4 % liegt. Es ist aber nicht möglich, anhand objektiver Gesichtspunkte die eine oder andere der Hypothesen für den bestreitbaren Teil, die nach der E‑Mail von D1 vom 10. November 2005 innerhalb der Bandbreite von 5,6 % bis 10,4 % angestellt werden können, auszuschließen oder festzustellen, dass eine von ihnen wahrscheinlicher wäre als die andere. Es bleiben daher Zweifel hinsichtlich der Frage, mit welchem Prozentsatz der bestreitbare Teil von Dell endgültig angesetzt werden kann, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob er mit 7,1 % anzusetzen war. 240 Als Zweites macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, dass die Schlüsse, die daraus gezogen werden könnten, dass Dell Prozessoren bei AMD bezogen habe, bewiesen, dass der bestreitbare Teil von Dell habe höher gewesen sein können als 7,1 %. 241 Die Kommission macht geltend, dass der Umstand, dass Dell 2006 und 2007 Prozessoren bei AMD bezogen habe, für die Prüfung der Situation im relevanten Zeitraum nur bedingt relevant sei, dass zumindest bestimmte Berechnungsparameter, insbesondere die Höhe der Rabatte im Jahr 2006, anzupassen seien, dass sie in der angefochtenen Entscheidung ergänzend einen AEC‑Test durchgeführt habe, bei dem die Situation in den Jahren 2006 und 2007 berücksichtigt worden sei und der die Ergebnisse, zu denen sie gelangt sei, bestätige, und dass die im Verfahren vor dem Gericht vorgelegte Anlage D.9 die Behauptungen der Klägerin widerlege. 242 In den Erwägungsgründen 1241 bis 1246 der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission auf das Vorbringen der Klägerin ein, dass der Umfang des Wechsels, der festzustellen gewesen sei, als Dell sich dafür entschieden habe, Prozessoren nach 2006 teilweise bei AMD zu beziehen, für die Festsetzung des bestreitbaren Teils relevant sein könne. Sie hat hierzu insbesondere ausgeführt, dass der Bezug von Prozessoren bei AMD, wie er später stattgefunden habe, als solcher zwar instruktiv sei, ihm aber nicht mehr Bedeutung zuzumessen sei als den Dokumenten, die Schätzungen aus dem relevanten Zeitraum enthielten. Sodann prüft die Kommission, bei welchen Lieferanten Dell in den drei Quartalen von Oktober 2006 bis Juni 2007 Prozessoren bezogen hat, wobei sie die Werte in Anbetracht des Übergangszeitraums im Hinblick auf ihre eigenen Hypothesen zum Beginn des zeitlichen Horizonts von einem Jahr berichtigt, und gelangt zu der Einschätzung, dass der Gesamtanteil von AMD im ersten Jahr, in dem Dell Prozessoren bei AMD bezogen habe, nach den Daten von Gartner 8,2 % und nach den internen Schätzungen der Klägerin zwischen 8,8 % und 10,1 % betragen habe. Die Kommission folgert daraus, dass diese Werte, auch wenn sie etwas höher ausfielen als die Werte, von denen Dell im relevanten Zeitraum ausgegangen sei, nicht so hoch seien, dass sie ihre Beurteilung entkräften würden. 243 Die Kommission räumt im 1245. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich ein, dass es ausgehend von den Schlüssen, die sich daraus ziehen ließen, dass Dell seine Prozessoren tatsächlich zu einem Teil bei AMD bezogen habe, möglich sei, einen bestreitbaren Teil zu berechnen, der höher als 7,1 % sei und zwischen 8,2 % und 10,1 % liege. 244 Auch wenn die Kommission in der angefochtenen Entscheidung annimmt, dass diese Werte lediglich etwas höher lägen als der aufgrund des Berechnungsbogens von 2004 geschätzte und daher nicht zu berücksichtigen seien, genügt die Existenz dieser Schätzungen bereits, um zu zeigen, dass die Hypothese eines bestreitbaren Teils von 7,1 % nicht die einzig vertretbare Hypothese war, und zieht den Wert, für den sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, in Zweifel. 245 Vor dem Gericht wiederholt die Kommission zunächst das in den Erwägungsgründen 1242 und 1243 enthaltene Argument, dass die Schlüsse, die sich daraus ziehen ließen, dass Dell in den Jahren 2006 und 2007 einen Teil seiner Prozessoren bei AMD bezogen habe, für die Bestimmung des bestreitbaren Teils im relevanten Zeitraum lediglich einen begrenzten Beweiswert hätten. 246 Im Hinblick auf die Auffassung von Professor Shapiro, dass die Berechnung des zeitlichen Rahmens von einem Jahr für den AEC‑Test erst nach dem Zeitpunkt beginnen könne, zu dem der Umstand, dass Dell seine Prozessoren teilweise bei AMD beziehe, erste Folgen gezeitigt habe, hat sich die Kommission in den Erwägungsgründen 1221 bis 1227 der angefochtenen Entscheidung aber maßgeblich auf die Schlüsse gestützt, die aus den Vorgängen von 2006 gezogen werden konnten. Sie hat aus einer Reihe von Umständen geschlossen, dass die Klägerin bereits im Mai 2006 über den Wechsel des Lieferanten informiert gewesen sei und die Rabatte zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal des Steuerjahres 2007 stark herabgesetzt habe. 247 Um die Auffassung von Professor Shapiro zum Beginn des zeitlichen Rahmens von einem Jahr zu widerlegen, hat die Kommission bei der Ermittlung des bestreitbaren Teils also selbst die Schlüsse herangezogen, die daraus gezogen werden können, dass Dell im Laufe der Jahre 2006 und 2007 einen Teil seiner Prozessoren bei AMD bezogen hat. 248 Die Kommission kann daher in den Erwägungsgründen 1242 und 1243 der angefochtenen Entscheidung nicht behaupten, dass dieselben Schlüsse, wenn es darum geht, die Richtigkeit der Schätzung des bestreitbaren Teils auf einen Wert zwischen 8,2 % und 10,1 % in Zweifel zu ziehen, nur von begrenztem Interesse seien. 249 Die Kommission macht ferner geltend, dass bei einer Berechnung, bei der für den bestreitbaren Teil die Zahlen aus den Jahren 2006 und 2007 zugrunde gelegt würden, berücksichtigt werden müsse, dass die Klägerin Dell 2006 Rabatte gewährt habe, wie sie in dieser Höhe bislang nicht gewährt worden seien. Wenn die Kommission aber der Auffassung war, dass die Festsetzung des bestreitbaren Teils wegen dieses Parameters anzupassen sei, so hätte sie diesen Parameter in die im 1245. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung durchgeführte Berechnung einbeziehen müssen. 250 Im Übrigen macht die Kommission unter Verweis auf den 1258. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geltend, dass im Rahmen des AEC‑Tests die tatsächlichen Marktanteile von AMD bei Dell in den Jahren 2006 und 2007, wie sie von der Klägerin im Untersuchungsverfahren beziffert worden seien, berücksichtigt worden seien und dass die Ergebnisse dieser Berechnung die Feststellungen bestätigten, die in der angefochtenen Entscheidung für den Zeitraum, der 2005 geendet habe, getroffen worden seien. 251 Im 1258. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission aber Ausführungen dazu gemacht, wie sich der erforderliche Teil im Jahr 2006 entwickelt habe und in welchem Umfang Dell im Jahr 2007 auf AMD umgestiegen sei. Sie hat dabei eingeräumt, dass der bestreitbare Teil im Laufe der Zeit möglicherweise ein wenig zugenommen habe, und zwar in dem Maße, wie die Verbraucher erkannt hätten, dass die von AMD angebotene Alternative brauchbar sei. Sie hat den für das Jahr 2005 auf der Grundlage der im 1245. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung durchgeführten Berechnungen angesetzten bestreitbaren Teil in diesem Stadium nicht angepasst. 252 Schließlich beruft sich die Kommission in der Klagebeantwortung und in der Gegenerwiderung auf Anlage B.31, die eine Analyse enthalte, bei der davon ausgegangen werde, dass Dell seine Prozessoren im Laufe der Jahre 2006 und 2007 zu einem Teil bei AMD bezogen habe, und die die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zur Eignung der Rabatte, Bewerber vom Markt zu verdrängen, bestätige sowie auf Anlage D.9, die zeige, dass der Marktanteil von AMD bei Dell niedriger gewesen sei als in der Erwiderung angegeben, und in der bei der Durchführung eines AEC‑Tests die neuen Zahlen aus der Erwiderung zugrunde gelegt worden seien. 253 Das Gericht kann diese ergänzenden Analysen, die erstmals in dem Verfahren vor dem Gericht vorgelegt wurden, jedoch nicht heranziehen, um den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen AEC‑Test zu stützen. Es würde sonst die Begründung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegeben hat, durch seine eigene ersetzen. Nach der oben in Rn. 150 angeführten Rechtsprechung ist eine solche Ersetzung der Begründung aber nicht zulässig. 254 Somit ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass sich anhand anderer Elemente als des Berechnungsbogens von 2004 ein bestreitbarer Teil von Dell zwischen 8,2 % und 10,1 % ermitteln ließ. Allein die Existenz dieser Schätzungen zeigt, dass die Hypothese eines bestreitbaren Teils von 7,1 % bei Dell nicht die einzig vertretbare Hypothese war. Das Gericht hat daher Zweifel daran, ob diese Hypothese, wie sie von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt worden ist, zutrifft. 255 Diese Feststellung und die oben in Rn. 234 zu der Frage getroffene Feststellung, ob der bestreitbare Teil von Dell allein auf der Grundlage des Berechnungsbogens von 2004, in dem für das Jahr 2005 der Wert von 7 % angegeben ist, zu bestimmen war, verstärken zusammengenommen die Zweifel hinsichtlich der Bestimmung des bestreitbaren Teils von Dell, wie er in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt worden ist. 256 Das Vorbringen der Klägerin ist folglich geeignet, beim Gericht Zweifel hinsichtlich der Frage zu begründen, ob der bestreitbare Teil bei Dell tatsächlich mit 7,1 % anzusetzen ist. Die Kommission hat daher rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass der bestreitbare Teil von Dell richtig angesetzt worden ist. iii) Zu dem Vorbringen der Klägerin zum Anfangsteil des relevanten Zeitraums (Dezember 2002 bis Oktober 2003) 257 Auch wenn die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung des bestreitbaren Teils von Dell bereits wegen des Ergebnisses, zu dem das Gericht oben in Rn. 256 gelangt ist, für nichtig zu erklären ist, ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin ergänzend zu prüfen, ob die Kommission den bestreitbaren Teil von Dell, was den Anfangsteil des relevanten Zeitraums (Dezember 2002 bis Oktober 2003) angeht, richtig beurteilt hat. 258 Die Klägerin macht geltend, dass ein Widerspruch bestehe zwischen der von der Kommission vorgenommenen Festsetzung des bestreitbaren Teils von Dell auf 7,1 % und dem Ergebnis, zu dem die Kommission im 1281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage eines Vergleichs des bestreitbaren Teils mit dem Marktanteil, den ein ebenso effizienter Wettbewerber haben müsse, um in den Markt eintreten zu können, ohne Verluste zu erleiden (im Folgenden: erforderlicher Teil), gelangt sei, nämlich, dass die Rabatte der Klägerin im gesamten Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2005 möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt verdrängt hätten. 259 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht geltend, dass es sich lediglich um ein Zwischenergebnis handele, und verweist auf die Erwägungsgründe 1281 und 1282 der angefochtenen Entscheidung, die eine Gesamtwürdigung enthielten. 260 Hierzu ist festzustellen, dass sich aus Tabelle 22 eindeutig ergibt, dass der bestreitbare Teil in den ersten vier Quartalen, die angegeben sind, höher war als der erforderliche Teil, und zwar selbst dann, wenn man die von der Kommission durchgeführte Berechnung des erforderlichen und des bestreitbaren Teils zugrunde legt. Nach Tabelle 22 betrug der erforderliche Teil während der Zeiträume des Geschäftsjahres von Dell ab dem vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum dritten Quartal des Steuerjahres 2004 nämlich höchstens 6,6 %, während in der angefochtenen Entscheidung ein bestreitbarer Teil von 7,1 % angesetzt wird. 261 Außerdem stellt die Kommission im 1256. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich fest, dass „[d]er erforderliche Teil … in den meisten Quartalen (9 von 13) höher [ist] als der bestreitbare Teil“. Wie die Klägerin geltend macht, fällt der AEC‑Test bei den Rabatten, die die Klägerin Dell gewährt hat, in den ersten vier Quartalen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, unter Zugrundelegung der eigenen Zahlen der Kommission demnach positiv aus. 262 In den Erwägungsgründen 1281 und 1282 der angefochtenen Entscheidung, auf die die Kommission verweist (siehe oben, Rn. 259), um darzutun, dass der Vergleich zwischen dem erforderlichen Teil und dem bestreitbaren Teil nur einer der drei Gesichtspunkte sei, auf die beim AEC‑Test abgestellt worden sei, wird ausgeführt, dass die Schlüsse, zu denen die Kommission hinsichtlich der Dell gewährten Rabatte gelangt sei, auf dem Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil, den verstärkenden Faktoren und der alternativen Berechnungsmethode beruhten, und dass in der angefochtenen Entscheidung bei den Kosten die Zahlen zugrunde gelegt würden, die der Klägerin am Günstigsten seien. Jedoch ergibt sich aus dem 1213. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass Tabelle 22 bei dem Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil herangezogen worden ist. Außerdem wurde aus den oben in den Rn. 272 bis 282 dargelegten Gründen weder bei der alternativen Berechnungsmethode noch bei den verstärkenden Faktoren geprüft, ob die Rabatte in den ersten vier Quartalen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, Wettbewerber vom Markt verdrängt haben. Die drei genannten Gesichtspunkte der Beurteilung der Kommission liefern daher auch insgesamt betrachtet keine Erklärungen dafür, dass der AEC‑Test bei den Rabatten, die die Klägerin Dell gewährt hat, in den ersten vier Quartalen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, positiv ausgefallen ist. 263 Es besteht demnach ein Widerspruch zwischen dem, was sich aus dem 1256. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt, wo es heißt, dass die Klägerin den AEC‑Test zumindest in vier Quartalen des relevanten Zeitraums bestanden habe, und den Feststellungen der Kommission in den Erwägungsgründen 1281 und 1282 der angefochtenen Entscheidung, wonach die Dell gewährten Rabatte während des relevanten Zeitraums geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 264 Auch die übrigen Elemente der angefochtenen Entscheidung, auf die die Kommission verweist, um darzutun, dass ihr hinsichtlich der ersten vier Quartale kein Fehler unterlaufen sei, sind, was den Zeitraum von Dezember 2002 bis Oktober 2003 angeht, nicht überzeugend. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass in den Erwägungsgründen 1258 und 1259 der angefochtenen Entscheidung verdeutlicht werde, warum ein strenges Abstellen auf Quartale nicht sachgerecht sei. 265 Im 1258. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission insoweit aus, dass es durchaus möglich sei, dass der bestreitbare Teil im Laufe der Zeit zugenommen habe, weil die Verbraucher immer mehr erkannt hätten, dass die Alternative, die AMD dargestellt habe, brauchbar sei. Die Kommission weist ferner darauf hin, dass der erforderliche Teil in dem Zeitraum, auf den sich die angefochtene Entscheidung beziehe, bei allen Berechnungshypothesen stetig zunehme. Die Kommission verweist auch auf die tatsächlichen Zahlen, wie sie sich aus der Situation im Jahr 2006 ergeben, als sich Dell dafür entschied, damit zu beginnen, Prozessoren bei AMD zu beziehen. Sie stützt sich insbesondere auf die von Gartner gelieferten Daten. 266 Im 1259. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass es umgekehrt möglich sei, dass der bestreitbare Teil in dem Zeitraum vor dem ersten Quartal des Steuerjahres 2005, dem Zeitpunkt, zu dem Dell nach dem Szenario, das dem Berechnungsbogen von 2004 zugrunde gelegen habe, seine x86-Prozessoren frühestens teilweise auch bei AMD hätte beziehen können, weniger als 7,1 % betragen habe. Die Kommission folgert daraus, dass die Differenz zwischen dem erforderlichen Teil und dem bestreitbaren Teil in den ersten Quartalen des relevanten Zeitraums geringer sein könne, als die in Tabelle 22 angegebenen Werte es vermuten ließen. 267 Hierzu macht die Klägerin geltend, dass die Kommission ihre Festsetzung des bestreitbaren Teils bei den ersten vier Quartalen des relevanten Zeitraums nie geändert habe, um jener Verbesserung der Brauchbarkeit von AMD Rechnung zu tragen, die nicht von einem Tag auf den anderen erfolgt sei. 268 Die Kommission hat diesen angenommenen Zuwachs des bestreitbaren Teils aufgrund einer im Laufe der Zeit erfolgten Änderung der Wahrnehmung von AMD durch die Verbraucher in der angefochtenen Entscheidung in keiner Weise beziffert. Vielmehr wird in der angefochtenen Entscheidung allein auf den Wert von 7,1 % abgestellt, und dies, obwohl in dem Berechnungsbogen von 2004 von einer Entwicklung in den untersuchten Folgejahren ausgegangen wurde. In dem Berechnungsbogen von 2004 wurden Werte angegeben, aus denen geschlossen werden konnte, dass der bestreitbare Teil von Dell in den drei Jahren nach dem ersten Jahr eines teilweisen Bezugs von Prozessoren bei AMD 17,3 %, 22,5 % und 24,2 % betrug. 269 An keiner Stelle der angefochtenen Entscheidung wird endgültig festgestellt, dass der bestreitbare Teil von Dell im Laufe der Zeit wegen der Verbesserung der Wahrnehmung der Produkte von AMD zugenommen hätte. In den Erwägungsgründen 1258 und 1259 der angefochtenen Entscheidung wird lediglich festgestellt, dass dies „möglich“ sei. Im Übrigen werden selbst in Tabelle 22 lediglich die zeitlichen Veränderungen des erforderlichen Teils bewertet, und zwar für mehrere Jahre, nicht aber die zeitlichen Veränderungen des bestreitbaren Teils. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung 2020 auf eine Frage, die das Gericht insoweit gestellt hat, aber lediglich darauf hingewiesen, dass aus „technischen Gründen“ im gesamten relevanten Zeitraum ein bestreitbarer Teil von 7,1 % zugrunde gelegt worden sei, die damit zusammenhingen, dass sie mit der Klägerin vereinbart habe, beim AEC‑Test auf einen Zeitraum von einem Jahr abzustellen. Obwohl im 1212. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die vier verschiedenen Werte wiedergegeben werden, die sich aus dem Berechnungsbogen von 2004 ergeben, wird im 1213. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung so allein der Wert von 7,1 % als für den bestreitbaren Teil geeignet erachtet. 270 Der Unterschied zwischen den Ergebnissen, die die Kommission für die ersten vier Quartale des relevanten Zeitraums in Tabelle 22 angibt, und ihrer für den gesamten relevanten Zeitraum geltenden Schlussfolgerung, dass die Klägerin den AEC‑Test nicht bestanden habe, lässt sich daher durch das Vorbringen der Kommission nicht erklären oder im Nachhinein billigen. 271 Da der AEC‑Test bei der Klägerin im Rahmen der Hauptberechnung für die ersten vier Quartale, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, positiv ausfiel, hat die Kommission allein auf der Grundlage dieses Tests nicht dargetan, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt hat, geeignet gewesen wären, den Wettbewerb während des gesamten relevanten Zeitraums zu beschränken. 2) Zur alternativen Berechnungsmethode 272 Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 1266 bis 1274 und 1281 der angefochtenen Entscheidung anhand der in der Präsentation von Dell vom 17. Februar 2004 enthaltenen Informationen eine alternative Berechnung durchgeführt, die nach Auffassung der Kommission die Schlussfolgerung bestätigt, die sie aus der Hauptberechnung im AEC‑Test gezogen hat, nämlich, dass die Rabatte, die die Klägerin gewährt hat, geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 273 Die Klägerin meint, dass die alternative Berechnung nicht relevant sei. Sie betreffe lediglich das Steuerjahr 2005, das außerhalb des Zeitraums liege, für den in der angefochtenen Entscheidung dargetan worden sei, dass sie den AEC‑Test bestanden habe. Die Feststellung einer Zuwiderhandlung im Zusammenhang mit Dell im Zeitraum von Dezember 2002 bis Oktober 2003 könne daher keinen Bestand haben. 274 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht geltend, dass mit der alternativen Berechnung das Ergebnis, zu dem sie in der angefochtenen Entscheidung mittels der Hauptberechnung gelangt sei, bestätigt werden solle. 275 Hierzu ist festzustellen, dass aus der alternativen Berechnung, soweit sie in der angefochtenen Entscheidung auf die Präsentation von Dell vom 17. Februar 2004 gestützt wird, die sich, wie sich auch aus den Tabellen 28 und 29 in den Erwägungsgründen 1268 und 1270 der angefochtenen Entscheidung ergibt, auf den Zeitraum ab dem Steuerjahr 2005 bezieht, nicht gefolgert werden kann, dass sie es ermöglichen würde, die Feststellungen der Kommission zum Zeitraum zwischen Dezember 2002 und Oktober 2003 zu erklären oder gar zu verändern. Soweit die Kommission in der mündlichen Verhandlung von 2020 unter Berufung auf Fn. 1604 des 1264. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat, dass die herangezogenen Dokumente sehr wohl den relevanten Zeitraum beträfen, ist festzustellen, dass diese Fußnote nicht die alternative Berechnungsmethode, sondern die verstärkenden Faktoren betrifft. 276 Ohne dass auf die Richtigkeit der alternativen Methode eingegangen zu werden braucht, kann es daher mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass mit dieser Methode nicht dargetan wird, dass die Rabatte der Klägerin geeignet gewesen wären, Wettbewerber während des gesamten relevanten Zeitraums vom Markt zu verdrängen. 3) Zu den verstärkenden Faktoren 277 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission vergeblich versuche, ihre Beurteilung zu stützen, indem sie erkläre, dass das Abstellen auf das Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers in Wirklichkeit einen konservativen Charakter habe, der die verstärkenden Faktoren nicht berücksichtige (vgl. auch oben, Rn. 177). Die Kommission meint hingegen, dass die Berücksichtigung der verstärkenden Faktoren gerechtfertigt gewesen sei. 278 Somit ist zu prüfen, ob die verschiedenen Fehler, die der Kommission bei dem Dell betreffenden AEC‑Test unterlaufen sind, durch die verschiedenen als verstärkende Faktoren berücksichtigten Gesichtspunkte geheilt werden können, auf die in den Erwägungsgründen 1260 bis 1265 der angefochtenen Entscheidung eingegangen wird. 279 Zum einen ergibt sich aus dem 1260. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die verstärkenden Faktoren insoweit von Interesse sind, als „[e]inige Faktoren … bei der vorstehenden Analyse nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden [sind], obwohl sie, wenn sie berücksichtigt würden, die festgestellte Eignung der Rabatte, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, verstärken würden“. Die betreffenden Faktoren dienten also lediglich dazu, die Ergebnisse der in erster Linie durchgeführten Prüfung der Verdrängungswirkung zu bekräftigen. 280 Zum anderen ergibt sich aus dem 1261. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission selbst davon ausgegangen ist, dass eine vollständige Berücksichtigung der Wirkung der verstärkenden Faktoren zusätzliche Hypothesen zu der Frage erfordert hätte, auf welche Weise die Rabatte anderen Wettbewerbern gewährt würden und wie sich eine solche aggressive Wettbewerbssituation auf die Einkünfte von Dell auswirke. 281 Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung von 2020 hat die Kommission behauptet, dass die verstärkenden Faktoren Gegenstand einer „pragmatischen Bewertung“ gewesen seien und dass es sich um Gesichtspunkte „sui generis“ handele, die in die Struktur der angefochtenen Entscheidung betreffend den AEC‑Test eingefügt worden seien. Die Kommission hat aber nicht geltend gemacht, dass sie speziell im Rahmen des AEC‑Tests mit konkreten Zahlenangaben bewertet worden wären. Sie macht vielmehr geltend, dass diese Gesichtspunkte, unabhängig von der Frage, ob sie rechtmäßig seien, zugunsten der Klägerin insoweit „eine zusätzliche Hebelwirkung“ entfalteten, als die Rabatte, die Dell verloren habe, an Wettbewerber übertragen würden und bei der Klägerin bezogene Mikrochips hätten betreffen können, die „nicht diejenigen waren, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind“. 282 Somit ist festzustellen, dass die verstärkenden Faktoren in die angefochtene Entscheidung als zusätzliche Gesichtspunkte aufgenommen wurden, die geeignet waren, die Ergebnisse der Hauptuntersuchung betreffend das Vorliegen einer Verdrängungswirkung der in Rede stehenden Rabatte zu stützen, und dass sie von der Kommission hinsichtlich der Auswirkungen auf die Beurteilung der Eignung der in Rede stehenden Rabatte, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, nicht hinreichend untersucht worden sind. Ihre Berücksichtigung kann daher vom Gericht nicht sinnvoll überprüft werden. Sie vermag auch die Erwägungen, die die Kommission in erster Linie zu der Frage angestellt hat, ob die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt hat, geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, nicht zu ersetzen. 4) Ergebnis zu dem bei den Dell gewährten Rabatten durchgeführten AEC‑Test 283 Nach alledem hat die Kommission rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass ihre Hypothese, dass der bestreitbare Teil von Dell im relevanten Zeitraum 7,1 % betragen habe, zuträfe. Da diese Hypothese in den Erwägungsgründen 1255 bis 1257 der angefochtenen Entscheidung herangezogen wird, um im Wege eines Vergleichs des erforderlichen Teils mit dem bestreitbaren Teil darzutun, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt hat, geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, ist, ohne dass auf die Rügen eingegangen werden bräuchte, die die Klägerin hinsichtlich der Berechnung des bedingten Teils geltend gemacht hat, festzustellen, dass mit diesem Vergleich rechtlich nicht hinreichend dargetan wird, dass diese Rabatte hierzu geeignet gewesen wären. 284 Weiter ist festzustellen, dass die verstärkenden Faktoren für sich genommen nicht beweisen, dass die Rabatte, die die Klägerin Dell gewährt hat, geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, und ohnehin nicht ausreichend geprüft worden sind, und dass die alternative Berechnungsmethode nicht beweist, dass die Rabatte der Klägerin während des gesamten relevanten Zeitraums geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 285 Die Kommission weist im 1281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die Schlussfolgerungen, zu denen sie bei der Frage, ob die Dell gewährten Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, gelangt sei, auf dem Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil, den verstärkenden Faktoren und der Bestätigung durch die alternative Berechnungsmethode beruhten. 286 Da der Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil die Verdrängungswirkungen rechtlich nicht hinreichend beweist und die verstärkenden Faktoren nicht ausreichend analysiert worden sind, vermag die Kommission mit diesen ersten beiden Gesichtspunkten aber nicht nachzuweisen, dass die Dell gewährten Rabatte geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Der dritte Gesichtspunkt, auf den die Kommission abgestellt hat, nämlich eine alternative Berechnungsmethode, vermag die Schlussfolgerung der Kommission, da er nach dem 1281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lediglich dazu dient, die ersten beiden Gesichtspunkte zu bestätigen, für sich genommen nicht zu stützen, zumal er nicht beweist, dass die Rabatte der Klägerin während des gesamten relevanten Zeitraums geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 287 Der Rüge der Klägerin, mit der geltend gemacht wird, dass die Kommission rechtlich nicht hinreichend dargetan habe, dass die Schlussfolgerung, die sie im 1281. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gezogen habe, nämlich, dass ihre Rabatte im Zeitraum von Dezember 2002 bis Dezember 2005 möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt verdrängt hätten, da selbst ein ebenso effizienter Wettbewerber daran gehindert gewesen wäre, Dell mit x86-Prozessoren zu beliefern, zuträfe, ist daher stattzugeben. b) Zu den Fehlern, unter denen der bei HP durchgeführte AEC‑Test leiden soll 288 Die Kommission stellt im 413. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass HP und die Klägerin für Business-Desktop-Computer die HPA-Vereinbarungen geschlossen hätten, die von November 2002 bis Mai 2005 gegolten hätten, und dass die HPA-Vereinbarungen eine ungeschriebene Bedingung für die Gewährung der Rabatte an HP (im Folgenden: HPA-Rabatte) enthalten hätten, nämlich, dass HP mindestens 95 % seiner für Business-Desktop-Computer bestimmten x86-Prozessoren bei der Klägerin beziehe (im Folgenden: Bedingung des nahezu ausschließlichen Bezugs). Im 1406. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gelangt die Kommission auf der Grundlage des AEC‑Tests zu dem Ergebnis, dass die HPA-Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen. 289 Speziell zu den Zeiträumen, für die die Vereinbarungen galten, aufgrund derer die HPA-Rabatte gewährt wurden, stellt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung fest, dass die erste dieser Vereinbarungen (im Folgenden: HPA1-Vereinbarung) nach dem Zusammenschluss von HP und Compaq im Mai 2002 geschlossen worden sei und von November 2002 bis Mai 2004 gegolten habe (Erwägungsgründe 338, 341 und 1296) und dass die zweite HPA-Vereinbarung von Juni 2004 bis Mai 2005 gegolten habe (Erwägungsgründe 342 und 343). 290 Die Klägerin bestreitet, dass die HPA-Rabatte, wie die Kommission festgestellt habe, geeignet gewesen seien, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen. Sie macht geltend, dass der AEC‑Test bei richtiger Durchführung zeige, dass die HPA-Rabatte nicht geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 291 Die Klägerin macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung im Wesentlichen unter vier Fehlern leide. Diese beträfen erstens den bestreitbaren Teil, zweitens die Höhe des bedingten Teils der Rabatte, drittens den untersuchten Zeitraum der Zuwiderhandlung und viertens die verstärkenden Faktoren, die berücksichtigt worden seien. Die Klägerin macht als fünftes Argument geltend, dass der Kommission bei der Beurteilung ihrer AAC Fehler unterlaufen seien. 1) Zu dem Zeitraum, der mit dem AEC‑Test untersucht wurde 292 Die Klägerin macht geltend, dass der AEC‑Test von der Kommission nicht für den gesamten Zeitraum durchgeführt worden sei, der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sei. Für die ersten elf Monate des relevanten Zeitraums, nämlich von November 2002 bis zum dritten Quartal des Steuerjahres 2003 von HP, enthalte die angefochtene Entscheidung keinen AEC‑Test. Die in Tabelle 35 im 1337. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung (im Folgenden: Tabelle 35) dargestellte Analyse der „Belastbarkeit“, die sich angeblich auf die gesamte HPA1-Vereinbarung beziehe, beruhe deshalb auf unvollständigen Daten. Die Kommission habe einen „offensichtlichen Beurteilungsfehler“ begangen, indem sie festgestellt habe, dass sie den AEC‑Test in dem Zeitraum, für den die HPA1-Vereinbarung gegolten habe, nicht bestanden habe, und gleichzeitig eingeräumt habe, dass es durchaus möglich sei, dass sich der Referenzzeitraum mangels kohärenter Daten „nicht perfekt mit der tatsächlichen Laufzeit [der HPA1-Vereinbarung] deckt“. 293 Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Annahme der Kommission im 1014. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass bei einem AEC‑Test der bestreitbare Teil der Nachfrage eines Computerherstellers in einem Zeitraum von höchstens einem Jahr zu untersuchen sei, in Widerspruch zu der Analyse in Tabelle 35 stehe, die sich auf einen längeren Zeitraum, nämlich einen Zeitraum von anderthalb Jahren, beziehe. 294 Die Kommission macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung durchaus ein AEC‑Test für den gesamten Zeitraum enthalte, für den die HPA1-Vereinbarung gegolten habe, nämlich von November 2002 bis Mai 2004, und dass aus Anlage B.31 hervorgehe, inwieweit es sich dabei um einen relevanten Zeitraum handele. 295 Die Kommission macht ferner geltend, dass die Klägerin dieses Argument im Verwaltungsverfahren zu keinem Zeitpunkt vorgebracht habe, obwohl bei allen Berechnungen zu HP auf dieselben Referenzzeiträume abgestellt worden sei. Im Übrigen habe die Klägerin in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007 bei ihren eigenen Berechnungen zu HP ebenfalls auf diese Referenzzeiträume abgestellt. 296 Schließlich erläutert die Kommission, warum bei der Berechnung für die gesamte Dauer der Gültigkeit der HPA1-Vereinbarung – also anderthalb Jahre – nicht die für einen Zeitraum von anderthalb Jahren ermittelten bestreitbaren Teile zugrunde gelegt worden seien, sondern der für den Zeitraum eines Jahres ermittelte Durchschnitt der bestreitbaren Teile in den einzelnen Quartalen der Laufzeit der HPA1-Vereinbarung. Unabhängig davon, wann der ebenso effiziente Wettbewerber versuche, in den HP-Markt einzutreten, müsse HP dessen Angebot in Bezug auf das Jahr prüfen, das mit dem Markteintritt beginne. 297 In den Erwägungsgründen 1334 bis 1337 der angefochtenen Entscheidung legt die Kommission dar, wie sie bei HP den erforderlichen Teil berechnet hat. 298 In den Erwägungsgründen 1385 bis 1387 der angefochtenen Entscheidung nimmt die Kommission unter Verweis auf die im 1334. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angegebenen Zahlen an, dass der erforderliche Teil stets höher sei als der bestreitbare Teil. 299 Im 1406. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass auf der Grundlage des in den Erwägungsgründen 1385 bis 1389 der angefochtenen Entscheidung durchgeführten Vergleichs des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil davon auszugehen sei, dass die Rabatte, die die Klägerin HP gewährt habe, in dem Zeitraum von November 2002 bis Mai 2005 geeignet gewesen seien, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen. 300 Als Erstes ist festzustellen, dass es nach der Rechtsprechung keine unionsrechtliche Vorschrift gibt, die den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Rahmen der Art. 101 und 102 AEUV zwänge, die verschiedenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt werden, im Verwaltungsverfahren anzugreifen, um das Recht, dies später im Stadium des Gerichtsverfahrens zu tun, nicht zu verwirken (Urteil vom 1. Juli 2010, Knauf Gips/Kommission, C‑407/08 P, EU:C:2010:389, Rn. 89). 301 Mit ihrem Vorbringen, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren gegen die Zeiträume, auf die sie, die Kommission, bei ihren Berechnungen abgestellt habe, keine Einwände erhoben habe, kann die Kommission daher keinen Erfolg haben. 302 Dasselbe gilt für das Vorbringen der Kommission, dass die Klägerin im Verwaltungsverfahren bei ihren eigenen Berechnungen ebenfalls auf diese Zeiträume abgestellt habe. Da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei ihren eigenen Berechnungen auf bestimmte Zeiträume abgestellt hat, sind diese Bestandteil der Begründung der angefochtenen Entscheidung, die von der Klägerin vor dem Gericht angefochten werden kann. 303 Als Zweites ist festzustellen, dass sich Tabelle 34 im 1334. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, in der die Parameter und die Berechnungen des erforderlichen Teils dargestellt sind (im Folgenden: Tabelle 34), auf den Zeitraum vom vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum dritten Quartal des Steuerjahres 2005 bezieht. Sie enthält mithin keine Daten zu den Monaten November und Dezember 2002 und den ersten drei Quartalen des Steuerjahres 2003. 304 Außerdem macht die Klägerin zu Recht geltend, dass die die HPA1-Vereinbarung betreffenden Zahlen in der ersten Zeile von Tabelle 35, mit der gezeigt werden soll, dass die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, belastbar sind, indem die Berechnung des erforderlichen Teils bei den HPA-Vereinbarungen dargestellt wird, die Summe oder das arithmetische Mittel der in den ersten drei Zeilen von Tabelle 34 angegebenen Zahlen sind. 305 Im Einzelnen: – Die in Tabelle 35 für die Laufzeit der HPA1-Vereinbarung angegebene Zahl der von HP gekauften x86-Prozessoren, nämlich 7079382 Einheiten, entspricht der in Tabelle 34 angegebenen Zahl der x86-Prozessoren, die HP in dem Zeitraum vom vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum zweiten Quartal des Steuerjahres 2004 gekauft hat (viertes Quartal des Steuerjahres 2003: 2416750 Einheiten; erstes Quartal des Steuerjahres 2004: 2200225 Einheiten; zweites Quartal des Steuerjahres 2004: 2462407 Einheiten); – der in Tabelle 35 für die Laufzeit der HPA1-Vereinbarung angegebene Betrag der Rabatte, die HP erhalten hat, nämlich 97499999 USD, entspricht den in Tabelle 34 angegebenen Rabatten, die HP in dem Zeitraum vom vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum zweiten Quartal des Steuerjahres 2004 erhalten hat (viertes Quartal des Steuerjahres 2003: 32499999 USD; erstes Quartal des Steuerjahres 2004: 32500000 USD; zweites Quartal des Steuerjahres 2004: 32500000 USD); – der in Tabelle 35 für die Laufzeit der HPA1-Vereinbarung angegebene Wert „V“ (d. h. der Anteil der x86-Prozessoren, die HP unter Einhaltung der Bedingung des nahezu ausschließlichen Bezugs bei der Klägerin bezogen hätte, am Gesamtvolumen der x86-Prozessoren), nämlich 6725413 Einheiten, entspricht unter Berücksichtigung eines Schreibfehlers bis auf eine Einheit den in Tabelle 34 für den Zeitraum vom vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum zweiten Quartal des Steuerjahres 2004 angegebenen „V“-Werten (viertes Quartal des Steuerjahres 2003: 2295913 Einheiten; erstes Quartal des Steuerjahres 2004: 2090214 Einheiten; zweites Quartal des Steuerjahres 2004: 2339287 Einheiten); – der in Tabelle 35 für die Laufzeit der HPA1-Vereinbarung angegebene „ASP der Prozessoren von Intel“, nämlich 165,15, entspricht dem in Tabelle 34 für den Zeitraum vom vierten Quartal des Steuerjahres 2003 bis zum zweiten Quartal des Steuerjahres 2004 angegebenen arithmetischen Mittel (ohne Gewichtung) des festgestellten ASP (viertes Quartal des Steuerjahres 2003: 176,19; erstes Quartal des Steuerjahres 2004: 159,45; zweites Quartal des Steuerjahres 2004: 159,82). 306 Insoweit ist festzustellen, dass die Kommission nicht geltend macht, dass diese Übereinstimmung auf Zufall beruhen würde und dass die verschiedenen Werte, die in der vorstehenden Rn. 305 angegeben sind, für die drei fehlenden Quartale und für die drei folgenden Quartale identisch wären. 307 Folglich ist mit den vorstehenden Ausführungen bereits dargetan, dass die Monate November und Dezember 2002 und die ersten drei Quartale des Steuerjahres 2003 von der Kommission bei der Berechnung der in Tabelle 35 angeführten Werte nicht berücksichtigt worden sind. Die Berechnung des erforderlichen Teils während der Laufzeit der HPA1-Vereinbarung, die die in den Tabellen 34 und 35 angeführten Werte ergeben hat, bezieht sich somit nicht auf den gesamten Zeitraum von November 2002 bis Mai 2005, bei dem die Kommission gemeint hat, nachweisen zu können, dass die Rabatte, die die Klägerin HP gewährt habe, Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten. 308 Als Drittes ist festzustellen, dass sich aus dem Vorbringen der Kommission nichts anderes ergibt. 309 Zunächst macht die Kommission in der Gegenerwiderung geltend, dass sich das Ergebnis einer quartalsweisen Berechnung nicht wesentlich von dem Ergebnis der von ihr durchgeführten Gesamtberechnung unterscheide. 310 Dieses Vorbringen erfolgte aber auf die Erwiderung hin, um geltend zu machen, dass der Ansatz der angefochtenen Entscheidung, auf den Durchschnitt der bestreitbaren Teile der einzelnen Quartale abzustellen und den bestreitbaren Teil höchstens für einen Zeitraum von einem Jahr zu berechnen, durchaus damit zu vereinbaren sei, dass diese Berechnung für die gesamte Laufzeit der HPA1-Vereinbarung durchgeführt worden sei. Wenn bei den Berechnungen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen hat, die Daten zu den Monaten November und Dezember 2002 und zu den ersten drei Quartalen des Steuerjahres 2003 für die Laufzeit der HPA1-Vereinbarung nicht berücksichtigt worden sind, kommt es aber nicht darauf an, ob diese Berechnungen quartalsweise oder für den gesamten Zeitraum vorgenommen worden sind, da die Monate November und Dezember 2002 und die ersten drei Quartale des Steuerjahres 2003 in keinem Fall berücksichtigt worden sind. 311 Sodann nimmt die Kommission in der Klagebeantwortung und in der Gegenerwiderung zur Stützung ihres Vorbringens auf die Anlagen B.31 bzw. D.17 Bezug. 312 Zu der in der Klagebeantwortung vorgenommenen Bezugnahme auf Anlage B.31 ist festzustellen, dass der Text der Klageschrift zwar zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Abschnitte beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden kann, eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, jedoch nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen kann, die nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 76 der Verfahrensordnung des Gerichts in der Klageschrift enthalten sein müssen (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94). 313 Außerdem ist es nicht Sache des Gerichts, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 94). 314 Entsprechend kann eine Anlage einer Klageschrift nur insoweit berücksichtigt werden, als sie Argumente untermauert oder ergänzt, die der betreffende Kläger im Text der Klageschrift ausdrücklich angeführt hat, und als das Gericht genau zu bestimmen vermag, welche der in der Anlage enthaltenen Elemente diese Argumente untermauern oder ergänzen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission, T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 99). 315 Im vorliegenden Fall macht die Kommission in der Klagebeantwortung lediglich geltend, dass beim AEC‑Test auf den Zeitraum abzustellen sei, der in der angefochtenen Entscheidung untersucht werde, nämlich die gesamte Laufzeit der HPA1-Vereinbarung, ohne hierauf weiter einzugehen, und verweist ohne weitere Hinweise auf die Erklärungen in Anlage B.31. Das Gericht vermag nicht genau zu bestimmen, welche der in dieser Anlage enthaltenen Elemente das nicht näher ausgeführte Vorbringen der Kommission untermauern könnten. Nach der oben in den Rn. 312 bis 314 dargestellten Rechtsprechung, die hier analog angewandt wird, ist das Vorbringen der Kommission daher unzulässig. 316 In der Gegenerwiderung macht die Kommission unter Bezugnahme auf die Rn. 77 bis 82 der Anlage D.17 geltend, dass quartalsweise Berechnungen, bei denen ein von HP angegebener Wert zugrunde gelegt werde, zu Ergebnissen führten, die für die Klägerin weniger günstig seien als die durchschnittlichen Ergebnisse, auf die in der angefochtenen Entscheidung abgestellt werde. 317 Soweit die Kommission in Anlage D.17 der Gegenerwiderung eine Berechnung für zwei der drei fehlenden Quartale vorlegt, nämlich das zweite und dritte Quartal des Steuerjahres 2003, ist festzustellen, dass diese Berechnungen nicht aus der angefochtenen Entscheidung hervorgehen und erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgelegt werden. Das Gericht kann diese ergänzenden Berechnungen also nicht heranziehen, um den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen AEC‑Test zu stützen. Es würde sonst die Begründung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegeben hat, durch seine eigene ersetzen. Nach der oben in Rn. 150 angeführten Rechtsprechung ist eine solche Ersetzung der Begründung aber nicht zulässig. 318 Es ist aber ohnehin nicht erwiesen, dass die Annahme der Kommission, dass die Ergebnisse des erforderlichen Teils für die beiden fehlenden Monate und die drei fehlenden Quartale wegen der Stabilität der Rabatte während der Laufzeit der HPA1-Vereinbarung dieselben wären, zuträfe. Außerdem sind für die Bestimmungen des erforderlichen Teils drei Parameter maßgeblich: die Höhe der Rabatte, der Umfang der Käufe von HP und der ASP. In der angefochtenen Entscheidung ist aber nicht dargetan worden, dass die letzten beiden Parameter für die beiden fehlenden Monate und die drei fehlenden Quartale dieselben Werte gehabt hätten wie diejenigen, die bei der Prüfung der berücksichtigten Quartale festgestellt worden sind. Daher ist nicht gesagt, dass sich die Daten für die beim AEC‑Test nicht berücksichtigten Monate und Quartale nicht von denen unterscheiden, die für die untersuchten Quartale festgestellt worden sind. 319 Somit ist festzustellen, dass die Kommission zu Unrecht angenommen hat, dass sie aufgrund ihrer Berechnung des erforderlichen Teils Feststellungen zu der Frage treffen könne, ob die Rabatte, die die Klägerin HP gewährt hat, während des gesamten Zeitraums von November 2002 bis Mai 2005 Wettbewerber vom Markt verdrängt haben. Die Kommission hat nämlich nicht nachgewiesen, dass die Rabatte im Zeitraum von November 2002 bis September 2003 eine solche Wirkung gehabt hätten. 320 Dieser Fehler kann nicht durch die alternative Berechnung geheilt werden, die die Kommission im 1389. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter Zugrundelegung der im 1338. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angegebenen Zahlen durchgeführt hat. Aus den Tabellen 36 und 37 ergibt sich nämlich, dass sich die Daten zu dem erforderlichen Teil in den beiden alternativen Szenarien, die die Kommission untersucht hat, auf den Zeitraum vom vierten Quartal des Jahres 2004 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 bzw. auf den Zeitraum des zweiten und dritten Quartals des Jahres 2005 beziehen. Auch die alternative Berechnung erfasst mithin nicht den gesamten Zeitraum von November 2002 bis Mai 2005. 2) Zu den verstärkenden Faktoren 321 In den Erwägungsgründen 1390 bis 1395 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission im Wesentlichen aus, dass beim AEC‑Test zwei zusätzliche Umstände nicht berücksichtigt würden, nämlich erstens, dass sie die Zahlen zugrunde gelegt habe, die der Klägerin am Günstigsten seien, und zweitens, dass die Klägerin, wenn HP x86-Prozessoren bei AMD bezogen hätte, die Rabatte, die ursprünglich für HP gedacht gewesen seien, einem Wettbewerber, der ihre x86-Prozessoren verwende, etwa Dell, hätte gewähren können. Dies verstärke für HP noch die Nachteile eines Bezugs von x86-Prozessoren bei AMD. 322 Die Klägerin macht erstens geltend, dass die Kommission nicht dargetan habe, inwieweit eine Erhöhung der Rabatte, die Wettbewerbern von HP gewährt würden, um sich dem Wettbewerb anzupassen, wettbewerbswidrig sein solle. Zweitens sei dem Dokument „Managing Intel and AMD to maximise value to BPC“ von HP zu entnehmen, dass HP zu dem Schluss gekommen sei, dass eine solche Maßnahme kein reales Risiko darstelle und dass ein solches Phänomen bei anderen weltweit operierenden Handelsunternehmen, bei denen der Anteil von AMD-Produkten höher sei, nicht beobachtet worden sei. Drittens hätte HP, wenn sie von AMD 1 Mio. x86-Prozessoren kostenlos erhalten hätte, 163,86 Mio. USD (ASP ohne Rabatte von 1 Mio. x86-Prozessoren) nicht an sie zahlen müssen. Die Rabatte von ihr, die in der HPA1-Vereinbarung vorgesehen seien, beliefen sich insgesamt auf lediglich 130 Mio. USD. HP hätte also, um die entsprechende Menge an x86-Prozessoren bei ihr zu beziehen, rund 34 Mio. USD zahlen müssen. HP hätte das Angebot von AMD daher zwangsläufig aus dem einfachen Grund zurückgewiesen, dass die Nachfrage nach mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüsteten Systemen nicht hoch genug sei. Der potenzielle Verlust der von ihr gewährten Rabatte wäre nicht ausschlaggebend gewesen. Viertens ergebe sich aus dem Dokument „Managing Intel and AMD to maximise value to BPC“ von HP auch, dass gar nicht sicher gewesen sei, ob AMD auf dem Markt für Business-Computer akzeptiert werde. 323 Die Kommission macht erstens geltend, dass die Möglichkeit einer Übertragung von Rabatten auf Wettbewerber von HP die wirtschaftlichen Anreize für HP, nicht gegen die Bedingungen der HPA-Vereinbarungen zu verstoßen, erhöhe. Zweitens werde in dem Dokument „Managing Intel and AMD to maximise value to BPC“ von HP nicht auf die Übertragung von Rabatten auf Wettbewerber eingegangen. Drittens seien für die Entscheidung von HP, das Angebot von AMD, ihm kostenlos 1 Mio. x86-Prozessoren zu liefern, nicht anzunehmen, nicht allein ein rein rechnerischer Vergleich ausschlaggebend gewesen. Anders als beim AEC‑Test, der rein theoretisch sei, würden echte geschäftliche Entscheidungen durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Außerdem seien die Berechnungen der Klägerin nicht richtig. HP, der nach den HPA-Vereinbarungen in kleinen Mengen Prozessoren bei AMD habe beziehen können, habe dort letztendlich 160000 x86-Prozessoren bezogen. HP habe also nicht 1 Mio. x86-Prozessoren abgelehnt, sondern lediglich 840000. Unter Zugrundelegung eines ASP von 163,86 USD pro Einheit betrage die Ersparnis lediglich 137,6 Mio. USD. Dieser Betrag unterscheide sich nicht wesentlich von den 130 Mio. USD der HPA-Rabatte. 324 Bevor auf die Frage eingegangen werden wird, ob die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Ausführungen der Kommission zu dem dort festgestellten verstärkenden Faktor der Übertragung von ursprünglich HP gewährten Rabatten auf Wettbewerber von HP tatsächlich fehlerhaft sind, ist festzustellen, dass in der angefochtenen Entscheidung nicht geprüft wird, welche Auswirkungen dieser Faktor auf die beim AEC‑Test berücksichtigten Gesichtspunkte hat. 325 Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine fehlende oder unzureichende Begründung aber eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 263 AEUV dar und ist ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und muss (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). 326 Danach ist das Gericht verpflichtet, über einen etwaigen Verstoß gegen die Begründungspflicht zu entscheiden und hierzu die Parteien anzuhören, wie es es in der mündlichen Verhandlung von 2020 getan hat. 327 Nach ständiger Rechtsprechung hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext ab, in dem dieser erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und dass der Unionsrichter die ihm obliegende Rechtmäßigkeitskontrolle wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Aspekte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 18. Januar 2012, Djebel – SGPS/Kommission, T‑422/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:11, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). 328 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission, obwohl sie angenommen hat, dass die Übertragung der ursprünglich für HP bestimmten Rabatte auf Wettbewerber von HP einen verstärkenden Faktor darstelle, der die Schlussfolgerungen, die sie aus dem AEC‑Test gezogen habe, stütze, nicht angegeben hat, welche der im AEC‑Test berücksichtigten Gesichtspunkte beeinflusst werden und auf welche Weise sie beeinflusst werden. Da die Kommission angenommen hat, dass dieser verstärkende Faktor bei der Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, eine Rolle spiele, hätte sie aber näher auf die Frage eingehen müssen, wie er sich insoweit auswirkt. Dies gilt umso mehr, als die Kommission im 1395. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass er geeignet sei, die Argumente, die die Klägerin im Verwaltungsverfahren zu den Faktoren vorgebracht habe, auf die sie bei dem bei HP durchgeführten AEC‑Test abgestellt habe, allesamt zu entkräften. 329 In der mündlichen Verhandlung von 2020 hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts zu ihrer Erwägung, dass dieser verstärkende Faktor der Übertragung der ursprünglich HP gewährten Rabatte auf einen Wettbewerber von HP alle Fehler, die die angefochtene Entscheidung enthalte, ausgleiche und zu den in der angefochtenen Entscheidung insoweit enthaltenen Ausführungen lediglich vorgetragen, dass kein verständiger Handelspartner das Angebot von AMD, ihm 1 Mio. x86-Prozessoren kostenlos zu liefern, abgeschlagen hätte. HP habe das Angebot von AMD daher nur wegen der Folgen abgelehnt, die eine Annahme für ihre Geschäftsbeziehung mit der Klägerin gehabt hätte. Den Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung sei nichts hinzuzufügen. 330 Daher ist, ohne dass darüber entschieden zu werden braucht, ob das Argument, das die Kommission in der mündlichen Verhandlung von 2020 vorgebracht hat, zulässig ist, festzustellen, dass es sich dabei um eine bloße Annahme handelt, die nicht belegt ist. Sie vermag das Fehlen einer Begründung in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Auswirkungen des verstärkenden Faktors der Übertragung der ursprünglich HP gewährten Rabatte an einen Wettbewerber von HP auf die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus dem AEC‑Test gezogen hat, nicht auszugleichen. 331 Was den verstärkenden Faktor der Übertragung der ursprünglich HP gewährten Rabatte auf einen Wettbewerber von HP angeht, leidet die angefochtene Entscheidung mithin unter einem Begründungsmangel. 332 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kommission ihre Feststellung, dass sie nachgewiesen habe, dass die HP gewährten Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, im 1406. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf den Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil, die verstärkenden Faktoren und die fehlende Relevanz des Vorbringens der Klägerin zu einer „neuen Theorie“ der Kommission gestützt hat. 333 Wie aus den Erwägungsgründen 1396 bis 1405 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat die Kommission mit ihren Ausführungen zur fehlenden Relevanz des Vorbringens der Klägerin zu einer „neuen Theorie“ der Kommission keinen alternativen AEC‑Test durchgeführt. Vielmehr werden die neuen Berechnungen, die die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 28. März 2008 vorgelegt hatte, in Zweifel gezogen. Es handelt sich mithin nicht um Ausführungen der Kommission, mit denen dargetan werden sollte, dass die streitigen Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 334 Hinsichtlich des bei HP durchgeführten AEC‑Tests ist festzustellen, dass sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, dass die Kommission zum einen beim Vergleich des bestreitbaren Teils mit dem erforderlichen Teil nicht nachgewiesen hat, dass die in Rede stehenden Rabatte im Zeitraum vom 1. November 2002 bis zum 30. September 2003 geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, und zum anderen, ihre Feststellungen zu den verstärkenden Faktoren nicht hinreichend begründet hat. 335 Die Kommission hat daher rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass die im 1406. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass die Rabatte, die die Klägerin HP gewährt hat, im Zeitraum von November 2002 bis Mai 2005 möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten, zuträfe. Sie hat nämlich nicht nachgewiesen, dass die Rabatte im Zeitraum vom 1. November 2002 bis zum 30. September 2003 eine solche Wirkung gehabt hätten. c) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem bei NEC durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen 336 In den Erwägungsgründen 451 bis 453 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass NEC weltweit einer der zehn größten Verkäufer von Computern und Servern sei. Bis April 2005 seien die Geschäfte von NEC, was die Herstellung von Computern angehe, von zwei 100%igen Tochtergesellschaften, NEC Japan und NEC Computer International (im Folgenden: NECCI), betrieben worden. Die Geschäfte von NEC seien in Japan und in Amerika von NEC Japan, und im Rest der Welt von NECCI betrieben worden. NECCI habe seinen Sitz in Europa gehabt, die Geschäfte von NEC über seine Niederlassung für die Länder der Region Asien-Pazifik aber auch in Asien (mit Ausnahme von Japan) betrieben. Im April 2005 habe die Struktur des Unternehmens eine Änderung erfahren. Die für die Länder der Region Asien-Pazifik zuständige Niederlassung sei von NECCI abgespalten und auf die NEC Corporation übertragen worden. 337 Aus den Erwägungsgründen 483, 501, 502 und 981 der angefochtenen Entscheidung geht ferner hervor, erstens, dass die Klägerin NEC von Oktober 2002 bis November 2005 aufgrund der im Mai 2002 getroffenen „Vereinbarung von Santa Clara“ (im Folgenden: Vereinbarung von Santa Clara) Rabatte gewährt habe, zweitens, dass die gemäß dieser Vereinbarung gewährten Rabatte faktisch an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass NEC weltweit 80 % seiner x86-Prozessoren bei der Klägerin beziehe, NECCI 70 % und NEC Japan 90 %, und drittens dass NEC und NECCI, um nachzuweisen, dass sie den erforderlichen Marktanteil erreicht hätten, verpflichtet gewesen seien, der Klägerin quartalsweise ihre Marktanteile mitzuteilen. 338 Die Klägerin gibt an, dass sie NEC gemäß der Santa-Clara-Vereinbarung sowohl Rabatte als „Ausnahme von der vom Kunden genehmigten Preisgestaltung“ (exception to customer authorized pricing, im Folgenden: ECAP) als auch Zahlungen zur Entwicklung des Markts (market development funds, im Folgenden: MDF) gewährt habe. Die Kommission stellt im 466. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass sich die Struktur der Zahlungen der Klägerin ab dem 1. Juli 2003 geändert habe und dass die MDF in die ECAP integriert worden seien, die dann in „super ECAP“ umbenannt worden seien. 339 Die Kommission hat die Rabatte, die die Klägerin NEC gewährt hat, im Rahmen des AEC‑Tests nach der Methode des effektiven Preises untersucht. Um diesen zu beziffern, hat sie danach das Verhältnis zwischen dem Wert der gesamten Zahlungen, die gemäß der Vereinbarung von Santa Clara gewährt wurden, und dem Wert der Umsätze, um die es für die Klägerin im vierten Quartal des Jahres 2002 ging, bestimmt. Sodann hat sie diesen Quotienten mit dem Quotienten ASP/AAC der Klägerin verglichen. Sie ist zu dem Schluss gelangt, dass die Klägerin Preise angewandt habe, die unter ihren Kosten gelegen hätten, da der erstgenannte Quotient niedriger gewesen sei als der letztgenannte. 