id
int64
0
1.06M
session
int64
1
282
electoralTerm
int64
1
19
firstName
stringlengths
1
630
lastName
stringlengths
1
35
politicianId
int64
-1
11M
speechContent
stringlengths
1
156k
factionId
int64
-1
26
documentUrl
stringlengths
49
49
positionShort
stringclasses
7 values
positionLong
stringlengths
9
164
date
stringdate
1949-09-12 00:00:00
2021-05-07 00:00:00
1,060,912
228
19
Margit
Stumpp
11,004,909
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland war schon vor der Pandemie das industrialisierte Land, in dem die Bildungschancen wie in keinem anderem Land vom Status des Elternhauses abhingen. Jetzt sind wir das Land, in dem die pandemiebedingte Bildungsschere so schnell aufgeht wie nirgendwo sonst. Beide Situationen haben fatale Folgen. Wir verlieren tagtäglich Kinder und Jugendliche auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben, und wir verlieren die kritischen und klugen Köpfe, die unsere Gesellschaft mitgestalten und zusammenhalten und mit ihrer Kreativität die Basis für die Bewältigung der vielen Herausforderungen, vor denen wir stehen – Eindämmung der Klimakrise, Schutz unserer Demokratie, Wahrung des Wohlstands –, bilden sollen. Beide Situationen haben dieselben Ursachen: Wir investieren insgesamt viel zu wenig Geld in Bildung. 2019 waren das nur 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; daran werden auch die pandemiebedingten Einmalausgaben wenig ändern. Der Schnitt der OECD liegt bei 5 Prozent. Die Kanzlerin hat gemeinsam mit den damaligen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vor zwölf Jahren das Ziel „7 Prozent“ ausgerufen. Die Zahlen sprechen für sich. ({0}) Wesentlich in diesem Zusammenhang ist: Der Bund trägt von diesen unzureichenden Ausgaben nur 10 Prozent. Ursache ist Artikel 91b des Grundgesetzes, das Kooperationsverbot. ({1}) – Kollege Schipanski, das steht sogar wortwörtlich in Bayern im Koalitionsvertrag zwischen CSU und den Freien Wählern. Niemand bestreitet das. ({2}) Ursache ist das Kooperationsverbot; darüber sind wir uns ja auch inzwischen parteiübergreifend einig, ({3}) auch wenn Sie es so nicht benennen wollen. ({4}) Diese erst seit 2007 geltende Bildungsbremse muss wieder gelöst werden. Ob das allerdings ad hoc und auf die von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, vorgeschlagene Weise gelingt, ist zu bezweifeln. Klar ist aber: Wir brauchen eine Ermöglichungsverfassung. ({5}) Unstrittig ist: Die brauchen wir für einen bildungspolitischen Aufbruch, damit die nächste Krise nicht wieder auf Kosten der Schwächsten geht, damit das Versprechen des Aufstiegs durch Bildung endlich wieder eingelöst wird, damit Schulen in einer digitalisierten und vernetzten Welt ankommen und die jungen Menschen auf die Zukunft vorbereiten, damit jedes Talent gefördert wird und Wertschätzung erhält, damit gleiche Bildungschancen Realität werden und Gerechtigkeit im Klassenzimmer selbstverständlich wird und, nicht zuletzt, damit junge Menschen zu selbstbewussten, kritischen und mündigen Demokratinnen und Demokraten werden. Wir legen dafür heute ein praktikables Konzept vor, damit Schulen dort gestärkt werden, wo sie im Moment am schwächsten sind, damit sie die Kinder und Jugendlichen angemessen begleiten können, die diese Begleitung am dringendsten brauchen. Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu, damit Schulen in benachteiligten Quartieren und Regionen besonders gefördert werden. Herzlichen Dank. ({6})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,913
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat Dr. Astrid Mannes für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,914
228
19
Astrid
Mannes
11,004,814
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Tankred Schipanski hat zum Föderalismus und zu der Notwendigkeit einer Föderalismusreform in Bildungsfragen bereits ausgeführt. Ich werde mich daher auf die anderen Anträge konzentrieren. Die Grünen fordern ein Förderprogramm für Schulen in benachteiligten Regionen. Ich stimme den Grünen in der Analyse durchaus zu. Schule ist nicht nur ein Ort der Wissensaufnahme, sondern auch ein Ort der Persönlichkeitsentwicklung, der sozialen Teilhabe und bestenfalls auch ein Ort der Lebensfreude. Ein zentrales Problem ist – und das beklagen wir ja auch alle fraktionsübergreifend –, dass zu viele Jugendliche die Schule als funktionale Analphabeten verlassen. Sinnentnehmendes Lesen ist in viel zu vielen Fällen Fehlanzeige, wie uns immer wieder auch Studien belegen. Und um das Schreiben und die Mathematik ist es nicht besser bestellt. Natürlich betreffen diese Befunde in ganz besonderem Maße die sozial schwächeren Schülerinnen und Schüler, und auch wir von der Union sehen da dringenden Handlungsbedarf. Die Länder müssten angesichts der Bildungsmisere längst gezielter in die vorschulische Sprachförderung investieren und Schule so reformieren, dass die Schülerinnen und Schüler die Schule wenigstens mit solidem Basiswissen verlassen, auf dem die Ausbildungsbetriebe dann aufbauen können. ({0}) Ob wir dafür aber ein weiteres bundesweites Förderprogramm benötigen, wage ich zu bezweifeln. Das wäre dann das nächste Programm zu den vielen bereits vorhandenen, bei denen der Bund bezahlt, aber kaum bis wenig Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung hat. Zu Jahresbeginn ist bereits die Bund-Länder-Initiative „Schule macht stark“ gestartet, mit der die Bildungschancen von sozial benachteiligten Schülern an 200 Schulen verbessert werden sollen. Das ist ganz wichtig; denn wir alle wissen, dass gerade die Schüler, die unter schwierigen sozialen Bedingungen leben, durch die Coronapandemie noch mehr Gefahr laufen, den Anschluss zu verlieren. Dieses Programm zielt genau in die Richtung des Antrags der Grünen. Wir hoffen, dass wir mit diesem Programm den Schulen in Brennpunktgebieten und in sozial schwierigen Lagen die Unterstützung geben, die sich dann auch in den Entwicklungen und Leistungen der Schülerinnen und Schüler niederschlägt. In diesem Zusammenhang spielt auch das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ eine Rolle, das dabei helfen soll, dass coronabedingte Lernrückstände aufgeholt werden.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,915
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollegin Mannes, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Bull-Bischoff?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,916
228
19
Astrid
Mannes
11,004,814
Da wir in der Zeit schon so weit fortgeschritten sind und viele versuchen, noch die letzten Züge zu bekommen, würde ich gerne weitermachen. ({0}) Im Rahmen des Programmes macht der Bund mit 330 Millionen Euro den Weg für mehr Mentoren bei der Lernförderung, zusätzliche Schulsozialarbeit und Freiwilligendienstleistende in Schulen und Einrichtungen der Jugend- und Kinderhilfe frei. 150 Millionen Euro fließen in die frühkindliche Bildung. Der Bund hat also in diesem Jahr zwei Programme aufgelegt, um gezielt Schüler mit Lernrückständen bzw. Schüler aus sozial benachteiligten Gebieten zu unterstützen. Bevor wir jetzt das nächste ähnlich gelagerte Programm auflegen, sollten wir diese Programme starten, laufen lassen und dann in ein bis zwei Jahren dahin gehend auswerten, ob sie ihr Ziel erreichen. ({1}) Sind die Programme erfolgreich, dann sollten wir darüber beraten, wie lange sie laufen sollten, ob wir sie ausbauen können. Das muss natürlich dann auch mit den Ländern, in deren Kompetenz ja diese Programme fallen, gemeinsam geschehen. Abschließend zum Antrag der AfD. Herr Dr. Frömming hat vorhin das Hohelied auf den verfassungsmäßig verankerten Föderalismus gesungen und sich eigentlich gegen eine Ausweitung der Zuständigkeiten des Bundes gewandt. Die AfD hat aber Anträge vorgelegt, die genau in diese Länderkompetenz fallen. Das passt nicht so ganz zusammen. Man sollte dann auch konsequent sein und hier auf der Bundesebene solche Anträge nicht beraten, sondern die Länderkompetenz akzeptieren, wenn man der Meinung ist, dass sich das so gehört. Damit wünsche ich allen ein schönes Wochenende. ({2})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,918
228
19
Birke
Bull-Bischoff
11,004,688
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Dr. Mannes, es wäre eigentlich ganz einfach gewesen. Der geschätzte Kollege Schipanski war ja vorhin so bezuckert von unserem Antrag. Deshalb lese ich einen Satz aus unserem Antrag vor: Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die notwendige Reform des Bildungsföderalismus auf den Weg zu bringen und einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes vorzulegen, um das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung vollständig aufzuheben … Ich hätte gefragt: Stimmen Sie mir zu, dass in diesem Satz das Wort „Kooperationsverbot“ vorkommt? ({0})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,919
228
19
Astrid
Mannes
11,004,814
