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2021-05-07 00:00:00
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227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Trittin. – Da der Kollege Michael Brand, CDU/CSU-Fraktion, seine Rede zu Protokoll gegeben hat, ({0}) ist der letzte Redner der Kollege Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,612
227
19
Volker
Ullrich
11,004,427
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in dieser Debatte ist noch mal deutlich geworden, dass es weltweit eine wichtige Auseinandersetzung über die Frage gibt, welche Art von Ordnung in der Welt – diejenige, die auf Menschenrechte und Freiheit setzt, oder das Ordnungsprinzip autoritärer Staaten – sich durchsetzt. ({0}) Hongkong war in der Geschichte – das ist wichtig zu betonen – immer auch Zufluchtsort für Menschen, die vor Unterdrückung geflüchtet sind: Monarchisten und Opfer der chinesischen Kulturrevolution, aber auch Menschen, die in Richtung Freiheit geflohen sind. Das hat sich umgedreht. Mittlerweile fliehen Menschen aus Hongkong, wie Nathan Law, an den ich heute erinnern möchte. Ich habe kürzlich ein Interview mit ihm gelesen. Er war einer der jüngsten Abgeordneten im Legislativrat in Hongkong, musste fliehen und hat mittlerweile in Großbritannien Asyl erhalten. Er macht deutlich, dass es hier mittlerweile um mehr geht, nämlich um die Frage, ob diese letzte Flamme der Freiheit noch brennt oder ob entgegen internationalem Recht diese Freiheit stirbt. Diese Debatte ist deswegen wichtig, um deutlich zum Ausdruck zu bringen: Wir als Deutscher Bundestag stehen auf der Seite der Freiheit. – Das Bewusstsein für die Menschen, die sich für Freiheit einsetzen, muss deutlich werden. ({1}) Das ist übrigens auch eine Frage des Respekts vor der internationalen Ordnung. Die chinesisch-britische Erklärung von 1984 ist bei den Vereinten Nationen hinterlegt worden und damit Teil der Völkerrechtsordnung. ({2}) Wir müssen bei all den Auseinandersetzungen, die wir haben, deutlich machen, dass das Völkerrecht mit seinen Regelungen gelten muss, und zwar für jeden, ({3}) dass hier eine Verletzung internationalen Rechts vorliegt und dass wir mit Fug und Recht einfordern – nicht nur wir, sondern gemeinsam mit unseren europäischen Partnern –, dass das Völkerrecht – auch im Rahmen der chinesisch-britischen Erklärung – gilt. ({4}) Ich glaube, dass dieser Kampf in Hongkong noch nicht zu Ende erzählt ist und dass wir hierbei Fragen der wirtschaftlichen Beziehungen nicht von der Frage der Freiheitsrechte trennen können, aber es muss deutlich werden, dass diese Erzählung und die Frage, wer im Mittelpunkt steht, nur dann eine positive Wendung bekommen können, wenn am Ende Menschenrechte und Freiheit im Mittelpunkt stehen. Das ist das Ergebnis dieser Debatte und unsere Haltung. Vielen Dank. ({5})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,613
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ullrich. – Damit schließe ich die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,614
227
19
Lothar
Binding
11,003,050
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich finde es, offen gestanden, eine ziemliche Leistung, von Unterdrückung und Freiheit, von Diktatur und Demokratie, von Hongkong gestern und heute zum Schwarmfinanzierungs-Begleitgesetz zu kommen. ({0}) Ich glaube, wir müssen uns auch immer klarmachen, in welchen Dimensionen wir hier manchmal denken und Politik machen, und die Wertigkeit entsprechend zuordnen. Das wollte ich für diesen Tagesordnungspunkt kurz leisten. Zum Schwarmfinanzierungs-Begleitgesetz: Vielleicht haben Sie mal von Startnext, VisionBakery, Steady, 99 Funken, Kickstarter oder Indiegogo gehört. Das sind Crowdfunding-Plattformen, auf denen Leute ihr Geld für Projekte abgeben können. Schwarmfinanzierungsdienstleister kümmern sich dann um dieses eingesammelte Geld. Das ist eine alternative Finanzierungsform für Projekte von vielen Investoren – meist kleinen Investoren – und läuft über Plattformen oder über Internetportale. Das ist sehr wichtig für die Start-up-Finanzierung und auch für junge Unternehmen, hat also ein Zukunftsmoment. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir uns darum kümmern. Die inhaltlichen Anforderungen wurden schon über eine EU-Verordnung definiert. Dies ist also unmittelbar geltendes Recht für Deutschland. Was wir heute machen, ist ein Begleitgesetz, um sozusagen die begleitenden Vorschriften in deutsches Recht zu überführen. Im Wesentlichen geht es um die zivilrechtliche Haftung der Schwarmfinanzierer, also der Projektträger; sie haften für falsche und fehlende Informationen. Jetzt muss ich sagen: Bei dieser Haftung geht es letztendlich darum, die Anleger zu schützen. Das ist klar; das ist eine Verbraucherschutzinitiative. Wir wollen diesen Markt aber auch stabilisieren und sicherer machen. Das ist für den Markt selbst gut. Mich irritiert jetzt, dass manche betroffene Verbände die Haftung kritisieren und sagen: Das ist eine Katastrophe für die Branche. – Offen gestanden, das kann ich überhaupt nicht einsehen; denn wir haben Erfahrungen damit, was am Finanzmarkt passieren kann. Nein, die Haftung entspricht der üblichen zivilrechtlichen Haftung im deutschen Schadensersatzrecht – Haftung für Vorsatz und Fahrlässigkeit –, ist also gar nichts Besonderes. Insofern hat mich die Aufregung etwas irritiert, weil ich es wichtig finde, dass in diesem Markt sicher investiert werden kann; denn bei Wikipedia steht: Das ist ein grauer Markt. – Und wer investiert schon gerne in einen grauen Markt? Mit unserem Gesetz, kombiniert mit der Verordnung, verlässt die Schwarmfinanzierung praktisch den grauen Markt, und das ist ein riesiger Vorteil für alle, die sich da engagieren wollen: für die Branche und für die Leute, die dort selbst investieren. Das ist einfach eine Stärke des Marktes, die wir jetzt hinzufügen. Ansonsten kann er ja so bleiben, wie er will, und alle, die bis jetzt zuverlässige Angaben gemacht haben, werden von den Regeln gar nichts merken. Jetzt gibt es eine Reihe von weiteren Regeln; das ist ja so ein bisschen ein Omnibusgesetz. Dabei geht es zum Beispiel um die Factoring- und Leasingunternehmen; dazu führen wir etwas ein. Gut, der Anlass, die AvP-Insolvenz, war eigentlich gar nicht echtes Factoring und Leasing. Es geht darum, dass man das Vieraugenprinzip einführt, weil man sagt: Zwei Geschäftsführer sehen mehr und tragen wechselweise Verantwortung; dies macht das Factoring- und Leasinggeschäft sicherer. – Es ist nicht ganz leicht, immer einen Zweiten zu finden, weshalb wir die Inkraftsetzung dieser Regel noch mal etwas verschoben haben. Daneben gibt es einen weiteren Punkt: den Provisionsdeckel. Es geht darum, dass es in der Restschuldversicherung den Tatbestand des Wuchers gibt; es werden exorbitant hohe Provisionen gezahlt. Das wird jetzt auf 2,5 Prozent der versicherten Darlehenssumme begrenzt – wir glauben, das ist eine sehr angemessene Vergütung –, und höhere Vergütungen sind unzulässig. So merken wir, dass dieses gesamte Gesetz einen Strauß an Verbraucherschutzregeln aufbaut, die wir für sehr wichtig halten. Ja, einen kleinen Wermutstropfen gibt es auch: Wir haben es leider nicht geschafft, einen Provisionsdeckel für Lebensversicherungen zu organisieren. – Somit haben wir noch eine schöne Aufgabe für die nächste Legislaturperiode. Vielen Dank. ({1})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,615
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Oh, vielen Dank, Herr Kollege Binding. ({0}) Nächster Redner ist der Kollege Stefan Keuter, AfD-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,616
227
19
Stefan
Keuter
11,004,778
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Schwarmfinanzierung, auch Crowdfunding genannt. Daneben geht es aber um weitere Themenfelder, die mit Crowdfunding, Schwarmfinanzierung, so gar nichts zu tun haben. Hier möchte die Koalition sozusagen im Endspurt dieser Legislaturperiode noch weitere, bisher liegengebliebene Themen abhandeln und in einer nur 30-minütigen Debatte durchwinken. Da sind wir als größte Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag gefordert, der Regierung insbesondere hier auf die Finger zu schauen, was in einer vierminütigen Rede allerdings nur sehr oberflächlich möglich ist. Worum geht es? Schwarmfinanzierungsdienstleister, also Plattformen, die zur Finanzierung verschiedener Projekte im Internet Kapital von Investoren einsammeln, sollen EU-weit zulassungspflichtig gemacht und europäischen Regelungen unterworfen werden. Hier werden die Crowd-Finanzierungsplattformen verpflichtet, über komplexe Simulationsmodelle die Risikotragfähigkeit zu simulieren und über das bisherige deutsche Recht hinaus sehr weitgehende Regeln zu Transparenz und Offenlegungspflichten einzuhalten. Wir halten dies für zu weitgehend. Auch bisher schon müssen Anbieter sämtliche Regeln der Kredit- und Wertpapiervermittlung beachten. Einen echten Mehrwert aus den erweiterten EU-Regeln können wir so nicht erkennen. Daneben wird noch die grenzüberschreitende Erbringung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen explizit geregelt. Wofür haben wir eigentlich, frage ich mich, seit fast 30 Jahren den Binnenmarkt? Die persönliche Haftung der Organmitglieder der Emittenten für die Richtigkeit der Angaben geht weit über die bestehenden Regelungen des Wertpapierprospektgesetzes hinaus. So werden die