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1949-09-12 00:00:00
2021-05-07 00:00:00
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228
19
Martin Erwin
Renner
11,004,862
Grüß Gott, Herr Präsident! Nur noch drei verbleibende Plenarwochen – nicht mehr so ganz viel Zeit –, also hat die FDP-Fraktion Themenschnipsel und sonstiges Liegengebliebenes zusammengefegt und mit schön klingenden Titeln in inhaltsleere Anträge gepresst. ({0}) Wir folgen hier der Beschlussempfehlung aller befassten Ausschüsse. In erster Linie will ich mich mit dem Antrag der Grünen beschäftigen, nämlich „Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig anerkennen“. Hinter diesem sehr schönen und unschuldig daherkommenden Titel lugt schon die Fratze der grünen Ideologie; ({1}) es schlägt einem der Atem des Zerrbildes einer grün geprägten Gesellschaft entgegen: Hass auf Leistung, Hass auf Gewinne durch Leistung, Hass auf die Marktwirtschaft. Ihr Grünen – da Sie es offenbar nicht verstanden haben, helfe ich Ihnen gerne weiter –, wir haben doch schon einen Non-Profit-Journalismus, der heißt nur anders, nämlich öffentlich-rechtlicher Rundfunk, für den man als Bürger jährlich bereits 8 Milliarden Euro abpresst und bezahlen muss, weil er ja angeblich gemeinwohlorientiert sein soll und sein muss. Doch das reicht den Grünen offensichtlich noch nicht. Die ohnehin schon sehr weitgehende ideologische Gleichschaltung unserer Medien geht Ihnen nicht schnell genug voran. Die mit Steuergeldern des Bundes und der Länder latent geförderte ökosozialistische Dominanz in Kultur und Medien ist Ihnen noch nicht genug. Der von Ihnen betriebene und entfachte Kulturkampf in unserer Gesellschaft lodert Ihnen noch nicht hoch genug. Sie beklagen aufgrund der geltenden Rechtslage ein fehlendes finanzielles Engagement gemeinnütziger Stiftungen für Journalismus. Ich sehe jetzt schon, wie die ehemalige Stasi-IM „Victoria“ als Chefredakteur zukünftig massenhaft neomarxistische Ideologiepamphlete vorbereitet und verbreitet, ({2}) und dies dann als Ersatz für sinkende Auflagen im Pressewesen. Sie beklagen, dass ausgerechnet der Verein Correctiv nur über seine nebenbei betriebene Bildungsarbeit den Gemeinnützigkeitsstatus erhält. Verflixt, man muss also auch noch arbeiten und kann sich nicht ausschließlich seiner eigenen Berufung widmen, so als sozialistische Gesinnungs- und Zensurbehörde mit Anspruch auf Allwissen und einzig erlaubte Sichtweisen. Und schaut man dann in die Fußnoten Ihrer Antragsdokumentation, dann sieht man radikal-linke Köpfe dort: zum Beispiel Correctiv-, Attac- und Grüne-Jugend-Mitbegründer mit bestem Draht zum Campact-Verein. Übrigens: Sowohl Campact wie auch Attac wurde die Gemeinnützigkeit erst kürzlich entzogen. Dann folgte lautes, wütendes Kommunistengeheul, und jetzt ist das wieder umstritten. ({3}) Es geht in Ihrem Antrag nicht um Gemeinnützigkeit. Es geht nicht um eine angeblich weitere Stütze in unserer Demokratie. Es geht Ihnen hier ausschließlich um Meinungshoheit und um Deutungsdominanz in Medien, Presse und Internet. ({4}) Es geht Ihnen um die kulturelle Hegemonie, so ganz nach den Anweisungen des Erzkommunisten Antonio Gramsci aus dem letzten Jahrhundert, ({5}) der Ihnen genau vorgibt, wie diese kulturelle Hegemonie zur Durchsetzung der marxistischen Philosophie in das Alltagsbewusstsein der Bürgerlichen hineingekämpft werden kann. Es geht Ihnen also um die Befeuerung Ihres ökosozialistischen, neomarxistischen Kulturkampfes. ({6}) Aber Marxismus und Kommunismus haben auf dieser Welt weiß Gott schon mehr als genug Menschenleben gekostet. Wir sind angetreten und berufen, um Sie daran zu hindern. Und wir werden siegen. Venceremos! ({7})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,713
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Martin Rabanus aus der SPD ist der nächste Redner. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,714
228
19
Martin
Rabanus
11,004,381
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem Herr Renner eindrücklich unter Beweis gestellt hat, dass die AfD in keiner Weise Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist, wollen wir uns dem eigentlichen Thema wieder zuwenden. ({0}) Denn das Anliegen der demokratischen Oppositionsfraktionen ist ja ein richtiges. Es ist eines, das auf unsere Freiheit zielt, auf die Unabhängigkeit und die Vielfalt der Medien, die in unserer pluralen Gesellschaft Grundlage für die Willensbildung, für die Meinungsbildung jeder und jedes Einzelnen sind. So sind die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Presse- und Rundfunkfreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben und abgesichert, und das Demokratieprinzip in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes. Die SPD hat stets die Presse- und Meinungsfreiheit gegen ihre Gegner verteidigt und wird das auch zukünftig tun. ({1}) Dafür hat die SPD ein Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien beschlossen. Wir stehen zur dualen Rundfunkordnung. Ja, wir stehen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seinem Auftrag, und wir stehen für gute Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten. Wir wollen, dass sie sozial abgesichert sind, dass die Medienschaffenden in unserem Land mehr Auskunfts-, Freiheits- und Schutzrechte bekommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der Koalition eine ganze Menge auf den Weg gebracht; Frau Kollegin Motschmann hat darauf hingewiesen. Wir schützen Journalistinnen und Journalisten besser durch das Gesetz gegen Hass und Hetze. Auch die stärkere Zusammenarbeit der Medien mit der Polizei ist bereits benannt worden. Das ist wichtig. Wir stärken die Sicherheitsbehörden, beispielsweise durch das Bundespolizeigesetz. Ich will auch auf den stärkeren Schutz von Journalistinnen und Journalisten etwa bei Querdenker-Demos hinweisen.
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,715
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Herr Kollege Rabanus, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Lötzsch?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,716
228
19
Martin
Rabanus
11,004,381
Nein. Wir fahren fort. Wir haben eine Stunde Debattenzeit, und es gibt ja die Gelegenheit, auf die unterschiedlichen Punkte einzugehen. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stärken auch den Medienmarkt mit der Novelle des Urheberrechts. Auch das ist völlig zu Recht in einem der Anträge – ich meine, von der FDP – adressiert; das ist auch wichtig. Wir haben die sozialen Rahmenbedingungen für Medienschaffende verbessert, beispielsweise auch beim Zugang zum Arbeitslosengeld I. Wir haben zuletzt auch noch die Rechte der festen Freien im Medienmarkt durch das Bundespersonalvertretungsgesetz gestärkt. Aber natürlich ist noch eine ganze Menge zu tun. Ich will auch gar nicht verhehlen, dass wir bestimmte Dinge, die wir als Sozialdemokraten in der Koalition angehen wollten, mit der Union nicht haben umsetzen können, beispielsweise ein Gesetz über den Medieninformationszugang und die Auskunft im Bund. Alle Länder haben Informationszugangsgesetze, Transparenzgesetze – wir haben es leider nicht. Der SPD-Entwurf liegt seit 2019 vor. Das ist tatsächlich eine verpasste Chance für die Stärkung der Presse und der Medien in unserem Land. Mich ärgert auch, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, dass wir die Pressefreiheit nicht durch noch stärkeren journalistischen Quellenschutz weiter haben stärken können. Auch hierzu liegt ein Entwurf seit 2019 vor. Auch dieser Entwurf liegt bei dem Koalitionspartner, und wir kommen da nicht weiter. Aber sei’s drum. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben auch eine ganze Menge für die freien Medien erreicht. Das ist wichtig. Viele Punkte der Anträge der Opposition sind bereits umgesetzt oder in Umsetzung. Insofern werden die Anträge auch nicht unsere Zustimmung erfahren. Trotzdem ist es gut, dass wir diese Debatte hier heute führen können. Denn Presse- und Meinungsfreiheit sind keineswegs selbstverständlich, sondern sie müssen immer wieder neu erstritten werden. Das ist die Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten. Herzlichen Dank. ({1})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,717
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Zu einer Zwischenbemerkung erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,749
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Schweiger. – Nächster Redner ist der Kollege Udo Hemmelgarn, AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,718
228
19
Gesine
Lötzsch
11,003,584
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sie haben ja meine Zwischenfrage leider nicht zugelassen, Herr Kollege Rabanus. Darum möchte ich jetzt noch mal meine Position deutlich machen. Wir haben heute Morgen beim ersten Tagesordnungspunkt über die Aufgaben des Verfassungsschutzes diskutiert. Sie haben ja jetzt sehr wortreich dargestellt, dass Sie sich für die Rechte von Journalistinnen und Journalisten einsetzen. Warum sind Sie dann – oder vielleicht auch nicht – der Auffassung, dass der Verfassungsschutz die Tageszeitung „junge Welt“ zu Recht als „Organisation“ einstuft und beobachtet? Die „junge Welt“ hatte allen Fraktionen des Bundestages geschrieben. Lediglich eine Vertreterin der Grünen hat geantwortet. Unsere Fraktion hat dazu eine Kleine Anfrage gestellt. Ich sage ganz deutlich: Ich bin der Auffassung, die Beobachtung einer Tageszeitung durch den Verfassungsschutz ist nicht hinnehmbar. Wir als Linke können das nicht akzeptieren. Ich hoffe, dass das andere Fraktionen in diesem Bundestag auch nicht akzeptieren können. ({0})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,719
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Dann erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Thomas Hacker, FDP. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,720
228
19
Thomas
Hacker
11,004,734
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alarmierend und beschämend ist der letzte Bericht zur Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Der Zustand der Pressefreiheit in unserem Land, in der Bundesrepublik Deutschland, ist nur noch „befriedigend“, herabgestuft von „gut“. Erst vor wenigen Tagen bedrängten und nötigten drei Männer ein Journalistenteam der „Welt“, als dieses live vor dem Kanzleramt berichtete. Diesmal konnte die Polizei eingreifen. Die Bundesregierung zeigte sich besorgt: Journalismus müsse ohne Angst ausgeübt werden können. Meine Damen und Herren, Demokratie kennt keinen Konjunktiv. Die aktuelle Lage für Journalisten in unserem Land ist eine gesamtgesellschaftliche Aufforderung zum Einschreiten. Journalismus muss ohne Angst ausgeübt werden können. ({0}) Der „Tagesschau“-Sprecher Constantin Schreiber brachte es letzte Woche treffend auf den Punkt – ich zitiere –: Wenn man nur noch mit Polizeischutz zu einer Demo fahren kann, was sagt das über den Zustand der Gesellschaft? Aber Rückzug ist keine Lösung. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Montag war der Internationale Tag der Pressefreiheit. Doch was hat uns dieser Tag gezeigt? Sind wir über die Momente des Wachrüttelns, der Empörung, der Mahnung und des Forderns hinausgekommen? Leider nein. Wir wissen nicht erst seit Beginn der Coronapandemie, dass die Hemmungen sinken, die Gewaltbereitschaft zunimmt und der gegenseitige Respekt nur noch ein Fremdwort im täglichen Miteinander ist. Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit hat festgestellt, dass die Angriffe auf Journalisten in Deutschland im letzten Jahr einen historischen Höchststand erreicht haben. 69 tätliche Angriffe wurden erfasst; 2019 waren es 14. In seiner aktuellen Nahaufnahme geht Reporter ohne Grenzen bei der Zahl der Angriffe von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus. Wir sehen und wir kennen also nur die Spitze des Eisbergs. Berechtigte Kritik an Berichterstattungen muss es immer geben, aber Medienvertreter sind niemals Freiwild. Auf diese antidemokratischen Tendenzen müssen Politik und Justiz reagieren. Vor allem müssen die „Lügenpresse“-Krakeeler spüren, dass sie bestimmte Linien nicht ohne Konsequenzen überschreiten können. Reportagen und Berichte von Journalisten gefallen nicht jedem und müssen es auch nicht. Erst dann sind sie gut und wirkungsvoll. Erst dann können die Vertreter einer freien Presse als vierte Gewalt, als Korrektiv wirken und Missstände aufdecken. ({2}) Medienvertreter wissen, dass ihr Beruf kein leichter ist und auch nie war. Aber wenn für Kamerateams, Fotojournalisten oder Reporter der Einsatz in Kriegsgebieten statistisch sicherer ist als in großen deutschen Städten, dann haben wir ein grundsätzliches Demokratieproblem. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen die Freiheitsrechte konsequent stärken; denn sie sind für einen funktionierenden Rechtsstaat und eine lebendige Demokratie von grundlegender Bedeutung. Das schließt auch kritische Haltungen gegenüber dem Staat und seinen Institutionen mit ein. Wir müssen entschieden die Situation der Presse- und Medienvertreter verbessern und uns schützend vor sie stellen. Die Gegner unserer Freiheit, unserer Demokratie müssen spüren, wenn sie rote Linien nur als Einladung verstehen, diese zu überschreiten. Zuletzt fanden viele der Übergriffe bei Demonstrationen statt. Hier müssen wir auch die Polizei und die Länder stärker in die Pflicht nehmen. Es braucht eine bessere Kommunikation, ein besseres Verständnis der gegenseitigen Arbeit, mehr Respekt und Schutz. Es darf keinen qualitativen Unterschied der polizeilichen Maßnahmen geben. Gefährdungen von Leib und Leben von Medienvertretern sind genauso ein Angriff auf den Rechtsstaat wie Volksverhetzung oder Plünderungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für den Zustand unserer Pressefreiheit mag es in diesem Jahr noch ein „befriedigend“ gegeben haben; für die zurückliegende Arbeit der Bundesregierung zur Stärkung der Pressefreiheit kann es nur ein „mangelhaft“ geben. Liebe Elisabeth Motschmann, Positionspapiere müssen auch überleitend zu Regierungshandeln führen. ({4}) Hören wir doch bitte auf, immer nur in Sonntagsreden die Pressefreiheit zu beschwören! Stellen wir uns schützend vor die Journalistinnen und Journalisten! Verbessern wir ihren Schutz und ihre Arbeitsbedingungen! Sensibilisieren wir die Polizei für die veränderte Lage bei Demonstrationen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Zeit, zu handeln. Jetzt! ({5})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,721
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Doris Achelwilm, Die Linke, erhält als Nächste das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,722
228
19
Doris
Achelwilm
11,004,651