Ich glaube, die Antwort erübrigt sich. Sie haben das Wort vorgetragen, ja. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,920
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Dr. Karamba Diaby für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,921
228
19
Karamba
Diaby
11,004,259
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen Kinder endlich in den Mittelpunkt stellen. Es ist längst bekannt, dass Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien härter von der Coronapandemie getroffen wurden, und sie drohen immer weiter abgehängt zu werden. Ich finde, das können wir uns als Gesellschaft nicht leisten. ({0}) Als Bürger dieses Landes, als Vater dreier Kinder und als Bildungspolitiker kann ich nicht in meinen Wahlkreis zurückkehren, ohne zu wissen, dass dieses Parlament um die besten Lösungen ringt und alles dafür tut, dass es jedes Kind packt. ({1}) Mit Blick auf die beiden Abschlussjahrgänge droht sich die Zahl der Schulabbrecherinnen und Schulabbrecher zu verdoppeln. Die Landesjugendämter rechnen mit 210 000 statt 104 000 Abbrüchen. Ein Karriereknick ist immer schwierig. Doch in diesen jungen Jahren ist es kein Knick mehr, sondern ein Karriereschlag. Deshalb bin ich froh darüber, dass wir mit dem Corona-Aufholpaket mit Mitteln in Höhe von 2 Milliarden Euro eine wichtige Antwort auf diese Probleme geben: ({2}) Erstens. Wir schaffen mehr Förderangebote für die, die es brauchen. Zweitens. Wir fördern Jugendarbeit im Sport, Ausflüge, Ferienfreizeiten, außerschulische Angebote und Mehrgenerationenhäuser. Drittens. Kindern aus bedürftigen Familien wird außerdem noch einmal gezielt mit einem Kinderfreizeitbonus von je 100 Euro unter die Arme gegriffen. ({3}) Wir müssen natürlich noch mehr machen, meine Damen und Herren, zum Beispiel den Ausbau der Ganztagsbetreuung schnell im Parlament beschließen, damit der Rechtsanspruch endlich Realität werden kann. Die Kinderarmut beweist, dass Armut nichts mit persönlichem Verhalten zu tun hat. Deshalb müssen wir auch Tarifverträge stärken, und deshalb müssen wir auch den Mindestlohn von 12 Euro einführen, damit die Kinder nicht in Armut aufwachsen. Und wir müssen – was ich hier schon mehrfach betont habe – endlich Kinderrechte ins Grundgesetz schreiben. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stellen Kinder in den Mittelpunkt unserer Politik. Das Coronaaufholpaket ist dabei ein wichtiger Schritt. Weitere Schritte müssen folgen, und dafür setzt sich die Sozialdemokratie ein. Danke schön. ({5})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,922
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Ich schließe die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,923
228
19
Joana
Cotar
11,004,696
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Es steht schlecht um die Meinungsfreiheit in Deutschland. Sie wird nicht nur nicht geschätzt, nein, sie wird mittlerweile mit Füßen getreten – von der Politik, von den Medien, von den Meinungsmachern in der Gesellschaft. Die falsche Meinung zu haben und auch noch den Mut zu besitzen, sie offen zu äußern, kann schnell das berufliche und gesellschaftliche Aus bedeuten. 78 Prozent der Deutschen stimmten daher auch in einer Umfrage der Aussage zu, man könne Meinungen zu bestimmten Themen nicht oder nur mit Vorsicht frei äußern. 78 Prozent! Was für eine Schande für unsere Demokratie, meine Damen und Herren! ({0}) Auch 53 Schauspieler mussten erleben, was es bedeutet, wenn man den Mund aufmacht. Sie wagten es, in ihrer Videoreihe die Coronapolitik der Bundesregierung zu kritisieren. Es dauerte nur wenige Stunden, bis die gesamte Empörungsmaschinerie auf Hochtouren lief, ({1}) die darin gipfelte, dass der aktuelle WDR-Rundfunkrat die Beendigung der Zusammenarbeit mit den Schauspielern forderte. „Tatort“-Verbot für Liefers! Was die Bürger davon hielten, haben Sie letzten Sonntag gesehen: eine Einschaltquote von 39,6 Prozent. 14,2 Millionen Zuschauer haben gezeigt, was sie von solch totalitären Aussagen halten, meine Damen und Herren. ({2}) Der Druck war allerdings so groß, dass einige Schauspieler ihre Videos zurückzogen, auch zum Schutz ihrer Familien; denn selbst vor Morddrohungen schreckten die aufrechten Vertreter der einzigen Wahrheit nicht zurück. ({3}) Meinungstotalitarismus mit Struktur, „1984“ als Gebrauchsanweisung: Das ist Merkel-Deutschland 2021. ({4}) Akzeptiert wird man nur noch mit der richtigen Meinung, der richtigen Haltung. Ja, man darf alles sagen, aber eben nicht ungestraft. Das kann schnell mal den Job kosten, die Pension oder das Ehrenamt. An was mich das erinnert? An das „Kahlschlag-Plenum“ des Zentralkomitees der SED, in dem die liberale Kulturpolitik schlichtweg beerdigt wurde. Auf genau diesem gefährlichen Weg befinden wir uns mittlerweile, meine Damen und Herren. ({5}) Bei einem Familienrichter, der es wagte, eine Anordnung gegen die Maskenpflicht zu erlassen, gab es eine Hausdurchsuchung; Handy und Laptop wurden beschlagnahmt. Bestrafe einen, erziehe Hunderte! So macht man das, damit die Richter in Zukunft die richtigen Urteile fällen. Professoren können an Universitäten keine Vorträge mehr halten, wenn ihre Meinung nicht zum politischen Mainstream passt. „Cancel Culture“ nennt sich das Phänomen, das freie Debatten an deutschen Universitäten aus ideologischen Gründen gefährdet. Wer sich dagegen wehrt, wird angefeindet und verleumdet. Kabarettisten wie Lisa Eckhart können nicht mehr auftreten, wenn es dem linken Mob nicht mehr passt. Demonstranten, die für ihre Grundrechte und ihre Freiheit auf die Straße gehen, werden als Rechtsextreme gebrandmarkt und mit Wasserwerfern verjagt. Ein Arzt, der mit der #allesdichtmachen-Kampagne in Verbindung gebracht wurde, soll jetzt seinen Mietvertrag verlieren. Denunziert hat ihn ausgerechnet eine Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsfraktion. Herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Herren! Ich hoffe, Sie sind stolz auf solche Mitarbeiter. ({6}) Auch die Mainstream-Medien stürzen sich auf jeden, der es wagt, aus der Konformität auszuscheren. Werte Presse, es ist nicht mutig, sich auf die Seite der Bundesregierung zu stellen und von dort auf alle einzuschlagen, die einfach eine andere Meinung haben. Als vierte Gewalt im Staat sind Sie dafür verantwortlich, der Regierung auf die Finger zu schauen und den Finger in die Wunde zu legen. ({7}) Natürlich sehen wir die gleichen Mechanismen auch im Internet: NetzDG, Uploadfilter, automatische Weiterleitung von Kommentaren an das BKA – alles Mittel, um die Meinungsfreiheit im Internet einzuschränken. Und wenn gar nichts mehr hilft, dann beobachtet der Verfassungsschutz sogar unliebsame Blogs. Irgendwie wird man die Selbstdenker schon still bekommen. Der Medienstaatsvertrag befördert die Landesmedienanstalten zu Kontrollgremien für Webseiten und Social-Media-Konten. Diese können nun gezielt das Löschen von Beiträgen verlangen. Kommt man dem nicht nach, drohen empfindliche Strafen. Einige Netzportale sind daher schon vom Netz gegangen. Das, meine Damen und Herren, ist staatliche Zensur, und die ist in Deutschland verboten. ({8}) Willfährige Helfer der Regierung sind die großen Onlineplattformen, die selbst einen Heinrich Heine zum Hassprediger machen und seine Zitate löschen. Werte Kollegen, eines der wichtigsten Elemente unseres Grundgesetzes ist die Meinungsfreiheit, der Meinungsstreit in der öffentlichen Debatte. Nur der Austausch verschiedener Meinungen gewährleistet und sichert den Pluralismus. Ja, nicht alle Meinungen sind bequem, aber sie auszuhalten, macht eine wirkliche Demokratie aus. ({9}) Hören Sie also auf, den Leuten Angst zu machen! Hören Sie auf, sie zu bevormunden und einzuschüchtern! Akzeptieren Sie andere Meinungen, andere Sichtweisen, Alternativen! Schaffen Sie wieder offene Debattenräume! ({10}) Liebe Bürger, denken Sie daran: Sie sind keine Befehlsempfänger, die einfach nur Anweisungen von oben akzeptieren müssen. Sie sind Teil der demokratischen Willensbildung; Sie können sie mitgestalten. ({11}) Meine Damen und Herren, Freiheit ist schnell verloren, aber nur ganz schwer wiederzuerlangen. Lassen wir es nicht so weit kommen! Verteidigen wir das, was am wichtigsten ist – gemeinsam! Vielen Dank. ({12})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,924
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Philipp Amthor das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,925
228
19
Philipp
Amthor
11,004,656