Initiatoren in für sie unüberschaubare Haftungsrisiken gedrängt, was letztendlich unternehmerisches Engagement ausbremsen dürfte. Zusätzlich sollen kleine Factoring-Unternehmen, also zum Beispiel Abrechnungsstellen für Handwerker, verpflichtet werden, mindestens zwei Geschäftsführer einzusetzen. Das kann für kleine Unternehmen von der Kostensituation her durchaus existenzgefährdend sein. Die zugrundeliegende EU-Verordnung gilt bereits unmittelbar. EU-Verordnungen kommen bekanntlich ohne nennenswerte öffentliche Beteiligung zustande und auch nur äußerst selten gegen die deutsche Stimme am Tisch. Daneben geht es hier auch noch um ein paar paneuropäische private Pensionsprodukte, sozusagen Riester und Rürup für Europa. Brauchen wir das? Ich sage: Nein. – Der Webfehler in der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge ist sicherlich nicht im staatsübergreifenden Wohnsitzwechsel von Arbeitnehmern zu suchen. Stellen Sie doch erst mal die Rente auf sichere Füße, schaffen Sie einen guten Rechtsrahmen für eine ergänzende kapitalgedeckte Altersvorsorge, wovon auch die Kunden etwas haben und nicht nur in erster Linie die Versicherungsunternehmen profitieren! ({0}) Ein weiterer Punkt ist die Einführung eines Provisionsdeckels beim Vertrieb von Restschuldversicherungen. Die hier von der Bundesregierung vorgesehene Deckelung der Provision auf 2,5 Prozent der Kreditsumme gehen wir mit. Eine zu starke Begrenzung, wie von den Grünen gefordert, und weitere Vertriebshindernisse, wie von den Linken gefordert, würden aus unserer Sicht das Produkt insgesamt unwirtschaftlich machen. Gerade in diesen Zeiten der anhaltenden Arbeitsplatzunsicherheit ist die Absicherung eines Kredites über eine Restschuldversicherung für die Kunden elementar, um das Risiko einer Privatinsolvenz auszuschließen. Das zunächst noch vorgesehene Vergleichsportal für Girokonten wurde in den letzten Tagen wieder heruntergenommen, weil die Koalition hier keine Einigkeit erzielen konnte. Das, liebe Große Koalition, macht keinen guten Eindruck. ({1}) Die 2017 noch als groß bezeichnete Koalition aus Union und SPD liegt jetzt laut jüngster forsa-Umfrage zusammen nur noch bei 37 Prozent. Das nenne ich abgewirtschaftet. Vielen Dank. ({2})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,617
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Keuter. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Carsten Brodesser, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,618
227
19
Carsten
Brodesser
11,004,684
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Schwarmfinanzierungs-Begleitgesetz bringen wir heute ein ganzes Bündel von gesetzlichen Regelungen zum Abschluss, die zum großen Teil dem Verbraucherschutz dienen. Im Kerngesetz, also in Bezug auf die Schwarmfinanzierung – darauf ist der Kollege Binding schon eingegangen –, haben wir dieses immer populärer werdende Finanzierungsinstrument auf europarechtlich solide Beine gestellt sowie die Haftung für fehlerhafte Informationen für die Verbraucher klargestellt. Die ursprünglich im Entwurf sehr weit gefasste Haftung für fehlerhafte Prospektinhalte auch für die Aufsichtsorgane solcher Plattformen ging unseres Erachtens zu weit. Deshalb haben wir die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und auf Vorsatz beschränkt. Eine ähnliche Haftungsbeschränkung – auch das hat der Kollege Binding erwähnt – bei Leitungsorganen für unrichtige Angaben im Anlageinformationsblatt ist aus unserer Sicht jedoch nicht vertretbar; denn der Anleger muss sich auf die Richtigkeit der Informationen im Anlagebasisinformationsblatt verlassen können. Die Einführung eines Vieraugenprinzips durch einen zweiten Geschäftsführer bei Leasing- und Factoring-Unternehmen wird vor allem für kleinere Anbieter eine Herausforderung sein, weshalb wir die Umsetzungsfrist auf den 1. Januar 2024 ausgedehnt haben. Erwähnenswert ist ferner eine Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes in Bezug auf die Pensionskassen, die die Rahmenbedingungen für Unterstützungszahlungen durch Arbeitgeber verbessert. Wir stärken damit die Sicherheit und Finanzierbarkeit der betrieblichen Altersvorsorge und das Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die betrieblichen Pensionsverpflichtungen. Großen Raum nahm im parlamentarischen Verfahren die Deckelung von Abschlussprovisionen bei Restschuldversicherungen ein, die meine Fraktion bereits im letzten Jahr eingefordert hatte. Auswüchse mit in der Spitze über 50 Prozent Provisionsanteil an der Gesamtprämie gehören nun der Vergangenheit an; denn diese Provisionen sind zukünftig durch eine Deckelung auf 2,5 Prozent des versicherten Darlehensbetrages begrenzt. ({0}) Wir haben Umgehungsmöglichkeiten bei der Vertriebsvergütung ausgeschlossen und eine Stornohaftung eingeführt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist dies ein guter Tag; denn wir ermöglichen dadurch auch in Zukunft eine passende Absicherung gegen existenzielle Risiken zum fairen Preis. ({1}) Allen, die an dem vorliegenden Gesetzentwurf beteiligt waren, möchte ich ausdrücklich für ihre kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit danken. Mein Dank gilt insbesondere den Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners sowie den Fachabteilungen im BMF. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie sehen, trage ich heute bei dieser Rede im Plenum keine Krawatte. ({2}) Das hat auch einen guten Grund; denn in den letzten Wochen ist mir mehrfach der Kragen geplatzt. ({3}) Denn wichtig ist nicht nur das, was in diesem Gesetz geregelt wurde, sondern auch das, was eben nicht geregelt wurde. Im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde die Verordnung zur Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent thematisiert, womit sich auch der vorliegende Antrag der FDP befasst. ({4}) Diese betreffende Verordnung bedarf zwar formal nicht der parlamentarischen Zustimmung, hat aber erheblichen Einfluss auf die Systeme der betrieblichen und privaten Altersvorsorge. ({5}) Im Anschreiben zu dieser Rechtsverordnung schreibt das BMF, dass die Anpassung des Höchstrechnungszinses dem Vorschlag der Deutschen Akutarvereinigung entspreche. Das ist richtig. Was das BMF jedoch verschweigt, ist die Tatsache, dass die Deutsche Aktuarvereinigung bereits im Dezember letzten Jahres in aller Klarheit auf die dringende Notwendigkeit hinwies, die Beitragsgarantie in der Riester-Rente sowie bei der Beitragszusage mit Mindestleistung in der betrieblichen Altersvorsorge zu reformieren. Das war aber nur ein Teil eines unwürdigen Schauspiels, dessen Hauptdarsteller ausdrücklich nicht meine Kolleginnen und Kollegen der SPD im Finanzausschuss waren; denn sie wussten ja selber nicht, wie es weitergeht. Nein, Hauptdarsteller dieser Tragödie war der Bundesfinanzminister Olaf Scholz. ({6}) Aber der Reihe nach: Anfang 2018 schlossen die Union und die SPD den Koalitionsvertrag, womit sich auch der Bundesfinanzminister verpflichtete, die private Altersvorsorge weiterzuentwickeln und zügig ein attraktives Riester-Standardprodukt zu präsentieren. Gleichzeitig wurde eine Rentenkommission mit Vertretern aus Union, SPD, Gewerkschaften, Arbeitgebern und der Wissenschaft eingesetzt, die sich ebenfalls mit notwendigen Anpassungen der zweiten und dritten Säule der Altersvorsorge beschäftigen sollte. Parallel dazu tagten über anderthalb Jahre flankierende Arbeitsgruppen der Fraktionen. Im März letzten Jahres legte die Rentenkommission ihren Abschlussbericht vor. Sie empfahl unter anderem, künftig modifizierte Garantien bei der Riester-Rente zu ermöglichen, um ein angemessenes Verhältnis von Rendite, Sicherheit und Risiken zu erhalten. Im Frühjahr 2020 tagten dann verschiedene Arbeitsgruppen der Riester-Produktanbieter auf Einladung des BMF. Im Oktober wurden die abschließenden Gespräche dann wieder ohne weitere Hinweise abgesagt. Bereits im Frühjahr letzten Jahres veröffentlichte die Fraktionsarbeitsgruppe meiner Fraktion ihre konkreten Verbesserungsvorschläge, um die staatlich geförderte Altersvorsorge günstiger, bürokratieärmer und zukunftssicherer zu machen. Noch vor der Sommerpause im letzten Jahr sendeten wir diese Vorschläge an Olaf Scholz. Wir haben auf dieses Schreiben bis heute keine Antwort erhalten. ({7}) Es ist ja nicht so, als hätten wir den „Obersten Führer“ Nordkoreas, Kim Jong Un, angeschrieben und keine Antwort erwartet. ({8}) Nein, wir sprechen hier vom Bundesfinanzminister, der notwendige Schritte zur Reform der staatlich geförderten Altersvorsorge unternehmen sollte. Im Dezember 2020 sprach ich dann selbst mit Olaf Scholz. ({9}) Er versicherte mir, dass er nach Weihnachten wirklich gute Reformvorschläge unterbreiten wolle. ({10}) Ich frage mich heute: Welches Weihnachten hat er wohl gemeint? ({11}) Anstatt zu handeln, hat er vertröstet, gebremst und sich letztlich der Problemstellung verweigert. ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben vor 20 Jahren mit der Riester-Rente die Möglichkeit geschaffen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Einstieg in eine zusätzliche Altersvorsorge schmackhaft zu machen. ({13}) Über 16 Millionen Menschen haben der Politik und ihren Empfehlungen vertraut. Wie die Zukunft der staatlich geförderten Altersvorsorge im Detail aussehen wird, entscheidet die nächste Regierung, leider. ({14}) Unabhängig davon, ob sich zukünftig die Menschen in unserem Land für eine Zulagenrente, für ein Paneuropäisches Privates Pensionsprodukt oder für einen Bürgerfonds entscheiden werden, müssen die 16 Millionen bestehenden Sparer im Auge behalten werden, ({15}) und es ist die Aufgabe des Bundesfinanzministers, das aktuelle System bis dahin zumindest zu stabilisieren. Die passende und auch noch mögliche minimalinvasive Lösung in den verbleibenden Wochen ist eine Öffnung der Beitragsgarantie, die auch nach Meinung der Wissenschaft zu mehr Rendite und mehr Sicherheit führt. ({16}) Eine Anhörung zu diesem Thema im Ausschuss für Arbeit und Soziales am Montag dieser Woche hat dies auch noch einmal untermauert. Herr Scholz – auch wenn er heute nicht da ist –, ({17}) nutzen Sie diese Chance, 16 Millionen Riester-Sparer zu entlasten! (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 11 Millionen Riester-Sparer! Wir erwarten jetzt Ihr Handeln. Und: Herr Heil, nutzen auch Sie diese Chance, damit die Beitragszusage mit Mindestleistung als Teil der betrieblichen Altersvorsorge erhalten bleibt! Vielen Dank. ({18})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,619