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesrepublik ist in der Pressefreiheitsrangliste von Reporter ohne Grenzen zurückgefallen. Der Zustand gilt offiziell nicht mehr als „gut“. Ausschlaggebend sind vor allem die eskalierten Demos sogenannter Querdenker. Wir haben die erschreckenden Bilder bundesweit gesehen, sogar hier vor dem Reichstagsgebäude. Die Lage ist ernst. Journalistinnen und Journalisten werden bei ihrer Arbeit beschimpft, bedroht, aggressiv angegriffen. In Deutschland haben sich solche Vorfälle im vergangenen Jahr verfünffacht. Diese Situation darf nicht als neue Normalität hingenommen werden. Medientätige und Pressefreiheit müssen vor Übergriffen sicher sein. Dafür sind nicht nur die Länder zuständig, sondern auch dieses Haus. Ein Auftrag, dem die GroKo noch nicht ausreichend gerecht geworden ist. ({0}) Die bekannten Versammlungen und ihre Auswüchse sind aber nicht annähernd das Einzige, was uns medienpolitisch alarmiert. Lokaljournalismus kämpft vielerorts um seine Existenz. Die Fusionen von Verlagen, Redaktionen und Meinungsmacht nehmen beträchtlich zu. Der Markt der Zeitschriften und Zeitungen wird von wenigen Konzernfamilien und Verlagsgruppen dominiert. Die Umsätze fließen spitz nach oben, während sich aus Tarifverträgen immer mehr herausgezogen wird. Die Folgen für Demokratie, Medienversorgung und Journalismus müssen uns hier viel intensiver beschäftigen. ({1}) Während zu meinen Studienzeiten – das ist auch schon eine Weile her – noch viele beruflich irgendwas mit Medien machen wollten, ist längst fraglich, ob das heute noch so ist. Unterbezahlung und Geringschätzung prägen mittlerweile das Berufsbild. Es gibt trotzdem weiter absolut großartigen, notwendigen, wichtigen Journalismus, weil Medienschaffende dafür einstehen und arbeiten. Aber es muss für sie auch ein sicheres Auskommen geben, Unabhängigkeit, Schutz, Perspektiven. Was wir dafür tun können, haben wir als Linksfraktion in unserem Antrag zur Debatte dargelegt. ({2}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es kann uns nicht kaltlassen, dass Medienbesitzer Milliarden mehren, während der Beruf des Journalisten, der Journalistin ein soziales Wagnis darstellt. Es kann uns nicht kaltlassen, dass in den Redaktionen unter diesen Umständen kaum die Breite der Gesellschaft vertreten ist. Ein Arbeitsumfeld der standardmäßigen Befristungen und Taschengeldhonorare kann sich nur der Nachwuchs leisten, der von Haus aus finanzielle Polster und Vertrauen in eigene Aufstiegschancen hat. Das letzte Jahr hat diese Situation noch gravierend verschlechtert. Die Auftragseinbußen waren und sind enorm. Darauf hat die Bundesregierung keine Antwort gefunden, nicht strukturell für die Medienlandschaft, nicht individuell für Freiberufler, etwa in Form eines Unternehmer/‑innenlohns, der fehlende Einnahmen vernünftig kompensiert. Das muss sich immer noch ändern. ({3}) Mitunter wurde problematischen Entwicklungen sogar Vorschub geleistet. Das Konzept der Presseförderung, das den strauchelnden Printmedien unter die Arme greifen sollte, hätte vor allem großen Verlagen geholfen, weil die Mittel für technische Investitionen ausgerechnet nach Auflagenstärke verteilt werden sollten, frei nach dem Motto „Wer hat, dem wird gegeben“. Es kam jetzt, wie es kommen musste: Nach substanzieller Kritik hat das Wirtschaftsministerium den Plan verworfen. Ich hoffe, dass es bald, wie von uns gefordert, zu einer Lösung kommt, die Medienvielfalt auf der Höhe der Zeit unterstützt statt untergräbt. ({4}) In die sehr mittelmäßige medienpolitische Bilanz dieser Regierung reiht sich außerdem ein blockiertes Whistleblower-Schutzgesetz ein. Dabei bräuchten wir genau so ein Gesetz, das Menschen schützt, die gravierende Missstände in Wirtschaft oder Politik aufdecken. ({5}) Bei der Gelegenheit sei an Julian Assange erinnert, der seit über zwei Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in London sitzt und maßlose Strafen fürchtet, weil er Kriegsverbrechen offengelegt hat. Das ist ein Exempel gegen jeden Journalismus, der sich mit den Mächtigsten anlegt. Wir fordern, dass sich für seine Freilassung von hier aus sichtbarer engagiert wird, wozu die Linksfraktion diverse Initiativen ergriffen hat, die wir auf jeden Fall fortsetzen. ({6}) Es darf nicht sein, dass die Bundesregierung dem Thema Pressefreiheit so wenig Beachtung schenkt, wie das in den letzten Jahren passiert ist, dass sich andererseits aber ein Bundesinnenminister nicht zu schade ist, gerichtliche Schritte gegen eine Kolumnistin anzudrohen. Und der Gesundheitsminister ist tatsächlich gegen Journalisten vorgegangen, die über seine Villa beim Grundbuchamt recherchierten. Was sind das für Signale? ({7}) Gerade nach diesem Jahr ist es an der Zeit, andere Weichen zu stellen, andere Botschaften zu senden. Wir brauchen Gesetze, die Medienvielfalt fördern und investigative Möglichkeiten der Kontrolle von Politik und Wirtschaft schützen, Schwerpunktstaatsanwaltschaften, damit angegriffenen Journalisten wirklich geholfen wird und die Verfahren nicht, wie so oft, bagatellisiert und eingestellt werden. „Die erste Freiheit der Presse besteht darin, kein Gewerbe zu sein“, hat Marx gesagt und auch in der Sache bis heute recht. ({8}) Dieser Gedanke muss wieder mit neuen Konzepten gedacht werden, genauso wie deutlicher werden muss, dass Journalistinnen und Journalisten offensiv vor Gewalt und vor staatlichen Einschränkungen geschützt werden müssen. Vielen Dank. ({9})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,723
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Nächste Rednerin ist die Kollegin Margit Stumpp, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,724
228
19
Margit
Stumpp
11,004,909
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Non-Profit-Medien wie Correctiv, Finanztip oder FragDenStaat sind nicht mehr aus unserer Medienlandschaft wegzudenken. Sie tragen zur Vielfalt der Berichterstattung bei, liefern wichtige Informationen für alle Lebensbereiche und leisten oft einen substanziellen Beitrag zur politischen Willensbildung. Ihr Beitrag stärkt unsere Demokratie und nützt der liberalen Gesellschaft. Daher rührt wohl auch der abgrundtiefe Hass der Rechten auf diese Medien. Allein auf die steuerrechtliche Anerkennung als gemeinnützig müssen Non-Profit-Medien verzichten, ganz im Gegensatz zu den Pfadfindern, zum Fußball oder zum Modellflug. Das klingt widersinnig, und das ist widersinnig. Denn wer außer den Verbal- und Rechtsextremen würde abstreiten, dass unabhängiger, nicht gewinnorientierter Journalismus einen wesentlichen Beitrag zur Funktion einer demokratischen Gesellschaft leistet. ({0}) Trotzdem müssen Non-Profit-Medien bisher ihre Gemeinnützigkeit durch andere Zwecke belegen wie zum Beispiel durch Volksbildung. Das heißt, sie müssen den größten Teil ihres Engagements anderen als gemeinnützig anerkannten Zielen widmen und sind dennoch in hohem Maße der Rechtsunsicherheit ausgeliefert – die örtlichen Finanzämter entscheiden. Das passt nicht mehr in die Zeit, gerade heute, wo die Medienvielfalt durch Konzentrationsprozesse und die Entwicklungen im Digitalen zunehmend bedroht ist. Deswegen fordern wir die Aufnahme von Non-Profit-Journalismus in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung. ({1}) In dieser steuerrechtlichen Anpassung sehen wir einen unkomplizierten und kostenfreien Beitrag zur Stärkung der Medienvielfalt. Wir Grünen sind überzeugt: Non-Profit-Medien können neben den etablierten öffentlich-rechtlichen und den privaten Medien zu einer weiteren wichtigen Säule in einer vielfältigen Medienlandschaft werden. ({2}) Medienvielfalt und Pressefreiheit sind eng miteinander verbunden. Das eine bedingt das andere. Wenn Medien unabhängig von Staat und Wirtschaft ihrer Arbeit nachgehen können, ist das eine gute Voraussetzung für die Sicherung von Pressefreiheit und einer vielfältigen Medienlandschaft. Zum Erhalt und zur Stärkung von qualitativ hochwertigem Journalismus müssen Bund und Länder gemeinsam die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Das ist wegen der gebotenen Staatsferne und Unabhängigkeit nicht einfach. Dazu bedarf es auch unterschiedlicher Instrumente. Die vorige Woche mit Ansage gescheiterte Presseförderung der Bundesregierung gehört nicht dazu. Das musste sich das Bundeswirtschaftsministerium nun auch selbst eingestehen. Wir haben diesen Ansatz von Beginn an als einseitig und falsch kritisiert und arbeiten mit der Unterstützung der Wissenschaft an einem verfassungsgemäßen Förderkonzept. Nächsten Mittwoch werden wir dazu das von uns in Auftrag gegebene Gutachten des Mainzer Medieninstituts zur Journalismusförderung vorstellen. Im Dialog mit den Bundesländern und den Medien wollen wir auf dieser Grundlage ein medienübergreifendes Fördermodell nach skandinavischem Vorbild erarbeiten. ({3}) Wie gesagt, das ist ein Instrument. Ein anderes unbürokratisches und unkompliziertes Mittel zur Stärkung der Medienvielfalt und der Pressefreiheit ist die Aufnahme des Non-Profit-Journalismus in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke in der Abgabenordnung. Dafür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung. ({4})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,725
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Axel Müller, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,726
228
19
Axel
Müller
11,004,829
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Jahrgang 1963. Das ist das Jahr, in dem Kennedy Berlin besuchte, aber auch das Jahr, in dem er ermordet wurde. Schon ein Jahr zuvor, 1962, ereignete sich in der Bundesrepublik Deutschland etwas, was mich später als politisch interessierten jungen Menschen und auch Jurastudenten ebenso sehr beschäftigt hat wie das tragische Schicksal des amerikanischen Präsidenten, etwas, von dem wahrscheinlich nur noch wenige in diesem Haus als Zeitzeugen berichten können; einer sitzt direkt hinter mir. Ich meine die „Spiegel“-Affäre. Dem Herausgeber des Magazins „Der Spiegel“ Rudolf Augstein, zeitweise Mitglied des Deutschen Bundestages, und seinem Kollegen Conrad Ahlers, später Regierungssprecher und Staatssekretär, wurde der Vorwurf des Landesverrates im Zusammenhang mit Veröffentlichungen um die Beschaffung des Kampfflugzeuges Starfighter und den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gemacht. Es wurden Redaktionsräume durchsucht, Unterlagen beschlagnahmt. Ja, Ahlers und Augstein wurden sogar zeitweise in Untersuchungshaft genommen. Sie haben dann beim Bundesverfassungsgericht gegen diese staatlichen Maßnahmen Verfassungsbeschwerde erhoben. Das hat 1966 dann ein bahnbrechendes und auch mehr als ein halbes Jahrhundert später nach wie vor gültiges Grundsatzurteil erlassen. An dieses sollten wir uns gerade in Zeiten der Pandemie, in der wir die Presse als systemrelevant eingestuft haben, erinnern. Das Bundesverfassungsgericht hat eine klare Richtschnur für das Verständnis von Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 unseres Grundgesetzes vorgegeben, wo geschrieben steht: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Darüber gehen die Meinungen in diesem Haus, wenn ich nach rechts schaue, bekanntlich auseinander; aber das lasse ich jetzt mal dahingestellt. Kernsätze der erwähnten Entscheidung sind: „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates …“ Weiter heißt es in dieser Entscheidung: „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“ Was folgt daraus? Das ist eine Institutsgarantie für eine freie Presse in einer privatwirtschaftlichen Struktur und die Verpflichtung des Staates, genau darüber zu wachen, dass es keine übermäßigen Konzentrationen am Meinungsmarkt geben darf, dass keine Informationsmonopole entstehen dürfen, aber auch, dass Übergriffe gegen die Medienvertreter in persona abzuwehren sind. All das tut die Bundesrepublik Deutschland bereits in vielerlei Hinsicht und an zahlreichen Stellen. Darauf will ich mit Blick auf die beiden Anträge von FDP und Linke kurz eingehen. Wir haben eine freie, privatwirtschaftlich agierende Presse, und wir unterstützen sie auch durch zahlreiche gesetzliche Regelungen und tatsächliche Leistungen. Zum einen macht es das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen möglich, Preisbindungen bei Presseprodukten festzusetzen und wirtschaftlich sinnvolle Fusionen zum Erhalt von Medienunternehmen zuzulassen. Zum anderen haben wir mit Blick auf den Transformationsprozess im Digitalen die Möglichkeit der Unterstützung geschaffen, indem wir 220 Millionen Euro bereitgestellt haben; allein im Nachtragshaushalt 2020 waren das 20 Millionen Euro. Die Linke kritisiert den Verteilerschlüssel. Dabei ist er, wie ich meine, durchaus transparent und plausibel. Er knüpft an Auflagenstärke sowie Verbreitungsgebiet an und setzt voraus, dass mindestens 30 Prozent redaktioneller Anteil bei einem Blatt bestehen muss. Auch den von der Linken geforderten Schutz in Bezug auf die Strafbarkeit sogenannter Datenhehlerei haben wir in § 202d StGB bereits geregelt. Ich weiß, Sie wollen die Gruppe der Journalisten auf eine weitere, nicht dieser Berufsgruppe zugehörigen Gruppe ausdehnen: auf die sogenannten Whistleblower. Wir haben einen Anfang gemacht – Stichwort „Verletzung von Geschäftsgeheimnissen“ –; da haben wir die Whistleblower geschützt. Zu weiteren Ausdehnungen sind wir, denke ich, bereit, und darüber muss man reden. Außerdem haben wir Journalistinnen und Journalisten nach § 53 der Strafprozessordnung davor geschützt, sich und ihre Informationsquellen preisgeben zu müssen, beispielsweise in einem Strafverfahren. Über die nationale Ebene hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland die europäische Ratspräsidentschaft dazu genutzt, in einer von Kulturstaatsministerin Monika Grütters geführten Arbeitsgruppe festzuschreiben, wie ein pluralistisches und widerstandsfähiges Mediensystem von grenzüberschreitenden Angeboten national wie auch EU-weit geschaffen werden kann. Deutschland engagiert sich, was Pressefreiheit anbelangt, in der OSZE und in den Vereinten Nationen. Und: Deutschland hat die Europäische Menschenrechtskonvention ratifiziert, wo in Artikel 10 ausdrücklich die Pressefreiheit normiert ist. Wir haben auch – um der Forderung der FDP nachzukommen und Ihrem Antrag Rechnung zu tragen – unsere Sicherheitsbehörden im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten ausreichend geschult; die Kollegin Motschmann hat das, denke ich, ausführlich dargestellt. Es muss festhalten werden, dass im vergangenen Jahr mehr als drei Viertel der Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten oder Medienvertreter bei Demonstrationen stattgefunden haben, entweder auf oder am Rande von Coronademonstrationen oder – das hat die Kollegin Achelwilm leider vergessen – am 1. Mai. ({0}) Wir tun alles, um dem Einhalt zu gebieten. Unter anderem werden wir solche – von Ihnen zu Recht kritisiert – zahlenmäßig nicht erfassten Vorgänge in den Mittelpunkt rücken. Das tut der Bundesinnenminister, indem er diese Dinge selber in den Fokus nimmt und öffentlich ächtet. Das ist meines Erachtens oftmals mehr wert als eine weitere Statistik, ein weiterer Bericht, der irgendwo in einer Schublade verschwindet. ({1}) All das und noch viel mehr findet sich in einem wirklich lesenswerten Positionspapier der CDU/CSU-Fraktion vom November 2020, ebenso die Forderung an das Auswärtige Amt, sich für einen UN-Sonderbeauftragten zum Journalistenschutz einzusetzen. Dazu gibt es auch einen entsprechenden Grundsatzbeschluss aus der 18. Wahlperiode. Ganz zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich etwas sagen zu der Klage beider Antragsteller, die ich genannt habe – sowohl von der FDP als auch von den Linken –, bezüglich Hass und Hetze im Netz, die leider auch vor Journalisten und Journalistinnen nicht haltmachen. Unserem entschiedenen Vorgehen dagegen, beispielsweise mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, wollte sich hier im Hause vonseiten der Oppositionsfraktionen niemand anschließen. Mit erheblicher Verzögerung ist es uns gelungen, das dann doch noch über den Vermittlungsausschuss im Bundesrat auf den Weg zu bringen.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,727
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,728
228
19
Axel
Müller
11,004,829
Dieses Gesetz gilt, und es wird wirken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,729
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Nächster Redner ist der Kollege Albrecht Glaser, AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,730
228
19
Albrecht
Glaser
11,004,727
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag wollen die Grünen einen sogenannten Non-Profit-Journalismus als gemeinnützig steuerlich subventionieren. Beklagt wird ein „Marktversagen“ hinsichtlich der „medialen Versorgung“ der Bevölkerung. Meine Damen und Herren, das könnte vielleicht auch das Relotius-Syndrom sein. ({0}) Der gemeinnützige, von steuerbegünstigten Spenden durch Karussellfinanzierung unterhaltene Non-Profit-Journalismus hat inzwischen in Deutschland eine große Szene, aus deren Lobbykonzeptpapier der Grünenantrag im Wesentlichen abgeschrieben worden ist. ({1}) Die tonangebende gemeinnützige Aktiengesellschaft PHINEO schleuste im letzten Berichtsjahr 24 Millionen Euro an steuerbegünstigten Spenden in ein breites Umfeld anderer steuerbegünstigter Einrichtungen. Sie tut dies in dem Verständnis – ich zitiere –, dass „der Journalismus … um seine orientierungsgebende Funktion in der Gesellschaft“ ringt, in Wahrheit also wohl eher um eine manipulative Vormundschaftsanmaßung, meine Damen und Herren. ({2}) Ringkämpfer auf diesem Feld ist unter anderem das Forum Gemeinnütziger Journalismus, dem die taz Panter Stiftung, die Augstein Stiftung, Belltower.News, Queer.de und Ähnliche angehören. Diesem Forum gehört auch die bekannte gemeinnützige Correctiv gGmbH an – bekannt auch deshalb, weil sie – wie etwa auch die dpa – im Auftrag des großen Mittelständlers Facebook gut bezahlte Netzkontrolle betreibt, um Regierungszensurvorgaben umzusetzen. ({3}) Der Geschäftsführer, der die Geschäftsidee „gemeinnütziger Journalismus“ erfunden hat, hatte 2015 ein gemeinnütziges Jahresgehalt von über 110 000 Euro. Die Zuwendungen an Correctiv kommen überwiegend aus der SPD-nahen Brost-Stiftung, die eng mit der Friedrich-Ebert-Stiftung kooperiert. Unter dem Etikett der Volksbildung wurde die Correctiv gGmbH als gemeinnützig anerkannt – nicht für ihren Journalismus. Ob es eine Betriebsprüfung der Steuerverwaltung je gegeben hat, um zu schauen, was tatsächlich unter dieser gGmbH passiert, ist nicht bekannt. Die Entscheidung eines Finanzamtes, dem Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit zu entziehen, wurde im Januar 2019 vom Bundesfinanzhof bestätigt. Seither findet ein Hauen und Stechen um den steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit statt, der nach Rechtslage nur Körperschaften zugutekommen soll, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Linken politischen Gesinnungsjournalismus unter Gemeinnützigkeit subsummieren zu wollen, meine Damen und Herren, ist unlauterer Wettbewerb im Vergleich zu ehrlichem Journalismus, der um seine entgeltlichen Kunden werben muss. ({4}) Diesem Irrwitz setzt die Krone auf – ich komme zum Ende, Herr Präsident –, dass die Grünen dem linksradikalen Forum Gemeinnützigkeit Journalismus per Spenden-Siegel die Entscheidungsgewalt übertragen wollen, in welchen Fällen die Finanzverwaltung die Gemeinnützigkeit anerkennen soll und in welchen nicht.