340 Die Klägerin macht geltend, dass die Berechnungen der Kommission unter fünf Fehlern litten, die jeweils für sich genommen genügten, um die Schlussfolgerungen, die die Kommission gezogen habe, zu entkräften. Sie macht erstens geltend, dass die eigenen Zahlen der Kommission zeigten, dass die NEC gewährten Rabatte nicht geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, zweitens, dass der Kommission bei der Berechnung des bedingten Teils der NEC gewährten Rabatte Fehler unterlaufen seien, drittens, dass die Kommission den Wert der Umsätze, um die es für sie gegangen sei, nicht richtig berechnet habe, viertens, dass die Kommission bei der Bestimmung ihrer AAC einen falschen Wert zugrunde gelegt habe, und fünftens, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass das vierte Quartal des Jahres 2002 für den gesamten Zeitraum, für den der Missbrauch festgestellt worden sei, repräsentativ sei. 341 Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst auf die Frage einzugehen, ob das Vorbringen, der Kommission seien bei der Berechnung des bedingten Teils der Rabatte Fehler unterlaufen, begründet ist. 1) Zu der Berechnung des bedingten Teils der Rabatte 342 Die Klägerin macht geltend, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 1408, 1443 und 1444 der angefochtenen Entscheidung angenommen habe, dass die Rabatte, die NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 gewährt worden seien, allesamt bedingte Rabatte gewesen seien. Erstens finde diese Annahme in den in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweisen keine Stütze und werde durch die eindeutigen Antworten, die NECCI gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gegeben habe und weitere Beweise dafür, dass die 6 Mio. USD MDF, die im vierten Quartal des Jahres 2002 gezahlt worden seien, der einzige Vorteil gewesen sei, der NEC nach der in der Vereinbarung von Santa Clara vorgesehenen Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Marktanteile gewährt worden sei, widerlegt. Die Kommission habe daher zu Unrecht angenommen, dass die ECAP unter einer Bedingung gewährt worden seien. Zweitens seien NEC von ihr in den Zeiträumen vor der Vereinbarung von Santa Clara, als ihr Marktanteil bei den Käufen von NEC deutlich unter 80 % gelegen habe, erhebliche Rabatte gewährt worden. Die Kommission sei eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum NEC ihre Rabatte zu 100 % verloren hätte, wenn er weniger als 80 % seiner x86-Prozessoren bei ihr, der Klägerin, bezogen hätte, obwohl er dies bereits getan habe, ohne ihre Rabatte zu verlieren. Drittens sei unstreitig, dass sie NEC Rabatte gewährt habe, obwohl sein Marktanteil keine 80 % betragen habe, was nach den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen Voraussetzung für jegliche Rabatte gewesen sei. 343 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht erstens geltend, dass sie in der angefochtenen Entscheidung nicht angenommen habe, dass die NEC gewährten Rabatte allesamt bedingte Rabatte gewesen seien. In der angefochtenen Entscheidung werde lediglich festgestellt, dass zu dem bedingten Teil der Rabatte der Klägerin nicht nur die MDF‑Zahlungen, sondern auch bestimmte – aber nicht unbedingt alle – Arten von ECAP-Rabatten gehört hätten. Diese Feststellung beruhe auf einem kohärenten, genauen und belastbaren Bündel von Beweisen, die in den Erwägungsgründen 1412 bis 1444 der angefochtenen Entscheidung und in Anlage B.31 der Klagebeantwortung angeführt seien. 344 Das Vorbringen der Klägerin, es seien in den Zeiträumen vor der Vereinbarung von Santa Clara erhebliche Rabatte gewährt worden, überzeuge nicht. Es sei nicht bekannt, unter welchen Bedingungen früher Rabatte gewährt worden seien. Außerdem gehe aus denen von NECCI gelieferten Daten hervor, dass die Klägerin NECCI nach der Vereinbarung von Santa Clara etwa 500 % mehr Rabatte gewährt habe. 345 Zu dem Vorbringen der Klägerin, dass sie NEC Rabatte gewährt habe, obwohl dieses Unternehmen die Voraussetzung eines Marktanteils von 80 % nicht erfüllt habe, macht die Kommission im Zusammenhang mit dem AEC‑Test schließlich geltend, dass sich der Marktanteil von AMD bei NEC, unterstellt, die Behauptung der Klägerin, dass er „regelmäßig“ über 20 % gelegen habe, träfe zu, zu keinem Zeitpunkt dem bestreitbaren Teil (41 %) angenähert habe. 346 Bei dem Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die ECAP unter einer Bedingung gewährt worden seien, ist zu prüfen, ob die Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargetan hat, dass die Rabatte, die bei der Berechnung des effektiven Preises der x86-Prozessoren, die NEC bei der Klägerin bezogen hat, berücksichtigt wurden und bei denen es sich nicht um die MDF handelt, d. h. die ECAP, unter der Bedingung gewährt worden sind, dass NEC seine Verpflichtung erfüllt, einen gewissen Prozentsatz seiner x86-Prozessoren bei der Klägerin zu beziehen. 347 In den Erwägungsgründen 1415 bis 1444 der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission davon aus, dass der Wert der bedingten Rabatte insgesamt zwischen 13088100 USD und 16583100 USD betragen habe, wobei es sich bei 6 Mio. USD um MDF und beim Rest um ECAP gehandelt habe. 348 Würde man zu dem Ergebnis gelangen, dass die ECAP nicht unter der Bedingung eines ganz bestimmten Marktanteils gewährt worden sind, würde dies also zwangsläufig die Berechnungen in Frage stellen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung durchgeführt hat. 349 Somit ist anhand der Beweise zu dem vierten Quartal des Jahres 2002, auf das die Kommission bei dem bei NEC durchgeführten AEC‑Test abgestellt hat, zu prüfen, ob in diesem Quartal andere Zahlungen als MDF unter der Bedingung geleistet worden sind, dass NEC bei der Klägerin in Höhe eines bestimmten Anteils am Marktsegment (market segment share, im Folgenden: MSS) Produkte bezieht. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass sie NEC gemäß der Vereinbarung von Santa Clara sowohl MDF‑ als auch ECAP-Rabatte gewährt hat. Sie macht jedoch geltend, dass die ECAP-Rabatte anders als die MDF‑Rabatte nicht unter der Bedingung eines bestimmten MSS gewährt worden seien. 350 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise nicht die Feststellung untermauerten, dass die ECAP-Rabatte im vierten Quartal des Jahres 2002 unter einer Bedingung gewährt worden wären. Sie verweist auf andere Dokumente, aus denen sich ergebe, dass allein die MDF‑Rabatte an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass NEC seine Verpflichtung erfülle, einen bestimmten MSS zu erreichen. Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie macht geltend, dass die Beweise, auf die sich die Klägerin berufe, nicht bewiesen, dass allein die MDF‑Rabatte an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass NEC die Verpflichtung erfülle, bei der Klägerin Produkte in Höhe eines bestimmten MSS zu beziehen. i) Zu den in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweisen 351 Als Erstes ist festzustellen, dass sich die Kommission in den Erwägungsgründen 461 und 464 der angefochtenen Entscheidung auf eine Präsentation von NEC vom 27. Januar 2003 mit dem Titel „NEC/Intel Meeting Welt (Meeting über die Einkäufe)“ gestützt hat, insbesondere auf S. 4 dieser Präsentation mit der Überschrift „Welt: Umsätze viertes Quartal/Jahr 2002“. Der Inhalt dieser Seite bestätigt unter der Überschrift „Ursprünglicher Plan“, dass NEC die Absicht hatte, seinen Bedarf lediglich zu 59 % bei der Klägerin zu decken, NEC Japan, die insbesondere auf dem japanischen Markt tätige Niederlassung von NEC, zu 68 % und NECCI zu 48 %. Außerdem sind auf S. 4 der Präsentation unter der Überschrift „Anpassungsplan“ zum einen die vorgesehenen Marktanteile der Klägerin angegeben, nämlich bei NECCI 70 %, bei NEC Japan 90 % und weltweit 80 %, und zum anderen bestimmte Rabatte und andere Vorteile, die die Klägerin NEC gewähren werde. Es handelt sich insbesondere um die MDF, ermäßigte Preise (Rabatte) für x86-Prozessoren, den „Status eines multinationalen Unternehmens“ und eine Vereinbarung über einen Lieferkanal. 352 Zwar werden in diesem Dokument, das sowohl nach dem Abschluss der Vereinbarung von Santa Clara als auch nach dem betreffenden Quartal erstellt wurde, ermäßigte Preise, also ECAP, als einer der Vorteile genannt, die NEC nach dieser Vereinbarung gewährt wurden, und wird bestätigt, dass die ECAP zu dieser Vereinbarung gehörten, was von der Klägerin nicht bestritten wird. Aus dem Dokument geht aber nicht hervor, dass die ECAP an die Bedingung eines bestimmten MSS geknüpft gewesen wären. Das Dokument stellt mithin allenfalls ein Indiz dar, das durch andere Beweise bestätigt werden müsste. 353 Als Zweites ist festzustellen, dass in den Erwägungsgründen 462 und 464 der angefochtenen Entscheidung eine E-Mail vom 15. Mai 2002 herangezogen wird, in der ein hochrangiges Mitglied der Geschäftsleitung von NEC ein Mitglied der Geschäftsleitung von NECCI über die Ergebnisse einer Videokonferenz, die am selben Tag mit Verantwortlichen der Klägerin stattgefunden habe, unterrichtet und mitteilt, dass NEC den Status eines multinationalen Unternehmens haben werde, dass NEC beim Kauf von x86-Prozessoren den Anteil der Klägerin weltweit auf einen gewissen Prozentsatz ihrer Gesamtverkäufe anheben werde und dass die Klägerin NEC MDF und „aggressive Preise“, d. h. reduzierte Preise, für die x86-Prozessoren „Celeron“ gewähren werde. 354 Wie das Dokument vom 27. Januar 2003 lässt auch dieses Dokument aus der Zeit des Abschlusses der Vereinbarung von Santa Clara keinen Zusammenhang zwischen den Marktanteilen und der Existenz oder gar dem Umfang der ECAP erkennen. Selbst unterstellt, man könnte annehmen, dass mit „aggressiven Preisen“ die ECAP gemeint sind, würde daraus lediglich hervorgehen, dass sie Bestandteil der Vereinbarung von Santa Clara sind und dass sie in dem Kontext der Ziele der Steigerung des Marktanteils der Klägerin bei den x86-Prozessoren, die NEC kauft, erwähnt werden. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, dass die ECAP an die Bedingung geknüpft wären, dass NEC diese Ziele erreicht. 355 Als Drittes ist festzustellen, dass sich die Kommission im 462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf einen E-Mail-Wechsel bezieht, der am 10. Mai 2002 zwischen Mitgliedern der Geschäftsleitung von NEC erfolgt ist (im Folgenden: E-Mail-Wechsel von NEC vom 10. Mai 2002). Darin wird beschrieben, wie NECCI und NEC Japan die von der Klägerin geforderten MSS erreichen könnten, und es werden die Beträge genannt, die man als MDF erhalten werde. 356 In diesem E-Mail-Wechsel, der vor dem Abschluss der Vereinbarung von Santa Clara im Rahmen der Verhandlungen zu dieser Vereinbarung erfolgt ist, werden die ECAP, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, jedoch mit keinem Wort erwähnt, so dass er die Feststellung der Kommission zur Bedingtheit der ECAP nicht zu untermauern vermag. Der E-Mail-Wechsel bestätigt vielmehr die Auffassung der Klägerin, dass von den Rabatten allein die MDF‑Rabatte von ihren Marktanteilen bei den Einkäufen von NEC abhängen. Aus dem Wortlaut des E-Mail-Wechsels geht nämlich hervor, dass NECCI und NEC die Marktanteile von AMD bei ihren Einkäufen reduzieren werden und als MDF einen bestimmten Betrag erhalten werden. Mithin sind die MDF die Folge der Senkung des Marktanteils von AMD und der einzige Vorteil, der unmittelbar von den jeweiligen Marktanteilen von AMD und der Klägerin bei den Käufen von NEC abhängt. 357 Als Viertes ist festzustellen, dass die Kommission im 464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Antwort von NECCI auf Frage Nr. 14 des Auskunftsverlangens von 2005 gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 (im Folgenden: Auskunftsverlangen von 2005) erwähnt. Sie meint, dass sich daraus ergebe, dass die ECAP von den MSS abhingen. Die Klägerin macht hingegen im Wesentlichen geltend, dass die ECAP gemeint seien, die nach dem vierten Quartal des Jahres 2002 gegolten hätten. 358 Hierzu ist festzustellen, dass es in der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 14 des Auskunftsverlangens von 2005 am Anfang des zweiten Absatzes tatsächlich heißt, dass die ECAP von einer Vereinbarung über die MSS und nicht über die Volumina abhingen. 359 Wie bereits in Rn. 967 des ersten Urteils festgestellt, handelt es sich bei den Antworten von NECCI gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 um besonders glaubwürdige Beweise. Es ist nicht ersichtlich, welches Interesse NECCI daran gehabt haben sollte, unzutreffende Angaben zu machen, die von der Kommission hätten dazu verwendet werden können, um eine von der Klägerin, dem unumgänglichen Handelspartner von NECCI, begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 102 AEUV festzustellen. Außerdem können wegen unrichtiger Angaben gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1/2003 Geldbußen verhängt werden. 360 Aufgrund des Kontexts der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 14 des Auskunftsverlangens von 2005 gelangt das Gericht jedoch zu der Einschätzung, dass diese nicht als Beweis oder Indiz dienen kann, um die Feststellung der Kommission zu stützen. 361 Denn erstens war das Auskunftsverlangen von 2005 so gestaltet, dass es zu jedem Dokument, das genannt wurde, eine oder mehrere Fragen enthielt. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung von 2020 auf eine Frage des Gerichts bestätigt hat, bezieht sich die Antwort auf Frage Nr. 14 auf das Dokument „JH 210“. Darin geht es um eine Aussage eines Verkäufers von NECCI vom 22. Februar 2005. Das Dokument „JH 210“ ist mithin nach diesem Datum erstellt worden und somit nach dem vierten Quartal des Jahres 2002 und dem Zeitpunkt der Änderung des Systems der Rabatte, die die Klägerin NEC gewährt hat, nämlich dem 1. Juli 2003. Die Antwort von NECCI auf Frage Nr. 14 betrifft mithin ein Dokument und eine Erklärung, bei denen nicht gewiss ist, dass sie unmittelbar für das relevant sind, was die Kommission beweisen wollte. Sie betreffen nämlich einen Zeitraum nach dem 1. Juli 2003, d. h. einen Zeitraum, in dem sich die Struktur der Zahlungen der Klägerin geändert hatte und die MDF in die klassischen ECAP-Rabatte integriert wurden, die dann „super ECAP“ genannt wurden. 362 Zweitens ist vor dem Hintergrund dieser Bemerkungen zum zeitlichen und allgemeinen Kontext nicht sicher, ob in der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 14 des Auskunftsverlangens von 2005 mit den ECAP allgemein die von der Klägerin gewährten Rabatte, die „super-ECAP“ (auch „Spezial-ECAP“ genannt), die ab dem 1. Juli 2003 existierten und die MDF ersetzten, aber in die allgemeine Kategorie der ECAP integriert waren, oder die klassischen ECAP, die einfach ECAP genannt werden und sowohl im vierten Quartal des Jahres 2002 als auch nach der Änderung des Rabattsystems existierten, gemeint sind. Wie sich insbesondere aus der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 20 des Auskunftsverlangens von 2005 ergibt, waren die „super-ECAP“ sowie die MDF, durch die sie ersetzt wurden, an die Bedingung eines bestimmten MSS geknüpft, während die ECAP dies nicht waren. 363 Als Fünftes ist festzustellen, dass die Kommission im 464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf eine interne Präsentation von NEC vom 15. Mai 2002 eingeht, die in der Zeit gehalten worden sein soll, in der die Vereinbarung von Santa Clara ausgehandelt worden sei. Aus der Präsentation gehe hervor, dass die Klägerin NEC gegen einen bestimmten MSS zwölf Zahlungen zugestanden habe, von denen lediglich zwei MDF seien. 364 In dem aus zwei Seiten bestehenden Dokument werden zwei MDF‑Zahlungen dargestellt, die die Klägerin NEC zugestanden hat, sowie andere Preise für verschiedene Arten von x86-Prozessoren. Hingegen finden sich keine Angaben zu einer Verpflichtung von NEC, einen bestimmten MSS zu erreichen. Seite 2 enthält eine Grafik, in der der Übergang vom ursprünglichen Plan zum überarbeiteten Plan, d. h. zum Plan der Neuausrichtung, der in der Vereinbarung von Santa Clara münden werde, dargestellt ist. Außerdem werden die einzelnen Ziele hinsichtlich der Marktanteile der Klägerin bei den Käufen von x86-Prozessoren durch NEC dargestellt. Der Übergang vom ursprünglichen Plan zum Plan der Neuausrichtung wird grafisch durch einen Pfeil zwischen den beiden Plänen dargestellt, bei dem in der Mitte „$6M MDF“ steht, d. h. die Zahlung von 6 Mio. USD als MDF. In dem Dokument erscheint allein diese Zahlung eindeutig als Gegenleistung für die Erhöhung der MSS. Das Dokument bestätigt mithin zwar wie die ersten beiden Dokumente, die analysiert wurden, dass im Rahmen der Verhandlungen, die zur Vereinbarung von Santa Clara geführt haben, über die ECAP gesprochen wurde. Aber nur die MDF waren von den MSS abhängig. 365 Als Sechstes ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen ihrer Verteidigung auf S. 4 einer internen Präsentation von NEC vom 15. April 2002 verweist, aus der sich ergebe, dass NEC als Gegenleistung für die Erhöhung des Marktanteils der Klägerin bei den Käufen von NEC insbesondere die Gewährung von ECAP verlangt habe. 366 Aus der Präsentation ergebe sich ferner, dass NEC drei Forderungen bestimmt habe, die an die Klägerin gestellt werden sollten, um die MSS der Klägerin bei den Einkäufen von NEC zu erhöhen. Es handele sich um Forderungen nach einem „Marketing & Engineering Fund“ (womit wahrscheinlich die MDF gemeint sind) aber auch nach ECAP und der Verbesserung der vertraglichen Beziehungen zur Klägerin. 367 Das Gericht gelangt jedoch zu der Einschätzung, dass diese Präsentation die von der Kommission getroffenen Feststellungen nicht zu stützen vermag. 368 In dem Dokument werden die ECAP zwar als eine der Gegenleistungen für die Annahme des Plans der Neuausrichtung dargestellt. Es handelt sich aber um eine Zielvorstellung von NEC vor den Verhandlungen mit der Klägerin, und nicht um eine Darstellung der Rabatte, wie sie am Ende in der Vereinbarung von Santa Clara festgelegt worden sind. 369 Als Siebtes ist festzustellen, dass die Kommission im Rahmen ihrer Verteidigung auf eine Präsentation von NEC vom 6. Mai 2002 verweist, die eine weitere grafische Darstellung des möglichen Wechsels von NEC vom ursprünglichen Plan zum Plan der Neuausrichtung enthält. Der Wechsel wird grafisch dargestellt durch einen Pfeil und einen Kommentar zu diesem Pfeil, in dem es heißt, dass er „von mehr als 6 Mio. USD MDF abhängen [wird]“. Ferner ist auf einer anderen Seite der Präsentation von einem „Bedarf an ECAP zur Verwirklichung des [Plans der Neuausrichtung]“ die Rede. 370 Wie bei der Präsentation von NEC vom 15. April 2002 ist aber auch hier festzustellen, dass es sich zwar um ein Dokument handelt, das erstellt wurde, als über die Vereinbarung von Santa Clara verhandelt wurde (Sitzungen vom 6. und 7. Mai 2002), aber nicht die Ergebnisse dieser Verhandlungen dargestellt werden, sondern lediglich die Zielvorstellungen von NEC. Das Dokument ist deshalb aus den oben in Rn. 368 dargestellten Gründen zurückzuweisen. 371 Somit ist festzustellen, dass sich aus den Dokumenten, die die Kommission herangezogen hat, insgesamt ergibt, dass die Rabatte auf die Preise der x86-Prozessoren, u. a. die ECAP, im Rahmen der Verhandlungen über die Vereinbarung von Santa Clara besprochen und festgelegt wurden und dass NEC als Gegenleistung für seine Verpflichtungen hinsichtlich der MSS Zugeständnisse auf der Ebene der ECAP erhalten wollte. Aber allein die Präsentation von NEC vom 27. Januar 2003 stellt ein Indiz dar, das die Auffassung der Kommission stützt, dass die am Ende im Rahmen der Vereinbarung von Santa Clara vereinbarten ECAP zumindest teilweise als Gegenleistung für die Beachtung der Verpflichtung betreffend einen MSS gemäß dem Plan der Neuausrichtung gewährt worden seien. Hingegen sprechen der E‑Mail-Wechsel von NEC vom 10. Mai 2002, die Antwort von NECCI auf Frage Nr. 20 des Auskunftsverlangens von 2005 und die interne Präsentation von NEC vom 15. Mai 2002 eher dafür, dass allein die im Rahmen der Vereinbarung von Santa Clara vereinbarten MDF unter einer Bedingung gewährt worden sind. 372 Das Gericht gelangt deshalb zu der Einschätzung, dass diese Dokumente keine hinreichenden Beweise und kein hinreichendes Bündel von Indizien enthalten, um die Annahme, dass die ECAP im vierten Quartal des Jahres 2002 unter einer Bedingung gewährt worden seien, zu bestätigen. ii) Zu den von der Klägerin vorgebrachten Beweisen 373 Es ist nun zu prüfen, welchen Beweiswert die Dokumente haben, auf die sich die Klägerin bezieht, um die Feststellung der Kommission, dass sowohl die MDF als auch die ECAP unter einer Bedingung gewährt worden seien, in Zweifel zu ziehen. 374 Als Erstes ist zu dem Vorbringen der Klägerin, dass sich aus der Antwort auf Frage Nr. 32 des Auskunftsverlangens von 2005 in keiner Weise ergebe, dass die ECAP unter der Bedingung eines bestimmten MSS gewährt worden wären, festzustellen, dass die Kommission NECCI ausdrücklich darum ersucht hat, für den Fall, dass ihr als Gegenleistung für die Beachtung der Verpflichtung betreffend einen bestimmten MSS gemäß dem Plan der Neuausrichtung ein Vorteil gewährt worden sein sollte, anzugeben, um welche Art von Vorteil es sich dabei gehandelt habe. In ihrer Antwort hat NECCI aber lediglich die MDF angeführt. Die MDF werden in diesem Dokument, in dem das Ergebnis der Vereinbarung von Santa Clara dargestellt wird, mithin als einzige Gegenleistung für die Beachtung der MSS dargestellt. Sie wären damit die einzigen, die unter einer Bedingung gewährt worden wären. 375 Die Kommission hat Zweifel am Beweiswert dieses Dokuments geäußert. Sie macht geltend, dass sich aus den Dokumenten, die der Antwort von NECCI als Anlage beigefügt gewesen seien, ergebe, dass die ECAP unter einer Bedingung gewährt worden seien. Die Kommission beschränkt sich darauf, die vertraulichen Anlagen 32.1 bis 32.4 zu nennen. Die ersten beiden dieser Anlagen lassen sich identifizieren, nicht aber die letzten beiden. Anlage 32.1 entspricht dem E‑Mail-Wechsel von NEC vom 10. Mai 2002, auf den im 462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung eingegangen wird. Er ist oben in den Rn. 355 und 356 analysiert worden. Es ist dort festgestellt worden, dass er die Annahme der Klägerin bestätigt. Anlage 32.2 entspricht dem Dokument, das oben in den Rn. 353 und 354 analysiert worden ist. Es ist dort festgestellt worden, dass es nicht beweist, dass die ECAP unter einer Bedingung gewährt worden wären. 376 Somit ist festzustellen, dass es der Kommission, die lediglich auf die genannten Anlagen verwiesen hat, ohne hierzu weitere Ausführungen zu machen, nicht gelungen ist, den Beweiswert der Antwort von NECCI (siehe oben, Rn. 371), der hoch ist, weil es sich um eine ausführliche Antwort auf eine direkte, gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gestellte Frage handelt, in Zweifel zu ziehen. Die Antwort von NECCI auf Frage Nr. 32 des Auskunftsverlangens von 2005 bestätigt daher die These, dass allein die im Rahmen der Vereinbarung von Santa Clara vereinbarten MDF unter einer Bedingung gewährt worden sind, nicht aber die ECAP. 377 Als Zweites hat die Kommission NECCI mit Frage Nr. 21 des Auskunftsverlangens von 2005 insbesondere darum ersucht, Angaben dazu zu machen, ob die ECAP-Rabatte, die ihm gewährt worden seien, an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass NECCI, NEC Japan und NEC gemäß der Vereinbarung von Santa Clara weltweit bestimmte MSS eingehalten hätten, und welche Folgen es gehabt hätte, wenn er diese Verpflichtungen in einem bestimmten Quartal nicht eingehalten hätte. 378 NECCI hat darauf geantwortet, dass die „speziellen ECAP“, die „super-ECAP“ und die MDF, die ihm gewährt worden seien, in der Tat an die Bedingung geknüpft gewesen seien, dass NECCI, NEC Japan und NEC weltweit bestimmte MSS eingehalten hätten. Die ECAP hingegen seien im Gegensatz zu den „speziellen ECAP“ und den „super-ECAP“ nicht unter der Bedingung gewährt worden, dass ein bestimmter MSS eingehalten werde. Sie seien lediglich das Ergebnis von Geschäftsverhandlungen gewesen. NECCI hat ferner geantwortet, dass er zur Zeit der Anwendung der weltweiten MDF, wenn er in einem bestimmten Quartal seine Verpflichtungen zur Einhaltung der betreffenden MSS nicht erfüllt hätte, keine MDF‑Zahlung erhalten hätte. Wenn er zu der Zeit, als er auf das Auskunftsverlangen von 2005 geantwortet habe, in einem bestimmten Quartal seine MSS-Verpflichtung nicht erfüllt hätte, hätte sich dies darüber hinaus auch negativ auf die Verhandlungen über die „super-ECAP“ für die Folgequartale ausgewirkt. 379 Diese Antwort ist eindeutig. Da es sich um eine ausführliche Antwort auf eine direkte Frage handelt, die gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 gestellt wurde, kommt ihr ein hoher Beweiswert zu. 380 Anders als die Kommission in der Klagebeantwortung geltend macht, bestätigt NEC ferner eindeutig, dass von den Rabatten lediglich die MDF, die „speziellen ECAP“ und die „super-ECAP“ unter der Bedingung gewährt worden sind, dass ein bestimmtes MSS-Ziel eingehalten wird. Die ECAP wurden hingegen nicht unter einer solchen Bedingung gewährt. Sie wurden im Rahmen der Geschäftsbeziehungen festgesetzt. Die eventuelle Sanktion der Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Einhaltung eines bestimmten MSS betraf die MDF, die speziellen „ECAP“ und die „super-ECAP“, nicht aber die klassischen ECAP. Da aus den MDF ab dem 1. Juli 2003 die „speziellen ECAP“ bzw. die „super-ECAP“ geworden sind, waren die einzigen ECAP, die im vierten Quartal des Jahres 2002 existierten, aber die klassischen ECAP. Die Antwort von NECCI auf Frage Nr. 21 des Auskunftsverlangens von 2005 bestätigt also die These, dass die klassischen ECAP nicht unter der Bedingung gewährt wurden, dass ein bestimmter MSS eingehalten wird. 381 Als Drittes ist festzustellen, dass die Kommission NECCI mit Frage Nr. 6 des Auskunftsverlangens von 2007 gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 (im Folgenden: Auskunftsverlangen von 2007) im Wesentlichen darum ersucht hat, anzugeben, welche Zahlungen er in einem Zeitraum, der auch das vierte Quartal des Jahres 2002 umfasste, als Gegenleistung für die Beachtung der Verpflichtung zur Einhaltung eines bestimmten MSS erhalten habe. 382 In seiner Antwort gibt NECCI an, dass in dem Zeitraum vom dritten Quartal des Jahres 2002 bis zum zweiten Quartal des Jahres 2003 lediglich die MDF an eine Bedingung geknüpft gewesen seien. Dem Prozentsatz der Marktanteile habe eine Menge an x86-Prozessoren entsprochen, die zu beziehen gewesen sei. Entgegen dem Vorbringen der Kommission bestätigt diese Antwort, dass im relevanten Zeitraum lediglich die MDF an die MSS-Bedingung geknüpft gewesen sind. Da es sich um eine Antwort gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 handelt, kommt der Antwort von NECCI ein hoher Beweiswert zu. 383 Als Viertes ist festzustellen, dass sich die Klägerin zum Beweis ihrer Behauptungen auf einen Bericht von NEC vom 8. Mai 2002 beruft, der eine Besprechung mit ihr betrifft, die am 6. und 7. Mai 2002 stattgefunden hat. Wie die Kommission geltend macht, geht aus S. 2 dieses Dokuments hervor, dass NEC als Gegenleistung für die Annahme des Plans der Neuausrichtung nicht nur MDF, sondern auch ECAP und einen neuen vertraglichen Rahmen erhalten wollte. Dies steht auch in Einklang mit den Dokumenten, auf die oben in Rn. 365 eingegangen wurde. Aus S. 3 des Berichts geht jedoch hervor, dass die Bedingung für das Erreichen der am zweiten Tag der Verhandlungen besprochenen MSS eine bestimmte MDF‑Zahlung war. Im Übrigen scheint die Klägerin zwar im Laufe des zweiten Tages der Diskussionen den Forderungen, die NEC hinsichtlich der „MDF/ECAP“ gestellt hatte, teilweise entsprochen zu haben. Auf S. 3 des Berichts heißt es nämlich: „Intel responded with 50 % acceptance for total 12 items of Nec’s ECAP/MDF request“ (Intel hat die 12 Punkte der ECAP/MDF‑Forderungen von NEC zu 50 % akzeptiert). Daraus lässt sich aber nicht schließen, welcher Teil der Forderungen akzeptiert worden ist, nämlich die MDF‑Forderung oder die ECAP-Forderung. Dies gilt umso mehr, als es auf S. 4 des Berichts in dem Abschnitt mit der Überschrift „Weiteres Vorgehen“ heißt: „Intel reviews with [M and P] for MDF request/ECAP request“ (Intel prüft mit [M und P] noch einmal die MDF‑ und ECAP-Forderungen). Deshalb lässt sich nicht erkennen, ob ein Teil der Forderungen von NEC schließlich angenommen worden ist und wenn ja, welcher Teil. Somit ist festzustellen, dass es sich bei dem Bericht um einen summarischen Bericht handelt und dass nicht sicher ist, wie er richtig zu verstehen ist. 384 Dieses Dokument hat daher insoweit einen relativ geringen Beweiswert, als es nicht das Ergebnis der Verhandlungen wiedergibt und aufgrund seines summarischen Charakters nicht sicher ist, wie es richtig zu verstehen ist. 385 Als Fünftes ist festzustellen, dass die Klägerin mit der Erwiderung die Anlagen C.37 und C.38 vorgelegt hat. Sie macht geltend, dass es sich dabei um Dokumente handele, die NEC im Vorfeld der Vereinbarungen von Santa Clara erstellt habe. Aus ihnen gehe hervor, dass NEC davon ausgegangen sei, unabhängig von den MSS dieselben ECAP zu erhalten. 386 Unabhängig von der Frage, ob diese Beweise, die von der Klägerin im Stadium der Erwiderung vorgebracht worden sind, überhaupt zulässig sind, ist zum einen festzustellen, dass Anlage C.37 auf den S. 5 und 6 Tabellen, Zahlen und den Ausdruck „ECAP-Forderung“ enthält, ohne dass sich daraus eindeutig ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Marktanteile der Klägerin und den ECAP-Erwartungen von NEC ableiten ließe. Zum anderen ist festzustellen, dass die Klägerin in der Erwiderung auf „Anlage C.38, S. 10“ Bezug nimmt. Bei Anlage C.38 handelt es sich jedoch um ein Dokument, das aus acht Seiten besteht und zahlreiche Informationen enthält. Das Gericht vermag daher nicht genau zu bestimmen, welche der in der Anlage enthaltenen Elemente das Vorbringen der Klägerin untermauern. Nach der oben in Rn. 314 angeführten Rechtsprechung kann Anlage C.38 deshalb nicht verwertet werden. 387 Somit ist festzustellen, dass die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweise keine ausreichenden Beweise und auch kein ausreichendes Bündel von Indizien dafür darstellen, dass die ECAP-Rabatte oder andere Rabatte als die MDF unter der Bedingung gewährt worden wären, dass NEC seiner Verpflichtung nachkommt, im vierten Quartal des Jahres 2002 einen bestimmten MSS zu erreichen. Darüber hinaus sprechen die Beweise, auf die sich die Klägerin beruft, eher dafür, dass die MDF unter einer Bedingung gewährt worden sind. 388 Die in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweise sind mithin nicht stichhaltig. Sie vermögen die Schlüsse, die aus ihnen gezogen worden sind, nicht zu stützen. 389 Daher ist, ohne dass auf das übrige Vorbringen der Klägerin eingegangen zu werden braucht, festzustellen, dass der Kommission bei der Bestimmung des Wertes der Rabatte, die die Klägerin NEC unter einer Bedingung gewährt hat, ein Fehler unterlaufen ist. 2) Zum Abstellen auf das vierte Quartal des Jahres 2002 als Referenzzeitraum 390 Die Klägerin macht geltend, dass der Kommission dadurch ein Fehler unterlaufen sei, dass sie den AEC‑Test lediglich für das vierte Quartal des Jahres 2002 durchgeführt habe und dass sie im 1456. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung allein auf dieser Grundlage festgestellt habe, dass die Zahlungen, die sie NEC gemäß der Vereinbarung von Santa Clara gewährt habe, einen ebenso effizienten Wettbewerber während des gesamten Zeitraums von Oktober 2002 bis November 2005 möglicherweise oder wahrscheinlich vom Markt verdrängt hätten. Anders ausgedrückt habe die Kommission zu Unrecht angenommen, dass das vierte Quartal des Jahres 2002 für alle späteren Zeiträume repräsentativ sei. 391 Allgemein habe die Kommission nachzuweisen, dass ihre Verhaltensweisen geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber während des gesamten Referenzzeitraums vom Markt zu verdrängen. Die Feststellung der Kommission, dass sämtliche Werte, die für den AEC‑Test relevant seien, wie die Bruttopreise, die Rabatte oder die Mengen, von 2002 bis 2005 unverändert geblieben seien, entbehre aber jeglicher Grundlage. Das gelte insbesondere für den bestreitbaren Teil, zu dem die Kommission im 1243. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung selbst festgestellt habe, dass er im Laufe der Zeit zunehmen könnte, weil die Verbraucher immer mehr erkennen würden, dass AMD eine brauchbare Alternative darstelle. 392 Im Einzelnen macht die Klägerin insoweit erstens geltend, dass die MDF in Höhe von 6 Mio. USD, die an die Erwartungen an den Marktanteil geknüpft gewesen seien, nach dem ersten Quartal des Jahres 2003 nicht weiter gewährt worden seien. 393 Zweitens macht die Klägerin in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen geltend, dass bei der Anwendung des AEC‑Tests, anders als im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, nicht darauf abzustellen sei, ob die Höhe der in dem betreffenden Quartal festgestellten Rabatte in den späteren Zeiträumen eine erhebliche Änderung erfahren habe, sondern auf die tatsächliche Höhe der Rabatte. Es könnten sich nämlich bereits relativ geringfügige Änderungen der Höhe der Rabatte auf das Ergebnis des AEC‑Tests auswirken. Die Kommission habe zu den NECCI gewährten Rabatten ausgeführt, dass im Juli 2003 ein neues Rabattprogramm begonnen habe. Sie habe aber zu keinem Zeitpunkt geprüft, ob sich die durch dieses Programm erfolgten Änderungen auf irgendeinen Parameter des AEC‑Test ausgewirkt hätten. 394 Drittens macht die Klägerin in ihrer Stellungnahme geltend, dass die vorausschauende Analyse der Kommission auch deshalb ungenau sei, weil im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lediglich auf die NECCI gewährten Rabatte eingegangen werde, obwohl die Zuwiderhandlung für die gesamte Muttergesellschaft, NEC, festgestellt worden sei. 395 Die Kommission macht in ihrer zusätzlichen Stellungnahme geltend, dass das Vorbringen der Klägerin in ihrer Stellungnahme unzulässig sei. Die Klägerin wende sich erstmals gegen den Grund, mit dem sie in der angefochtenen Entscheidung die in Rede stehende Extrapolation gerechtfertigt habe. 396 In der Sache macht die Kommission erstens geltend, dass im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung begründet werde, warum das betreffende Quartal repräsentativ sei, und die Dokumente angeführt würden, die in der angefochtenen Entscheidung herangezogen worden seien. 397 Zweitens berücksichtige das Vorbringen, dass die MDF‑Zahlungen über das erste Quartal des Jahres 2003 hinaus nicht geleistet worden wären, nicht, dass Dokumente in der Akte bewiesen, dass diese Zahlungen nicht verschwunden seien, sondern lediglich in andere Kategorien von Rabatten eingegliedert worden seien. Außerdem habe NECCI erläutert, dass die Vereinbarung von Santa Clara und die entsprechenden Bedingungen mindestens bis November 2005 gegolten hätten. 398 Drittens enthalte das Dokument, auf das die Klägerin ihre Behauptungen stütze, keine Berechnungen, von denen die MDF‑Zahlungen ausgeschlossen wären. 399 Viertens hätten die Zahlungen der Klägerin an NEC in diesem Zeitraum zwar erheblich geschwankt. Die Klägerin hätte im Verwaltungsverfahren aber leicht entsprechende Beweise vorlegen können. 400 Fünftens betreffe die Analyse im 1243. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Dell. Sie könne nicht auf NEC übertragen werden. Anders als Dell habe NEC seine Prozessoren nämlich nicht ausschließlich bei der Klägerin bezogen, so dass seine Kunden bereits gewusst hätten, welchen Wert die Produkte mit Prozessoren von AMD gehabt hätten, und der bestreitbare Teil von NEC in dem Quartal, auf das die Kommission bei ihrem Vergleich abgestellt habe, bereits erheblich gewesen sei, da NEC ursprünglich vorgehabt habe, 41,6 % seiner Prozessoren bei AMD zu beziehen. 401 Zur Zulässigkeit des Vorbringens der Klägerin in ihrer Stellungnahme ist festzustellen, dass die Klägerin in den Rn. 473 bis 475 der Klageschrift geltend macht, dass die Behauptung der Kommission, dass es möglich sei, die Ergebnisse ihrer Analyse des vierten Quartals des Jahres 2002 bis 2005 zu extrapolieren, jeglicher Grundlage entbehre. Es sei nicht erwiesen, dass die Bruttopreise, die Rabatte und die Mengen stabil geblieben wären. Die Klägerin verweist insoweit ausdrücklich auf die Rn. 454 bis 473 der Anlage A.8 der Klageschrift, in der ihre Antwort auf die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2007 enthaltenen Argumente zu dieser Extrapolation wiedergegeben wird. In Rn. 467 der Anlage A.8 der Klageschrift macht die Klägerin geltend, dass die Kommission keine Angaben dazu mache, wie hoch die „super-ECAP“ gewesen seien. In Rn. 468 der Anlage A.8 der Klageschrift unterscheidet die Klägerin zwischen den Rabatten, die die Muttergesellschaft NEC erhalten hat, und den Rabatten, die NECCI erhalten hat, und weist darauf hin, dass bestimmte Arten von Rabatten nur NECCI gewährt worden seien. Insbesondere bestreitet die Klägerin, dass die Bezeichnung „super-ECAP“ über das dritte Quartal des Jahres 2003 hinaus verwendet worden sei. In den Rn. 470 und 471 der Anlage A.8 der Klageschrift weist die Klägerin darauf hin, dass die Mengen der gekauften x86-Prozessoren immer wieder neu verhandelt worden seien, so dass die Daten des vierten Quartals des Jahres 2002 nicht vorgegeben gewesen seien. 402 Anders als die Kommission geltend macht, hat die Klägerin in der Klageschrift also zahlreiche Gesichtspunkte betreffend die Extrapolation der Daten betreffend das Referenzquartal auf den gesamten von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zeitraum beanstandet. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Unterschied zwischen den NEC und den NECCI gewährten Rabatten auf unterschiedliche Wettbewerbszwänge zurückzuführen sei, so dass hinsichtlich der wechselseitigen Stabilität der gewährten Rabatte keinerlei Vermutungen angestellt werden könnten. Die Klägerin hat ferner geltend gemacht, dass die Kommission über keinerlei Daten über die Höhe der an NEC gezahlten ECAP verfüge und dass die Mengen der gekauften x86-Prozessoren in dem betreffenden Zeitraum alles andere als stabil gewesen seien. 403 Das Vorbringen der Klägerin in ihrer Stellungnahme ist daher zulässig. Es knüpft an Vorbringen in der Klageschrift an. 404 Was die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin angeht, ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 1410 bis 1455 der angefochtenen Entscheidung zur Durchführung des AEC‑Tests in Bezug auf die Rabatte, die die Klägerin NEC gewährt hat, insbesondere folgende Wirtschaftsdaten herangezogen hat: die Gesamtmenge der gekauften x86-Prozessoren, die Netto- und Bruttopreise der verschiedenen Arten von x86-Prozessoren, die Arten und die Beträge der gewährten Rabatte und die Kosten der Klägerin. 405 Erstens ist festzustellen, dass die im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter den Buchst. a, b und c angeführten Parameter der behaupteten Stabilität, mit der die Kommission die Möglichkeit der Extrapolation begründet, lediglich die Höhe der Rabatte (MDF‑Rabatte, ECAP-Rabatte und Gesamtrabatte), deren Verlängerung in den folgenden Quartalen und die AAC der Klägerin betreffen. Wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, geht die Kommission aber an keiner Stelle auf die Mengen und Arten der verkauften x86-Prozessoren und die Netto- und Bruttopreise ein. 406 Zweitens betrifft die im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter Buchst. a angeführte Tabelle, die aus der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 9 des Auskunftsverlangens von 2007 gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 1/2003 stammt, lediglich die NECCI gewährten Rabatte. Der Verstoß gegen Art. 102 AEUV wurde allerdings gegenüber deren Muttergesellschaft, NEC, festgestellt. Es gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Rabatte, die NEC Japan oder NEC insgesamt gewährt worden sind, während des gesamten Zeitraums, auf den sich die Feststellung der Zuwiderhandlung bezieht, gleichgeblieben wären. 407 Drittens ergibt sich aus der genannten Tabelle bei näherer Betrachtung, dass die Rabatte, die NECCI erhalten hat, anders als im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter Buchst. a ausgeführt, während des gesamten relevanten Zeitraums nicht immer gleich waren. Zwischen der höchsten Zahlung im zweiten Quartal des Jahres 2003 (3,3 Mio. USD) und der höchsten Zahlung im dritten Quartal des Jahres 2005 (15,224 Mio. USD) besteht nämlich ein Unterschied von 461,3 %. Ein erheblicher Unterschied besteht auch zwischen dem vierten Quartal des Jahres 2002 (7,945 Mio. USD) und dem zweiten Quartal des Jahres 2003 (3,3 Mio. USD), nämlich -58,4 %. 408 Viertens wurde ab dem dritten Quartal des Jahres 2003, wie NECCI in der Antwort auf Frage Nr. 9 des Auskunftsverlangens von 2007 angegeben hat, ein anderes System der Gewährung der Rabatte angewandt. Anstatt einer einheitlichen Summe wurden die „super-ECAP“ in die quartalsweise festgelegten Preise aufgenommen. Wie die Klägerin geltend macht, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dieses neue System in quantitativer Hinsicht nicht von dem früheren System unterschieden hätte. 409 Fünftens macht die Kommission zwar geltend, dass die Vereinbarung von Santa Clara bis 2005 gegolten habe. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Situation, die nach dieser Vereinbarung im vierten Quartal des Jahres 2002 bestanden hat, während des gesamten Zeitraums der zur Last gelegten Zuwiderhandlung fortbestanden hätte. Es ergibt sich insbesondere aus Nr. 2 der Antwort von NECCI auf Frage Nr. 9 des Auskunftsverlangens von 2007, dass NECCI nach dem 1. Juli 2003 auf der Grundlage der bezogenen Mengen und der Differenz zwischen der vom Kunden genehmigten Preisgestaltung und den ECAP oder „super-ECAP“ monatlich Rabatte verlangt hat. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Kommission geprüft hätte, ob sich die durch das neue Programm bedingten Änderungen auf einen der Parameter des AEC‑Tests ausgewirkt haben. 410 Somit ist zum einen festzustellen, dass die im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter den Buchst. a, b und c angeführten Parameter nicht alle Wirtschaftsdaten umfassen, die die Kommission bei dem AEC‑Test herangezogen hat, den sie in Bezug auf die Rabatte durchgeführt hat, die die Klägerin NEC gewährt hat, und zum anderen, dass die in der Akte enthaltenen Beweise, anders als im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter den Buchst. a und b ausgeführt, zeigen, dass die Zahlungen der Klägerin an NECCI nach dem vierten Quartal des Jahres 2002 erheblichen Schwankungen unterlegen haben und dass ab dem dritten Quartal des Jahres 2003 ein anderes System der Gewährung der Rabatte angewandt wurde. Die Klägerin macht mithin zu Recht geltend, dass die Kommission zu Unrecht angenommen hat, dass sie in Anbetracht der im 1410. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unter den Buchst. a, b und c angeführten Parameter aus den Daten betreffend das vierte Quartal des Jahres 2002 hinsichtlich der Frage, ob die Verhaltensweisen der Klägerin geeignet waren, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom vierten Quartal des Jahres 2002 bis zum November 2005 vom Markt zu verdrängen, Schlüsse ziehen könne. 411 Ohne dass auf das oben in Rn. 340 dargestellte Vorbringen der Klägerin eingegangen zu werden braucht, dass aus den eigenen Daten der Kommission hervorgehe, dass die NEC gewährten Rabatte nicht geeignet seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, und dass die Kommission den Wert der Umsätze, um die es für sie gegangen sei, nicht richtig berechnet habe, ist daher festzustellen, dass der Kommission bei dem in Bezug auf NEC durchgeführten AEC‑Test zwei Beurteilungsfehler unterlaufen sind: Die Kommission hat erstens die bedingten Rabatte zu hoch angesetzt und zweitens die Ergebnisse, zu denen sie für das vierte Quartal des Jahres 2002 gelangt ist, zu Unrecht auf den gesamten Zeitraum der zur Last gelegten Zuwiderhandlung extrapoliert. Wegen dieser beiden Fehler ist der von der Kommission durchgeführte AEC‑Test insoweit unrichtig, als nicht die richtigen Parameter zugrunde gelegt wurden. Da diese Fehler das vierte Quartal des Jahres 2002 betreffen, das bei den NEC gewährten Rabatten für den gesamten untersuchten Zeitraum als Referenz herangezogen wurde, betreffen sie den gesamten Zeitraum, der in der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf NEC untersucht wurde. Folglich hat die Kommission rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass die im 1456. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass die Zahlungen, die die Klägerin NEC gemäß der Vereinbarung von Santa Clara gewährt habe, einen ebenso effizienten Wettbewerber möglicherweise oder wahrscheinlich vom Markt verdrängt hätten, zuträfe. d) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem in Bezug auf Lenovo durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen 1) Allgemeiner Überblick über den Lenovo gewidmeten Teil der angefochtenen Entscheidung 412 Die Kommission hat den AEC‑Test in Bezug auf Lenovo in den Erwägungsgründen 1457 bis 1508 der angefochtenen Entscheidung durchgeführt. Sie hat zunächst auf der Grundlage des MoU 2007 die Höhe und die Art der Rabatte geprüft. 413 Sodann hat die Kommission die ASP, die Kosten und die erforderliche Zahl von x86-Prozessoren berechnet. 414 Schließlich hat die Kommission die bestreitbare Zahl an x86-Prozessoren bestimmt. In ihrer Hauptberechnung hat sie die Berechnung auf das Segment der Notebooks beschränkt (vgl. Erwägungsgründe 1473 bis 1478 der angefochtenen Entscheidung), während sie in ihren alternativen Berechnungen auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen ist, dass bei der Bestimmung der Zahl der bestreitbaren Einheiten von x86-Prozessoren auch das Segment der Desktop-PC einzubeziehen sei (vgl. Erwägungsgründe 1479 bis 1508 der angefochtenen Entscheidung). Die Alternativberechnungen gliedern sich in eine Antwort der Kommission auf das Vorbringen der Klägerin betreffend die bestreitbare Gesamtzahl von x86-Prozessoren und in eine bestätigende Berechnung, bei der ein Vergleich mit den Daten aus einem gemäß einer Vereinbarung zwischen AMD und Lenovo erstellten Dokument mit dem Titel „Zusammenfassung der Arbeiten von April 2006“ vorgenommen wurde. 2) Zu dem bedingten Teil der Rabatte 415 Im 1461. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission fest, dass der Betrag der in Rede stehenden Rabatte in dem MoU 2007 angegeben gewesen sei, das für das Jahr 2007 eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 180 Mio. USD in Gestalt von Quartalszahlungen vorgesehen habe. 416 Im 1462. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass die Zahlungen gemäß dem MoU 2007 zu den Zahlungen der Klägerin hinzugekommen seien, die diese unabhängig vom MoU 2007 nach anderen, zuvor vereinbarten Programmen der finanziellen Unterstützung weiter geleistet habe. Sie seien deshalb in vollem Umfang auf das Ergebnis der Vereinbarung über das MoU 2007 zurückzuführen. Die Zahlungen und günstigen Geschäftskonditionen, die im MoU 2007 vorgesehen seien, seien allesamt an die Bedingung geknüpft gewesen, dass Lenovo alle seine Vorhaben, mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüstete Notebooks auf den Markt zu bringen, aufgebe. 417 Im 1463. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass die Klägerin in dem Schreiben vom 5. Februar 2009 die Auffassung vertreten habe, dass für die Höhe der Rabatte ein Betrag von nur 138 Mio. USD maßgeblich sei. Von der im MoU 2007 vorgesehenen finanziellen Unterstützung von Lenovo in Höhe von 180 Mio. USD seien nämlich lediglich 135 Mio. USD bar gezahlt worden. Der Rest der finanziellen Unterstützung sei in Form von nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteilen gewährt worden, nämlich der Erweiterung ihrer Standardgarantie um ein Jahr und dem Vorschlag einer besseren Nutzung einer Plattform von ihr in China. Die Kommission weist darauf hin, dass die Klägerin geltend gemacht habe, dass der Wert dieser beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile, die Lenovo gewährt worden seien, zwar 20 Mio. USD bzw. 24 Mio. USD betragen habe, die entsprechenden Kosten für sie aber wesentlich niedriger gewesen seien, nämlich 1,7 Mio. USD bzw. 1,3 Mio. USD. Die Klägerin hatte geltend gemacht, dass die nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile beim AEC‑Test nicht mit dem Wert, den sie für Lenovo gehabt hätten, sondern mit den Kosten, die durch sie bei ihr entstanden seien, anzusetzen seien. Die Klägerin ist zu einem Betrag von 138 Mio. USD gelangt, indem sie zu der bar geleisteten finanziellen Unterstützung von 135 Mio. USD diese Kosten in Höhe von 1,7 Mio. USD und 1,3 Mio. USD hinzugerechnet hat. 418 Im 1464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass bevor darauf eingegangen werde, ob das Vorbringen der Klägerin zu dem Wert, der beim AEC‑Test zugrunde zu legen sei, stichhaltig sei, festzustellen sei, dass zwischen den wirtschaftlichen Kosten, die durch die Leistungen bei der Klägerin entstanden sein sollen, und dem Wert, den sie für Lenovo gehabt hätten, ein großer Unterschied bestehe. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Werten betrage bei der Garantieerweiterung 1176 % (20 zu 1,7) und bei der Plattform 1846 % (24 zu 1,3). Die Kommission weist darauf hin, dass die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens zu den wirtschaftlichen Kosten der Leistungen bestimmte Berechnungen vorgelegt habe, die sie im Rahmen der Stellungnahme vom 5. Februar 2009 zu der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 angestellt habe. Die Klägerin sei aber eine Erklärung dafür schuldig geblieben, warum zwischen diesen Kosten und ihrem Wert für Lenovo ein so großer Unterschied bestehe. 419 Im 1465. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass das Vorbringen der Klägerin, dass beim AEC‑Test nicht auf den Wert, den die Leistungen für Lenovo gehabt hätten, sondern auf die wirtschaftlichen Kosten, die durch sie bei ihr entstanden seien, abzustellen sei, unabhängig davon auf einem unrichtigen Verständnis der Prinzipien des AEC‑Tests beruhe. 420 Insoweit führt die Kommission im 1466. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung weiter aus, dass „[b]ei dem [AEC‑Test] geprüft … [wird], zu welchem Preis ein ebenso effizienter Wettbewerb wie das Unternehmen in beherrschender Stellung – das keine beherrschende Stellung innehat – seine Produkte anbieten müsste, um dem Abnehmer einen Ausgleich für den Verlust der von dem Unternehmen in beherrschender Stellung unter einer Bedingung gewährten Vorteile zu bieten, der dadurch entsteht, dass der Abnehmer den bestreitbaren Teil seiner Nachfrage nicht mehr bei dem Unternehmen in beherrschender Stellung, sondern bei diesem hypothetischen, ebenso effizienten Wettbewerber deckt“. 421 Schließlich stellt die Kommission im 1467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass danach eindeutig auf den Verlust des Abnehmers abzustellen sei, da der ebenso effiziente Wettbewerber diesen Verlust auszugleichen habe, und nicht die wirtschaftlichen Kosten des Unternehmens in beherrschender Stellung, wenn die beiden Werte nicht übereinstimmten. Dieser Unterschied werde gut am Beispiel der Vertriebsplattform deutlich. Als Unternehmen in beherrschender Stellung verfüge die Klägerin in China bereits über eine Vertriebsplattform, bei der sie nach eigenen Angaben lediglich geringe Verbesserungen vornehmen müsste mit wirtschaftlichen Kosten in Höhe von 1,3 Mio. USD, um Lenovo dann einen Vorteil im Wert von insgesamt 24 Mio. USD anbieten zu können. Ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung, der aber noch keine solche Stellung habe, hätte jedoch normalerweise noch keine solche Anlage eingerichtet. Um Lenovo einen Ausgleich für den Vorteil einer besseren Nutzung der Vertriebsplattform der Klägerin zu bieten, hätte der ebenso effiziente Wettbewerber also Lenovo eine Geldzahlung in Höhe eines Betrags gewähren müssen, der dem wirtschaftlichen Wert entspreche, den die verbesserte Vertriebsplattform für Lenovo habe. 422 Die Klägerin macht allgemein geltend, dass sich aus dem MoU 2007 nicht schließen lasse, dass sie mit ihren Rabatten einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt verdrängt hätte. Die Kommission habe bei ihrer Analyse erstens den Teil der Rabatte, der von einer Bedingung abhängig gewesen sein soll, zu hoch, zweitens den bestreitbaren Teil zu niedrig und drittens ihre Kosten wiederum zu hoch angesetzt. Speziell zu dem bedingten Teil der Rabatte macht die Klägerin geltend, dass in der angefochtenen Entscheidung in den Erwägungsgründen 1461 und 1474 bis 1477 zu den gemäß dem MoU 2007 gewährten Rabatten festgestellt werde, dass bedingte Rabatte in Höhe von 180 Mio. USD für einen bestreitbaren Teil von lediglich 0,9 bis 1,1 Mio. Notebooks gewährt worden seien. Bedingte Rabatte seien aber lediglich in Höhe von 138 Mio. USD gewährt worden. 423 Die Kommission habe bei der Berücksichtigung dieser nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile nicht die richtige Methode angewandt. Beim AEC‑Test sei bei dem bedingten Rabatt nämlich auf die Kosten abzustellen, die ihr entstanden seien, um diese Vorteile zu gewähren, und nicht auf den Wert, den diese für Lenovo hätten. In dem ergänzenden Shapiro/Hayes-Gutachten vom 28. Januar 2009 (im Folgenden: ergänzendes Shapiro/Hayes-Gutachten) seien die Kosten, die ihr durch die beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile entstanden seien, auf rund 3 Mio. USD beziffert worden. Davon entfielen 1680073 USD (rund 1,7 Mio. USD) auf die Garantieverlängerung und 1256948 USD (rund 1,3 Mio. USD) auf die Kosten, die ihr dadurch entstanden seien, dass sie Lenovo eine Vertriebsplattform angeboten habe. 424 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegen. Sie macht geltend, dass in der angefochtenen Entscheidung zur Bestimmung des bedingten Teils der Rabatte ermittelt worden sei, inwieweit die Finanzierung, die die Klägerin Lenovo 2007 gemäß dem MoU 2007 gewährt habe, zugenommen habe. Dieser Ansatz werde nicht beanstandet. In der angefochtenen Entscheidung werde anhand der Dokumente, die die Klägerin während der Verhandlungen über das MoU 2007 erstellt habe, nachgewiesen, dass diese Finanzierung um 180 Mio. USD zugenommen habe. Die Kommission meint, dass sie bei den nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteilen, die Lenovo gewährt worden seien, zu Recht auf deren Wert, und nicht auf die Kosten, die der Klägerin durch sie entstanden seien, abgestellt habe. Beim AEC‑Test sei nämlich im Wesentlichen zu ermitteln, welchen Ausgleich ein ebenso effizienter Wettbewerber Lenovo für den Verlust der Rabatte der Klägerin anbieten müsste. Um einen Anreiz zu haben, sich für den ebenso effizienten Wettbewerber zu entscheiden, würde Lenovo erwarten, einen Ausgleich der eigenen Verluste zu erhalten, und nicht einen Ausgleich der Verluste der Klägerin. 425 Im Übrigen macht die Kommission unter Berufung auf Anlage B.31 der Klagebeantwortung geltend, dass die Klägerin nicht dargetan habe, dass es zwischen ihr und Lenovo hinsichtlich des Wertes der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile, die Lenovo gewährt worden seien, Meinungsverschiedenheiten gegeben hätte, erst recht nicht, dass Lenovo für diese Vorteile einen anderen Wert errechnet hätte. Außerdem belegten Dokumente aus dem relevanten Zeitraum, die sich in den Akten befänden, dass Lenovo diese nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile als überaus nützlich angesehen habe und sie gleich zu Beginn der Verhandlungen von der Klägerin gefordert habe. 426 Die Annahme der Klägerin, dass bei nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteilen im Rahmen des AEC‑Tests als Wert die Kosten anzusetzen seien, die dem Unternehmen in beherrschender Stellung durch diese Vorteile entstünden, sei unzutreffend. In der Erwiderung versuche die Klägerin den Fehler, unter dem die Klageschrift leide, zu überspielen, indem sie behaupte, dass „ein ebenso effizienter Wettbewerber Lenovo dieselben nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile per definitionem zu denselben Kosten wie Intel anbieten könne“. Dabei verkenne sie, dass der ebenso effiziente Wettbewerber nicht so groß sei wie sie. Die Kommission verweist auf den 1467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, in dem erläutert werde, dass der ebenso effiziente Wettbewerber normalerweise noch nicht über eine Vertriebsplattform in China verfüge. Er müsse Lenovo daher den Verlust der von der Klägerin gewährten Vorteile durch Geldleistungen ersetzen. 427 In der Erwiderung werde hierauf lediglich erwidert, erstens, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber zwangsläufig über eine Vertriebsplattform in China verfüge, und zweitens, dass AMD über eine solche Plattform verfüge. Beim ersten Einwand handele es sich um eine bloße Behauptung. Es sei nicht ersichtlich, warum ein Wettbewerber, auch wenn er ebenso effizient sei, zwangsläufig über eine Vertriebsplattform in China verfügen sollte. Zum zweiten Einwand sei festzustellen, dass beim AEC‑Test von einem hypothetischen Wettbewerber ausgegangen werde, und nicht von AMD. Jedenfalls heiße es in dem Dokument, auf das sich die Klägerin berufe, lediglich, dass AMD über „Anlagen“ in China verfüge. Dies beweise aber nicht, dass eine Vertriebsplattform existierte, schon gar nicht eine, die mit der der Klägerin vergleichbar wäre. 428 Aus den Rn. 22 bis 37 der Anlage D.39 der Gegenerwiderung gehe hervor, dass selbst unterstellt, der ebenso effiziente Wettbewerber verfügte über eine Vertriebsplattform in China, die Kosten, die ihm dadurch entstehen würden, dass er diese Lenovo zur Verfügung stelle, erheblich höher wären, als die Kosten, die der Klägerin durch die Gewährung dieses Vorteils entstünden. Dasselbe gelte für die Garantieverlängerung. Während der Klägerin durch die beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile nach eigenen Angaben Kosten in Höhe von 3 Mio. USD entstünden, würden einem ebenso effizienten Wettbewerber Kosten in Höhe von mindestens 38 Mio. USD entstehen, wenn er Lenovo dieselben Vorteile gewähren würde. Dieser Betrag werde auf der Grundlage von zwei nicht zutreffenden Hypothesen der Klägerin berechnet, nämlich erstens, dass der ebenso effiziente Wettbewerber in China über eine Vertriebsplattform verfüge, und zweitens, dass der Klägerin durch die Gewährung der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile Kosten in Höhe von 3 Mio. USD entstünden. 429 Jedenfalls stehe das Kernargument der Klageschrift und der Erwiderung, nämlich, dass der Klägerin durch die beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile Kosten in Höhe von 3 Mio. USD entstünden, in Widerspruch zu den eigenen Beweisen der Klägerin. Aus den Rn. 38 bis 44 der Anlage D.39 der Gegenerwiderung gehe hervor, dass die internen Dokumente der Klägerin aus dem relevanten Zeitraum bewiesen, dass die Klägerin errechnet habe, dass die Kosten der beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile genauso hoch seien wie der Wert, den diese für Lenovo hätten, wenn nicht sogar höher. Die gesamten Kosten hätten sich für die Klägerin auf 47 Mio. USD belaufen, und nicht auf 3 Mio. USD, wie die Klägerin behaupte. 