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich bin sicher, dass diese beachtliche Rede von Herrn Bundesfinanzminister Scholz wirklich zur Kenntnis genommen wird. ({0}) – Herr Kollege Schäffler, auch Sie müssen aufgerufen werden. Aber Sie haben als Nächster jetzt das Wort. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler, FDP-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,620
227
19
Frank
Schäffler
11,003,834
Vielen Dank für deinen Hinweis. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist eigentlich eine relativ kleine Nummer. Mein Vorredner von der SPD hat vorhin deutlich gemacht, um was es im Wesentlichen eigentlich geht: Es geht in diesem Gesetz unter anderem um die Förderung der Schwarmfinanzierung und um viele andere Fragen. Sie haben die Schwarmfinanzierung besonders gelobt und gesagt, Sie würden hier besondere Haftungsregime schaffen. Das Problem ist nur, dass die Branche und die, die das betreiben in Deutschland, angekündigt haben, Deutschland zu verlassen, wenn dieses Gesetz verabschiedet wird. ({0}) Das ist die Konsequenz Ihrer Gesetzgebung. Sie verschärfen das Haftungsregime so stark, dass es gar keine Anbieter mehr in Deutschland geben wird, die das betreiben wollen, sondern die gehen anschließend lieber nach Luxemburg. Das ist die Folge Ihrer Politik. ({1}) Das Zweite ist: Die Finanzierung von Unternehmen erfolgt vielfach über Factoring-Unternehmen, die zu 90 Prozent Kleinst- und Kleinunternehmen sind. Wenn Sie denen zwei Geschäftsführer aufs Auge drücken, werden auch die vom Markt verschwinden. Das ist auch Folge Ihrer Politik. Das Dritte – und das hat Herr Brodesser richtig angesprochen – ist das Dilemma, das Sie hier bei der Riester-Rente erzeugen, und das muss doch auch einem Sozialdemokraten im Herzen wehtun. ({2}) Das Riester-Projekt trägt den Namen eines Sozialdemokraten; Walter Riester hat 2002 diese Riester-Rente geschaffen. Der Staat hat Anreize dafür geschaffen, dass 16 Millionen Bürger in diese Altersvorsorgeprodukte eingezahlt haben. ({3}) – Ja, da sind natürlich einige, die auch – – ({4}) – Ja, das wissen wir ja alles. ({5}) – Okay, dann sind es 15 oder 14 Millionen; ist doch egal. ({6}) Aber es sind Millionen Bürger, ({7}) die in diese Verträge über sehr, sehr lange Zeit hineingespart und sich darauf verlassen haben – auch auf die Sozialdemokratie verlassen haben –, ({8}) dass dieses Produkt, diese Art der Altersvorsorge, am Ende funktioniert, und jetzt lassen Sie diese Leute im Stich. Sie müssten sich eigentlich schämen! ({9}) Sie müssten sich schämen, dass Sie diese Leute im Stich lassen; denn am Ende werden diese Menschen weniger herausbekommen, als sie eingezahlt haben, und die Verantwortung dafür tragen Sie, weil Sie vier Jahre hier regiert und nicht dafür gesorgt haben, dass sich diese Verträge am Ende rechnen. Diese Verträge müssen entbürokratisiert werden. Am Ende muss die Rentengarantie aufgeweicht werden. Am Ende muss die Beitragsgarantie aufgeweicht werden. Nur so können in der aktuellen Kapitalmarktsituation überhaupt noch Erträge erwirtschaftet werden. Wenn Sie das so lassen, dann versündigen Sie sich an diesen Millionen Menschen in diesem Land. Vielen Dank. ({10})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,621
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Schäffler. – Nächster Redner wird sein der Kollege Jörg Cezanne, Fraktion Die Linke. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,622
227
19
Jörg
Cezanne
11,004,693
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu später Stunde spreche ich nur zu einem Thema aus diesem ziemlich bunten Strauß verschiedener Teile dieses Gesetzentwurfes, nämlich zu den Restschuldversicherungen. Hier ist zum Schutz der Verbraucher eine deutlich schärfere Regelung notwendig, als im Gesetzentwurf vorgesehen ist. ({0}) Restschuldversicherungen werden gerne angeboten, wenn Banken Verbrauchern einen Privat- oder Verbraucherkredit verkaufen. Die Versicherung, so die Erklärung, soll einspringen, falls die Verbraucherin oder der Verbraucher die Rate nicht mehr zahlen kann, zum Beispiel wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit. Bei genauerem Hinsehen muss man aber eher von Kreditwucher reden. ({1}) Das Verbraucherportal „Finanztip“ – und die sind nicht die Ersten gewesen – hat im April noch einmal belegt, dass die Kosten für die Versicherung des Kredits meistens höher sind als die Zinsen für den eigentlichen Kredit selbst. ({2}) Bei allen überprüften Kreditanbietern verdoppelte sich der angegebene Effektivzinssatz des Kredits, wenn man auch die Kosten der Restschuldversicherung einberechnete. Ein unhaltbarer Zustand! ({3}) Die Regelung im vorliegenden Gesetzentwurf, jetzt einfach nur die Provision zu kürzen, um damit den Verkauf solcher Restschuldversicherungen nicht noch weiter anzureizen, reicht einfach nicht aus. Es geht in die richtige Richtung; aber es reicht nicht aus. ({4}) Dieser Provisionsdeckel beseitigt nicht den Anreiz, durch den Verkauf von Restschuldversicherungen ein Zusatzgeschäft zu machen; das wird es weiterhin geben. Wenn Sie jetzt den Deckel draufmachen, dann liefern Sie den Banken ja geradezu einen Anreiz, zu versuchen, die ihnen dann entgehenden Einnahmen durch den Verkauf von noch mehr Kreditversicherungen wieder auszugleichen. ({5}) Auch das Problem, dass Versicherungen verkauft werden, die dem Bedarf der Verbraucherinnen und Verbraucher gar nicht entsprechen, weil sie diese gar nicht benötigen, wird durch die niedrigere Provision nicht beseitigt. Die Grünen haben einen sehr guten Antrag zu dem Thema vorgelegt, ({6}) der viele von diesen Problemen sehr gut lösen würde und dem wir gerne zustimmen. ({7}) Wir haben Ihnen heute noch einen Antrag dazugelegt – er trägt den Titel „Kreditwucher beenden“ –, mit dem wir einen Vorschlag des bundesweiten „Bündnisses gegen Wucher“ aufgreifen. In dem von uns eingebrachten Antrag schlagen wir vor, den Wucherparagrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs – § 138 – um eine klare Bestimmung zu ergänzen, wann genau denn ein auffälliges Missverhältnis zwischen den Kosten für die Versicherung und der gebotenen Versicherungsleistung selbst vorliegt. Wenn das klar bestimmt ist, wären Verträge, die diese Kriterien nicht erfüllen, nichtig, und das wäre für die betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher eine große Hilfe. Danke schön. ({8})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,623
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Cezanne. – Der Kollege Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer, SPD-Fraktion, sowie der Kollege Alexander Radwan, CDU/CSU-Fraktion, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben, ({0}) sodass ich die Aussprache schließen kann.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,624
227
19
Hans-Jürgen
Irmer
11,004,766
Herr Präsident! Ich freue mich, zu dieser Primetime über die Bedeutung von Europol sprechen zu dürfen. Ich darf vorab vorausschicken, dass zwei meiner geschätzten Kollegen ihre Reden zu Protokoll geben, sodass sich die Redezeit zu diesem Tagesordnungspunkt insgesamt etwas reduzieren wird. Meine Damen und Herren, ich möchte die Bedeutung von Europol an einem ganz persönlichen Erlebnis festmachen. Ich bin, wie der eine oder andere vielleicht weiß, Vorsitzender einer unabhängigen, überparteilichen Bürgerinitiative namens „Pro Polizei Wetzlar“; Wetzlar ist meine Heimatstadt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Polizei ideell und materiell zu unterstützen und präventiv tätig zu sein. Wir bieten unseren Mitgliedern Veranstaltungen, Vorträge und anderes mehr an. Übrigens wurde vor Kurzem „Pro Polizei Sachsen-Anhalt-Süd“ durch den Kollegen Bernstiel gegründet. – So viel zu diesem Werbeblock. Mit dieser Pro-Polizei-Bürgerinitiative, mit 50 Mann, waren wir – und da schließt sich der Kreis – in Den Haag bei Europol. Die hatten ein tolles Programm für uns ausgearbeitet. Einer hat einen Vortrag gehalten über die Zusammenarbeit von Europol mit nationalen Behörden und hat einen Fall geschildert, bei dem uns im weiteren Verlauf immer deutlicher wurde: Den kennen wir. Es war nämlich ein spektakulärer Überfall auf ein Juweliergeschäft in unserer Heimatstadt Wetzlar. Er berichtete, wie man miteinander vernetzt ist. Es kam heraus, dass