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Cotar, die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Sie gibt Ihnen auch das Recht, hier ein Zerrbild der Gesellschaft zu zeichnen, ({0}) und sie gibt Ihnen auch das Recht, Unvernünftiges zu behaupten. Aber sie gibt Gott sei Dank uns auch das Recht und die Pflicht, diesem Unsinn an vielen Stellen zu widersprechen. Es ist nicht Zensur, sondern Ausdruck einer vernünftigen Debattenkultur, wenn sich am Ende Argumente und Fakten durchsetzen und nicht Ihr Populismus. ({1}) „Meinungsfreiheit schützen, Zensur verhindern – Debattenkultur bewahren“: Sie wollen hier wieder das Bild eines Landes zeichnen, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt, in dem die Debatten- und Streitkultur bedroht sind. Und ausgerechnet Sie wollen sich inszenieren als die großen Retter der Meinungsfreiheit und der Debattenkultur. ({2}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sind uns doch eigentlich alle einig: Diese Rolle nimmt Ihnen doch jetzt wirklich niemand mehr ab. So, wie Sie hier im Bundestag und in den Landesparlamenten auftreten, brauchen Sie uns gar keine Belehrung über Debattenkultur zu geben. Ich denke nur daran, mit wem Sie den Schulterschluss suchen – gerade in Zeiten der Coronapandemie –, ({3}) an die Parolen, die Sie skandieren – immer wieder dieselben –, an Ihr Verhalten hier in den letzten Wochen. Sie lassen Störer hier ins Parlament, Sie delegitimieren diesen Ort der Debatte, und Sie tragen zu einer Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses bei. Sie sind nicht die Retter der Meinungsfreiheit, sondern Sie träufeln Gift in den gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich einer anständigen Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Das ist aber auch typisch. Wir sind in den letzten Sitzungswochen dieser Legislaturperiode, und, klar, für Sie beginnt jetzt der Wahlkampf. Die alten Parolen werden jetzt recycelt. Das ist ja auch klar, weil Sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass bei Ihnen in den vier Jahren inhaltlich nicht viel rumgekommen ist – außer das Muster, dass Sie sich eben nicht auf Fakten berufen, das wir von Ihnen von Anfang an kennen. Auch hier reden Sie davon, dass der Staat in die Meinungsfreiheit eingreifen würde. Ich frage Sie: Wo beschränkt denn der Staat durch staatliches Handeln die Meinungsfreiheit? Das ist doch absolut daneben. ({5}) Wir müssen sehen: Die Meinungsfreiheit ist richtigerweise ein hohes Gut. Sie ist Nährboden für unsere Demokratie und deswegen durch Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz bewusst mit einem hohen Stellenwert grundgesetzlich geschützt. ({6}) Und ich sage Ihnen auch – das habe ich am Ausgangspunkt der Debatte schon einmal gesagt –: Natürlich schützt Artikel 5 nicht nur vernünftige Meinungen, sondern auch Unsinn, wenn man das möchte. Aber eines muss man deutlich sagen: Die Meinungsfreiheit gibt Ihnen nicht das Recht darauf, dass jede Meinung, die Sie äußern, auch unwidersprochen im Raume stehen bleibt. ({7}) Sie fordern: Zensur soll verhindert werden. – Wissen Sie, dafür braucht man in der Bundesrepublik Deutschland nicht die AfD. Auf diese gute Idee kamen auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes schon. Lektüre hilft! ({8}) Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes lautet: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Genau diese Grundrechte berücksichtigen wir auch bei unserer Gesetzgebung. Nur weil Ihnen in Debatten widersprochen wird, heißt das nicht, dass deswegen die Meinungsfreiheit gefährdet ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Es geht darum – und das verkennen Sie –, dass die Meinungsfreiheit natürlich auch Grenzen hat, so wie alle anderen Grundrechte auch, nämlich in den Grundrechten der anderen, im Recht der persönlichen Ehre, das jedem zusteht, der an Diskussionen teilhat, und die Grenzen im Strafrecht. Dass Sie es damit nicht so ernst nehmen, zeigt sich auch an der Art und Weise, wie Sie sich mit Pöblern und Hetzern gemeinmachen. Das ist nicht unser Stil, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Ich will Ihnen, damit ein bisschen was Konstruktives vom letzten Tagesordnungspunkt trotz Ihres schlechten Aufschlages bleibt, immerhin sagen: Ja, es ist für uns eine Herausforderung, dass wir die Meinungsfreiheit natürlich nicht nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger sehen müssen, sondern auch im Verhältnis der Bürger untereinander. Wie sieht es aus mit Diskurs- und Debattenräumen im Internet? Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Sie hier pauschal kritisieren, schafft dafür einen Rahmen, aber nicht, weil wir Ihre Meinungen im Internet verbieten wollen, sondern weil wir fest davon überzeugt sind, dass Ehre, Persönlichkeitsrechte und der Anstand für Einzelne auch im Internet geschützt werden müssen, und in diesem Geiste debattieren wir über die Meinungsfreiheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({11}) Ihre Beiträge sind nichts außer Populismus. ({12})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,926
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Konstantin Kuhle für die FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,927
228
19
Konstantin
Kuhle
11,004,796
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Coronakrise hat zu massiven Grundrechtseinschränkungen geführt, und sie hat massive und hitzige Diskussionen in unserer Gesellschaft verursacht. Eine dieser hitzigen Diskussionen drehte sich in den letzten Tagen und Wochen um die Aktion #allesdichtmachen, bei der Künstlerinnen und Künstler auf die Situation von Kunst und Kultur aufmerksam machen und gleichzeitig Coronamaßnahmen ironisch begleiten wollten. Nun kann man sich darüber streiten, ob das in jedem Fall gelungen ist. Es ist sicherlich Geschmackssache, ob man diese Videos gut findet oder nicht. Aber eines ist klar: Wenn man sich an die Seite der sogenannten Querdenker-Bewegung stellt, dann leistet man den Grundrechten in Deutschland einen Bärendienst; ({0}) denn man muss sich nur mal anschauen, wie die Wertschätzung für die Grundrechte und insbesondere für die Meinungsfreiheit am Rande dieser Querdenker-Veranstaltungen aussieht. Versuchen Sie mal als Journalist, bei einer Querdenker-Veranstaltung ein Interview zu machen! Das ist nicht möglich und artet unmittelbar in Gewalt aus. ({1}) Schauen Sie sich die Bilder an! Schauen Sie sich die Videos an, ({2}) wie Polizisten dort bespuckt, bepöbelt und geschubst werden! Schauen Sie sich an, was die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim gestern gesagt hat. Bei „Zeit Online“ hat sie gesagt, dass sie sich ohne Personenschutz im Grunde nicht mehr aus dem Haus traut. Das alles sind massive Beeinträchtigungen der Grundrechte. Deswegen ist klar: Wer sich die Meinungsfreiheit zunutze macht, wer sich die Versammlungsfreiheit zunutze macht, um Angriffe auf die Polizei, auf die Wissenschaft, auf Institutionen der Demokratie oder auf andere Bürgerinnen und Bürger zu unternehmen, der hat mit dem Widerstand aller Demokratinnen und Demokraten zu rechnen, meine Damen und Herren. ({3}) Es ist ja spannend, zu beobachten, wie die AfD versucht, die Grundrechte in unterschiedliche Gruppen einzuteilen. Auf der einen Seite sind die schlechten Grundrechte – die Rundfunkfreiheit, die Pressefreiheit, die Wissenschaftsfreiheit –, auch die Aktivitäten der Parlamente und der Parteien. Das ist alles schlecht; das sind alles Feinde des Volkes. Und das Einzige, was gut ist, das ist die Meinungsfreiheit in der Lesart der AfD. ({4}) Der Punkt ist aber, dass man in einer freiheitlichen Demokratie die Meinungsfreiheit gar nicht von der Pressefreiheit trennen kann, von der Versammlungsfreiheit, übrigens auch nicht von der Religionsfreiheit, vom Eigentum, von der Gesamtdarstellung der freiheitlichen Meinungen in Deutschland. ({5}) Wer in dieser Situation versucht, die alte populistische Erzählung, dass es gute und schlechte Freiheiten, dass es Feinde des Volkes und die einzig wahren Vertreter des Volkes gebe, zu verbreiten, der versündigt sich an der Demokratie, statt sie zu unterstützen. ({6}) Deswegen ist es ganz klar, dass das, was Sie hier heute vorhaben, eben keine Verteidigung der Meinungsfreiheit ist. Übrigens, weil wir ja eben gerade schon – auch Kollege Amthor – über klassische staatliche Eingriffe gegen die Meinungsfreiheit gesprochen haben: Sie finden doch Viktor Orban super, oder? Viktor Orban ist doch gut? ({7}) – Sagen Sie doch mal! Viktor Orban ist doch Ihr großer Held, der das christliche Abendland gegen muslimische Einwanderer verteidigt. ({8}) Sagen Sie doch mal: Viktor Orban ist doch gut? Cooler Typ. Jetzt habe ich mal eine Frage: Können Sie mir sagen, auf welchem Platz bei der Pressefreiheit, beim World Press Freedom Index, Ungarn 2006 gewesen ist? Wissen Sie es, 2006, Ungarn? – Es war auf Platz zehn, vor Deutschland. Noch im Jahr 2006 war Ungarn bei der Pressefreiheit vor Deutschland. Wissen Sie, wo Ungarn bei der Pressefreiheit heute gelandet ist? Auf Platz 92 – durch staatliche, klassische Eingriffe gegen Medien, gegen die freien Medien, gegen die Opposition, gegen die Wissenschaft. ({9}) Das ist das, was in Europa heute passiert. Das sind die Angriffe, die heute auf die freiheitliche Demokratie auf unserem Kontinent passieren, und dagegen müssen wir uns verteidigen, an der Seite von liberalen