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,731
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,732
228
19
Albrecht
Glaser
11,004,727
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist das Gegenteil von dem, was heute eigentlich Gegenstand der Diskussion sein sollte. ({0})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,733
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Glaser. ({0}) – Ja, Frau Kollegin, aber es passiert nicht nur Rednern der AfD. Das hatten wir heute Nacht beispielsweise auch bei Abgeordneten der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen. ({1}) Ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber ich könnte es tun; ich habe das noch in Erinnerung. Nächste Rednerin ist die Kollegin Elvan Korkmaz-Emre, SPD-Fraktion. ({2})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,734
228
19
Elvan
Korkmaz-Emre
11,004,790
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ hat in ihrem Jahresbericht die zunehmende Gewalt gegen Journalistinnen und Journalisten festgehalten, auch hier bei uns in Deutschland. Pressefreiheit ist nicht nur auf Zensurfreiheit zu reduzieren, sondern betrifft auch die Sicherheit der Journalistinnen und Journalisten bei der Erfüllung ihrer verfassungsrechtlich geschützten Aufgabe: der unabhängigen Berichterstattung. Jeder Fall von Einschüchterung, Bedrohung und Denunziation des freien Wortes ist ein Angriff auf die Demokratie. Er ist ein Angriff auf alle Demokratinnen und Demokraten, und deshalb verurteilen wir diese Gewalt aufs Schärfste. ({0}) Wir müssen diese Taten erfassen und verfolgen. Von der Freiheit der Presse hängt unser demokratisches Miteinander ab, und hier muss der Rechtsstaat mit aller Konsequenz vorgehen. Als Digitalpolitikerin weiß ich, dass wir hierin nicht weniger als die Spitze des Eisbergs sehen, das Symptom eines grundlegenden Strukturwandels der Öffentlichkeit in unseren westlichen Demokratien, ein Problem, das weit über Deutschland hinausreicht. Was ist denn passiert, dass wir wütende Menschen auf der Straße sehen, die offenkundig nicht zwischen Verschwörungstheorien und bewusster Propaganda auf der einen Seite und einer sachgerechten, unabhängigen Berichterstattung auf der anderen Seite unterscheiden können oder wollen? Es gehört zu den natürlichen Effekten der sogenannten sozialen Netzwerke, dass die angemessene Organisation von Information – früher nannten wir das mal „gesellschaftlichen Diskurs“ – systematisch infrage gestellt wird. Und diese Unternehmen haben keinerlei Interesse daran, die Freiheit des Wortes im Sinne der Demokratie zu fördern. Wir dürfen nicht vergessen: Dass vermeintlich jeder alles sagen darf, macht noch keine Freiheit und erst recht keine Demokratie. Gerade bei Twitter, Facebook und Co beleben Polarisierung und Spaltung sogar das Geschäftsmodell, und diese Logik ist mit der Demokratie nicht vereinbar. ({1}) Deshalb ist es richtig, dass der Bundestag im letzten Jahr das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen hat. Deshalb ist es richtig, dass der Deutsche Bundestag gestern die Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beschlossen hat. Und deshalb ist es richtig, dass wir auf europäischer Ebene einen Digital Services Act und einen Digital Markets Act beschließen werden, mit denen wir endlich die digitalen Plattformen stärker regulieren. ({2}) Wir müssen die Gelegenheit nutzen, den öffentlichen Raum und insbesondere die digitale Öffentlichkeit wieder aktiv zu gestalten; denn gerade in der schönen neuen Welt werden die klassischen Medien eine zentrale Funktion übernehmen müssen. Zentrale Funktion der Medien ist und bleibt es, durch neutrale und unabhängige Berichterstattung die Selbstbeobachtung der Gesellschaft zu ermöglichen. Auch das Bundesverfassungsgericht schreibt ihnen eine wachsende Bedeutung zu. Vor dem Hintergrund der Risiken, die von der Netz- und Plattformökonomie ausgehen, geht es darum, ein Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. In diesem Sinne: Vielen Dank. ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,750
228
19
Udo Theodor
Hemmelgarn
11,004,743
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute über das Baulandmobilisierungsgesetz sprechen, muss man eines vorwegschicken: Es handelt sich wieder einmal um einen Etikettenschwindel dieser Regierung. Dieses Gesetz mobilisiert eines nicht: Bauland! Es verschärft die bestehende Krise des Wohnungsmarktes weiter. Dieser Gesetzentwurf ist handwerklich schlecht gemacht und präsentiert das gesamte Sammelsurium an Maßnahmen, die kaum etwas bringen, den Bürger aber erheblich beeinträchtigen. ({0}) Die Bürger werden auf der Grundlage ausgesprochen schwammiger Formulierungen in ihren Rechten massiv beschränkt. Es wird Rechtsunsicherheit geschaffen, wo klare und sinnvolle Regelungen notwendig wären. Die Sachverständigen haben diesen Befund weitgehend bestätigt. Wie üblich, hört diese Bundesregierung nur auf die Stimmen, die in ihr Weltbild passen. Welche Ideen finden sich im Einzelnen in diesem Gesetzentwurf? Da ist zunächst einmal der sektorale Bebauungsplan. Hier werden neben den bestehenden Vorgaben für Bebauungspläne zusätzliche Anforderungen formuliert. Anstelle einer Deregulierung, die immer wieder gefordert wird, werden weitere Voraussetzungen geschaffen. Es ist klar, dass schnelleres Bauen so nicht erreicht werden kann. ({1}) Und es ist illusorisch, anzunehmen, dass man auf diese Art und Weise den Mangel an Wohnraum bekämpfen kann. ({2}) Ein weiteres Highlight des Entwurfs ist die Stärkung des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Es kann jetzt auch bei wenig oder unbebauten Grundstücken ausgeübt werden, und auch die Frist zur Ausübung verlängert sich von zwei auf drei Monate. Für alle Beteiligten, insbesondere auch für die Mieter, bedeutet das eine längere Phase der Unsicherheit und des Stillstands. Man muss jetzt nicht nur auf das Grundbuchamt warten, sondern auch noch auf die Gemeinde. Von Beschleunigung der Prozesse keine Spur! Weshalb man es den Gemeinden nicht zumuten kann, das Vorkaufsrecht innerhalb von zwei Monaten auszuüben, und wie dadurch Bauland mobilisiert werden soll, ist das Geheimnis der Verfasser dieses Gesetzentwurfs. Im Ergebnis lädt die Stadt wieder einmal Verantwortung und mögliche Kosten beim Bürger ab. Ein weiteres wesentliches Element des Gesetzes betrifft die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, teilweise auch kurz „Umwandlungsverbot“ genannt. Mit der Neuregelung des § 250 Baugesetzbuch entscheidet sich die Bundesregierung gegen die Bildung und Förderung von Wohneigentum. Nur am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass Deutschland schon jetzt die zweitniedrigste Quote an Wohneigentum innerhalb der OECD aufweist und das Medianvermögen der deutschen Haushalte unter dem von Spanien, Italien und sogar unter dem von Griechenland liegt. Wir wissen, dass von Links-Rot-Grün jetzt das Argument kommen wird, dass sich die meisten Mieter einen Kauf ihrer Wohnung überhaupt nicht leisten können. Das ist leider richtig. Sie können das nicht, weil die Mittelschicht und die unteren Einkommensgruppen durch die Politik des links-grünen Mainstreams seit über 20 Jahren an Einkommen und Vermögen verloren haben. Es ist aus unserer Sicht zynisch, wenn die gleichen Akteure jetzt auf diesen Umstand verweisen, um die Eigentumsbildung und damit den Aufbau von Vermögen zu erschweren. Wahrscheinlich will diese Regierung dem Bürger die Lust auf Wohneigentum vor dem „Great Reset“ noch so richtig vermiesen. Zusammenfassend kann man also sagen: Die Bundesregierung will die Probleme mit mehr Bürokratie, mit mehr Staat und weniger Privateigentum lösen. Erwartet da noch irgendjemand etwas Gutes? Nachdem man jetzt mehr als ein Jahr von Lockdown zu Lockdown gestolpert ist und nach einem halben Jahr des fast kompletten Impfversagens sollte jedem klar sein, was das für Folgen haben wird. Sehr geehrte Damen und Herren, das Erschreckende daran ist, dass die Union nicht einmal im Ansatz erkennt, wie weit sie den Weg sozialistischer Irrlehren schon mitgegangen ist. Mit dieser Vorlage zur Baulandmobilisierung versuchen Sie, Probleme zu lösen, die Sie selbst geschaffen haben. ({3}) Und selbst das können Sie nicht. Sie schaffen das eben nicht. ({4}) Die Änderungsanträge der FDP sind sicherlich gut gemeint. Am wesentlichen Inhalt und am Geist dieses Gesetzes können aber auch diese nichts ändern. Vielen Dank. ({5})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,735
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste erhält das Wort die Kollegin Sandra Bubendorfer-Licht, FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,736
228
19
Sandra
Bubendorfer-Licht
11,004,956
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann den Eindruck gewinnen, wir leben von Krise zu Krise – erst die Euro-Krise, dann die Migrationskrise, nun die Coronakrise. Die eine Krise konnten wir vorerst mit Geld lösen, der anderen begegnen wir mit großer Menschlichkeit, und nun setzen wir unsere Hoffnung auf den Impfstoff. Für eine Krise in diesem Land aber ringen wir noch um eine Lösung. Es ist die Krise der Gefahr für freie und unabhängige Berichterstattung – eine freie und unabhängige Berichterstattung, die durch Gewalt, Bedrohung und Verrohung gefährdet ist. Seit Jahren wuchs in manchen Kreisen das Misstrauen. Bezeichnungen wie „Mainstream-Medien“ oder „Lügenpresse“ ebneten den Weg. Es folgten Gewaltfantasien, die nun in roher Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten gipfeln. Diese müssen nicht mehr in Kriegsgebiete reisen, um Gefahr für Leib und Leben zu spüren. Demonstrationen reichen, um bedrohliche Situationen zu schaffen. Der Maßstab bei manchen Menschen ist nicht mehr die reine Ablehnung der anderen Meinung; der Maßstab ist das Bekämpfen der anderen Meinung mit allen Mitteln. ({0}) Dieser Zustand ist – und das sage ich ganz klar – für alle Demokraten – –
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,737
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Ganz kleinen Moment, Frau Kollegin. – Herr Kollege Komning, wenn Sie durch den Saal schreiten, wäre ich dankbar, wenn Sie Ihre Maske aufsetzen würden. ({0}) Frau Kollegin, Sie können weiterreden. Ihre Redezeit ist angehalten worden.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,738
228
19
Sandra
Bubendorfer-Licht
11,004,956
Ich danke. – Der Maßstab bei manchen Menschen ist nicht mehr die reine Ablehnung der anderen Meinung; der Maßstab ist das Bekämpfen der anderen Meinung mit allen Mitteln. Dieser Zustand ist – das sage ich ganz klar – für alle Demokraten nicht tragbar, nicht tolerierbar und nicht entschuldbar. ({0}) Wir haben Menschen in diesem Land, die in einem kompletten informativen Paralleluniversum leben – ermutigt durch Fake News, bestätigt durch alternative Fakten, aufgehetzt durch die Verrohung der Sprache und geprägt von der Überzeugung, dass Gewalt ein Mittel der Auseinandersetzung sein darf. Wir nennen sie Querdenker, Reichsbürger, Rechtsextremisten, Linksextremisten, Antisemiten, Verschwörungstheoretiker und Gewalttäter, und eins eint diese alle: der Hass gegen unsere Freiheit. ({1}) Jetzt liegt es an uns allen, dagegenzuhalten, unsere Freiheit, unsere Demokratie, unsere Lebensweise zu schützen, und es gibt keine Freiheit ohne eine freie und unabhängige Presse. ({2}) Dazu brauchen wir endlich eine Strafverfolgung, die konsequent und zeitnah aktiv wird, Ermittlungsverfahren, die rasch Klarheit schaffen, und eine Rechtsprechung, die auch schnell Recht spricht. Wir brauchen einen noch besseren Austausch zwischen den Journalistinnen und den Einsatzkräften vor Ort. Dazu müssen wir die Einsatzkräfte mehr sensibilisieren. Wir müssen überlegen, ob wir das Strafrecht anpassen, um deutlich zu machen, dass ein Angriff auf Journalistinnen immer ein Angriff auf unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat darstellt. Der Kern des Hasses und der Gewalt ist nämlich die Intoleranz – die Intoleranz gegen eine andere Meinung. Was für ein Trauerspiel in einem pluralistischen Land! ({3}) In einem Land, in dem sich Journalistinnen und Journalisten verstecken müssen, möchte ich nicht leben. Lassen Sie es uns niemals so weit kommen. Herzlichen Dank. ({4})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,739
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Irene Mihalic, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,740
228
19
Irene
Mihalic
11,004,353