eine Bande aus Litauen professionell versuchte, leider seinerzeit erfolgreich, dieses Geschäft zu überfallen – ein Beispiel dafür, wie hervorragend die Arbeit von Europol ist, in Form von Vernetzung und Austausch von Daten. ({0}) Man könnte viele andere Beispiele bringen. Aktuell vor wenigen Tagen: eine Schleuserroute über den Balkan entdeckt durch Europol, in Zusammenarbeit mit spanischer Polizei Schleusernetzwerk entdeckt usw. usf. Meine Damen und Herren, Europol unterstützt seit 1999 die Strafverfolgungsbehörden innerhalb der europäischen Staaten in den Bereichen grenzüberschreitende Kriminalität, Terrorismus, Islamismus, Cyberkriminalität, Organisierte Kriminalität. Wichtig ist dabei: Es gibt keine eigenen operativen Ermittlungen, sondern „nur“ – in Anführungsstrichen – die Vernetzung von Daten über das Schengener Informationssystem. Das heißt, Kernaufgabe von Europol ist die Funktion als Zentralstelle für den Informationsaustausch bei der Analyse. Weil dies ein Kernpunkt ist, begrüßen wir den Entwurf der neuen Europol-Verordnung der EU-Kommission, die zum Ziel hat: Stärkung und Ausbau der Informationsmöglichkeiten durch Zusammenarbeit – und das ist das Neue – mit Drittstaaten auf der einen Seite, aber auch mit privaten Anbietern auf der anderen Seite. Gemeint sind zum Beispiel die Onlinedienste, damit unter anderem der Bereich Kinderpornografie entsprechend aufgehellt werden kann – eine wichtige Sache. ({1}) Ein weiteres Ziel ist die rechtliche Sicherstellung und Ausweitung des Datenaustausches – bei Wahrung des Datenschutzes. Meine Damen und Herren, das ist ein wichtiges Problem. Wenn Sie mit den Experten sprechen, wissen Sie, dass der Datenschutz, der zwingend notwendig ist – das bestreitet niemand ernsthaft –, häufig zu einem Täterschutz innerhalb der Europäischen Union führt. Das gilt im Übrigen auch für Interpol. ({2}) Deshalb ist es richtig, meine Damen und Herren, dass wir diesen Datenaustausch auf eine rechtlich verlässliche Basis stellen, ({3}) damit entsprechend auch ausgewertet werden kann. ({4}) Wir begrüßen ausdrücklich – damit bin ich fast schon am Ende, Herr Präsident – ({5}) die Erklärung zur Zukunft von Europol durch den Innenminister im Rahmen einer EU-Innenministerkonferenz, die deutlich macht, welchen Stellenwert und welche Bedeutung Europol für uns als Union, für uns als Regierungsfraktionen hat. Wir hatten eine tolle Veranstaltung; Frau Mittag hat sie hervorragend geleitet. Wir hatten einen tollen Innenminister, der eine Grundsatzerklärung dazu vorgetragen hat und deutlich gemacht hat, wie wichtig und notwendig die personelle und finanzielle Unterstützung von Europol auch in Zukunft ist. ({6}) Meine Damen und Herren, wenn Sie wissen, dass der Etat bei rund 175 Millionen Euro liegt, –
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,625
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Lieber Kollege.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,626
227
19
Hans-Jürgen
Irmer
11,004,766
– wogegen allein die Organisierte Kriminalität einen Schaden von 130 Milliarden Euro verursacht, dann wird deutlich, –
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,627
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Lieber Kollege, jetzt ist aber Schluss. Sie haben eine halbe Minute überzogen.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,628
227
19
Hans-Jürgen
Irmer
11,004,766
– welche Bedeutung Europol hat. Herzlichen Dank. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,629
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich mache genauso Ernst wie meine Vorgängerinnen und Vorgänger hier im Amt. Das Präsidium ist entschlossen, den Hahn abzudrehen, wenn die Redezeit 10 Sekunden überschritten ist. ({0}) Das Wort geht an Martin Hess von der AfD-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,630
227
19
Martin
Hess
11,004,749
Verehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute debattieren wir darüber, ob Europol mehr Kompetenzen im Bereich der Sicherheit erhalten soll. Dabei hat eine Kompetenzübertragung auf die europäische Ebene bislang kein einziges Problem unserer Bürger gelöst. Zwei Beispiele: In der Coronakrise versäumt die EU zuerst, die europäischen Staaten bei der Krisenbewältigung zu unterstützen. Dann reißt sie die Impfstoffbeschaffung an sich – um auch damit kläglich zu scheitern. Und jetzt will die EU allen Europäern einen digitalen Impfpass aufzwingen, der im Ergebnis ein Zweiklassensystem für Geimpfte und Ungeimpfte bedeutet, ({0}) und deshalb lehnen wir das kategorisch ab. ({1}) Auch in der Migrationskrise versagt die Europäische Union gnadenlos. ({2}) Auf der einen Seite hindert sie die Nationalstaaten daran, ihre Grenzen effektiv zu schützen; auf der anderen Seite verweigert sie einen echten Schutz der europäischen Außengrenzen. ({3}) Sie zwingt sogar deutsche Polizisten dazu – im Rahmen des Frontex-Einsatzes –, mit kriminellen Schleppern und linksextremistischen Migrationshelfern zu kooperieren und Wassertaxi für illegale Armutsmigranten zu spielen. ({4}) Dieser Zustand muss ein Ende haben. ({5}) Wir müssen illegalen Migranten klar und deutlich sagen: Stopp! Europa wird niemals eure Heimat. ({6}) Denn solange diese Politik der offenen Grenzen fortgeführt wird, kann die desolate Sicherheitslage in den europäischen Staaten nicht verbessert werden. Schauen Sie sich den Europol-Bericht zur Terrorlage doch einmal an: Zwischen 2015 und 2019 hatten wir 94 islamistische Terrorattacken mit 374 Toten zu verzeichnen. Von 5 358 verhafteten Terroristen waren mehr als die Hälfte Islamisten. Seit 2015 gab es in Frankreich 250 Terroropfer, einige bestialisch enthauptet. Auch bei uns hat der islamistische Terror wiederholt zugeschlagen, wie letztes Jahr in Dresden, als Thomas L. von einem syrischen Gefährder mit einem Messer ermordet wurde. Und was tut diese Regierung, um den islamistischen Terror endlich wirksam zu bekämpfen? Nichts wirklich Wirksames! Stattdessen verschwendet sie wertvolle Sicherheitsressourcen und trägt dazu bei, dass Europol für die Zensur legitimer Meinungsäußerungen als Hassrede missbraucht wird. ({7}) Es ist wirklich unfassbar, wie man eine derart verfehlte Sicherheitspolitik betreiben kann. Wie viele Väter und Mütter, Söhne und Töchter müssen denn noch durch islamistische Terroranschläge umkommen, bis diese Regierung endlich entschlossen handelt? Wir brauchen kein europäisches FBI, wie von der SPD gefordert, und auch kein Europäisches Kriminalamt, wie die FDP das in ihrem Antrag vorschlägt. Operative Aufgaben sind bei unseren nationalen Sicherheitsbehörden am besten aufgehoben. Das bestätigt auch Gerhard Hantschke vom Bundeskriminalamt in seiner Stellungnahme zum SPD-Antrag. Er schreibt, dass Exekutivbefugnisse für Europol nicht erforderlich sind, weil – ich zitiere – „die Polizeibehörden der Mitgliedsstaaten über die notwendigen Exekutivbefugnisse verfügen, um internationale Ermittlungen erfolgreich zu führen“. Stattdessen, so der Polizeidirektor, sollte Europol operativ bedeutende Informationen zusammenführen und bewerten. Genau das ist auch die Position der AfD. ({8}) Deshalb ist es richtig und wichtig, dass Europol jetzt die Befugnis erhalten soll, Ausschreibungen im Schengener Informationssystem vorzunehmen. Aber diese Regierung hat es zugelassen, dass Großbritannien wegen seines EU-Austritts gerade von diesem wichtigen System getrennt wurde. ({9}) Uns gehen dadurch elementare Sicherheitsinformationen verloren. ({10}) Das ist ein sicherheitspolitischer Super-GAU, für den Sie entsprechend Mitverantwortung tragen. ({11}) Also hören Sie auf, Ihr sicherheitspolitisches Versagen mit der Forderung nach einer stärkeren Rolle von Europol kaschieren zu wollen! ({12}) Setzen Sie endlich einen effektiven Grenzschutz, den konsequenten Kampf gegen Terroristen und die Abschiebung von Gefährdern, Hasspredigern und Gewaltverbrechern um! Nur das schafft mehr Sicherheit. Und dafür brauchen wir Europol nicht. ({13})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,631
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Danke, Kollege Hess, für diese zeitliche Punktlandung. ({0}) Das Wort geht an Susanne Mittag von der SPD-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,632
227
19
Susanne
Mittag
11,004,355