Demokratinnen und Demokraten in Europa und in Deutschland. ({10}) Meine Damen und Herren, ich will aber auch sagen, dass ich mich über die Vehemenz der Reaktion auf die Aktion #allesdichtmachen gewundert habe. Denn seit wann ist es eigentlich die Funktion und die Aufgabe von Kunst und Kultur, für den öffentlichen Diskurs in Deutschland besonders bequem zu sein? Die Meinungsfreiheit ist kein bequemes Grundrecht. Wenn die Meinungsfreiheit dazu führt, dass Menschen sich wundern, dass Coronamaßnahmen der Regierung hinterfragt werden, dann ist das gerade ein Gebrauch der Meinungsfreiheit, und indem man Berufsverbote für Schauspieler fordert, die eine Meinung vertreten, mit der man nicht einverstanden ist, ({11}) versündigt man sich auch an der Meinungsfreiheit. Das hätte nicht passieren dürfen. ({12}) Ich werbe im Umgang mit solchen Aktionen für mehr Entspannung, für mehr Respekt für die Kontroverse ({13}) und für mehr Lust an den Diskussionen, übrigens, meine Damen und Herren, auch hier im Parlament. Deswegen möchte ich abschließend dafür werben, dass auch wir im Deutschen Bundestag unseren Beitrag dazu leisten, dass es hier mal ein bisschen mehr zur Sache geht und dass die Diskussionen draußen in der Bevölkerung wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Wir könnten mal damit aufhören, dass hier mittwochs die Parlamentarischen Staatssekretäre, die ich natürlich sehr schätze, stundenlang irgendwelche Zettel vorlesen, ({14}) wozu man die Fragen eine Woche vorher einreichen muss. Was hat das mit einer lebhaften Diskussionskultur zu tun? Wir könnten mal aufhören, so zu tun, als wäre es ein einmaliges Ereignis, wenn die Bundeskanzlerin sich mal bequemt, zu einer Regierungsbefragung hier in den Bundestag zu kommen. Das sollte eigentlich jede Woche der Fall sein, wie das in anderen Parlamenten in Europa der Fall ist. ({15})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,928
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Kuhle, all diese Reformvorschläge müssen Sie jetzt an anderer Stelle einbringen. Bitte kommen Sie zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,929
228
19
Konstantin
Kuhle
11,004,796
Das würde dazu beitragen, dass wir die Diskussionskultur auch in Deutschland stärken und auch etwas für die Meinungsfreiheit tun. In diesem Sinne: Schönes Wochenende! Und bleiben Sie gesund! ({0})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,930
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat Dr. Karl-Heinz Brunner für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,931
228
19
Karl-Heinz
Brunner
11,004,256
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gehört schon eine gewisse Portion Chuzpe dazu, diese Tagesordnung heute so zu gestalten und von der AfD Belehrungen abzugeben, was Meinungsfreiheit und Pressefreiheit ist. ({0}) Sie haben eine gehörige Portion Chuzpe; denn wir wissen, dass sich die Bundesrepublik Deutschland und die Pressefreiheit in unserem Land von Platz 11 im Jahr 2020 auf Platz 13 im Jahr 2021 verschlechtert hat, und zwar deshalb, weil dort unter anderem 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalisten eingerechnet sind, die sich in der überwiegenden Anzahl eben aus Ihrem Milieu, genau aus Ihrem Milieu als solchem gespeist haben, ({1}) von Leuten, die bei Journalistinnen und Journalisten von Lügenpresse, von gesteuerter Presse, von Staatspresse, von Merkel’scher Presse oder Ähnlichem sprechen, die bei Demonstrationen von Querdenkern und Ähnlichen Journalistinnen und Journalisten hemmungslos angehen, indem sie sie schlagen, treten, zu Boden stoßen, bespucken, bedrängen, beleidigen und bedrohen. Und Sie stellen sich dann hierher und tun so, wie wenn die Aktion der Künstlerinnen und Künstler als solches ein Zufallsprodukt gewesen wäre, das Ihre Unterstützung benötigt! Nein, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in Artikel 5 unseres Grundgesetzes sehr wohl und sehr gut geschützt. Das ist ein wichtiges Gut in diesem Land. Aber Meinungsfreiheit und Pressefreiheit bedeuten auch, dass man ertragen muss, dass jemand eine Meinung sagt, und dass man ertragen muss, dass es Widerspruch gibt, starken Widerspruch aus der Gesellschaft. ({2}) Man muss auch ertragen, dass diese Meinungsfreiheit, diese Pressfreiheit ihre Grenzen dort hat, wo individuelle Rechte von Personen eingeschränkt werden. ({3}) Diese Grenze, verehrte Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, verehrte Damen und Herren, die zuschauen, zu überschreiten, dürfen wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier nicht zulassen; denn das Individualrecht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit, darauf, nicht beleidigt zu werden, nicht bedroht zu werden, keine Angst in dieser Gesellschaft haben zu müssen, ist ein gleich, wenn nicht höher schützenswertes Gut als die Meinungsfreiheit. Wir haben viele Menschen in diesem Land, die sich inzwischen – das sagen Sie zu Recht – nicht mehr trauen, etwas zu sagen, aber nicht, weil es staatliche Gewalt gibt, sondern weil aus Ihrem Milieu etwas kommt, zum Teil gesteuert aus der Russischen Föderation, mit irgendwelchen Bots, mit irgendwelchen Trollen und Ähnlichem im Internet, wo es ja ganz einfach ist, mit einem Klick „Daumen nach oben“ oder mit einem Klick „Daumen nach unten“ zu machen. ({4}) – Nein, das sind keine Verschwörungstheorien. Das sind Tatsachen. ({5}) – Also, ich kann von mir sagen: Ich bin selbst – in Anführungszeichen – „Opfer“ von so was geworden. Ich kann damit leben, ich kann das abschütteln, weil ich sage: Das sind alles Spinner. Diese Republik wird die Spinner auch ertragen und wird sich von diesen Spinnern wieder befreien. Spinner haben immer nur eine gewisse Zeit in diesem Land. ({6}) Spinner brauchen wir nicht als solche in den Mittelpunkt zu stellen. Aber ich sage, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen: Wir müssen in diesem Lande wehrhaft sein. Wir müssen unsere Pressefreiheit und unsere Meinungsfreiheit verteidigen. ({7}) Und wir müssen alle daran arbeiten, dass die Journalistinnen und Journalisten in diesem Land frei Bericht erstatten können, und zwar auch so, dass er uns mal nicht gefällt. Es gibt viele, die einen Pressebericht über sich gelesen und gesagt haben: O Gott, musste das sein? – Dann wird vielleicht der Redakteur angerufen, und man sagt anschließend: „Hättest du besser den Mund gehalten und nichts gesagt“, weil man es dadurch auch nicht unbedingt besser macht. Nein, wir müssen diese Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit dieses Landes ertragen. Aber wir müssen in diesem Land stark genug sein, unsinnige Aussagen, Verschwörungstheorien und etwa das, was uns Frau Cotar wie aus einem Lehrbuch über eine bizarre Republik vorgetragen hat, die ich nicht kenne, in der ich nicht lebe und in der ich nicht leben will, ({8}) von der Wahrheit und von der Realität zu trennen. In diesem Sinne darf ich Ihnen die letzten 45 Sekunden meiner Redezeit an diesem Nachmittag, der eh schon ein bisschen lang ist, schenken ({9}) und hoffe, dass wir alle miteinander auf gutem Wege sind, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit als solche zu schützen, zu erhalten und in den Mittelpunkt zu stellen. Vielen Dank. ({10})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,932
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,934
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Tabea Rößner das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,935
228
19
Tabea
Rößner
11,004,138
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als gestern die AfD eine Aktuelle Stunde beantragte, war ich ja schon gespannt, welches brandaktuelle Thema die AfD heute wieder umtreibt. ({0}) Stattdessen die gleiche alte Leier, mit der Sie Legendenbildung betreiben! Ich weiß nicht, zum wievielten Mal die AfD beschwört, die Meinungsfreiheit sei in Gefahr. Das ist, mit Verlaub, Blödsinn! ({1}) Allein die Tatsache, dass Sie Ihre Meinung hier so unverhohlen äußern können, zeigt doch, dass an Ihren Behauptungen nichts dran ist. Es wird auch nicht wahrer, je häufiger Sie das behaupten. ({2}) Es ist manchmal unerträglich, was Sie in diesem Hohen Haus an Unwahrheiten, Diffamierungen, Hass und Hetze verbreiten. Wenn Sie das unter Meinungsfreiheit verstehen, dann liegen Sie falsch. ({3}) Ich muss nicht betonen, dass die Freiheiten der Meinungsäußerung und der Information für eine Demokratie von essenzieller Bedeutung sind. Sie gewährleisten erst den freiheitlichen Prozess der Meinungsbildung, der den Motor der Demokratie bildet. Daher müssen wir diese kommunikativen Freiheiten schützen. Es wäre aber ein Missverständnis, anzunehmen, Freiheit hieße, man könne tun und äußern, was man wolle. Jede Freiheit hat ihre Grenzen. Ihre Ausübung darf nicht das Fundament untergraben, auf dem sie steht. Und dieses Fundament bildet unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, in deren Zentrum