430 Bevor im Einzelnen auf das Vorbringen der Parteien zu den beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteilen eingegangen wird, ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestreitet, dass sie in einer für Lenovo erstellten Präsentation den Wert von 20 Mio. USD für die Verlängerung der Garantien bzw. von 24 Mio. USD für die Vertriebsplattform genannt hat. Die Klägerin meint jedoch, dass diese Werte beim AEC‑Test durch 1,7 Mio. USD bzw. 1,3 Mio. USD zu ersetzen seien, damit sie die Kosten, und nicht den Vorteil von Lenovo widerspiegelten. Von den bedingten Rabatten in Höhe von 180 Mio. USD entfallen nach den Feststellungen der Kommission 44 Mio. USD auf nicht in Geldleistungen bestehende Vorteile. Die Kommission hat dabei den Wert zugrunde gelegt, den diese Dienste für Lenovo gehabt hätten. Nach dem Wortlaut des 1465. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung ist ausgeschlossen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Berechnungen der Klägerin berücksichtigt hat, nach denen durch die Erbringung der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile Kosten in Höhe von 3 Mio. USD entstehen, oder dass sie diesen Wert analysiert hat. 431 Die Kommission ist bei ihrem Ansatz im Kern davon ausgegangen, dass selbst wenn man einräumt, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber im Prinzip nicht in Geldleistungen bestehende Vorteile gewähren kann, die Zurverfügungstellung einer Vertriebsplattform oder die Gewährung einer Garantieverlängerung für den Wettbewerber teurer ist als für das Unternehmen in beherrschender Stellung, insbesondere wenn man den Wert der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile in Beziehung zum bestreitbaren Teil setzt. Die Kommission macht ferner geltend, dass die Klägerin nicht dargetan habe, dass zwischen Lenovo und ihr hinsichtlich des Wertes der nicht in Geldleistung bestehenden Vorteile, die gewährt worden seien, Meinungsverschiedenheiten bestanden hätten. 432 Die Klägerin wendet sich gegen diese Ausführungen der Kommission. Sie macht geltend, dass das ergänzende Shapiro/Hayes-Gutachten und das Salop/Hayes-Gutachten bewiesen, dass der Ansatz der Kommission nicht richtig sei und dass bei richtiger Durchführung des AEC‑Tests auf die Kosten abzustellen sei, die ihr durch die Gewährung der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile entstünden. Sie beruft sich auf das Salop/Hayes-Gutachten, in dem es heißt: „Beim Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers sind in den bedingten Rabatt die Kosten einzubeziehen, die Intel durch die Erbringung dieser Dienstleistungen entstehen, und nicht der Wert, den sie für Lenovo haben. Mit dem Kriterium des ebenso effizienten Wettbewerbers soll ermittelt werden, ob der auf den bestreitbaren Teil entfallende Grenzerlös von Intel die Grenzkosten für die Lieferung dieser Menge übersteigt, wobei die Schmälerung des Gewinns von Intel durch die bedingten Rabatte zu berücksichtigen ist. Die Schmälerung des Gewinns von Intel entspricht den Kosten, die Intel durch die [nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile] entstehen.“ 433 Hierzu ist festzustellen, dass die Grundlagen des AEC‑Tests, den die Kommission im vorliegenden Fall durchgeführt hat, insbesondere in den Erwägungsgründen 1003 und 1004 der angefochtenen Entscheidung dargelegt werden. 434 Im 1003. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission auf die Logik des AEC‑Tests ein. Sie führt hierzu aus, dass „es [im Wesentlichen] darum [geht], zu ermitteln, ob Intel in Anbetracht ihrer eigenen Kosten und der Wirkung des Rabatts selbst in der Lage wäre, in geringerem Umfang in den Markt einzutreten, ohne Verluste zu erleiden“. 435 Im 1004. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission weiter aus, dass es sich beim AEC‑Test um eine rein hypothetische Prüfung handele. Es gehe darum, zu ermitteln, ob ein Wettbewerber, der hinsichtlich der Produktion und der Lieferung von x86-Prozessoren, die denen gleichwertig seien, die die Klägerin ihren Kunden liefere, ebenso effizient sei wie die Klägerin, aber nicht über eine Umsatzbasis verfüge, die mit der der Klägerin vergleichbar wäre, am Eintritt in den Markt gehindert sei. Im Prinzip komme es im Rahmen des AEC‑Tests nicht darauf an, ob AMD tatsächlich in der Lage sei, in den Markt einzutreten oder nicht. 436 Danach handelt es sich bei dem hypothetischen Wettbewerber, bei dem ermittelt werden soll, ob er trotz der Preispolitiken der Klägerin in der Lage ist, in den Markt einzutreten, um einen ebenso effizienten Wettbewerber in dem Sinne, dass er in der Lage ist, x86-Prozessoren unter denselben Bedingungen zu liefern wie den von der Klägerin praktizierten Bedingungen. Wie sich aus dem 1003. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt, wird mit dem AEC‑Test letztlich geprüft, ob die Klägerin selbst trotz des in Rede stehenden Rabattsystems hätte in den Markt eintreten können. Und wie sich aus dem 1004. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ergibt, unterscheiden sich die Situation des hypothetischen Wettbewerbers und die tatsächliche Situation der Klägerin auf dem Markt im Prinzip allein dadurch, dass der hypothetische Wettbewerber nicht über eine vergleichbare Umsatzbasis verfügt. In Anbetracht der Ausführungen im 1005. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist mit dem Fehlen einer vergleichbaren Umsatzbasis gemeint, dass wegen des Status der Klägerin als unumgänglicher Handelspartner der ebenso effiziente hypothetische Wettbewerber der Klägerin nur den bestreitbaren Teil der Nachfrage der Abnehmer nach x86-Prozessoren streitig machen kann. 437 Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, ist die Kommission, als sie in der angefochtenen Entscheidung im Rahmen der Prüfung der Höhe der Lenovo gewährten Rabatte den Wert der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile bestimmt hat, die die Klägerin gewährt hat, aber nicht so vorgegangen, als sei der hypothetische Wettbewerber in der Lage, Lenovo x86-Prozessoren zu verkaufen und Lenovo gleichzeitig zu denselben Bedingungen wie die Klägerin nicht in Geldleistungen bestehende Vorteile zu gewähren. 438 Im 1466. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission nämlich aus, dass es darum gehe, den Preis zu ermitteln, den ein ebenso effizienter Wettbewerber, der nicht das Unternehmen in beherrschender Stellung sei, hätte zahlen müssen, um den Verlust der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile, die die Klägerin Lenovo gewährt habe, etwa eine Ausweitung der Plattform oder eine Garantieverlängerung, auszugleichen. Im 1467. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung verdeutlicht die Kommission ihren Ansatz am Beispiel der Vertriebsplattform. Sie stellt fest, dass anders als die Klägerin, die in China über eine Vertriebsplattform verfüge, die gewisse Anpassungen erfordere, um Lenovo einen nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteil zu gewähren, ein ebenso effizienter Wettbewerber wie das Unternehmen in beherrschender Stellung, dass aber keine beherrschende Stellung innehabe und damit kleiner sei, normalerweise noch nicht über eine solche Anlage verfügt hätte. 439 Die Kommission ist mithin von einem Postulat ausgegangen, das nicht mit den Grundlagen des AEC‑Tests zu vereinbaren ist, wie sie in den Erwägungsgründen 1003 und 1004 der angefochtenen Entscheidung dargelegt sind. Danach gilt nämlich der Grundsatz, dass der hypothetische Wettbewerber ebenso effizient ist wie die Klägerin, insbesondere hinsichtlich der Kosten der Ausweitung einer Plattform oder der Verlängerung einer Garantie. Die Kommission hat in Wirklichkeit auf einen weniger effizienten Wettbewerber abgestellt, der für die Frage, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet sind, einen Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, aber nicht der relevante Wirtschaftsteilnehmer ist. 440 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kommission. 441 Die Kommission weist zwar darauf hin, dass die Klägerin den Betrag, der Lenovo zugutegekommen sei, hoch angesetzt habe (20 Mio. USD bzw. 24 Mio. USD). Sie beantwortet in der angefochtenen Entscheidung aber nicht die Frage, welche Kosten einem ebenso effizienten Wettbewerber entstanden wären, wenn er Zugang zu einer Vertriebsplattform hätte gewähren oder seine eigene bereits existierende Plattform hätte umwandeln müssen, um sie für einen Computerhersteller zu öffnen, so wie es die Klägerin Lenovo angeboten habe. Dasselbe gilt für die Kosten einer Garantieverlängerung. 442 Insoweit haben die Parteien auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung von 2020 geantwortet, dass Skalenvorteile nicht als Unterscheidungsmerkmal berücksichtigt werden dürften, sondern dass davon auszugehen sei, dass die Kosten eines ebenso effizienten Wettbewerbers dieselben seien wie die Kosten der Klägerin. Diese Ausführungen der Kommission stehen jedoch in Widerspruch zu dem Ansatz, dem sie in den Erwägungsgründen 1466 und 1467 der angefochtenen Entscheidung gefolgt ist, in denen die Größe des ebenso effizienten Wettbewerbers berücksichtigt wird, um insbesondere festzustellen, dass eine Plattform, die mit der der Klägerin vergleichbar wäre, noch nicht eingerichtet sei. 443 Soweit die Kommission im Verfahren vor dem Gericht auf die konkrete Größe einer Plattform eines ebenso effizienten Wettbewerbers abgestellt hat (siehe oben, Rn. 426, a. E.), ist festzustellen, dass sie auf diesen Gesichtspunkt in der angefochtenen Entscheidung nicht eingegangen ist, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung von 2020 geltend gemacht hat. Dasselbe gilt für die bezifferten Beurteilungen zur Ermittlung der der Klägerin durch die nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile tatsächlich entstandenen Kosten, die die Kommission erstmals in Anlage D.39 der Gegenerwiderung vorgelegt hat (siehe oben, Rn. 429 und 430). 444 Das Gericht kann diese ergänzenden Analysen, die in dem Verfahren vor dem Gericht vorgelegt wurden, jedoch nicht heranziehen, um den in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen AEC‑Test zu stützen. Es würde sonst die Begründung, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gegeben hat, durch seine eigene ersetzen. Nach der oben in Rn. 150 angeführten Rechtsprechung ist eine solche Ersetzung der Begründung aber nicht zulässig. 445 Zu den Ausführungen der Kommission im 1464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betreffend den erheblichen Unterschied, der zwischen den wirtschaftlichen Kosten, die nach den Angaben der Klägerin durch die Gewährung der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile entstehen, und dem Wert, den diese Vorteile für Lenovo haben, bestehen soll, ist festzustellen, dass, abgesehen davon, dass es im Rahmen des AEC‑Tests nicht auf den Wert ankommt, den die Vorteile für Lenovo haben, Lenovo, wie sich aus dem Protokoll über eine Erklärung von L10, [vertraulich], vom 2. Juni 2009 ergibt, nicht eingeräumt hat, dass Gegenstand der Verhandlungen mit der Klägerin ein genauer Wert der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile gewesen wäre. L10 hat im Wesentlichen erklärt, dass der in USD ausgedrückte Wert der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile völlig anders sein könne als der von der Klägerin angegebene Betrag. Die Klägerin habe versucht, sich Gesichtspunkte zunutze zu machen, deren Geldwert sie nicht berechnet habe, wie etwa den Vertrieb über eine Plattform. Sie habe versucht, ihn davon zu überzeugen, dass diese Elemente von wirtschaftlichem Interesse seien. Diese hätten aber eigentlich eher einen operationellen Vorteil geboten. L10 hat betont, dass er überhaupt nicht daran geglaubt habe, dass die nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile einen Geldwert hätten. Soweit sich die Kommission auf die E‑Mail von L10 vom 12. Januar 2006 beruft, in der eingeräumt werde, dass die nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile wichtig seien, ist festzustellen, dass diese in dieser E‑Mail nicht in US-Dollar beziffert werden. 446 Weiter geht aus einer Reihe von E‑Mails mit dem Betreff „RE: Intel Meet Comp Response Nov 27 06.ppt“, die vom 26. November 2006 bis zum 28. November 2008 ausgetauscht wurden, hervor, dass die Klägerin aus verhandlungstaktischen Gründen verschiedene überzogene Vorteile ins Spiel brachte, insbesondere, indem sie Dinge, die sie dem Geschäftspartner ohnehin gewähren wollte, als Vorteil hinstellte. Daher kann die Kommission allein aus diesen Daten betreffend das Aushandeln der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile nicht folgern, auch nicht implizit, wie sie es im 1464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getan hat, dass die tatsächlichen Kosten, wie sie die Klägerin angegeben hat, zu gering angesetzt worden wären. Ebenso ist das Vorbringen der Kommission in Rn. 614 der Klagebeantwortung, mit dem auf Anlage B.31 Bezug genommen wird, nämlich, dass die Klägerin nicht dargetan habe, dass zwischen Lenovo und ihr hinsichtlich des Werts der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile, die gewährt worden seien, Meinungsverschiedenheiten bestanden hätten, als ins Leere gehend zurückzuweisen. Es kommt nämlich nicht darauf an, welchen Wert diese Vorteile nach der Vorstellung von Lenovo hatten, sondern darauf, welche Kosten erforderlich waren, um sie zu gewähren. 447 Außerdem kann die Kommission nicht lediglich, wie sie es im 1464. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und dann noch einmal in Rn. 614 der Klagebeantwortung, in der auf Rn. 416 der Anlage B.31 der Klagebeantwortung verwiesen wird, getan hat, darauf verweisen, dass die Klägerin eine Erklärung dafür schuldig geblieben sei, warum ein so großer Unterschied zwischen den Kosten in Höhe von 3 Mio. USD, die ihr nach ihren eigenen Angaben entstanden sein sollen, und dem Betrag von 44 Mio. USD für Lenovo bestehe. Es war nämlich Sache der Kommission, unmittelbar in der angefochtenen Entscheidung, und nicht in Berechnungen, die erstmals in dem Verfahren vor dem Gericht vorgelegt wurden, zu ermitteln, welche Kosten einem ebenso effizienten Wettbewerber entstanden wären, wenn er einem Computerhersteller wie Lenovo nicht in Geldleistungen bestehende Vorteile hätte gewähren müssen, die mit den von der Klägerin angebotenen vergleichbar gewesen wären (vgl. auch oben, Rn. 444). 448 Soweit die Kommission in Rn. 326 der Gegenerwiderung, in der zur Veranschaulichung auf Anlage D.39 der Gegenerwiderung verwiesen wird, erstmals im Verfahren vor dem Gericht Berechnungen der Kosten vornimmt, die die Hypothese betreffen, dass zu berücksichtigen wäre, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber in China über eine Vertriebsplattform verfügt, ist festzustellen, dass, abgesehen davon, dass es sich um verspätete Berechnungen handelt, die nicht Bestandteil der Begründung der angefochtenen Entscheidung sind, in der ein anderer Test durchgeführt worden ist, das Ergebnis, zu dem die Kommission hinsichtlich der Kosten gelangt, jedenfalls nicht mit dem übereinstimmt, das in der angefochtenen Entscheidung angegeben ist. Zum einen betragen die Kosten eines ebenso effizienten Wettbewerbers für die Vertriebsplattform nach Rn. 36 der Anlage D.39 der Gegenerwiderung nämlich 20690000 USD, und nicht 24 Mio. USD, wie im 1463. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angegeben. Zum anderen werden die Kosten der Garantieverlängerung, die einem ebenso effizienten Wettbewerber entstehen, ebenfalls erstmals in Rn. 30 der Anlage D.39 der Gegenerwiderung mit 17473664 USD beziffert. Dieser Wert weicht um 20 Mio. USD von dem in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Wert ab. 449 Schließlich kann die Kommission auch mit ihrem Vorbringen in Rn. 327 der Gegenerwiderung, in der auf die Rn. 38 bis 44 der Anlage D.39 der Gegenerwiderung verwiesen wird, nämlich, dass das Kernargument der Klägerin, dass ihr durch die beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile Kosten in Höhe von 3 Mio. USD entstanden seien, in Widerspruch zu den eigenen Beweisen der Klägerin stehe, keinen Erfolg haben. 450 Die der Gegenerwiderung als Anlagen D.41 und D.42 beigefügten internen Dokumente der Klägerin, aus denen sich ergeben soll, dass die Klägerin die Kosten der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile nicht auf 3 Mio. USD, sondern auf 47 Mio. USD geschätzt habe, werden in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt und gehören damit nicht zu deren Begründung. Nach dem Wortlaut des 1465. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung dürfte es ausgeschlossen sein, dass die Kommission sie bei ihren Haupterwägungen, wie sie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergeben, berücksichtigt hat. In diesem Erwägungsgrund heißt es nämlich, dass „das Vorbringen von Intel, dass beim AEC‑Test nicht auf den Wert, den die Leistungen für Lenovo gehabt hätten, sondern auf die wirtschaftlichen Kosten, die ihr durch sie entstanden seien, abzustellen sei, auf einem unrichtigen Verständnis der Prinzipien des AEC‑Tests beruht“. 451 Aber selbst wenn der Verweis der Kommission auf die oben in Rn. 450 genannten Dokumente zulässig wäre, könnte aus diesen Dokumenten nicht geschlossen werden, dass die Klägerin ihre Kosten zu Unrecht zu gering angesetzt habe, indem sie angegeben habe, dass die beiden nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile 1,7 Mio. USD bzw. 1,3 Mio. USD entsprächen. Die Dokumente, auf die sich die Kommission beruft, wurden nämlich in einer Zeit erstellt, in der Verhandlungen mit Lenovo im Gange waren und die Klägerin den hohen Wert ihrer geschäftlichen Angebote beweisen wollte, indem sie sie gegenüber Lenovo vorteilhaft darstellte (vgl. auch oben, Rn. 445 und 446). Zu dem konkreten Inhalt dieser Dokumente, der unter dem Vorbehalt der getroffenen Feststellungen untersucht wird, ist vorsorglich festzustellen, dass die Dokumente nicht klar sind und die Auffassung der Kommission daher nicht zu stützen vermögen. 452 Erstens wird der Vorteil der Ausweitung der Vertriebsplattform in dem Dokument mit dem Titel „Intel Chart entitled 2006 v. 2007 Trend“ zwar unter dem Titel „Incremental 07 Spending“ abgehandelt und ist in der betreffenden Tabelle vom „billing impact“ die Rede. Der die Plattform betreffende Wert von 24 Mio. USD taucht aber nicht in der Spalte „Expense“, sondern in der Spalte „Contra“ auf. Es handelte sich also um die Schätzung des Gegenwerts der Verwendung der Plattform aus Sicht der Klägerin, wie im ergänzenden Shapiro/Hayes-Gutachten in Nr. 71 erläutert und in Anlage 10 veranschaulicht wird, nicht aber der der Klägerin durch eine solche Plattform oder deren Anpassung entstehenden Kosten. Ebenso werden die Kosten der Garantieverlängerung im ergänzenden Shapiro/Hayes-Gutachten in Nr. 70 und in Anlage 9 mit 1,7 Mio. USD beziffert. Daher braucht nicht auf die von Dr. Hayes in der mündlichen Verhandlung von 2020 aufgestellte Behauptung eingegangen zu werden, dass die Erhöhung der Garantie von einem auf drei Jahre wegen der begrenzten Zahl von Ausfällen von x86-Prozessoren keine erheblichen Grenzkosten bedeute. 453 Zweitens lassen sich anhand der in Anlage D.42 der Gegenerwiderung enthaltenen Tabellen zwar die Kosten der Klägerin und die Vorteile von Lenovo in Beziehung zueinander setzen. Aus den Tabellen geht aber nicht hervor, wieviel die Anpassung einer Vertriebsplattform insgesamt kosten würde. In der angefochtenen Entscheidung wird insoweit von einem Wert von 24 Mio. USD ausgegangen. Jedenfalls kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit diesem Dokument das Angebot in den Verhandlungen mit Lenovo günstig dargestellt werden sollte. 454 Wegen der Beurteilungsfehler, die der Kommission unterlaufen sind, braucht daher auf bestimmte zusätzliche Argumente der Klägerin betreffend die Frage, ob AMD tatsächlich in China über eine Plattform verfügt hat, nicht eingegangen zu werden. Denn auf die Situation des Unternehmens AMD kam es beim AEC‑Test ohnehin nicht an. 455 Somit ist festzustellen, dass die Kommission den Wert der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile, die die Klägerin Lenovo gewährt hat, zu Unrecht mit 20 Mio. USD bzw. 24 Mio. USD angesetzt hat, auf deren Grundlage sie den Betrag der Rabatte dann auf 180 Mio. USD festgesetzt hat. Folglich ist auch dieser Betrag von 180 Mio. USD nicht richtig festgesetzt. 456 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Kommission im 1507. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass das Ergebnis, zu dem sie hinsichtlich der Frage gelangt sei, ob die Lenovo gewährten Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, auf einem Vergleich zwischen der erforderlichen Stückzahl und der bestreitbaren Stückzahl – wie er im 1478. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angestellt wird – und den Feststellungen in den Erwägungsgründen 1479 bis 1506 – mit Ausführungen zu einem alternativen Test des erforderlichen Teils für die kombinierten Segmente der Desktop-Computer und der Notebooks – beruhe. Wie sich aus den Erwägungsgründen 1472, 1478 und 1503 bis 1506 der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat die Kommission aber sowohl bei dem genannten Vergleich als auch bei dem alternativen Test bei ihren Beurteilungen zur Bestimmung des erforderlichen Teils einen bedingten Teil von 180 Mio. USD berücksichtigt, um diesen bedingten Teil dann mit dem bestreitbaren Teil an x86-Prozessoren zu vergleichen. Der Fehler, der der Kommission bei der Bezifferung der nicht in Geldleistungen bestehenden Vorteile unterlaufen ist, die die Klägerin Lenovo gewährt hat, hat sich somit durch sämtliche Abschnitte der Prüfung der diesem Computerhersteller gewährten Rabatte hindurchgezogen. 457 Daher ist, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob das Vorbringen der Klägerin betreffend den zu berücksichtigenden bestreitbaren Teil an Einheiten stichhaltig ist, festzustellen, dass die Kommission rechtlich nicht hinreichend dargetan hat, dass das Ergebnis, zu dem sie im 1507. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung gelangt ist, nämlich, dass die Rabatte der Klägerin 2007 möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten, da ein ebenso effizienter Wettbewerber daran gehindert gewesen wäre, die Nachfrage von Lenovo nach x86-Prozessoren für Notebooks zu befriedigen, zuträfe. e) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem in Bezug auf MSH durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen 458 Die Klägerin macht geltend, dass der in der angefochtenen Entscheidung enthaltene AEC‑Test für MSH, abgesehen davon, dass ihre AAC zu hoch angesetzt würden, zwei Fehler enthalte. Der eine betreffe die Methode des „bedingten Doppelrabatts“ (im Folgenden: Doppelrabatt-Methode), der andere den bedingten Teil der Zahlungen. Bei Berichtigung einer dieser beiden Fehler bestehe MSH den AEC‑Test. 459 Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst zu prüfen, ob das Vorbringen, dass die Kommission die Doppelrabatt-Methode nicht richtig angewandt habe, stichhaltig ist. 460 Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Zahlen, die bei der Anwendung dieser Methode zugrunde gelegt worden seien, nicht relevant seien und dass die Kommission daraus nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen habe. 461 Die Kommission ist der Auffassung, dass das Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang zurückzuweisen sei. Die Doppelrabatt-Methode sei fehlerfrei angewandt worden. 462 Die Kommission macht erstens geltend, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber, um Computer einer bestimmten Marke an MSH verkaufen zu können, nicht nur dafür sorgen müsse, dass MSH bereit sei, mit Prozessoren von ihm ausgerüstete Computer zu kaufen, sondern auch und vor allem, dass Computerhersteller bereit seien, solche Computer herzustellen. Die Verhaltensweisen der Klägerin auf verschiedenen Ebenen der Lieferkette könnten daher kumulative Wirkung haben. 463 Zweitens genüge es für den Nachweis, dass die Zahlungen, die die Klägerin an MSH geleistet habe, wenn sie mit einer Verhaltensweise der Klägerin gegenüber einem Computerhersteller verbunden gewesen seien, möglicherweise Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt verdrängt hätten, diese potenzielle Wirkung anhand eines repräsentativen Beispiels einer bedingten Zahlung, die die Klägerin an einen Computerhersteller geleistet habe, zu verdeutlichen. Es sei nicht erforderlich, dies bei jedem einzelnen Computerhersteller zu zeigen. 464 Drittens werde in der angefochtenen Entscheidung das Zusammenwirken der Zahlungen der Klägerin an MSH und der reinen Beschränkungen der Klägerin untersucht, insbesondere in Bezug auf die mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüsteten Notebooks von Lenovo und den Zeitraum von Juni bis Dezember 2006. 465 Die Kommission weist darauf hin, dass auf das übrige Vorbringen der Klägerin in Anlage B.31 der Klagebeantwortung im Einzelnen eingegangen werde. Aus dieser Anlage gehe im Wesentlichen hervor, dass in der angefochtenen Entscheidung hinreichend gerechtfertigt werde, dass die Rabatte, die NEC für das betreffende Quartal gewährt worden seien, für den gesamten untersuchten Zeitraum repräsentativ seien, dass es unwahrscheinlich sei, dass NECCI den gesamten bestreitbaren Teil von MSH hätte liefern können, und dass die angefochtene Entscheidung nicht auf der Annahme beruhe, dass die Rabatte, die die Klägerin NEC gewährt habe, zu 100 % bedingt gewesen seien. 466 Hierzu ist, wie die Klägerin geltend macht, festzustellen, dass die Kommission im 1565. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung in einem ersten Schritt festgestellt hat, dass aus Tabelle 58 im 1564. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, dass die Klägerin den AEC‑Test nach der normalen Berechnungsmethode für die Jahre 1997, 1998 und 2000 nicht bestanden hätte. Wie die Klägerin im Wesentlichen geltend macht, hat die Kommission mithin zumindest implizit anerkannt, dass der sich aus den bedingten Zahlungen der Klägerin an MSH ergebende effektive Preis nach der normalen Berechnungsmethode während des gesamten Zeitraums der zur Last gelegten Zuwiderhandlung, d. h. von 2002 bis 2007, deutlich über den AAC gelegen hat. 467 Wie sich aus den Erwägungsgründen 1561 und 1566 der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat die Kommission in einem zweiten Schritt dann dennoch den AEC‑Test angepasst. Sie hat hierzu ausgeführt, dass, als die Klägerin einem Computerhersteller einen bedingten Rabatt gewährt habe, ein ebenso effizienter Wettbewerber zwei Zahlungen hätte leisten müssen: die eine, um den bestreitbaren Teil des Computerherstellers zu erhalten, die andere um den bestreitbaren Teil von MSH zu erhalten. Unter Berücksichtigung dieses Doppelrabatts ist die Kommission im 1568. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu dem Schluss gelangt, dass die Klägerin den AEC‑Test während des gesamten Zeitraums der zur Last gelegten Zuwiderhandlung mit Ausnahme des Jahres 2004 nicht bestanden habe. 468 Aus den angeführten Erwägungsgründen der angefochtenen Entscheidung ergibt sich mithin, dass davon auszugehen ist, dass die Klägerin den AEC‑Test nach der normalen Berechnungsmethode bestanden hätte, und dass es der Kommission unter Zugrundelegung ihrer eigenen Zahlen nur unter Berücksichtigung des Vorliegens eines Doppelrabatts gelungen wäre, nachzuweisen, dass die Zahlungen, die die Klägerin an MSH geleistet hat, während des gesamten Zeitraums der zur Last gelegten Zuwiderhandlung mit Ausnahme des Jahres 2004 geeignet gewesen waren, Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt zu verdrängen. 469 Was die Würdigung dieser Tatsachen angeht, ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin die Doppelrabatt-Methode als solche nicht in Zweifel zieht. Sie räumt im Großen und Ganzen ein, dass ein ebenso effizienter Wettbewerber, um Computer einer bestimmten Marke an MSH verkaufen zu können, nicht nur dafür hätte sorgen müssen, dass MSH bereit gewesen wäre, mit Prozessoren von ihm ausgerüstete Computer zu kaufen, sondern auch und vor allem, dass Computerhersteller bereit gewesen wären, solche Computer herzustellen. Die Verhaltensweisen der Klägerin auf verschiedenen Stufen der Lieferkette konnten daher kumulative Wirkung haben. 470 Die Klägerin zieht jedoch die Zahlen in Zweifel, die die Kommission bei ihren Berechnungen zugrunde gelegt hat. Wie die Klägerin geltend macht, wird in der angefochtenen Entscheidung bei der Berechnung der Höhe des Doppelrabatts davon ausgegangen, dass jedem Computerhersteller, der MSH beliefert habe, ein bedingter Rabatt gewährt worden sei, der dem Rabatt entspreche, der NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 insgesamt gewährt worden sei, und dass er diesen Rabatt in vollem Umfang verloren hätte, wenn MSH damit begonnen hätte, mit x86-Prozessoren von AMD ausgerüstete Computer zu verkaufen. Unter der Annahme, dass es sich bei den MSH gewährten Rabatten zu 100 % um bedingte Rabatte gehandelt habe, hat die Kommission daraus für den gesamten Zeitraum der zur Last gelegten Zuwiderhandlung mit Ausnahme des Jahres 2004 geschlossen, dass die Rabatte der Klägerin einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt verdrängt hätten. 471 Diese Erwägungen der Kommission leiden nach Auffassung des Gerichts jedoch unter zwei Mängeln, von denen jeder geeignet ist, die Ergebnisse des AEC‑Tests, der in Bezug auf MSH auf der Grundlage der Rabatte, die die Klägerin NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 gewährt hat, durchgeführt wurde, zu entkräften. 472 Wie die Klägerin geltend macht, geht die Kommission in den Erwägungsgründen 1566 und 1567 der angefochtenen Entscheidung nämlich erstens davon aus, dass die NEC gewährten Rabatte die bedingten Rabatte, die für alle mit Prozessoren der Klägerin ausgerüstete Computer gewährt wurden, die MSH von allen Computerherstellern gekauft hat, angemessen widerspiegeln. Diese Annahme ist jedoch nicht begründet. 473 Die Klägerin macht nämlich, ohne dass ihr die Kommission insoweit widerspricht, geltend, dass MSH ihren Bedarf an Computern im Zeitraum von 2002 bis 2007 lediglich zu 4 % bei NEC gedeckt habe und dass die wichtigsten Computerhersteller, die MSH außer NEC im Zeitraum von 2002 bis 2007 Computer geliefert hätten, Fujitsu, Acer, HP, Compaq, Toshiba und Medion gewesen seien. Zumindest beruht die Auffassung der Kommission zwangsläufig auf der Annahme, dass MSH auch bei anderen Computerherstellern als NEC Computer gekauft hat. 474 Die Kommission hat aber weder behauptet noch bewiesen, dass die Klägerin einem der anderen Computerhersteller, bei denen MSH Computer bezogen hat, im Segment der Computer für Privatkunden bedingte Rabatte zu Bedingungen gewährt hätte, die mit denen vergleichbar gewesen wären, zu denen die Rabatte für die bei NEC gekauften Computer gewährt worden sind. 475 Die Kommission hat ihre Erwägungen zur Doppelrabatt-Methode somit auf die Rabatte gestützt, die die Klägerin NEC lediglich in einem Quartal gewährt hat, das lediglich einen Teil der Einkäufe von MSH repräsentierte. Wie die Klägerin geltend macht, entbehrt die Annahme der Kommission, dass sämtlichen Lieferanten von MSH erhebliche bedingte Rabatte gewährt worden seien, die mit denen übereingestimmt hätten, die NEC gewährt worden seien, somit jeglicher Grundlage. Sie ist auch nicht belegt worden. 476 Diese Feststellung wird bestätigt durch den Wortlaut des 1566. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung, in dem die Kommission zur Veranschaulichung der Doppelrabatt-Methode lediglich ausführt, dass „[i]n der zusätzlichen Mitteilung der Beschwerdepunkte von 2008 … NEC als Beispiel für einen solchen Computerhersteller angeführt [wurde]“, und durch den Wortlaut des 1567. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung, in dem die Kommission ausführt, dass „[i]n Abschnitt 4.2.3.4 … die bedingten Rabatte untersucht [wurden], die Intel NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 gewährt hat (da es sich um das einzige Quartal handelt, bei dem die Kommission über ausreichende Daten verfügt, um prüfen zu können, ob die Rabatte geeignet waren, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen)“. Aus diesen Erwägungsgründen der angesprochenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission auf das Beispiel von NEC und auf ein einziges Quartal offenbar nicht allein deshalb abgestellt hat, weil es relevant war, sondern weil es sich um das einzige Quartal handelte, für das sie hat Informationen erlangen können, um bei MSH den AEC‑Test durchführen zu können. 477 Die Kommission macht insoweit geltend, dass es genüge, auf ein repräsentatives Beispiel abzustellen, da mit dem AEC‑Test lediglich nachgewiesen werden solle, dass eine Geschäftspraxis geeignet sei, wettbewerbswidrige Wirkungen zu haben, und nicht, dass sie tatsächlich solche Wirkungen habe. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass sich die Kommission, wenn sie sich für einen quantitativen Ansatz entscheidet, um eine solche Eignung nachzuweisen, vergewissern muss, dass die von ihr herangezogenen Daten zuverlässig sind, und zumindest erläutern muss, inwieweit sich diese Daten extrapolieren lassen. Die Kommission hat aber nicht dargetan, dass die Zahlen von NEC für alle Computerhersteller „repräsentativ“ gewesen wären. 478 Zweitens geht die Kommission bei ihrer Analyse, wie die Klägerin geltend macht, jedenfalls davon aus, dass NEC und den übrigen Computerherstellern, die MSH beliefert hätten, im Zeitraum von 1997 bis 2007 bedingte Rabatte gewährt worden seien, die demjenigen entsprächen, den NEC für ein einziges Quartal erhalten habe. Dies impliziert, dass die Rabatte, die NEC für das vierte Quartal des Jahres 2002 gewährt worden sind – unterstellt, sie wären für alle Computerhersteller repräsentativ –, während eines Zeitraums von zehn Jahren stabil geblieben wären. Zum einen hat die Kommission aber nicht nachgewiesen, dass dies der Fall gewesen wäre. Der einzige Grund, den die Kommission offenbar anführt, ist der im 1567. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannte, nämlich, dass die Daten zu den Rabatten, die NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 gewährt worden seien, die einzigen Daten gewesen seien, über die sie verfügt habe. Wie die Klägerin geltend macht, kann die Kommission ihre Schlussfolgerungen aber nicht auf Annahmen stützen, weil sie keine weiteren Beweise erlangen kann. Zum anderen ist festzustellen, dass der Kommission bei NEC, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 404 bis 411), dadurch ein Beurteilungsfehler unterlaufen ist, dass sie die Ergebnisse, zu denen sie für das vierte Quartal des Jahres 2002 gelangt ist, auf den gesamten Zeitraum der zur Last gelegten Zuwiderhandlung extrapoliert hat. 479 Daher ist, ohne dass auf das übrige Vorbringen der Parteien, wie es oben in den Rn. 458 bis 465 dargestellt ist, eingegangen zu werden braucht, festzustellen, dass die Kommission zu Unrecht angenommen hat, dass die bedingten Rabatte, die die Klägerin NEC im vierten Quartal des Jahres 2002 gewährt hat, als Daten ausreichten, um bei MSH für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung den AEC‑Test durchführen zu können. 480 Da die Kommission nicht dargetan hat, dass die für eine Extrapolation erforderlichen Voraussetzungen erfüllt wären, ist somit, ohne dass auf das zweite Argument betreffend den bedingten Teil der Zahlungen (siehe oben, Rn. 458) eingegangen zu werden braucht, festzustellen, dass die Klägerin zu Recht geltend macht, dass der Kommission bei der Durchführung des AEC‑Tests in Bezug auf MSH ein Beurteilungsfehler unterlaufen ist, der den gesamten untersuchten Zeitraum betrifft. 481 Die Kommission hat mithin rechtlich nicht hinreichend dargetan, dass die Schlussfolgerung, die sie im 1573. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage der Feststellungen in den Erwägungsgründen 1559 bis 1572 der angefochtenen Entscheidung gezogen hat, nämlich, dass die Zahlungen der Klägerin an MSH in dem Zeitraum vom letzten Quartal des Jahres 1997 bis zum 12. Februar 2008 entweder für sich genommen oder als verstärkender Faktor des Verhaltens der Klägerin gegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber wettbewerbswidrig vom Markt verdrängt hätten, da selbst ein ebenso effizienter Wettbewerber daran gehindert gewesen wäre, in den betreffenden Teil des Marktes einzutreten, zuträfe. f) Ergebnis zum AEC‑Test 482 In Anbetracht der oben in den Rn. 179 bis 480 angestellten Erwägungen ist dem Vorbringen der Klägerin, dass der AEC‑Test, den die Kommission in der angefochtenen Entscheidung durchgeführt habe, unter Fehlern leide, stattzugeben, ohne dass auf das Vorbringen der Klägerin zur Analyse der Kosten eingegangen zu werden braucht. C. Zu dem Vorbringen, dass die in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien in der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend geprüft und berücksichtigt worden seien 483 Die Klägerin und ACT machen geltend, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei ihren Feststellungen zur Eignung der Rabatte von der Klägerin, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, die vom Gerichtshof in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils aufgestellten Kriterien nicht alle hinreichend berücksichtigt habe. Die Nichtberücksichtigung auch nur eines dieser Kriterien müsse aber zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen. 484 Die Klägerin und ACT meinen, dass von den fünf Kriterien zumindest drei nicht richtig geprüft worden seien. In der angefochtenen Entscheidung werde zwar auf das erste und das dritte Kriterium gemäß Rn. 139 des Rechtsmittelurteils eingegangen, nämlich das Ausmaß der beherrschenden Stellung des Unternehmens auf dem relevanten Markt und die Bedingungen und Modalitäten der Gewährung der Rabatte der Klägerin, nicht aber jedenfalls auf die Kriterien des Umfangs der Markterfassung, der Dauer und der Höhe der Rabatte und des Vorliegens einer Strategie zum Ausschluss der mindestens ebenso effizienten Wettbewerber. 1. Umfang der Markterfassung 485 Im 1577. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung in Abschnitt 4.2.4 betreffend die strategische Bedeutung der Computerhersteller, denen die Klägerin Rabatte gewährt hat, führt die Kommission im Wesentlichen aus, dass bestimmte Computerhersteller, nämlich Dell und HP, wegen ihres Marktanteils, ihrer starken Präsenz im profitabelsten Marktsegment und ihrer Möglichkeit, einen neuen Prozessor auf dem Markt zu etablieren, in strategischer Hinsicht wichtiger gewesen seien als andere, um Herstellern von x86-Prozessoren den Zugang zum Markt zu ermöglichen. Im 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission weiter aus, dass die Computerhersteller, auf die das Verhalten der Klägerin abgezielt hätte, einen erheblichen Marktanteil gehabt hätten und darüber hinaus auch noch in strategischer Hinsicht wichtiger gewesen seien als andere. Die Auswirkung auf den Markt insgesamt sei daher stärker gewesen als die Auswirkung, die allein den kumulierten Marktanteilen der betreffenden Computerhersteller entsprochen hätte. Die Kommission ist deshalb zu dem Schluss gelangt, dass die Markterfassung der missbräuchlichen Verhaltensweisen erheblich gewesen sei. 486 Die Klägerin und ACT machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission, indem sie im 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung lediglich festgestellt habe, dass die Computerhersteller, auf die das Verhalten der Klägerin abgezielt habe, einen erheblichen Marktanteil gehabt hätten und in strategischer Hinsicht die wichtigsten Computerhersteller gewesen seien, was auf den Markt insgesamt eine stärkere Auswirkung gehabt habe als die Auswirkung, die allein den kumulierten Marktanteilen der betreffenden Computerhersteller entsprochen hätte, in der angefochtenen Entscheidung bei der Prüfung der Frage, ob die Rabatte und Zahlungen der Klägerin geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, das Kriterium der Markterfassung nicht hinreichend berücksichtigt habe. 487 Die Klägerin macht ferner geltend, dass diese Feststellung in der angefochtenen Entscheidung getroffen worden sei, nachdem im 1001. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden sei, dass ihre Rabatte und Zahlungen die Voraussetzungen eines Missbrauchs erfüllten, obwohl nach dem Rechtsmittelurteil erforderlich sei, dass die Kommission die Markterfassung vor der Feststellung eines Missbrauchs prüfe. Darüber hinaus machen die Klägerin und ACT geltend, dass die Beweismittel, auf die sich die Kommission gestützt habe, nicht für die Feststellung genügten, dass der Marktanteil, der von dem Verhalten der Klägerin erfasst gewesen sei, erheblich gewesen sei. 488 Die Kommission hält das Vorbringen der Klägerin für nicht stichhaltig. 489 Sie macht erstens geltend, dass die Markterfassung in Abschnitt 4.2.4 der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhang mit der strategischen Bedeutung der Computerhersteller, denen die Klägerin Rabatte gewährt habe, geprüft worden sei. Die Kommission weist insbesondere darauf hin, dass die Markterfassung, auch wenn sie in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils lediglich als ein Gesichtspunkt genannt werde, in jedem Einzelfall angewandt werden müsse. Im vorliegenden Fall sei bei der Beurteilung der Frage, ob dieser Gesichtspunkt nachweise, dass die Treuerabatte der Klägerin geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, die strategische Bedeutung des erfassten Marktanteils zu berücksichtigen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Computerhersteller ein unumgänglicher Handelspartner gewesen sei und damit einen großen Einfluss auf ihre Abnehmer gehabt habe. Für diese sei es unrealistisch gewesen, ganz oder überwiegend auf die Produktlinie von AMD umzusteigen. 490 Zweitens stellt die Kommission fest, dass sich die Klägerin hinsichtlich des Umfangs der Markterfassung nicht mehr auf die in Rn. 115 der Klageschrift aufgestellte Behauptung stütze, dass ihre Verhaltensweisen in einem Jahr nicht mehr als 2 % des Marktes erfasst hätten. Vielmehr habe sie wohl akzeptiert, dass das Gericht in Rn. 194 des ersten Urteils festgestellt habe, dass die Markterfassung während der Dauer der Zuwiderhandlung im Durchschnitt etwa 14 % betragen habe. Aus bestimmten Beweisen könne geschlossen werden, dass die Marktanteile der Computerhersteller, die von den in Rede stehenden Rabatten betroffen gewesen seien, mehr als 25 % betragen hätten. 491 Drittens macht die Kommission geltend, dass die Klägerin mit der in ihrer Stellungnahme erhobenen Rüge, dass die Feststellung im 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getroffen worden sei, nachdem im 1001. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden sei, dass ihre Rabatte und Zahlungen die Voraussetzungen eines Missbrauchs erfüllten (siehe oben, Rn. 487), den Inhalt der angefochtenen Entscheidung nicht richtig wiedergebe. Der 1001. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beruhe nämlich auf dem Urteil vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, EU:C:1979:36), nach dem Treuerabatte gegen Art. 102 AEUV verstießen. Wie im 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, habe die danach durchgeführte Prüfung aber ergeben, dass das Abzielen auf Computerhersteller, die in strategischer Hinsicht derart bedeutend seien, eine stärkere Wirkung auf den Markt insgesamt habe als die Wirkung, die lediglich den kumulierten Marktanteilen dieser Computerhersteller entspreche. Die Markterfassung der missbräuchlichen Verhaltensweisen sei daher als „erheblich“ einzustufen. Im 1616. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung werde die allgemeine Schlussfolgerung gezogen, dass die Kundenbindung, die durch die Rabatte geschaffen worden sei, eine zusätzliche Wirkung gehabt habe, die die Möglichkeiten anderer Wirtschaftsteilnehmer, in Wettbewerb zu treten und ihre Produkte zu verkaufen, indem sie die Qualität ihrer x86-Prozessoren herausstellten, erheblich geschmälert hätten. 492 Nach Rn. 139 des Rechtsmittelurteils ist der Umfang der Markterfassung der beanstandeten Verhaltensweise eines der Kriterien, die von der Kommission bei der Beurteilung der Frage, ob die bedingten Rabatte und Zahlungen geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, zu berücksichtigen sind (vgl. oben, Rn. 119 und 125). 493 Als Erstes ist festzustellen, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht ausgeschlossen werden kann, dass Abschnitt 4.2.4 der angefochtenen Entscheidung betreffend die strategische Bedeutung der Computerhersteller, denen die Klägerin Rabatte gewährt hat, bei der Prüfung des Umfangs der Markterfassung relevant sein könnte. In diesem Abschnitt wird nämlich auf bestimmte Faktoren eingegangen, die bei der Prüfung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, grundsätzlich relevant sind, wie etwa, dass bestimmte Maßnahmen der Preisgestaltung auf die profitabelsten Segmente des Marktes ausgerichtet werden oder dass die wichtigsten Wirtschaftsteilnehmer des Marktes zulasten eines Wettbewerbers von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen, ein Produkt auf dem Markt zu etablieren. 494 Unabhängig von der Frage, ob die Feststellung im 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung getroffen worden ist, nachdem im 1001. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt worden war, dass die Rabatte und Zahlungen der Klägerin die Voraussetzungen eines Missbrauchs erfüllten, ist aber festzustellen, dass die Ausführungen in Abschnitt 4.2.4 der angefochtenen Entscheidung betreffend die strategische Bedeutung der Computerhersteller, denen die Klägerin Rabatte gewährt hat, insbesondere der 1597. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, auf den die Kommission ihre Annahme stützt, dass der Umfang der Markterfassung geprüft worden sei, anders als die Kommission meint, nicht dahin verstanden werden können, dass sie unter den Umständen des vorliegenden Falls für sich genommen eine hinreichende Prüfung des Umfangs der Markterfassung der beanstandeten Verhaltensweise im Sinne von Rn. 139 des Rechtsmittelurteils darstellten. 495 Denn unabhängig davon, dass die Kommission auf die Marktanteile bestimmter Computerhersteller abgestellt hat, und unterstellt, dass sie sich darauf beschränken dürfte, auf die Marktanteile bestimmter Computerhersteller abzustellen, anstatt gemäß Rn. 139 des Rechtsmittelurteils den Umfang der Markterfassung der beanstandeten Verhaltensweise zu prüfen, ist festzustellen, dass in den Erwägungsgründen 1578 bis 1580 der angefochtenen Entscheidung, wie die Klägerin und ACT geltend machen, lediglich die Marktanteile von Dell und HP berücksichtigt werden, nicht aber die der übrigen Computerhersteller, die von der beanstandeten Verhaltensweise betroffen sind. Zudem beziehen sich die berücksichtigten Marktanteile lediglich auf den Zeitraum vom ersten Quartal des Jahres 2003 bis zum letzten Quartal des Jahres 2005. Es handelt sich dabei also lediglich um einen Teil des gesamten Zeitraums, der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist (Oktober 2002 bis Dezember 2007). Außerdem wird auf diese Weise der Zeitraum von 2006 bis 2007, in dem Lenovo und MSH betroffen waren, völlig außer Betracht gelassen. Wie die Klägerin und ACT geltend machen, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 1578 bis 1580 der angefochtenen Entscheidung, dass bei den Marktanteilen, auf die die Kommission abgestellt hat, die weltweiten Marktanteile von Dell und HP in allen Segmenten zugrunde gelegt worden sind, obwohl die einzige Verhaltensweise, die in Bezug auf HP beanstandet wurde, Business-Desktop-Computer betrifft, wie aus Art. 1 Buchst. b der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. 496 Als Zweites ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Stellungnahme geltend macht, dass das Gericht in Rn. 194 des ersten Urteils festgestellt habe, dass die Markterfassung während der Dauer der Zuwiderhandlung im Durchschnitt etwa 14 % betragen habe, und dass aus bestimmten Beweisen geschlossen werden könnte, dass die Marktanteile der Computerhersteller, die von den in Rede stehenden Rabatten betroffen gewesen seien, mehr als 25 % betragen hätten. Sie führt insoweit weiter aus, dass „das Vorbringen von Intel …, dass die Kommission zu Unrecht auf den Marktanteil von HP in allen Segmenten des Marktes abgestellt habe, … nicht stichhaltig [ist]“, dass „in der angefochtenen Entscheidung … bei HP kein bestimmter Wert genannt wird“ und dass „[b]ei der durchschnittlichen Markterfassung von 14 %, die im [ersten] Urteil genannt wird, …, anders als Intel behauptet, die segmentspezifischen Treuerabatte, die HP gewährt worden sind, nicht berücksichtigt [werden]“. 497 Dem Vorbringen der Kommission, dass das Gericht in Rn. 194 des ersten Urteils festgestellt habe, dass die Markterfassung während der Dauer der Zuwiderhandlung im Durchschnitt etwa 14 % betragen habe, was von der Klägerin nicht bestritten worden sei, oder dass die Marktanteile der Computerhersteller, die von den in Rede stehenden Rabatten betroffen gewesen seien, mehr als 25 % betragen hätten, kann jedoch nicht gefolgt werden. 498 Die Werte von 14 % bzw. 25 % werden in der angefochtenen Entscheidung nämlich keineswegs nach einer Prüfung des Umfangs der Markterfassung genannt. Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Umfangs der Markterfassung der beanstandeten Verhaltensweise kann das Gericht diese Werte, auch wenn sie Beweismitteln entnommen sind, die zu den Akten gehören, daher nicht heranziehen, da sie nicht in der angefochtenen Entscheidung vorkommen und sich die Kommission per definitionem nicht auf sie hat stützen können. 499 Ohne dass auf das Vorbringen der Kommission zu dem Marktanteil von HP eingegangen zu werden braucht, ist daher festzustellen, dass die Kommission, obwohl sie hierzu nach Rn. 139 des Rechtsmittelurteils verpflichtet war, den Umfang der Markterfassung der beanstandeten Verhaltensweise nicht bestimmt hat. Dies ist auch nicht mit ihren eigenen Leitlinien betreffend die Bearbeitung von Sachen, die unter Art. 102 AEUV fallen, zu vereinbaren, insbesondere nicht mit Rn. 20 der Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (ABl. 2009, C 45, S. 7). 500 Nach alledem ist festzustellen, dass die Klägerin und ACT zu Recht geltend machen, dass die angefochtene Entscheidung insoweit fehlerhaft ist, als darin das Kriterium des Umfangs der Markterfassung der angefochtenen Verhaltensweise nicht hinreichend untersucht worden ist. 2. Zur Dauer und Höhe der Rabatte 501 Die Klägerin rügt in der Klageschrift und in der Stellungnahme, dass die angefochtene Entscheidung keine Ausführungen zur Dauer und zur Höhe der vorgeschlagenen Rabatte und bedingten Zahlungen enthalte. Sie macht insbesondere geltend, dass die Vereinbarungen von kurzer Dauer, die mit den Computerherstellern und MSH geschlossen worden seien, bei der Beurteilung der Frage, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, einen ebenso effizienten Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, nicht kumuliert werden könnten. Vielmehr müsse insoweit auf die Dauer der einzelnen Vereinbarungen abgestellt werden. 502 Die Kommission macht geltend, dass die Voraussetzungen der Rabatte und verschiedenen Zahlungen, die die Klägerin gewährt habe, in Abschnitt VII.4.2.2 der angefochtenen Entscheidung für jeden Computerhersteller analysiert worden seien. Dabei sei geprüft worden, welches Wesen die Bedingungen des ausschließlichen oder nahezu ausschließlichen Bezugs, die für die Zahlungen und Rabatte gegolten hätten, gehabt hätten und wie sie funktioniert hätten, in welcher Höhe Rabatte gewährt worden seien und ob die Bedingtheit der Zahlungen und Rabatte für die einzelnen Computerhersteller und MSH maßgeblich gewesen seien, als sie die Hypothese, x86-Prozessoren teilweise bei AMD zu beziehen, bewertet hätten. Die Kommission macht in der Klagebeantwortung insbesondere geltend, dass die kurze Kündigungsfrist, die für bestimmte Vereinbarungen, insbesondere die Vereinbarung mit HP, gegolten habe, nichts an den schädlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb ändere. Wenn die Klägerin die HPA-Vereinbarungen bei einer Verletzung der Verpflichtung zum nahezu ausschließlichen Bezug durch HP gekündigt hätte, hätte HP die Rabatte für den gesamten Rest der Laufzeit der Vereinbarung und zumindest potenziell auch für die Dauer einer Verlängerung der Vereinbarung verloren. 503 In ihrer Stellungnahme macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass die Klägerin die Stelle des ersten Urteils, die nach dem Rechtsmittelurteil relevant sei, nämlich die Ausführungen in Rn. 195 des ersten Urteils, in denen das Gericht untersucht habe, welche Auswirkungen die Dauer der Rabattvereinbarungen auf deren Eignung, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, hätten, nicht angefochten habe. Die Kommission ist mithin der Auffassung, dass die Feststellungen in Rn. 195 des ersten Urteils, wonach die Dauer der Vereinbarung der Klägerin deren Eignung, Wettbewerber vom Markt auszuschließen, nicht beeinträchtigt habe, als endgültig anzusehen seien. 504 Die Kommission macht in ihrer Stellungnahme zu Rn. 195 des ersten Urteils weiter geltend, dass es zwar zulässig sei, dass die Klägerin ihre Einwände gegen die in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Ausführungen zur Bedeutung der Dauer ihrer Vereinbarungen wiederhole. Es dürfe aber nicht vom ersten Urteil abgewichen werden. Erstens sei es, wenn die Klägerin, wie in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt werde, den AEC‑Test nicht bestehe, nicht logisch, dass sie immer wieder darauf verweise, dass die Computerhersteller die Vereinbarungen über die Treuerabatte hätten aufkündigen können. Ein ebenso effizienter Wettbewerber könne einfach nicht in Wettbewerb treten. Zweitens würde das Angebot eines ebenso effizienten Wettbewerbers für die Tätigkeiten der Computerhersteller unter solchen Umständen, auch wenn die Klägerin den AEC‑Test bestehe, implizieren, dass er sich bei diesen Umsätzen mit einer viel niedrigeren Rentabilität zufriedengeben müsste als die Klägerin. Drittens wiederholt die Kommission das Vorbringen, dass die Gesamtdauer eines Treuerabattsystems der Klägerin ein Faktor der Dauer sei, während derer ein ebenso effizienter Wettbewerber bei diesen Umsätzen, indem er „Kunden eines Computerherstellers, die von Intel kommen, abwirbt“, eine niedrigere Rentabilität in Kauf nehmen müsse. Bei HP etwa müsse ein Wettbewerber, der an die Stelle der Klägerin treten wolle, bereit sein, Bedingungen zu gewähren, die den Verlust der Rabatte der Klägerin zumindest während der vollständigen Dauer der HPA1-Vereinbarung ausglichen. Die Kommission macht weiter geltend, dass die einzelnen Reihen von Vereinbarungen mit den Computerherstellern während eines Zeitraums gegolten hätten, der ausreichend dafür gewesen sei, dass die Handlungen der Klägerin Wettbewerber vom Markt hätten verdrängen können. Die Vereinbarungen hätten nämlich für die Zeiträume gegolten, die für Verkäufe von x86-Prozessoren am rentabelsten seien, am Anfang des Lebenszyklus eines neuen Modells. Die Kommission macht ferner geltend, dass die Dauer der Verhaltensweisen der Klägerin nicht von deren Zeitpunkt getrennt werden könne. Die Verhaltensweisen hätten nämlich darauf abgezielt, die Unfähigkeit der Klägerin auszugleichen, in angemessener Zeit technisch auf die von AMD in den Verkehr gebrachten x86-Prozessoren mit 64 Bit zu reagieren. 505 In der mündlichen Verhandlung von 2020 hat die Kommission ein Dokument vorgelegt, das die Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung betreffe, in denen auf die verschiedenen Kriterien gemäß Rn. 139 des Rechtsmittelurteils eingegangen werde, unter anderem die Dauer. 506 Als Erstes ist festzustellen, dass die Rügen betreffend die Dauer und die Höhe der Rabatte und bedingten Zahlungen anders als die Kommission in ihrer Stellungnahme geltend macht, nicht unzulässig sind. Die Klägerin knüpft mit den Argumenten, die sie in der Stellungnahme und in der ergänzenden Stellungnahme insoweit vorbringt, nämlich ganz klar an die Argumente an, die sie in den Rn. 102 und 111 bis 114 der Klageschrift vorgebracht hat. Nach der oben in Rn. 106 angeführten Rechtsprechung sind die Rügen also zulässig. 507 Als Zweites ist festzustellen, dass sich aus Rn. 139 des Rechtsmittelurteils ergibt, dass die Beurteilung der Dauer und der Höhe der Rabatte und bedingten Zahlungen, die Gegenstand der beanstandeten Verhaltensweise sind, zu den Kriterien gehört, die bei der Beurteilung der Frage, ob die Verhaltensweisen geeignet sind, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, zu berücksichtigen sind. 508 Erstens hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung tatsächlich an mehreren Stellen Gesichtspunkte untersucht, die einen Bezug zur Dauer der Rabatte aufweisen. 509 Zunächst geht es in den Erwägungsgründen 1013 bis 1035 der angefochtenen Entscheidung um den zeitlichen Faktor beim AEC‑Test. Die Kommission stellt in den Erwägungsgründen 1015 und 1017 der angefochtenen Entscheidung insbesondere fest, dass die Rabatte unter bestimmten Umständen quartalsweise angepasst worden seien, und in den Erwägungsgründen 1017 bis 1028 der angefochtenen Entscheidung, dass es sich bei dem relevanten Markt um einen sehr dynamischen Markt handele, so dass es wegen der in dem betreffenden Sektor erfolgenden Innovationen schwierig, wenn nicht gar unmöglich sei, langfristige Prognosen anzustellen. Ebenso wird in den Erwägungsgründen 1025 bis 1027 der angefochtenen Entscheidung auf die Dauer der Verträge Bezug genommen und darauf hingewiesen, dass die Produktionszyklen regelmäßig zu „erneuern“ seien. 510 Außerdem heißt es in den Erwägungsgründen 201 und 202 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission annehme, dass bestimmte Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Computerherstellern, um die es gehe, quartalsweise erfolgt seien. Die Verhandlungen bezögen sich daher auf einen relativ kurzen Zeitraum, so dass ein ebenso effizienter Wettbewerber diesen Computerherstellern seine eigenen x86-Prozessoren habe leichter anbieten können. Ebenso geht die Kommission in den Erwägungsgründen 965 bis 968 der angefochtenen Entscheidung auf das Vorbringen der Klägerin ein, dass HP wegen der für die HPA-Vereinbarungen geltenden Kündigungsfrist von 30 Tagen freier gewesen sei, die Angebote der Klägerin mit denen von AMD zu vergleichen. Sie stellt hierzu fest, dass dieses Vorbringen wegen des Status der Klägerin als unumgänglicher Handelspartner und der Auswirkungen der Rabatte der Klägerin zurückzuweisen sei. In der mündlichen Verhandlung von 2020 hat die Kommission geltend gemacht, dass in bestimmten Fällen, die HP beträfen, Vereinbarungen mit der Klägerin mehrfach monatlich verlängert worden seien. Zu Dell führt die Kommission im 1227. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus, dass die gemäß dem Programm der Ausrichtung am Wettbewerb (Meet Competition Programme) gewährten Rabatte, da es insoweit keinen schriftlichen Vertrag mit der Klägerin gegeben habe, „ständig“ mündlich neu verhandelt worden seien, so dass die Klägerin die Rabatte sehr flexibel habe anpassen können. 511 Zum einen ging es in den Erwägungsgründen 1013 bis 1035 der angefochtenen Entscheidung aber lediglich darum, als Hypothese, die der Berechnung des bestreitbaren Teils der Rabatte bei den einzelnen betroffenen Computerherstellern zugrunde gelegt wurde, den zeitlichen Horizont zu bestimmen, in dem die Entscheidungen der Computerhersteller hinsichtlich ihrer Nachfrage nach x86-Prozessoren erfolgten. Die Kommission hat daraus gefolgert, dass beim AEC‑Test von einem relevanten zeitlichen Horizont von einem Jahr auszugehen sei. 512 Der zeitliche Faktor ist hier also herangezogen worden, um die Methode der Ermittlung des bestreitbaren Teils eines Computerherstellers zu bestimmen, der dann mit anderen Faktoren des AEC‑Tests in Beziehung zu setzen war, um zu ermitteln, ob die in Rede stehenden Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Eine solche Prüfung stellt somit keine Prüfung der Dauer der Rabatte als ein Faktor dar, der als solcher geeignet ist nachzuweisen, dass die Rabatte geeignet sind, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 513 Zum anderen ergibt sich aus den Erwägungsgründen 201, 202, 965 bis 968 und 1227 der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission die Dauer und die Art der Verpflichtungen, die die Computerhersteller gegenüber der Klägerin eingegangen sind, um Rabatte zu erhalten, als Faktoren untersucht hat, die geeignet sind, den Eintritt eines neuen Wettbewerbers in den Markt zu begünstigen oder zu verhindern, insbesondere in Anbetracht der Laufzeit der Vereinbarungen oder der Möglichkeit der Klägerin, ihre Rabatte kurzfristig zu gewähren oder anzupassen. 514 Obwohl sie diese Aspekte des zeitlichen Faktors für relevant gehalten hat, hat die Kommission sie in den Erwägungsgründen 201, 202, 965 bis 968 und 1227 der angefochtenen Entscheidung jedoch nur beiläufig und begrenzt untersucht. Sie hat diese Gesichtspunkte nicht bei allen Computerherstellern gründlich und umfassend daraufhin untersucht, ob sie geeignet sind, nachzuweisen oder zu bekräftigen, dass die in Rede stehenden Preispolitiken der Klägerin geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 515 Somit ist festzustellen, dass die Kommission die Dauer der Rabatte nicht als Faktor untersucht hat, der für sich genommen für den Nachweis relevant ist, dass die in Rede stehenden Preispolitiken der Klägerin geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 516 Zweitens macht die Kommission im Wesentlichen geltend, dass, auch wenn der AEC‑Test nicht ergeben habe, dass die in Rede stehenden Rabatte geeignet gewesen seien, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, auf die gesamte Dauer abzustellen sei, während derer die Klägerin den Computerherstellern Ausschließlichkeitsrabatte und ‑zahlungen gewährt habe, und dass, da die Rabatte bei Lenovo ein Jahr lang und bei den übrigen Computerherstellern und bei MSH mehrere Jahre lang gewährt worden seien, festzustellen sei, dass ein Wettbewerber der Klägerin auf dem Markt der x86-Prozessoren bei seinen Umsätzen eine Abnahme der Rentabilität und eine viel niedrigere Rentabilität hätte in Kauf nehmen müssen als die Klägerin. Diese Feststellungen seien in den Rn. 93 und 195 des ersten Urteils enthalten und seien damit endgültig. 517 Hierzu ist zum einen festzustellen, dass das erste Urteil, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 81), durch den Tenor des Rechtsmittelurteils in vollem Umfang aufgehoben worden ist. Folglich hat das Gericht das Vorbringen der Parteien zur Dauer der Rabatte nach der Zurückverweisung neu zu würdigen. Es ist dabei nicht an die Rn. 93 und 195 des ersten Urteils gebunden, die es sich nicht zu eigen macht. 518 Zum anderen ist festzustellen, dass sich aus den Rn. 138 und 139 des Rechtsmittelurteils ergibt, dass die Kommission, wenn das betroffene Unternehmen im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend macht, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, verpflichtet ist, sämtliche Kriterien, die in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannt werden, zu prüfen, und nicht lediglich das Kriterium der Dauer der Rabatte, das dort genannt wird. Hinsichtlich der Frage, ob die Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, lassen sich daher – unbeschadet der Schlussfolgerungen, die sich aus dem AEC‑Test ziehen lassen – allein aus der Dauer, während derer die Rabatte den Computerherstellern und MSH gewährt worden sind, keine endgültigen Schlussfolgerungen ziehen. 519 Drittens kann der Kommission nicht darin gefolgt werden, dass die Dauer der Verhaltensweisen von der Klägerin nicht von deren Zeitpunkt getrennt werden könne, da die Verhaltensweisen darauf abgezielt hätten, die Unfähigkeit der Klägerin auszugleichen, in angemessener Zeit technisch auf die von AMD in den Verkehr gebrachten x86-Prozessoren mit 64 Bit zu reagieren. Aus denselben Gründen wie den oben in Rn. 518 dargelegten können aus diesem Argument – unterstellt, es würde als solches in der angefochtenen Entscheidung genannt – nicht bereits endgültige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage gezogen werden, ob die Rabatte geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 520 Ohne dass auf das Vorbringen der Klägerin zur Höhe der Rabatte eingegangen zu werden braucht, ist somit festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Dauer der Rabatte zu Unrecht nicht als einen Gesichtspunkt untersucht hat, anhand dessen nachgewiesen werden kann, dass die in Rede stehenden Preispolitiken der Klägerin geeignet waren, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. 3. Ergebnis zur Berücksichtigung der in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien 521 In Anbetracht der oben in den Rn. 485 bis 520 angestellten Erwägungen, ist, ohne dass auf die Rügen der Klägerin zu den Kriterien der Höhe der Rabatte und der Strategie zum Ausschluss der Wettbewerber vom Markt eingegangen zu werden braucht, festzustellen, dass die Klägerin zu Recht geltend macht, dass die Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu den in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien in mehrerer Hinsicht fehlerhaft sind. Die Kommission hat das Kriterium der Markterfassung der beanstandeten Praxis nämlich nicht hinreichend und die Dauer der Rabatte nicht richtig geprüft. D. Ergebnis zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung 522 Wie oben in den Rn. 124 bis 126 ausgeführt, kann ein System von Rabatten, das von einem Unternehmen eingerichtet wurde, das auf dem Markt eine beherrschende Stellung innehat, als Wettbewerbsbeschränkung eingestuft werden, wenn aufgrund seiner Art vermutet werden kann, dass es wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hat. Dabei handelt es sich jedoch bloß um eine Vermutung, und nicht um einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV als solchen, bei dem die Kommission ohnehin nicht zu prüfen bräuchte, welche Auswirkungen er hat. Macht ein Unternehmen in beherrschender Stellung im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend, dass sein Verhalten nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, hat die Kommission nach den in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien zu prüfen, ob das Rabattsystem geeignet ist, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen. Hat die Kommission einen AEC‑Test durchgeführt, gehört dieser zu den Gesichtspunkten, die sie bei der Beurteilung der Frage, ob das Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken, zu berücksichtigen hat. 523 Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin im Verwaltungsverfahren, gestützt auf Beweise, geltend gemacht, dass die in Rede stehenden Rabatte nicht geeignet gewesen seien, die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen. Die Kommission hat in den Erwägungsgründen 1002 bis 1573 der angefochtenen Entscheidung einen AEC‑Test durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Tests hat sie in den Erwägungsgründen 1574 und 1575 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass die in Rede stehenden Rabatte und Zahlungen möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber wettbewerbswidrig vom Markt verdrängt hätten, da selbst ein ebenso effizienter Wettbewerber daran gehindert gewesen wäre, Dell, HP, NEC und Lenovo x86-Prozessoren zu liefern oder dafür zu sorgen, dass MSH mit x86-Prozessoren von ihm ausgerüstete Computer verkauft. 524 Wie sich aus den gesamten vorstehenden Erwägungen ergibt, leidet der AEC‑Test, der in der angefochtenen Entscheidung durchgeführt worden ist, aber erstens unter Fehlern. Und zweitens hat die Kommission von den in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien das Kriterium des Umfangs der Markterfassung durch die beanstandete Praxis nicht hinreichend und die Dauer der Rabatte nicht richtig geprüft. 525 Was die Rabatte angeht, die HP gewährt worden sind, ist oben in Rn. 334 festgestellt worden, dass die Kommission rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Rabatte, die die Klägerin HP gewährt habe, in dem Zeitraum von November 2002 bis Mai 2005 möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt verdrängt hätten, da sie diese Wirkungen für den Zeitraum vom 1. November 2002 bis zum 30. September 2003 nicht nachgewiesen hat. Selbst wenn daraus zu folgern wäre, dass angenommen werden könnte, dass der AEC‑Test diese Wirkungen für einen Teil des Zeitraums von November 2002 bis Mai 2005 beweist, würde dies nicht genügen, um rechtlich hinreichend zu beweisen, dass die HP gewährten Rabatte geeignet gewesen wären, Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, da die Kommission das Kriterium des Umfangs der Markterfassung der beanstandeten Praxis nicht hinreichend und die Dauer der Rabatte nicht richtig untersucht hat. 526 Die Kommission hat mithin nicht den Nachweis erbracht, dass die in Rede stehenden Rabatte und Zahlungen möglicherweise oder wahrscheinlich Wettbewerber auf wettbewerbswidrige Weise vom Markt verdrängt und damit gegen Art. 102 AEUV verstoßen haben. 527 Das Gericht gelangt deshalb zu der Auffassung, dass die Erwägungsgründe der angefochtenen Entscheidung deren Art. 1 Buchst. a bis e nicht zu tragen vermögen. 528 Im Übrigen hat die Kommission auf eine Frage des Gerichts vom 2. April 2012, mit der das Gericht für den Fall einer Änderung der Höhe der Geldbuße bei einer teilweisen Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung wissen wollte, welchen Stellenwert die Zuwiderhandlungen der Ausschließlichkeitszahlungen im Verhältnis zu den Zuwiderhandlungen der reinen Beschränkungen gehabt hätten, in einer am 8. Mai 2012 eingereichten Antwort lediglich in Bezug auf die Schwere der Zuwiderhandlungen geantwortet. Sie hat geltend gemacht, dass sie die in Rede stehenden Verhaltensweisen in ihrer Gesamtheit gewürdigt habe. Sie habe angenommen, dass sich diese gegenseitig ergänzten und verstärkten. 529 Da das Gericht nicht in der Lage ist, zu bestimmen, welcher Betrag der Geldbuße allein auf die reinen Beschränkungen entfällt, ist folglich auch Art. 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären. 530 Art. 3 der angefochtenen Entscheidung ist insoweit für nichtig zu erklären, als er die Ausschließlichkeitsrabatte betrifft. 531 Im Übrigen ist die Klage zurückzuweisen, insbesondere in Anbetracht der im ersten Urteil angestellten Erwägungen, die oben in den Rn. 96 bis 98 dargestellt sind. Das Gericht macht sich diese Erwägungen zu eigen. Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße 532 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen braucht über den zweiten Klageantrag, der hilfsweise gestellt wurde, nicht entschieden zu werden. Kosten 533 Da der Gerichtshof im Rechtsmittelurteil das erste Urteil aufgehoben und die Entscheidung über die Kosten vorbehalten hat, hat das Gericht gemäß Art. 219 der Verfahrensordnung im vorliegenden Urteil über sämtliche Kosten der Verfahren vor dem Gericht (T‑286/09 und T‑286/09 RENV) und über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (C‑413/14 P) zu entscheiden. 534 Nach Art. 134 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Unterliegen mehrere Parteien, so entscheidet das Gericht über die Verteilung der Kosten. Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten. Das Gericht kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint. 535 Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein anderer Streithelfer als die in den Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift genannten seine eigenen Kosten trägt. 536 Da die Kommission mit ihren Anträgen teilweise unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten in den Verfahren vor dem Gericht (T‑286/09 und T‑286/09 RENV) und in dem Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof (C‑413/14 P) zwei Drittel der Kosten, die der Klägerin und der ACT in diesen Verfahren entstanden sind, aufzuerlegen, während die Klägerin und die ACT jeweils ein Drittel ihrer eigenen Kosten zu tragen haben. 537 Die UFC hat ihre eigenen Kosten in den Verfahren vor dem Gericht (T‑286/09 und T‑286/09 RENV) und in dem Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof (C‑413/14 P) zu tragen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Vierte erweiterte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Art. 1 Buchst. a bis e und Art. 2 der Entscheidung K(2009) 3726 endg. der Kommission vom 13. Mai 2009 in einem Verfahren nach Art. [102 AEUV] und Art. 54 EWR-Abkommen (Sache COMP/C‑3/37.990 – Intel) werden für nichtig erklärt. 2. Art. 3 der Entscheidung K(2009) 3726 endg. wird lediglich insoweit für nichtig erklärt, als er Art. 1 Buchst. a bis e dieser Entscheidung betrifft. 3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 4. Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten in den Verfahren vor dem Gericht in den Rechtssachen T‑286/09 und T‑286/09 RENV und in dem Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑413/14 P zwei Drittel der Kosten, die der Intel Corporation, Inc. und der Association for Competitive Technology, Inc. in diesen Verfahren entstanden sind, während Intel Corporation und Association for Competitive Technology jeweils ein Drittel ihrer eigenen Kosten tragen. 5. Die Union fédérale des consommateurs – Que choisir (UFC – Que choisir) trägt ihre eigenen Kosten in den Verfahren vor dem Gericht in den Rechtssachen T‑286/09 und T‑286/09 RENV und in dem Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof in der Rechtssache C‑413/14 P. Kanninen Schwarcz Iliopoulos Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Januar 2022. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Sachverhalt Verwaltungsverfahren Angefochtene Entscheidung Relevanter Markt Beherrschende Stellung Missbräuchliches Verhalten und Geldbuße Verfügender Teil Verfahren vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof Verfahren und Anträge der Parteien nach der Zurückverweisung Rechtliche Würdigung Zu dem Vorbringen der Parteien zum Streitgegenstand nach Zurückverweisung Zu dem Vorbringen der Kommission zur Zulässigkeit eines Teils des in den Stellungnahmen der Klägerin und der ACT enthaltenen Vorbringens Zur Begründetheit Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung I. Zu der vom Gerichtshof vorgegebenen Methode der Beurteilung der Frage, ob ein Rabattsystem geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken II. Zu den Grundsätzen, die sich aus dem Rechtsmittelurteil ergeben III. Zur Stichhaltigkeit des Vorbringens der Klägerin und der ACT A. Zu dem Vorbringen, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung B. Zu dem Vorbringen, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären sei, weil sie einen AEC‑Test enthalte, der unter zahlreichen Fehlern leide 1. Zum Umfang der Kontrolle des Gerichts 2. Allgemeine Ausführungen zum AEC‑Test 3. Zur Beweislast und zum Beweismaß 4. Zur Stichhaltigkeit des Vorbringens, dass die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des AEC‑Tests unter mehreren Fehlern leide a) Allgemeine Ausführungen zu den Fehlern, unter denen der bei Dell durchgeführte AEC‑Test leiden soll 1) Zur Bestimmung des bestreitbaren Teils i) Zu dem Vorbringen zum Grundsatz der Rechtssicherheit ii) Zum Ansatz eines bestreitbaren Teils von 7,1 % iii) Zu dem Vorbringen der Klägerin zum Anfangsteil des relevanten Zeitraums (Dezember 2002 bis Oktober 2003) 2) Zur alternativen Berechnungsmethode 3) Zu den verstärkenden Faktoren 4) Ergebnis zu dem bei den Dell gewährten Rabatten durchgeführten AEC‑Test b) Zu den Fehlern, unter denen der bei HP durchgeführte AEC‑Test leiden soll 1) Zu dem Zeitraum, der mit dem AEC‑Test untersucht wurde 2) Zu den verstärkenden Faktoren c) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem bei NEC durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen 1) Zu der Berechnung des bedingten Teils der Rabatte i) Zu den in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Beweisen ii) Zu den von der Klägerin vorgebrachten Beweisen 2) Zum Abstellen auf das vierte Quartal des Jahres 2002 als Referenzzeitraum d) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem in Bezug auf Lenovo durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen 1) Allgemeiner Überblick über den Lenovo gewidmeten Teil der angefochtenen Entscheidung 2) Zu dem bedingten Teil der Rabatte e) Zu den Fehlern, die der Kommission bei dem in Bezug auf MSH durchgeführten AEC‑Test unterlaufen sein sollen f) Ergebnis zum AEC‑Test C. Zu dem Vorbringen, dass die in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien in der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend geprüft und berücksichtigt worden seien 1. Umfang der Markterfassung 2. Zur Dauer und Höhe der Rabatte 3. Ergebnis zur Berücksichtigung der in Rn. 139 des Rechtsmittelurteils genannten Kriterien D. Ergebnis zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße Kosten (*1) Verfahrenssprache: Englisch. (1 ) Unkenntlich gemachte vertrauliche Daten.
Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 14. April 2021.#RQ gegen Europäische Kommission.#Rechtssache T-29/17 RENV.
62017TJ0029(01)
ECLI:EU:T:2021:188
2021-04-14T00:00:00
Gericht
EUR-Lex - CELEX:62017TJ0029(01) - EN - EUR-Lex × Skip to main content Log in My EUR-Lex My EUR-Lex Sign in Register My recent searches (0) English English Select your language Official EU languages: bg български es Español cs Čeština da Dansk de Deutsch et Eesti keel el Ελληνικά en English fr Français ga Gaeilge hr Hrvatski it Italiano lv Latviešu valoda lt Lietuvių kalba hu Magyar mt Malti nl Nederlands pl Polski pt Português ro Română sk Slovenčina sl Slovenščina fi Suomi sv Svenska EUR-Lex Access to European Union law <a href="https://eur-lex.europa.eu/content/help/eurlex-content/experimental-features.html" target="_blank">More about the experimental features corner</a> Experimental features × Choose the experimental features you want to try Do you want to help improving EUR-Lex ? This is a list of experimental features that you can enable. These features are still under development; they are not fully tested, and might reduce EUR-Lex stability. Don't forget to give your feedback! Warning! Experimental feature conflicts detected. Replacement of CELEX identifiers by short titles - experimental feature. It replaces clickable CELEX identifiers of treaties and case-law by short titles. Visualisation of document relationships. It displays a dynamic graph with relations between the act and related documents. It is currently only available for legal acts. Deep linking. It enables links to other legal acts referred to within the documents. It is currently only available for documents smaller than 900 KB. Apply EUR-Lex Access to European Union law This document is an excerpt from the EUR-Lex website You are here EUROPA EUR-Lex home EUR-Lex - CELEX:62017TJ0029(01) - EN Help Print Menu EU law Treaties Treaties currently in force Founding treaties Accession Treaties Other treaties and protocols Chronological overview Legal acts Consolidated texts International agreements Preparatory documents EFTA documents Lawmaking procedures Summaries of EU legislation Browse by EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union European Central Bank European Court of Auditors European Economic and Social Committee European Committee of the Regions Browse by EuroVoc EU case-law Case-law Reports of cases Directory of case-law Official Journal Access to the Official Journal Official Journal L series daily view Official Journal C series daily view Browse the Official Journal Legally binding printed editions Special edition National law and case-law National transposition National case-law JURE case-law Information Themes in focus EUR-Lex developments Statistics ELI register About ELI Technical information ELI implementation overview Resources for implementing ELI ELI highlights ELI testimonials Legislation in schema.org EU budget online Quick search Use quotation marks to search for an "exact phrase". Append an asterisk (* ) to a search term to find variations of it (transp * , 32019R * ). Use a question mark (? ) instead of a single character in your search term to find variations of it (ca ? e finds case, cane, care). Search tips Need more search options? Use the Advanced search Document 62017TJ0029(01) Help Print The requested document does not exist. This site is managed by the Publications Office of the European Union Need help? Help pages Contact Sitemap Follow us X Legal Legal notice Cookies policy Accessibility Privacy statement Information About EUR-Lex Newsletter Useful links Other services European Data EU tenders EU research results EU Whoiswho EU publications N-Lex EU Law in Force EU Law Tracker Discover more on europa.eu Contact the EU Call us 00 800 6 7 8 9 10 11 Use other telephone options Write to us via our contact form Meet us at one of the EU centres Social media Search for EU social media channels Legal Languages on our websites Privacy policy Legal notice Cookies EU institutions European Parliament European Council Council of the European Union European Commission Court of Justice of the European Union (CJEU) European Central Bank (ECB) European Court of Auditors European External Action Service (EEAS) European Economic and Social Committee European Committee of Regions (CoR) European Investment Bank European Ombudsman European Data Protection Supervisor (EDPS) European Data Protection Board European Personnel Selection Office Publications Office of the European Union Agencies Switch to mobile Switch to desktop
Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 23. September 2020 (Auszüge).#Khaled Kaddour gegen Rat der Europäischen Union.#Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Syrien – Einfrieren von Geldern – Beurteilungsfehler – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit – Rufschädigung – Bestimmung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste.#Rechtssache T-510/18.
62018TJ0510
ECLI:EU:T:2020:436
2020-09-23T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“
62018TJ0510 URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer) 23. September 2020 (*1) „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik – Restriktive Maßnahmen gegen Syrien – Einfrieren von Geldern – Beurteilungsfehler – Eigentumsrecht – Verhältnismäßigkeit – Rufschädigung – Bestimmung der Kriterien für die Aufnahme in die Liste“ In der Rechtssache T‑510/18, Khaled Kaddour, wohnhaft in Damaskus (Syrien), Prozessbevollmächtigte: V. Davies und V. Wilkinson, Solicitors, R. Blakeley, Barrister, und M. Lester, QC, Kläger, gegen Rat der Europäischen Union, vertreten durch V. Piessevaux und T. Haas als Bevollmächtigte, Beklagter, wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2018/778 des Rates vom 28. Mai 2018 zur Änderung des Beschlusses 2013/255/GASP über restriktive Maßnahmen gegen Syrien (ABl. 2018, L 131, S. 16) und der Durchführungsverordnung (EU) 2018/774 des Rates vom 28. Mai 2018 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 36/2012 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien (ABl. 2018, L 131, S. 1), soweit diese Rechtsakte den Kläger betreffen, erlässt DAS GERICHT (Vierte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter L. Madise und J. Martín y Pérez de Nanclares (Berichterstatter), Kanzler: E. Artemiou, Verwaltungsrätin, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 2020 folgendes Urteil (1 ) I. Vorgeschichte des Rechtsstreits 1 Der Kläger, Herr Khaled Kaddour, ist ein syrischer Geschäftsmann, der in Syrien u. a. im Telekommunikations- und im Erdölsektor unternehmerisch tätig ist. [nicht übersetzt] B. Erneute Aufnahme des Namens des Klägers in die Listen der von restriktiven Maßnahmen betroffenen Personen und Belassung desselben auf diesen Listen [nicht übersetzt] 20 Am 12. Oktober 2015 erließ der Rat den Beschluss (GASP) 2015/1836 zur Änderung des Beschlusses 2013/255 (ABl. 2015, L 266, S. 75). Am selben Tag erließ er die Verordnung (EU) 2015/1828 zur Änderung der Verordnung Nr. 36/2012 (ABl. 2015, L 266, S. 1). 21 Nach dem sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 ist „[d]er Rat … zu der Einschätzung gelangt, dass wegen der engen Kontrolle, die das syrische Regime über die Wirtschaft ausübt, ein innerer Kreis von führenden in Syrien operierenden Geschäftsleuten nur dadurch seine Stellung wahren kann, dass er eng mit dem Regime verbunden ist und dessen Unterstützung genießt sowie innerhalb des Regimes Einfluss besitzt“, und ist „[d]er Rat … der Ansicht, dass er restriktive Maßnahmen dahingehend vorsehen sollte, dass Einreisebeschränkungen verhängt und sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen eingefroren werden, die im Besitz oder Eigentum dieser führenden in Syrien operierenden Geschäftsleute stehen, wie sie vom Rat identifiziert und in Anhang I aufgeführt wurden, oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, um sie daran zu hindern, das Regime materiell oder finanziell zu unterstützen, und damit durch ihren Einfluss das Regime selbst mit größerem Nachdruck dazu angehalten wird, seine repressive Politik zu ändern“. 22 Der Wortlaut der Art. 27 und 28 des Beschlusses 2013/255 wurde durch den Beschluss 2015/1836 geändert. Diese Artikel sehen nunmehr Beschränkungen der Einreise in oder der Durchreise durch das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie das Einfrieren der Gelder von „führenden Geschäftsleuten, die in Syrien tätig sind“, vor, außer „wenn ausreichende Angaben darüber vorliegen, dass [diese Personen] nicht oder nicht mehr mit dem Regime in Verbindung stehen oder Einfluss auf dieses ausüben oder keine reale Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgehen“. 23 Mit der Verordnung 2015/1828 wurde vor allem der Wortlaut von Art. 15 der Verordnung Nr. 36/2012 geändert, um die neuen Aufnahmekriterien in diesen einzubeziehen, die durch den Beschluss 2015/1836 aufgestellt und in den Beschluss 2013/255 eingefügt wurden. [nicht übersetzt] 2. Gründe für die Aufnahme und Bestimmung der Aufnahmekriterien 66 In Anbetracht der Diskussionen zwischen dem Kläger und dem Rat in der mündlichen Verhandlung über die Frage, ob der Name des Klägers aus zwei oder drei Aufnahmegründen auf den in Rede stehenden Listen belassen wurde, erachtet das Gericht folgende Klarstellungen als notwendig. 67 Im vorliegenden Fall wurden die Gründe für die Aufnahme des Namens des Klägers in die in Rede stehenden Listen gegenüber dem Beschluss 2016/850 und der Durchführungsverordnung 2016/840, wie aus der vorstehenden Rn. 27 hervorgeht, nicht geändert. Sie lauten: „Führender, in Syrien tätiger Geschäftsmann, mit Beteiligungen und/oder Tätigkeiten in den Branchen Telekommunikation sowie Erdöl- und Kunststoffindustrie, der in engen Geschäftsbeziehungen zu Maher Al-Assad steht. Durch seine Geschäftstätigkeiten ist er Nutznießer und Unterstützer des syrischen Regimes. Steht in Verbindung mit Maher Al-Assad, auch durch seine Geschäftstätigkeiten.“ 68 In Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a und Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung heißt es: „(1)   Sämtliche Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der in den Anhängen I und II aufgeführten für die gewaltsame Repression gegen die Zivilbevölkerung in Syrien verantwortlichen Personen, der in den Anhängen I und II aufgeführten Personen und Organisationen, die von dem Regime profitieren oder dieses unterstützen, und der in den Anhängen I und II aufgeführten mit ihnen verbundenen Personen und Organisationen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, werden eingefroren. (2)   Gemäß den Einschätzungen und Feststellungen des Rates im Kontext der Lage in Syrien gemäß der Beschreibung in den Erwägungsgründen 5 bis 11 werden die Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die im Besitz oder im Eigentum der folgenden Personen stehen oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, eingefroren: a) führende Geschäftsleute, die in Syrien tätig sind; … (3)   Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die zu einer der Kategorien gemäß Absatz 2 gehören, werden nicht oder nicht mehr in der Liste der Personen und Einrichtungen in Anhang I aufgeführt, wenn ausreichende Angaben darüber vorliegen, dass sie nicht oder nicht mehr mit dem Regime in Verbindung stehen oder Einfluss auf dieses ausüben oder keine (reale) Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgehen.“ 69 Art. 15 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 1a Buchst. a und Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung hat nahezu denselben Wortlaut. 70 In Anbetracht der Formulierung der Gründe für die Aufnahme des Namens des Klägers und der Aufnahmekriterien ist davon auszugehen, dass seine Aufnahme im vorliegenden Fall auf drei Gründe gestützt wurde. Der erste Unterabsatz, der dem ersten Grund entspricht, betrifft die Eigenschaft als führender, in Syrien tätiger Geschäftsmann, der zweite Unterabsatz, der dem zweiten Grund entspricht, betrifft den Nutzen, den er aus dem syrischen Regime zieht, und die Unterstützung, die er diesem gewährt, und der dritte Unterabsatz, der dem dritten Grund entspricht, betrifft die Verbindungen mit dem syrischen Regime. 71 Daraus folgt, dass der erste Grund für die Aufnahme des Namens des Klägers in die in Rede stehenden Listen auf dem rechtlichen Kriterium beruht, das in Art. 28 Abs. 2 Buchst. a des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung und in Art. 15 Abs. 1a Buchst. a der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung festgelegt ist (Kriterium des führenden, in Syrien tätigen Geschäftsmanns), und dass der zweite und der dritte Grund für die Aufnahme des Namens des Klägers auf dem rechtlichen Kriterium beruht, das in Art. 28 Abs. 1 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung und in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung festgelegt ist (Kriterium der Verbindung mit dem Regime), entweder wegen des Nutzens, den er aus dem syrischen Regime zieht, und der Unterstützung, die er diesem Regime gewährt, oder wegen seiner Verbindung mit Herrn M. Al-Assad, einer Schüsselfigur des syrischen Regimes. 72 Soweit der Rat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass die Bezugnahme auf den aus dem syrischen Regime gezogenen Nutzen und die diesem Regime gewährte Unterstützung nicht als dritter Grund für die Aufnahme des Namens des Klägers in die in Rede stehenden Listen auszulegen sei, wogegen der Kläger keine Einwände erhoben hat, erachtet es das Gericht als sachdienlich, folgende Klarstellungen vorzunehmen. 73 Der aus dem syrischen Regime gezogene Nutzen oder die diesem Regime gewährte Unterstützung stellt ein autonomes rechtliches Kriterium dar, das in Art. 28 Abs. 1 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung vorgesehen ist, und das insofern von dem in Art. 28 Abs. 2 Buchst. a dieses Beschlusses vorgesehenen Kriterium der „führende[n] Geschäftsleute, die in Syrien tätig sind“, ebenso zu unterscheiden ist wie von dem in Art. 28 Abs. 1 dieses Beschlusses vorgesehenen Kriterium der Verbindung mit Personen, die diesem Regime angehören. 74 Dies geht bereits aus dem Wortlaut von Art. 28 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung hervor. Dieser sieht in seinem Abs. 1 das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen von drei Kategorien von Personen vor, und zwar erstens von Personen, die für die gewaltsame Repression gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich sind, zweitens von Personen, die vom Regime profitieren oder dieses unterstützen, und drittens, von Personen, die mit ihnen verbunden sind. In seinem Abs. 2 sieht er das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen einer Reihe von Personenkategorien vor, u. a. von führenden Geschäftsleuten, die in Syrien tätig sind. Die Abs. 1 und 2 von Art. 28 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung zielen daher grundsätzlich auf verschiedene Personenkategorien ab, was dadurch bestätigt wird, dass sich nur Personen, die unter Art. 28 Abs. 2 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung fallen, auf Abs. 3 dieser Vorschrift berufen können, wonach für sie die Möglichkeit besteht, dass ihr Name nicht oder nicht mehr in den in Rede stehenden Listen aufgeführt wird. 75 Die wörtliche Auslegung dieser Vorschrift steht im Einklang mit dem Kontext ihres Erlasses und dem mit ihr verfolgten Ziel (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12, und vom 10. März 2005, easyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 21). Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem fünften Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 ergibt, dass der Rat eine Reihe von Personenkategorien festgelegt hat – die in Art. 28 Abs. 2 des Beschlusses 2013/255 aufgenommen wurden –, um unter Erhaltung eines gezielten und differenzierten Ansatzes die bereits bestehenden restriktiven Maßnahmen weiterzuentwickeln, die er aufrechterhalten wollte. So hat er seinen Willen klar zum Ausdruck gebracht, den bereits bestehenden in Art. 28 Abs. 1 des Beschlusses 2013/255 vorgesehenen Aufnahmekriterien weitere hinzuzufügen. Sodann sollte der Beschluss 2015/1836, mit dem Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 eingeführt wurde, nur für diese neuen Kategorien von Personen gelten, wie aus dem 14. Erwägungsgrund dieses Beschlusses hervorgeht. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die durch Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 eröffnete Möglichkeit in Art. 28 dieses Beschlusses vor seiner Änderung durch den Beschluss 2015/1836 keine Entsprechung hatte. 76 Die Tatsache, dass Art. 28 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung verschiedene Kategorien von Personen vorsieht, bedeutet allerdings nicht, dass eine Person nicht in mehrere Kategorien fallen kann. Dies bedeutet vielmehr, dass der Rat, wenn er beschließt, den Namen einer Person in die in Rede stehenden Listen aufzunehmen oder darauf zu belassen, auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Beweise die Kategorie bzw. Kategorien bestimmen muss, der bzw. denen diese Person angehören kann. Insoweit muss er sich zum einen überlegen, welches Kriterium bzw. welche Kriterien er anwenden möchte, um den Namen einer Person in die in Rede stehenden Listen aufzunehmen oder darauf zu belassen, und zum anderen, ob er über ein Bündel von hinreichend konkreten, genauen und übereinstimmenden Indizien verfügt, mit dem die Stichhaltigkeit jedes Aufnahmegrundes, gestützt auf das oder die von ihm gewählte/n Kriterium/Kriterien, belegt werden kann. 77 Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Gründe für die Aufnahme einer bestimmten Person in gewissem Maße in dem Sinne überschneiden, dass jemand als zu den führenden Geschäftsleuten, die in Syrien tätig sind, gehörend und als Person eingestuft werden kann, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten von dem Regime profitiert oder dieses durch diese Tätigkeiten unterstützt. Dies ergibt sich gerade daraus, dass, wie im sechsten Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836 festgestellt, die engen Verbindungen mit dem syrischen Regime und dessen Unterstützung durch diese Kategorie von Personen einer der Gründe dafür sind, weshalb der Rat beschlossen hat, diese Kategorie zu schaffen. Gleichwohl handelt es sich auch in diesem Fall um unterschiedliche Kriterien. 78 Die Rechtsprechung hat nämlich anerkannt, dass durch den Beschluss 2015/1836 als objektives, autonomes und ausreichendes Aufnahmekriterium jenes der „führende[n] Geschäftsleute, die in Syrien tätig sind“, eingeführt wurde, so dass der Rat nicht mehr verpflichtet ist, das Vorliegen einer Verbindung zwischen dieser Personenkategorie und dem syrischen Regime und auch nicht zwischen dieser Personenkategorie und der diesem Regime gewährten Unterstützung bzw. dem daraus gezogenen Nutzen nachzuweisen, da es genügt, dass eine Person zu den führenden in Syrien tätigen Geschäftsleuten gehört, damit die in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen auf sie angewandt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. September 2019, HX/Rat, C‑540/18 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:707, Rn. 38, und vom 4. April 2019, Sharif/Rat, T‑5/17, EU:T:2019:216, Rn. 55 und 56, sowie Beschluss vom 11. September 2019, Haswani/Rat, T‑231/15 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:589, Rn. 56). 79 Daraus folgt, dass der Rat, wenn er beschließt, den Namen einer Person aufzunehmen, weil sie zu den führenden in Syrien tätigen Geschäftsleuten gehört, nicht verpflichtet ist, in der Begründung für die Aufnahme dieser Person anzugeben, dass sie vom syrischen Regime profitiert oder dieses unterstützt. Wenn er dies tut, so in dem Bestreben, auf diese Person auch das in Art. 28 Abs. 1 des Beschlusses 2013/255 genannte Kriterium anzuwenden. Diese Auslegung ist am ehesten geeignet, die praktische Wirksamkeit jedes Absatzes von Art. 28 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sicherzustellen, und es den in der Liste aufgeführten Personen zu ermöglichen, exakt zu ermitteln, nach welchen Kriterien ihr Name in die fraglichen Listen aufgenommen oder darauf belassen wurde. 80 Wenn der Rat daher in den Gründen für die Aufnahme einer Person ausdrücklich auf den Nutzen oder die dem syrischen Regime gewährte Unterstützung Bezug nimmt, so bedeutet dies für ihn, dass er mittels eines Bündels von konkreten, genauen und übereinstimmenden Indizien nachweisen muss, wie die Person das syrische Regime unterstützt oder davon profitiert. Obwohl der Rat der Ansicht ist, dass sich der Nutzen oder die Unterstützung des syrischen Regimes aus den Tätigkeiten einer Person ergibt, die zudem als zu den führenden in Syrien tätigen Geschäftsleuten gehörend eingestuft ist, sind in diesem Sinne die Beweise, die der Rat besitzen müsste bzw. die von ihm verlangt werden könnten, um den Nutzen oder die Unterstützung nachzuweisen, nicht notwendigerweise die gleichen wie die Beweise, mit denen die Eigenschaft als „führende Geschäftsleute, die in Syrien tätig sind“, nachgewiesen werden kann. 81 Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall entgegen dem Vorbringen des Rates die Bezugnahme auf den vom Kläger aus dem syrischen Regime gezogenen Nutzen und die diesem Regime von ihm gewährte Unterstützung als ein Grund für die Aufnahme des Namens des Klägers in die in Rede stehenden Listen auszulegen ist, der sich von dem Grund betreffend den Status eines führenden in Syrien tätigen Geschäftsmanns und dem seiner Verbindung mit einer Schlüsselfigur des syrischen Regimes unterscheidet. Daher muss der Rat in der Lage sein, mittels eines Bündels von hinreichend konkreten, genauen und übereinstimmenden Indizien die Stichhaltigkeit dieses Grundes nachzuweisen. 82 Nach diesen Präzisierungen und Klarstellungen ist zu prüfen, ob der Rat im vorliegenden Fall, wie der Kläger behauptet, einen Beurteilungsfehler begangen hat, als er beschloss, dessen Namen auf den in Rede stehenden Listen zu belassen. 3. Beurteilungsfehler [nicht übersetzt] 88 Der Rat trägt im Wesentlichen vor, dass der Name des Klägers in den angefochtenen Rechtsakten mit der gleichen Begründung auf den in Rede stehenden Listen belassen worden sei, wie derjenigen, die im Beschluss 2016/850 und in der Durchführungsverordnung 2016/840 enthalten sei. Was diese Rechtsakte des Jahres 2016 anbelange, so sei darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316, Rn. 102), entschieden habe, dass die Beweise, auf die sich der Rat bei der Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen gestützt habe, ein Bündel von Indizien darstellten, die eine solche erneute Aufnahme rechtfertigten. Zudem habe der Kläger keine Beweise vorgelegt, die die Beurteilung des Gerichts in Frage stellen könnten, die sich aus dem Urteil vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316), ergebe. 89 Daher stellt sich die Frage, wie sich das Urteil vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316), aber auch das Urteil vom 26. Oktober 2016, Kaddour II (T‑155/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:628), auf die Würdigung des vorliegenden Klagegrundes auswirkt, da in diesen beiden Urteilen die Beweise gewürdigt wurden, die im vorliegenden Fall erneut vorgelegt wurden. 90 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 30 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 und Art. 32 Abs. 3 der Verordnung Nr. 36/2012 bestimmen, dass der Rat, wenn eine Stellungnahme unterbreitet wird oder stichhaltige neue Beweise vorgelegt werden, seinen Beschluss überprüft und die natürliche oder juristische Person, Organisation oder Einrichtung entsprechend unterrichtet. Nach Art. 32 Abs. 4 dieser Verordnung werden im Übrigen die in Rede stehenden Listen in regelmäßigen Abständen und mindestens alle zwölf Monate überprüft. 91 Aus dem Zusammenspiel dieser Bestimmungen ergibt sich, dass sich der Rat bei jeder Überprüfung, die dem Erlass von Rechtsakten, die den Namen einer Person auf den in Rede stehenden Listen belassen, vorausgeht, oder sogar jederzeit veranlasst sehen kann, anhand der stichhaltigen Beweise oder der Stellungnahmen, die ihm unterbreitet werden, zu prüfen, ob sich die Sachlage seit der erstmaligen Aufnahme, der erneuten Aufnahme des Namens des Klägers oder einer vorherigen Überprüfung derart geändert hat, dass seine Benennung nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom 26. Juli 2017, Rat/LTTE, C‑599/14 P, EU:C:2017:583, Rn. 46, und vom 27. September 2018, Ezz u. a./Rat, T‑288/15, EU:T:2018:619, Rn. 50). 92 Ohne unter dem Blickwinkel der Rechtskraft im strengen Sinne gebunden zu sein, da der Gegenstand der Klagen, die mit den Urteilen vom 26. Oktober 2016, Kaddour II (T‑155/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:628), und vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316), abgewiesen worden sind, nicht mit dem Gegenstand der vorliegenden Klage identisch ist, kann das Gericht zudem die Argumentation nicht völlig außer Acht lassen, die es in diesen beiden Urteilen entwickelt hat, bei denen es um dieselben Parteien geht und in denen im Wesentlichen die gleichen rechtlichen Fragen aufgeworfen werden. 93 Ohne eine Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes vorgebracht werden, kann jedoch nicht vermutet werden, dass das Gericht zum gleichen Ergebnis kommen würde wie in den Urteilen vom 26. Oktober 2016, Kaddour II (T‑155/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:628), und vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2018, Ezz u. a./Rat, T‑288/15, EU:T:2018:619, Rn. 53). 94 Im vorliegenden Fall kann daher ohne Prüfung der vom Kläger im Rahmen seines Klagegrundes vorgebrachten Gesichtspunkte nicht ausgeschlossen werden, dass diese für den Nachweis geeignet sind, dass der Rat im Jahr 2018 zu Unrecht entschieden hat, seinen Namen auf den in Rede stehenden Listen zu belassen. [nicht übersetzt] a) Relevanz der vom Rat vorgelegten Beweise 96 Der Kläger stellt die Relevanz der Beweise in Frage, die der Rat vorgelegt hat, um im Jahr 2018 nachzuweisen, dass die Belassung seines Namens auf den in Rede stehenden Listen nach wie vor begründet war. 97 Es ist darauf hinzuweisen, dass es im Zusammenhang mit restriktiven Maßnahmen, die im Rahmen des Kampfes gegen den Terrorismus ergriffen werden, bei der Prüfung des Belassens einer Person auf der streitigen Liste auf die Frage ankommt, ob sich seit der Aufnahme des Namens dieser Person in diese Liste oder seit der letzten Überprüfung die Sachlage derart geändert hat, dass aus ihr im Hinblick auf die Verwicklung dieser Person in terroristische Aktivitäten nicht mehr dieselbe Schlussfolgerung gezogen werden kann (Urteil vom 15. November 2012, Al-Aqsa/Rat und Niederlande/Al-Aqsa, C‑539/10 P und C‑550/10 P, EU:C:2012:711, Rn. 82). Zudem ist im Rahmen von gegen den Iran verhängten restriktiven Maßnahmen klargestellt worden, dass der Rat nicht verpflichtet ist, neue Tatsachen anzuführen, solange die der ursprünglichen Aufnahme zugrunde liegenden Tatsachen für den Verbleib der betreffenden Person auf der Liste relevant und ausreichend sind (Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, C‑225/17 P, EU:C:2018:720, Nr. 182). 98 Zudem ist entschieden worden, dass der Rat verpflichtet ist, neue Beweise vorzulegen, um die Begründetheit der Aufnahme des Namens einer Person nachzuweisen, sofern sich das Kriterium und die Gründe für die Aufnahme geändert haben (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 11. September 2019, Haswani/Rat, T‑231/15 RENV, nicht veröffentlicht, EU:T:2019:589, Rn. 56). 99 Daraus folgt, dass es dem Rat nicht verwehrt ist, sich zur Rechtfertigung der Belassung des Namens einer Person auf den in Rede stehenden Listen auf die gleichen Beweise zu stützen, die die erste Aufnahme, die erneute Aufnahme oder die frühere Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen gerechtfertigt haben, sofern zum einen die Gründe für die Aufnahme unverändert sind und sich zum anderen der Kontext nicht in einer Weise weiterentwickelt hat, dass diese Beweise obsolet geworden wären. 100 Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass es in der Natur der im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) erlassenen Maßnahmen liegt, dass sie einer periodischen Überprüfung unterliegen und in nachfolgenden Zeiträumen erneut angewandt werden. Dies ist bekanntlich der Fall, wenn sich die geopolitische Lage trotz der zuvor angewandten restriktiven Maßnahmen nicht weiterentwickelt. In diesem Fall muss der Rat die notwendigen Maßnahmen weiterhin anwenden dürfen, auch wenn die Situation sich nicht geändert hat, sofern die Tatsachen, die die Grundlage für die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen bilden, deren Anwendung zum Zeitpunkt ihres Erlasses weiterhin rechtfertigen, insbesondere sofern die Tatsachen noch hinreichend aktuell sind (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a./Rat, C‑225/17 P, EU:C:2018:720, Rn. 201 und 202). 101 Da sich im vorliegenden Fall, wie oben in Rn. 67 angeführt, die Gründe für die Aufnahme des Namens des Klägers nicht geändert haben, ist somit nur zu prüfen, ob sich der dem Gericht vorgelegten Akte entnehmen lässt, dass sich die tatsächliche Lage des Klägers oder Syriens so weiterentwickelt hat, dass die Beweise, die der Rat zur Rechtfertigung der Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen im Jahr 2016 vorgelegt hat, nicht mehr relevant sind, um die Belassung seines Namens auf diesen Listen im Jahr 2018 zu rechtfertigen. 102 Insoweit ist zum einen festzustellen, dass sich die Lage in Syrien zwischen 2016 und 2018 nicht verbessert hat. Die vom Kläger im Rahmen der Klageschrift angeführten Beweise, mit denen er nachweisen möchte, dass die wirtschaftliche Lage in Syrien so sei, dass es wirklichkeitsfremd wäre, anzunehmen, dass er in der Lage sei, das Regime mit dem geringen ihm verbleibenden Vermögen zu unterstützen, lassen nicht den Schluss zu, dass sich der syrische Kontext so verändert hat, dass die Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen nicht mehr gerechtfertigt wäre. Vielmehr belegen der Bericht der Weltbankgruppe aus dem Jahr 2017 über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Konflikts in Syrien, der Artikel in der Zeitung International Business Times vom 14. März 2016 über die Kosten des Krieges in Syrien für Russland und die Vereinigten Staaten und schließlich der Artikel in der Zeitschrift Time vom 9. April 2018, der der Frage nachgeht, warum der syrische Bürgerkrieg noch komplexer wird, dass der Krieg in Syrien noch immer aktuell ist. In diesem Zusammenhang sind der Rat und die Union berechtigt, die restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten, die sie für notwendig erachten, um Druck auf das syrische Regime auszuüben. 103 Zum anderen ist zum Vorbringen des Klägers, seine Geschäftstätigkeiten seien eingestellt und er habe nie eine Verbindung mit Herrn M. Al-Assad gehabt, festzustellen, dass er diese Argumente bereits im Rahmen der Rechtssache vorgebracht hat, in der das Urteil vom 31. Mai 2018, Kaddour III (T‑461/16, EU:T:2018:316, Rn. 115), ergangen ist, und dass er in seinen Schriftsätzen kein Indiz dafür vorgetragen hat, dass sich seine persönliche Lage zwischen 2016 und 2018 geändert hätte. Was die Dokumente anbelangt, die der Kläger zum Nachweis dafür vorgelegt hat, dass General Bilal Kabinettschef von Herrn M. Al-Assad gewesen sei, so ist anzumerken, dass diese, unbeschadet der unten in Rn. 120 vorgenommenen Prüfung dahin gehend, ob sie beweiskräftig sind und ob sie die vom Rat vorgelegten Beweise in Frage stellen können, jedoch nur auf diesen General Bezug nehmen und für sich genommen keine konkrete Änderung der Lage des Klägers erkennen lassen, von der der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses über die Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen Kenntnis hätte haben können und müssen. Zudem sollen diese Dokumente diesen Aspekt der Beziehung zwischen dem Kläger und Herrn M. Al-Assad in Frage stellen, beziehen sich jedoch nicht auf die zwischen ihnen bestehenden Geschäftsbeziehungen. 104 Ohne in diesem Stadium der Erwägungen des Gerichts der Frage vorzugreifen, ob es die vom Rat vorgelegten Beweise tatsächlich erlauben, die Stichhaltigkeit der Gründe für die Aufnahme des Namens des Klägers in die in Rede stehenden Listen im Jahr 2018 nachzuweisen, war der Rat daher nicht verpflichtet, zusätzliche Beweise zu den im Jahr 2016 vorgelegten beizuschaffen, weil sich die Lage des Klägers oder Syriens so geändert hätte, dass eine Streichung seines Namens von den in Rede stehenden Listen gerechtfertigt gewesen wäre. 105 Daher ist das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, mit dem die Relevanz der vorgelegten Beweise wegen ihres Alters oder fehlender neuer Beweise, die sie untermauerten, bestritten wird. Im Übrigen ist jedenfalls das Vorbringen des Klägers zurückzuweisen, wonach sich der Rat nicht auf Artikel habe stützen können, die das Gericht im Rahmen des Urteils vom 13. November 2014, Kaddour I (T‑654/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:947), nicht als Nachweis für die Stichhaltigkeit der Gründe für seine Aufnahme angesehen habe. Das Urteil vom 26. Oktober 2016, Kaddour II (T‑155/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:628, Rn. 78), hat dieses die gleichen Beweise betreffende Vorbringen bereits zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass für jede Rechtssache, mit der das Gericht befasst wird, eine eigene Akte angelegt wird und dass jede dieser Akten völlig eigenständig ist. Dass der Rat im vorliegenden Verfahren bestimmte Dokumente vorlegt, von denen das Gericht im Rahmen einer anderen Rechtssache festgestellt hat, dass sie der Beweislast nicht genügen, nimmt dem Rat somit nicht die Möglichkeit, sich neben anderen Beweismitteln auf diese Dokumente zu berufen, um ein Bündel von hinreichend konkreten, genauen und übereinstimmenden Indizien zusammenzustellen, das die Belassung des Namens des Klägers auf den in Rede stehenden Listen rechtfertigen kann. [nicht übersetzt] C. Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie gegen Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung 143 Der Kläger ist der Ansicht, er sei berechtigt, sich auf Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie auf Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung zu berufen. 144 Die durch diese Vorschriften aufgestellten Bedingungen seien nicht kumulativ, so dass er sich entgegen dem Vorbringen des Rates in der Klagebeantwortung auf diese Vorschriften berufen könne, wenn er eines der darin festgelegten Kriterien erfülle. [nicht übersetzt] 147 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die zu einer der Kategorien gemäß Abs. 2 dieser Artikel gehören, nicht oder nicht mehr in der Liste der Personen und Organisationen in Anhang I des Beschlusses 2013/255 aufgeführt werden, wenn ausreichende Angaben darüber vorliegen, dass sie nicht oder nicht mehr mit dem Regime in Verbindung stehen oder Einfluss auf dieses ausüben oder keine reale Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgehen. Die gleichen Bedingungen wurden, was das Einfrieren von Geldern betrifft, in Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung übernommen. 148 Was zunächst das Vorbringen des Klägers anbelangt, wonach diese Bedingungen alternativ und nicht kumulativ seien, bedarf es einer Auslegung dieser Vorschriften. Nach der Rechtsprechung sind die Vorschriften unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch ihres Zusammenhangs und ihrer Ziele auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. November 1983, Merck, 292/82, EU:C:1983:335, Rn. 12, und vom 10. März 2005, easyCar, C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 21). 149 Insoweit ist anzumerken, dass die in Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie in Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung aufgeführten Bedingungen durch die nebenordnende Konjunktion „oder“ getrennt sind. Diese Konjunktion kann in sprachlicher Hinsicht sowohl alternative als auch kumulative Bedeutung haben und muss deshalb in dem Kontext, in dem sie verwendet wird, und im Hinblick auf den mit dem betreffenden Rechtsakt verfolgten Zweck gesehen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Mai 2019, M u. a. [Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft], C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403, Rn. 102). 150 Das Ziel des mit dem Beschluss 2013/255 und der Durchführungsverordnung Nr. 36/2012 eingeführten Systems restriktiver Maßnahmen besteht darin, jegliche Form von Unterstützung des syrischen Regimes zu verbieten, um Druck auf dieses auszuüben, damit es seine repressive Politik gegenüber der Zivilbevölkerung ändert. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Rat den Beschluss 2015/1836 zur Änderung des Beschlusses 2013/255 erlassen, gerade weil er die Versuche des syrischen Regimes zur Kenntnis genommen hat, die restriktiven Maßnahmen der EU zu umgehen, damit seine Politik des gewaltsamen Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung weiterhin finanziert und unterstützt werden kann (vierter Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836). Um die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu gewährleisten, hat der Rat somit bestimmte Kategorien von Personen und Organisationen festgelegt, die für die Erreichung dieses Ziels besonders relevant sind (fünfter Erwägungsgrund des Beschlusses 2015/1836); es handelt sich dabei um Personen und Organisationen, gegen die insbesondere Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern verhängt werden sollten. Diese Kategorien von Personen und Organisationen wurden anhand ihrer Verbindungen mit dem Regime, des Einflusses, den sie auf das Regime ausüben können oder der Unterstützung festgelegt, die sie, in welcher Form auch immer, dem Regime gewähren können (Erwägungsgründe 6 bis 12 des Beschlusses 2015/1836). 151 Daher ist die in Art. 27 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 3 des Beschlusses 2013/255 in der durch den Beschluss 2015/1836 geänderten Fassung sowie in Art. 15 Abs. 1b der Verordnung Nr. 36/2012 in der durch die Verordnung 2015/1828 geänderten Fassung enthaltene Formulierung dahin zu verstehen, dass sie die verschiedenen Arten beschreibt, auf die eine Person das derzeitige syrische Regime begünstigen kann, ohne dass sie als einander ausschließend anzusehen sind. In Anbetracht dieses Kontexts und des mit dem Beschluss 2013/255 und der Verordnung Nr. 36/2012 verfolgten Ziels sind die in diesen verschiedenen Artikeln aufgeführten Bedingungen notwendigerweise kumulativ. 152 Es kann nicht anders sein, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass das System der in Rede stehenden restriktiven Maßnahmen sinnlos würde. Dies liefe nämlich darauf hinaus, dass eine Person oder Organisation von den in Rede stehenden Listen gestrichen werden könnte, weil sie keine Verbindung mehr mit dem Regime hat, obwohl sie beispielsweise Einfluss auf dieses Regime ausübt oder eine reale Gefahr besteht, dass sie restriktive Maßnahmen umgeht. [nicht übersetzt] Aus diesen Gründen erlässt DAS GERICHT (Vierte Kammer) folgendes Urteil: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Herr Khaled Kaddour trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union. Gervasoni Madise Martín y Pérez de Nanclares Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. September 2020. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Englisch. (1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht als zweckdienlich erachtet.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 16. Januar 2020.#Iberpotash, SA gegen Europäische Kommission.#Staatliche Beihilfen – Bergbau – Maßnahme, die zum einen in der Herabsetzung der Finanzgarantien für die Sanierung der Abbaustätten und zum anderen in der staatlichen Investition für die mit einem höheren Umweltschutzniveau verbundene Sanierung der Abbaustätten besteht – Beschluss, mit dem die Beihilfe teilweise für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Vorteil – Übertragung staatlicher Mittel – Selektiver Charakter – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Berechnung der Höhe der Beihilfe.#Rechtssache T-257/18.