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Seit über einem Jahr beobachten wir mit großer Sorge die Entwicklungen bei den „Querdenken“-Protesten. Seit über einem Jahr warnen wir vor den Vernetzungen ins rechtsextreme Spektrum, vor den Allianzen mit bekannten Reichsbürgen und Rechtsextremen, vor den völkischen Rechten und Holocaustrelativierern, die jede Woche in unterschiedlichen Städten angeblich für Friede, Freiheit und Demokratie eintreten, aber eigentlich das genaue Gegenteil im Sinn haben. Freie Medien als „Systempresse“ oder „Lügenpresse“ zu diffamieren, ist nicht neu; das kennen wir schon von Pegida. Und schon viel zu lange haben wir in diesem Parlament eine Fraktion, die ein fragwürdiges Bild von Pressearbeit hat, was sie auch hier gerade in dieser Debatte in zwei Reden sehr eindrücklich unter Beweis gestellt hat. Bei der AfD wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerne als „Staatsfunk“ bezeichnet, und es wird dort gerne von „gekauften Journalisten“ geredet. Auch ehemalige Verfassungsschutzpräsidenten befeuern bedauerlicherweise diese Kampagne. ({0}) Und selbst in der Union ist man nicht frei davon, dass Abgeordnete ihrer Fraktion hier an diesem Redepult davon sprechen, dass mit Blick auf das gesellschaftliche Klima angeblich ein Problem mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk besteht. Solche Aussagen haben Folgen und können das Vertrauen in unabhängige Medien nachhaltig schwächen, und das können wir als Demokratinnen und Demokraten nicht akzeptieren, meine Damen und Herren. ({1}) Die unabhängige Presse ist seit jeher der Feind rechtsextremer und demokratiefeindlicher Bewegungen. Angriffe auf die Pressefreiheit haben mit dem Aufkommen von „Querdenken“ eine neue Qualität bekommen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir hier und heute dieses Thema auf die Tagesordnung heben, meine Damen und Herren. ({2}) Journalistinnen und Journalisten werden eingeschüchtert und bedroht, Kamera-Equipment wird zerstört, und sie werden daran gehindert, ihre Arbeit geschützt auszuüben. Die Angriffe hören aber nicht bei den Demonstrationen vor Ort auf: Reporterinnen und Reporter, die über „Querdenken“ oder Verschwörungstheorien berichten, werden auch außerhalb von Demonstrationen im Netz und sogar privat bedroht, angegriffen und mit Hassnachrichten geflutet. All das hat dazu geführt, dass Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen auf Platz 13 abgerutscht ist. Die Lage der Pressefreiheit in Deutschland ist damit nicht mehr „gut“, sondern nur noch „zufriedenstellend“. Aber das kann uns doch nicht zufriedenstellen, meine Damen und Herren. ({3}) Auch die Kritik von Journalistinnen und Journalisten am teilweise mangelnden Schutz bei Demonstrationen muss dringend ernst genommen werden. Polizeiliche Einsätze, bei denen Medienschaffende nicht ausreichend geschützt werden konnten, müssen evaluiert werden, und Einsatzkonzepte müssen auch dementsprechend angepasst werden, damit die Presse gefahrlos ihrem grundrechtlich geschützten Auftrag nachkommen kann. ({4}) Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das eigentlich selbstverständlich gegeben sein sollte, aber leider jeden Tag aufs Neue verteidigt werden muss. Deswegen ist es unsere Pflicht, zu gewährleisten, dass Medienschaffende ihre Arbeit ungehindert wahrnehmen können. Ganz herzlichen Dank. ({5})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,741
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Mihalic. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Yvonne Magwas, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,742
228
19
Yvonne
Magwas
11,004,346
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Montag haben wir den Welttag der Pressefreiheit begangen. Meinungsvielfalt, Meinungsfreiheit und publizistische Vielfalt sind die Grundpfeiler freier und offener Gesellschaften sowie der demokratischen Willensbildung. Leider sehen wir mit Desinformation und Hassrede vermehrt auch negative Aspekte unserer digitalen Welt. Sie gefährden die freie Meinungsbildung und den offenen Diskurs. Sie sind eine Gefahr für unsere Demokratie. Das spüren wir auch gerade jetzt in der Coronakrise. Im Internet, in den sozialen Netzwerken und auch auf den Plattformen kursieren gezielte Falschinformationen und Beleidigungen, die auf Manipulation und Verunsicherung abzielen, zum Beispiel beim Thema Impfen und Impfstoffe. Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen von Hass und Hetze betroffen. Frauen sind aber überproportional häufig im sexuellen Kontext oder im Hinblick auf ihr äußeres Erscheinungsbild mit Hasskommentaren konfrontiert. ({0}) Dem gilt es mit aller Kraft entgegenzutreten. ({1}) Wir brauchen nationale und europäische Gesetze. Wir brauchen die Bündelung aller Kräfte aus Politik, Medien, Aufsicht, Justiz und Plattformbetreibern, damit sich die Menschen unseres Landes auch in Zukunft über vertrauenswürdige, verlässliche und unabhängige Medien informieren und damit sie frei ihre Meinung bilden können. Diese Forderungen finden wir auch im Antrag der FDP. Hier sind wir auf einer Linie. Wir haben hierzu in der Koalition aber bereits wichtige Maßnahmen umgesetzt oder auf den Weg gebracht. Einiges wurde schon genannt: Das ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, welches wir gestern erst nachgeschärft haben. Das ist das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität. Das sind aber auch auf europäischer Ebene die zentralen und umfassenden Regulierungsansätze des Digital Markets Acts und des Digital Services Acts. Auf nationaler Ebene haben wir mit dem Medienstaatsvertrag und einigen Änderungen im Kartellrecht ein modernes Regelwerk geschaffen. Es gibt aber auch auf Länderebene tolle Initiativen und Projekte, die wir unterstützen. Hierzu gehört unter anderem die Initiative „Gemeinsam gegen Hass im Netz“ von der Sächsischen Staatsregierung und der Sächsischen Landesmedienanstalt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seriöser Journalismus und vertrauenswürdige Medien sind das beste Mittel gegen Desinformation. Die Medien können ihre Rolle als Vermittler recherchierter und im journalistischen Sinne neutral aufbereiteter Information nur dann nachkommen, wenn sie auf den Medienplattformen auch für den Nutzer auffindbar sind. Daher ist es wichtig, dass die im Rahmen der nationalen und europäischen Medienregulierung gefundenen Lösungen nicht durch die betroffenen Plattformen und Netzwerke mittels eigener Regelungen umgangen bzw. ausgesetzt werden dürfen. Das müssen wir klar ausschließen. ({2}) Es gehört aber auch dazu, dass die Menschen seriösen von unseriösem Journalismus unterscheiden können. Daher wollen wir zur weiteren Erhöhung der Medienkompetenz die bisherigen Projekte der digitalen Bildung in Kitas, in Schulen, im Bereich der Lehrerausbildung, bei Trägern der Erwachsenenausbildung sowie an Fachhochschulen und Universitäten fördern und weiterentwickeln. Das Schulfach Medienkompetenz könnte gerne auf den Lehrplänen auftauchen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist natürlich die Stärkung der lokalen Medien und unserer dualen Medienordnung. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass insbesondere die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Menschen und hier auch besonders die jüngere Generation als meistgenutzte Anbieter überzeugt haben. Gründe für die gestiegene Nutzung liegen vor allem in der Glaubwürdigkeit und der Vertrauenswürdigkeit hinsichtlich der Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender. Wir als Union stehen deshalb zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen erfolgreicher Weiterentwicklung, das Ganze natürlich eingebettet in einer starken dualen Medienordnung. Und ja, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wir sehen auch die Rolle der privaten Sender. Die privaten Rundfunkanbieter wurden durch den Bund in der Coronakrise mit 20 Millionen Euro unterstützt. Hinzu kommt, dass sie auch die Möglichkeit haben, vom steuerlichen Verlustrücktrag Gebrauch zu machen. Die entsprechenden Forderungen in Ihrem Antrag sind daher weitgehend überholt. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den kommenden Jahren wird es weiter darum gehen, Medien- und Meinungsvielfalt zu stärken. Qualität muss in der digitalen Welt stärker gefördert werden. Dazu gehören eine beherzte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Stärkung der Privatsender, die Unterstützung regionaler und lokaler Medien, die Stärkung der Medienkompetenz sowie die selbstregulatorische und, wo nötig, auch die regulierte Verantwortung der großen Konzerne – das alles für einen qualitativen, vielfältigen Journalismus und gegen Desinformation und Hassreden im Netz. Vielen Dank. ({4})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,743
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,744
228
19
Mario
Mieruch
11,004,822
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pressefreiheit und Presseunabhängigkeit sind für eine Demokratie elementar. Nicht umsonst spricht man von der vierten Macht, welcher hinsichtlich Objektivität und Neutralität eine besondere Rolle zukommt. Und ja, die Pressefreiheit wird immer wieder angegriffen, und nein, das dürfen wir nicht hinnehmen. Mit der gleichen Konsequenz sollten wir aber auch auf die Presseunabhängigkeit achten. Als im letzten Jahr die Coronawerbefilme hohe Wellen schlugen, war das für mich Anlass, unseren Regierungssprecher Seibert zu fragen, wie viel Steuergeld unsere Regierung eigentlich an private Medienunternehmen zahlt. Die Antwort: von 2015 bis 2020 satte 220 Millionen Euro. Das ist eine nicht unerhebliche Summe angesichts rapide gefallener Auflagen vieler Zeitungen und Verlage. Gute 1,8 Millionen Euro kostete dabei die Coronakampagne, bei der man den Lockdown-gebeutelten Zuschauern empfahl, doch einfach auf der Couch sitzen zu bleiben. Konzipiert wurde das von der Hirschen Group, einem Schwergewicht im Marketing; sowohl die Grünen als auch die CDU pflegen gute Kontakte dorthin. Nun wollte ich von unserem Regierungssprecher wissen, an wie viele Medienunternehmen die Coronawerbefilme verteilt wurden und wie viel Steuergelder diese jeweils dafür bekamen. Das zu beantworten, verweigert er seit einem Jahr. Die Geschäftsgeheimnisse dieser Unternehmen seien hier höher zu bewerten als mein parlamentarisches Frage- und Kontrollrecht; so seine Einzelfallentscheidung. Was für eine Frechheit! Aber Seibert setzte noch einen drauf; denn ich gab mich damit nicht zufrieden. Ich wurde endgültig abgewürgt: Der Sachverhalt sei jetzt auch hinreichend erörtert. Da frage ich doch: Wo sind wir eigentlich hingekommen in diesem Land, wenn der Regierungssprecher entscheidet, was ich als Abgeordneter wann und wie tief fragen darf? Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren, der eine Organklage wahrlich verdient hat. Aber es gibt noch ein weiteres Beispiel. Am 12. Januar dieses Jahres luden Herr Seibert und Kanzleramtschef Braun Pressevertreter zu einem Hintergrundgespräch ein. Kurze Zeit später bestimmten die Coronamutanten die Schlagzeilen der Medien. Ich wollte also wissen, wer teilnahm, was besprochen wurde und noch einiges mehr. Die Antwort: Darüber führen wir keine Erhebungen. – Ja bitte, was? Seit einem Jahr muss jedes Restaurant eine Anwesenheitsliste führen – und das Ganze gilt im Kanzleramt und im Bundespresseamt nicht? Wen will man hier eigentlich für dumm verkaufen? Ich hakte also wieder nach, dass man binnen eines Monats doch kaum so vergesslich sein könnte. Die Antwort war, ich solle doch Verständnis haben, dass man dazu keine weiteren Informationen herausgibt. Nein, sage ich sehr deutlich und sehr laut, dafür habe ich kein Verständnis. Das, meine Damen und Herren, sind nicht nur Beispiele, wie das parlamentarische Fragerecht seitens der Regierung auf schamlose und skandalöse Weise ausgehebelt wird, nein, es stellt auch die Unabhängigkeit von Medien erheblich und begründet infrage. Denn wenn Medien Kampagnen fahren, die unter Umständen vorher mit der Regierung abgestimmt oder gar gemeinsam orchestriert wurden, und diese Medien den Bürgern verschweigen, dass sie ihre Infos aus dem Kanzleramt haben, dann haben diese Medien ihre Unabhängigkeit ganz freiwillig gegen Handlangertum getauscht. So wird aus Journalismus Propaganda. Auch dagegen muss sich eine Demokratie wehren. Vielen Dank. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,745
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Mieruch. – Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Barbara Hendricks, SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,746
228
19
Barbara
Hendricks
11,002,672
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als zufriedenstellend haben Reporter ohne Grenzen die Lage der Pressefreiheit in Deutschland bezeichnet; nicht als gut, wie in den Jahren zuvor. Das Zeugnis, das Deutschland Ende April in der weltweiten Rangliste ausgestellt wurde, kann uns eben nicht zufriedenstellen. Platz 13 von 180 Plätzen hört sich dabei zunächst akzeptabel an. Aber wenn es um die Pressefreiheit geht, dürfen wir uns nicht erlauben, Abstriche zu machen. Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich rede hier nicht davon, dass unsere Pressefreiheit nicht funktionieren würde. Selbstverständlich können Medien in unserem Land in der Regel frei und unabhängig berichten; durch staatliche Maßnahmen, wie das in vielen Ländern leider traurige Realität ist, werden sie nicht eingeschränkt. Doch es gibt immer wieder Fälle, in denen Journalistinnen und Journalisten bedroht, in ihrer Arbeit behindert oder angegriffen werden. Im vergangenen Jahr stellt sich die Situation der Pressefreiheit schlechter dar als zuvor: 69 körperliche Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, fünfmal mehr als im Vorjahr, zählte das European Centre for Press and Media Freedom. Etwa die Hälfte dieser Angriffe hatte einen rechten Hintergrund, 7 Prozent hatten einen linken Hintergrund. Auch die Tatorte wurden dokumentiert: 71 Prozent aller Angriffe fanden bei pandemiebezogenen Demonstrationen statt. Dabei sind es nicht nur die Reichsbürger und Rechtsextremisten, die bei den Demonstrationen zuschlagen. Die Hemmschwelle sinkt auch bei Menschen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Die Angreifer reihen sich damit ein in die Reihen der Demokratiefeinde der neuen Rechten, deren parlamentarischer Arm hier im Plenum sitzt. Auch wenn sich die Fraktionsvorsitzende Weidel im ZDF mehr schlecht als recht von den Coronaleugnern distanzieren wollte: Ihre Leute machen sich gemein mit den sogenannten Querdenkern. ({0}) Der Abgeordnete Hilse trug hier am Rednerpult des Deutschen Bundestages ein T‑Shirt der mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachteten sogenannten Querdenker. Der Abgeordnete Müller machte sich mit Verschwörungsideologen gemein, als er vor dem Brandenburger Tor die Menge mit seinem Gerede vom Ermächtigungsgesetz aufpeitschte. Der Grund für die Zunahme von Gewalt ist daher eindeutig: Die Leute, die von Diktatur und Lügenpresse reden, schränken gleichzeitig die freie Berichterstattung massiv ein. ({1}) Um der Gewalt auf Demonstrationen zu begegnen, hat die Polizei Hannover einen neuen Ansatz gewählt. Sie kündigte an, bei den Querdenkerdemonstrationen künftig spezielle Schutzzonen für Reporterinnen und Reporter zu schaffen. Dieser sicherlich gutgemeinte Vorschlag ist meines Erachtens aber nicht zielführend. Er erlaubt es dann zwar Medienvertretern, in einem geschützten Bereich ihrer Arbeit nachzugehen, nur bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass die Polizei den Schutz außerhalb dieser Zonen nicht gewährleisten kann. Das Recht auf eine freie und unabhängige Berichterstattung muss jedoch zu jeder Zeit und überall durch die Polizei gewährleistet werden. Sicherlich kennen Sie auch das Video der von mir geschätzten Journalistin Dunja Hayali, die sich im vergangenen Jahr bei ihrer Arbeit für das ZDF ausschließlich mit privaten Personenschützern auf einer Demonstration in Berlin bewegen konnte. Sie musste den Dreh dennoch abbrechen, weil die Anfeindungen und Bedrohungen ihre Sicherheit massiv einschränkten. Ich würde mir daher von der Polizei manchmal mehr Sensibilisierung für das Thema und auch neue Einsatzkonzepte wünschen. ({2}) Denn es ist der Staat, der die Pressefreiheit zu schützen hat. Gleichzeitig sind aber auch wir alle es, die mit unseren Werten vorleben müssen, dass andere Meinungen zu einer freien und pluralistischen Gesellschaft dazugehören. Vergessen sollten wir aber eines nicht: Bedrohung, Beleidigung und Gewalt sind keine Meinungen; es sind Straftaten. ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,747