die Garantie der Menschenwürde steht. Die wechselseitige Achtung der Menschenwürde bildet auch die Grundbedingung eines demokratischen Diskurses. Das haben Sie in der Vergangenheit bisher noch nicht begriffen. ({4}) Aber die AfD begeht selbst immer wieder gezielte Tabubrüche, mit denen sie die verfassungsrechtlichen Grenzen überschreitet. Diese Grenzen sind aber nicht verhandelbar: weder im analogen noch im digitalen Raum. Das Internet darf nicht ein Ort werden, in dem sich Hass, Hetze und Lüge ungehemmt entfalten und Menschen um Leib und Leben fürchten müssen. Dem müssen wir etwas entgegensetzen. Wir müssen das Netz zu einem zivilisierten demokratischen Raum machen. Deshalb benötigen wir eine Gesamtstrategie gegen Hasskriminalität und gezielte Desinformation. Das gestern beschlossene NetzDG greift da zu kurz. Es geht darum, Menschen im digitalen Raum zu schützen und zu verhindern, dass Menschen sich aus dem demokratischen Diskurs zurückziehen. Obwohl Sie beim NetzDG wie viele andere am lautesten „Zensur“ schreien: Es ist doch so, dass diejenigen die Meldemechanismen der Social-Media-Kanäle missbrauchen, die für sie unangenehme Meinungen aus dem Diskurs drängen. ({5}) Das machen übrigens gerade die Anhänger/‑innen der AfD. Das hat mit Meinungsfreiheit überhaupt nichts zu tun. ({6}) Vor uns liegen zentrale Weichenstellungen für unser demokratisches Miteinander im digitalen Zeitalter. Internetgiganten darf nicht die Steuergewalt über den öffentlichen Raum überlassen werden. Das gilt auch für das willkürliche Sperren von Nutzer-Accounts. ({7}) Und es darf auch nicht sein, dass Profite von Internetkonzernen über dem Schutz der Grundrechte stehen. Das konterkariert einen freiheitlich demokratischen Meinungsbildungsprozess. Es gefährdet die Meinungsvielfalt und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das dürfen wir nicht länger dulden! ({8}) Den journalistisch arbeitenden Medien, insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, kommt heute und zukünftig eine umso bedeutendere Rolle zu. Der verfassungsgemäße Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient dem Gemeinwohl. ({9}) Er muss eine gemeinsame Öffentlichkeit schaffen, und zwar im Netz, wo diese ja verloren gegangen ist. Ich kann eigentlich nicht begreifen, dass Sie diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer so bekämpfen; denn Sie kommen dort regelmäßig zu Wort, ({10}) Sie sitzen in den Rundfunkräten und haben deshalb natürlich – – ({11}) – Nein, ich rede mir die Welt nicht schön. ({12}) Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine unabhängige Institution, die den öffentlichen Raum und die Öffentlichkeit gestaltet. Dass Sie das nicht begreifen, ist – – ({13}) Die demokratischen Prinzipien müssen aber auch bei den sozialen Netzwerken gelten, insbesondere für die mit hohen Nutzerzahlen, die Meinungsmacht entwickeln und die gesellschaftliche Meinungsbildung maßgeblich beeinflussen können. Zudem müssen wir Internetkonzerne stärker regulieren, vor allem, wenn sie Monopolstellungen haben und mit ihren algorithmischen Entscheidungssystemen darüber befinden, was wir sehen und was nicht, und wenn sie Profile von Nutzern und Nutzerinnen erstellen und ihre Gewinne mit personalisierten Daten maximieren. Der Medienstaatsvertrag der Länder geht da nicht weit genug.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,936
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Frau Kollegin.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,937
228
19
Tabea
Rößner
11,004,138
Und auf der EU-Ebene wird zurzeit der Digital Services Act verhandelt. Hier muss mit Mut und Durchsetzungswillen eine Regulierung verfolgt werden, die den Internetgiganten die Stirn bieten kann. Laissez-faire war gestern, gestalten ist heute. ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,938
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollegin Rößner, Sie müssen jetzt den Punkt setzen.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,939
228
19
Tabea
Rößner
11,004,138
Wir brauchen eine gemeinsame Öffentlichkeit, in der Menschen in gegenseitiger Achtung und auf der Basis von Vernunft und Wahrheit um das bessere Argument und die bessere Lösung ringen. Das stärkt unsere Demokratie. ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,940
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Alexander Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,941
228
19
Alexander
Hoffmann
11,004,304
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Witz der Woche kommt tatsächlich um die Ecke in Gestalt dieses Tagesordnungspunktes. ({0}) Die AfD – das muss man sich einmal überlegen! – beantragt eine Aktuelle Stunde, in deren Überschrift steht: „Debattenkultur bewahren“. ({1}) Nun hat die Startrednerin der AfD in ihrer Youtube-Rede – es wird ja dann immer so gemacht, dass man schön Youtube-Schnitzel machen kann; auch so macht man Meinungen – leider vergessen, zu sagen, über welche Debattenkultur Sie eigentlich reden. Welche Debattenkultur wollen Sie denn bewahren? Ist es denn die Debattenkultur, wo von „Messermännern“ und „Kopftuchmädchen“ die Rede ist? Ist es die Debattenkultur, wo der frühere Vorsitzende des Rechtsausschusses aus Ihren Reihen sich tatsächlich hinstellt und von Menschen spricht, die in Synagogen herumlungern? Ist es die Debattenkultur, die vom Mahnmal der Schande spricht? Ist es die Debattenkultur, die Sie eindämmen wollen, indem Sie hier Störer ins Parlament reinlassen? Ist es denn die Debattenkultur, die Sie Schülern an die Hand geben wollen, indem Sie Meldeplattformen für Lehrer schaffen? Die Meinungsfreiheit ist bei uns ein hohes Gut. Die ist in diesem Land so gewahrt, dass sogar das Prinzip AfD funktioniert. Wie das Prinzip AfD funktioniert, haben wir in dieser Woche gemerkt. Man schaut sich eine Sachdebatte an und überlegt: Wo habe ich maximales Empörungspotenzial? Wo habe ich maximales Verhetzungspotenzial? Und wenn ich nichts finde, dann konstruiere ich halt was. ({2}) So komme ich dann zum Beispiel bei der Frage der Privilegierung für Geimpfte und Genesene ganz schnell zum mittelbaren Impfzwang. ({3}) Aber, meine Damen, meine Herren, ein Rechtsstaat muss regelmäßig leisten können, dass er sich als Daueraufgabe tatsächlich immer wieder Gedanken macht, wie es denn um die Meinungsfreiheit im Land tatsächlich bestellt ist. Da muss man ehrlich sagen: Es ist heute #allesdichtmachen angesprochen worden. Selbstverständlich muss man sich Sorge machen, weil die Debattenkultur in unserem Land an mancher Stelle abzugleiten droht in ein schlichtes Einteilen zwischen Schwarz und Weiß, ja, man möchte fast sagen: Gut und Böse. Nicht jeder, der Coronamaßnahmen kritisiert, ist gleich ein Coronaleugner. ({4}) Aber keiner, der Coronamaßnahmen kritisiert, sollte sich von Coronaleugnern instrumentalisieren lassen – im Übrigen auch ein Stilmittel von Ihnen. ({5}) Wir haben in dieser Woche auch über das NetzDG gesprochen. Eine Erfolgsgeschichte, ({6}) die wir fortgeschrieben haben und mit der wir sehr gut dokumentieren, was für ein hohes Gut die Meinungsfreiheit ist. Wir haben uns von Anfang an, ab dem Jahr 2017, diese Aufgabe nicht einfach gemacht. Wir haben Bedenken ernst genommen. Wir haben eine Evaluierung vereinbart. Die Erkenntnisse haben wir jetzt in Form gegossen. Bemerkenswert bei der Debatte um das NetzDG ist doch, dass Sie von Anfang an bis heute dieses Gesetz mit Feuer und Schwert bekämpfen: natürlich – das überrascht niemanden von uns –, weil es ja das Prinzip AfD, das ich vorhin beschrieben habe, gefährdet und unter Umständen nicht mehr zur Realisierung bringt. ({7}) Aber Sie sind doch unehrlich. Sie sind doch unehrlich auch sich gegenüber, wenn Sie sich hierhinstellen und sagen: „Uns geht es um die Meinungsfreiheit; bekämpfen dann aber das NetzDG.“ Das NetzDG ist aber wieder dafür da, die Meinungsfreiheit gerade auch in der digitalen Welt zu schützen, weil wir im NetzDG zwei Dinge in Einklang bringen, nämlich das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und andererseits die Feststellung – das müssen Sie auch einmal verstehen und einsehen –, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist. ({8}) Wenn nämlich das Netz ein rechtsfreier Raum ist, funktioniert auch die Meinungsfreiheit nicht mehr. Denn wenn ich meine Meinung im Netz nicht äußern kann, ohne einen Shitstorm zu ernten, ohne Drohungen von Ihresgleichen zu bekommen, dann ist das Netz kein Raum mehr, in dem Meinungsfreiheit gewährleistet ist. ({9}) Solange Sie sich zu diesem Zusammenhang nicht öffentlich bekennen und nicht mal sachlich über Instrumente wie das NetzDG diskutieren können, diskreditieren und disqualifizieren Sie sich in diesen Debatten wieder und wieder. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({10})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,942
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gottfried Curio für die AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,943