62018TJ0257
ECLI:EU:T:2020:1
2020-01-16T00:00:00
Gericht
62018TJ0257 URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer) 16. Januar 2020 (*1) „Staatliche Beihilfen – Bergbau – Maßnahme, die zum einen in der Herabsetzung der Finanzgarantien für die Sanierung der Abbaustätten und zum anderen in der staatlichen Investition für die mit einem höheren Umweltschutzniveau verbundene Sanierung der Abbaustätten besteht – Beschluss, mit dem die Beihilfe teilweise für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung angeordnet wird – Begriff der Beihilfe – Vorteil – Übertragung staatlicher Mittel – Selektiver Charakter – Vertrauensschutz – Rechtssicherheit – Berechnung der Höhe der Beihilfe“ In der Rechtssache T‑257/18, Iberpotash, SA mit Sitz in Súria (Spanien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte N. Niejahr und B. Hoorelbeke, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch G. Luengo und D. Recchia als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen eines Antrags nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2018/118 der Kommission vom 31. August 2017 über die von Spanien gewährte staatliche Beihilfe SA.35818 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2012/CP) zugunsten von Iberpotash (ABl. 2018, L 28, S. 25) erlässt DAS GERICHT (Zweite Kammer) unter Mitwirkung des Richters E. Buttigieg in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten, des Richters B. Berke (Berichterstatter) und der Richterin M. J. Costeira, Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2019 folgendes Urteil Sachverhalt 1 Die Klägerin, die Iberpotash, SA, ist eine Aktiengesellschaft spanischen Rechts, die in Katalonien (Spanien) zwei aktive Kalibergwerke besitzt und betreibt, eines in der Gemeinde Súria und ein weiteres in den Gemeinden Sallent und Balsareny (im Folgenden zusammen: Bergwerke der Klägerin). Außerdem gehört der Klägerin die Salzabraumhalde von Vilafruns (im Folgenden: Abraumhalde von Vilafruns), wo die Bergbauaktivitäten 1973 eingestellt wurden. 2 Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft von ICL Fertilisers, einem israelischen multinationalen Unternehmen, bei dem es sich um den weltweit größten Produzenten von Düngemitteln handelt. Sie erwarb die Bergwerke vom spanischen Staat auf der Grundlage eines mit der Sociedad Estatal de Participaciones Industriales (SEPI), einer öffentlichen Holdinggesellschaft des spanischen Staates, am 21. Oktober 1998 geschlossenen Kaufvertrags. 3 Am 9. November 2006 erhielt die Klägerin eine Umweltgenehmigung zur Kaligewinnung für das Bergwerk Súria, wobei der Betrag der Finanzgarantie für diesen Standort auf 773682,28 Euro (erhöht auf 828013,24 Euro im Jahr 2008) festgesetzt wurde. Am 28. April 2008 erhielt die Klägerin eine Umweltgenehmigung zur Kaligewinnung für das Bergwerk Sallent/Balsareny, wofür der Betrag der Finanzgarantie auf 1130128 Euro festgesetzt wurde. Bei diesen Genehmigungen handelt es sich um individuelle und spezifische Verwaltungsentscheidungen der Generalidad de Cataluña (Generalitat von Katalonien, Spanien). 4 Mit Urteil vom 11. Oktober 2011 entschied das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien, Spanien), dass der Plan zur Sanierung des Standorts Sallent/Balsareny unvollständig und der Betrag der Finanzgarantie für diesen Plan folglich unzureichend sei. Dieses Urteil wurde vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) im Rechtsmittelverfahren bestätigt. 5 Die oben in Rn. 3 genannten Finanzgarantien wurden erst 2015 revidiert, als die spanischen Behörden deutlich höhere Beträge von 6979471,83 Euro für den Standort Balsareny/Sallent (wirksam erst nach der Genehmigung durch das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña [Oberstes Gericht von Katalonien] im Dezember 2016) und von 6160872,35 Euro für den Standort Súria vorschlugen. 6 Am 17. Dezember 2007 unterzeichneten das Ministerio de Medio Ambiente (Umweltministerium, Spanien) und die Agencia Catalana del Agua (Katalanische Wasserbehörde, Spanien) eine Vereinbarung, mit der sie beschlossen, die frühere Abraumhalde von Vilafruns abzudecken. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung begannen die Arbeiten zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns im August 2008; sie dauerten 18 Monate. Die Finanzierung dieser Arbeiten wurde vollständig vom Ministerio de Hacienda (Finanzministerium, Spanien) und von der Katalanischen Wasserbehörde getragen. Einschlägige nationale Rechtsvorschriften 7 Die umweltrechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen, die aktive Bergwerke in der spanischen Autonomen Region Katalonien betreiben, sind in der Ley 12/1981 por la que se establecen normas adicionales de protección de los espacios de especial interés natural afectados por actividades extractivas (Gesetz 12/1981 über zusätzliche Vorschriften zum Schutz von Gebieten von besonderem natürlichem Interesse, die von der Rohstoffgewinnung betroffen sind) vom 24. Dezember 1981 (BOE Nr. 30 vom 4. Februar 1982, S. 2874, im Folgenden: katalanisches Gesetz 12/1981) und in dem Decreto 202/1994 por el que se establecen los criterios para la determinación de las fianzas relativas a los programas de restauración de actividades extractivas (Dekret 202/1994 für die Festlegung der Kriterien zur Bestimmung der Sicherheiten für Sanierungsprogramme von Bergbautätigkeiten) vom 14. Juni 1994 (im Folgenden: Dekret 202/1994) geregelt. 8 Das Dekret 202/1994 wurde durch das Real Decreto 975/2009 sobre gestión de los residuos de las industrias extractivas y de protección y rehabilitación del espacio afectado por actividades de mineras (Königlicher Erlass 975/2009 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und über den Schutz und die Wiederherstellung des von der Gewinnung betroffenen Raums) vom 12. Juni 2009 (BOE Nr. 143 vom 13. Juni 2009, S. 49948, im Folgenden: Königlicher Erlass 975/2009) ersetzt, mit dem die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. 2006, L 102, S. 15) umgesetzt worden war und der seit dem 1. Mai 2014 für die wie im Fall der Klägerin bereits am 1. Mai 2008 betriebenen Bergwerke gilt. 9 Nach Art. 4 des katalanischen Gesetzes 12/1981 muss jeder Antrag auf Genehmigung zur Ausübung von Bergbautätigkeiten ein Sanierungsprogramm enthalten. Gemäß Art. 5 dieses Gesetzes muss das Sanierungsprogramm Maßnahmen umfassen, durch die die umweltschädlichen Folgen der beabsichtigten Bergbautätigkeiten vermieden und ausgeglichen werden sollen. Dazu müssen die am Ende der verschiedenen Betriebsphasen und zum Abschluss der Bergbautätigkeiten durchzuführenden Sanierungsmaßnahmen gehören. 10 Art. 8 Abs. 1, 1a und 2 des katalanischen Gesetzes 12/1981 verpflichtet den Bergwerksbetreiber zur Stellung einer Finanzgarantie, um die Anwendbarkeit des Sanierungsprogramms zu gewährleisten. Die Höhe der Garantie wird nach Maßgabe des von der Sanierung betroffenen Areals oder der Gesamtkosten der Sanierung festgesetzt. 11 Nach Art. 9 des katalanischen Gesetzes 12/1981 können die zuständigen Behörden das Sanierungsprogramm zwangsweise vollziehen, wenn der Betriebsinhaber zum Vollzug nicht in der Lage ist oder diesen verweigert. Die Vollzugskosten gehen zulasten des Bergwerksbetreibers; die zuständigen Behörden können gegen ihn ein Zwangsgeld verhängen. 12 Art. 2 des Dekrets 202/1994 enthält zusätzliche Kriterien zur Bestimmung der Höhe der Finanzgarantie. Diese Kriterien beziehen sich allesamt auf die Kosten der in dem Sanierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen und speziellen Arbeiten. Für Bergwerke, die wie im Fall der Klägerin nicht in Naturschutzgebieten von besonderem Interesse liegen, sieht Art. 3 des Dekrets vor, dass der Betrag der aufgrund von Art. 2 des Dekrets bestimmten Finanzgarantie um 50 % gekürzt wird. 13 In Bezug auf stillgelegte Bergwerke sieht Art. 121 der Ley 22/1973 de Minas (Berggesetz 22/1973) vom 21. Juli 1973 (BOE Nr. 176 vom 24. Juli 1973, S. 15056, im Folgenden: spanisches Berggesetz) vor, dass der Eigentümer eines stillgelegten Bergwerks den von den Bergbaubehörden gebilligten Sanierungsplänen Folge leisten muss. Verwaltungsverfahren 14 Am 30. November 2012 ging bei der Europäischen Kommission eine anonyme Beschwerde ein, der zufolge das Königreich Spanien mehrere mutmaßliche Beihilfemaßnahmen zugunsten der Klägerin durchgeführt hatte. 15 Am 10. Januar 2013 übermittelte die Kommission ein erstes Auskunftsersuchen. Das Königreich Spanien antwortete am 8. März 2013. Weitere Auskunftsersuchen wurden am 14. Mai 2013 sowie am 16. Januar und 26. März 2014 zugeleitet, die das Königreich Spanien mit Schreiben vom 13. Juni 2013 sowie vom 14. Februar und 15. April 2014 beantwortete. 16 Am 30. Januar 2015 übersandte die Kommission dem Beschwerdeführer ein vorläufiges Beurteilungsschreiben, woraufhin dieser am 5. März und 21. April 2015 zusätzliche Auskünfte erteilte. Darüber hinaus fand am 9. März 2015 ein Treffen mit dem Beschwerdeführer statt, der am 4. Juni 2015 zusätzliche Informationen erteilte. 17 Am 9. Juni 2015 leitete die Kommission dem Königreich Spanien die endgültige Antwort des Beschwerdeführers auf das vorläufige Beurteilungsschreiben zusammen mit einem zusätzlichen Auskunftsersuchen zu. Das Königreich Spanien antwortete am 8. Juli 2015. Dem Königreich Spanien wurde auf seinen Antrag am 31. Juli 2015 eine nicht vertrauliche Fassung des vorläufigen Beurteilungsschreibens übermittelt. 18 Am 26. Januar 2016 leitete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren wegen zweier mutmaßlicher Beihilfemaßnahmen ein, nämlich deshalb, weil das Königreich Spanien der Klägerin einen Vorteil in Form ermäßigter Garantiegebühren und eine Investitionsbeihilfe zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns gewährt habe. Dieser Beschluss wurde im Amtsblatt veröffentlicht (ABl. 2016, C 142, S. 18). Die Kommission ersuchte die spanischen Behörden um Stellungnahme und um ergänzende Auskünfte, die am 28. November 2016 übermittelt wurden. 19 Bei der Kommission gingen die Stellungnahmen der Beteiligten und der Klägerin ein; sie leitete diese dem Königreich Spanien zu, das sich dazu am 27. Juli 2016 und 6. April 2017 äußerte. Angefochtener Beschluss 20 Am 31. August 2017 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2018/118 über die von Spanien gewährte staatliche Beihilfe SA.35818 (2016/C) (ex 2015/NN) (ex 2012/CP) zugunsten von Iberpotash (ABl. 2018, L 28, S. 25, im Folgenden: angefochtener Beschluss), mit dem sie die beiden streitigen Beihilfemaßnahmen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte (Art. 1 Abs. 1 und 3) und die Rückforderung der Beihilfen anordnete (Art. 2 und 3). 21 Der verfügende Teil des angefochtenen Beschlusses lautet wie folgt: „Artikel 1 (1)   Die staatliche Beihilfe zugunsten von Iberpotash in Form von zu niedrigen Garantiegebühren, die sich aus dem zu niedrigen Niveau der Garantien für den Zeitraum 2006-2016 in Höhe von 1864622 EUR ergeben, die Spanien unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] rechtswidrig gewährt hat, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar. (2)   Die staatliche Beihilfe zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns in Höhe von 3902461,30 EUR, die Spanien dem Unternehmen Iberpotash unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] rechtswidrig gewährt hat, ist auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c [AEUV] mit dem Binnenmarkt vereinbar. (3)   Der verbleibende Teil der staatlichen Beihilfe in Höhe von 3985109,70 EUR, die Spanien Iberpotash unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 [AEUV] zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns rechtswidrig gewährt hat, ist mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Artikel 2 (1)   Spanien fordert die in Artikel 1 Absätze 1 und 3 genannten Beihilfen vom Begünstigten zurück. (2)   Der Rückforderungsbetrag umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt, ab dem die Beihilfe dem Begünstigten zur Verfügung stand, bis zu deren tatsächlicher Rückzahlung berechnet werden. (3)   Die Zinsen werden nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission und nach der Verordnung (EG) Nr. 271/2008 der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 anhand der Zinseszinsformel berechnet. (4)   Spanien stellt mit Wirkung zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses alle ausstehenden Zahlungen für die in Artikel 1 Absätze 1 und 3 genannten Beihilfen ein. Artikel 3 (1)   Die in Artikel 1 Absätze 1 und 3 genannten Beihilfen werden sofort und tatsächlich zurückgefordert. (2)   Spanien stellt sicher, dass dieser Beschluss innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntgabe umgesetzt wird. …“ 22 Im angefochtenen Beschluss werden zwei Beihilfemaßnahmen identifiziert. 23 Zum einen eine staatliche Beihilfe in Form niedrigerer Bankgebühren für die reduzierte Höhe der Garantien im Zeitraum 2006-2016, deren Betrag sich auf 1864622 Euro belaufe (im Folgenden: Maßnahme 1). 24 Zum anderen eine die Investition zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns betreffende Maßnahme (im Folgenden: Maßnahme 4), die zwar in Höhe von 3902461,30 Euro mit dem Binnenmarkt im Sinne von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV vereinbar sei, da sie im Einklang mit den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Umweltschutzbeihilfen (2008/C 82/01) (ABl. 2008, C 82, S. 1, im Folgenden: Leitlinien von 2008) stehe, jedoch namentlich insoweit eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe darstelle, als sie über die maximale Beihilfeintensität für Investitionsbeihilfen hinausgehe, die eine Erhöhung des Umweltschutzniveaus ermöglichten, und sich auf 3985109,70 Euro belaufe. 25 Bei ihrer Prüfung, ob die „Maßnahme 1“ eine staatliche Beihilfe darstellt, führt die Kommission speziell zum Vorliegen eines Vorteils im 54. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses aus, sie habe zunächst zu ermitteln, ob die Höhe der von den spanischen Behörden festgesetzten Finanzgarantien tatsächlich niedriger gewesen sei, als dies nach den geltenden Rechtsvorschriften geboten gewesen sei. Diese Prüfung führt sie in den Erwägungsgründen 56 bis 59 des angefochtenen Beschlusses durch. 26 Im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass die Höhe der Finanzgarantien von der Generalitat von Katalonien in zwei individuellen und spezifischen Entscheidungen für die Klägerin festgesetzt worden sei: In der am 9. November 2006 erteilten Lizenz zur Durchführung von Abbautätigkeiten der Klägerin für das Bergwerk Súria sei der Betrag der Finanzgarantie auf 773682,28 Euro (erhöht auf 828013,24 Euro im Jahr 2008) festgesetzt worden; in der am 28. April 2008 für das Bergwerk Sallent/Balsareny erteilten Lizenz sei der Betrag der Finanzgarantie auf 1130128 Euro festgesetzt worden. Diese Beträge seien 2015 revidiert worden, als die spanischen Behörden für den Standort Balsareny/Sallent einen deutlich höheren Betrag von 6979471,83 Euro (wirksam erst nach der Genehmigung durch das Tribunal Superior de Justicia de Cataluña [Oberstes Gericht von Katalonien] im Dezember 2016) und für den Standort Súria von 6160872,35 Euro (gültig ab Mai 2015) vorgeschlagen hätten. 27 Zur Höhe der von der Klägerin gebotenen Finanzgarantien stellt die Kommission Folgendes fest: „(61) [I]n erster Linie [ist es] Sache der zuständigen Umweltbehörden …, die Höhe der Finanzgarantien nach den für den betreffenden Fall geltenden nationalen oder regionalen Vorschriften festzulegen und zu genehmigen. Auch wenn die Kommission für die korrekte Umsetzung und Durchführung der Richtlinie [2006/21] über Bergbauabfälle zuständig ist, die ab dem 1. Mai 2014 auf die Finanzgarantien [der Klägerin] anwendbar ist, lässt diese Richtlinie den Mitgliedstaaten bei der Festlegung der genauen Höhe der Garantien einen erheblichen Ermessensspielraum. Aus diesem Grund hat die Kommission keine eigene Bewertung der korrekten Höhe der Finanzgarantien im Rahmen der Richtlinie über Bergbauabfälle vorgenommen, sondern beschränkt ihre Bewertung auf die Prüfung der vorhandenen Beweise für die Unzulänglichkeit der Finanzgarantien. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Beweisen dafür, dass der Betrag der von den Behörden in den Jahren 2006 und 2008 festgesetzten Finanzgarantien tatsächlich niedriger war als in den geltenden Rechtsvorschriften gefordert. (62) Vor allem aber entschied [das Oberste Gericht von Katalonien] (Tribunal Superior de Justicia de Cataluña) am 11. Oktober 2011, dass der Betrag der Finanzgarantie für die Abraumhalde Cogulló [der Klägerin] am Standort Balsareny/Sallent in Höhe von 585153 EUR niedriger als erforderlich war. Nach Auffassung des Urteils entspricht die Höhe der Garantie nicht den rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, insbesondere in Artikel 8 Absatz 2 des [katalanischen] Gesetzes 12/1981 und des Dekrets 202/1994, festgelegt sind. … Dieses Urteil wurde in der Berufung durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) vom 9. Juli 2014 vollumfänglich bestätigt. Wie die spanischen Behörden festgestellt haben, hat [das Oberste Gericht von Katalonien] mit seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2016 schließlich bestätigt, dass ein neuer Betrag von 6979471,83 EUR für den gesamten Standort Balsareny/Sallent angemessen ist. (63) In Anbetracht des Urteils des [Obersten Gerichts von Katalonien] vom 11. Oktober 2011, in dem die einschlägigen nationalen Vorschriften verbindlich ausgelegt wurden, ist die Kommission der Auffassung, dass der ursprüngliche Betrag der 2006 für [die Klägerin] in Balsareny/Sallent festgesetzten Finanzgarantie in Höhe von 1130128 EUR … eindeutig unzureichend war. … (64) Auch wenn es keine vergleichbare gerichtliche Entscheidung in Bezug auf die Garantie für den Standort in Súria gibt, so existieren überzeugende Beweise dafür, dass die Feststellung einer eindeutigen Unzulänglichkeit des Garantieniveaus im Falle einer Klage ebenso wahrscheinlich gewesen wäre. Der Betrag der ursprünglichen Garantie in Höhe von 773682,28 EUR (erhöhte sich in 2008 auf 828013,24 EUR) spiegelt proportional die Tatsache wider, dass der Standort in Súria in Bezug auf die Masse der angehäuften Abfälle und die Gesamtfläche der Abfallmengen kleiner ist als in Balsareny/Sallent. Darüber hinaus wurde die Garantie für Súria deutlich auf 6160872,35 EUR erhöht, und zwar gleichzeitig mit der Garantie für Balsareny/Sallent (d. h. erst nach dem Urteil des [Obersten Gerichts] und der Bestätigung [in] der Berufung) und sogar noch höher (mehr als siebenmal so hoch). Da es keine weiteren Faktoren gibt, die die Differenz zwischen den Garantiebeträgen für Súria einerseits und Balsareny/Sallent andererseits erklären, kann die Höhe der Garantie für Súria daher ebenfalls als unzureichend angesehen werden. … (66) Zusätzlich zu dem maßgebenden Urteil eines nationalen Gerichts ergab die Untersuchung mehrere andere Beweismittel, die die Feststellung bestätigen, dass die ursprüngliche Höhe der Finanzgarantien zu niedrig war. (67) [O]ffizielle Protokolle aus der Anhörung vor dem Umweltausschuss des katalanischen Parlaments vom 2. Oktober 2013 mit ausdrücklichen Erklärungen des Generaldirektors für Umwelt der Generalitat [von Katalonien] [belegen], [dass] die Garantien eindeutig unzureichend waren. … Auch wenn die Transkripte einer politischen Diskussion im Parlament keine relevante Begründung für den Vorschuss enthalten und daher vorsichtig zu behandeln sind, bestätigen doch die Größenordnungen und der Unterschied zum tatsächlichen Betrag die Schlussfolgerungen von Experten, die die Höhe der in den Jahren 2006 und 2008 festgesetzten Garantien als eindeutig unzureichend einschätzten. (68) Zweitens legte der Beschwerdeführer eine Studie vom August 2012 vor, die von Umweltgutachtern in Auftrag gegeben wurde (nachstehend ‚ERF‑Studie‘ genannt). Bei der Studie handelt es sich um eine Expertenbefragung, die umfangreiche vorhandene Informationen (juristische, wissenschaftliche oder aus der Marktuntersuchung resultierende) zu dem relevanten Thema analysiert und zusammenstellt. Die ERF‑Studie analysierte die derzeitige Situation im Hinblick auf die Umweltauswirkungen von … Abbaustätten [der Klägerin] und prognostizierte künftige Entwicklungen hinsichtlich der Gesamtmenge des auf den Abraumhalden anfallenden Materials. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Umweltauswirkungen der Abraumhalden signifikant waren und auch in Zukunft weiter zunehmen werden. … (72) Auf dieser Grundlage ist die ERF‑Studie der Auffassung, dass der Betrag der Finanzgarantie basierend auf den neuen Rechtsvorschriften des Königlichen Erlasses 975/2009 auf keinen Fall niedriger sein sollte als die grundlegenden Kosten der Sanierung im Jahr 2012 in Höhe von 71 Mio. EUR für beide Standorte, und dass der entsprechende Betrag, unter Berücksichtigung der künftigen Gesamtkosten, eher bei etwa 100 Mio. EUR liegen sollte. … (75) [Auf die Kritik der Klägerin, wonach die ERF‑Studie nicht als Grundlage für die Berechnung der Höhe der Garantien dienen könne], erkennt [die Kommission] an, dass die Studie nicht den einschlägigen Bestimmungen des Dekrets 202/1994 entspricht, sondern sich auf die Bedingungen des Königlichen [Erlasses] 975/2009 konzentriert, mit dem die Bergbauabfallrichtlinie [2006/21] umgesetzt wird, wobei der Schwerpunkt auf den voraussichtlichen Kosten der Sanierung liegt. Die Ergebnisse, die die geschätzten Sanierungskosten für einzelne … Standorte [der Klägerin] angeben, basieren jedoch auf einer soliden Methodik und vernünftigen Annahmen, wie sie oben unter den Erwägungsgründen 68 bis 73 beschrieben wurden, und sind daher auch für die Berechnung der Garantien nach Dekret 202/1994 relevant. Dies wird insbesondere durch den Artikel 2 Absatz 4 Buchstabe h des Dekrets 202/1994 bewiesen, der sich auf die Kosten anderer spezifischer Sanierungsmaßnahmen bezieht, die notwendig sein können, und somit die Berechnung nicht auf die in den vorstehenden Punkten des Artikels 2 einzeln aufgezählten Maßnahmen beschränkt.“ 28 Angesichts dessen kam die Kommission in den Erwägungsgründen 82 und 83 des angefochtenen Beschlusses zu dem Ergebnis, dass die gesammelten Beweise und die von Sachverständigen vorgelegten Berichte die Behauptung des nationalen Gerichts bestätigten, wonach die ursprüngliche Höhe der Finanzgarantien eindeutig unzureichend gewesen sei, um eine ordnungsgemäße Sanierung zu gewährleisten, und dass diese Garantien daher tatsächlich niedriger gewesen seien als die nach den geltenden einzelstaatlichen Rechtsvorschriften üblicherweise geforderten Beträge. Die Klägerin habe somit einen wirtschaftlichen Vorteil in Form von niedrigeren Bankgebühren erhalten, die jährlich für die Finanzgarantie gezahlt würden. Die Klägerin habe einen selektiven Vorteil in Form niedrigerer Bankgebühren aufgrund der geringeren Garantien im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern in ähnlicher Position genossen. 29 Zum Kriterium des Einsatzes staatlicher Mittel äußert sich die Kommission wie folgt: „(88) Die Kommission stellt fest, dass die fraglichen Garantien in diesem Fall nicht nach dem Beihilferecht hinsichtlich des Betrags der Provision geprüft werden, der nicht auf der Grundlage des Risikos oder der Exponierung des Garantiegebers (d. h. einer Privatbank, nicht des Staates), sondern auf der Grundlage des Risikos für den Staat erhoben wird, wenn der garantierte Betrag niedriger ist als die tatsächlichen Kosten des Umweltschadens und wenn das garantiegesicherte Unternehmen die gesamten Sanierungskosten nicht oder nicht vollständig bezahlen kann. … (90) Die Finanzgarantie [der Klägerin] wird in Form einer Bankgarantie gewährt, die für den Staat nicht kostenlos ist. Sie kann nur für Maßnahmen verwendet werden, die vom Gesetz genau festgelegt sind, insbesondere für die Finanzierung der Entsorgung von Abraum, die Sanierung des Geländes und andere Umweltschutzmaßnahmen, falls [die Klägerin ihren] Umweltauflagen nicht nachkommt. Der Staat erhält keine Zinsen auf die Garantiefonds oder andere finanzielle Vorteile, die im Falle einer Verringerung des Garantiebetrags gekürzt würden. Darüber hinaus musste der Staat bisher in keinem Fall auf die Garantie für einen der oben genannten Zwecke zurückgreifen. Auch wenn der reduzierte Betrag der Garantie bisher keine tatsächlichen Auswirkungen auf die staatlichen Mittel gehabt hat, schließt dies allein jedoch nicht aus, dass es aufgrund des erhöhten Risikos für den Staat, seine Mittel in Zukunft ausgeben zu müssen, zu einer möglichen Auswirkung auf die staatlichen Mittel kommen kann. (91) Tatsächlich reicht die Schaffung eines besonderen Risikos, das dem Staat künftig eine zusätzliche Belastung auferlegt, aus, um dem in Artikel 107 Absatz 1 [AEUV] niedergelegten Begriff der staatlichen Beihilfe gerecht zu werden. Der Gerichtshof [der Europäischen Union] hat ferner festgestellt, dass die enge Beziehung und die Auswirkungen einer staatlichen Beihilfe auf die staatlichen Mittel nicht unmittelbar sein müssen, um dieses Kriterium zu erfüllen. (92) Der letztendliche Zweck solcher Finanzgarantien besteht darin, sicherzustellen, dass die Bergbauunternehmen über ausreichende Mittel verfügen, um die künftigen Sanierungskosten unabhängig von ihrer finanziellen Situation in der (oft recht fernen) Zukunft zu decken. Es liegt daher auf der Hand, dass, sollte die Höhe der Garantie deutlich unter den geplanten Sanierungskosten liegen, zumindest ein größeres Risiko besteht, dass die staatlichen Mittel in Zukunft beeinträchtigt werden. Dieses Risiko potenzieller Kosten für den öffentlichen Haushalt ist deutlich höher, als wenn der garantierte Betrag unter Berücksichtigung der zu erwartenden Sanierungskosten in Übereinstimmung mit den geltenden Rechtsvorschriften korrekt festgesetzt worden wäre. Wenn diese Mittel erheblich niedriger sind als notwendig, müssten die staatlichen Mittel letztendlich einen größeren Teil dieser Kosten decken, falls [die Klägerin] aus irgendeinem Grund nicht willens oder in der Lage ist, dies zu tun. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass im Falle der Unfähigkeit [der Klägerin], die Sanierungskosten in Zukunft zu zahlen, den spanischen Behörden die angebliche Möglichkeit, Vermögenswerte [der Klägerin] zu beschlagnahmen, erhebliche zusätzliche Ressourcen bringen wird, da die einzigen spanischen Vermögenswerte [der Klägerin] (und der gesamten ICL-Gruppe) [ihre] Kalibergbauanlagen sind. Sobald die Kalibergwerke jedoch geschlossen sind, ist der Wert dieser Vermögenswerte zweifelhaft. (93) Die Tatsache, dass der Staat verpflichtet wäre, für den Fall, dass [die Klägerin] nicht bereit oder in der Lage ist, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen für [ihre] Abraumhalden zu ergreifen, auf eigene Rechnung einzugreifen, ist in der geltenden Gesetzgebung gut verankert. (94) Erstens kann der Staat nach Artikel 102 des Gesetzes Nr. 39/2015 anstelle des Beteiligten, der rechtlich für die Durchführung solcher Maßnahmen verantwortlich ist, Maßnahmen ergreifen. Spanien müsste i) [die Klägerin] auffordern, genau definierte Maßnahmen zu ergreifen; ii) [die Klägerin] darüber unterrichten, dass die Verwaltung anderenfalls selbst und zu welchen Kosten derartige Maßnahmen ergreifen wird; iii) diese Maßnahmen durchführen; und iv) versuchen, die Kosten von [der Klägerin] zurückzufordern, was per definitionem nicht möglich sein wird, wenn Spanien die unzureichende Finanzgarantie leisten muss. Dieser Beschluss ist zwar fakultativ, doch sollte [die Klägerin ihren] Auflagen zur Sanierung [ihrer] Fazilitäten nicht nachkommen, so hätte Spanien keine andere Wahl, als für eine solche Sanierung im Voraus zu zahlen, da es sonst seinen eigenen Auflagen nicht nachkommen würde. (95) Zweitens könnte Spanien, wie unter Erwägungsgrund 13 dargelegt, gegen seine Auflagen aus der Bergbauabfallrichtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie verstoßen. Sollte [die Klägerin] daher [ihre] Fazilitäten nach Erschöpfung der Bodenschätze aufgeben und diese aufgrund der unzureichenden Garantie nicht sanieren, ist die einzige Möglichkeit für Spanien, seinen Auflagen aus diesen Richtlinien nachzukommen und das vom … Gerichtshof [der Europäischen Union] verhängte tägliche Zwangsgeld zu vermeiden, die Zahlung der Kosten für das Entfernen der Salzhalden oder eine ebenso wirksame Sanierung. (96) Drittens, nach den Bestimmungen des spanischen Gesetzes Nr. 27/2006 vom 18. Juli 2006 können die spanischen Behörden gezwungen werden, ihren Auflagen aus der Umweltgesetzgebung nachzukommen. Jede Nichtregierungsorganisation, die die Kriterien des Gesetzes Nr. 27/2006 erfüllt, kann im Falle eines in Artikel 18 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 27/2006 aufgeführten Verstoßes gegen die Umweltschutzvorschriften (einschließlich z. B. Verstöße gegen die Auflagen im Bereich des Gewässerschutzes) gerichtlich tätig werden, um die Verwaltung zur Einhaltung ihrer Umweltauflagen zu zwingen. … (98) Schließlich weisen die spanischen Behörden selbst darauf hin, dass nach Artikel 9 des [katalanischen] Gesetzes … 12/1981, falls der Marktteilnehmer seinen Auflagen nicht nachkommt, die … Generalitat [von Katalonien] diese Maßnahmen auf Kosten des Marktteilnehmers zwangsweise durchführen kann. Sie weisen darauf hin, dass die Verwaltung in der Praxis die entsprechenden Maßnahmen durchführt, die dann aus der Finanzgarantie oder, falls die Garantie nicht ausreicht, aus dem Verkauf von Vermögenswerten des Marktteilnehmers finanziert werden. Sollte daher die Finanzsicherheit wesentlich niedriger sein als erforderlich, läuft die Verwaltung Gefahr, dass das Vermögen des Marktteilnehmers nicht ausreicht, um die entsprechenden Maßnahmen zu finanzieren. Dies bestätigt, dass eine zu geringe Finanzgarantie das Risiko erhöht, dass die von der Verwaltung ergriffenen Sanierungsmaßnahmen nicht ausreichend durch die Vermögenswerte des Marktteilnehmers gedeckt werden (insbesondere dann, wenn dieser keine anderen spanischen Tätigkeiten wie im Falle [der Klägerin] ausübt) und aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden müssten. (99) Folglich ist der Staat durch ein wesentlich niedrigeres Niveau an Garantien als gesetzlich vorgeschrieben einem spezifischen Risiko zusätzlicher Belastungen seiner Ressourcen ausgesetzt. Das erhöhte Risiko einer zusätzlichen Belastung des Staates ist daher hinreichend konkret genug, um zumindest eine potenzielle Auswirkung auf die staatlichen Mittel aufgrund eines zu niedrigen Niveaus der Finanzgarantie darzustellen.“ 30 Zum Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten legt die Kommission dar: „(102) [D]urch die Senkung der Kosten [der Klägerin] aufgrund geringerer Finanzgarantien als in den geltenden Rechtsvorschriften vorgesehen [kann] der Wettbewerb auf den Märkten, auf denen [sie] tätig ist (hauptsächlich Kali- und Salzmärkte), verfälscht werden … Wie nachstehend erläutert (vgl. Erwägungsgrund 110 ff.), belief sich diese Kostensenkung im Berichtszeitraum auf rund 1,8 Mio. EUR und war daher entgegen den Behauptungen der spanischen Behörden nicht unerheblich. (103) Darüber hinaus schließt die Tatsache, dass [die Klägerin] der einzige spanische Kaliproduzent ist, eine mögliche Wettbewerbsverzerrung nicht aus, da der räumlich relevante Markt deutlich größer ist als der spanische Inlandsmarkt. … (106) Wie bereits oben erwähnt, handelt es sich bei den Kali- und Salzmärkten eindeutig um grenzüberschreitende Märkte, wobei 50 % der … Produktion [der Klägerin] in andere europäische Länder exportiert werden. Daher kann der Handel zwischen den EU-Mitgliedstaaten durch die geringere Höhe der Finanzgarantien beeinträchtigt werden.“ 31 Zur Berechnung der Beihilfe äußert sich die Kommission wie folgt: „(109) Zur Ermittlung des tatsächlichen Beihilfebetrags ist es zunächst erforderlich, im Rahmen der im Bezugszeitraum geltenden Rechtsvorschriften zumindest einen ‚korrekten‘ Betrag an Finanzgarantien festzulegen. Der Beihilfebetrag würde dann der Differenz zwischen dem voraussichtlichen Betrag der Bankgebühren entsprechen, den [die Klägerin] hätte zahlen müssen, um den korrekten Garantiebetrag zu bilden, und dem tatsächlichen Betrag der Bankgebühren, den das Unternehmen gezahlt hat. … (111) Da [das] Oberste [Gericht von Katalonien] im Dezember 2016 nach Auskunft der spanischen Behörden den erhöhten Betrag von 6979471,83 EUR für den Standort Balsareny/Sallent als mit den geltenden Rechtsvorschriften vereinbar befunden hat, ist die Kommission der Auffassung, dass der ‚korrekte‘ Betrag der Garantien für Balsareny/Sallent derzeit diesem vom Gericht genehmigten Betrag entspricht. (112) Ferner ist die Kommission analog dazu (siehe auch Erwägungsgrund 64) der Auffassung, dass der erhöhte Betrag von 6160872,35 EUR für die seit 2015 geltende Garantie für Súria ebenfalls als im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften zu betrachten ist. Auch wenn es in Bezug auf diesen Standort keine verbindliche gerichtliche Entscheidung gibt, ist die Erhöhung der Garantiesumme für einen kleinen Standort wie Súria in der Tat nahezu vergleichbar mit dem für Balsareny/Sallent genehmigten Betrag. Damit wird bestätigt, dass der Betrag als angemessen und im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften angesehen werden kann. … (123) [D]er Gesamtbetrag der Beihilfen, die [der Klägerin] in Form niedrigerer Bankgebühren für die reduzierte Höhe der Garantien im gesamten Zeitraum 2006-2016 gewährt wurden, [beläuft sich] auf 1864622 EUR.“ 32 Bei ihrer Prüfung, ob die „Maßnahme 4“ eine staatliche Beihilfe darstellt, führt die Kommission speziell zum Vorliegen eines Vorteils Folgendes aus: „(125) Am 17. Dezember 2007 unterzeichneten das spanische Umweltministerium und die Generalitat [von Katalonien] eine Vereinbarung, in der sie sich bereiterklärten, zusammenzuarbeiten und die Kosten des Projekts zur Abdeckung der Abraumhalde Vilafruns zu teilen, um die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern. … Die Gesamtinvestitionskosten beliefen sich auf 7887571 EUR und wurden, wie im Übereinkommen von 2007 vereinbart, vollständig von der öffentlichen Hand getragen. … (131) [Die Verantwortung der Klägerin zur Bewirtschaftung der Bergbauabfälle aus der Abraumhalde von Vilafruns] stützt sich auf das spanische Gesetz 6/1993 vom 15. Juli 1993 über die Abfallbewirtschaftung sowie auf das Königliche Dekret 1/2001 vom 20. Juli 2001 zur Genehmigung der Neufassung des spanischen Wasserrechts. Der Beteiligte macht geltend, dass die Tatsache, dass Vilafruns beim Erwerb durch [die Klägerin] nicht mehr aktiv war, irrelevant sei, da jeder Inhaber einer Bergbaukonzession alle Bergbauabfälle, d. h. auch die vor dem Erwerb der Konzession angehäuften Abfälle, bewirtschaften müsse. … (138) Die Kommission ist der Auffassung, dass es ungeachtet des Umfangs der Auflagen [der Klägerin] bezüglich Vilafruns nicht hinnehmbar ist, dass die öffentlichen Investitionen in Höhe von 7,9 Mio. EUR in einen wesentlich besseren Umweltschutz, der im Prinzip der Sanierung des Bergwerksgeländes ohne Investitionskosten für [die Klägerin] entspricht, [der Klägerin] keinen wirtschaftlichen Vorteil gebracht haben. Die Verlegung der Abdeckung für die Abraumhalde zielte darauf ab, die Verschmutzung durch Leckagen aus der Deponie Vilafruns deutlich zu reduzieren. Die alternativen Maßnahmen ohne Beihilfen hätten [die Klägerin] nicht so gut und dauerhaft geschützt und den Risiken ausgesetzt, die Folgen der Verschmutzung tragen zu müssen (wie in den Strafrechtsurteilen vom 18. Dezember 2014 und 25. Februar 2015 in Bezug auf [ihre] anderen Bergwerksstandorte unter Beweis gestellt wurde – siehe Erwägungsgründe 27 und 94 des Einleitungsbeschlusses). Der Bau der aus öffentlichen Mitteln bezahlten Anlage ermöglichte es [der Klägerin] daher, die Umweltverschmutzung besser zu verhindern, die Umweltrisiken für die Zukunft zu verringern und eine dauerhafte Sanierung der Halde vorzusehen (im Einklang mit ähnlichen Sanierungen von Salzabfallhalden in Frankreich oder Deutschland, wie oben unter den Erwägungsgründen 26 und 32 dargelegt). [Die Klägerin] wäre letztendlich gezwungen gewesen, für eine ordnungsgemäße Sanierung der Abraumhalde von Vilafruns zu sorgen. (139) Schließlich ist die Kommission der Auffassung, dass die Maßnahme selektiv ist, da sie speziell auf die öffentliche Finanzierung der Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns im Eigentum [der Klägerin] abzielt. … … (148) Vor diesem Hintergrund ist die Kommission zu der Auffassung gelangt, dass Maßnahme 4 eine staatliche Beihilfe in Höhe von 7887571 EUR darstellt und sie daher ihre Rechtmäßigkeit und Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt prüfen wird.“ 33 Bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt legte die Kommission im 152. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dar, die Maßnahme 1 stelle eine Betriebsbeihilfe zugunsten der Klägerin dar, weil die Kosten aus den Garantiegebühren in dem Zeitraum von 2006 bis 2016 geringer ausgefallen seien als erforderlich; dies sei mit dem Binnenmarkt unvereinbar, da sie keinen möglichen Kompatibilitätsgrund für diese Beihilfe gefunden habe, die ohne Verfolgung eines offensichtlichen Ziels von gemeinsamem Interesse gewährt worden sei. 34 Zur Maßnahme 4 stellte die Kommission dagegen in den Erwägungsgründen 156 bis 164 des angefochtenen Beschlusses fest, die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns stelle eine Beihilfe dar, die nach Abschnitt 3.1.1 der Leitlinien von 2008 betreffend Beihilfen für Unternehmen, die über das unionsrechtlich vorgeschriebene Umweltschutzniveau hinausgingen oder die mangels unionsrechtlicher Vorschriften dieses Niveau erhöhten, mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. 35 Denn die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns hatte es der Klägerin nach Ansicht der Kommission ermöglicht, das aus ihren Tätigkeiten resultierende Umweltschutzniveau in Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften zu erhöhen. Zudem bezifferte die Kommission erstens den Gesamtbetrag der beihilfefähigen Kosten auf 7804922,60 Euro, legte zweitens die maximale Beihilfenintensität der für die Klägerin als Großunternehmen zulässigen Beihilfe auf 50 % der beihilfefähigen Kosten fest und setzte drittens den mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Rest des Gesamtbetrags der Beihilfe auf 3985109,70 Euro fest. Verfahren und Anträge der Parteien 36 Mit Klageschrift, die am 24. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 37 Die Kommission hat am 23. Juli 2018 ihre Klagebeantwortung eingereicht. 38 Die Klägerin hat am 27. September 2018 eine Erwiderung eingereicht. Die Kommission hat am 12. November 2018 eine Gegenerwiderung eingereicht. 39 Die Klägerin beantragt, – den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären; – hilfsweise, den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin festgestellt wird, dass die Maßnahme 1 eine staatliche Beihilfe darstelle, und deren Rückforderung angeordnet wird; – hilfsweise, den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als darin der Betrag der rechtswidrigen, aber mit dem Binnenmarkt vereinbaren Beihilfe und der Betrag der im Rahmen der Maßnahme 4 zurückzufordernden rechtswidrigen Beihilfe festgesetzt werden; – der Kommission die Kosten aufzuerlegen. 40 Die Kommission beantragt, – die Klage als unbegründet abzuweisen; – der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Entscheidungsgründe 41 Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten rügt sie einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, da die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Maßnahme 1 eine Übertragung staatlicher Mittel mit sich bringe. Mit dem zweiten macht sie einen Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV geltend, soweit die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Maßnahme 1 einen Vorteil verschafft habe, hilfsweise, soweit sie nicht nachgewiesen habe, dass die ursprünglichen Beträge der Finanzgarantien zu niedrig gewesen seien. Mit dem dritten rügt sie eine Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Mit dem vierten wirft sie der Kommission vor, insoweit gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV verstoßen zu haben, als sie angenommen habe, dass die Maßnahme 4 einen selektiven Vorteil verschaffe. Mit dem hilfsweise vorgebrachten fünften Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 108 AEUV (ABl. 2015, L 248, S. 9), da die Kommission den Betrag der aus der Maßnahme 4 resultierenden etwaigen Beihilfe nicht korrekt bestimmt habe. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, da die Kommission zu Unrecht angenommen habe, dass die Maßnahme 1 eine Übertragung staatlicher Mittel mit sich bringe 42 Die Klägerin macht geltend, die Maßnahme 1 erfülle nicht das Kriterium der Übertragung staatlicher Mittel, da sie zu keiner Verringerung des Staatshaushalts geführt habe. 43 Erstens seien die Finanzgarantien, die die Klägerin für die Sanierung der Bergwerke habe bereitstellen müssen, nicht vom Staat, sondern von privaten Banken gewährt worden, denen sie für den Fall, dass eine Inanspruchnahme notwendig werden sollte, habe Prämien zahlen müssen. Folglich seien dem Staat dadurch, dass die Garantien angeblich niedriger als erforderlich festgelegt worden seien, keine Einnahmen entgangen; im vorliegenden Fall bestehe daher kein hinreichend unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem gewährten Vorteil und der Verringerung des Staatshaushalts. 44 Zweitens habe kein hinreichend konkretes wirtschaftliches Risiko für den Staatshaushalt bestanden. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn sich die Sanierungskosten bei der Klägerin als uneinbringlich erwiesen hätten. Eine solche Verpflichtung, dass der Staat möglicherweise einen Teil der Kosten tragen müsse, und die sich daraus ergebende potenzielle Belastung des Staatshaushalts seien somit zu fernliegend und hypothetisch. Die Grundsätze aus dem Bereich der staatlichen Bürgschaften seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zum einen sei das dahin gehende Vorbringen der Kommission unzulässig, da diese sich im angefochtenen Beschluss dazu nicht geäußert habe, und zum anderen könnten diese Grundsätze auch nicht analog herangezogen werden. Erstens liege im Fall von Staatsbürgschaften eine Mittelübertragung vor, denn der Staat verzichte dadurch auf einen Teil seiner Einnahmen, dass er anders als ein privater Bürge eine niedrigere Prämie akzeptiere. Die Klägerin habe hier aber eine marktkonforme Prämie gezahlt. Zweitens liege im Rahmen einer Staatsbürgschaft der Vorteil für den Begünstigten auf der Hand, da dieser für die Staatsbürgschaft eine niedrigere Prämie als für eine ähnliche Bankbürgschaft zahle und seine Bonität gestärkt werde, so dass er weniger Zinsen zahle. Im vorliegenden Fall sei keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt. Drittens verpflichte sich der Staat im Rahmen von Staatsbürgschaften, den verbürgten Betrag an einen Dritten zu zahlen, wenn der durch die Bürgschaft Begünstigte seiner Verpflichtung zur Rückzahlung des verbürgten Kredits nicht nachkomme, während sich der Staat vorliegend nicht zur Zahlung irgendeines Betrags verpflichtet habe, falls die Garantie unzureichend sein sollte. Die Rechtsprechung zu den Staatsbürgschaften finde hier deshalb keine Anwendung. 45 Ein solches hypothetisches Risiko einer Belastung des Staatshaushalts könne sich nach der einschlägigen Rechtsprechung nur dann realisieren, wenn es sich beim Staat um einen der Hauptgläubiger des in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmens handle und dieses zahlungsunfähig sei. Die Klägerin könne im vorliegenden Fall aber die Erfüllung ihrer Verpflichtungen garantieren, da sie einem multinationalen Konzern (nicht nur der Gruppe in Spanien) angehöre, der über erhebliche Vermögenswerte verfüge, die nach der Schließung der Kalibergwerke ihren Wert behielten, und der in der Vergangenheit schon gezeigt habe, dass er über die notwendige finanzielle Leistungsfähigkeit verfüge, um alle erforderlichen Sanierungsmaßnahmen zu übernehmen, und zwar unabhängig davon, wie hoch die Garantien festgesetzt worden seien. Da sich die umweltrechtliche Haftung eines Unternehmens auf die Konzerngesellschaften erstrecke, sei das Risiko, dass der Staat für eine eventuelle Insolvenz der Klägerin aufzukommen habe, nicht hinreichend konkret. Nach der Rechtsprechung (Urteil vom 1. Dezember 1998, Ecotrade, C‑200/97, EU:C:1998:579) müssten außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Verringerung der staatlichen Mittel mehr als wahrscheinlich machten, während ein völlig geringfügiges oder hypothetisches Risiko nicht ausreichen könne, um auf einen Transfer staatlicher Mittel zu schließen. 46 Drittens sei der Betrag der Finanzgarantien nicht fix, sondern einer zeitlichen Veränderung unterworfen, da diese Garantien erst nach Einstellung der Bergbautätigkeiten aufgrund des nationalen wie auch des Unionsrechts in Anspruch genommen werden könnten und da die Höhe der Garantie während der Abbautätigkeit regelmäßig nach Maßgabe der erforderlichen Sanierungsarbeiten angepasst werden müsse. Daher bestehe erst nach Abschluss des Bergbaus ein Risiko für den Staatshaushalt. Im vorliegenden Fall seien die Finanzgarantien 2015 für den Standort Súria und 2016 für den Standort Sallent/Balsareny bereits vor Abschluss der Bergbautätigkeit auf ein angemessenes Niveau festgelegt worden, was bedeute, dass der spanische Staat vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zu keinem Zeitpunkt einem wirtschaftlichen Risiko ausgesetzt gewesen sei. Die Klägerin entgegnet der Kommission insbesondere, dass sie in Spanien außer den Kalibergwerken über andere wichtige Vermögensgüter verfüge, auf die der Staat zurückgreifen könne, um die Verpflichtung zur Bezahlung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen durchzusetzen, und dass von den Geschäftsführern und Verwaltern des Unternehmens nach spanischem Recht verlangt werden könne, dass sie Maßnahmen zur Beachtung umweltschutzrechtlicher Verpflichtungen durchführten. 47 Die Klägerin beruft sich viertens auf eine frühere Entscheidung der Kommission (Mitteilung der Kommission, SNIACE; staatliche Beihilfe C 68/97 [NN 118/97] Spanien, ABl. 1998, C 49, S. 2, im Folgenden: SNIACE‑Entscheidung) in einem Fall, der mit der vorliegenden Sache vergleichbar sei. In jenem Fall sei in der Nichtdurchsetzung von Umweltschutzverpflichtungen, da sie mit keinem Transfer staatlicher Ressourcen verbunden gewesen sei, keine staatliche Beihilfe gesehen worden. 48 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 49 Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV „sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen“. 50 Damit Vergünstigungen als „Beihilfen“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, müssen sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sein (vgl. Urteil vom 15. Mai 2019, Achema u. a., C‑706/17, EU:C:2019:407, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2015, Niederlande u. a./Kommission, T‑186/13, T‑190/13 und T‑193/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:447, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung). 51 Zur Voraussetzung der Verwendung staatlicher Mittel geht aus der Rechtsprechung hervor, dass nicht in jedem Fall festgestellt werden muss, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden hat, damit der einem oder mehreren Unternehmen gewährte Vorteil als eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen werden kann. Als Beihilfen gelten namentlich Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 100 und 101 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). 52 Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt nämlich Art. 107 Abs. 1 AEUV die staatlichen Maßnahmen nach ihren Wirkungen (vgl. Urteil vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF, C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung, Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 102). 53 So kann eine staatliche Maßnahme, die geeignet ist, gleichzeitig die Unternehmen, auf die sie angewandt wird, in eine günstigere Lage als andere zu versetzen und ein hinreichend konkretes Risiko für den Eintritt einer künftigen zusätzlichen Belastung für den Staat zu schaffen, zulasten der staatlichen Mittel gehen (vgl. Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung). 54 Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass Vorteile, die in Form einer Bürgschaft des Staates gewährt werden, eine zusätzliche Belastung für den Staat bedeuten können (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 107; vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 1. Dezember 1998, Ecotrade, C‑200/97, EU:C:1998:579, Rn. 43, und vom 8. Dezember 2011, Residex Capital IV, C‑275/10, EU:C:2011:814, Rn. 39 bis 42). 55 Im Übrigen geht aus der Rechtsprechung hervor, dass, wenn nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Änderung der Marktbedingungen, durch die ein bestimmten Unternehmen mittelbar gewährter Vorteil bewirkt wird, daraus folgt, dass dem Staat Mittel entgehen, selbst das Hinzutreten einer autonomen Entscheidung der Investoren den Zusammenhang zwischen diesem Verlust von Mitteln und dem Vorteil, den die betreffenden Unternehmen genießen, nicht entfallen lässt (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 108). 56 Die Kommission muss daher, um festzustellen, dass eine staatliche Beihilfe vorliegt, einen hinreichend engen Zusammenhang zwischen dem Vorteil, der dem Begünstigten gewährt wird, einerseits und der Verringerung des Staatshaushalts oder einem hinreichend konkreten wirtschaftlichen Risiko für dessen Belastung andererseits dartun (Urteil vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a., C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175, Rn. 109). 57 Was im vorliegenden Fall zum einen die Frage betrifft, ob die Maßnahme 1 dem Staat zuzurechnen ist, so wurden die Beträge der von der Klägerin bereitzustellenden Finanzgarantien, wie sich aus dem 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt und zwischen den Parteien unstreitig ist, von der Generalitat von Katalonien in zwei individuellen Verwaltungsentscheidungen festgesetzt, nämlich in den der Klägerin am 9. November 2006 und 28. April 2008 für den Betrieb der Bergwerke Súria bzw. Balsareny/Sallent erteilten Lizenzen. 58 Was zum anderen das Kriterium der staatlichen Mittel anbelangt, so hat die Kommission im 88. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Maßnahme 1 erklärt, dass die fraglichen Finanzgarantien nicht nach dem Beihilferecht hinsichtlich des Betrags der Provision geprüft würden, der nicht auf der Grundlage des Risikos oder der Exponierung des Garantiegebers (d. h. einer Privatbank, nicht des Staates), sondern auf der Grundlage des Risikos für den Staat erhoben werde, wenn der garantierte Betrag niedriger sei als die tatsächlichen Kosten des Umweltschadens und wenn das garantiegesicherte Unternehmen die gesamten Sanierungskosten nicht oder nicht vollständig bezahlen könne. Im 90. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses führt die Kommission erneut aus, es bestehe die konkrete Gefahr, dass es aufgrund des erhöhten Risikos für den Staat, seine Mittel in Zukunft ausgeben zu müssen, zu einer möglichen Auswirkung auf die staatlichen Mittel kommen könne. Ferner nimmt sie im 91. Erwägungsgrund dieses Beschlusses an, dass die Schaffung eines besonderen Risikos, das dem Staat künftig eine zusätzliche Belastung auferlege, ausreiche, um dem Begriff der staatlichen Beihilfe gerecht zu werden, und dass die enge Beziehung sowie die Auswirkungen einer staatlichen Beihilfe auf die staatlichen Mittel nicht unmittelbar sein müssten, um dieses Kriterium zu erfüllen. 