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Hendricks. – Damit schließe ich die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,748
228
19
Torsten
Schweiger
11,004,889
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Wir reden heute über eine Baugesetzbuchnovelle, die einen besonderen Namen hat, nämlich Baulandmobilisierungsgesetz. Dieses Gesetz setzt die Ergebnisse der Baulandkommission weitgehend um. Es ist aber kein Solitärgesetz, sondern Bestandteil der Wohnraumoffensive, die ein Hauptpunkt unserer Koalition in dieser Legislatur war. Wir haben den Instrumentenkasten des Baugesetzbuches an circa 20 Stellen erweitert und präzisiert. Teilweise sind aber auch eigentumsbeschränkende Elemente dabei. Daher war es wichtig, dass der Einsatz dieser Instrumente nicht wahllos, sondern zeitlich befristet und auch nur da erfolgt, wo die Länder durch eine Rechtsverordnung den angespannten Wohnungsmarkt festgestellt haben. Eine neue B-Plan-Kategorie ist hinzugekommen: der sektorale Bebauungsplan. Er wird, wenn die Notwendigkeit besteht, Möglichkeiten bieten, insbesondere für die Wohnraumschaffung Ziele im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zu verankern. Die Umwandlung von Wohnungen wird begrenzt, ohne jedoch die Eigentumswohnung als Möglichkeit der Alterssicherung abzuschaffen. Daher war die Kleineigentümerklausel, wie wir sie verankert haben, auch so unwahrscheinlich wichtig. Auch der Vielfältigkeit und der Unterschiedlichkeit in den Ländern werden wir gerecht; denn durch die zeitlich befristete Rechtsverordnung können die Länder innerhalb eines Korridors abweichen. Besonders herausheben möchte ich auch eine neue Gebietskategorie: Das ist das dörfliche Wohngebiet. Hier denken wir, dass vielfältige Nutzungsmischungen, gerade im ländlichen Bereich, so einfach besser möglich sein werden. Aber auch das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne mit kleineren Grundflächen nach 13b BauGB werden wir beibehalten. ({0}) Denn die hierbei notwendigen, aber reduzierten Anforderungen haben in der Praxis durchaus gezeigt, dass keinesfalls eine missbräuchliche Nutzung erfolgt. Die Einbettung dieses Gesetzes in die Wohnraumoffensive ist konsequent und flankiert andere Maßnahmen, wie zum Beispiel das Baukindergeld, die erhöhte steuerliche Abschreibung oder auch die erfolgte Erhöhung und Dynamisierung des Wohngeldes. Jetzt wird es darauf ankommen, zu sehen, wie die Änderungen in der Praxis wirken und wie sie angenommen und genutzt werden. Gegebenenfalls muss man auch noch mal nachjustieren. Doch das wird sicherlich Aufgabe in der nächsten Legislatur sein. Zum Schluss meiner Rede möchte ich mich bedanken, insbesondere bei den Vertretern unseres Koalitionspartners, bei Claudia Tausend und bei Bernhard Daldrup. Der Regierungsentwurf musste nämlich noch über die sogenannte rote Linie gehoben werden. Das haben wir gemacht. Erst damit ist er zustimmungsfähig und nun von einem Regierungsentwurf zu einem echten Parlamentsgesetz geworden. Vielen Dank. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,787
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Tausend, SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,751
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Hemmelgarn. – Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol, SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,752
228
19
Sören
Bartol
11,003,496
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trinken, Essen, ein Dach über dem Kopf, das sind Grundbedürfnisse. Das Grundbedürfnis, ein Zuhause zu haben, das können sich viele Menschen in Deutschland aber kaum noch leisten, zumindest nicht in den Ballungsräumen dieser Republik. Hier muss etwas passieren. Deshalb bringen wir heute das Baulandmobilisierungsgesetz auf den Weg. Mit diesem Gesetz verabschieden wir das größte baupolitische Vorhaben dieser Legislatur. Es stärkt die Kommunen und den Mieterschutz. ({0}) Es ist kein Geheimnis, dass das in dieser Koalition kein leichtes Unterfangen war. Umso mehr freue ich mich, dass wir nun diesen wichtigen Schritt gemeinsam gehen. An erster Stelle möchte ich mich noch mal bei Vizekanzler Olaf Scholz bedanken. Mit seiner Expertise hat er den Regierungsentwurf maßgeblich geprägt. Wir haben gezeigt, dass die SPD für bezahlbaren Wohnraum und für die Interessen der Kommunen einsteht. ({1}) Ich bin aber auch dankbar, dass die Unionsfraktion dieses Gesetz trotz der anfänglichen Blockaden und internen Streitigkeiten mitträgt. Expliziter Dank gilt da meinem Kollegen Ulrich Lange. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Baulandmobilisierungsgesetz setzen wir den richtigen Rahmen. Erstens. Wir stärken die Kommunen bei ihrem Vorkaufsrecht. Wenn Grundstücke verkauft werden, haben sie künftig häufiger selbst die Chance, preiswert zu bauen. ({2}) Zweitens. Wir schieben der Spekulation mit Bauland einen Riegel vor. Derzeit gibt es in Deutschland 700 000 Baugenehmigungen, die offenbar nur beantragt wurden, damit Spekulanten auf steigende Preise setzen konnten. Hier bekommen die Kommunen mehr Spielraum. ({3}) Drittens. Wir geben den Kommunen mehr Mitspracherecht beim sozialen Wohnungsbau, damit auf Filetgrundstücken in Innenstadtlagen nicht nur Luxuswohnraum entsteht. ({4}) Und ja, dieses Gesetz ist auch ein Mieterschutzgesetz. Wir stoppen das Geschäftsmodell, nach dem ganze Mietshäuser in Einzeleigentumswohnungen umgewandelt werden. Dass Umwandlung angeblich hilft, Eigentum zu bilden, das ist doch pure Fantasie. Die überteuerten Eigentumswohnungen kann sich kaum ein bisheriger Mieter leisten. ({5}) Es geht um das schnelle Geld: einkaufen, umwandeln, modernisieren, weiterverkaufen. Damit ist jetzt Schluss. ({6}) Mit Blick auf die Opposition sage ich: Ihre Anträge haben mich enttäuscht. Entweder stehen da Dinge, die wir längst regeln, oder Sie versprechen das Blaue vom Himmel. Vielleicht sprechen Sie einfach mal mit Ihren eigenen Landesregierungen. ({7}) Liebe Grüne, dem Antrag zur Streichung des von Ihnen hier hochgezogenen § 13b BauGB haben weder Hessen noch Baden-Württemberg noch Schleswig-Holstein im Bundesrat zugestimmt. ({8}) Das ist nur ein Beispiel von vielen. Die SPD hingegen zeigt, dass wir unsere Versprechen einlösen und alles für Mieterinnen und Mieter rausholen. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch ein mietenpolitisches Thema ansprechen, das mir wirklich unter den Nägeln brennt. Wir müssen in dieser Legislatur die Verteilung der Lasten des CO ({10}) Deswegen fordere ich euch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, aber auch den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf, endlich eine Entlastung zugunsten der Mieterinnen und Mieter mitzutragen. Ich glaube, das sind wir den Menschen schuldig. Ansonsten wird es nichts mit dem gemeinsamen Kampf für mehr Klimagerechtigkeit. Vielen Dank. ({11})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,753
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Bartol. – Nächster Redner ist der Kollege Daniel Föst, FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,754
228
19
Daniel
Föst
11,004,716
Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was soll ich sagen? ({0}) Das war wieder nix! Wohnkostensteigerungen sind für viele Menschen immer noch existenziell. Sie haben sich in der Großen Koalition über Monate hinweg bei dieser notwendigen Reform im Baubereich im internen Koalitionsstreit verkämpft, anstatt endlich große Linien aufzuzeigen und pragmatisch zu handeln. ({1}) Die Novelle des Baugesetzbuches und der Baunutzungsverordnung wäre wirklich eine Chance gewesen, den Wohnungsmangel in Deutschland ein Stück weit zu beheben. Baulandmangel ist ein Riesenproblem. Baulandmangel ist einer der Flaschenhälse beim Schaffen von günstigem Wohnraum. Aber statt Bauland jetzt zu mobilisieren, wird es umverteilt. ({2}) Hinzu kommt: Die ganzen Baugebote, die neuen Verbote, die zusätzlichen B-Pläne, die Fristenverlängerungen, die ganzen neuen Eingriffsrechte sind weitere Baubremsen und Bauverlangsamer. Sie hauen mit der Bürokratiekeule so hin, dass kein Gras mehr wächst. ({3}) Das Bittere ist: Sie haben die zahlreichen konstruktiven Vorschläge der Verbände, übrigens auch der Bundesländer und der Opposition, einfach ignoriert. Sie haben diese Vorschläge zur Mobilisierung und zur Umnutzung von Bauland in den Wind geschlagen. Deswegen ist es auch keine Reform, die Sie hier vorgelegt haben, sondern allerhöchstens ein laues Lüftchen. Wir Freie Demokraten haben deshalb einen ganzen Stapel an konkreten Vorschlägen gemacht, wie man das Baulandmobilisierungsgesetz noch retten könnte. Wir brauchen endlich mehr Bauland. Wir brauchen endlich digitale Verfahren, digitale Bauleitplanung. Wir brauchen endlich mehr Flexibilität beim Bauen. ({4}) Wir brauchen endlich eine stärkere Unterstützung der Kommunen. Nur so entstehen preisgünstige Wohnungen, die die Menschen brauchen. Übrigens: Ein Satz zu Ihrem Streit beim Umwandlungsverbot.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,755
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege Föst, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion der SPD?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,756
228
19
Daniel
Föst
11,004,716
Gerne.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,757
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Das verlängert Ihre Redezeit auch deutlich. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,758
228
19
Daniel
Föst
11,004,716
Ja, der Kollege redet auch gerne.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,759
228
19
Klaus
Mindrup
11,004,354
Herr Kollege Föst, Sie haben gerade ein bemerkenswertes Wortpaar gebraucht: preiswerten und bezahlbaren Wohnraum. Ich finde gut, dass Sie davon sprechen, aber Sie sprechen immer nur davon, wenn es um Neubau geht. Ich bin Mitglied einer Wohnungsbaugenossenschaft. Wir sollten im Jahr 1999 verkauft werden, haben dann unsere Bestände im Jahr 2000 gekauft. Wir wären an einen sogenannten Aufteiler von Berlin verkauft worden. Wir haben uns gewehrt und haben unsere eigenen Bestände. ({0}) Es war kürzlich jemand bei mir in der Mietersprechstunde, der sich unsere Genossenschaft angeschaut hat. Er sagte: Herr Mindrup, ich bin Rechtsanwalt. Im Augenblick ist meine Wohnung noch bezahlbar. Das Haus ist in Eigentumswohnungen aufgeteilt worden. Ich weiß, ich werde nach zehn Jahren die Eigenbedarfskündigung bekommen. Nicht mal als Anwalt in Prenzlauer Berg kann ich mir meine Wohnung leisten, und ich gucke jetzt schon, wohin nach Brandenburg ich ziehe. ({1}) Das ist doch absurd, weil es nämlich zeigt, dass preiswerter Wohnraum nicht nur neu gebaut werden muss, sondern auch gesichert werden muss und dass wir das Spekulationsgeschäft beenden müssen, weil wir doch gar nicht dagegen anbauen können, Herr Föst. ({2}) Wir haben 100 000 umgewandelte Wohnungen in Berlin. Diese Verwertungsspirale wollen wir stoppen. Meine Frage ist: Warum wehren Sie sich dagegen? ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,760
228
19
Daniel
Föst
11,004,716
Nein, Ihr Kollege hat leider nicht recht. – Also, Herr Mindrup, vielen Dank für das Korreferat. Wir werden den Wohnkostenanstieg nur dämpfen können, wenn wir mehr, schneller und günstiger bauen und den ländlichen Raum nicht ausbluten lassen. ({0}) Es gibt einen Regelungsrahmen, Kappungsgrenze, Mietpreisbremse, die Reduzierung der Modernisierungsumlage. Das ist alles korrekt. Es gibt bis zu zehn Jahre Schutz vor Eigenbedarfskündigungen oder generell vor Kündigungen nach Umwandlungen. ({1}) Wir haben die Regierung gefragt, wir haben die Staatsregierung gefragt, wir haben die Kommunen gefragt: Wie viele Wohnungen werden umgewandelt? Das konnte uns keiner belastbar sagen. Wir haben sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben. Es muss möglich sein, dass Menschen sich Eigentum zulegen. Was Sie machen, ist, ihnen diese Möglichkeit zu nehmen. ({2}) Da sind wir jetzt übrigens auch beim Umwandlungsverbot, das jetzt drin ist. ({3}) – Das Problem der normalen Menschen ist die Sorge, ihre Miete zahlen zu können. ({4}) Mit Ihrem Baulandmobilisierungsgesetz kommen Sie keinen Schritt weiter. Sie verhindern flexibles Bauen. Sie verhindern das Entstehen von weiterem Bauland. Sie hätten die Chance gehabt, Dachaufstockung, Dachausbau zu vereinfachen. Sie hätten die Chance gehabt, Eigentumsbildung voranzutreiben. Sie hätten viele Chancen gehabt in diesem Baulandmobilisierungsgesetz. Sie haben keine einzige genutzt, ({5}) obwohl die Vorschläge nicht nur von uns, sondern auch aus Ihren Ländern und aus den Verbänden vorlagen. Das ist dann leider auch das Problem. Vor dieser Legislaturperiode haben Millionen Wohnungen gefehlt, nach dieser Legislaturperiode werden Millionen Wohnungen fehlen, und die Leidtragenden sind die Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,761