228
19
Gottfried
Curio
11,004,698
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Thema heute: Meinungsfreiheit. Der Verfassungsschutz hat ein neues Beobachtungsobjekt entdeckt: ({0}) bestimmte Personen und Gruppen in der Querdenkenbewegung. Hier fällt zweierlei auf: Ein eigentlich gemeinter Personenkreis, dem staatsfeindliches Verhalten vorgeworfen wird, wird nicht wirklich kohärent beschrieben, aber die andere, viel größere Gesamtgruppe – hier: Querdenken mit ihren legitimen Protesten – wird mit in die Meldung hineingezogen, mitkontaminiert. In der Außenkommunikation wird durch diese Einbettung beim Bürger ein Generalverdacht erzeugt: eine Beobachtungsandrohung gegenüber der unbescholtenen größeren Gesamtgruppe. Regierungskritik wird so – entgegen den Beteuerungen des Verfassungsschutzes – diskreditiert durch Framing: Teile der Gruppe soundso jetzt unter Extremismusverdacht. – Was hängen bleiben soll, ist ebenso klar wie unredlich: Der demonstrationswillige Bürger wird eingeschüchtert. So fängt es an, meine Damen und Herren, und das darf nicht sein! ({1}) Für eventuelle Straftaten aus so einer Demo heraus sind im Übrigen Polizei und Gerichte zuständig. In dem Zusammenhang interessant: Laut einer Studie zu diesen Demonstrationen laufen da vornehmlich Leute, die Grüne und Linke gewählt haben. Der Verfassungsschutz spricht nun von der Verbreitung von Verschwörungstheorien. Wer definiert nun, was diese eigentlich sind? Haben wir endlich ein „Wahrheitsministerium“? Auf Nachfrage im Innenausschuss werden als Merkmale genannt: vereinfachende Erzählungen, die antagonistisch Gruppen gegeneinander stellen, das Ganze noch auf weltweite Dimensionen übersteigert. – Also wird da wohl an den Marxismus gedacht, ja? Arbeiter gegen Kapitalisten. ({2}) Michael Kretschmer twitterte am 5. Mai 2020: Auch die Behauptung, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen, ihre Grundrechte verlieren, ist absurd & bösartig. Das sei eine Verschwörungstheorie. – Nun, diese Woche so vom Bundestag beschlossen, meine Damen und Herren. ({3}) Und nun die eigens neu erfundene Kategorie „Delegitimierung des Staates“. Man kann alles darin sehen und nichts. Wo hört Kritik auf, und wo fängt Delegitimierung an? Kritik – gerade gesagt – gehört essenziell zu einem Staat, der sich noch als demokratisch verstehen will, und Demonstrationen erst recht. ({4}) Schließlich wird moniert, die Politik der Regierung werde verächtlich gemacht und mit Unrechtssystemen verglichen, daraus gar ein Widerstandsrecht nach Artikel 20 Grundgesetz abgeleitet. Hier offenbart sich ein gravierender Denkfehler des Verfassungsschutzes: Eine derartige Berufung auf das Grundgesetz, auch wenn sie fehlerhaft angewendet wird, setzt ja gerade den Willen zur Erhaltung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates voraus. Die Kritik des Verfassungsschutzes könnte sich allenfalls auf eine womöglich fehlerhafte Anwendung von Artikel 20 Grundgesetz beziehen. Man will also eigentlich sagen: Da bezeichnen doch wirklich Leute diese, unsere geliebte und treusorgende Regierung als Unrechtsregime. Unerhört! Demgegenüber ist festzustellen: Angegriffen wurde so aber gerade nicht „der Staat“ – soll suggerieren: das System der verfassungsmäßigen Ordnung –, sondern nur der aktuelle Träger der Regierungsgewalt, also diese konkrete Regierung, die sich jetzt begrifflich hinter „dem Staat“ versteckt. Man sieht: Die frisch erfundene Kategorie „Delegitimierung des Staates“ soll gar nicht dem Verfassungsschutz dienen, sondern dem Schutz der Regierung. Jeder soll aber auch weiterhin freimütig sein „Merkel muss weg!“ oder bald „Baerbock muss weg!“ rufen können, meine Damen und Herren! ({5}) Denn wirklich namhaft machen für eine tatsächliche Delegitimierung des Staates kann man eigentlich nur eine Kraft, nämlich denjenigen politischen Akteur, der die Grundlagen unseres Staates tatsächlich zur Disposition stellt: Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsfinanzen, Verfassung. Mit Souveränitätsabgabe zugunsten einer zentralistischen EU inklusive Schuldenunion und forcierter Massenzuwanderung und Masseneinbürgerung unternimmt diese Regierung in Wahrheit selber gerade das, was sie ihren Kritikern vorwerfen will. ({6}) Wir wären nicht in Deutschland 2021, wenn das Ganze schließlich nicht nur als Keule gegen kritische Querdenker genutzt werden soll, sondern auch – in Konsequenz – gegen die größte Oppositionspartei. Deshalb lohnt es sich, festzuhalten: Die Alternative für Deutschland steht an der Seite von jedem, der friedlich für die Grundrechte demonstriert, ist aber Gegner aller Parteien, die sich einsetzen für Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Grundrechte: Lockdown-Maßnahmen mit willkürlichem Grundrechtsentzug ohne Erforderlichkeitsnachweis, indirekte Impfpflicht, illegale Massenmigration, Schuldenunion, Great Reset, faktenfreie Klimahysterie. Wir sind und bleiben entschiedene Gegner derer, die im Amt die Verfassung brechen, Deutschland als Staat auflösen und unter Scheintiteln die Meinungsfreiheit aushöhlen. ({7}) Wer Verfassung und Rechtsstaat in Deutschland noch wirklich schützen will, das ist die Alternative für Deutschland. ({8}) Eine Stimme für die AfD ist eine Stimme für die Meinungsfreiheit, meine Damen und Herren. ({9})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,944
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Martin Rabanus für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,945
228
19
Martin
Rabanus
11,004,381
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon ein besonderer Treppenwitz, dass ausgerechnet die AfD eine Aktuelle Stunde mit dem Titel „Meinungsfreiheit schützen, Zensur verhindern – Debattenkultur bewahren“ beantragt. Denn wenn Sie an das Redepult treten, dann treten Sie alles, was Ihnen nicht in Ihren kleinen ideologischen Vorgarten passt, mit Füßen. Das haben wir heute in beiden Redebeiträgen wieder eindrucksvoll erleben können. Sie beleidigen, Sie diffamieren, Sie unterstellen, Sie entwickeln vollkommen krude Kausalitätsketten und Begründungszusammenhänge. Das ist schon alles irre, wenn man sich das mal ansieht. Ich glaube, der beste Beitrag zur Bewahrung der Debattenkultur, den die AfD leisten könnte, wäre, einfach sitzen zu bleiben und solche Debatten nicht vom Zaun zu brechen. ({0}) Wenn Sie von Meinungsfreiheit sprechen, dann meinen Sie natürlich nicht Meinungsfreiheit. ({1}) Sie meinen, dass Sie unwidersprochen jeden Blödsinn erzählen können, den Sie erzählen wollen. ({2}) Sie haben Meinungsfreiheit, aber dann kriegen Sie auch Meinungsfreiheit ab, indem Sie eine Reaktion auf das kriegen, was Sie sagen. Das ist dann nämlich auch Meinungsfreiheit. Es gibt übrigens auch eine Mehrheitsmeinung – nicht nur in diesem Parlament, sondern in der Gesellschaft. ({3}) – Das passt Ihnen nicht, dass Sie nur einen kleinen Teil dieser Bevölkerung repräsentieren, ({4}) aber Fakt ist: Die Mehrheitsmeinung will Ihre populistischen, radikalen und beleidigenden Parolen einfach nicht haben. ({5}) Das müssen Sie schlicht und ergreifend auch einmal akzeptieren. Die überwiegende Mehrheit dieser Bevölkerung will alles, aber keine Politik der AfD. ({6}) Ich sage jetzt auch etwas zu der reichlich misslungenen Aktion der Filmschaffenden unter dem Hashtag #allesdichtmachen. ({7}) Ich habe das öffentlich bisher nicht kommentiert. Da bin ich bei dem Kollegen der FDP: Man kann das alles mit ein bisschen weniger Aufgeregtheit machen. Das ist ein bisschen die Abteilung: Jeder blamiert sich so gut, wie er kann. ({8}) Aber wenn diejenigen, die das machen, so machen, dann bekommen sie das Wort deswegen ja nicht abgeschnitten, und sie bekamen das Wort auch nicht abgeschnitten. Aber wer sich bewusst oder unbewusst einer gefährlichen rechtspopulistischen Erzählung annähert ({9}) und sich diese zunutze macht und sich da auch vor den Karren spannen lässt, ({10}) der muss dann auch mit der Meinungsfreiheit der anderen leben ({11}) und ertragen, dass man das für gefährlichen Blödsinn hält. Das ist auch bei mir der Fall. Es ist auch so, dass ein großer Teil derjenigen, die zunächst mitgemacht haben, gemerkt hat, ({12}) dass sie sich auf dem falschen Pfad bewegt haben. Das ist übrigens keine Einschränkung von Meinungsfreiheit ({13}) – hören Sie zu, dann werden Sie es erfahren –, sondern der Erkenntnisprozess bei denjenigen, die sich dort wieder zurückgezogen haben, ist aller Ehren wert. Denn die Wahrheit ist auch, dass dazu Mut gehört, ({14}) weil Sie es dann sind, die sich mit Druck, Hass und Hetze über die hermachen, die sich von dieser Sache distanzieren. ({15}) Ja, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind in unserem Land unter Druck. Sie sind aber unter Druck von Hass und Hetze, von Anfeindungen durch Institutionen und von Einzelpersonen – auch das haben Sie gerade wieder bewiesen –, durch die sogenannten Querdenker, Populisten und Extremisten. Dagegen stellen wir Demokratinnen und Demokraten uns entschieden auf. ({16}) Es ist auch richtig, dass es für den einen oder die andere, die sich durch menschenverachtende oder rassistische Äußerungen hervortun, Konsequenzen gibt. ({17}) Auch das ist richtig; denn das Wort ist – das ist schon gesagt worden – die Vorstufe zur Tat. Deswegen ist es wichtig, erst zu denken und dann zu reden. Ich will aber auch sagen: Es gibt viele gute und positive Beispiele in der Gesellschaft. Lassen Sie mich eins aus dem Sport benennen; weil ich Hesse bin, sehen Sie es mir nach, dass ich auf die Frankfurter Eintracht ({18}) und den Präsidenten Peter Fischer zurückkomme, ({19}) der 2017 bereits sagte – ich darf zitieren, mit Erlaubnis der Präsidentin –: Es kann niemand bei uns Mitglied sein, der diese Partei wählt, in der es rassistische und menschenverachtende Tendenzen gibt … Der Sport muss auch ganz klar politisch sein und seine Stimme erheben gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen … ({20}) Recht hat er! ({21}) In dem Sinne wünsche ich der Eintracht alles Gute auf der Zielgeraden zur Champions League, meine Damen und Herren. ({22})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,946