59 In den Erwägungsgründen 92 bis 99 des angefochtenen Beschlusses legt die Kommission dar, das erhöhte Risiko, dass die staatlichen Mittel in Zukunft beeinträchtigt werden könnten, sei darauf zurückzuführen, dass die Höhe der Garantien deutlich unter den geplanten eventuellen Sanierungskosten liege; wenn die Klägerin nämlich nicht bereit oder in der Lage sei, diese Sanierung zu bezahlen, müssten die staatlichen Mittel einen größeren Teil dieser Kosten decken, da die Verpflichtung des Staates, auf eigene Rechnung einzugreifen, falls die Klägerin die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen nicht ergreifen wolle oder könne, im geltenden nationalen und Unionsrecht verankert sei. Folglich sei der Staat durch ein wesentlich niedrigeres Niveau an Garantien als gesetzlich vorgeschrieben einem spezifischen Risiko zusätzlicher Belastungen seiner Ressourcen ausgesetzt. Das erhöhte Risiko sei daher hinreichend konkret genug, um zumindest eine potenzielle Auswirkung auf die staatlichen Mittel zu haben. Zudem könnten sich die Vermögenswerte der Klägerin, die der Staat im Fall von Zwangsmaßnahmen beschlagnahmen könne, als unzureichend erweisen. 60 Als Erstes bestreitet die Klägerin nicht, dass der in den Verwaltungsentscheidungen der Generalitat von Katalonien festgesetzte Betrag der Finanzgarantien zu niedrig war. Die Klägerin wendet sich im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes zwar gegen die Analysemethode und die Beweismittel, aufgrund deren die Kommission festgestellt hat, dass der Betrag dieser Garantien tatsächlich zu niedrig war und dass sie ihr einen wirtschaftlichen Vorteil verschafften. Sie behauptet jedoch nicht, dass das in den Verwaltungsentscheidungen der Generalitat von Katalonien ursprünglich festgelegte Niveau der Garantien korrekt oder ausreichend gewesen wäre. 61 Als Zweites ist festzustellen, dass der spanische Staat, wie aus den Erwägungsgründen 93 bis 98 des angefochtenen Beschlusses klar hervorgeht, gehalten war, subsidiär einzugreifen, wenn Bergbauunternehmen ihren umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkamen. Denn zum einen können die Behörden nach nationalem Recht, insbesondere nach der Ley 27/2006 por la que se regulan los derechos de acceso a la información, de participación pública y de acceso a la justicia en materia de medio ambiente (incorpora las Directivas 2003/4/CE y 2003/35/CE) (Gesetz Nr. 27/2006, das die Rechte auf Zugang zu Informationen, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten regelt [Umsetzung der Richtlinien 2003/4/EG und 2003/35/EG]) vom 18. Juli 2006 (BOE Nr. 171 vom 19. Juli 2006, S. 27109), gezwungen werden, ihren Verpflichtungen aus der Umweltgesetzgebung nachzukommen. Außerdem kann der Staat nach Art. 102 der Ley 39/2015 del Procedimiento Administrativo Común de las Administraciones Públicas (Gesetz Nr. 39/2015 über das gemeinsame Verwaltungsverfahren der öffentlichen Verwaltungen) vom 1. Oktober 2015 (BOE Nr. 236 vom 2. Oktober 2015, S. 89343) anstelle des Beteiligten, der rechtlich für die Durchführung von Maßnahmen verantwortlich ist, subsidiär Maßnahmen ergreifen. Zum anderen kann die zuständige Behörde nach Unionsrecht, insbesondere nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. 2004, L 143, S. 156), für den Fall, dass ein Betreiber, der infolge von Umweltschäden Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen hat, seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, diese Maßnahmen selbst ergreifen, wenn ihr keine weiteren Mittel bleiben. Ferner könnte der Staat, wenn er nicht anstelle der ihre umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen missachtenden Unternehmen tätig würde, gegen seine eigenen Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/21 verstoßen und Gefahr laufen, dass gegen ihn ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet und er zur Zahlung von Zwangsgeldern bis zur Erfüllung dieser Verpflichtungen verurteilt würde. 62 Als Drittes soll durch die gesetzliche Verpflichtung gemäß Art. 14 der Richtlinie 2006/21 – wonach von den Bergbauunternehmen die Stellung einer Garantie für die Sanierung der Standorte und für die Deckung der Kosten der durch den Bergbau eventuell verursachten Umweltschäden verlangt wird, deren Höhe aufgrund der in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie genannten Faktoren zu berechnen ist – sichergestellt werden, dass die Bergbauunternahmen über hinreichende Mittel verfügen, um die künftigen Kosten einer Sanierung der Bergwerke unabhängig von ihrer künftigen finanziellen Situation zu decken, und insbesondere verhindert werden, dass der Staat diese Kosten stattdessen übernehmen muss. 63 Wegen der Verpflichtung des Staates, anstelle des Unternehmens subsidiär tätig zu werden, das gesetzlich verpflichtet ist, die sich aus der Bergbautätigkeit ergebenden notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen, kann die Höhe der für dieses Unternehmen festgelegten Garantien Auswirkungen auf die staatlichen Mittel haben, da bei einem zu niedrigen Garantiebetrag das wirtschaftliche Risiko eines subsidiären Eingreifens des Staates vor allem für den Fall einer Insolvenz dieses Unternehmens quantitativ erhöht ist. 64 Als Viertes ergibt sich aus der oben in Rn. 53 erwähnten Rechtsprechung, dass die staatlichen Mittel auch dann als belastet angesehen werden können, wenn nachweislich ein „hinreichend konkretes Risiko“ für den Eintritt einer künftigen zusätzlichen Belastung für den Staat besteht. 65 In diesem Zusammenhang macht die Klägerin erstens geltend, das Risiko einer Belastung der staatlichen Mittel sei im vorliegenden Fall nicht konkret genug, da sie über die Finanzkraft verfüge, um für die aus ihrer Bergbautätigkeit eventuell resultierenden Umweltschäden aufzukommen. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Gerichts im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme hat die Klägerin eine Liste der Vermögenswerte (Immobilien), über die sie in den Jahren 2012 bis 2016 auch im Rahmen des Konzerns, dem sie angehört, verfügte, sowie den diese Vermögenswerte betreffenden Teil ihrer Jahresabschlüsse vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin vorgelegten Dokumente keinen Hinweis auf die Passiva und die Verbindlichkeiten des Unternehmens enthielten und die Vermögenswerte der Klägerin und ihres Konzerns nur für den Zeitraum von 2012 bis 2015-2017 darstellten und dass die Klägerin keine Angaben zu dem restlichen relevanten Zeitraum von 2006 bis 2012 gemacht habe. 66 Dazu ist festzustellen, dass die Angaben, die die Klägerin gemacht hat, um ihre Finanzkraft zur Bewältigung der mit dem Betrieb ihrer Bergwerke verbundenen etwaigen Umweltschäden zu belegen, unvollständig sind und nicht mit Gewissheit darauf schließen lassen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt einer etwaigen Realisierung der Umweltrisiken über die notwendige Finanzkraft verfügt hätte, um diese Risiken abzudecken. 67 Aber auch wenn die Klägerin finanzkräftig genug sein sollte, um das Risiko zu verringern, dass der Staat eingreifen muss, ist jedenfalls festzustellen, dass die finanzielle Situation eines Unternehmens sich jederzeit aufgrund verschiedener wirtschaftlicher Unwägbarkeiten ändern kann und dass die Verpflichtung zur Stellung einer Finanzgarantie generell gerade bewirken soll, dass Mittel jederzeit und unabhängig von der Finanzkraft des zur Stellung dieser Garantie verpflichteten Unternehmens zur Verfügung stehen; die Finanzkraft dieses Unternehmens ist daher für die Bestimmung der angemessenen Höhe dieser Garantien und letztlich für die Prüfung, ob ein hinreichend konkretes Risiko einer Belastung des Staatshaushalts besteht, irrelevant. 68 Außerdem beruht gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2006/21 die Berechnung der in Abs. 1 genannten Sicherheitsleistung zum einen auf den wahrscheinlichen Umweltauswirkungen der Abfallentsorgungseinrichtung, wobei insbesondere die Kategorie dieser Einrichtung, die Beschaffenheit der Abfälle sowie die künftige Nutzung des sanierten Geländes zu berücksichtigen sind, sowie auf der Annahme, dass unabhängige und fachlich qualifizierte Dritte die notwendigen Sanierungsarbeiten bewerten und durchführen. Die Finanzkraft des Unternehmens, das die Einrichtung betreibt, ist somit kein relevantes Kriterium für die Festsetzung des Betrags der Garantien. 69 Zum anderen kommt es nach der oben in Rn. 55 erwähnten Rechtsprechung darauf an, dass die Änderungen der normalen Marktbedingungen geeignet sind, den Staatshaushalt beeinträchtigen, und zwar unabhängig vom wahrscheinlichen Verhalten der privaten Marktteilnehmer und im vorliegenden Fall unabhängig davon, ob die Klägerin konkret die Kosten etwaiger mit ihren Bergbautätigkeiten zusammenhängender Umweltschäden selbst decken könnte. 70 Die Klägerin hält zweitens das Vorbringen der Kommission, wonach die Rechtsprechung zu den Staatsbürgschaften auf den vorliegenden Fall analog anwendbar sei, für unzulässig und für unbegründet. Zur Zulässigkeit dieses Vorbringens ist festzustellen, dass die Kommission sich vor dem Gericht insbesondere auf die Urteile vom 1. Dezember 1998, Ecotrade (C‑200/97, EU:C:1998:579), und vom 19. März 2013, Bouygues und Bouygues Télécom/Kommission u. a. und Kommission/Frankreich u. a. (C‑399/10 P und C‑401/10 P, EU:C:2013:175), berufen hat, um geltend zu machen, dass eine fehlende unmittelbare und sichere Inanspruchnahme staatlicher Mittel eine zusätzliche Belastung des Staatshaushalts nicht ausschließe. Dieses Vorbringen der Kommission ist aber eindeutig im 91. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses enthalten. Folglich hat die Kommission entgegen der Behauptung der Klägerin die im angefochtenen Beschluss enthaltene Begründung vor dem Gericht weder ersetzt noch ergänzt. Das Vorbringen der Kommission ist daher zulässig. Zur Begründetheit dieses Vorbringens ist auf Folgendes hinzuweisen: Obwohl im Fall von Staatsbürgschaften der Haushalt des Staates insbesondere durch die Verringerung der von ihm selbst eingenommenen Prämien und somit durch eine unmittelbare Verringerung seiner Einnahmen belastet wird, genießt in einer Situation wie hier zum einen auch die Klägerin einen Vorteil aufgrund der niedrigeren Prämien, die sie für geringere Garantien, als sie sie hätte stellen müssen, zahlen muss, wodurch die normalen Wettbewerbsbedingungen geändert werden. Der Umstand, dass der Einnahmeverlust das Budget einer privaten Bank betrifft, hindert nicht daran, das Vorliegen eines Vorteils für die Klägerin festzustellen, der sich daraus ergibt, dass die von ihr zu stellenden Finanzgarantien auf ein niedrigeres Niveau als erforderlich festgesetzt worden waren. 71 Zum anderen ergibt sich aus den Erwägungen in den vorstehenden Rn. 61 bis 63, dass die Gefahr einer zusätzlichen Belastung des Staatshaushalts auch in einer Situation wie im vorliegenden Fall besteht, in der nach den einschlägigen Rechtsvorschriften Garantien zur Deckung der Umweltrisiken festgesetzt werden müssen, die allerdings bei einer privaten Bank gestellt werden, und in der eine Verpflichtung des Staates zum subsidiären Eingreifen im Hinblick auf die Deckung dieser Risiken besteht, da die Stellung einer zu niedrigen Garantie durch ein Bergbauunternehmen die Gefahr erhöht, dass der Staat eingreifen muss. Diese erhöhte Gefahr belastet den Staatshaushalt, wobei die Erhöhung dieses Risikos die unmittelbare Folge der Festsetzung des zu geringen Betrags der geschuldeten Garantien ist. 72 Die Festsetzung eines zu geringen Betrags der Garantien zur Deckung der Umweltrisiken, die hauptsächlich die Klägerin und subsidiär der Staat zu tragen hat, erhöht nämlich die Gefahr einer zusätzlichen Belastung für die beiden Träger der umweltschutzrechtlichen Pflichten. Diese Erhöhung der Gefahr ist eine konkrete zusätzliche Belastung der Budgets der beiden Träger, der Klägerin und subsidiär des Staates. 73 Drittens handelt es sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin bei der Ungewissheit oder dem Grad der Wahrscheinlichkeit einer Realisierung des Risikos für den Staat um keinen Umstand, der den Zusammenhang zwischen dem Vorteil für die Klägerin und der zusätzlichen Belastung für den Staatshaushalt zu einem rein hypothetischen machen könnte, sondern lediglich um ein wesentliches Merkmal des Begriffs „Risiko“. 74 Viertens macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, für den Staatshaushalt habe vor Erlass des angefochtenen Beschlusses kein wirtschaftliches Risiko bestanden, da die Finanzgarantien erst nach Einstellung der Bergbautätigkeiten in Anspruch genommen werden könnten und da sie während der Ausbeutung 2015 und 2016 geändert worden seien und ein angemessenes Niveau erreicht hätten. 75 Wie die Kommission jedoch zutreffend hervorhebt, beseitigt der Umstand, dass sich das Risiko nicht konkretisiert hat, nicht das durch die Maßnahme 1 verursachte zusätzliche Risiko, das zum Zeitpunkt der Stellung der Garantie zu beurteilen ist und das so lange andauerte, wie das Niveau dieser Garantie zu niedrig war. 76 Soweit sich die Klägerin auf die oben in Rn. 47 erwähnte SNIACE‑Entscheidung beruft, ist als Fünftes darauf hinzuweisen, dass zu den von der Kommission in jener Sache geprüften mutmaßlichen Beihilfemaßnahmen der Vorteil gehörte, der sich für SNIACE daraus ergeben haben sollte, dass die spanischen Behörden die umweltschutzrechtlichen Vorschriften über den Bau einer Abwasseraufbereitungsanlage und die Behebung von durch SNIACE verursachten Umweltschäden ihr gegenüber nicht durchgesetzt hatten. Laut Beschwerdeführerin seien in jener Sache die staatlichen Mittel wegen der staatlichen Tolerierung des Verstoßes dieses Unternehmens gegen das Umweltrecht involviert gewesen, denn der Staat habe für diese Schäden aufkommen müssen. 77 Nach Ansicht der Kommission unterscheiden sich die beiden Fälle insoweit, als in der Sache, in der die SNIACE‑Entscheidung ergangen sei, der Staat nur darauf verzichtet habe, von dem Unternehmen die Einhaltung seiner umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen zu verlangen, ohne selbst verpflichtet gewesen zu sein, die Anlage anstelle des Unternehmen zu bauen, während der Staat in der vorliegenden Rechtssache aufgrund des nationalen und des Unionsrechts verpflichtet gewesen sei, anstelle der Klägerin einzugreifen, falls diese ihre Verpflichtungen zur Sanierung ihrer Bergwerke nicht erfüllen sollte. 78 Selbst wenn mit der Klägerin davon ausgegangen würde, dass die Sache, in der die SNIACE‑Entscheidung ergangen ist, mit der vorliegenden Rechtssache insoweit vergleichbar ist, als sie ebenfalls das künftige und hypothetische Risiko betraf, dass der Staat für die Umweltschäden aufkommen musste, die sich daraus ergaben, dass die Unternehmen ihre Pflichten verletzt hatten, genügt die Feststellung, dass die Kommission nach gefestigter Rechtsprechung nicht an ihre frühere Praxis gebunden ist. 79 Es ist nämlich allein im Rahmen des Art. 107 AEUV zu prüfen, ob eine Entscheidung, mit der die Kommission feststellt, dass eine Maßnahme eine Beihilfe darstellt, rechtmäßig ist, und nicht im Hinblick auf eine angebliche frühere Praxis (vgl. in diesem Sinne zur Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt Urteil vom 21. Juli 2011, Freistaat Sachsen und Land Sachsen-Anhalt/Kommission, C‑459/10 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:515, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). 80 Nach alledem hat die Kommission beurteilungsfehlerfrei im 90. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es aufgrund des erhöhten Risikos für den Staat, seine Mittel in Zukunft ausgeben zu müssen, zu einer möglichen Auswirkung der Maßnahme 1 auf die staatlichen Mittel habe kommen können, und im 91. Erwägungsgrund dieses Beschlusses festgestellt, dass die Schaffung eines besonderen Risikos, das dem Staat künftig eine zusätzliche Belastung auferlege, nach der oben in Rn. 56 erwähnten Rechtsprechung ausreiche, um dem in Art. 107 Abs. 1 AEUV niedergelegten Begriff der staatlichen Beihilfe gerecht zu werden. 81 Somit ist der erste Klagegrund zurückzuweisen. Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Maßnahme 1 einen Vorteil verschafft habe, hilfsweise, soweit sie nicht nachgewiesen habe, dass die ursprünglichen Beträge der Finanzgarantien zu niedrig gewesen seien 82 Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe nicht positiv festgestellt, dass die Maßnahme 1 ihr einen selektiven Vorteil verschafft habe, da sie sich nur auf das vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) bestätigte Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) gestützt habe, und nicht eigenständig den angeblich korrekten Betrag der von der Klägerin bereitgestellten Garantien bestimmt habe. Eine nationale Gerichtsentscheidung sei für die Kommission aber nicht verbindlich; diese könne ihrer Verpflichtung, das Vorliegen eines Vorteils festzustellen, nicht unter Hinweis auf eine solche Entscheidung nachkommen. 83 Erst recht habe die Kommission ihre Prüfungspflichten hinsichtlich des Standorts Súria missachtet, zu dem keine nationale Gerichtsentscheidung ergangen sei, wobei die Kommission einfach die Schlussfolgerung der oben in Rn. 82 genannten nationalen Gerichte zu den unzureichenden Garantien für den Standort Sallent/Balsareny auf den Standort Súria übertragen und sich im 64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses auf die Aussage beschränkt habe, dass auch der Betrag der Garantie für diesen Standort als unzureichend anzusehen sei, weil er ebenfalls erhöht worden sei und kein weiterer Faktor die Differenz zwischen dem ursprünglich festgesetzten und dem 2015 geänderten Betrag erkläre. Die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, da die Aktualisierung dieses Betrags im Zuge der regelmäßigen Anpassung der Sanierungspläne erfolgt sei. 84 Zweitens habe die Kommission im 75. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dadurch einen Fehler begangen, dass sie sich zum einen zur Bekräftigung ihrer Schlussfolgerung auf Expertenstudien, insbesondere eine von Umweltgutachtern in Auftrag gegebene Studie vom August 2012 (im Folgenden: ERF‑Studie), gestützt habe, die die einschlägigen Rechtsvorschriften missachtet und auf unrealistischen Annahmen, auf inoffiziellen Informationen sowie auf einer zweifelhaften, wissenschaftlich und technisch ungenauen Methodik beruht hätten, und dass sie zum anderen den von der Klägerin vorgelegten Sachverständigenbericht (im Folgenden: Amphos-Expertise) außer Acht gelassen habe, mit dem nachgewiesen werde, dass die ERF‑Studie nicht zuverlässig sei. Es sei irrelevant, dass diese Expertise der Kommission im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegen habe, da die Klägerin in diesem Verfahren bereits die Zuverlässigkeit der ERF‑Studie in Zweifel gezogen habe und der Kommission Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, dass sie sich auf diese Studie nicht stützen könne. 85 Drittens habe die Kommission im 67. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht auf die Diskussionen im Parlament abgestellt, obwohl diese nach ihrer eigenen Ansicht vorsichtig zu behandeln seien. 86 Viertens habe die Kommission im 84. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses nicht dargetan, dass die Auslegung der Rechtsvorschriften über die Festsetzung der Garantiebeträge für Bergwerke in Bezug auf die Klägerin selektiv gewesen wäre. 87 Die Klägerin macht hilfsweise geltend, die Kommission habe für den Fall, dass das Gericht annehmen sollte, dass mit der Maßnahme 1 ein selektiver Vorteil verschafft worden sei, in den Erwägungsgründen 109 bis 122 des angefochtenen Beschlusses den Beihilfebetrag unter Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 festgestellt; dabei habe sie auf die ERF‑Studie verwiesen, obwohl die Amphos-Expertise die Unzuverlässigkeit dieser Studie belege, unter Hinweis auf das Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) erklärt, dass der in diesem Urteil genannte Betrag „korrekt“ sei, und eine spekulative Schätzung vorgenommen. Im Übrigen habe die Kommission nicht festgelegt, nach welcher Methode das Königreich Spanien den zurückzufordernden Beihilfebetrag berechnen solle. 88 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 89 Gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/21 verlangt die zuständige Behörde „[v]or der Aufnahme einer Tätigkeit zur Sammlung und Ablagerung von mineralischen Abfällen in einer Abfallentsorgungseinrichtung … eine finanzielle Sicherheitsleistung (z. B. in Form der Hinterlegung eines Betrags, wie etwa eines von dem Industriezweig finanzierten Garantiefonds auf Gegenseitigkeit) oder etwas Gleichwertiges nach von den Mitgliedstaaten festzulegenden Modalitäten“. 90 Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2006/21 bestimmt: „Die Berechnung der in Absatz 1 genannten Sicherheitsleistung beruht auf folgenden Faktoren: – den wahrscheinlichen Umweltauswirkungen der Abfallentsorgungseinrichtung, wobei insbesondere die Kategorie der Abfallentsorgungseinrichtung, die Beschaffenheit der Abfälle sowie die künftige Nutzung des sanierten Geländes zu berücksichtigen sind; – der Annahme, dass unabhängige und fachlich qualifizierte Dritte die notwendigen Sanierungsarbeiten bewerten und durchführen.“ 91 Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 sieht vor: „In Negativbeschlüssen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern … Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts verstoßen würde.“ 92 Die Frage, ob es sich bei einer Beihilfe um eine staatliche Beihilfe im Sinne des AEU-Vertrags handelt, ist nach gefestigter Rechtsprechung aufgrund objektiver Gegebenheiten zu beantworten, die zu dem Zeitpunkt zu beurteilen sind, zu dem die Kommission ihre Entscheidung trifft. Mithin richtet sich die Kontrolle des Unionsrichters auf die von der Kommission zu diesem Zeitpunkt vorgenommene Beurteilung der Lage (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2008, Kommission/Freistaat Sachsen, C‑334/07 P, EU:C:2008:709, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung). 93 Ferner ist nach der Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission bei deren Erlass verfügte (vgl. Urteil vom 20. März 2013, Rousse Industry/Kommission, T‑489/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:144, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es kann der Kommission auch nicht vorgeworfen werden, dass sie rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat, die ihr im Verwaltungsverfahren hätten vorgetragen werden können, aber nicht vorgetragen wurden; denn sie ist nicht verpflichtet, von Amts wegen und mutmaßend zu prüfen, welche Gesichtspunkte ihr hätten unterbreitet werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2012, Wam Industriale/Kommission, T‑303/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:505, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung). 94 Im vorliegenden Fall musste die Kommission, um festzustellen, dass die Festsetzung des Betrags der Finanzgarantien eine unter Art. 107 AEUV fallende Beihilfemaßnahme darstellte, den Nachweis erbringen, dass das Niveau dieser Garantien tatsächlich unangemessen und erheblich niedriger war, als es zur Deckung der Sanierungskosten für die von der Klägerin betriebenen Bergwerke erforderlich gewesen wäre. 95 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff der staatlichen Beihilfe, wie er im AEU-Vertrag definiert ist, ein Rechtsbegriff und anhand objektiver Kriterien auszulegen. Deshalb hat der Unionsrichter die Frage, ob eine Maßnahme in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fällt, grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits und des technischen oder komplexen Charakters der von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen umfassend zu prüfen (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 111 und die dort angeführte Rechtsprechung). 96 Der Unionsrichter darf jedoch im Rahmen dieser Kontrolle nicht die wirtschaftliche Beurteilung seitens der Kommission durch seine eigene ersetzen. Die Kontrolle, die die Unionsgerichte in Bezug auf die Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission ausüben, ist eine beschränkte Kontrolle, in deren Rahmen nur geprüft werden darf, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten wurden, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil vom 12. Oktober 2016, Land Hessen/Pollmeier Massivholz, C‑242/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:765, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). 97 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission als Ausgangspunkt für ihre Prüfung im 61. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erklärt hat, sie habe keine eigene Bewertung der korrekten Höhe der Finanzgarantien im Rahmen der Richtlinie 2006/21 vorgenommen, sondern ihre Bewertung auf die Prüfung der vorhandenen Beweise für die Unzulänglichkeit der Finanzgarantien beschränkt, denn es gebe eine Reihe von Beweisen dafür, dass der Betrag der von den Behörden in den Jahren 2006 und 2008 festgesetzten Finanzgarantien tatsächlich niedriger gewesen sei als in den geltenden Rechtsvorschriften gefordert. 98 Diese Vorgehensweise ist wegen des Beurteilungsspielraums gerechtfertigt, über den die Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Garantiebeträge verfügen, für die Art. 14 der Richtlinie 2006/21 nur Leitlinien oder Kriterien vorsieht, die von den Mitgliedstaaten bei der Berechnung dieser Garantien zu berücksichtigen sind. Die Kommission hätte somit den im vorliegenden Fall angemessenen Garantiebetrag nicht eigenständig festsetzen können, ohne die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu überschreiten. Daher kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen, die Kommission habe ihre Sorgfaltspflicht verletzt, weil sie den Garantiebetrag nicht autonom bestimmt habe, nicht durchdringen. 99 Als Zweites durfte die Kommission, da ihr Anhaltspunkte für die Festsetzung eines viel zu niedrigen Garantiebetrags vorgelegt worden waren, die fragliche nationale Maßnahme gemäß den Vorschriften über staatliche Beihilfen prüfen, und zwar, wie sich aus der oben in den Rn. 92 und 93 erwähnten Rechtsprechung ergibt, anhand der Informationen, die sie während des Verwaltungsverfahrens erhalten hatte. 100 Erstens hat die Kommission das Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) vom 11. Oktober 2011 berücksichtigt, in dem entschieden wurde, dass der Plan zur Sanierung des Standorts Sallent/Balsareny unvollständig und das Niveau der Garantie für diesen Plan unzureichend sei. 101 In diesem Zusammenhang kann die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht dartun, dass der Kommission deshalb ein Fehler unterlaufen wäre, weil sie dieses Urteil bei ihrer Beurteilung berücksichtigt hat. Wie die Kommission nämlich zutreffend bemerkt, war das mit der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts betraute nationale Gericht am ehesten in der Lage, zu beurteilen, ob der für das fragliche Bergwerk vorgesehene Sanierungsplan in Anbetracht der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ausreichend war. Die Kommission prüft dieses Urteil im angefochtenen Beschluss eingehend. Im 62. Erwägungsgrund dieses Beschlusses weist die Kommission darauf hin, dass die Höhe der Garantie nach Auffassung des nationalen Gerichts nicht den in Art. 8 Abs. 2 des katalanischen Gesetzes 12/1981 und des Dekrets 202/1994 festgelegten rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen entspreche und dass man auch ohne einen schlüssigen Beweis für die Bestimmung der korrekten Höhe zu dem Schluss kommen könne, dass der festgesetzte Betrag eindeutig unzureichend sei und nicht mit diesen Rechtsvorschriften übereinstimme, weshalb es die nationalen Behörden aufgefordert habe, eine neue Höhe der Finanzgarantien festzulegen. 102 Auch das nationale Gericht hat somit nicht bestimmt, welche Höhe der Garantien korrekt gewesen wäre. Es waren die zuständigen nationalen Behörden, die den Betrag der Garantien auf der Grundlage der Feststellungen dieses Gerichts geändert und neu festgesetzt haben. Im 62. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es nämlich, die für die Festsetzung des Betrags der Garantien zuständigen nationalen Behörden hätten sich auf das Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) vom 11. Oktober 2011 gestützt, um diese Beträge zu revidieren, was die Relevanz dieses Urteils im Rahmen der von der Kommission vorzunehmenden Beurteilung unterstreicht. Im Übrigen war dieses Urteil auch in der Berufung durch das Urteil des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) vom 9. Juli 2014 bestätigt worden. 103 Außerdem ist die Kommission zwar nicht an die Entscheidungen nationaler Gerichte gebunden (Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Lucchini, C‑119/05, EU:C:2006:576, Nr. 24); es steht ihr aber zweifellos frei, diese zu berücksichtigen, wenn sie der Auffassung sein sollte, dass sie für ihre Beurteilung relevant sind. 104 Jedenfalls hat sich die Kommission nicht darauf beschränkt, dem Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) vom 11. Oktober 2011 Folge zu leisten, sondern sie hat das Urteil im Rahmen eines Bündels ihr vorliegender Anhaltspunkte berücksichtigt, die darauf hindeuteten, dass die Beträge der von der Klägerin gestellten Finanzgarantien unzureichend waren. 105 Soweit die Klägerin der Kommission vorwirft, im 64. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Schlussfolgerungen des Urteils des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) zu Unrecht analog auf die Berechnung des Betrags der Finanzgarantie für den Standort Súria angewandt zu haben, obwohl dieses Urteil nur den Standort Sallent/Balsareny betreffe, hat die Klägerin, wie die Kommission insoweit ohne Widerspruch seitens der Klägerin betont, auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass der Betrag für diesen zweiten Standort nach anderen Berechnungskriterien festgesetzt werden müsste, als sie in dem erwähnten Urteil bestimmt worden waren. Da keine anderen Umstände vorliegen, derentwegen die Kommission an der Möglichkeit einer Anwendung dieser Kriterien auch für den Standort Súria hätte zweifeln können oder die etwa Unterschiede zwischen den für beide Abbaustätten erforderlichen Sanierungsplänen hätten erkennen lassen, kann die Klägerin die analoge Anwendung der im Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) angeführten Berechnungskriterien auf den Standort Súria nicht in Frage stellen. 106 Vor allem kann die Klägerin nicht mit ihrer gegen die Schlussfolgerung der Kommission gerichteten Kritik durchdringen, wonach die 2015 von den zuständigen Behörden vorgenommene Revision des Betrags der Garantie für den Standort Súria kein Indiz dafür sei, dass dieser Betrag ebenfalls zu niedrig festgesetzt worden sei, wie die Kommission angenommen habe, sondern eine normale regelmäßige Überprüfung dieses Betrags darstelle. Die Klägerin untermauert diese Behauptung nämlich weder durch eine Erklärung, nach welcher Methode die regelmäßige Überprüfung der Garantien durchgeführt werde, in welchen Zeitabständen diese Überprüfungen stattfänden oder dass die Revision von 2015 eine dieser regelmäßigen Überprüfungen gewesen sei, noch durch ein Beweismittel, das eine solche Behauptung belegen könnte. 107 Nach der oben in Rn. 93 erwähnten Rechtsprechung kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt hat, die ihr im Verwaltungsverfahren hätten vorgetragen werden können, aber nicht vorgetragen wurden, da sie nicht verpflichtet ist, von Amts wegen und mutmaßend zu prüfen, welche Gesichtspunkte ihr hätten unterbreitet werden können. 108 Zweitens hat die Kommission ausweislich des 66. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses andere Beweismittel in Betracht gezogen, die die Schlussfolgerung der nationalen Gerichte, dass die streitigen Finanzgarantien zu niedrig waren, bestätigten. Die Kommission hat insbesondere die offiziellen Protokolle aus der Anhörung vor dem Umweltausschuss des katalanischen Parlaments vom 2. Oktober 2013 geprüft, die eine Erklärung des Generaldirektors für Umwelt der Generalitat von Katalonien enthielten, wonach diese Garantien eindeutig unzureichend waren. 109 Die Klägerin beanstandet die Berücksichtigung dieser Diskussionen, da die Kommission selbst der Ansicht gewesen sei, dass sie vorsichtig zu behandeln seien. Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission, selbst wenn sie es nicht für angebracht hielt, diese Diskussionen für die Festsetzung des genauen Betrags der Garantien heranzuziehen, die oben in Rn. 108 erwähnte Erklärung berücksichtigen durfte, um die Schlussfolgerung, dass die Garantien zu niedrig waren, zu untermauern. 110 Drittens hat die Kommission eine vom Beschwerdeführer vorgelegte Studie von Umweltgutachtern vom August 2012 berücksichtigt, nämlich die ERF‑Studie, in der die damaligen Umweltauswirkungen der Abbaustätten im Gebiet von Bages (Spanien), wo sich die Standorte der Klägerin befinden, und die behördlichen Maßnahmen zur Eindämmung dieser Auswirkungen untersucht wurden. Diese Studie enthielt darüber hinaus Prognosen zu den künftigen Entwicklungen hinsichtlich der Gesamtmenge des auf den Abraumhalden anfallenden Materials, wobei sie zu dem Schluss kam, dass die Umweltauswirkungen dieser Abraumhalden signifikant seien und auch in Zukunft weiter zunähmen. In dieser Studie wurden auch die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten bei anderen Kalibergwerken und deren Kosten untersucht, mit dem Ergebnis, dass für die Standorte der Klägerin die Abdeckung der Abraumhalden als die geeignetste Methode angesehen wurde. 111 Die Klägerin beanstandet, dass diese Studie berücksichtigt wurde, und zieht deren Zuverlässigkeit, Vollständigkeit und wissenschaftliche Genauigkeit sowie die angewandte Analysemethode in Zweifel; sie legt erstmals vor dem Gericht eine andere, von ihr selbst in Auftrag gegebene Studie vor, nämlich die Amphos-Expertise, in der auf die Lücken der ERF‑Studie hingewiesen werde. 112 Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Klägerin zunächst aufgrund der oben in Rn. 92 erwähnten Rechtsprechung der Kommission nicht vorwerfen kann, die in der Amphos-Expertise bezeichneten Lücken der ERF‑Studie außer Acht gelassen zu haben, denn diese Expertise zählte nicht zu den Beweismitteln, die der Kommission vorlagen, als sie den angefochtenen Beschluss erließ. Im Übrigen ist mit der Kommission festzustellen, dass diese Expertise, wie ihr Titel besagt, nur die technische Überprüfung der ERF‑Studie zum Gegenstand hatte und keine anderen eigenständigen Inhalte aufwies. Schließlich wurde in der Amphos-Expertise kein Garantiebetrag vorgeschlagen, der von dem Betrag abgewichen wäre, den die Kommission unter Berücksichtigung der ERF‑Studie letztlich festgehalten hat. Die Klägerin hat folglich nicht dargetan, wie die angeblichen Fehler in der ERF‑Studie die Bestimmung des korrekten Betrags der streitigen Garantien hätten beeinträchtigen sollen. 113 Soweit die Klägerin behauptet, ihre Stellungnahme, in der sie die Lücken der ERF‑Studie hervorgehoben habe, habe der Kommission schon während des vorprozessualen Verfahrens vorgelegen, ist gemäß der oben in den Rn. 95 und 96 wiedergegebenen Rechtsprechung mit der Kommission festzustellen, dass die von Letzterer vorgenommene Beurteilung der der ERF‑Studie zugrunde liegenden Methode – die darin bestand, die verschiedenen Sanierungsmöglichkeiten und darunter die für die fraglichen Standorte geeignetste Möglichkeit zu ermitteln, um sodann die voraussichtlichen Kosten zu berechnen, die mit einer solchen Methode verbunden wären – keinen offensichtlichen Fehler aufweist. Wie die Kommission nämlich zutreffend ausführt, stellen sowohl der Königliche Erlass 975/2009, auf dem die ERF‑Studie beruhte, als auch das Dekret 202/1994, auf das diese Studie der Klägerin zufolge hätte gestützt werden müssen, alle beide einen Zusammenhang zwischen der Berechnung der Höhe der Garantien und den voraussichtlichen Sanierungskosten für die Abbaustätten her. Außerdem basiert die Berechnung der zu erwartenden Kosten in der ERF‑Studie auf der Analyse der Stückkosten der einzelnen Komponenten für die Abdeckung der Abraumhalde als Ergebnis einer Marktuntersuchung, die von Sachverständigen bei den relevanten Bau- und Versorgungsunternehmen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse dieser Berechnung wurden ferner mit den Gesamtkosten der verschiedenen Sanierungsoptionen verglichen, wie sie in einer anderen für die Generaldirektion (GD) „Umwelt“ der Kommission durchgeführten Studie geschätzt worden waren. Unter diesen Umständen kann die Klägerin der Kommission keinen Vorwurf daraus machen, dass sie im 75. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses die Ansicht vertrat, die ERF‑Studie sei zuverlässig und beruhe auf einer soliden Methodik und vernünftigen Annahmen, die eine angemessene Grundlage für die Schätzung der voraussichtlichen Sanierungskosten böten, zumal die Kommission die Ergebnisse dieser Studie auch mit den Ergebnissen für ähnliche Anlagen in anderen Teilen der Welt verglichen hat. 114 Es lässt sich somit nicht sagen, dass der 75. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweist. 115 Die Klägerin trägt viertens vor, die Kommission habe nicht dargetan, dass die Maßnahme selektiv sei, d. h., dass die nationalen Bestimmungen, aufgrund deren die Höhe der streitigen Garantien festgesetzt worden sei, ihr gegenüber selektiv ausgelegt worden seien. 116 Dazu genügt die Feststellung, dass die fragliche Maßnahme 1, wie es im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt, durch an die Klägerin gerichtete individuelle Entscheidungen zur Betriebserlaubnis gewährt worden war. Die Klägerin kann mithin nicht bestreiten, dass sie das einzige von dieser Maßnahme betroffene Unternehmen war. 117 Nach der Rechtsprechung unterscheidet sich das Erfordernis der Selektivität aber danach, ob die in Rede stehende Maßnahme als allgemeine Beihilferegelung oder als Einzelbeihilfe gewährt werden soll. Im letztgenannten Fall ermöglicht die Feststellung des wirtschaftlichen Vorteils grundsätzlich eine Annahme der Selektivität (Urteil vom 4. Juni 2015, Kommission/MOL, C‑15/14 P, EU:C:2015:362, Rn. 60; vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 26. Oktober 2016, Orange/Kommission, C‑211/15 P, EU:C:2016:798, Rn. 53 und 54). 118 Demnach hat die Kommission in den Erwägungsgründen 82 bis 85 des angefochtenen Beschlusses beurteilungsfehlerfrei festgestellt, dass die Maßnahme 1 der Klägerin einen selektiven Vorteil verschafft habe. 119 Zu dem Vorbringen, mit dem die Klägerin hilfsweise einen unter Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 begangenen Fehler bei der Berechnung des Beihilfebetrags rügt, ist fünftens festzustellen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang die meisten Kritikpunkte wiederholt, die sie im Rahmen dieses Klagegrundes bereits vorgebracht hat und die oben in den Rn. 100 bis 113 zurückgewiesen worden sind. 120 Insbesondere hat die Kommission festgestellt, dass der Betrag der Garantien, der von den nationalen Behörden aufgrund der Urteile des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) 2015 und 2016 revidiert worden war, im Hinblick auf die ERF‑Studie als angemessen angesehen werden könne. 121 Wie oben in den Rn. 99 bis 113 dargelegt, ist der Kommission aber weder ein offensichtlicher Beurteilungsfehler wegen der Berücksichtigung der ERF‑Studie noch ein Beurteilungsfehler wegen der Berufung auf die Urteile des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) unterlaufen. 122 Im Übrigen weist die Kommission, ohne dass die Klägerin insoweit widersprochen hätte, darauf hin, dass der für die Sanierungskosten festgelegte Betrag der niedrigste aller verfügbaren Schätzbeträge gewesen sei und dass dieser Betrag nach Art. 3 des Dekrets 202/1994, der eine 50%ige Kürzung bei Bergbauaktivitäten vorsehe, die nicht in Naturschutzgebieten von besonderem Interesse stattfänden, noch weiter herabgesetzt worden sei. 123 Nach alledem kann dem Hilfsvorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden, so dass der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen ist. Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit 124 Die Klägerin macht geltend, selbst wenn das Gericht annehmen sollte, dass die Maßnahme 1 eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe darstelle, müsse es den angefochtenen Beschluss insoweit für nichtig erklären, als mit ihm die Rückforderung dieser Beihilfe angeordnet werde. 125 Als Erstes beeinträchtige die Rückforderungsentscheidung nämlich das berechtigte Vertrauen der Klägerin auf die Rechtmäßigkeit der ursprünglich festgesetzten Beträge der Finanzgarantien. Obwohl die Rechtsprechung klargestellt habe, dass sich ein Unternehmen auf keinen Vertrauensschutz berufen könne, um die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe zu verhindern, lägen im vorliegenden Fall außergewöhnliche Umstände vor, die ein solches Vertrauen hätten begründen können. Die Klägerin habe erstens zu Recht darauf vertraut, dass sie angesichts der oben in Rn. 47 erwähnten früheren SNIACE‑Entscheidung der Kommission und eines gegen den spanischen Staat wegen Verletzung seiner Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/21 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens keine rechtswidrige Beihilfe erhalten habe. Dieses Vertragsverletzungsverfahren habe sich nicht auf die Höhe der in Art. 14 dieser Richtlinie vorgesehenen Finanzgarantien bezogen. Falls diese Umstände nach Ansicht des Gerichts für die Begründung eines solchen Vertrauens nicht ausreichen sollten, sei das Vertrauen der Klägerin dennoch schutzwürdig, da die Voraussetzungen, unter denen festgestellt werden könne, ob in einer Maßnahme eine anmeldepflichtige Beihilfe zu sehen sei, im vorliegenden Fall komplex und schwer anwendbar gewesen seien, was die Klägerin in eine Lage der Ungewissheit versetzt habe. 126 Zweitens habe die Klägerin wegen der oben in Rn. 125 erwähnten außergewöhnlichen Umstände als vernünftige und umsichtige Wirtschaftsteilnehmerin nicht vorhersehen können, dass die Kommission in der Festsetzung der Höhe der Finanzgarantien zur Deckung der mit den umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen verbundenen Kosten eine rechtswidrige Beihilfe sehen werde. Insbesondere bestehe die Neuartigkeit der vorliegenden Rechtssache nicht in der Frage, ob ein Vorteil gewährt worden sei, sondern in der Feststellung der Kommission, dass eine Übertragung staatlicher Mittel stattgefunden habe. Außerdem ergebe sich aus der früheren Entscheidungspraxis der Kommission, namentlich aus der Entscheidung 2006/621/EG vom 2. August 2014 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich zugunsten von France Télécom gewährt habe (ABl. 2006, L 257, S. 11), dass die Rückforderung einer rechtswidrigen staatlichen Beihilfe nicht angemessen sei, denn sie liefe dem berechtigen Vertrauen des Beihilfeempfängers zuwider. 127 Drittens habe der Vertrauensschutz im vorliegenden Fall Vorrang vor jedem öffentlichen Interesse an einer etwaigen Rückforderung. Die unzureichende Höhe der Garantien habe allenfalls unerhebliche Auswirkungen auf den Markt gehabt, so dass eine Rückforderung der Beihilfe hier nicht gerechtfertigt sei, um Wettbewerbsverzerrungen zu korrigieren. 128 Als Zweites verletze der angefochtene Beschluss auch den Grundsatz der Rechtssicherheit; die Schlussfolgerung, dass die Festsetzung der Finanzgarantien in einer für die Gewährleistung der Einhaltung der Umweltverpflichtungen unzureichenden Höhe eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, beruhe nämlich nicht auf einer hinreichend klaren und eindeutigen beihilferechtlichen Grundlage und verstoße zudem gegen Art. 16 der Verordnung 2015/1589. Die Klägerin beruft sich ferner auf die Entscheidung 2009/174/EG der Kommission vom 21. Oktober 2008 über die staatliche Beihilfe C 35/04 der Republik Ungarn zugunsten der Postabank és Takarékpénztár Rt./Erste Bank Hungary Nyrt (ABl. 2009, L 62, S. 14), in der die Kommission es vorgezogen habe, von einer Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfe abzusehen, da diese Rückforderung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen würde. 129 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 130 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die logische Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe deren Aufhebung durch Rückforderung, um die frühere Lage wiederherzustellen. Das Hauptziel der Rückerstattung einer rechtswidrig gezahlten staatlichen Beihilfe besteht nämlich darin, die Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen, die durch den mit einer solchen Beihilfe verbundenen Wettbewerbsvorteil verursacht wurde. Durch die Rückzahlung der Beihilfe verliert der Empfänger den Vorteil, den er auf dem Markt gegenüber seinen Mitbewerbern besaß, und die Lage vor der Zahlung der Beihilfe wird wiederhergestellt (Urteil vom 5. März 2019, Eesti Pagar, C‑349/17, EU:C:2019:172, Rn. 131). 131 Aus dieser Funktion der Rückzahlung ergibt sich auch, dass die Kommission im Allgemeinen, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausübt, wenn sie den Mitgliedstaat zur Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfen auffordert, da mit der Rückforderung nur die frühere Lage wiederhergestellt werden soll (Urteil vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑227/01 bis T‑229/01, T‑265/01, T‑266/01 und T‑270/01, EU:T:2009:315, Rn. 373). 132 Was die geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes betrifft, so kann sich nach ständiger Rechtsprechung auf diesen Grundsatz jeder berufen, bei dem ein Organ der Union aufgrund bestimmter Zusicherungen, die es ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat (vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, C‑194/09 P, EU:C:2011:497, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (vgl. Urteil vom 14. Februar 2006, TEA-CEGOS u. a./Kommission, T‑376/05 und T‑383/05, EU:T:2006:47, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung). 133 Aus diesem Grundsatz, der insbesondere im Bereich der Überwachung staatlicher Beihilfen nach Art. 16 der Verordnung 2015/1589 Anwendung findet, ergibt sich, dass sich der Beihilfeempfänger auf Vertrauensschutz berufen kann, sofern ihm hinreichend präzise Zusicherungen gegeben wurden, die aus einem aktiven Tun der Kommission herrühren und die Annahme erlauben, dass eine Maßnahme keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 30. November 2009, Frankreich und France Télécom/Kommission, T‑427/04 und T‑17/05, EU:T:2009:474, Rn. 261). 134 Im Übrigen ist die Anmeldepflicht einer der Grundbestandteile des mit dem AEU-Vertrag im Bereich der staatlichen Beihilfen eingerichteten Kontrollsystems. Im Rahmen dieses Systems sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zum einen bei der Kommission alle Maßnahmen anzumelden, mit denen eine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeführt oder umgestaltet werden soll, und zum anderen gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV solche Maßnahmen nicht durchzuführen, solange die Kommission keinen abschließenden Beschluss über sie erlassen hat. 135 Angesichts des zwingenden Charakters der Überwachung staatlicher Beihilfen durch die Kommission dürfen deshalb die von einer Beihilfe begünstigten Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde; ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer muss regelmäßig in der Lage sein, sich zu vergewissern, dass dieses Verfahren eingehalten wurde. Insbesondere kann der Empfänger einer Beihilfe, die ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission durchgeführt wurde, so dass sie gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig ist, zu diesem Zeitpunkt kein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit ihrer Gewährung haben (Urteile vom 11. November 2004, Demesa und Territorio Histórico de Álava/Kommission, C‑183/02 P und C‑187/02 P, EU:C:2004:701, Rn. 44 und 45, und vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 59). 136 Allerdings ist nach der Rechtsprechung nicht auszuschließen, dass sich der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe auf außergewöhnliche Umstände berufen kann, die bei ihm ein berechtigtes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Beihilfe begründen konnten, so dass er sich einer Rückforderung der Beihilfe widersetzen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2009, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, T‑30/01 bis T‑32/01 und T‑86/02 bis T‑88/02, EU:T:2009:314, Rn. 282 und die dort angeführte Rechtsprechung). 137 Ferner ist entschieden worden, dass es einem sorgfältigen Wirtschaftsteilnehmer regelmäßig möglich ist, sich zu vergewissern, ob das Anmeldeverfahren beachtet wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. September 1990, Kommission/Deutschland, C‑5/89, EU:C:1990:320, Rn. 14, und vom 14. Januar 1997, Spanien/Kommission, C‑169/95, EU:C:1997:10, Rn. 51). 138 Außerdem bedeutet der Grundsatz der Rechtssicherheit nach ständiger Rechtsprechung, dass Rechtsakte der Union eindeutig und ihre Anwendung für die Betroffenen vorhersehbar sein müssen (vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Alcoa Trasformazioni/Kommission, C‑194/09 P, EU:C:2011:497, Rn. 71 und die dort angeführte Rechtsprechung). 139 Was als Erstes die angebliche Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes anbelangt, so ergibt sich aus der oben in den Rn. 132 bis 136 angeführten Rechtsprechung, dass die Klägerin, um sich erfolgreich auf diesen Grundsatz berufen zu können, nachweisen muss, dass sie hinreichend präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Zusicherungen erhalten hat, die aus einem aktiven Tun der Kommission herrühren und die Annahme erlauben, dass eine Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstellt oder dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die bei der Klägerin ein berechtigtes Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dieser Beihilfe begründen konnten. 140 Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin im Wesentlichen zum einen auf die oben in Rn. 47 erwähnte SNIACE‑Entscheidung, da die Kommission in jener Sache angenommen habe, dass die Nichtdurchsetzung von Umweltschutzverpflichtungen durch den spanischen Staat mit keinem Transfer von Mitteln verbunden gewesen sei und daher keine staatliche Beihilfe dargestellt habe, und zum anderen auf das von der Kommission gegen den spanischen Staat wegen Missachtung der Verpflichtungen aus der Richtlinie 2006/21 und der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. 2000, L 327, S. 1) eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren, da dieses Verfahren nicht die Festsetzung der im Hinblick auf Art. 14 der Richtlinie 2006/21 zu niedrigen Finanzgarantien zum Gegenstand gehabt habe. Nichts habe somit vermuten lassen, dass die Kommission die Umsetzung dieser Richtlinie durch die spanischen Behörden als Gewährung eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ansehen würde. 141 Erstens kann ein Präzedenzfall aber keine präzisen, nicht an Bedingungen geknüpften und übereinstimmenden Zusicherungen enthalten, da er nicht auf die Analyse der konkreten Situation der Klägerin gerichtet war. 142 Jedenfalls ist in Bezug auf die frühere Praxis der Kommission oben in Rn. 79 bereits dargelegt worden, dass diese daran nicht gebunden ist, sondern ihre Würdigung allein aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des AEU-Vertrags und des Sekundärrechts vorzunehmen hat. 143 Infolgedessen kann die Klägerin die frühere Entscheidung in der Sache SNIACE weder unter dem Aspekt präziser, nicht an Bedingungen geknüpfter und übereinstimmender Zusicherungen noch als außergewöhnlichen Umstand geltend machen. 