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommen wir mal wieder von der Polemik zu den Fakten; das hilft ja immer bei so einer Rede. ({0}) Beim Thema Europol, denke ich, haben viele eine oft durch Bücher oder Filme geprägte Vorstellung. Ich kann sagen: Das trifft so nicht zu. Aber eigentlich weiß man ja, dass solche Beschreibungen keine Dokumentationen sind. Europol ist völlig anders aufgestellt als übliche Polizeibehörden, eine Behörde, die sich aus Mitarbeitern der eigenständigen europäischen Länder zusammensetzt, die kontrolliert wird von allen europäischen Ländern – ich darf mit Boris Pistorius und dem Kollegen Irmer dabei sein – sowie Mitgliedern des Europäischen Parlaments. Genau so, wie sich bei den örtlichen Polizeien, den Landeskriminalämtern, dem BKA und der Bundespolizei die Aufgaben, Zuständigkeiten, Ausstattungen und Erfordernisse geändert haben, so ist es auch bei Europol. Die Änderung des Mandats haben wir schon anlässlich unserer EU-Ratspräsidentschaft – wir hatten hier auch den Vorsitz in der Europol-Kommission – vorbereitet. Und nun – hoffentlich mit Einigkeit aller EU-Länder und des Europäischen Parlaments – wird das Mandat von Europol den heutigen Zeiten angepasst und auf die Zukunft ausgerichtet. Dazu gehört eine verbesserte Zusammenarbeit mit OLAF, zuständig für Betrugsermittlungen – sehr wichtig –, sowie mit der relativ neuen Europäischen Staatsanwaltschaft. Es wird seit Jahren schon mit den Dienststellen vor Ort zusammengearbeitet – mal persönlich, aber in erster Linie informell, auswertend, unterstützend und vernetzend – bei der Sicherung und Analyse von Informationen der eigenen und immer wieder neu ermittelten Daten, bei der Vernetzung mit den unterschiedlichen Dienststellen und Informationssystemen und bei der Auswertung und Zuordnung von beschlagnahmten Datenmengen – oftmals inzwischen im Terabyte-Bereich – zum Beispiel im Bereich der Organisierten Kriminalität. Nach letzten Schätzungen – und die dürften auch schon veraltet sein – gibt es circa 5 000 OK-Gruppen allein in Europa. Ich erinnere nur an das kürzlich veröffentlichte Verfahren hinsichtlich sexuellen Missbrauchs von Kindern. Der deutsche Täter sitzt in Südamerika und hat über 300 000 Kunden im Netz. Das soll man erst mal ermitteln! Dazu gehören auch die notwendigen und noch zu erforschenden Anwendungen von KI, künstlicher Intelligenz. Natürlich ist auch die Unterstützung und Weiterentwicklung im Bereich Kriminaltechnik nicht zu unterschätzen. In all diesen Bereichen hat eine rasante Entwicklung stattgefunden und findet auch jetzt immer noch statt. Dem wollen wir hier mit der Weiterentwicklung von Europol gerecht werden. Es geht neben der Organisierten Kriminalität auch um die Finanzkriminalität und Terrorismus. Wenn wir Europol nicht hätten, dann müssten die hiesigen Dienststellen mit dem Bundeskriminalamt allein ermitteln; das Dunkelfeld wäre noch dunkler. Die Erweiterung der Aufgaben erfordert natürlich auch eine erhöhte Kontrolle durch die Europol-Kommission, und die findet statt. Der Datenschutz findet ebenfalls statt, durch mehr Befugnisse des Datenschutzbeauftragten. Dazu gehört auch, Daten von Drittstaaten und Privaten weder vorbehaltlos anzunehmen noch abzugeben. So schlau sind die Ermittler von Europol schon. Auch wir haben inzwischen mitbekommen, dass angebliche Straftaten von Staaten instrumentalisiert werden und Private sehr ausgeprägte Eigeninteressen verfolgen können. Das wird sehr wohl unterschieden. Es gäbe natürlich noch sehr viel mehr Möglichkeiten für Europol. Wir hatten im letzten Jahr eine Anhörung, bei der aber auch deutlich wurde, dass eine Umsetzung der dafür notwendigen Anpassungen des Strafrechts und Strafprozessrechts derzeit nicht absehbar ist. ({1}) Wir tauschen im Vorfeld und in der Nachbereitung zu Europol-Sitzungen mit Vertretern der Oppositionsfraktionen, soweit Interesse besteht, Informationen zu den Gremien aus, besprechen die Berichterstattung und begleiten Veränderungen und Verbesserungen. Da wurde schon deutlich, dass allein bei Veränderungen der Geschäftsordnung eine gemeinsame Entscheidung aller beteiligten Länder und des Europäischen Parlamentes sehr viel Verhandlungsgeschick und Empathie erfordert. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu verstehen: Die Angleichung rechtsstaatlichen Vorgehens in so unterschiedlichen Ländern und die Durchführung eigenständiger Ermittlungen in einem Land, das kollidiert mit den Aufgaben der dortigen Polizei. Ein derartiges Mandat mit Zustimmung aller Länder umzusetzen, das ist derzeit und auf absehbare Zeit einfach illusorisch. Da hätte ich Ihnen von der FDP etwas mehr Realismus zugetraut; Sie waren doch immer mal bei den Besprechungen dabei. ({2}) Aber immerhin konnten wir vereinbaren, dass die Länder zu Ermittlungen aufgefordert werden können. Das bietet sich auch an, weil die auswertenden Erkenntnisse von Europol den betroffenen Ländern oft noch gar nicht vorliegen. Die genannten Veränderungen sind Verbesserungen: mehr Aufgaben, mehr Möglichkeiten, schnellere Kriminalitätsbekämpfung. Wie wichtig das ist, zeigt ganz aktuell die Bandbreite der Organisierten Kriminalität: Sie hat Gewinne aus der Pandemie genauso schnell abgeschöpft, wie die Pandemie sich ausgebreitet hat. Mit dem Beschluss hier und heute jedoch ist Zurücklehnen nicht angesagt. Es muss weiter, wie im Beschluss aufgeführt, auf die finanzielle Absicherung von Europol geachtet werden – es ist schon erwähnt worden: Europol ist immer noch unterfinanziert –, und an den Verbesserungen muss weiter gearbeitet werden. Kriminalitätsbekämpfung hat auch viel mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, und für soziale Gerechtigkeit stehen wir ja wohl immer alle ein. Herzlichen Dank. ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,633
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Herzlichen Dank für die eingesparte Zeit. – Die Kolleginnen und Kollegen Kuhle, Jelpke, Mihalic, Throm und Oster geben ihre Reden zu Protokoll. ({0}) Wir sind damit am Ende der Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,634
227
19
Steffen
Bilger
11,004,011
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unbemannte Luftfahrzeuge, das klingt nach Zukunftsvisionen – und in der Tat, da liegen viele Chancen, die wir in der Zukunft nutzen können –, aber unbemannte Luftfahrzeuge, das fängt schon beim traditionellen Modellflug an. Der ist insbesondere in Deutschland sehr beliebt, begeistert Hunderttausende und vermittelt im Rahmen der Jugendarbeit engagierter Verbände bereits den Jüngsten komplexe technische Zusammenhänge. – Alles Realität. Hunderttausende Privatleute besitzen und nutzen Drohnen – auch das alles schon Realität –, und auch im kommerziellen Bereich werden immer häufiger Drohnen eingesetzt, ob für die Inspektion von schwer zugänglichen Bauwerken, für den Blutkonserventransport oder zur Rehkitzrettung bei Mäharbeiten. Die Palette möglicher Anwendungen wird fast täglich größer. So sind auch Flugtaxis keine abstrakte Zukunftsvision mehr, sondern bereits heute eine vielversprechende konkrete Technologie, bei der Deutschland weltweit eine Spitzenposition hinsichtlich Forschung und Entwicklung eingenommen hat. Darauf, denke ich, können wir auch ein bisschen stolz sein, meine Damen und Herren. ({0}) Beim Stichwort „Flugtaxi“ muss ich natürlich daran erinnern, dass man vor wenigen Jahren noch belächelt wurde, wenn man davon gesprochen hat; in diesem Zusammenhang herzliche Grüße und vielen Dank an unsere Digitalstaatsministerin Dorothee Bär! Das ist heute schon Realität, im Test funktioniert das alles schon, und wir werden auch bald die konkreten Anwendungen sehen. Damit Deutschland weiter Treiber der Weiterentwicklung der unbemannten Luftfahrt bleibt, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die unbemannte Luftfahrt in Deutschland vor dem Hintergrund des europäischen Rechtsrahmens sicher in die bestehenden Strukturen integriert. Das Ziel ist die Beibehaltung des derzeit hohen Schutzniveaus in Bezug auf Privatsphäre, Umwelt und die bemannte Luftfahrt; das sind die Sorgen, die mit dieser Technologie immer wieder verbunden werden. Ganz klar: Wie bei jeder neuen Technologie müssen wir die Menschen mitnehmen, wir müssen Akzeptanz für diesen neuen Verkehrsträger schaffen, und das geht eben nur, wenn wir einen sicheren Rechtsrahmen für den Betrieb von Drohnen schaffen. Gleichzeitig müssen wir aber auch den Rahmen so gestalten, dass genug Freiheiten existieren, um einen sinnvollen Drohnenbetrieb zu ermöglichen. Die Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren mit der unbemannten Luftfahrt gemacht haben, zeigen, dass bedingungslose Verbote zu unnötiger Bürokratie führen und das Wachstum der Drohnenwirtschaft abwürgen könnten. Mit dem Gesetzentwurf haben wir daher konkrete Voraussetzungen formuliert, um den Betrieb von Drohnen erlaubnisfrei zu ermöglichen. Es gibt also Erleichterungen für viele Anwendungen; darauf haben viele schon lange gewartet. ({1}) Wichtig ist auch, dass die Nutzer einen zentralen Ansprechpartner im Bereich der unbemannten Luftfahrt haben; diese Rolle wird künftig in den allermeisten Bereichen das Luftfahrt-Bundesamt einnehmen. ({2}) Die Aufgaben erstrecken sich von der Betreiberregulierung über die Abnahme von Kompetenznachweisen bis hin zur Erteilung von Betreiberzeugnissen. So werden bürokratische Hürden abgebaut und die Landesluftfahrtbehörden entlastet. Gleichzeitig sollen aber die Länder dort zuständig bleiben, wo sie besonders kompetent sind, nämlich bei der Erteilung von Betriebsgenehmigungen, die eine genaue Kenntnis der lokalen Bedingungen verlangen. Eines ist klar: Eine sichere Luftfahrtverwaltung kann auch im Bereich der Drohnen nur gemeinsam funktionieren, Bund und Länder müssen ihre individuellen Stärken einbringen und zusammen an einem Strang ziehen. Auch deshalb möchte ich mich an die Mitglieder des Bundesrates wenden, die sich kritisch gegenüber dem Gesetzentwurf der Bundesregierung geäußert haben: Die gestern vom Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages vorgeschlagenen Änderungen greifen Ihre Anliegen in verantwortungsvoller Weise auf. Mehrere Bereiche wurden deutlich innovationsfreundlicher formuliert. Also erneut – so wie gestern in der anderen Debatte auch schon – herzlichen Dank an die Bundestagsabgeordneten, insbesondere auch an die Berichterstatter aus der Koalition, für wirklich viele gute Punkte, mit denen wir den Gesetzentwurf noch weiter verbessern konnten! Also, lassen Sie uns jetzt gemeinsam die Weichen dafür stellen, dass die unbemannte Luftfahrt eine sinnvolle Ergänzung der bestehenden Mobilität bilden kann und dabei ein hohes Niveau beim Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Privatsphäre und der Natur gegeben ist. Was wir jetzt brauchen, sind gesetzliche, EU-konforme Regelungen, die Rechtssicherheit schaffen und den Blick in die Zukunft richten. Wir haben die Chance, das noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam zum Erfolg zu bringen. Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung. ({3})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Secretary of State
Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
2021-05-06
1,060,700
228
19
Caren
Lay
11,004,088
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die soziale Spaltung in unseren Städten nimmt dramatisch zu. Mietenexplosion und Wohnungsnot führen zur massenhaften Verdrängung von Menschen mit kleinen und durchschnittlichen Einkommen. Selbst in Kleinstädten kann man inzwischen von der Wohnadresse auf das Einkommen schließen. Das ist fatal! ({0}) Kleinen Geschäften droht eine Pleitewelle, die Zentren der Metropolen werden beherrscht von kalten Konsumtempeln und langweiligen Bürozeilen. Da ist es wirklich gut, dass die aktualisierte Leipzig-Charta das Gemeinwohl zum Leitbild der Stadtentwicklungspolitik erklärt. Stadtentwicklung soll sozial, integrierend und nachhaltig für das Gemeinwohl sein. Das wird höchste Zeit! ({1}) Vor allen Dingen müssen diesem neuen Leitbild auch endlich Taten folgen. ({2}) Ich muss schon sagen, dass von diesen blumigen Reden von „essbaren Gärten“ und der „Resilienz der Städte“ kein Mensch seine Miete bezahlen kann. ({3}) Sie haben es mit Ihrer Mietpreisbremse und diesen schwachen Gesetzen nicht geschafft, die Mietenexplosion zu stoppen. Wenn man das nicht hinkriegt, dann kann man sich diese schönen Worte hier, ehrlich gesagt, auch sparen. ({4}) Die Städtebauförderung ist ein wichtiges Instrument. Aber dafür haben wir gerade mal 790 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Der Erhalt der Lufthansa war Ihnen 9 Milliarden Euro wert. Hier stimmen die Verhältnisse nicht. Wenn Ihnen die Stadtentwicklungspolitik so wichtig ist, wie Sie heute sagen, dann muss auch endlich mehr investiert werden. ({5}) Ich freue mich, dass das Wohnen im Stadtentwicklungsbericht einen großen Stellenwert hat. Aber auch hier sind Ihrem eigenen Credo „Bauen, bauen, bauen“ ja gar keine Taten gefolgt. Am Ende der Legislaturperiode werden wir 160 000 Sozialwohnungen weniger haben als zu Beginn der Legislaturperiode. Gestern hieß es beim Wohnungsbautag, dass noch in diesem Jahr die Anzahl der Sozialwohnungen auf unter 1 Million fällt. Das ist Ihre Verantwortung. Sie haben hier zu wenig investiert. ({6}) Wir als Linke fordern ein Rettungsprogramm für den sozialen Wohnungsbau und wollen 10 Milliarden Euro investieren, um städtische und genossenschaftliche Wohnungen nach dem Wiener Vorbild zu bauen, damit bezahlbares Wohnen in den Innenstädten wieder möglich wird. ({7}) Wer Ja zum Gemeinwohl in der Stadtentwicklungspolitik sagt, der muss auch Ja zu einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit sagen; denn sonst bleibt es bei hohlen Worten. ({8}) Und schließlich: Dem Gemeinwohl stehen die Spekulation und das Profitstreben diametral entgegen. Wer Gemeinwohl will, muss die Spekulation mit Immobilien stoppen. Aber leider fehlt der Regierung hierfür der Mut. Vielen Dank. ({9})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,635
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank. – Als Nächstes spricht Dr. Dirk Spaniel für die AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,636
227
19
Dirk
Spaniel
11,004,899
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz soll Gestaltungsspielräume für die unbemannte Luftfahrt schaffen, um den sicheren Betrieb dieses zukunftsweisenden Verkehrsträgers zu gewährleisten. Das ist ein Ansinnen, das unsere volle Zustimmung erfährt. Und es ist auch dringend nötig. Während die Raumfahrtnation China mit deutschen Steuergeldern den Lieferverkehr vom Fahrrad auf die Drohne umstellt, arbeiten weite Teile dieses Parlaments daran, auf das Fahrrad umzustellen. Doch was nun als Gesetzestext vorliegt, ist ein weiterer Hemmschuh für die Innovationen hier in Deutschland. Ohne jeden erkennbaren Nutzen schaffen Sie bürokratische Hürden für die Drohnenfliegerei, andererseits bleibt ein Teil der Flugsicherheit hierbei auf der Strecke. ({0}) Die Aufteilung der Zuständigkeit für unbemannte Luftfahrtsysteme – nach der Startmasse – bei der Erteilung von Betriebsgenehmigungen macht keinen Sinn und schafft Wettbewerbsnachteile für deutsche Firmen. Das erforderte ja sogar einen Änderungsantrag der Koalition, über den jetzt mit abgestimmt wird. Unverändert bleibt – leider –, dass Fluggenehmigungen in Abhängigkeit vom Ort des Betreibers und nicht in Abhängigkeit vom Fluggebiet erteilt werden. Kurz zur Verdeutlichung: In Bremen werden dann Drohnenflüge in den Alpen genehmigt und in Stuttgart Drohnenflüge über der Ostsee. Es wird noch willkürlicher: Ist der Sitz des Betreibers im europäischen Ausland, so ist die dortige Behörde für die Betriebsgenehmigung zuständig, auch wenn der Flugbetrieb in Deutschland stattfindet. Wo wird ein Hersteller von Drohnen dann wohl zukünftig seinen Betriebssitz wählen, wenn ihm die deutschen bürokratischen Wettbewerbsnachteile klar werden? Wir als AfD teilen Ihre Begeisterung für die Bevorzugung ausländischer Unternehmen übrigens nicht. Das wären vielleicht noch einige verzeihliche handwerkliche Fehler gewesen, wenn wenigstens die Flugsicherheit unangetastet geblieben wäre. Aber nach diesem Gesetz – wir haben es uns genau angeguckt – können Drohnen in Flughöhen von mehr als 120 Meter über Grund vorstoßen, wodurch die Einhaltung eines vertikalen Sicherheitsabstandes zur Mindestflughöhe bemannter Flugsysteme nicht mehr als ausreichend gewährleistet angesehen werden kann. Das gilt insbesondere für flache Anflugprofile, wie sie in der Sportfliegerei üblich sind. Der Genehmigungsprozess der unbemannten Luftfahrt ist dem etablierten Prozess der bemannten Luftfahrt anzugleichen. Selbstverständlich sind in Flugplatznähe auch die Flugleitungen mit einzubeziehen, genau wie das woanders auch passiert. Nur so kann den Interessen von Bund und Ländern bezüglich Zuständigkeit und Behördenaufwand Rechnung getragen und der Betrieb von unbemannten Luftfahrzeugen planungssicher und zukunftsfähig und akzeptabel gestaltet werden. Weder Flugvorbereitungen noch ‑genehmigungen dürfen zu einem bürokratischen Monster verkompliziert werden. Ganz nebenbei wird der Hobbyfliegerei so der Garaus gemacht werden; das passiert mit Ihrem Gesetz. ({1}) Und schon gar nicht darf die Flugsicherheit leiden. Der Änderungsantrag der Grünen – wen wundert es? – geht nach unserer Auffassung in die völlig falsche Richtung. Die Anträge der FDP und der Koalition versuchen, die Probleme etwas abzumildern. Wir werden uns da enthalten. Unsere Fraktion wird sich dem Gesetzentwurf der Regierung nicht anschließen können; wir werden ihn ablehnen müssen. Vielen Dank. ({2})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,637
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Dr. Spaniel. – Als nächster Redner spricht Arno Klare von der SPD-Fraktion zu uns. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,638
227
19
Arno
Klare
11,004,329
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Gesetzentwurf in der Ursprungsfassung mit der jetzigen Fassung vergleicht – ach so, ich habe die Maske noch auf, ({0}) Pardon, man ist so daran gewöhnt, man nimmt sie schon gar nicht mehr ab –, dann stellt man fest: Da hat sich verdammt was verändert. Ich bedanke mich ausdrücklich bei meinem Kollegen Björn Simon. Wir beide zusammen haben den Gesetzentwurf wirklich sehr stark verändert. Ich hatte hier die Formulierung stehen: „Wir haben ihn auf links gedreht“, aber diese Aussage könnte als politische Positionierung gedeutet werden. Also: Wir haben ihn sehr, sehr stark verändert, zum Besseren verändert; das ist der wichtige Punkt. ({1}) § 21h Luftverkehrs-Ordnung war der am meisten kritisierte Paragraf in dem Entwurf. Dieser Paragraf beginnt jetzt mit einem entscheidenden Satz: „Die Benutzung des Luftraums … ist frei …“. Das ist ein Zitat aus § 1 des Luftverkehrsgesetzes, das jetzt in § 21h Luftverkehrs-Ordnung wiederholt wird. Das macht deutlich, dass wir erst einmal einen Duktus haben wollen, der erlaubt und der ermöglicht, dass wir keine Litanei von Verboten aufschreiben wollen, wie es im ursprünglichen Gesetzentwurf der Fall war; das haben wir komplett geändert. ({2}) Ein Hinweis noch mal zu den Luftsportverbänden in Deutschland, die eine hervorragende Arbeit leisten. In der Anhörung – wer da war, hat es gemerkt – hatten zwei Verbände ja sehr unterschiedliche Auffassungen, was § 21f und § 21g der Luftverkehrs-Ordnung betraf. Auch das haben wir, wie ich finde, jetzt in einer vernünftigen Art und Weise harmonisiert, sodass beide Verbände ihrer Arbeit nachgehen können und ihre hervorragende Arbeit, vor allen Dingen Jugendarbeit, fortsetzen können. Kolleginnen und Kollegen, wir reden hier nicht über Spielzeug, wie einige glauben, sondern über die Fluginstrumente der Luftfahrt von morgen – darauf ist schon hingewiesen worden –; das reicht von der kleinen Drohne der Dachdeckermeisterin, die damit ein Dach kontrolliert –, hochauflösende Fotos erhält, ohne dass sie draufsteigen muss –, über – auch das gibt es schon, ist schon im Einsatz – einen Drohnenschwarm von 50 bis 100 Drohnen, die bei einem Waldbrand sozusagen einen Regen über dem Gebiet ablassen – auch das gibt es schon – und damit die Löschanstrengungen anderer ergänzen, über Fluggeräte zur Überwachung von Schienenstrecken – das kennen wir – bis hin zu Drohnen, die in 500 Metern Höhe Strom erzeugen. Das kennen viele vielleicht noch nicht; aber es gibt ein paar Leute bei uns, die das schon gesehen haben, zum Beispiel Mathias Stein und Gero Storjohann aus Schleswig-Holstein. In Klixbüll kann man sich das anschauen. Das gibt es bereits. Auch das sind Drohnenanwendungen. Es gibt noch ein bisschen was zu tun für die Kolleginnen und Kollegen, die uns in der nächsten Legislaturperiode folgen: Wir müssen – das gewinnt auf der europäischen Ebene gerade Gestalt; es liegen auch schon Texte dazu vor – in diese Verordnung noch die U-Space-Regulation der europäischen Ebene integrieren; die muss da auftauchen. Wir müssen natürlich – auch das ist in Arbeit, auch das wird geschehen – ein ATM, also ein Air-Traffic-Managementsystem, installieren, das diesen U‑Space dann auch organisiert und überwacht, diesen Luftraum G, „Golf“ abgekürzt, in dem sich die Drohnen bewegen. Das ist ein gutes Gesetz geworden, dank unserer Arbeit, Björns und meiner, finde ich, und ich bitte darum, dass alle zustimmen. Danke. ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,639
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Klare. – Als Nächstes hat der Abgeordnete Bernd Reuther von FDP das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,640
227
19
Bernd
Reuther
11,004,864
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung und die Große Koalition verhindern die innovative und klimafreundliche Anwendung von Drohnen. Dabei hatte sie sich das Ziel gesetzt, Deutschland zum Leitmarkt für die unbemannte Luftfahrt zu machen. Diese Märkte werden jetzt woanders entstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Dafür gibt es zwei ganz gravierende Gründe: Erstens versäumt die Bundesregierung, eine einfache EU-Verordnung reibungslos in nationales Recht zu übertragen. Andere Staaten, unsere Nachbarn Österreich und Tschechien zum Beispiel, machen vor, wie es gehen kann. Hier wurden die Regelungen zur unbemannten Luftfahrt auf wenigen Seiten festgehalten. Außerdem will die Bundesregierung die Genehmigungsverfahren auf alle Bundesländer ausweiten. Das ist unnötig und bürokratisch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Landwirt – in der Landwirtschaft werden Drohnen ja häufig benutzt – hat Felder in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz; es geht eine Hochspannungsleitung durch sein Gebiet; er möchte diese Felder vor der Ernte überfliegen, um nach Wild zu schauen. Bis dieser Landwirt eine Genehmigung bekommen hat, ist die Ernte schon längst gelaufen. – Mit einer zentralen Genehmigungsstelle wollen wir Freien Demokraten das verhindern und jegliche Drohnenanwendungen zügig genehmigen. ({1}) Der zweite Grund: Die Bundesregierung setzt auf Verbote für innovative und klimafreundliche Anwendungen. – Kollege Klare, Sie haben gesagt, Sie hätten am Gesetzentwurf viel verändert. Sie haben das Wort „Verbote“ gestrichen und durch „Gebote“ ersetzt, aber die ganzen Verbote aus der ursprünglichen Fassung unter den Geboten wieder eingereiht. Das klingt nur freundlicher; es ändert sich dadurch allerdings nicht viel. ({2}) Ich gebe Ihnen zum Schluss noch ein ganz konkretes Beispiel für diese unsinnige Regelung: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird es einfacher sein, mit einem Helikopter ein Naturschutzgebiet zu befliegen, als mit einer Drohne über diesen Baumwipfeln zu schweben. Sie glauben also ernsthaft, dass eine Drohne eine schlechtere Alternative zum Helikopter ist. Dass das keinen Sinn macht und ökologischer Unfug ist, muss man wohl niemandem erklären. ({3}) Für uns Freie Demokraten ist eines klar: Die unbemannte Luftfahrt wird ein wichtiger Teil der Mobilität der Zukunft sein. Aber anders als die Bundesregierung wollen wir diese nicht behindern, sondern unterstützen und fördern. Herzlichen Dank. ({4})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,641
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, lieber Kollege Reuther. – Der Abgeordnete Jörg Cezanne von der Fraktion Die Linke gibt seine Rede zu Protokoll. ({0}) – Ja, Die Linke möchte auch gerne gelobt werden, da sie ab jetzt bis zum Ende der Sitzung alle Reden zu Protokoll gibt. ({1}) Das tun wir hiermit. ({2}) Daniela Wagner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort. ({3})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,642
227
19
Daniela
Wagner
11,004,184
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Drohnen und später Lufttaxis kommt eine neue Verkehrssparte mit einer völlig neuen Dimension hinzu: die Nutzung und Bewirtschaftung des äußerst sensiblen untersten Luftraums. Das erfordert Änderungen mehrerer Gesetze und Verordnungen im Bereich des Luftverkehrsrechts. Das Verkehrsministerium hatte – richtigerweise – zum Schutz von Mensch und Natur, von Einrichtungen und Infrastruktur Abstandsregelungen und Flugverbote vorgesehen, die leider durch die Ausschussberatungen deutlich abgeschwächt wurden. ({0}) Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Drohnenverordnung war aus Sicht der Interessen von Bürgerinnen und Bürgern vor den Änderungsanträgen der Koalition besser als danach. Es gibt – und das sehen auch wir so – durchaus eine Vielzahl sinnvoller Anwendungen und Einsatzbereiche: bei der Vermessung, bei der Überprüfung von Infrastruktur, im Sicherheitsbereich, beim Transport eilbedürftiger medizinischer Produkte oder der Belieferung abgelegener, schwer erreichbarer Gegenden. Aber, meine Damen und Herren, das stark herstellergetriebene Geschäftsmodell verfolgt in Zukunft in erster Linie die Zielsetzung eines massenhaften Güter- und Personentransportes im städtischen Bereich. Und da fragt man sich schon, weshalb eigentlich die Bitte des Nachhaltigkeitsbeirates um Überprüfung der Klimawirkung, der Energiebilanz, des Lärmaufkommens, der Verletzung der Privatsphäre sowie das Gefühl der Bedrohung und Belästigung bei der Bevölkerung schlicht ignoriert wurden. ({1}) Diejenigen hier im Haus, die das ungeprüft und unhinterfragt mittragen oder sogar, wie die FDP, noch mehr ungehinderte Freiheit für Drohnenbetreiber einfordern, ({2}) müssen sich schon mal fragen lassen, ob ihnen völlig egal ist, wie die Bewohnerschaft unserer Städte das eigentlich empfindet. ({3}) Das Vorhaben ist ausgesprochen industriegetrieben, und es wäre unsere Aufgabe hier im Haus, den Betreiberinteressen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger entgegenzusetzen ({4}) und eine angemessene Abwägung vorzunehmen, zum Beispiel auch die Abwägung hinsichtlich des realen Nutzens für Bürgerinnen und Bürger. Das hat die Anhörung im Verkehrsausschuss deutlich gezeigt; sie hat wichtige Hinweise darauf geliefert, wie wichtig das ist. Diese Hinweise sollten wir nicht ignorieren. Gerade in Ballungsräumen sind Menschen zahlreichen Folgen von Mobilität ausgesetzt: Verkehrslärm jedweder Art, Fluglärm in der Umgebung von Flughäfen, Feinstaub und Ultrafeinstaub. Darauf weisen Ärzte seit Jahren und Jahrzehnten hin. Wer glaubt, meine Damen und Herren, mehr Drohnen und Lufttaxis über unseren Köpfen bedeuteten mehr Entspannung auf den Straßen, der dürfte sich gründlich irren. ({5})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,643
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Kommen Sie bitte zum Ende.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,644
227
19
Daniela
Wagner
11,004,184
Unsere Mobilitätsprobleme werden wir nicht mit Drohnen lösen, sondern mit klugen Lösungen am Boden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,645
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollegin Wagner. – Der nächste Redner ist von der CDU/CSU-Fraktion Björn Simon. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,646
227
19
Björn
Simon
11,004,893