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Kommen Sie bitte zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,762
228
19
Daniel
Föst
11,004,716
Das ist das baupolitische Erbe von CDU/CSU und SPD. ({0})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,763
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,764
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz steht beispielhaft für die Wohnungspolitik der Großen Koalition. Monate-, jahrelanges Gezerre, und am Ende ist ein großer Murks dabei herausgekommen. Dieses Baulandmobilisierungsgesetz trägt einen tollen Namen, aber der Inhalt wird ihm nicht gerecht: ({0}) Ein schwaches Gesetz, das die Bodenpreise nicht begrenzen und den Ausverkauf der Städte nicht stoppen wird, ein zahnloser Tiger und eine verpasste Chance. ({1}) Es kommt selten vor, dass wir als Linksfraktion mit Horst Seehofer einer Meinung sind. (Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Oh, da freut er sich aber! Bei einem Ziel waren wir es, nämlich darin, die massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen zu stoppen. ({2})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,765
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Dr. Hendricks?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,766
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Ja, sehr gerne. ({0}) – Ja, das stimmt. ({1})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,767
228
19
Barbara
Hendricks
11,002,672
Frau Kollegin Lay, wie können Sie sich bei dieser fundamentalen Kritik, die Sie gleich zu Beginn äußern, erklären, dass der Berliner Wohnungsbausenator, der Ihrer Partei angehört, dieses Gesetz begrüßt? Der regiert und hat Erfahrung. ({0})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,768
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Ich habe mir sein Interview tatsächlich angesehen. Er äußerte sich zu einem Punkt, zu dem ich im Laufe der Rede auch noch gekommen wäre, dass nämlich tatsächlich die Preislimitierung des Vorkaufsrechts ein richtiger Schritt in die richtige Richtung ist. ({0}) Das begrüße ich ausdrücklich und finde es gut, dass Sie es als SPD durchgesetzt haben. Aber Sie haben es sich erkauft mit einem Haufen von Ausnahmen beim Umwandlungsverbot, was am Ende dazu führen wird, dass sich die Wirkung des Umwandlungsverbots in Milieuschutzgebieten sogar noch verschlechtern wird. Sie werden mit diesen Regelungen dafür sorgen, dass wir im ganzen Land einen Flickenteppich haben werden. Sie schieben die Entscheidung über das Ob des Umwandlungsverbotes faktisch auf die Bundesländer, und Sie überfordern Ihre eigenen Verwaltungen mit der Umsetzung. Das können wir als Linke nicht gutheißen. ({1}) Wie gesagt, es kommt selten vor, dass wir als Linksfraktion mit Horst Seehofer einer Auffassung sind. Wir wollten gemeinsam die Umwandlung wirkungsvoll stoppen. Leider haben wir an dieser Stelle die Rechnung ohne die Union gemacht, die dieses Vorhaben torpedierte und ihren eigenen Minister auflaufen ließ. Am Ende kommt jetzt eine Regelung heraus, die löchriger ist als jeder Schweizer Käse. Sie verschieben die Entscheidung über das Umwandlungsverbot auf die Länder und auf die Kommunen. Diese werden damit überfordert sein. ({2}) Es kann umgewandelt werden. Häuser mit bis zu 15 Wohnungen sind nämlich vom Umwandlungsverbot ausgenommen; das hat mit dem Schutz von Kleineigentümern überhaupt nichts mehr zu tun. Im Milieuschutz wird sich das Umwandlungsverbot tatsächlich noch verschlechtern; für mich eine herbe Enttäuschung. Und eine Verbesserung des Vorkaufsrechtes bleibt leider auf halber Strecke stehen. Wir bräuchten ja eine Ausweitung des Vorkaufsrechtes auf die sogenannten Share Deals; denn diesen fiesen Tricks der großen Wohnungskonzerne stehen die Kommunen bislang machtlos gegenüber. ({3}) Gegen die Bodenpreisexplosion, die das Bauen teurer macht, wird all das nichts helfen. Deswegen brauchen wir eine Besteuerung von Bodenspekulation und eine Bodenpreisbremse. ({4}) Zum Abschluss etwas Erfreuliches zum Schutz der Klubkultur. Im sogenannten Berghain-Urteil hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es bei der Besteuerung von Kulturstätten keinen Unterschied machen darf, ob die Geige oder der Bass die erste Rolle spielt. Etwas Ähnliches werden wir heute im Baurecht tun. Klubs befanden sich bisher in der Schmuddelecke des Baurechts, waren auf einer Stufe mit Sexkinos und Bordellen. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Klubs sind ein wichtiger und übrigens international bekannter Teil unserer Kultur. Es wird höchste Zeit, Klubs als Kultur anzuerkennen. ({5}) Das werden wir heute mit den Stimmen aller demokratischen Fraktionen gemeinsam tun. ({6}) Das wird ein wichtiger Meilenstein, um die bedrohte Klubkultur zu retten. Und das freut mich auch ganz persönlich.
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,769
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,770
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Ich möchte mich bei allen Abgeordneten aus dem Parlamentarischen Forum „Nachtleben und Clubkultur“ für die gute Zusammenarbeit bedanken. Schön, dass wir das gemeinsam hingekriegt haben.
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,771
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin!
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,772
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Jetzt bleibt es an der Regierung, diesen Beschluss bis September umzusetzen. Ich darf Sie daran gelegentlich erinnern. Vielen Dank. ({0})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,773
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Lay. – Nächster Redner ist der Kollege Christian Kühn, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,774
228
19
Christian
Kühn
11,004,333
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister Seehofer! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frühere Baugesetzbuchnovellen haben sich dadurch ausgezeichnet, dass man dem besonderen Charakter dieses Gesetzes Rechnung getragen hat. In der Regel gingen dem, was man dann ins Baugesetzbuch geschrieben hat, aufwendige Planspiele und Simulationen voraus: zig Berichterstatterrunden, viele öffentliche Debatten und Anhörungen und eben kein politisches Klein-Klein, weil die Baunutzungsverordnung, das Baurecht, sich eben nicht für das parteipolitische Spiel eignet. In aufwendigen Verfahren wurden also die Baugesetzbuchnovellen vorbereitet. Wenn man sich nun das Verfahren der letzten vier Jahre anschaut, dann muss man einfach sagen: Dieses Verfahren war ein Trauerspiel. Das war nicht nur Corona geschuldet; vielmehr hat der Dauerstreit der Großen Koalition untereinander, der Streit zwischen CDU und Horst Seehofer, zwischen SPD und Union das Verfahren zur Novelle des Baugesetzbuches gelähmt. Dieses Verfahren war dem Baugesetzbuch unwürdig. ({0}) Weder von der Form her noch vom Inhalt her ist diese Novelle auf der Höhe der Zeit. Zum Inhalt will ich das an zwei Punkten deutlich machen. Erstens. Unser Hauptkritikpunkt ist die Wiederinkraftsetzung des § 13b – Bauen im Außenbereich – und zwar, Sören Bartol, ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, ohne Bürgerbeteiligung, ohne Ausgleichsflächen; das finden wir ungeheuerlich. Deswegen beantragen wir die Aufhebung. Ich sage es noch mal: Ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, ohne Bürgerbeteiligung und ohne Ausgleichsflächen ist es nun möglich, die Flächennutzungspläne zu umgehen. ({1}) Das bedeutet noch mal eins obendrauf auf den Flächenverbrauch – da bleibt mir echt die Spucke weg –, und das in einer Zeit, in der die SPD die Umweltministerin stellt. ({2}) Gehen Sie mal auf die Seite der SPD-Umweltministerin. Da steht – Stichwort „Nachhaltigkeitsstrategie“ –: Das Ziel ist die Reduktion des Flächenverbrauchs auf unter 30 Hektar pro Tag bis zum Jahr 2030. – Das erreichen wir so nicht. ({3}) Das ist ein weiteres gebrochenes umweltpolitisches Versprechen der SPD. Das muss man sich klarmachen. ({4}) Jeden Tag wird eine Fläche von 73 Fußballfeldern versiegelt. Das ist zu viel. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, da möchte ich Ihnen eins sagen: Na, prost Mahlzeit! Sie handeln nach dem Motto „Wer seine Heimat liebt, versiegelt sie“. Da machen wir Grüne nicht mit. Deswegen gibt es heute dazu eine namentliche Abstimmung. ({5}) Zweitens zum Umwandlungsschutz. Es ist ja alles richtig, was Sie zum Umwandlungsschutz gesagt haben; den brauchen wir dringend. Und es ist gut, wenn die Kommunen hier mehr Rechte erhalten. Aber warum ermächtigen Sie die Länder, darüber zu entscheiden, ob eine Kommune den Umwandlungsschutz anwenden kann oder nicht? Das macht doch gar keinen Sinn. Damit bringen Sie ganz klar zum Ausdruck: Sie hegen ein Misstrauen gegenüber den Kommunen, und deswegen ermächtigen Sie die Länder. Wir Grüne wollen, dass die Kommunen selber, also ohne Landesverordnung, entscheiden können, dass Umwandlung gebremst wird. ({6}) Sie schmeißen den Konflikt, den Sie haben, den Ländern vor die Türe. Die Regelung zur Umwandlung wird zu einem Flickenteppich in Deutschland führen. Wir halten das grundsätzlich für falsch. ({7}) Wir lehnen die vorliegende Novelle ab, weil sie nicht das hält, was sie verspricht. Sie ist systematisch falsch. Und ich sage noch eins: Nicht nur der Umwandlungsschutz ist an diese Verordnung geknüpft, die Vorkaufsrechte auch, die Baugebote auch.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,775
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,776
228
19
Christian
Kühn
11,004,333
Aber der § 13b nicht. Das ist der Hohn dieser Gesetzesnovelle, und deswegen können wir nicht zustimmen. Danke schön. ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,777
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Kühn. Sie haben es ja richtig geschafft, Stimmung in den Plenarsaal zu bringen. ({0}) Nur zur Information, Frau Kollegin: Zwischenfragen können nicht mehr zugelassen werden, wenn die Redezeit bereits abgelaufen ist. ({1}) Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion. ({2})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,788
228
19
Claudia
Tausend
11,004,423
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben dieses Gesetz drei Jahre intensiv vorbereitet, lieber Christian Kühn, nicht im Planspiel, sondern in der Expertenkommission, unter Beteiligung auch der Länder und Fachverbände. Ich glaube, es ist uns ein gutes Gesetz gelungen. ({0}) Es gab nicht unberechtigte Zweifel daran, dass dieses Gesetz noch kommen würde – ich habe teilweise auch dazugehört –, aber ich habe die Gespräche mit der Koalition in guter Erinnerung und bedanke mich ausdrücklich bei meinem Kollegen Torsten Schweiger für die Sachorientierung und Problemlösung. Es ist uns hier wirklich ein gutes Gesetz gelungen. ({1}) Danke an das Ministerium und an den Herrn Minister, der diesem Gesetz jederzeit die Stange gehalten hat. ({2}) Sie haben das Thema Umwandlungsspekulation natürlich als bayerischer Ministerpräsident noch in schlechter Erinnerung. Also danke, dass Sie hier hart geblieben sind. ({3}) Kolleginnen und Kollegen, es ist die größte Änderung des Baugesetzbuches seit Bestehen, und sie war zielorientiert. Es ist gefragt worden: Was ist das Ziel, was ist der Plan? Der Plan ist – und wir haben das erreicht –: Wir schaffen und sichern mehr und bezahlbareren Wohnraum. ({4}) Denn es handelt sich hier halt nicht um ein Baulandmobilisierungsgesetz, sondern auch um ein Wohnraumsicherungsgesetz und um ein Kommunenstärkungsgesetz. Wir geben den Kommunen eine Vielzahl von neuen und geschärften Instrumenten für die schnellere und leichtere Ausweisung von Bauland an die Hand. Auch das Thema Dachgeschossausbau und Aufstockung ist angesprochen worden. Lieber Daniel Föst, gerade durch den § 31, durch die Möglichkeit von Befreiungen, ermöglichen wir Aufstockungen und Dachgeschossausbauten. ({5}) Wir kommen auch einem dringenden Wunsch der kommunalen Spitzenverbände nach mit dem erweiterten und dem preisgedämpften Vorkaufsrecht und damit einem Einstieg in das soziale Bodenrecht. Das gilt auch für den sektoralen Bebauungsplan für preisgedämpften Wohnraum. Ich glaube, dass wir hier an dieser Stelle wirklich einen Einstieg in ein soziales Wohnrecht geschafft haben. ({6}) Wir stoppen – das ist mehrfach angesprochen worden – das lukrative Geschäftsmodell der Verdrängung von Mieterinnen und Mietern ({7}) aus den angestammten Wohnquartieren durch Entmietung und Umwandlungsspekulation und tragen so zum sozialen Frieden nicht nur in Berlin, sondern in allen Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten bei. Die Sieben-Jahres-Regel, liebe Caren Lay, wird im Milieuschutzgebiet geschlossen. Damit wird das Umwandlungsgeschehen in Berlin drastisch gestoppt werden. ({8}) Die Praxis wird zeigen, dass wir hier gut gearbeitet haben. Die Länder sind am Zug; das ist gesagt worden. Ich glaube, es ist wichtig, noch mal festzustellen, welche Länder SPD-regiert werden; denn die von uns regierten Länder werden diese Länderverordnungen zügig umsetzen, ({9}) um den Kommunen und den Mieterinnen und Mietern zu helfen, allen voran die Stadtstaaten. Ich fordere auch alle anderen Länder auf, diese Länderverordnungen zügig umzusetzen. Letzter Satz zu der Entschließung zur Klubkultur. Danke an das Clubforum, an alle, die mitgearbeitet haben. Wir bringen heute gemeinsam diese Entschließung ein. Sie hilft nicht nur den Klubs und den Livemusik-Spielstätten, sondern auch den durch die Pandemie stark unter Druck geratenen Innenstädten.