144 Was zweitens das gegen den spanischen Staat wegen Verstoßes gegen die Richtlinie 2006/21 und die Richtlinie 2000/60 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren anbelangt, so ist mit der Kommission festzustellen, dass der Umstand, dass Letztere keinen Verstoß gegen Art. 107 AEUV im Rahmen dieses Verfahrens – das einen anderen Gegenstand hatte, nämlich einen Verstoß gegen das Umweltrecht der Union – gerügt hat, kein berechtigtes Vertrauen der Klägerin darauf begründen konnte, dass die Kommission von der Prüfung anderer Aspekte absehen würde, die möglicherweise einen Verstoß gegen Art. 107 AEUV zur Folge hatten. 145 Daher kann die Tatsache, dass die Kommission im Rahmen des oben in Rn. 144 erwähnten Vertragsverletzungsverfahrens keinen Verstoß gegen die Vorschriften über staatliche Beihilfen wegen der vom Begünstigten der Maßnahme bereitgestellten unzureichenden Finanzgarantien gerügt hat, weder präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte oder übereinstimmende Zusicherungen noch einen außergewöhnlichen Umstand darstellen, derentwegen die Klägerin darauf hätte vertrauen können, dass die Maßnahme 1 rechtmäßig war. 146 Soweit die Klägerin drittens meint, im vorliegenden Fall habe der Vertrauensschutz wegen der geringen Höhe der Beihilfe Vorrang vor jedem öffentlichen Interesse an einer Rückforderung, genügt der Hinweis, dass zum einen die Kommission nach Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589 grundsätzlich verpflichtet ist, zu entscheiden, dass der Staat die Beihilfe zurückfordert, wenn sie deren Rechtswidrigkeit festgestellt hat, wobei diese Bestimmung keinen Schwellenwert vorsieht, unterhalb dessen der Kommission ein Ermessensspielraum hinsichtlich der Rückforderungsentscheidung zustünde. 147 Zum anderen muss die Beihilfe, wie oben in Rn. 130 festgestellt, zurückgefordert werden, damit die Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt wiederhergestellt werden. Da nicht vorgesehen ist, dass die geringe Höhe der Beihilfe eine Wettbewerbsverzerrung ausschlösse (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung), kann diese geringe Höhe auch nicht die Entscheidung rechtfertigen, von einer Rückforderung der Beihilfe abzusehen. 148 Das Vorbringen der Klägerin kann daher nicht durchgreifen. 149 Was als Zweites die angebliche Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit betrifft, so kann es aus denselben Gründen, wie oben in den Rn. 141 bis 145 und 147 dargelegt, nicht als für die Klägerin unvorhersehbar im Sinne der oben in Rn. 138 angeführten Rechtsprechung und somit nicht als Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit angesehen werden, dass die Entlastung der Klägerin infolge der zu niedrigen Festsetzung der Finanzgarantien als Beihilfe eingestuft wurde. 150 Soweit die Klägerin meint, die Neuartigkeit und Unvorhersehbarkeit der Einstufung durch die Kommission liege in der Feststellung, dass die Maßnahme 1 eine Übertragung staatlicher Mittel mit sich gebracht habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Schlussfolgerung, wonach die Maßnahme 1 wegen der Verpflichtung des spanischen Staates, bei der Erfüllung der Umweltverpflichtungen der Klägerin subsidiär einzugreifen, mit einer Erhöhung des Risikos für den Staatshaushalt verbunden war, für einen aufmerksamen und verständigen Wirtschaftsteilnehmer nicht unvorhersehbar war, obwohl die Entscheidungspraxis der Kommission keine identischen Präzedenzfälle aufwies. Die Maßnahme 1 führte nämlich zwangsläufig zu einer Erhöhung des Risikos des Staates, gemäß den der Klägerin bekannten einschlägigen Rechtsvorschriften eingreifen zu müssen, falls die Klägerin zahlungsunfähig werden sollte. 151 Soweit die Klägerin sich im Übrigen auf die frühere Entscheidung der Kommission in der oben in Rn. 128 erwähnten Sache Postabank beruft, in der die Kommission davon Abstand genommen hat, die Rückforderung der fraglichen Beihilfe anzuordnen, weil die Rückforderung den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen würde, ist dieses Vorbringen zum einen in entsprechender Anwendung der oben in Rn. 79 angeführten Rechtsprechung und zum anderen wegen der erheblichen faktischen Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und der Sache Postabank zurückzuweisen. Es genügt nämlich, mit der Kommission festzustellen, dass diese letztere Sache durch den ganz besonderen Kontext des Beitritts Ungarns zur Union und die bei den Wirtschaftsteilnehmern herrschende Ungewissheit hinsichtlich der damit verbundenen Verpflichtungen gekennzeichnet war. Dagegen war sich die Klägerin im vorliegenden Fall seit dem Urteil des Tribunal Superior de Justicia de Cataluña (Oberstes Gericht von Katalonien) vom 11. Oktober 2011 dessen bewusst, dass die bereitgestellten Finanzgarantien für eine angemessene Sanierung ihrer Abbaustätten nicht ausreichten. 152 Nach alledem ist der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen. Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit die Kommission festgestellt habe, dass die Maßnahme 4 einen selektiven Vorteil verschaffe 153 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns zu den Umweltverpflichtungen der Klägerin gehört habe und dass diese die von den spanischen Behörden übernommenen Kosten hätte tragen müssen, wenn die Abraumhalde von den Behörden nicht abgedeckt worden wäre; dabei kritisiert sie im Wesentlichen den 138. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses. Die Kommission hätte dartun müssen, dass die finanzielle Situation der Klägerin aufgrund der Maßnahme 4 besser geworden sei als ohne diese Maßnahme. Eine solche Analyse hätte auf der Grundlage einer Bewertung des genauen Umfangs und Ausmaßes der gesetzlichen Verpflichtungen der Klägerin und der hierfür erforderlichen Kosten vorgenommen werden müssen. Die Klägerin sei nach Art. 121 des spanischen Berggesetzes nur verpflichtet gewesen, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Sie habe solche Maßnahmen ergriffen. Da die Entscheidung der spanischen Behörden, die Abraumhalde von Vilafruns abzudecken, viel höhere Kosten verursacht habe, als die Klägerin in ihrem Sanierungsplan veranschlagt habe, befinde diese sich in einer Situation, die ungünstiger (und nicht günstiger) für sie sei, als sie es ohne die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns gewesen wäre. Sie habe daher keinerlei Vorteil erhalten. 154 Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Finanzierung der Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns tatsächlich die Finanzlage der Klägerin verbessert oder eine Belastung verringert habe, die sie normalerweise zu tragen habe. Außerdem seien die Gruben der Abraumhalde von Vilafruns nicht mehr in Betrieb gewesen, so dass bei dieser Halde weder Abfälle noch zusätzliche Verschmutzungsrisiken entstanden seien. Ferner habe die Kommission keinen Beleg für ihre Behauptung beigebracht, wonach die Klägerin Gefahr laufe, für ein Bergwerk zivil- und strafrechtlich zu haften, das im Gegensatz zu ihren anderen Bergwerken außer Betrieb sei. Die Gerichtsentscheidungen, auf die im 138. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses verwiesen werde, seien daher irrelevant, um irgendein Haftungsrisiko in Bezug auf die Gruben von Vilafruns darzutun, so dass dieses Risiko rein hypothetisch bleibe. Im Übrigen sei der Umstand, dass die Abdeckung von Abraumhalden in anderen Mitgliedstaaten üblich sei, völlig irrelevant, um nachzuweisen, dass die Klägerin über die in ihrem Sanierungsplan von 2008 vorgesehenen Aktionen hinaus zusätzliche Maßnahmen hätte ergreifen müssen. 155 Die Kommission habe zudem nicht ihre Behauptung erhärtet, wonach der verstärkte Schutz wegen des geringeren Risikos einer Verschmutzung und einer Haftung für etwaige Umweltschäden auf jeden Fall der Klägerin zugutegekommen sei. Sie habe auch nicht ihre Schlussfolgerung im 159. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses bekräftigt, wonach die von der Klägerin im Rahmen ihres Sanierungsplans vorgesehenen Maßnahmen keinen angemessenen Umweltschutz gewährleistet hätten. Überdies habe die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns den wirtschaftlichen Wert dieser Halde verringert, da ein an ihrem Erwerb eventuell interessierter Wirtschaftsteilnehmer das dort vorhandene Salz nicht hätte ausbeuten können. Infolgedessen habe die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen, dass die Maßnahme 4 der Klägerin einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe. 156 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 157 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff der „Beihilfe“ nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen verringern, die ein Unternehmen sonst zu tragen hätte, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. Urteil vom 20. September 2017, Kommission/Frucona Košice, C‑300/16 P, EU:C:2017:706, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung). Als Beihilfen gelten somit staatliche Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen oder die als ein wirtschaftlicher Vorteil anzusehen sind, den das begünstigte Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteile vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00, EU:C:2003:415, Rn. 84, und vom 8. September 2011, Kommission/Niederlande, C‑279/08 P, EU:C:2011:551, Rn. 87). 158 Bei dieser Prüfung der eventuellen Gewährung eines Vorteils muss die Kommission also ermitteln, ob die Klägerin mittelbar oder unmittelbar begünstigt worden ist oder einen Vorteil erhalten hat, den sie unter normalen Marktbedingungen nicht hätte erhalten können. 159 Im vorliegenden Fall hat die Kommission im 138. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, ungeachtet des Umfangs der Auflagen der Klägerin für Vilafruns sei es nicht hinnehmbar, dass die öffentlichen Investitionen in Höhe von 7,9 Mio. Euro in einen wesentlich besseren Umweltschutz, der im Prinzip der Sanierung des Bergwerksgeländes ohne Investitionskosten für die Klägerin entspreche, dieser keinen wirtschaftlichen Vorteil gebracht haben sollten. 160 Die Kommission hat weiter festgestellt, dass die alternativen Maßnahmen ohne Beihilfen die Klägerin nicht so gut und dauerhaft geschützt, sondern den Risiken ausgesetzt hätten, die Folgen der Verschmutzung tragen zu müssen; der Bau der aus öffentlichen Mitteln bezahlten Anlage habe es der Klägerin daher ermöglicht, die Umweltverschmutzung besser zu verhindern, die Umweltrisiken für die Zukunft zu verringern und eine dauerhafte Sanierung der Halde vorzusehen. 161 Die Klägerin wendet dagegen im Wesentlichen ein, dass es eine eigenständige Entscheidung der öffentlichen Hand gewesen sei, die Abraumhalde von Vilafruns abzudecken, die über ihre eigenen Umweltverpflichtungen hinausgegangen sei und die sie nicht hätte treffen müssen, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie daraus einen Vorteil gezogen habe. 162 Es ist als Erstes jedoch unstreitig, dass die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns eine wirksame und dauerhafte Schutzmaßnahme gegen Verschmutzung war. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie diesen Befund nicht bestreite, und lediglich erklärt, die in ihrem Plan von 2008 vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen hätten einen ebenso wirksamen Schutz gewährleistet. Sie hat somit auch nicht behauptet, dass die Maßnahme zur Abdeckung der Abraumhalde unverhältnismäßig gewesen wäre. 163 Der Umstand, dass die Abdeckung der Abraumhalde eine wirksame, dauerhafte und nicht unverhältnismäßige Maßnahme zur Bekämpfung der Verschmutzung darstellte, bedeutet als Zweites an sich, dass diese Maßnahme zur Lösung des Verschmutzungsproblems beigetragen hat, dessen Folgen die Klägerin hätte tragen müssen. Unabhängig von den spezifischen Verpflichtungen und namentlich den technisch ausreichenden oder angemesseneren Maßnahmen zur Gewährleistung einer Sanierung des Standorts Vilafruns ist festzustellen, dass die Klägerin nach den in den Erwägungsgründen 131 bis 136 des angefochtenen Beschlusses erwähnten Bestimmungen der einschlägigen nationalen und unionsrechtlichen Regelung sowie des Vertrags, aufgrund dessen sie die Anlage erworben hatte, allgemein dazu verpflichtet war, die etwaigen negativen Folgen der Verschmutzung sowie der Ausbeutung dieser Anlage ständig zu beheben. 164 Infolgedessen ist im Rahmen der Prüfung, ob die Maßnahme 4 der Klägerin einen Vorteil verschafft hat, deren Vorbringen irrelevant, mit dem sie geltend macht, sie sei nicht verpflichtet gewesen, die Abraumhalde abzudecken oder kostspieligere Sanierungsmaßnahmen als die in ihrem Sanierungsplan von 2008 vorgesehenen bloßen Eindämmungsmaßnahmen zu ergreifen, die wegen der Stilllegung des Standorts Vilafruns ausgereicht hätten, um ihren gesetzlichen Umweltverpflichtungen nachzukommen; die Abdeckung der Abraumhalde stellte nämlich eine wirksame und dauerhafte Maßnahme dar, derentwegen die Klägerin für einen sehr langen Zeitraum keine weiteren Umweltschutzmaßnahmen mehr zu ergreifen brauchte. 165 Als Drittes stellt die von der öffentlichen Hand beschlossene und vollständig finanzierte staatliche Maßnahme in Form einer Investition von 7,9 Mio. Euro zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns eine positive Leistung wie eine Subvention dar, die zwangsläufig einen Vorteil für die Klägerin mit sich brachte, die dank der Abdeckung der Halde für einen sehr langen Zeitraum keine weitere Umweltschutzmaßnahme wird ergreifen müssen. Im Übrigen müsste die Klägerin – selbst wenn mit den im Sanierungsplan von 2008 vorgesehenen Eindämmungsmaßnahmen, wie sie geltend macht, kurzfristig eine Kontrolle der Leckagen aus der Halde hätte sichergestellt werden können – dennoch für den Fall, dass sie mittel- oder langfristig weitere rigorosere Maßnahmen zu treffen hätte, künftig die Kosten für diese Maßnahmen tragen. Die Maßnahme 4 hat die Klägerin somit unbestreitbar dadurch begünstigt, dass die mit dem Standort Vilafruns verbundenen Umweltrisiken für die Zukunft verringert wurden. 166 Soweit die Klägerin der Kommission vorwirft, diese künftigen Risiken nicht dargetan zu haben, ist zum einen festzustellen, dass die Bedeutung dieser Risiken für die Kommission nicht absehbar oder quantifizierbar war. Im 158. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission anerkannt, dass es keine spezifischen Vorschriften der Union gebe, die das Niveau der Umweltverträglichkeit der Abraumhalde von Vilafruns festlegten. Zum anderen hat sich die Kommission aus diesem Grund auf zwei nationale Gerichtsentscheidungen gestützt, in denen die zivil- wie auch strafrechtliche Haftung der Klägerin für Umweltschäden bei anderen Bergwerken anerkannt worden war, und zwar für Leckagen aus Abbaustätten, bei denen nur „leichte“ Maßnahmen ergriffen worden waren, um daraus zu schließen, dass es derartige künftige Risiken tatsächlich auch beim Standort Vilafruns geben könne. Die Kommission hat ferner angenommen, dass auch in anderen Ländern Abraumhalden abgedeckt worden seien, um die anhaltenden Probleme im Zusammenhang mit Leckagen aus Kalibergwerken zu lösen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin durfte die Kommission diese Informationen berücksichtigen, um festzustellen, ob wahrscheinlich auch bei der Abraumhalde von Vilafruns künftige Risiken bestanden, obwohl sie diese nicht genau quantifizieren konnte. 167 Selbst wenn die Kommission die künftigen Risiken im angefochtenen Beschluss nicht dargetan haben sollte, hat sie ausweislich dessen Erwägungsgründen 159 und 162 als Viertes jedenfalls anerkannt, dass sich die Klägerin hinsichtlich der Einhaltung ihrer umweltschutzrechtlichen Verpflichtungen völlig gesetzeskonform verhalten und der Staat mit der Maßnahme 4 ein höheres Umweltschutzniveau festgelegt habe, als es bei Erlass des angefochtenen Beschlusses verlangt worden sei. Denn diese Maßnahme war Teil eines Pilotprojekts, mit dem die Eignung der Methode einer Abdeckung von Abraumhalden für die Bewältigung der Umweltprobleme in der Region Llobregat (Spanien) überprüft werden sollte und das somit dem Interesse der Allgemeinheit diente. 168 Der Staat darf erstens ein höheres Umweltschutzniveau als das erforderliche Minimum anwenden und erst recht Maßnahmen ergreifen, die zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht notwendig sind, in der Zukunft aber zur Erreichung eines im allgemeinen öffentlichen Interesse liegenden Ziels notwendig werden könnten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Klägerin als Unternehmerin und Eigentümerin einer der von der staatlichen Maßnahme betroffenen Abbaustätte davon befreit wäre, die damit verbundenen Kosten zu tragen. 169 Denn die Mitgliedstaaten dürfen, worauf in Rn. 9 der Leitlinien von 2008 hingewiesen wird, höhere Anforderungen an den Umweltschutz stellen als die Union, um die negativen externen Effekte der Wirtschaftstätigkeiten, die die Umwelt infolge der durch sie verursachten Umweltverschmutzung schädigen können, so weit wie möglich zu reduzieren. 170 Nach dem Verursacherprinzip, auf das sich die Rn. 7 und 8 der Leitlinien von 2008 beziehen, lassen sich diese negativen externen Effekte dadurch in den Griff bekommen, dass dafür gesorgt wird, dass der Verursacher für die von ihm zu verantwortende Umweltschädigung aufkommt, was eine vollständige Internalisierung der Umweltkosten durch den Verursacher impliziert, wodurch sichergestellt werden soll, dass die (vom Unternehmen zu tragenden) Kosten die tatsächlichen Kosten widerspiegeln, die der Gesellschaft durch die Wirtschaftstätigkeit entstehen. Das Verursacherprinzip lässt sich entweder über die Festlegung verbindlicher Umweltnormen oder mittels marktbasierter Instrumente umsetzen. Zu diesen Instrumenten kann auch die Vergabe staatlicher Beihilfen an alle oder einige der davon betroffenen Unternehmen gehören. Nach Rn. 10 der Leitlinien von 2008 können die Mitgliedstaaten gerade auf staatliche Beihilfen zurückgreifen, um individuelle Anreize für ein Übertreffen der unionsrechtlichen Umweltschutznormen oder für eine Verringerung der Umweltbelastung, falls es an derartigen Normen fehlt, zu schaffen. 171 Zweitens ist der Eigentümer eines stillgelegten Bergwerks nach der einschlägigen nationalen Regelung, insbesondere nach Art. 121 des spanischen Berggesetzes, verpflichtet, den von den Bergbaubehörden gebilligten Sanierungsplänen Folge zu leisten. Es ist davon auszugehen, dass die zuständigen Behörden im vorliegenden Fall die Maßnahme zur Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns gebilligt haben. 172 Dazu ist festzustellen, dass die Kommission berücksichtigte, dass der spanische Staat für einen stärkeren Umweltschutz optiert hatte; daraus zog sie bei ihrer Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt insoweit die Konsequenzen, als sie entschied, dass gemäß den Leitlinien von 2008 nur der Betrag von 3985109,70 Euro von dem Unternehmen zurückzufordern sei und nicht die gesamte staatliche Investition in Höhe von 7887571 Euro. 173 Soweit die Klägerin geltend macht, die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns habe ihre wirtschaftliche Situation eher verschlechtert, denn die Halde habe ihren wirtschaftlichen Wert verloren, weil sie aufgrund dieser Maßnahme nicht mehr zur Salzgewinnung und ‑veräußerung habe ausgebeutet werden können, genügt als Fünftes die Feststellung, dass die Klägerin weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen hat, wie hoch die ihr angeblich entgangenen Einnahmen waren und ob diese eventuellen Einnahmen gegen die Kosten der Sanierung hätten aufgewogen werden müssen, die sie während der Ausbeutung hätte bewerkstelligen müssen. 174 Jedenfalls kann die angebliche Wertminderung der Abraumhalde von Vilafruns nichts an der Feststellung ändern, dass ein Vorteil vorlag, es sei denn, diese Wertminderung wäre wirtschaftlich bedeutender gewesen als der durch die dauerhafte Sanierung der Halde verschaffte Vorteil, was die Klägerin aber in keiner Weise dargetan hat. 175 Der vierte Klagegrund ist somit zurückzuweisen. Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 der Verordnung 2015/1589, da die Kommission den Betrag der aus der Maßnahme 4 resultierenden etwaigen Beihilfe nicht korrekt bestimmt habe 176 Für den Fall, dass das Gericht die Maßnahme 4 als Beihilfe qualifizieren sollte, macht die Klägerin geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen Art. 16 der Verordnung 2015/1589, da in ihm die Höhe dieser angeblichen staatlichen Beihilfe nicht richtig bestimmt worden sei. Die Kommission habe nämlich zu Unrecht die von der öffentlichen Hand für die Abdeckung der Abraumhalde verauslagten Investitionskosten zuzüglich der aus dieser Investition resultierenden Betriebsgewinne und abzüglich der dem Begünstigten aufgrund der Investition entstandenen Wartungs- und Betriebskosten zugrunde gelegt. Die Kommission hätte aber höchstens den Betrag berücksichtigen dürfen, der sich aus dem wirtschaftlichen Vorteil in Höhe der Summen ergeben hätte, die die Klägerin für die ihr im Rahmen ihres Plans von 2008 obliegenden Sanierungsmaßnahmen hätte ausgeben müssen, soweit diese Summen die mit der Maßnahme 4 verbundenen Wartungs- und Betriebskosten überstiegen hätten. Dieser Betrag belaufe sich auf Null, weshalb die Kommission das Vorliegen eines Vorteils hätte verneinen müssen. Durch die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns seien der Klägerin, wie bereits erwähnt, vielmehr Einnahmen verloren gegangen und Opportunitätskosten verursacht worden, da das Salzvorkommen in dieser Halde nicht mehr habe ausgebeutet werden können. 177 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. 178 Der vorliegende Klagegrund steht in engem Zusammenhang mit dem vierten Klagegrund und wird diesem gegenüber hilfsweise vorgebracht. 179 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie oben in Rn. 172 erwähnt, berücksichtigt hat, dass die Maßnahme 4 von den Behörden zur Verbesserung des Umweltschutzes beschlossen worden war, um ein Schutzniveau zu erreichen, das über das unionsrechtlich gebotene Niveau und somit über die bei Erlass des angefochtenen Beschlusses bestehenden Erfordernisse hinausging, was die Kommission im 162. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses im Kern selbst anerkennt. 180 In Anbetracht dessen war die Kommission im 157. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zunächst der Ansicht, sie könne Abschnitt 3.1.1 der Leitlinien von 2008 anwenden, wonach Investitionsbeihilfen, die es Unternehmen ermöglichten, über die Normen der Union für den Umweltschutz hinauszugehen oder das Umweltschutzniveau zu erhöhen, wenn es keine derartigen Normen gebe, als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden könnten. 181 Sodann berücksichtigte die Kommission nach Rn. 80 der Leitlinien von 2008, um die Höhe der beihilfefähigen Kosten zu bestimmen, in den Erwägungsgründen 161 und 162 des angefochtenen Beschlusses die zusätzlichen Investitionskosten, die notwendig gewesen wären, um ein höheres Umweltschutzniveau zu erreichen, als es von dem Unternehmen ohne Beihilfe erreicht worden wäre (d. h. die Differenz zwischen dem Betrag der staatlichen Investition und den für die Eindämmungsmaßnahmen laut Sanierungsplan von 2008 vorgesehenen Kosten). Im 165. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zog sie von diesem Betrag die Betriebsgewinne ab, die sich für einen stillgelegten Standort wie Vilafruns auf Null beliefen, und rechnete die Betriebskosten für die ersten fünf Jahre hinzu. Nach Ansicht der Kommission beliefen sich die beihilfefähigen Gesamtkosten danach auf 7804922,60 Euro. 182 Schließlich stellte die Kommission nach Maßgabe der zulässigen Obergrenze für Großunternehmen in den Erwägungsgründen 171 und 172 des angefochtenen Beschlusses fest, dass 50 % der beihilfefähigen Kosten, d. h. 3902461,30 Euro, für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden könnten, was den Betrag der zurückzufordernden Beihilfe auf 3985109,70 Euro begrenze. 183 Die Kommission ordnete somit an, dass die in der Maßnahme 4 bestehende Beihilfe von der Klägerin nur in Höhe von 3985109,70 Euro zurückzufordern sei. 184 Als Erstes wirft die Klägerin der Kommission vor, die Höhe der in der Maßnahme 4 bestehenden Beihilfe falsch berechnet zu haben, da sie als Ausgangspunkt für diese Berechnung nicht ihren Sanierungsplan von 2008, sondern die Investition des spanischen Staates in Höhe von 7,9 Mio. Euro genommen habe. 185 In den vorstehenden Rn. 162 bis 171 wurde jedoch festgestellt, dass die Abdeckung der Abraumhalde von Vilafruns eine positive Leistung sowie eine wirksame, dauerhafte und nicht unverhältnismäßige Maßnahme darstellte, um den Leckagen und den von dieser Halde ausgehenden Verschmutzungsrisiken zu begegnen, für die die Klägerin aufgrund einer ihr obliegenden allgemeinen Pflicht zur Sanierung der Halde auf jeden Fall hätte einstehen müssen, wodurch ihr folglich ein mittel- oder langfristiger Vorteil verschafft wurde, und dass der Staat den Bergbauunternehmen ein höheres Umweltschutzniveau vorschreiben durfte; die Kommission hat daher im 165. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Recht auf den Betrag der vom Staat getätigten Investition als Ausgangspunkt für die Berechnung der Höhe der Beihilfe abgestellt. 186 Soweit die Klägerin der Kommission als Zweites vorwirft, die Verluste und Kosten außer Acht gelassen zu haben, die ihr deshalb entstanden seien, weil das Salzvorkommen nicht mehr habe ausgebeutet werden können, ist festzustellen, dass diese unbewiesene bloße Behauptung nicht durchgreifen kann. Aus dem 137. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass das Königreich Spanien während des Verwaltungsverfahrens auf die Opportunitätskosten verwiesen hatte, die bei der Klägerin angefallen seien, weil sie das Salzvorkommen nicht mehr habe ausbeuten können. Aus diesen Erklärungen ergibt sich jedoch nicht, dass derartige Verluste im Verwaltungsverfahren quantifiziert oder belegt worden wären. Da es an solchen Belegen fehlt, sind die behaupteten Kosten und Verluste mithin als hypothetisch anzusehen. 187 Folglich brauchte die Kommission solche hypothetischen Verluste bei der Berechnung der Höhe der Beihilfe nicht zu berücksichtigen, denn nach der Rechtsprechung bedeutet die Rückforderung der Beihilfe die Rückgabe des Vorteils, den sie ihrem Begünstigten verschafft hat, und nicht die Herausgabe des von diesem durch die Ausnutzung dieses Vorteils möglicherweise erzielten wirtschaftlichen Gewinns (Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Aer Lingus und Ryanair Designated Activity, C‑164/15 P und C‑165/15 P, EU:C:2016:990, Rn. 100). 188 Demnach ist auch der fünfte Klagegrund zurückzuweisen und somit die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Kosten 189 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Iberpotash, SA trägt die Kosten. Buttigieg Berke Costeira Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. Januar 2020. Unterschriften (*1) Verfahrenssprache: Englisch.
Urteil des Gerichts (Erste Kammer) vom 3. Mai 2018.#Sigma Orionis SA gegen Europäische Kommission.#Schiedsklausel – Siebtes Rahmenprogramm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) und Rahmenprogramm für Forschung und Innovation ‚Horizont 2020‘ – Einstellung der Zahlungen und Auflösung der Finanzhilfeverträge infolge einer Finanzprüfung – Antrag auf Zahlung der von der Kommission im Rahmen der Durchführung von Finanzhilfeverträgen geschuldeten Beträge – Außervertragliche Haftung.#Rechtssache T-48/16.
62016TJ0048
ECLI:EU:T:2018:245
2018-05-03T00:00:00
Gericht
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
62016TJ0048 URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer) 3. Mai 2018 (*1) „Schiedsklausel – Siebtes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft (2007–2013) und Rahmenprogramm für Forschung und Innovation ‚Horizont 2020‘ – Aussetzung der Zahlungen und Kündigung der Finanzhilfevereinbarungen infolge einer Finanzprüfung – Antrag auf Zahlung der von der Kommission im Rahmen der Ausführung der Finanzhilfevereinbarungen geschuldeten Beträge – Außervertragliche Haftung“ In der Rechtssache T‑48/16 Sigma Orionis SA mit Sitz in Valbonne (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Orlandi und T. Martin, Klägerin, gegen Europäische Kommission, vertreten durch F. Dintilhac und M. Siekierzyńska als Bevollmächtigte, Beklagte, wegen eines auf Art. 272 AEUV gestützten Antrags auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung von Beträgen, die aufgrund von im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007–2013) und des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 geschlossenen Verträgen geschuldet werden, und eines auf Art. 268 AEUV gestützten Antrags auf Ersatz des Schadens, der der Klägerin dadurch entstanden sein soll, dass die Kommission die ihr obliegenden Pflichten verletzt habe, erlässt DAS GERICHT (Erste Kammer) unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Svenningsen, Kanzler: M. Marescaux, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2017 folgendes Urteil Sachverhalt 1 Die Klägerin, die Sigma Orionis SA, ist eine Gesellschaft französischen Rechts, die in der Verbreitung von Ergebnissen europäischer Projekte im Bereich der Informationstechnologien und der Information über diese Ergebnisse tätig ist. 2 Sie hat mit der Europäischen Kommission 36 Finanzhilfevereinbarungen im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007–2013) (im Folgenden: RP7), verabschiedet mit dem Beschluss Nr. 1982/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 über das RP7 (ABl. 2006, L 412, S. 1), geschlossen. 3 Des Weiteren haben die Parteien im Rahmen des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 (im Folgenden: H2020), aufgestellt durch die Verordnung (EU) Nr. 1291/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über das H2020 und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 1982/2006 (ABl. 2013, L 347, S. 104) acht Finanzhilfevereinbarungen geschlossen. Vom OLAF durchgeführte Untersuchung 4 Am 24. Januar 2014 leitete das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gegen die Klägerin eine Untersuchung wegen angeblicher Manipulationen von Arbeitszeitbögen und überhöhter Lohnabrechnungen im Rahmen der unter das RP7 fallenden Projekte ein. 5 Diese Untersuchung erfolgte aufgrund von Art. 3 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 883/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. September 2013 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (Euratom) Nr. 1074/1999 des Rates (ABl. 2013, L 248, S. 1). 6 Am 14. April 2014 wurde der Klägerin vom OLAF die Eröffnung der Untersuchung gegen sie mitgeteilt. In diesem Zusammenhang wurde von ihr eine Reihe von Dokumenten verlangt. Im Übrigen wurden Aussagen früherer Angestellter der Klägerin eingeholt. 7 Diese Elemente haben das OLAF dazu bewogen, eine Vor-Ort-Kontrolle auf der Grundlage von Art. 5 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten (ABl. 1996, L 292, S. 2) durchzuführen. 8 Mit Schreiben vom 14. November 2014 informierte das OLAF die Staatsanwaltschaft Grasse (Frankreich) über seine Absicht, Kontrollen und Überprüfungen am Sitz der Klägerin durchzuführen. Zugleich ersuchte das OLAF um jegliche erforderliche Unterstützung der französischen Behörden, einschließlich des Erlasses vorsorglicher Maßnahmen im Rahmen des nationalen Rechts zur Beweissicherung. 9 Vom 2. bis 5. Dezember 2014 führte das OLAF derartige Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch. Die Ermittler trugen Dokumente und Informationen zusammen. Im Beisein des Anwalts der Klägerin hörten sie zwei betroffene Personen und fünf Zeugen an. 10 Am 28. April 2015 gab das OLAF den beiden betroffenen Personen die Möglichkeit, zu den sie betreffenden Umständen Stellung zu nehmen. 11 Anschließend übermittelte das OLAF den Dienststellen der Kommission seinen Abschlussbericht, in dem es dieser empfahl, 1545759 Euro zurückzufordern sowie die Verhängung verwaltungsrechtlicher und finanzieller Sanktionen gemäß Art. 109 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates (ABl. 2012, L 298, S. 1) in Betracht zu ziehen. Intervention der Kommission 12 Mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 unterrichtete die Kommission die Klägerin von ihrer Absicht, eine verwaltungsrechtliche Sanktion in Form eines Ausschlusses der Klägerin von der Beteiligung an Verfahren zur Vergabe von Aufträgen oder zur Gewährung von Finanzhilfen der Europäischen Union während fünf Jahren, die Zahlungen im Zusammenhang mit 15 unter das RP7 fallenden Projekten und fünf im Rahmen des H2020 vergebenen Projekten auszusetzen, ihre Beteiligung an zwölf unter das RP7 fallenden Projekten und an sämtlichen im Rahmen des H2020 vergebenen Projekten einzustellen sowie ihre Beteiligung an der Vorbereitung von sechs Finanzhilfevereinbarungen im Rahmen des H2020 zu beenden. 13 Mit demselben Schreiben wurde die Klägerin aufgefordert, zu den in Aussicht genommenen Maßnahmen Stellung zu nehmen. 14 In ihrem Antwortschreiben vom 28. Oktober 2015 erhob die Klägerin Einwendungen gegen den Bericht des OLAF. Sie trug vor, das OLAF habe keinen Beweis für das Vorliegen einer betrügerischen Handlung vorgelegt. Außerdem seien die Schlussfolgerungen des OLAF falsch und unverhältnismäßig. 15 Im Anschluss an diesen Schriftwechsel teilte die Kommission der Klägerin die Kündigung ihrer Beteiligung an drei Gruppen von Vereinbarungen sowie, für einige dieser Vereinbarungen, die Aussetzung der Zahlungen mit. 16 Die erste Gruppe umfasst zwei im Rahmen des RP7 geschlossene Finanzhilfevereinbarungen mit den Nrn. 612451 – CRe-AM bzw. 610947 – RAPP. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 entschied die Kommission, die laufenden und künftigen Zahlungen auszusetzen sowie die Beteiligung der Klägerin an diesen beiden Vereinbarungen aufzukündigen. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2015 legte die Klägerin Beschwerde beim Redress‑II-Ausschuss ein, einem innerhalb der Kommission gebildeten Beschwerdeausschuss, der in Abschnitt 5.3 des Anhangs zum Beschluss 2011/161/EU, Euratom der Kommission vom 28. Februar 2011 zur Änderung des Kommissionsbeschlusses K(2008) 4617 über die Regeln für das Verfahren zur Einreichung von Vorschlägen für indirekte Maßnahmen und die damit verbundenen Verfahren zur Bewertung, Auswahl und Gewährung von Finanzhilfen auf der Grundlage des RP7 und des Siebten Rahmenprogramms der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) für Forschungs- und Ausbildungsmaßnahmen im Nuklearbereich (2007–2011) (ABl. 2011, L 75, S. 1) vorgesehen ist. Am 29. Januar 2016 wies der Redress‑II‑Ausschuss diese Beschwerde zurück. Seiner Ansicht nach waren die Verfahren der Aussetzung, der Vorabinformation und der Kündigung der Beteiligung unter Einhaltung der geltenden Grundsätze und Vorschriften durchgeführt worden. Mit Schreiben vom 2. Februar 2016 bestätigte die Kommission im Anschluss an die Zurückweisung der Beschwerde durch den Redress‑II‑Ausschuss ihre Entscheidung, die Beteiligung der Klägerin an diesen beiden Vereinbarungen zu kündigen. 17 Die zweite Gruppe von Vereinbarungen betrifft die ebenfalls im Rahmen des RP7 geschlossenen Vereinbarungen mit den Nrn. 609154 – Performer und 314671 – Resilient. Die Aussetzung der Zahlungen und die Kündigung der Beteiligung der Klägerin betreffend diese Vereinbarungen wurden am 26. bzw. am 28. Januar 2016 mitgeteilt. 18 Die dritte Gruppe betrifft das H2020-Projekt, und in diesem Rahmen die Vereinbarung mit der Nr. 645775 – Dragon Star Plus. Am 27. Januar 2016 teilte die Kommission dem Projektkoordinator mit, dass die Beteiligung der Klägerin gekündigt worden sei. Nationale Verfahren 19 Nach Übersendung seines Berichts an die Kommission übermittelte das OLAF ihn an die französischen Behörden und empfahl ihnen, wegen der festgestellten Verhaltensweisen auf nationaler Ebene ein Strafverfahren auf der Grundlage des französischen Rechts einzuleiten, soweit diese Verhaltensweisen hierunter fielen. 20 Im Anschluss an diese Mitteilung beantragte der Procureur de la République de Grasse (Staatsanwaltschaft Grasse, Frankreich) am 10. April 2015 die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen Unbekannt wegen des Vorwurfs, zwischen dem 14. November 2011 und dem 10. April 2015 Betrugsdelikte zum Nachteil der Union begangen zu haben. Am 15. Oktober 2015 wurde gegen die Klägerin, ihren Geschäftsführer und zwei ihrer leitenden Angestellten Anklage wegen Betrugs erhoben. 21 Die Chambre de l’instruction de la cour d’appel d’Aix-en-Provence (Untersuchungskammer des Berufungsgerichts Aix-en-Provence, Frankreich) (im Folgenden: Untersuchungskammer), die mit der Sache befasst worden war, erließ am 17. Dezember 2015 ein Urteil, in dem sie die von den französischen Behörden im Rahmen des in Frankreich eingeleiteten Strafverfahrens gegen die Klägerin, ihren Geschäftsführer und die beiden genannten leitenden Angestellten verwendeten Dokumente für ungültig erklärte. Ihrer Ansicht nach waren diese Dokumente unter Verstoß gegen verschiedene, dem Schutz der Verteidigungsrechte dienende Verfahrensgarantien erlangt worden. Zu diesen für ungültig erklärten Dokumenten gehörte auch der vom OLAF an die französischen Behörden übermittelte Abschlussbericht. 22 Mit Entscheidung vom 19. Februar 2016 eröffnete das Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse, Frankreich) ein Insolvenzverfahren gegen die Klägerin und bestellte einen Insolvenzverwalter. 23 Am 27. April 2016 eröffnete dieses Gericht das Liquidationsverfahren für die Klägerin. 24 Am 4. Mai 2016 meldete die Kommission die von der Klägerin ihrer Ansicht nach für die Gesamtheit der gekündigten Finanzhilfevereinbarungen geschuldeten Beträge als Insolvenzforderungen an. Die Klägerin bestritt diese Forderungen in Höhe von insgesamt 2639815,40 Euro. 25 Am 8. September 2017 wies das Tribunal de grande instance Grasse (Handelsgericht Grasse) mit zwei Beschlüssen die von der Kommission zu den Passiva der Klägerin angemeldeten Forderungen unter Berufung auf den Umstand zurück, dass die Untersuchung des OLAF, aufgrund deren die Kommission der Ansicht gewesen sei, dass bestimmte Leistungen nicht der Klägerin hätten vergütet werden dürfen, Gegenstand einer „Nichtigerklärung“ im Urteil der Untersuchungskammer vom 17. Dezember 2015 gewesen seien. Verfahren und Anträge der Parteien 26 Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2016 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. 27 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. 28 Mit Schreiben vom 30. September 2016, der Kanzlei des Gerichts übermittelt am 3. Oktober 2016, hat der vom Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse) bestellte Konkursverwalter dem Anwalt der Klägerin die Teilnahme am Verfahren vor dem Gericht erlaubt. 29 Mit Beschluss vom 25. August 2017, Sigma Orionis/Kommission (T‑48/16 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:585), hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten. 30 Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen. 31 In der Sitzung vom 27. Juni 2017 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. 32 Am 27. Juni 2017 ist das mündliche Verfahren geschlossen worden. 33 Mit Beschluss vom 25. Oktober 2017 hat das Gericht gemäß Art. 113 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens angeordnet. 34 Mit Entscheidung vom 25. Oktober 2017 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts entschieden, die beiden in Rn. 25 genannten Beschlüsse des Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse) vom 8. September 2017 sowie eine Anlage zu den Akten zu nehmen; diese Dokumente waren von der Klägerin mit Schreiben vom 22. September 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden. 35 Das Gericht hat den Parteien gemäß Art. 85 Abs. 4 der Verfahrensordnung Gelegenheit gegeben, zu diesen Unterlagen Stellung zu nehmen, was diese innerhalb der gesetzten Frist getan haben. 36 Mit Beschluss vom 17. November 2017 hat das Gericht das mündliche Verfahren erneut geschlossen, und die Rechtssache ist zur Beratung gestellt worden. 37 Die Klägerin beantragt, – festzustellen, dass die Europäische Kommission ihre vertraglichen Verpflichtungen aus den Finanzhilfevereinbarungen im Rahmen des RP7 und des H2020 verletzt hat, indem sie auf der Grundlage eines rechtswidrig erstellten Untersuchungsberichts des OLAF alle der Klägerin geschuldeten Zahlungen eingestellt hat; – festzustellen, dass die Europäische Kommission ihre vertraglichen Verpflichtungen aus den Finanzhilfevereinbarungen im Rahmen des RP7 und des H2020 verletzt hat, indem sie diese auf der Grundlage dieses Berichts gekündigt hat; – dementsprechend die Kommission zu verurteilen, die der Klägerin nach den Vereinbarungen im Rahmen des RP7 geschuldeten, rechtswidrig ausgesetzten Beträge zu zahlen, d. h. 607404,49 Euro zuzüglich Verzugszinsen nach Art. II.5.5 der Vereinbarung ab Fälligkeit der geschuldeten Beträge zu dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatz zuzüglich 3,5 Prozentpunkte; – dementsprechend die Kommission zu verurteilen, die der Klägerin nach den Vereinbarungen im Rahmen des H2020 geschuldeten, rechtswidrig ausgesetzten Beträge zu zahlen, d. h. 226688,68 Euro zuzüglich Verzugszinsen nach Art. II.21.11.1 der Vereinbarung ab Fälligkeit der geschuldeten Beträge zu dem von der Europäischen Zentralbank (EZB) für ihre Hauptrefinanzierungsgeschäfte festgesetzten Zinssatz zuzüglich 3,5 Prozentpunkte; – dementsprechend die Kommission zur Zahlung von außervertraglichem Schadensersatz zu verurteilen, der auf 1500000 Euro beziffert wird; – dementsprechend der Kommission die Kosten aufzuerlegen; – hilfsweise, die Benennung eines Sachverständigen anzuordnen, um die Beträge festzulegen, die der Klägerin aus diesen Vereinbarungen unstreitig zustehen. 38 Die Kommission beantragt, – die Klage als unzulässig oder jedenfalls unbegründet abzuweisen; – der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Rechtliche Würdigung Zur Klage wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen 39 Zur Stützung ihrer ersten vier Klageanträge sowie ihres siebten Klageantrags macht die Klägerin geltend, die Kommission habe die Einstellung der Zahlungen und die Kündigung der fraglichen Vereinbarungen (im Folgenden: streitige Maßnahmen) unter Verstoß gegen die vertraglichen Bestimmungen vorgenommen. Zur Zuständigkeit des Gerichts 40 Vorab ist zu prüfen, ob das Gericht für die Entscheidung über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit zuständig ist. 41 Insofern ist – wie von der Klägerin vorgetragen, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte – festzustellen, dass das Gericht nach Art. 272 AEUV in Verbindung mit Art. 256 AEUV für Entscheidungen im ersten Rechtszug aufgrund einer Schiedsklausel zuständig ist, die in einem von der Union oder für ihre Rechnung abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrag enthalten ist. 42 Im vorliegenden Fall findet sich eine solche Klausel in Art. 9 der im Rahmen des RP7 unterzeichneten Vereinbarungen und in Art. 57 der im Rahmen des H2020 geschlossenen Vereinbarungen. 43 Auf dieser Grundlage ist im Einklang mit den Parteien davon auszugehen, dass die Zuständigkeit des Gerichts für die von der Klägerin erhobene Forderung im Zusammenhang mit der Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen der Kommission gegeben ist. Zum anwendbaren Recht 44 Die Klägerin hat das Gericht auf der Grundlage von Art. 272 AEUV unter Berufung auf die Schiedsklauseln angerufen, die in den im Rahmen des RP7 und des H2020 geschlossenen Vereinbarungen enthalten sind; Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist somit nicht die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung der Kommission und des Verwaltungsverfahrens, das zu dieser Entscheidung geführt hat, sondern die Lösung eines vertraglichen Rechtsstreits zwischen zwei Vertragsparteien, bei der das für diese Vereinbarungen geltende Recht zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2016, Kommission/Thales développement et coopération, T‑326/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:403, Rn. 73). 45 Nach Art. 9 der im Rahmen des RP7 geschlossenen Vereinbarungen finden der Reihe nach die vertraglichen Vereinbarungen, die von der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union erlassenen Rechtsakte betreffend das Forschungsprogramm, auf das die Vereinbarungen gestützt sind, die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union, die anderen Vorschriften der Gemeinschaft und der Europäischen Union sowie subsidiär das Recht Belgiens Anwendung. Im Kern ist der gleiche Grundsatz in Art. 57 der im Rahmen des H2020 geschlossenen Vereinbarungen vorgesehen, wonach die Vereinbarungen dem geltenden Unionsrecht und subsidiär dem belgischen Recht unterliegen. Aus diesen Bestimmungen folgt, dass – sofern die Anwendung der Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union außer Streit steht – im vorliegenden Rechtsstreit die einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bzw. des Unionsrechts sowie, subsidiär, des belgischen Rechts anzuwenden sind. Zur Zulässigkeit – Zum Rechtsschutzinteresse 46 Die Kommission trägt vor, bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift sei von ihr nur eine Finanzhilfevereinbarung zwischen ihr und der Klägerin gekündigt worden. 47 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin, wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, nachweisen muss, dass sie zum Zeitpunkt der Klageerhebung über ein bestehendes und gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse verfügt, damit ihr Antrag in der Sache geprüft werden kann (Urteil vom 26. Februar 2015, Planet/Kommission, C‑564/13 P, EU:C:2015:124, Rn. 31). 48 Die Kommission erhebt keine förmliche Einrede der Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin, doch hindert dies das Gericht nicht daran, diese Frage von Amts wegen zu prüfen und gegebenenfalls die Klage für unzulässig zu erklären, da das fehlende Rechtsschutzinteresse einen zwingenden Unzulässigkeitsgrund darstellt (vgl. Beschluss vom 4. Dezember 2014, Talanton/Kommission, T‑165/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1027, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). 49 In ihren Schriftsätzen addiert die Klägerin die Beträge, die ihr angeblich im Rahmen von 22 mit der Kommission im Rahmen des RP7 und des H2020 geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen zustehen. 50 Bei Klageerhebung war die Beteiligung der Klägerin an einer der Vereinbarungen im Rahmen des H2020 und an vier anderen im Rahmen des RP7 gekündigt worden. Die im Rahmen des H2020 gekündigte Vereinbarung trug die Nr. 645775 – Dragon Star Plus. Die im Rahmen des RP7 gekündigten Vereinbarungen trugen die Nrn. 610947 – RAPP, 612451 – Cre‑AM, 609154 – Performer und 314671 – Resilient. 51 Bezüglich dieser fünf Vereinbarungen hatte die Kommission somit zum Zeitpunkt der Klageerhebung einen Beschluss erlassen, aus dem sich ergibt, dass die Klägerin zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Klage erhob, über das von der Rechtsprechung verlangte Rechtsschutzinteresse verfügte. 52 Etwas anderes gilt für die 17 weiteren im Rahmen des RP7 und des H2020 geschlossenen Vereinbarungen, bezüglich deren die Kommission zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch keinen Beschluss erlassen hatte. Was diese Vereinbarungen angeht, bestand zum Zeitpunkt der Klageerhebung kein Rechtsschutzinteresse, so dass die Klage insoweit gemäß der oben in Rn. 47 angeführten Rechtsprechung für unzulässig zu erklären ist. – Zu der auf fehlende Klarheit und Genauigkeit der Klageschrift gestützten Unzulässigkeitseinrede 53 Nach Ansicht der Kommission entspricht die Klageschrift nicht den Anforderungen an Klarheit und Genauigkeit gemäß Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung, weil die Klägerin ihre Argumentation auf die Nichteinhaltung nicht angeführter nationaler Bestimmungen stütze. 54 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klageschrift nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung den Streitgegenstand nennen und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss; die Angaben müssen klar und genau sein, um dem Beklagten die Vorbereitung seines Vorbringens und dem Unionsrichter die Ausübung seiner Kontrolle zu ermöglichen (Urteil des Gerichts vom 15. September 2016, European Dynamics Luxembourg und Evropaïki Dynamiki/EIT, T‑481/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:498, Rn. 460). 55 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der von der Klägerin eingereichten Klageschrift, dass Gegenstand des Rechtsstreits die Rechtmäßigkeit der von der Kommission getroffenen streitigen Maßnahmen ist. Die von der Klägerin vorgetragenen Klagegründe sind darauf gestützt, dass die Kommission ihre vertraglichen Verpflichtungen dadurch verletzt habe, dass die streitigen Maßnahmen die Rechtskraft des von der Untersuchungskammer erlassenen Urteils nicht beachteten (erster Klagegrund), dass der OLAF‑Bericht, auf den sich die Kommission beim Erlass dieser Maßnahmen gestützt habe, anhand von Beweisen erstellt worden sei, die unter Verstoß gegen das nationale Recht (zweiter Klagegrund) und gegen die unionsrechtlichen Grundrechte (dritter Klagegrund) erlangt worden seien, dass die Kommission Vereinbarungen nach dem H2020 nicht aufgrund von Kontrollen und Überprüfungen habe einstellen und kündigen dürfen, die im Rahmen von Vereinbarungen nach dem RP7 durchgeführt worden seien (vierter Klagegrund), und dass die Kommission mit dem Erlass der streitigen Maßnahmen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe (fünfter Klagegrund). 56 Ferner ist festzustellen, dass die Kommission ausweislich ihres Vorbringens in der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung offensichtlich in der Lage war, die gegen sie von der Klägerin erhobenen Vorwürfe zu verstehen. 57 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die in der Verfahrensordnung vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind, so dass die von der Kommission erhobene Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen ist. Zum ersten und zum zweiten Klageantrag 58 Die ersten beiden Anträge der Klägerin, welche die Einstellung der Zahlungen aufgrund der Finanzhilfevereinbarungen nach dem RP7 und dem H2020 bzw. die Kündigung dieser Vereinbarungen betreffen, sind gemeinsam zu behandeln. 59 Die Klägerin stützt diese Anträge auf fünf Gründe. Erstens könne der OLAF‑Bericht nicht als Stütze für die streitigen Maßnahmen herangezogen werden, da er von der Untersuchungskammer aufgehoben worden sei. Zweitens verstießen die streitigen Maßnahmen gegen die fraglichen Vereinbarungen, da sie auf einen Bericht gestützt seien, der anhand von Beweisen erstellt worden sei, die unter Verstoß gegen das nationale Recht erlangt worden seien. Drittens verstießen diese Maßnahmen auch gegen diese Vereinbarungen, da die Beweise unter Verstoß gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union erlangt worden seien. Viertens könne die Kommission sich zur Aussetzung und Kündigung von Vereinbarungen nach dem H2020 nicht – wie sie dies getan habe – auf Kontrollen und Überprüfungen stützen, die im Rahmen von Vereinbarungen nach dem RP7 durchgeführt worden seien. Fünftens habe die Kommission gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. – Zum ersten Klagegrund: Nichtbeachtung der Rechtskraft des von der Untersuchungskammer erlassenen Urteils 60 Nach Ansicht der Klägerin konnten die streitigen Maßnahmen nicht auf den vom OLAF erstellten Abschlussbericht gestützt werden, da dieser von der Untersuchungskammer aufgehoben worden sei. 61 Gegenüber diesem Vorbringen verweist die Kommission darauf, dass der vom OLAF erstellte Bericht, der die von ihr zu treffenden Beschlüsse vorbereite, nicht als anfechtbar angesehen werden könne. Unterstellt, dass er dies sei, habe er nicht von einem nationalen Gericht für nichtig erklärt werden können, da die Zuständigkeit für die Nichtigerklärung der von Unionsinstanzen erlassenen Rechtsakte ausschließlich den Gerichten zustehe, die Teil dieser Rechtsordnung seien. 