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat Dr. Christoph Ploß für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,947
228
19
Christoph
Ploß
11,004,854
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich teile nicht Ihre Meinung, aber ich werde alles dafür tun, dass Sie die äußern dürfen. ({0}) Diese Worte, die dem Philosophen Voltaire in den Mund gelegt werden, sind der Maßstab für unsere demokratische Kultur, ({1}) und sie prägen bis heute unser Grundgesetz. Dass Meinungsfreiheit nicht aus der bürgerlichen Mitte heraus gefährdet wird, kann man doch wirklich jede Woche sehen. Ob Herr Gauland Unsinn bzw. schlimme Sachen erzählt wie „Der Nationalsozialismus ist ein Vogelschiss in der Geschichte“ oder viele andere Punkte – das dürfen Sie äußern. ({2}) Das heißt aber nicht – der Kollege Amthor hat es völlig zu Recht gesagt –, dass das ohne Widerspruch von der bürgerlichen Mitte hingenommen werden muss, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Wir dürfen aber trotzdem nicht die Augen vor gefährlichen Tendenzen verschließen. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass an Schulen, dass an Universitäten, dass in anderen Einrichtungen zumindest teilweise die Meinungsfreiheit vom linken Rand genauso wie vom rechten Rand gefährdet ist. Es gibt mittlerweile einige universitäre Veranstaltungen, die abgesagt werden, weil die Meinung einigen Studenten oder anderen Teilnehmern nicht gefällt. Es gibt auch von der rechten Seite Angriffe, wenn Personen aus dem linken politischen Spektrum reden, weil ihnen diese Meinung nicht gefällt. ({4}) Aber was unsere Demokratie und was gerade den Austausch an unseren Universitäten und Wissenschaftseinrichtungen auszeichnet, ist, dass man nicht nur in einer Art Selbstkonformismus verharrt und andere Meinungen zulässt, sondern sich möglicherweise auch kritisch mit diesen auseinandersetzt ({5}) und andere Meinungen möglicherweise sogar als bereichernd empfindet. ({6}) Da gibt es viele Beispiele. Wenn der Historiker Helmut Bley nicht an einer Veranstaltung in Hannover teilnehmen soll, weil er weiß ist und weil sich angeblich nicht er mit Rassismus auseinandersetzen sollte, sondern nur diejenigen, die direkt betroffen sind, dann legen hier einige die Axt an das demokratische Fundament unseres Landes; denn was uns auch im Deutschen Bundestag auszeichnet und was unsere demokratische Debattenkultur auszeichnet, ist doch nicht, dass man sich nur dann an einer Diskussion beteiligen darf, wenn man einer gewissen Gruppe zugehört oder eine bestimmte Identität hat. Eine Grundvoraussetzung für einen guten demokratischen Diskurs ist doch, dass man sich in andere hineinversetzt und dass auch wir als Bundestagsabgeordnete nicht nur etwas für unsere eigene Gruppe, für unser Geschlecht oder für unsere Altersgenossen machen, sondern dass wir uns auch in alle anderen Menschen dieses Landes hineinversetzen. ({7}) So wie ich in Anspruch nehme, als Mann auch etwas für Frauen zu tun und als jüngerer Abgeordneter auch etwas für Senioren zu tun, so erwarte ich von weiblichen Kollegen, dass die auch etwas für Männer tun oder dass ältere Kolleginnen oder Kollegen auch etwas für die jüngeren Generationen tun. Das muss doch der Maßstab für unsere Debattenkultur und für politische Entscheidungen hier sein. ({8}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, daher müssen wir auch alles gegen Bestrebungen tun, die das gefährden. Wenn ich mir ansehe, dass die AfD diejenigen, die den – aus ihrer Sicht – völkischen Gruppen nicht entsprechen und die – aus ihrer Sicht – nicht zum Volk gehören, ({9}) von demokratischen Diskursen ausschließen möchte, dann kann ich nur sagen: Wehret den Anfängen! Da müssen wir als bürgerliche Mitte alles dafür tun, dass das sich hier nicht ausbreitet. Wir müssen, meine Damen und Herren, all diese Tendenzen sehr ernst nehmen: an Schulen, an Universitäten, in anderen Bereichen. Es darf nicht sein, dass irgendwelche Meinungen gecancelt werden, zerstört werden. Es darf auch nicht sein, dass zum Beispiel eine Organisation wie die Neuen deutschen Medienmacher*innen sagen: Ein Wort wie „Einheimischer“ oder „Migrant“, das dürft ihr nicht mehr verwenden. ({10}) All dem müssen wir entgegenstehen. Das wird die große Aufgabe der bürgerlichen Mitte in diesem Land sein, ({11}) einer linken und einer rechten Identitätspolitik entgegenzutreten; denn das, was man schon nach dem Zweiten Weltkrieg konstatiert hatte, ist in diesen Tagen umso wichtiger: Die bürgerliche Mitte muss die offene Gesellschaft gegen all ihre Feinde verteidigen. Dafür werben wir als CDU/CSU-Fraktion gerade in diesen Tagen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({12})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,948
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Helge Lindh für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,949
228
19
Helge
Lindh
11,004,802
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ({0}) – Jetzt fühle mich fast an „Blockwart“ erinnert, wenn ich den Applaus gerade vernehme, aber das ist ja eine Tradition, in die Sie sich einordnen. Mit der Beantragung und dem Titel der Aktuellen Stunde haben Sie, was ich Ihnen nicht zugetraut hätte, jedenfalls Humor bewiesen. ({1}) „Meinungsfreiheit“ ist da das erste Stichwort. Sie sind ja die Antithese zu Meinungsfreiheit. ({2}) Sie sprechen – zweites Stichwort – über „Zensur verhindern“ und praktizieren diese regelmäßig auf Ihren eigenen Plattformen, wenn Ihnen sachliche Meinungen und andere Meinungen nicht gefallen. Das dritte Stichwort „Debattenkultur“ ist am schönsten; denn Sie haben weder Debatte noch Kultur. Glückwunsch! Das ist wirklich Humor, den Sie bewiesen haben. Sie haben ja auch großartige Kronzeugen, wie ich von Frau Cotar gehört habe. Sie versuchte ja, die SPD anzugreifen, indem sie einen Arzt erwähnte; er heißt, glaube ich, Herr Brandenburg. Es ist interessant, dass der Herr, wenn man sich das näher anguckt, auf seinen Plattformen selber betont, dass es wichtig wäre, dass man unterschiedliche Meinungen aushält und dass man es auch verurteilen müsse, wenn Andersdenkende öffentlich an den Pranger gestellt werden. Wenn man dann selbst Leute, die der eigenen Meinung offensichtlich nicht entsprechen, unter Missachtung ihrer Grundrechte an den Pranger stellt, dann ist das wirklich ein hervorragender Kronzeuge für Meinungsfreiheit. Und es wird noch besser: Dieselbe Person führt am 21. April 2021 in Bezug auf das Infektionsschutzgesetz aus, an diesem Tag habe das Parlament zum zweiten Mal im Reichstag die Demokratie verraten. – Also Gleichsetzung des Infektionsschutzgesetzes mit dem Ermächtigungsgesetz. Zur SPD findet sich da ausgeführt: Beim ersten Mal hätte die SPD noch Herz und Hirn gehabt, nicht Mittäter zu sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Leute, auf die Sie sich berufen, machen die SPD verächtlich. Aber diese Sozialdemokratische Partei hat, anders als Sie es immer präsentieren, gegen die Diktatur gestanden. Viele Sozialistinnen und Sozialisten und Kommunistinnen und Kommunisten waren schon in den Konzentrationslagern, als wir hier als Sozialdemokraten für dieses Land und diese Demokratie gekämpft haben. ({3}) Das nicht „Mittäter“ zu nennen, ist eine Bagatellisierung, Verharmlosung ({4}) und Verächtlichmachung der Demokratie einerseits und eine Verharmlosung des Nationalsozialismus andererseits. Das verstehen Sie unter Meinungsfreiheit. Herzlichen Glückwunsch! ({5}) Aber wir haben uns wahrscheinlich geirrt. Wir haben einfach ein unterschiedliches Verständnis von Meinungsfreiheit. Man muss das umdefinieren. Meinungsfreiheit im AfD-Deutsch heißt dechiffriert „Hassfreiheit“, also Freiheit zum Hass; denn das ist es, worum es Ihnen geht. ({6}) Sie gehen ja mit Kalkül vor. Das ist ja letztlich auch Täterschutz, damit Sie Ihren Hass und den Ihrer Unterstützer auch ohne Sanktionen weiter praktizieren können. Das verstehen Sie darunter. Und Sie haben auch einen interessanten Habitus dabei. Ich würde das vergleichen mit einem Waffenhändler, der sich als Lebensschützer darstellt. ({7}) Sie sind Waffenhändler, die sich als Lebensschützer darstellen. Das muss man auch erst mal schaffen. Das hat entweder mit einem Mangel von Herz und Hirn zu tun – ich erinnere an mein Zitat eben – oder mit wirklich großem Humor. Sie können sich die Antwort aussuchen. Was Sie also machen, ist, hier das Thema Meinungsfreiheit vor das Tribunal zu stellen. Bei diesem Scheintribunal gibt es vermeintliche Opfer; das sind Sie. Sie sind keine Opfer, übrigens auch nicht Herr Liefers. Er war in jeder Talkshow, sein Vertrag wurde verlängert. Wahrlich ist er kein Opfer der Meinungsfreiheit; das soll er ja auch nicht sein. ({8}) Aber er erleidet kein Martyrium. Dann gibt es Täter in diesem Tribunal, tatsächliche Täter – das sind Sie und Ihre unterstützenden Bataillone –, ({9}) und es gibt tatsächliche Opfer. Darauf möchte ich jetzt auch mal zu sprechen kommen. Was ist denn mit der Meinungsfreiheit vieler, vieler Frauen, die durch die frauenfeindliche Hetze Ihrer Anhänger im Netz bloßgestellt und attackiert werden? ({10}) Was ist mit deren Meinungsfreiheit? ({11}) Und warum wünschen Sie sich Meinungsfreiheit für sich selbst oder Herrn Liefers und andere von „Alles dichtmachen“, aber interessieren sich überhaupt nicht für die Meinungsfreiheit etwa eines Vaters eines Opfers von Hanau, Herrn Kurtovic? Nein, das interessiert Sie nicht. Und was ist mit den anderen Opfern? Einige sitzen auch hier. Ich sehe hier Frau Künast; ich erinnere an Claudia Roth und an mich selbst. ({12}) Das muss mal benannt werden. Es betrifft auch viele andere hier im Raum. Es wäre nicht so tragisch, wenn wir hier einfach nur über Ihre völkischen Dummheiten, über Ihre dämlichen Anträge oder sonst was sprechen würden. Aber mit Ihrem Vorgehen machen Sie Menschen kaputt. Und ich sage es hier deutlich: Aus meiner Sicht hatten Sie Ihre Finger mit am Abzug in Hanau, mit am Abzug in Kassel und mit am Abzug in Halle! ({13}) Nichts anderes war der Fall. ({14}) Zum Abschluss –
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,950
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Lindh.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,951
228
19
Helge
Lindh
11,004,802
– weise ich mal darauf hin, was das konkret bedeutet, was Ihre Fans und die, die Sie anstiften, in die Welt blasen. Ich lese vor – –
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,952
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Lindh, Sie müssen das verkürzen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,953
228
19
Helge
Lindh
11,004,802
Wie bitte?
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,954
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Sie müssen das jetzt verkürzen und zum Punkt kommen.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,955
228
19
Helge
Lindh
11,004,802
Gut, ich beschränke mich auf einen Satz: Ich passe dich in Wuppertal ab, fahre mit meinem E‑Scooter …, kann mit rechts Gas geben und mit links zuschlagen. Durch den Schlag wird deine abscheuliche Fresse zertrümmert. Vielleicht brechen ein paar Wirbel. Vielleicht kriegst du eine Gehirnerschütterung mit Blutungen und dein Neandertalergehirn schwillt an. … Sterilisation ist gar nicht nötig. … wer will schon so eine abscheuliche Missgeburt wie dich als Partner haben. Ja, Glückwunsch: Das sind die Geister, die Sie riefen! ({0}) Sie machen Menschen kaputt, Sie zerstören Leben. Sie sind die Letzten, die Meinungsfreiheit für sich beanspruchen können! Aber Sie sind erfolgreich darin, Hassfreiheit für sich zu beanspruchen. Glückwunsch! ({1})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,956
228
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Tankred Schipanski für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-07
1,060,957
228
19
Tankred
Schipanski
11,004,143
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bereits im Januar 2021 hatten wir eine Aktuelle Stunde zu genau dem gleichen Thema. Damals ging es um Trump und die Sperrung seines Facebook-Accounts. Heute sollen wir hier im Parlament Kulisse für die Spitzenkandidatur von Frau Cotar für die bevorstehende Bundestagswahl sein. Das ist also alles sehr durchschaubar. ({0}) Regelmäßig versucht die AfD mit untauglichen Argumenten, die Meinungsfreiheit in unserem Land zu diskreditieren; das erleben wir auch wieder in dieser Aktuellen Stunde. Lassen Sie mich als letzten Redner in dieser Debatte die schlimmsten Falschaussagen hier kurz richtigstellen. Frau Cotar, von Ihnen kam der erste Redebeitrag. Sie sprachen von „Meinungsdiktatur 2021“. Völliger Blödsinn! ({1}) Die Meinungsdiktatur von rechts haben wir 1945 beendet – ich erinnere an den morgigen Tag der Befreiung, den die AfD natürlich bezeichnenderweise nicht begeht –, und die Meinungsdiktatur von links haben wir 1989 beendet. 2021 ist geprägt von Meinungsfreiheit und Demokratie. Philipp Amthor hat es richtig festgestellt: Widerspruch gegen eine Meinung ist keine Zensur und keine Begrenzung von Meinungsfreiheit, sondern einfach Ausdruck eines demokratischen Diskurses. Kollege Hoffmann hat in der Debatte das Prinzip der AfD dargestellt und ihre Stilmittel entlarvt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Meinungsfreiheit schützt nicht Hass und Hetze, sie schützt nicht Beleidigung und Verleumdung. Dafür, dass Betroffene ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht in diesem Bereich effektiv durchsetzen können, haben wir in Deutschland das Zivilrecht, das Strafrecht, das NetzDG und in Kürze auch den Digital Services Act; Kollegin Tabea Rößner hat darauf zu Recht hingewiesen. Die Meinungsfreiheit schützt keine unwahren Tatsachenbehauptungen, also keine Fake News. Es gibt kein Recht auf Fake News oder sogenannte alternative Fakten, wie es von der AfD immer wieder wahrheitswidrig behauptet wird. ({2}) Das, was die AfD diesbezüglich betreibt, ist schlichtweg Missbrauch der Meinungsfreiheit, und diesem begegnen wir gegenwärtig mit Medienkompetenz und Medienresilienz – beides ist ausbaufähig –; die Beispiele von Anke Domscheit-Berg haben das in dieser Debatte noch mal sehr eindrücklich gezeigt. Ich begrüße daher ausdrücklich den Europäischen Aktionsplan für Demokratie. Wir haben da drei Säulen: Stärkung der Medienfreiheit und des Medienpluralismus, Schutz der Integrität von Wahlen und die Bekämpfung von Desinformation. Schauen Sie sich das einfach mal an; das ist aus dem Dezember letzten Jahres. Meine Damen und Herren, die AfD ist digitaler Brandbeschleuniger von Fake News und Hass im Netz. Damit sich soziale Netzwerke nicht zu Handlangern dieser Brandstifter machen, haben wir nunmehr eine Forschungsklausel im NetzDG etabliert, die unseren Wissenschaftlern Auskunft über den Umfang dieser geistigen Brandstiftung und deren Art und Weise der Verbreitung gewähren. Die Behauptungen von der AfD, insbesondere heute von Frau Cotar und gestern von Herrn Brandner, dass Rundfunkräte oder gar Landesmedienanstalten die Meinungsfreiheit begrenzen, ist schlichtweg absurd, zumal man wissen sollte, dass in all diesen Gremien auch Vertreter der AfD zu finden sind. ({3}) Diese Einrichtungen sollen Meinungsvielfalt und Meinungspluralismus sichern – ein verfassungsrechtliches Gebot des Artikels 5 unseres Grundgesetzes. Dass die AfD Vielfalt bekämpft, ist in dieser Aktuellen Stunde mehr als deutlich geworden. ({4}) Sie fühlen sich in geschlossenen Benutzergruppen mit Echokammern wohl, wo Sie unwidersprochen Hass, Hetze und Unwahrheiten verbreiten können. ({5}) Ich verwehre mich gegen Verdrehungen der AfD, die die Gesetze zur Sicherung von Vielfalt und zum Erhalt von Meinungsfreiheit und der Pflege der Debattenkultur als Begrenzung der Meinungsfreiheit darstellen. Werte Kollegen der AfD, Sie erzählen hier, Jugendschutzvorschriften seien Zensur. Das ist schlichtweg schizophren, was Sie da behaupten. ({6}) Das GWB, das NetzDG, das Urheberrecht, der Medienstaatsvertrag: All diese Vorschriften sollen Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit stärken. Dafür treten wir als Unionsfraktion weiter ein. Das gilt insbesondere auch für die Wissenschaftsfreiheit. Ich bin dem Kollegen Ploß sehr dankbar, dass er das in dieser Debatte noch mal betont hat. Abschließend, liebe Frau Cotar: Ich lasse mir von der AfD nicht vorschreiben, ob ich am Sonntagabend einen „Tatort“ – und wenn ja, welchen – sehe. Der „Tatort“ aus Weimar ist mindestens so witzig wie der aus Münster. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. ({7})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07