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,789
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,778
228
19
Ulrich
Lange
11,004,087
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese lebendige Debatte zeigt: Wohnraum lebt! Die Regierung rundet mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf ihre Wohnraumoffensive dieser Legislaturperiode ab: mit einem hartnäckigen und engagierten Bundesbauminister, mit 5 Milliarden für Sozialwohnungen, mit 330 000 Anträgen auf Baukindergeld, mit 300 000 neuen Wohnungen allein im Jahr 2020, mit einer Wohngeldreform und heute mit dem Baulandmobilisierungsgesetz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wird gebaut in diesem Land, seitdem diese Regierung mit diesem Bundesbauminister hier am Ruder ist! ({0}) Wir schaffen genügend Bauland. ({1}) – Nein, es genügt! – Wir geben einen Instrumentenkasten an die Hand, der gezielt eingesetzt werden kann. Wir erleichtern die Anwendung für Kommunen – allerdings, auch das ist klar, ohne verfassungswidrigen Mietendeckel –, und wir ermöglichen weiter Bebauung am Ortsrand. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kommunalpolitiker aller Couleur haben uns aufgefordert, dafür zu sorgen, dass am Ortsrand weiterhin Baumöglichkeiten geschaffen werden können. ({2}) Wir verhindern einen Flickenteppich genau dadurch, dass wir den Ländern die Möglichkeit der Rechtsverordnung geben, damit eben nicht jeder macht, was er will, sondern damit das Ganze eine Struktur hat. Und dann haben die Kommunen in einem zweiten Schritt diesen großen Werkzeugkasten: Vorkaufsrechte, Baugebote, Befreiungen. All das brauchen wir, um weiter Bauland zu mobilisieren.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,779
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, erlauben Sie – –
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,780
228
19
Ulrich
Lange
11,004,087
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen Satz noch zur Umwandlung: Das ist ja schon abenteuerlich! Zwei Drittel der Wohnungen sind im privaten Besitz. Genau die Kleineigentümer, die gespart haben, um sich Wohnungen zu kaufen, schützen wir. Wir schützen nicht große Umwandlungsvorhaben. Liebe Kollegin Lay, drei bis 15 heißt der Korridor, und fünf steht im Gesetz. ({0}) Genau hier liegt dann wiederum die Verantwortung der Länder, in ihren Regionen entsprechend mit der Umwandlung umzugehen. ({1}) Ja, wir wollen die schützen, die sich eine Wohnung als Altersvorsorge gekauft haben, die eine Wohnung in der Familie weitergeben wollen. Die haben unseren Schutz verdient. Die haben gearbeitet und sich diese Wohnung erspart. Und die liefern wir nicht aus – auch nicht an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Wir stärken die Kommunen mit dem kommunalen Vorkaufsrecht. Es gibt genügend Schrottimmobilien, auch in Berlin. Da haben Sie noch viel zu tun mit Ihrer linken Baupolitik, diese wiederzubeleben. ({3}) Wir geben den Kommunen Möglichkeiten, wir verlängern die Kauffrist für sie; auch das ist sicher richtig. Und die Festsetzung von Flächen für sozialen Wohnungsbau in Bebauungsplänen erleichtern wir. Ja, das machen wir für einen begrenzten Zeitraum. Auch das halten wir für gut vertretbar. Weil das Land auch Berücksichtigung finden soll in diesem Punkt, erlauben wir in Hofstellen künftig fünf statt drei Wohnungen. Auch das ist richtig; denn es gibt genügend Menschen, die nicht unbedingt ganz mittendrin im Ballungsraum wohnen wollen. Dieses Gesetz ist ein guter, ein starker Kompromiss einer handlungsfähigen Regierung.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,781
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,782
228
19
Ulrich
Lange
11,004,087
Ich sage allen, die mitgewirkt haben – von der Bundesregierung, vom Bundesbauminister über die eigenen Reihen bis hin zum Koalitionspartner –: Heute ist ein weiter wichtiger Schritt, damit in diesem Land gebaut werden kann. Bauen, bauen, bauen! Danke schön. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,783
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Lange. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat für die Kollegin Bayram eine Kurzintervention beantragt, der ich stattgeben werde, verbunden mit folgendem Hinweis: Die Geschäftsführer der Fraktionen haben sich auf die Redezeit geeinigt. Wir sollten auch darauf achten, dass diese Redezeitbegrenzung nicht dadurch ausgehebelt wird, dass man das durch eine Vielzahl von Zwischenfragen, Kurzinterventionen einfach verändert. Aber, Frau Kollegin Bayram, Sie haben das Wort.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,784
228
19
Canan
Bayram
11,004,665
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege, in meinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin gibt es Menschen, deren Häuser umgewandelt werden von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Sie haben gesagt, dieses Gesetz, das wir heute beraten, würde dazu führen, dass die Menschen, also die Mieter/‑innen, diese Wohnungen kaufen können, und Sie dafür diese Regelung eingeführt haben, dass ein gewisser Anteil an die Mieter verkauft werden muss, damit umgewandelt werden kann. Ist Ihnen denn bewusst und wollen Sie denn, dass die Mieter/‑innen, die sich das nicht leisten können bei den Preisen, die derzeit in Berlin für Eigentumswohnungen aufgerufen werden, an den Stadtrand ziehen? So, wie Sie das gesagt haben, ist anzunehmen, dass diejenigen, die sich einfach Stadtwohnungen in Friedrichshain-Kreuzberg oder Prenzlauer Berg nicht leisten können, der CDU und Ihnen egal sind. Denn mit diesem Gesetz wird die Umwandlung nicht verboten und nicht ausgehebelt. Und wie verhält es sich eigentlich dazu, dass Ihr Minister, der Herr Seehofer, sich hingestellt hat und den Mieterinnen und Mietern die Hoffnung gemacht hat, dass nicht umgewandelt werden kann? Jetzt ist es doch passiert und Sie feiern das hier auch noch ab. Schämen Sie sich, Herr Kollege! ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,785
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin, es ist nicht angemessen, bei einer Kurzintervention so zu argumentieren. – Herr Kollege Lange, Sie haben das Wort zur Antwort.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,786
228
19
Ulrich
Lange
11,004,087
Frau Kollegin, ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. ({0}) Das war jetzt eine Wahlkampfrede für Ihren Bezirk. ({1}) – Jetzt bin ich dran. – Das hat aber nichts mit dem zu tun, was ich gerade gesagt habe. Ich habe versucht, zu erklären – jetzt mache ich es noch mal –: Wir haben die Möglichkeit geschaffen, dass für Kleineigentümer das Genehmigungserfordernis nicht gilt. Von „nicht mehr als fünf Wohnungen“ ist im Gesetzentwurf die Rede; und dann haben wir einen Korridor eröffnet, den die Länder ausschöpfen können; in Berlin wird die Anzahl wohl bei drei, in anderen Bundesländern kann sie bei bis zu 15 Wohnungen liegen. Das ist die reduzierte Möglichkeit der Umwandlung. Nicht mehr und nicht weniger habe ich gesagt. Ich kann nur empfehlen – so wie der Kollegin Lay auch, die behauptet hat, der Milieuschutz werde aufgeweicht; auch das ist nicht der Fall –: ({2}) Lesen Sie doch bitte erst das Gesetz, bevor Sie hier populistisch argumentieren. Danke schön. ({3})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,790
228
19
Claudia
Tausend
11,004,423
Ich würde mich freuen, wenn zumindest diese Entschließung heute eine breite Mehrheit finden würde. Danke. ({0})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,791
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Tausend. – Wie viel letzte Sätze es geben kann, das ist einfach unglaublich. Und Handheben, Frau Kollegin Tausend, hilft eigentlich auch nicht. Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Mechthild Heil, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,792
228
19
Mechthild
Heil
11,004,052
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meinen Blick mal weg von den Ballungsgebieten hin zu den ländlichen Räumen lenken; denn immerhin sind die ländlichen Räume die Räume, wo die meisten Deutschen leben und auch leben wollen. ({0}) Wir haben im Baulandmobilisierungsgesetz eine neue Baugebietskategorie, das dörfliche Wohngebiet, etabliert, aber eben auch eine erneute befristete Auflage des § 13b Baugesetzbuch vorgenommen, über den wir jetzt schon eine ganze Zeit gesprochen haben. Der neue § 13b hat lebhafte Diskussionen im Vorfeld ausgelöst; aber man sieht ja auch heute, wie heftig die Diskussion ist. Ich muss sagen: Mich wundert die Diskussion, vor allen Dingen, weil die Kritik immer von Menschen kommt, die gerade eben nicht im ländlichen Raum leben. ({1}) Für mich, für die CDU/CSU ist klar: Wir haben immer den Flächenverbrauch mit im Auge gehabt, und natürlich ist auch die Innenentwicklung für uns ganz besonders wichtig – auch bei der Neufassung des Baugesetzbuches. Für mich sind Innenentwicklung und Außenentwicklung aber wirklich kein Gegensatz. Wir brauchen die Neubaugebiete an den Rändern von kleineren Dörfern und von Städten genauso wie das Konzept „Jung kauft Alt“. ({2}) Und wer so tut, als ob das eine nichts mit dem anderen zu tun hätte, der lügt sich selber in die Tasche. ({3}) Klar ist aber auch: Wir müssen bei der Innenentwicklung viel mehr tun. Wir müssen viel mehr Geld, viel mehr finanzielle Mittel in die Hand nehmen und natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen noch schärfen. Dieses Idyll des hübsch sanierten und vielleicht auch denkmalgeschützten Altbaus im Kleinstadtkern ist echt eine Zierde und vielleicht auch in irgendwelchen romantischen Filmen gut unterzubringen; aber das hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. ({4}) Winzige Grundstücke, kleine Räume, niedrige Decken, wenig Licht und Luft, schmale Türen, schmale Treppen, nicht behindertengerecht, keine Chance, da Möbel hineinzubringen, kein Schallschutz, kein Trittschutz, keine Wärmedämmung, nicht winddicht, aber aufsteigende Feuchtigkeit, weil die Sperrschichten fehlen, die Haustechnik veraltet, die Decken und die Fundamente für zusätzliche Lasten nicht geeignet. Wenn ein Liebhaber ein solches altes Gebäude kauft und sanieren will, dann hat er weniger als einen guten Rohbau. Meine Kollegen von den Grünen, ich frage Sie: Wer hat denn die Kraft, wer hat die Zeit und wer hat die finanziellen Mittel, ({5}) sich auf ein solches finanzielles Risiko beim Kauf eines Altbaus einzulassen? ({6}) Ich lebe im ländlichen Raum. Ich kenne diese Häuser, und ich kenne auch die Bewohner, die in diesen Häusern leben. Sie finden keinen Käufer für ihre Immobilie, und sie bekommen auch nicht den angemessenen Preis dafür. Deswegen sage ich: Wir müssen auch alte Gebäude in solch schlechten Zuständen, die wir ja nun zu Tausenden in Deutschland haben, abreißen dürfen – nicht sanieren, sondern abreißen! Das müssen wir auch fördern.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,793
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,794
228
19
Mechthild
Heil
11,004,052
Nicht alles, was alt ist, ist auch erhaltenswert, ortsbildprägend oder denkmalwürdig.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,795
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin, bitte!
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,796
228
19
Mechthild
Heil
11,004,052
Wenn wir die Probleme lösen, machen wir das anders, als es die Grünen machen. Wir wollen nicht – –
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,797
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Frau Kollegin, ich entziehe Ihnen gleich das Wort, egal ob Sie die Hand heben oder nicht. Ich fordere Sie seit 30 Sekunden auf, zum Schluss zu kommen. Sie haben jetzt noch einen Satz.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,798
228
19
Mechthild
Heil
11,004,052
Wir machen es anders als die Grünen und die Linken. Wir wollen die Hilfe zum Kauf, zur Sanierung und zum Abriss von Gebäuden stärken. ({0}) Dafür stehen wir als CDU/CSU, und darüber setze ich mich mit Ihnen auch gerne im Wahlkampf weiter auseinander. Danke, Herr Präsident. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,799
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir nähern uns der Entscheidung.
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,800
228
19
Stefan
Schwartze
11,004,150
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten hier ein kleines, aber feines technisches Gesetz, das jedoch sehr viel bewirken kann: das Zeitverwendungserhebungsgesetz. Das klingt nach einem weiteren bürokratischen Monster, stellt aber die gesetzliche Grundlage für die Evaluierung unserer Familien- und Gleichstellungspolitik dar. ({0}) Seit den 90er-Jahren werden alle zehn Jahre die in Deutschland lebenden Menschen zu ihrer Zeitverwendung, also dazu, für welche Tätigkeiten sie wie viel Zeit am Tag verwenden, befragt. Die Zeitverwendungserhebung liefert uns Informationen darüber, wie viel Zeit Menschen für welche Aktivitäten aufwenden und wann im Tagesverlauf sie diese Aktivitäten ausüben. So erfahren wir etwas über die Arbeitsbelastung und die Arbeitsteilung in den Familien bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege oder über das freiwillige Engagement aller Generationen. Wir lernen etwas darüber, wie viel Zeit Kinder und Jugendliche, Männer und Frauen in unterschiedlichen Lebenslagen für welche Tätigkeit aufwenden. Mit den gewonnenen Erkenntnissen bekommen wir einen guten Einblick, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Daraus wiederum können wir ablesen, ob unsere politischen Ansätze wirken und wenn ja, was sie bewirkt haben. Hat also beispielsweise die Einführung des Elterngeldes etwas gebracht im Hinblick auf gleichberechtigte Arbeitsaufteilung von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit? Ja. Haben wir damit all unsere Ziele erreicht? Noch nicht ganz. Wir sollten also nachsteuern. Mit der Zeitverwendungserhebung erhalten wir aber auch Daten zu unbezahlter Arbeit wie Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und schlicht der Hausarbeit. Das sind alles Tätigkeiten, die die klassische volkswirtschaftliche Gesamtrechnung zu Wertschöpfung und Wohlstand außen vor lässt. Erst mit diesen Daten erhalten wir eigentlich ein umfassendes, nicht rein ökonomisches Bild unserer gesellschaftlichen Entwicklung. So erfahren wir, wie es um die Lebensqualität in unserem Land bestellt ist. ({1}) Wir erfahren, unter welchem Zeitdruck die Menschen stehen, welche Freiheiten sie bei ihrer Lebensgestaltung haben und wie sie ihre verfügbare Zeit verbringen. Wenn wir mehr Zeit für Eltern mit ihren Kindern wollen und feststellen, dass das bei den jetzigen Rahmenbedingungen nur schwer möglich ist, müssen wir etwas ändern. Zeitverwendungserhebungen sind also wichtig, um die Wirksamkeit unserer Politik zu bemessen. Warum müssen wir jetzt ein Gesetz machen, wenn bisher auch schon Erhebungen über die Zeitverwendung stattfanden? Die bisherigen Befragungen fanden nach § 7 des Bundesstatistikgesetzes statt. Dieses sieht eine Erhebung nur für einen kurzfristigen Bedarf vor und schließt nochmalige Erhebungen eigentlich aus. Eine kontinuierliche Erfassung der Zeitverwendungsdaten stellen wir nun mit diesem Gesetz sicher. Die Bundesländer, die einen Großteil der Kosten tragen, haben ein berechtigtes Interesse, bestimmte Daten dieser Erhebung zu erlangen. Mit unserem Änderungsantrag stellen wir sicher, dass den Ländern auf Anfrage Teildaten zur Verfügung gestellt werden können. Aus Sicht der Koalitionsfraktionen – so wie ich es verstanden habe, aber auch aus Sicht der demokratischen Fraktionen der Opposition – ist eine Erhebung in kürzeren Intervallen sinnvoll und wünschenswert, ebenso, dass die verschiedensten Familienkonstellationen, insbesondere auch Nachtrennungsfamilien, angemessen berücksichtigt werden. Dies haben wir mit unserem Entschließungsantrag noch einmal bekräftigt und verdeutlicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,801
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Schwartze. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Höchst, AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,802
228
19
Nicole
Höchst
11,004,753