62 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung nur die Unionsgerichte zur Feststellung der Ungültigkeit eines Rechtsakts der Union zuständig sind (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung). 63 Unter diesen Umständen ist der OLAF‑Bericht – unabhängig von dem Befund der Untersuchungskammer in ihrem Urteil – in der Rechtsordnung der Union nach wie vor gültig, solange er nicht vom Unionsrichter für ungültig erklärt wurde. 64 Wie dem Urteil der Untersuchungskammer zu entnehmen ist, ging diese davon aus, dass „die gesamte Voruntersuchung, einschließlich der Untersuchung des OLAF und seiner nachfolgenden Maßnahmen … für ungültig erklärt werden müss[t]en, mit Ausnahme der anfänglichen Befassung der Staatsanwaltschaft Grasse, des Ermittlungsersuchens, mit dem die Gendarmerie mit einer Untersuchung beauftragt wurde, und der Anträge im Rahmen der von der Staatsanwaltschaft durchgeführten Ermittlungen“. 65 Wie die Kommission ausführt, bedeutet die in diesem Urteil enthaltene Schlussfolgerung jedoch nicht, dass der vom OLAF erstellte Bericht in der Rechtsordnung der Union für ungültig erklärt worden wäre, sondern lediglich, dass es diesem Gericht zufolge „weder erforderlich noch gerechtfertigt [war], dass eine vom OLAF unter Art. 6 … EUV und dem Einführungsartikel des Code de procédure pénale [Strafprozessordnung] – dem zufolge das Gleichgewicht der Rechte der Beteiligten gewahrt werden muss – zuwiderlaufenden Bedingungen durchgeführte Untersuchung, auch nur als bloße Information in einem Strafverfahren über die Art und Weise der Berechnung der für die Durchführung von Ausschreibungen betreffend von der Europäischen Kommission finanzierte Programme, vorliegt, ohne dass der Inhalt der durchgeführten Arbeit in diesem Stadium des Verfahrens von dem betreffenden Amt in Frage gestellt wird“. 66 Unter diesen Umständen ist es – auch wenn der OLAF‑Bericht gemäß dem Urteil der Untersuchungskammer im Rahmen eines in Frankreich gegen die Führungskräfte der Klägerin eingeleiteten Strafverfahrens nicht benutzt werden konnte – gleichwohl so, dass die Kommission sich im Rahmen eines unionsrechtlichen Verwaltungsverfahrens, das vertragsrechtlichen Bestimmungen unterlag, auf diesen OLAF‑Bericht stützen konnte, um die streitigen Maßnahmen zu erlassen, solange dieser Bericht nicht vom Unionsrichter für ungültig erklärt war. 67 Die Klägerin beruft sich auf das Urteil vom 30. September 2009, Sison/Rat (T‑341/07, EU:T:2009:372, Rn. 116), um darzutun, dass die Kommission in jedem Fall das Urteil der Untersuchungskammer berücksichtigen musste. 68 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass das Urteil vom 30. September 2009, Sison/Rat (T‑341/07, EU:T:2009:372), die Durchführung einer Regelung betrifft, in der die Erwägungen des Unionsorgans auf Entscheidungen nationaler Stellen – insbesondere innerstaatlicher Gerichte – gestützt werden müssen. Die Situation ist anders in der vorliegenden Rechtssache, in der keine Vorschrift von der Kommission verlangt, sich auf eine von einer nationalen Stelle zu treffende Entscheidung zu stützen – sei diese auch ein Gericht. Jedenfalls hat das Gericht erster Instanz im Urteil vom 30. September 2009, Sison/Rat (T‑341/07, EU:T:2009:372), den nationalen Gerichten keine Zuständigkeit eingeräumt, die es ihnen erlauben würde, die Ungültigkeit von Rechtsakten der Union festzustellen, und die Unionsorgane zwingen würde, unter Berücksichtigung einer solchen Ungültigkeit zu entscheiden. 69 Diesen Erwägungen stehen nicht die Beschlüsse des Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse) vom 8. September 2017 entgegen, die dem Gericht von der Klägerin mitgeteilt wurden, zu deren Prüfung das mündliche Verfahren, wie oben in den Rn. 33 bis 35 angeführt, wieder eröffnet wurde und denen zufolge die Forderungen der Kommission nicht zugelassen werden können, da sie auf die von der Untersuchungskammer für „nichtig“ erklärte Untersuchung des OLAF gestützt sind. 70 Das vor dem Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse) geführte Verfahren kann nämlich keine Auswirkung auf die vorliegende Klage haben, da diese dadurch, dass sie die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit den fraglichen Vereinbarungen und den durch diese zur Anwendung gebrachten Regeln betrifft, in die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts nach Art. 272 AEUV in Verbindung mit der in diesen Vereinbarungen enthaltenen Schiedsklausel fällt. 71 Im Übrigen verfolgen die beiden Verfahren unterschiedliche Zwecke, da die erste Klage die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahmen mit diesen Vereinbarungen und Regeln betrifft, während es in dem vor dem Tribunal de commerce de Grasse (Handelsgericht Grasse) geführten Verfahren den Erklärungen der Klägerin zufolge um die Feststellung ging, ob die etwaigen der Kommission zustehenden Forderungen im Rahmen der Liquidation des Unternehmens berücksichtigt werden konnten. 72 Aufgrund all dessen ist der erste Klagegrund zurückzuweisen. – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das französische Recht 73 Die Klägerin macht geltend, das OLAF müsse das nationale Recht wahren, wenn es Kontrollen und Überprüfungen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vornehme, und zwar aufgrund der für diese Einrichtung geltenden Verordnungen, nämlich der Verordnung Nr. 883/2013 und der Verordnung Nr. 2185/96. 74 Die Klägerin stützt ihr Vorbringen auf: – Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2013, in dem es heißt: „Während der Kontrollen und Überprüfungen vor Ort handeln die Bediensteten des [OLAF] – vorbehaltlich des anwendbaren Unionsrechts – im Einklang mit den Vorschriften und Gepflogenheiten des betroffenen Mitgliedstaats …“; – Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2185/96, dem zufolge sich die Kontrolleure des OLAF vorbehaltlich des Unionsrechts an die im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Verfahrensvorschriften zu halten haben; – Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2013, in dem es heißt: „Bei der Erstellung [der] Berichte und Empfehlungen [des OLAF] werden die nationalen Rechtsvorschriften des betroffenen Mitgliedstaats berücksichtigt.“ 75 Im vorliegenden Fall sei gegen das nationale Recht in dreifacher Hinsicht verstoßen worden: – Vor der Aufnahme seiner Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Klägerin hätte das OLAF eine Ermächtigung eines nationalen Gerichts einholen müssen; – während dieser Tätigkeit hätten seine Kontrolleure von nationalen Beamten der Kriminalpolizei begleitet werden müssen; – sie hätten die Klägerin über deren Recht informieren müssen, sich den Kontrollen und Überprüfungen vor Ort zu widersetzen. 76 Zur Beantwortung dieses Vorbringens ist darauf hinzuweisen, dass, wie oben in den Rn. 62 bis 66 ausgeführt, der OLAF‑Bericht in der Rechtsordnung der Union weiterhin gültig ist, solange er nicht vom Unionsrichter für ungültig erklärt wurde, unbeschadet der Entscheidungen, die von den nationalen Behörden oder Gerichten in Bezug auf die etwaige Verwendung eines solchen Berichts in den Verfahren nach nationalem Recht getroffen werden können. 77 Aus der dritten von der Klägerin geltend gemachten Vorschrift, nämlich Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2013, ergibt sich, dass die vom OLAF erstellten Berichte in den nationalen Verfahren verwendet werden können, soweit sie im Einklang mit den Regeln und Verfahren des nationalen Rechts erstellt wurden. Ist das nationale Recht – wie die Klägerin vorträgt – nicht eingehalten worden, hat dies zur Folge, dass der vom OLAF erstellte Bericht in den nationalen Verfahren nicht verwendet werden kann, ohne dass dies die Kommission daran hindern kann, ihre Entscheidungen auf dieses Dokument zu stützen. 78 Wie sich aus den anderen von der Klägerin angeführten Vorschriften, nämlich Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2013 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 2185/96, ergibt, werden die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vom OLAF im Einklang mit den Vorschriften und Gepflogenheiten des betroffenen Mitgliedstaats durchgeführt, vorbehaltlich des anwendbaren Unionsrechts. 79 Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die vom OLAF durchgeführten Untersuchungen und Überprüfungen in einem Rahmen stattfinden, der durch die Anwendung des nationalen Rechts gekennzeichnet ist, Letzteres aber in jedem Fall zugunsten des Unionsrechts zurücktreten muss, wenn die Verordnung Nr. 883/2013 oder die Verordnung Nr. 2185/96 dies vorsehen. 80 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, was den ersten Punkt angeht, in dem ein Verstoß gegen das französische Recht vorliegen soll, die Verordnungen Nr. 883/2013 und Nr. 2185/96 nicht die Einhaltung nationaler Anforderungen verlangen, bevor das OLAF Kontrollen und Überprüfungen in den Räumlichkeiten eines Wirtschaftsteilnehmers vornimmt, soweit dieser sich dem nicht widersetzt. 81 Nur in diesem Fall bestimmt Art. 9 der Verordnung Nr. 2185/96 nämlich in seinem Abs. 1, dass der betreffende Mitgliedstaat den Kontrolleuren des OLAF in Übereinstimmung mit seinen nationalen Rechtsvorschriften die erforderliche Unterstützung gewährt, damit sie ihren Auftrag zur Durchführung der Kontrollen und Überprüfungen vor Ort erfüllen können, und in seinem Abs. 2, dass es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, unter Einhaltung der nationalen Rechtsvorschriften etwaige notwendige Maßnahmen zu treffen. Aus den Akten ergibt sich jedoch, dass die Klägerin sich in der dem Gericht vorgelegten Rechtssache den Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht widersetzt hat. 82 Da die Einhaltung der nationalen Vorschriften wie derjenigen betreffend das Erfordernis einer vorherigen Ermächtigung durch ein nationales Gericht von den Verordnungen Nr. 883/2013 und Nr. 2185/96 nicht vorgesehen ist, wenn sich der betroffene Wirtschaftsteilnehmer nicht widersetzt, weil diese Vorschriften die vom OLAF durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen vor Ort allein vom Vorliegen einer vom Generaldirektor dieser Einrichtung erteilten schriftlichen Ermächtigung abhängig machen (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2013 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2185/96), ist das Vorbringen der Klägerin somit zurückzuweisen. 83 Die Klägerin macht geltend, im Urteil vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères (C‑94/00, EU:C:2002:603, Rn. 48), habe der Gerichtshof der Kommission im Bereich des Wettbewerbs Verpflichtungen auferlegt, was richterliche Ermächtigungen im Rahmen von Verwaltungsverfahren angeht. 84 Dieses Argument entbehrt einer tatsächlichen Grundlage, da entgegen der Auffassung der Klägerin das von ihr angeführte Urteil nicht die Einschaltung eines nationalen Gerichts vorschreibt, bevor Kontrollen und Überprüfungen vor Ort stattfinden, sondern lediglich einen Hinweis an die Verwaltungsbehörde enthält, dass diese den Gegenstand der Nachprüfung angeben muss, bevor sie diese Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vornimmt. Im vorliegenden Fall ist eine Ermächtigung am 27. November 2014 vom Generaldirektor des OLAF erteilt und von den Kontrolleuren bei ihrem Eintreffen am Sitz der Klägerin vorgelegt worden, wo sie vom Direktor der Klägerin gegengezeichnet wurde, der eine Kopie hiervon behielt. Im Übrigen sind gegen den Inhalt dieser Ermächtigung keine Einwände erhoben worden. 85 Zum zweiten Punkt, in dem das französische Recht angeblich nicht eingehalten wurde, ist darauf hinzuweisen, dass den geltenden Unionsverordnungen zufolge – die Untersuchungen von den Kontrolleuren des OLAF unter Leitung von dessen Generaldirektor (Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2013, Art. 4 und Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2185/96) durchgeführt werden; – diese Kontrolleure die nationalen Behörden informieren müssen, bevor sie die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durchführen (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2185/96); – die Kontrolleure von nationalen Bediensteten begleitet werden können, die von ihren Behörden entsandt werden oder als zur Kommission abgeordnete nationale Sachverständige tätig werden (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2185/96); – die Gegenwart dieser Bediensteten akzeptiert werden muss, wenn sie diese Teilnahme wünschen (Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2185/96); – die nationalen Behörden in dem Fall, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle oder Überprüfung widersetzt, unter Einhaltung des nationalen Rechts die notwendigen Maßnahmen treffen müssen, damit das OLAF seinem Auftrag nachkommen kann (Art. 9 der Verordnung Nr. 2185/96). 86 Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die Teilnahme nationaler Bediensteter durch die Verordnung Nr. 2185/96 geregelt und von dieser in zwei Fällen vorgeschrieben ist, die vorliegend bei den vom OLAF durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht gegeben waren. Zum einen ist sie in dem Fall erforderlich, dass sich ein Wirtschaftsteilnehmer den vom OLAF durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen widersetzt. Den Angaben der Klägerin zufolge war dies nicht der Fall. Zum anderen muss die Teilnahme der nationalen Bediensteten akzeptiert werden, wenn diese einen entsprechenden Wunsch äußern. 87 Aus den Akten ergibt sich, dass im vorliegenden Fall drei nationale Beamte bei einem Teil der Vorgänge zugegen waren, dass sie dem Generaldirektor der Klägerin mitteilten, dass gegen ihn eine strafrechtliche Voruntersuchung auf der Grundlage des französischen Rechts parallel zu dem auf das Unionsrecht gestützten Verfahren eingeleitet worden sei, und dass sie in diesem Zusammenhang verschiedene Handlungen vornahmen, bevor sie den Sitz der Klägerin am späten Vormittag verließen, ohne den Wunsch zu äußern, an den auf der Grundlage des Unionsrechts vorgenommenen Kontrollen und Überprüfungen vor Ort teilzunehmen. 88 Somit ist der Umstand, dass die nationalen Beamten nicht an dem gesamten Vorgang teilnahmen, nicht auf ein dem OLAF zuzurechnendes Verhalten zurückzuführen, sondern auf eine von ihnen selbst getroffene Entscheidung, die daher nicht die Gültigkeit der von der Kommission auf der Grundlage des vom OLAF erstellten Berichts getroffenen Maßnahmen beeinträchtigt. 89 Die Klägerin beruft sich auf das Urteil vom 21. September 1989, Hoechst/Kommission (46/87 und 227/88, EU:C:1989:337, Rn. 34), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Kommission die im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensgarantien zu beachten habe, wenn sie Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vornehme. 90 Dieses Argument entbehrt einer tatsächlichen Grundlage, da sich die Klägerin, wie sich aus den Akten ergibt, in der dem Gericht vorgelegten Rechtssache den Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht widersetzt hat, während es in dem angeführten Urteil um den Fall geht, dass um Unterstützung durch nationale Behörden ersucht wird, um dem von einem Wirtschaftsteilnehmer erklärten Widerspruch gegen eine von der Kommission im Rahmen einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung durchgeführte Kontrolle oder Überprüfung vor Ort entgegenzutreten. 91 Zum dritten von der Klägerin angeführten Punkt ist festzustellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2185/96 den Zugang zu den Räumlichkeiten, Grundstücken, Verkehrsmitteln und sonstigen gewerblich genutzten Örtlichkeiten ermöglichen müssen, um die Durchführung der Kontrollen und Überprüfungen zu erleichtern. 92 Zudem bestimmt Art. 9 dieser Verordnung für den Fall, dass sich die von einer Untersuchung betroffenen Wirtschaftsteilnehmer einer Kontrolle oder Überprüfung vor Ort widersetzen, der betreffende Mitgliedstaat den Kontrolleuren in Übereinstimmung mit seinen nationalen Rechtsvorschriften die erforderliche Unterstützung gewährt, damit sie ihren Auftrag zur Durchführung der Kontrollen und Überprüfungen vor Ort erfüllen können. Ferner ist es nach dieser Vorschrift Aufgabe der Mitgliedstaaten, unter Einhaltung des nationalen Rechts etwaige notwendige Maßnahmen zu treffen. 93 Die Verpflichtung der Wirtschaftsteilnehmer, sich den Kontrollen und Überprüfungen vor Ort zu unterziehen, ist ebenfalls vorgesehen in Art. II.22 Abs. 2 bis 4 des Anhangs II der von der Klägerin unterzeichneten Finanzhilfevereinbarungen nach dem RP7, durch die der Rahmen für die vertraglichen Beziehungen zwischen ihr und der Kommission festgelegt wurde. 94 Zwar betrifft die Verordnung Nr. 2185/96, wie oben in Rn. 92 ausgeführt, den Fall, dass ein Wirtschaftsteilnehmer sich den vom OLAF vorgesehenen Kontrollen und Überprüfungen vor Ort widersetzt, und bestimmt, dass in diesem Fall die Unterstützung der nationalen Behörden angefordert werden kann und die von ihnen getroffenen Maßnahmen im Einklang mit dem nationalen Recht durchgeführt werden müssen. 95 Allerdings gewährt diese Bestimmung den Wirtschaftsteilnehmern nicht das Recht, sich den vom OLAF vorgesehenen Maßnahmen zu widersetzen, sondern sieht lediglich vor, dass sie im Fall des Widerspruchs gezwungen werden können, diese Maßnahmen zu akzeptieren, und dass hierzu nationale Polizeikräfte unter den im nationalen Recht vorgesehenen Bedingungen eingesetzt werden können. 96 Aus den Akten ergibt sich, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall keine Anwendung gefunden hat, da sich die Klägerin, wie sie selbst ausgeführt hat, den vom OLAF durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht widersetzt hat. 97 Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen. – Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundrechte 98 Im Rahmen des dritten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die streitigen Maßnahmen hätten von der Kommission nicht getroffen werden dürfen, da sie auf einen Bericht gestützt worden seien, der anhand von unter Verstoß gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte erlangten Beweisen erstellt worden sei. 99 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin auf eine Frage des Gerichts ausgeführt, ihrer Ansicht nach sei die Kommission verpflichtet, bei der Durchführung der von ihr geschlossenen Vereinbarungen die in der Charta der Grundrechte anerkannten Rechte zu wahren. Die Kommission hat vorgetragen, die Anwendung dieser Rechte auf die Verhaltensweisen der Unionsorgane im vertraglichen Bereich könne nicht allgemein gelten, sondern müsse im Einzelfall geprüft werden, unter anderem nach Maßgabe des Inhalts der vertraglichen Bestimmungen 100 Insoweit ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Grundrechte allgemeine Grundsätze der Unionsrechtsordnung darstellen (Urteile vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft, 11/70, EU:C:1970:114, Rn. 4, vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google, C‑131/12, EU:C:2014:317, Rn. 68, und vom 3. Juli 2014, Kamino International Logistics und Datema Hellmann Worldwide Logistics, C‑129/13 und C‑130/13, EU:C:2014:2041, Rn. 69). 101 Diese Rechte sind in der Charta der Grundrechte niedergelegt, die Teil des EU-Vertrags ist und gemäß ihrem Art. 51 Abs. 1 ohne Ausnahme „für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips [gilt]“. 102 Aufgrund dessen regeln die Grundrechte die Ausübung der den Unionsorganen übertragenen Zuständigkeiten, auch in einem vertraglichen Rahmen, ebenso wie sie für die von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Unionsrechts erlassenen Rechtsakte gelten. 103 Diese allgemeine Geltung der Grundrechte hat zur Folge, dass die Kommission, wie sie selbst eingeräumt hat, nicht anhand von Informationen, die vom OLAF unter Verletzung der Grundrechte erlangt wurden, die einem Wirtschaftsteilnehmer geschuldeten Zahlungen aussetzen oder die mit einem solchen Wirtschaftsteilnehmer geschlossenen Vereinbarungen kündigen kann. 104 Aus der Regelung ergibt sich im Übrigen, dass diese letztgenannte Stelle, d. h. das OLAF, die Grundrechte beachten muss, wenn sie im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben Untersuchungen durchführt. 105 Nach der Verordnung Nr. 883/2013 müssen die Untersuchungen des OLAF nämlich im Einklang mit den Grundrechten erfolgen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus Erwägungsgrund 51 dieser Verordnung. 106 Im zwölften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2185/96 ihrerseits heißt es: „[Die] Kontrollen und Überprüfungen vor Ort sind unter Wahrung der Grundrechte der betreffenden Personen … durchzuführen“. 107 Im vorliegenden Fall ist die Klägerin der Auffassung, dass das OLAF im Rahmen der von ihm vor Ort durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen Art. 47 der Charta der Grundrechte verkannt habe, wonach die Rechtsuchenden in der Union im Wesentlichen das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht hätten, was insbesondere bedeute, dass über ihre Sache im Fall eines Rechtsstreits öffentlich verhandelt werde, unter Wahrung der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit. 108 Nach Ansicht der Klägerin ist Art. 47 der Charta der Grundrechte dadurch verletzt worden, dass die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort vom OLAF durchgeführt wurden, ohne dass seine Kontrolleure von nationalen Polizeibeamten begleitet wurden, ohne dass die Klägerin über ihr Recht aufgeklärt wurde, sich diesen Maßnahmen zu widersetzen, und ohne dass Letztere vorab von einem nationalen Gericht genehmigt wurden. 109 In Bezug auf die ersten beiden Rügen der Klägerin ist festzustellen, dass diese nichts vorgetragen hat, um ihr Vorbringen zu untermauern, und insbesondere keine Angaben gemacht hat, die belegen könnten, dass die Begleitung durch nationale Polizeibeamte und das Recht auf Unterrichtung über die Möglichkeit, sich den vom OLAF durchgeführten Maßnahmen zu widersetzen, von Art. 47 der Charta der Grundrechte erfasst werden. 110 Im Übrigen genügt der Hinweis, dass, wie oben in den Rn. 85 bis 96 ausgeführt, die für diese Maßnahmen geltenden Vorschriften den Kontrolleuren des OLAF nicht vorschreiben, sich unter den Umständen des vorliegenden Falls von nationalen Polizeibeamten begleiten zu lassen, und dass diese Vorschriften den Wirtschaftsbeteiligten, insbesondere der Klägerin, nicht das Recht verleihen, sich diesen Maßnahmen zu widersetzen, und erst recht nicht, über das Bestehen eines solchen Rechts informiert zu werden. 111 In Bezug auf die dritte Rüge der Klägerin ist festzustellen, dass diese dem Gericht keine Anhaltspunkte dafür geliefert hat, dass sich unter den Umständen des vorliegenden Falls eine Pflicht zur Einholung einer richterlichen Ermächtigung aus dem Recht des Einzelnen ergeben könnte, dass seine Sache von einem Richter unabhängig und unparteiisch gehört wird, zumal die Klägerin die Angelegenheit vor ein nationales Gericht bringen konnte, um zum einen zu ermitteln, ob die vom OLAF eingeholten Informationen im Rahmen der beanstandeten Vorgänge in der innerstaatlichen Rechtsordnung ihr gegenüber verwendet werden könnten, und zum anderen den Unionsrichter anrufen konnte, um auf der Ebene der Unionsrechtsordnung die von der Kommission auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen der von der Klägerin gerügten Maßnahmen erlangt worden waren, getroffenen Maßnahmen zu kontrollieren. 112 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass nach den für die vom OLAF durchgeführten Maßnahmen geltenden Vorschriften das Erfordernis, eine richterliche Ermächtigung einzuholen, wenn sie nach nationalem Recht vorgesehen ist, nur im Fall eines vom Wirtschaftsteilnehmer erhobenen Widerspruchs gilt, und dass das OLAF dann nationale Polizeikräfte in Anspruch nehmen muss, die nach den für sie geltenden Vorschriften die innerstaatlichen Rechtsvorschriften einhalten müssen. 113 Wie jedoch bereits insbesondere oben in Rn. 81 ausgeführt, hat die Klägerin sich den vom OLAF durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen vor Ort nicht widersetzt. 114 Schließlich macht die Klägerin geltend, Art. 53 der Charta der Grundrechte enthalte eine sogenannte „Mindestgarantieklausel“, aufgrund deren das OLAF bei den Untersuchungen die nationalen Vorschriften beachten müsse, wenn diese den Einzelnen umfangreichere Garantien als die nach dem Unionsrecht vorgesehenen gewährten. 115 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung diese Vorschrift nicht dahin ausgelegt werden kann, dass es einem Mitgliedstaat gestattet ist, die Anwendung von mit der Charta vollständig im Einklang stehenden Unionsrechtsakten mit der Begründung zu verhindern, sie erfüllten nicht die in der Verfassung dieses Staates garantierten Grundrechte (vgl. Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 58). 116 Wie der Gerichtshof ausgeführt hat, beruht diese Rechtsprechung auf dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, der die Unionsrechtsordnung wesentlich prägt und aufgrund dessen die Geltung des Unionsrechts in einem Mitgliedstaat nicht dadurch beeinträchtigt werden kann, dass dieser Staat Vorschriften des nationalen Rechts, und haben sie auch Verfassungsrang, geltend macht (vgl. Urteil vom 26. Februar 2013, Melloni, C‑399/11, EU:C:2013:107, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). 117 Schließlich genießen die Einzelnen entgegen dem Vorbringen der Klägerin Grundrechtsschutz bei vom OLAF vorgenommenen Kontrollen und Überprüfungen vor Ort, da zum einen diese Stelle die Unionsregelung einhalten muss, nach der ihre Tätigkeit mit den Grundrechten im Einklang stehen muss, und zum anderen die Kommission keine Maßnahmen wie die im vorliegenden Fall streitigen erlassen kann, indem sie sich auf Informationen stützt, die im Rahmen derartiger Maßnahmen erlangt wurden, wenn Letztere, wie oben in Rn. 103 ausgeführt, unter Verletzung der Grundrechte durchgeführt wurden. 118 Aus diesen Gründen ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen. – Zum vierten Klagegrund: Fehlen von Auswirkungen des OLAF‑Untersuchungsberichts auf die im Rahmen des H2020 geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen 119 Mit ihrem vierten Klagegrund macht die Klägerin geltend, zum Erlass der Maßnahmen betreffend die im Rahmen des H2020 geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen habe sich die Kommission nicht auf vom OLAF im Rahmen einer die Durchführung von RP7-Projekten betreffenden Untersuchung gesammelte Beweise oder Beweismittel stützen dürfen. 120 Insoweit ist festzustellen, dass, was die im Rahmen des H2020 geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen angeht, die von der Kommission getroffenen Maßnahmen in der Kündigung der Beteiligung der Klägerin an der Vereinbarung Nr. 645775 – Dragon Star Plus bestehen, wie oben in Rn. 50 ausgeführt. 121 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Rechte und Verpflichtungen der Kommission im Rahmen einer von ihr unterzeichneten Vereinbarung den in dieser enthaltenen Bestimmungen unterliegen. 122 Art. 50.3.1 Buchst. m der streitigen Vereinbarung sieht vor, dass die Beteiligung an der fraglichen Vereinbarung im Fall von systematischen oder wiederkehrenden Fehlern, Unregelmäßigkeiten, betrügerischem Verhalten oder schwerwiegender Verletzung der in anderen Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen gekündigt werden kann. 123 Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass die Kommission die Beteiligung der Klägerin an der streitigen Vereinbarung kündigen kann, wenn derartige Fehler, Unregelmäßigkeiten, Betrügereien oder schwerwiegende Verletzungen von Verpflichtungen bei der Durchführung einer Vereinbarung begangen wurden, unabhängig vom Programm, dem diese zugeordnet werden kann, also sogar dann, wenn es sich nicht um ein H2020-Programm handelt. 124 Der vom OLAF vorgenommenen Untersuchung zufolge sind Verhaltensweisen der Klägerin wie die Manipulation von Arbeitszeitbögen und überhöhte Lohnabrechnungen festgestellt worden, die es ihr ermöglicht haben, nicht erstattungsfähige Tätigkeiten zu finanzieren und gegen den „Non profit“-Grundsatz zu verstoßen und damit den Haushalt und das Ansehen der Union zu schädigen. Diese Verhaltensweisen seien im Laufe mehrerer Jahre wiederholt vorgekommen und hätten allgemeinen Charakter gehabt, da sie vom Geschäftsführer der Klägerin und ihren Führungskräften angenommen worden seien. Unter diesen Umständen stellten sie nach den der Kommission vorliegenden und von der Klägerin vor dem Gericht nicht bestrittenen Informationen eine schwere Verletzung der von der Klägerin aufgrund der im Rahmen des RP7 und des H2020 geschlossenen Vereinbarungen eingegangenen Verpflichtungen dar, weswegen die Voraussetzungen für die Kündigung der Beteiligung der Klägerin an der streitigen, im Rahmen des H2020 geschlossenen Vereinbarung durch die Kommission erfüllt waren. 125 Folglich ist der vierte Klagegrund der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen. – Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 126 Mit ihrem fünften Klagegrund macht die Klägerin geltend, die streitigen Maßnahmen verstießen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 127 Insoweit ist festzustellen, dass der in Art. 5 Abs. 4 EUV niedergelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der verlangt, dass die Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des mit ihren Maßnahmen verfolgten Ziels erforderlich ist (Urteil vom 26. Januar 2017, Diktyo Amyntikon Viomichanion Net/Kommission, T‑703/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:34, Rn. 156). 128 Nach der Rechtsprechung gilt dieser Grundsatz für alle Handlungsformen der Union unabhängig davon, ob sie vertraglicher oder anderer Art sind. Im Rahmen der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen gehört dieser Grundsatz nämlich zu der ganz allgemeinen Verpflichtung der Parteien eines Vertrags, diesen nach Treu und Glauben zu erfüllen (Urteil vom 26. Januar 2017, Diktyo Amyntikon Viomichanion Net/Kommission, T‑703/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:34, Rn. 157). 129 Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob diese Verpflichtung von der Kommission eingehalten wurde, als sie im Rahmen des Vertrags, auf den sich der vorliegende Rechtsstreit bezieht, die streitigen Maßnahmen erließ. 130 Den vom OLAF gesammelten Beweisen und Beweismitteln zufolge bestehen die der Klägerin vorgeworfenen Verhaltensweisen in der Manipulation von Arbeitszeitbögen und überhöhten Lohnabrechnungen. Wie oben in Rn. 124 ausgeführt, sollen es diese Verhaltensweisen der Klägerin ermöglicht haben, nicht erstattungsfähige Tätigkeiten zu finanzieren und gegen den „Non profit“-Grundsatz zu verstoßen und damit den Haushalt und das Ansehen der Union zu schädigen. Dieses Verhalten sei im Laufe mehrerer Jahre wiederholt vorgekommen und habe allgemeinen Charakter gehabt, da es vom Geschäftsführer der Klägerin und ihren Führungskräften praktiziert worden sei. 131 Die Klägerin ist von der Kommission vor dem Erlass jeder einzelnen der streitigen Maßnahmen angehört worden. Sie hat jedoch nicht dargetan, dass sie nicht die Unregelmäßigkeiten begangen hat, welche die Kommission ihr mit Schreiben vom 7. Oktober 2015 im Einzelnen vorgeworfen hat und mit Feststellungen in ihren Entscheidungen über die Aussetzung der Zahlungen und die Kündigung der Vereinbarungen anhand des Vorbringens der Klägerin in ihren schriftlichen Erklärungen sowie in den vom Redress‑II-Ausschuss im Rahmen des RP7 getroffenen Entscheidungen und den nachfolgenden bestätigenden Kommissionsentscheidungen bestätigt und ergänzt hat. 132 Im Übrigen hat die Klägerin in der Klageschrift zum einen nicht die Richtigkeit der Analyse der Kommission in Frage gestellt, namentlich was ihre Praxis der Überbewertung der tatsächlich von ihren Führungskräften geleisteten Arbeitsstunden sowie der nachträglichen Aufstellung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten angeht. Zum anderen ist ihr Vorbringen zur Stützung ihrer Anträge nicht geeignet, die von der Kommission in ihrem Schreiben vom 7. Oktober 2015 betreffend die von der Klägerin begangenen Unregelmäßigkeiten aufgestellten Behauptungen zu widerlegen. 133 Diese Verhaltensweisen sollten anhand der Beschränkungen geprüft werden, denen die Kommission unterliegt, insbesondere jenen aus Art. 317 AEUV, der sie verpflichtet, die ordnungsgemäße Verwaltung der Mittel der Union zu gewährleisten, und aus Art. 325 AEUV, der die Union und die Mitgliedstaaten verpflichtet, Betrug und sonstige rechtswidrige Handlungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zu bekämpfen. 134 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Kommission durch den Erlass der streitigen Maßnahmen verhindern wollte, dass der Klägerin neue Mittel aus dem Unionshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Die vom OLAF erlangten Informationen zeigten, dass die von der Klägerin praktizierten verbotenen Verhaltensweisen wiederkehrenden und allgemeinen Charakter hatten. Nachdem sie diese Informationen erhalten hatte, konnte die Kommission berechtigterweise befürchten, dass diese neuen Mittel, wenn sie übertragen würden, in derselben Weise verwendet würden wie die vorhergehenden, d. h. unter Missachtung der geltenden vertraglichen Bestimmungen. 135 In ihren Schriftsätzen trägt die Klägerin zwei Argumente zur Stützung ihres Klagegrundes betreffend den Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. 136 Sie macht erstens geltend, die von der Kommission getroffenen Maßnahmen seien beschlossen worden, ohne die Qualität der von der Klägerin geleisteten Arbeit zu berücksichtigen, obwohl die ihr zur Verfügung gestellten Mittel, wie sich aus bis dahin vorgenommenen technischen Prüfungen ihrer Arbeit ergebe, von ihr im Einklang mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, der Effektivität und einer wirtschaftlichen Haushaltsführung verwendet worden seien. 137 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin angeführten technischen Prüfungen ein anderes als das vom OLAF mit seiner Untersuchung angestrebte Ziel verfolgten. Sie sollten nämlich auf intellektueller Ebene die von der Klägerin mit den von der Kommission bereitgestellten Mitteln durchgeführten Recherchen bewerten. Mit der vom OLAF vorgenommenen Untersuchung sollte demgegenüber auf finanzieller Ebene festgestellt werden, ob die erhaltenen Unionsmittel im Einklang mit den Verpflichtungsregeln verwendet worden waren. 138 Im Übrigen ist die Kommission – unabhängig von dem für die streitigen Finanzhilfevereinbarungen geltenden Recht – nach Art. 317 AEUV zu einer guten und wirtschaftlichen Haushaltsführung im Hinblick auf die Unionsmittel verpflichtet. Im Finanzhilfesystem der Union unterliegt die Verwendung dieser Finanzhilfen Vorschriften, die zur teilweisen oder völligen Aussetzung einer bereits gewährten Finanzhilfe führen können. Ein Finanzhilfeempfänger erwirbt dadurch keinen endgültigen Anspruch auf volle Auszahlung der Finanzhilfe, wenn er die an die Unterstützung geknüpften Bedingungen nicht eingehalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2007, Kommission/IIC, T‑500/04, EU:T:2007:146, Rn. 93). 139 Nach einem wesentlichen Grundsatz für die Vergabe von Finanzhilfen der Union können nur tatsächlich entstandene Ausgaben subventioniert werden. Damit die Kommission Kontrollen vornehmen kann, müssen die Empfänger solcher Finanzhilfen daher nachweisen, dass die im Rahmen der subventionierten Vorhaben abgerechneten Kosten erstattungsfähig waren. Der Nachweis, dass ein Vorhaben durchgeführt worden ist, genügt nicht, um die Gewährung einer spezifischen Finanzhilfe zu rechtfertigen. Der Beihilfeempfänger muss überdies nachweisen, dass ihm die Kosten entstanden sind, die er nach den für die Gewährung der betreffenden Finanzhilfe festgelegten Bedingungen deklariert hat. Seine Verpflichtung, die festgelegten finanziellen Bedingungen einzuhalten, stellt eine Hauptpflicht und damit eine Bedingung für die Gewährung der Unionsfinanzhilfe dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2007, Kommission/IIC, T‑500/04, EU:T:2007:146, Rn. 94). 140 Folglich kann der Kommission unter Berücksichtigung der Feststellungen im OLAF‑Untersuchungsbericht betreffend die Praktiken der Klägerin sowie der vorerwähnten Rechtsprechungsgrundsätze nicht vorgeworfen werden, durch den Erlass der streitigen Maßnahmen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben. 141 Zweitens macht die Klägerin in ihrem Vorbringen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend, die Kommission habe in unannehmbarer Weise gehandelt, als sie Maßnahmen getroffen habe, die die Gesamtheit der mit ihr geschlossenen Vereinbarungen betroffen hätten, obwohl verbotene Verhaltensweisen nur in einer begrenzten Zahl von Fällen festgestellt worden seien. Angemessener wäre es gewesen, sie über das Vorliegen von Schwierigkeiten zu informieren und sie zur Anpassung der Posten aufzufordern, in denen nicht erstattungsfähige Ausgaben enthalten gewesen seien 142 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die von der Kommission getroffenen und von der Klägerin kritisierten Maßnahmen in einem Zusammenhang stehen, in dem die für die Bekämpfung der missbräuchlichen Verwendung von Unionsmitteln zuständige Stelle der Kommission Beweismittel übermittelt hatte, die den Nachweis erbrachten, dass von der Klägerin bei der Verwendung der Mittel schwerwiegende und wiederholte Betrügereien begangen worden sind. 143 In diesem Zusammenhang konnte die Kommission annehmen, dass die finanziellen Interessen der Union durch eine Beschränkung der Aussetzung auf bestimmte Zahlungen oder durch die Kündigung nur eines Teils ihrer Vereinbarungen mit der Klägerin unter Verstoß gegen ihre Verpflichtung aus Art. 317 AEUV nicht wirksam genug geschützt wären. Da die Untersuchungen in Form von Stichproben stattfanden, konnte die Feststellung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen einer Vereinbarung das Vertrauen der Kommission in ihre Vertragspartnerin beeinträchtigen und sie dazu veranlassen, die Beteiligung der Klägerin an sämtlichen mit ihr eingegangenen Vereinbarungen in Frage zu stellen. 144 Aus diesen Erwägungen folgt, dass der – auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestützte – fünfte Klagegrund der Klägerin zurückzuweisen ist. 145 Nach alledem sind die von der Klägerin zur Stützung ihres ersten und ihres zweiten Klageantrags vorgebrachten fünf Klagegründe zurückzuweisen. Zum dritten und zum vierten Klageantrag 146 Der dritte und der vierte Antrag der Klägerin gehen dahin, die Kommission zur Zahlung der im Zusammenhang mit den unter das RP7 und das H2020 fallenden Verträgen angeblich rechtswidrig ausgesetzten Beträge in Höhe von 607404,49 Euro bzw. 226688,68 Euro zuzüglich Verzugszinsen zu verurteilen. 147 Insoweit ist festzustellen, dass der Klägerin – wie die Kommission einräumt – im Zeitraum vor der Kündigung erstattungsfähige Kosten entstanden sein konnten, auf deren Zahlung sie gemäß den anwendbaren vertraglichen Bestimmungen Anspruch erheben konnte. 148 Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Finanzierung durch die Union im Rahmen von Finanzhilfeverträgen keine Vergütung der von der Klägerin geleisteten Arbeit sondern eine für von ihr betreute Projekte gewährte Finanzhilfe darstellt, deren Auszahlung besonderen, vertraglich festgelegten Bedingungen unterliegt. Die Finanzierung durch die Union soll lediglich erstattungsfähige Kosten decken, wie sie in den betreffenden Verträgen definiert sind. 149 Insoweit beschränken sich die Beiträge der Kommission gemäß Art. II.39 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen der Finanzhilfevereinbarungen nach dem RP7 im Fall der Kündigung auf die erstattungsfähigen Kosten, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind und anerkannt wurden. Was die Finanzhilfevereinbarungen nach dem H2020 angeht, bestimmt Art. 50.3.3 Buchst. b, dass die Kommission auf der Grundlage der periodischen Berichte, des Abschlussberichts und des Berichts über die geleisteten Zahlungen prüft, ob die vom Begünstigten erhaltenen Zahlungen nicht über den Beitrag der Union (berechnet unter Anwendung des Erstattungssatzes auf die von der Klägerin angegebenen und von der Kommission gebilligten erstattungsfähigen Kosten) hinausgehen und dass nur die dem Begünstigten bis zur Kündigung der Vereinbarung entstandenen Kosten erstattungsfähig sind. 150 Die Klägerin kann daher die geltend gemachten Beträge nur insoweit verlangen, als sie nachweist, dass sie erstattungsfähigen Kosten entsprechen, die bis zum Wirksamwerden der Kündigung des Vertrags entstanden und gebilligt worden. 151 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin jedoch kein Beweismittel oder insoweit spezifisches Argument beigebracht. Sie hat sich darauf beschränkt, die Zahlung der oben in Rn. 146 angeführten Beträge zu verlangen, ohne zu erläutern, worauf sie sich beziehen, und ohne Angaben zur Rechtfertigung dieser Zahlen im Hinblick auf die in den Vertragsbestimmungen aufgestellten Anforderungen zu liefern. 152 Folglich sind der dritte und der vierte Klageantrag als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin in Bezug auf diese Klageanträge geprüft werden müsste. Zum siebten Klageantrag 153 Mit ihrem siebten Klageantrag begehrt die Klägerin „hilfsweise“ die Bestellung eines Sachverständigen zur Vornahme einer Finanzprüfung der streitigen Finanzhilfevereinbarungen, um die Höhe der nicht erstatteten erstattungsfähigen Kosten festzustellen, die unstreitig als geschuldet anzusehen seien. Dieser Antrag ist als Anregung an das Gericht anzusehen, eine Beweiserhebung nach Art. 91 Buchst. e der Verfahrensordnung vorzunehmen. 154 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es aufgrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen Sache der Klägerin ist, den Nachweis für ihre Ausgaben gemäß den in Art. II.14 Abs. 1 der allgemeinen Bedingungen der Finanzhilfevereinbarungen nach dem RP7 und in Art. 6 der Finanzhilfevereinbarungen nach dem H2020 aufgestellten Beweiserfordernissen zu erbringen (Urteile vom 22. Mai 2007, Kommission/IIC, T‑500/04, EU:T:2007:146, Rn. 104 und 105, vom 17. Juni 2010,CEVA/Kommission, T‑428/07 und T‑455/07, EU:T:2010:240, Rn. 141, und vom 5. Oktober 2016, European Children’s Fashion Association und Instituto de Economía Pública/EACEA, T‑724/14, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:600, Rn. 137). 155 Im Übrigen ist es allein Sache des Gerichts, zu entscheiden, ob die ihm in den Rechtssachen, mit denen es befasst ist, vorliegenden Informationen möglicherweise einer Ergänzung bedürfen, und hierzu Beweiserhebungen wie die im vorliegenden Fall beantragte anzuordnen, die nicht den Zweck haben können, einem Versäumnis des Klägers bei der Beweisführung abzuhelfen. (vgl. Urteil vom 16. Juli 2009, SELEX Sistemi Integrati/Kommission, C‑481/07 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2009:461, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall ist die Anordnung der beantragten Beweiserhebung nicht angebracht, da die Klägerin nicht die Beträge angegeben hat, die an sie zu zahlen sein sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. November 2016, Trivisio Prototyping/Kommission, T‑184/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:652, Rn. 102). Zum Antrag auf außervertraglichen Schadensersatz 156 Mit ihrem fünften Klageantrag macht die Klägerin die außervertragliche Haftung der Kommission geltend. 157 In der Klageschrift trägt die Klägerin vor, sie sei in ihrem Ansehen beschädigt und müsse einen Auftragsrückgang hinnehmen. Aufgrund der vom OLAF übermittelten Informationen sei gegen sie im Frühwarnsystem der Kommission eine Prüfungswarnung vermerkt worden. Diese Informationen seien jedoch unter Missachtung der Grundrechte der Klägerin erlangt worden, was einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm darstelle, die dem Einzelnen Rechte verleihen solle, d. h. eine offenkundige und erhebliche Verletzung der dem betreffenden Organ gesetzten Ermessensgrenzen. 158 In der Erwiderung verlangt die Klägerin den Ersatz des zusätzlichen materiellen Schadens, der ihr durch die Pflichtverletzung der Kommission, die einen vom OLAF anhand von rechtswidrig erlangten Beweisen erstellten Bericht verwendet habe, um die streitigen Maßnahmen zu treffen, entstanden sei. Sie trägt vor, die Nichtzahlung der geschuldeten Beträge bedeute für sie einen erheblichen Umsatzverlust, da sie beinahe die Gesamtheit ihres Umsatzes mit Projekten erziele, die von der Kommission und deren Agenturen subventioniert würden. Ihre Liquidation erhöhe den materiellen Schaden, und der Ausschlussvermerk im Frühwarnsystem, mit dem sie nach Einleitung des Insolvenzverfahrens belegt worden sei, verwehre es ihr auf jeden Fall, neue Finanzmittel aufgrund von Finanzhilfevereinbarungen nach dem RP7 oder dem H2020 zu erhalten. 159 Auf eine vom Gericht gestellte Frage hin hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie ihr Vorbringen zu der der Kommission vorgeworfenen Pflichtverletzung auf die Verletzung des nationalen Rechts und der Grundrechte durch die Kontrolleure des OLAF während der zwischen dem 2. und dem 5. Dezember 2014 durchgeführten Kontrollen und Überprüfungen beschränke. Aufgrund dieser Pflichtverletzung habe sie wegen der Einstellung der Zahlungen, der Kündigung der Vereinbarungen und des nicht erfolgten Abschlusses neuer Verträge ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen können und befinde sich daher in Liquidation. Dadurch, dass diese Liquidation das Ansehen der Klägerin beschädigt und jegliche Aufnahme von Tätigkeiten kurz‑ oder mittelfristig verwehrt habe, habe sie die materielle Schädigung der Klägerin noch vergrößert. 160 Insoweit ist festzustellen, dass die außervertragliche Haftung der Union im Sinne von Art. 340 Abs. 2 AEUV für rechtswidriges Verhalten ihrer Ämter oder Agenturen nur dann auslöst, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar muss das vorgeworfene Verhalten rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Urteil vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat, T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 139 und die dort angeführte Rechtsprechung). 161 Da diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, ist die Klage insgesamt abzuweisen, wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist (vgl. Urteil vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat, T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 140 und die dort angeführte Rechtsprechung). 162 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen eine vertragliche Bestimmung durch ein Organ für sich genommen keine außervertragliche Haftung dieses Organs gegenüber einer der Parteien, mit der es den diese Bestimmung enthaltenden Vertrag geschlossen hat, begründen kann. In einem solchen Fall ist nämlich die dem Organ zuzurechnende Rechtswidrigkeit rein vertraglichen Ursprungs und ergibt sich aus seiner Verpflichtung als Vertragspartei und nicht aus einer anderen Eigenschaft wie beispielsweise der einer Verwaltungsbehörde. Unter solchen Umständen geht daher die Behauptung eines Verstoßes gegen eine vertragliche Bestimmung zur Stützung einer Klage auf außervertraglichen Schadensersatz ins Leere (Urteil vom 18. November 2015, Synergy Hellas/Kommission, T‑106/13, EU:T:2015:860, Rn. 149). 163 Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine vertragliche und eine außervertragliche Haftung eines Unionsorgans gegenüber einem Vertragspartner nebeneinander bestehen können. Tatsächlich ist die Art der unzulässigen Verhaltensweisen, die einem Organ zuzurechnen sind und einen Schaden verursachen, der Gegenstand einer Klage auf außervertraglichen Schadensersatz sein kann, nicht festgelegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. März 2004, Bürgerbeauftragter/Lamberts, C‑234/02 P, EU:C:2004:174, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 18. Dezember 2009, Arizmendi u. a./Rat und Kommission, T‑440/03, T‑121/04, T‑171/04, T‑208/04, T‑365/04 und T‑484/04, EU:T:2009:530, Rn. 65). 164 Selbst wenn ein solches Nebeneinander von Haftungen der Organe besteht, ist es nur unter der Voraussetzung möglich, dass zum einen die Rechtswidrigkeit, die dem betreffenden Organ zugerechnet wird, einen Verstoß nicht nur gegen eine vertragliche Verpflichtung, sondern auch gegen eine ihm obliegende allgemeine Verpflichtung begründet und zum anderen diese Rechtswidrigkeit bezüglich dieser allgemeinen Verpflichtung einen anderen Schaden verursacht hat als den, der sich aus der mangelhaften Vertragserfüllung ergibt (Urteil vom 18. November 2015, Synergy Hellas/Kommission, T‑106/13, EU:T:2015:860, Rn. 150). 165 Im vorliegenden Fall bestehen die von der Klägerin erhobene, oben in Rn. 159 wiedergegebene Rüge zur Stützung ihres Antrags auf außervertraglichen Schadensersatz und die von der Klägerin im Rahmen ihres ersten und ihres zweiten Klageantrags gerügten angeblichen Pflichtverletzungen vertraglicher Art nebeneinander, und es wird kein anderer Schaden geltend gemacht als diejenigen, die sich aus der mangelhaften Vertragserfüllung ergeben. 166 In jedem Fall ist im vorliegenden Urteil nach der Prüfung des ersten und des zweiten von der Klägerin zur Stützung ihrer Klage wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen der Kommission vorgetragenen Klagegrundes entschieden worden, dass die oben in Rn. 159 wiedergegebenen Behauptungen der Klägerin zurückzuweisen sind. 167 Da die Klägerin somit nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission eine Pflichtverletzung begangen hat, die ihre Haftung begründet, ist ihr Antrag auf außervertraglichen Schadensersatz jedenfalls unbegründet. 168 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen. Kosten 169 Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes. Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Sigma Orionis SA trägt die Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes. Pelikánová Nihoul Svenningsen Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Mai 2018. Unterschriften Inhaltsverzeichnis Sachverhalt Vom OLAF durchgeführte Untersuchung Intervention der Kommission Nationale Verfahren Verfahren und Anträge der Parteien Rechtliche Würdigung Zur Klage wegen Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen Zur Zuständigkeit des Gerichts Zum anwendbaren Recht Zur Zulässigkeit – Zum Rechtsschutzinteresse – Zu der auf fehlende Klarheit und Genauigkeit der Klageschrift gestützten Unzulässigkeitseinrede Zum ersten und zum zweiten Klageantrag – Zum ersten Klagegrund: Nichtbeachtung der Rechtskraft des von der Untersuchungskammer erlassenen Urteils – Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen das französische Recht – Zum dritten Klagegrund: Verletzung der Grundrechte – Zum vierten Klagegrund: Fehlen von Auswirkungen des OLAF‑Untersuchungsberichts auf die im Rahmen des H2020 geschlossenen Finanzhilfevereinbarungen – Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Zum dritten und zum vierten Klageantrag Zum siebten Klageantrag Zum Antrag auf außervertraglichen Schadensersatz Kosten (*1) Verfahrenssprache: Französisch.