Herr Präsident! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer! Grundsätzlich ist das Ansinnen Ihres Gesetzes über die statistische Erhebung der Zeitverwendung von Menschen zu begrüßen, vorausgesetzt man möchte darauf basierend Handlungsempfehlungen passgenau für die Jugend- und Familienpolitik, aber auch für andere Politikfelder ableiten. Zu begrüßen ist auch das Erfassen von Staatsangehörigkeiten, Migrationshintergründen und Muttersprachlichkeiten. Religionszugehörigkeiten oder die Abwesenheit einer solchen sollten zusätzlich erfasst werden. Die geplante Statistik trägt so zur Sichtbarkeit des Istzustands der Gesellschaft in Deutschland bei. Die Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes und auch des Zehnjahresturnus wird allerdings erheblich belastet durch die zu erwartende Gegenüberstellung von pandemischen Zeiten, in denen die Zeitverwendung notwendigerweise eine andere ist, und – in Anführungsstrichen – „normalen“ Zeiten in Freiheit mit „normaler“ Zeitverwendung, also mit sozialen Kontakten, Engagement, Vereins‑, Kultur-, Erwerbs- und Freizeitleben. Der von Ihnen ständig verschärfte Lockdown bis hin zur Notbremse wirkt sich natürlich auf die Zeitverwendung in den Haushalten aus. Wird diese statistische Erhebung also in der Normalität oder in pandemischen Notlagezeiten stattfinden? Soll sie davon unabhängig stattfinden? Wenn ja, wie sollen so überhaupt wirksame Modelle für politisches Handeln für so unterschiedliche Situationen ersonnen und etabliert werden? Ist ein Sowohl-als-auch überhaupt mitgedacht? Wird es überhaupt ein Zurück zum Normal mit intakten Menschen- und Freiheitsrechten geben? Daran, meine Damen und Herren, habe ich langsam ernsthafte Zweifel. ({0}) Die gewonnenen Daten müssen einem besonders strengen Datenschutz unterliegen und dürfen selbstverständlich niemals zu Kontroll- oder Demokratieersatzzwecken eingesetzt werden. Bei meinen Recherchen zu Smart City stieß ich leider erst kürzlich auf die 108-seitige Broschüre „Smart City Charta – Digitale Transformation in den Kommunen nachhaltig gestalten“ vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit aus dem Jahr 2017. Dort heißt es auf der Seite 43 – ich zitiere wörtlich mit Erlaubnis des Präsidenten – zum Punkt „Post-voting society“: „Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ Meine Damen und Herren, wollen Sie die Demokratie ersetzen? ({1}) Die AfD tritt solchen Visionen von Demokratieabbau und der totalen Auslieferung des zunehmend gläsernen Bürgers an einen allmächtigen Verbots- und Kontrollstaat entschieden entgegen. Wir bezweifeln die Vereinbarkeit eines solchen Vorgehens mit unserem Grundgesetz. ({2}) Was aber wäre, wenn hier und europaweit – ja, weltweit – ein Umbau von Gesellschaft, Recht und Wirtschaft stattfände, der Deutschland vom Coronanotstand direkt in den Klimanotstand überführte? Was, wenn dieser Umbau freie Bürger in Zukunft zu allzeit kontrollierbaren, rechtlosen wandelnden Daten machte? Was, wenn Datensammlungen generell für diesen Umbau missbraucht würden? Breite Information und Diskussion in Medien und Öffentlichkeit über diese Visionen für einen hypervernetzen Planeten finden nicht statt. Alle Konzentration richtet sich sorgenvoll auf Corona. Ich persönlich habe langsam erhebliche Zweifel an der Redlichkeit aller am Notstandshype und Great Reset beteiligten Parteien inklusive der Regierung. ({3}) Wir werden uns insgesamt enthalten. Wir wollen Deutschland. Aber normal. Vielen Dank. ({4})
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Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,803
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Höchst. – Nächster Redner ist der Kollege Josef Rief, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
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Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,804
228
19
Josef
Rief
11,004,136
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Politik für Familien ist seit jeher ein zentrales Anliegen für die Bundesregierung und vor allem für die CDU/CSU. Wir sind die Macher des Elterngeldes, die Förderer der Mehrgenerationenhäuser; wir entlasten Familien finanziell, beispielsweise durch die Erhöhung des Kindergeldes, den Kinderzuschlag, stecken enorme Mittel in den Ausbau der Kinderbetreuung und unterstützen besonders die Alleinerziehenden. ({0}) Dafür nehmen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, viel Geld in die Hand; das wissen auch die Menschen im Land. Aber Familienpolitik ist kein Projekt, das mit ein paar Gesetzen abgeschlossen werden kann, sondern ein Prozess. Wir müssen immer wieder überprüfen: Wie wirken unsere Ideen und Maßnahmen? Kommen insbesondere die finanziellen Mittel da an, wo sie gebraucht werden? Bilden wir mit unserer Politik die Erwartungen der Bevölkerung, vor allem der Familien noch ab? Dabei fragen wir uns auch durchaus kritisch, was wir noch tun können: Geht es wirklich allen Familien so gut, wie wir es uns wünschen? Wie hat sich das Leben der Familien in unserem Land verändert? CDU und CSU sind wertkonservativ, aber eben gleichermaßen auch moderne Parteien. Dabei setzen wir uns verlässlich für die Familien ein. Eltern und Kinder sollen die Mittel und die Zeit zur Verfügung haben, den Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen, das von Vertrauen, Verlässlichkeit, Nestwärme, Liebe zwischen den Generationen, Vertrauen der Kinder zu den Eltern und Großeltern und umgekehrt gekennzeichnet ist. Das sind Werte, die das Fundament für unsere Gesellschaft bilden, ({1}) auf die unser Staatswesen übrigens aufbaut. Zeige mir, wie die Kinder sind, und ich sage dir, wie die Gesellschaft von morgen aussieht. Genau deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren – das sage ich auch an die AfD gerichtet –, brauchen wir entsprechende Daten, die uns die Familien übrigens freiwillig zur Verfügung stellen. Grundlage für die Daten – das ist schon gesagt worden – ist das Zeitverwendungserhebungsgesetz. Damit wir auch genau wissen, wofür die befragten Familienmitglieder ihre Zeit verwenden, brauchen wir Daten von Familien aus Biberach an der Riß, ebenso wie aus dem Riedlinger Raum, von Familien aus Alleshausen, Laupheim, Kiel oder Berlin. Wir werden insbesondere Alleinerziehende überproportional befragen lassen; denn es ist ja bekannt, dass der Mental Load, also die mentale Last, bei Alleinerziehenden besonders schwer wiegt. Als Vater von drei Kindern liegen mir die Mehrkindfamilien besonders am Herzen. Gott sei Dank gibt es jetzt wieder mehr davon. Daher bin ich auf die Ergebnisse der Erhebung ihrer Zeitverwendung gespannt; auch wenn sie – zu meinem Bedauern – nicht überproportional befragt werden. Mit der standardisierten Datenabfrage schnüffeln wir niemand aus; vielmehr können wir das Leben in den Familien in Deutschland mit der Situation der Familien in anderen Ländern vergleichen: Was läuft bei uns gut? Was läuft in anderen Staaten gut? Warum läuft es da gut? Was haben wir besser gemacht? Oder wo gibt es noch Potenzial, wo ist es in anderen Ländern besser? Gerade während der Pandemie, die hoffentlich bald zu Ende geht, wird auch vielfach im Homeoffice gearbeitet. Welche Konsequenzen das für Familien hat, ist, glaube ich, wichtig zu beleuchten. Des Weiteren ist, denke ich, wichtig: Wie teilen sich Männer und Frauen die sogenannte unbezahlte Care-Arbeit, also Familienarbeit, auf? Familien leisten viel; das ist bekannt. Mit der Befragung bekommt auch die Gesellschaft einen Einblick, was Mütter und Väter, was Familienmitglieder Tag für Tag füreinander leisten. Schon heute danke ich allen Familien dafür, und vor allen Dingen danke ich den Familien, die trotz dieser schwierigen Situation und trotz dieses Verhetzungspotenzials bei der Befragung mitmachen. Politik kann und darf den Familien weder die Verantwortung noch die Entscheidungen abnehmen; aber wir können mit unserer Politik die Weichen richtig stellen, damit Kinder und Jugendliche in unserem Land in einer vertrauensvollen, an ihren Bedürfnissen ausgerichteten Umgebung aufwachsen können, damit Familien in die Lage versetzt werden, das zu leisten, was sie für das Zusammenleben und das Aufwachsen ihrer Kinder für wichtig halten. Wir müssen weiterhin ein familienfreundliches Umfeld schaffen. Die unionsgeführte Bundesregierung stellt die Weichen richtig. Wir bringen die Züge aufs Gleis und lassen sie zum Besten der Familien fahren. Herzlichen Dank. ({2})
4
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Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,805
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Rief. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Bauer, FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,806
228
19
Nicole
Bauer
11,004,661
Werter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alles hat seine Zeit; aber haben wir auch genügend Zeit für das, was uns wichtig ist, Zeit für Familie und Freunde, für Sport, Hobby und Ehrenamt – und all das neben dem Job und den beruflichen Ambitionen? Wie wir unsere Zeit verbringen, wie sehr wir selbst darüber bestimmen können, hängt eng mit den Verwirklichungschancen zusammen und auch mit der persönlichen Lebenszufriedenheit und dem gesellschaftlichen Wohlstand. Wir als FDP befürworten deshalb regelmäßige Befragungen über Zeitverwendungen. ({0}) Entscheidend für die Schaffung einer guten Datengrundlage ist: Sie muss zeitnah und aktuell sein, und auch die statistischen blinden Flecke müssen darin berücksichtigt werden. – Genau da sehen wir Verbesserungspotenzial, meine Damen und Herren. Nehmen wir also die Erhebungsmerkmale mal kritisch in den Blick. Sie sind nicht umfassend und auch nicht zeitgemäß. Wir leben in einer modernen, in einer digitalen Gesellschaft. Familienkonstellationen und Kommunikationsformen werden bunter und vielfältiger. Patchworkfamilien, internationale Familien, die Nutzung von Messengerdiensten und Social Media, all das muss viel differenzierter betrachtet werden. Das gilt auch für das Thema Homeoffice: Ein einfaches Ja oder Nein reicht nicht aus; das liefert keine Erkenntnisse über die Nutzung, über die Ausstattung und die Zufriedenheit. Unser Anspruch muss doch sein, dass wir die Ergebnisse der Erhebung tatsächlich nutzen können. Deshalb begrüßen wir auch den Änderungsantrag, diese Erhebung alle fünf statt zehn Jahre durchzuführen. Aufschlussreich wäre darüber hinaus, Personen über einen längeren Zeitraum, über den Lebensverlauf hin zu befragen: wie sich Verwirklichungschancen verändern, wie Sorge- und Erwerbsarbeit aufgeteilt wird und wie der Gender Pay Gap schließlich zu einem größeren Gender Pension Gap wird. Unbezahlte Care-Arbeit ist der springende Punkt. Deshalb muss der Mental Load statistisch erfasst werden. Diese unsichtbaren organisatorischen und emotional fordernden Tätigkeiten nehmen viel Raum und viel Zeit ein. Diese Aufgaben werden vor allem von Frauen getragen. Hier brauchen wir mehr Forschung und mehr Daten. ({1}) Dies gilt ebenso für die ausgelagerte Care-Arbeit, die Pflege von Angehörigen. Eine Herausforderung, gerade in der jetzigen Zeit und im Hinblick auf den demografischen Wandel! Eine gut gemachte Erhebung der Zeitverwendung ist unsere Grundlage, an der wir unsere Maßnahmen für eine nachhaltige und für eine moderne Familienpolitik ausrichten können, um damit tatsächlich individuelle Chancenverwirklichung in unserem Land zu ermöglichen. Herzlichen Dank. ({2})
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Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,807
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Kollegin Bauer. – Nächster Redner ist der Kollege Norbert Müller, Fraktion Die Linke. ({0})
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,808
228
19
Norbert
Müller
11,004,613
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 96 Milliarden Stunden Arbeit im Jahr wird in Familien im Haushalt und in der Sorgearbeit unbezahlt geleistet. Aber diese 96 Milliarden Stunden im Jahr, die unbezahlt in Familien als sogenannte Care-Arbeit geleistet werden, sind sehr ungleich verteilt. Wir wissen, dass Frauen 52 Prozent mehr Zeit für Sorgearbeit, für Erziehungsarbeit, für die Pflege von Angehörigen und für den Haushalt aufbringen als Männer. Wir vermuten – dafür gibt es erste Indizien –, dass im letzten Jahr gerade durch die Coronapandemie dieser Gender Care Gap sogar noch größer geworden ist, das heißt, dass Frauen für den Haushalt noch mehr Zeit aufbringen im Vergleich zu Männern. Frauen leisten im Schnitt täglich 1,5 Stunden mehr Arbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung als ihre Partner – das sagen uns die bisherigen Erhebungen –, und im Gegenzug können sie weniger arbeiten gehen. Sie haben entsprechend geringere Einkommen, sie stecken eher in der Teilzeitfalle, und sie verdienen am Ende weniger. Woher haben wir all diese Daten? All diese Daten haben wir aus Zeitverwendungserhebungen, die das Statistische Bundesamt alle zehn Jahre durchführt. Ich finde es gut, dass wir diese Daten erheben, weil sie uns bei der politischen Auseinandersetzung helfen und weil sie Aufgaben klar beschreiben, nämlich diese Ungerechtigkeit abzubauen. Dagegen kann auch niemand mehr was sagen. Wir wissen: Das ist so. Und wir müssen es ändern. ({0}) Und deswegen ist es gut, dass der Deutsche Bundestag heute das Zeitverwendungserhebungsgesetz beschließen wird. Es kommt sehr technisch daher – der Kollege Schwartze hat darauf hingewiesen –, aber wir schaffen damit die rechtliche Grundlage, dass diese Daten in Zukunft weiterhin erhoben werden können. Die Anhörung hat klar ergeben: Es wäre sinnvoller, sie in deutlich kürzeren Taktungen als alle zehn Jahre zu erheben. Wir bräuchten sie viel öfter, damit wir zum Beispiel auf die Erfahrungen aus der Coronapandemie reagieren können. Die entscheidende Frage ist doch: Was machen wir eigentlich mit diesen Daten? Was machen wir mit diesen ziemlich brutalen Erkenntnissen? Ich möchte Ihnen in der noch verbleibenden Redezeit einige Punkte nennen, die, wie wir Linke finden, jetzt daraus resultieren müssen. Erstens. Wir brauchen eine gerechtere Verteilung von Sorgearbeit. ({1}) Deswegen haben wir – darüber können Sie in den nächsten Wochen hier im Deutschen Bundestag abstimmen – einen Antrag gestellt, mit dem wir zehn Tage Elternschutz für angehörige Partnerinnen oder Partner von gerade gebärenden jungen Müttern fordern. Das bietet die Chance, dass beide Elternteile nach der Geburt eines Kindes zehn Tage bezahlt zu Hause bleiben können. Das ist doch eine super Sache und würde sofort helfen. ({2}) Zweitens. Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeit für alle, die Verantwortung für Pflege und Erziehung im Haushalt tragen. Drittens. Wir brauchen eine bessere Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten bei der Rente. Es müsste doch längst eine Selbstverständlichkeit sein, dass diese Zeiten bei der Rente viel besser berücksichtigt werden und die Leute im Alter auch noch etwas davon merken. ({3}) Viertens. Diesen Punkt haben wir schon häufiger hier vorgeschlagen: Wir brauchen eine umfassende Elterngeldreform. Wir fordern zu diesen Bundestagswahlen einen Elterngeldanspruch von zwölf Monaten für jeden Partner, der zu Hause ist, damit sich beide Elternteile geschlechtergerecht um die Sorge ihrer Kinder kümmern können. Es darf nicht weiter so sein, dass die Väter in aller Regel arbeiten gehen und die Frauen die meiste Zeit zu Hause bleiben, weil sie das geringere Einkommen haben. ({4}) Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Wir wollen mehr Zeit für Familien. Wir wollen dafür aber auch eine geringere Arbeitszeit. Wir sagen: Der erste Schritt ist die 35-Stunden-Woche. Perspektivisch brauchen wir ein neues Normalarbeitsverhältnis, wo niemand mehr als 30 Stunden die Woche arbeiten soll.
6
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Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,809
228
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss.
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Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07
1,060,810
228
19
Norbert
Müller
11,004,613
Dann bleibt mehr Zeit für Familie, und das müssen wir dann noch gerechter aufteilen. Vielen Dank. ({0})
6
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Member of Parliament
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2021-05-07
1,060,811
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19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Müller. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
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Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-07