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen zu später Stunde! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellen wir auf nationaler Ebene die Weichen für die neue innovative Form der Mobilität und die Möglichkeiten, die mit unbemannten Fluggeräten verbunden sind. Unbemannte Fluggeräte, auch Drohnen genannt, haben ein großes ökologisches, aber auch ökonomisches Potenzial. Wir wollen die Praxisanwendung unkompliziert gestalten und dabei die berechtigten Sorgen rund um öffentliche Sicherheit und gesellschaftliche Akzeptanz im Blick behalten. Das haben wir mit dem vorliegenden Entwurf und dem Änderungsantrag auch geschafft. Wir konnten im parlamentarischen Verfahren umfangreiche und wichtige Änderungen erreichen, die wir gestern im Verkehrsausschuss in einem Änderungsantrag verabschiedet haben. So haben wir beispielsweise festgeschrieben, dass bei der Erteilung von Betriebsgenehmigungen in der Kategorie „speziell“ keine Unterscheidung gemacht wird, ob das unbemannte Fluggerät ein Gewicht von über oder unter 25 Kilogramm hat. Zudem wird es hier im Hinblick auf die Zuständigkeit nun ein – Vorsicht, Herr Kollege Reuther! – Optionsmodell geben. ({0}) Das heißt, dass die Länder für das Erteilen der Betriebsgenehmigung zuständig sind; aber wenn sie wollen, können sie es auch an den Bund und an das LBA, das Luftfahrtbundesamt, abgeben. ({1}) Das schafft Flexibilität. ({2}) Eine weitere wichtige Änderung betrifft die von vielen Seiten kritisierte strikte Verbotshaltung in der Luftverkehrs-Ordnung. Hier haben wir eine komplette Neuformulierung der §§ 21 h und 21 i erreicht, durch die nun von Geboten und nicht mehr von Verboten gesprochen wird. ({3}) Es ist uns wichtig, beim Einsatz von Drohnen nicht zu restriktiv und mit zu starren Verboten vorzugehen. Damit würden wir die wichtigen und vielversprechenden Einsatzmöglichkeiten dieser neuen Mobilitätsform unnötig einschränken. Mit diesen und noch weiteren Änderungen konnten wir den Gesetzentwurf entscheidend verbessern und schaffen Anreize für den Einsatz von Drohnen. Dass wir diese und noch weitere Änderungen festschreiben konnten, ist nicht allein Verdienst der Verkehrspolitiker von CDU/CSU und SPD. Trotzdem möchte ich die hervorragende Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Arno Klare – er hat es ja auch schon gesagt – besonders betonen. ({4}) Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten gemeinsam in einem überaus produktiven Austausch mit vielen Akteuren gestanden, die sich intensiv mit der zukünftigen Nutzung von unbemannten Luftfahrzeugen beschäftigen, Wissenschaftler an Hochschulen, Fachverbände, Modellflug- und Luftsportverbände, die teilweise über Zehntausende Mitglieder haben. Die haben wir entsprechend in die Gesetzgebung eingebunden. Sie alle haben durch ihre Hinweise und ihre Rückmeldungen einen überaus wertvollen Beitrag geleistet, für den ich mich an dieser Stelle bedanken möchte. Ein ebenso herzlicher Dank geht an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Bundesverkehrsministerium. Auch ihre Expertise und das zusätzliche Engagement waren insbesondere im Hinblick auf die noch umgesetzte Änderung überaus hilfreich. Wenn der Gesetzentwurf mit unseren Änderungen nun in Kraft tritt, gilt es allerdings, nach vorne zu schauen und das Potenzial von unbemannten Luftfahrzeugen auch weiterhin bestmöglich zu nutzen. So sprechen wir uns in der Unionsfraktion deutlich dafür aus, ein nachgelagertes gesetzliches Verfahren anzustoßen. Die Land- und Forstwirtschaft gehört zu den Branchen, die zukünftig am meisten vom Einsatz unbemannter Flugsysteme profitieren können, beispielsweise durch das Transportieren und Abwerfen von Pflanzenschutzmitteln. ({5}) Die EU-Verordnung verbietet diesen Transport aktuell noch. Daher wäre es wichtig, dass das Bundesverkehrsministerium hier zeitnah gemeinsam mit den zuständigen Genehmigungsbehörden in Land und Bund auf eine gemeinsame Änderung hinwirkt. Wir geben den unbemannten Luftfahrzeugen mit diesem Gesetzentwurf und unserem Änderungsantrag einen stabilen gesetzlichen Rahmen, durch den die neue innovative Mobilitätsform ihr Potenzial weiter entfalten kann. Gleichzeitig werden auch die Sorgen im Hinblick auf die Privatsphäre und die öffentliche Sicherheit entsprechend berücksichtigt.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,647
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Ich hoffe, auch die Sorge um Ihre Redezeit.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,648
227
19
Björn
Simon
11,004,893
Wir bitten um Ihre Zustimmung. Vielen Dank. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,649
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Simon. – Rainer Spiering von der SPD gibt seine Rede zu Protokoll. ({0}) Zum Abschluss der Debatte hören wir Thomas Jarzombek von der CDU/CSU-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,650
227
19
Thomas
Jarzombek
11,004,061
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir haben in Deutschland manchmal ein Problem mit Technologie. Ich sage dies, weil wir heute hier über Drohnen reden und ich ganz oft, wenn ich über solche Themen spreche, höre: Könnt ihr euch nicht mal um die richtigen Probleme kümmern? Ich will Ihnen mal sagen, was die richtigen Probleme sind. Ich hoffe nicht, dass sich hier Anwesende einer Operation unterziehen müssen, vielleicht eine Krebsoperation. Dabei müssen Gewebeproben entnommen werden, während Sie auf dem OP-Tisch in Narkose liegen. Ich habe es vorher auch nicht gewusst: Diese Gewebeproben werden heute mit dem Krankenwagen mit Blaulicht durch den ganzen innerstädtischen Stau vom Krankenhaus zum Pathologen gebracht und dort analysiert. Während all das stattfindet, liegen Sie weiter in Narkose auf dem OP-Tisch. – Das zu verändern ist Gegenstand des Projekts Medifly, das das Bundesverkehrsministerium unterstützt hat und das Bundeswirtschaftsministerium mit dem Innovationspreis Reallabore ausgezeichnet hat. Das hilft Ihnen konkret, sicherer durch diese Operation zu kommen. Im Übrigen sind Sie auch sicherer auf den Straßen, weil weniger Krankenwagen unterwegs sind. Das ist eins von ganz vielen Beispielen, das zeigt, dass Drohnen heute für die Menschen in diesem Land einen ganz konkreten Nutzen bringen. Und es bringt auch einen großen wirtschaftlichen Nutzen: Mittlerweile sind in Deutschland durch das Thema Drohnen mehr als 14 000 Menschen beschäftigt. Das sind übrigens fast 4 000 mehr als noch im Jahr 2019. Gerade der kommerzielle, der gewerbliche Markt springt bei uns richtig an. Seit 2012 wurden 423 Millionen Euro in deutsche Drohnenunternehmen investiert, davon allein zwei Drittel in den letzten beiden Jahren. Meine Damen und Herren, über das Thema Flugtaxen wurde diskutiert. Ich finde es gut, dass die Bundesregierung dieses Thema in der Breite nach vorne schiebt. Wir im Bundeswirtschaftsministerium unterstützen das übrigens ganz konkret, zum Beispiel durch unser neues Flugzentrum in Magdeburg-Cochstedt, wo man Technologien testen kann, auch sehr experimentelle, und durch unser Luftfahrtforschungsprogramm, über das wir alleine im Bereich Drohnen in der letzten Förderperiode 50 Millionen Euro investiert haben. Ich glaube, es kommt jetzt darauf an, dass wir das Thema Drohnen richtig in die Anwendung bringen. Bei Demonstrationen hier in Berlin oder bei bestimmten Verkehrssituationen sehe ich immer noch große Hubschrauber am Himmel. Ich glaube, wir können viel Geld und CO Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Düsseldorf, Rolf Tups, hat mir noch mit auf den Weg gegeben, dass die Stadt Düsseldorf das Silvesterfeuerwerk 2022 durch eine in Deutschland einmalige Drohnenshow ersetzen wird. Die Grünen als unser Kooperationspartner im Düsseldorfer Stadtrat haben übrigens diesem Projekt mit großer Begeisterung und Freude zugestimmt; Frau Kollegin Wagner, Sie hatten sich hier so kritisch zum Thema Drohnen geäußert. Ich glaube, so kommen wir nach vorn. Ich freue mich jedenfalls darauf und danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,651
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, lieber Kollege Jarzombek. – Ich schließe die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,652
227
19
Kirsten
Lühmann
11,004,101
Deutschlandtakt – Frau Präsidentin, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen –, für die einen ist das gleichbedeutend mit Lärm und Naturzerstörung, für die anderen ist das die Lösung aller Mobilitätsprobleme. Aber was ist der Deutschlandtakt wirklich? Es ist einfach nur ein System, einen Fahrplan zu kreieren, der möglichst wenig Umsteigezeiten beinhaltet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Züge nun besonders schnell fahren oder nicht so schnell oder langsam; er funktioniert bei allen Geschwindigkeiten. Aber natürlich brauchen die Züge auch in diesem Fall eine Trasse. Ein Taktfahrplan benötigt verlässliche Trassen. Unser Regelwerk zur Verteilung dieser Trassen, das Eisenbahnregulierungsgesetz, bildet das nicht ab; es kennt das nicht. Darum ist es sehr wichtig, dass wir hier heute Abend eine Erprobungsklausel beschließen, damit diese innovativen Fahrpläne möglich werden. ({0}) Diese Möglichkeiten sind umso wichtiger, als der BGH im Februar beschlossen hat, dass verspätete Züge eben nicht systemimmanent sind und dass gebuchte Trassen den Eisenbahnverkehrsunternehmen pünktlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Sonst drohen Strafzahlungen. Wenn also Taktfahrplan und pünktliche Trassengestellung da sind, dann muss es aber auch eine vernünftige Finanzierung der Betriebswege geben, damit das Ganze funktioniert. Obwohl bei der großen Reform in der letzten Legislatur beschlossen wurde, dass wir nach zwei Jahren die Finanzierung dieser Schienenwege erneut überprüfen, lag erst nach über vier Jahren der jetzige Gesetzentwurf vor. Das bot uns eben nicht ausreichend Zeit, um diese wichtigen Dinge, die zum Beispiel in § 37 stehen, nämlich die Festschreibung, dass die Trassenpreise im Nahverkehr um maximal 1,8 Prozent im Jahr steigen dürfen, noch mal zu überprüfen. Liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn zu wenig Geld für den Erhalt der Infrastruktur da ist, dann leidet die Pünktlichkeit. Dann ist ein Deutschlandtakt nicht möglich, und das geht nicht. ({1}) Wenn der Entschließungsantrag, der hier heute vorliegt, der neuen Bundesregierung Anregungen mitgibt, diese Reform erneut anzufassen, –
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,653
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Liebe Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,654
227
19
Kirsten
Lühmann
11,004,101
– dann sollten Sie sich aber bitte mehr Zeit dafür nehmen; denn diese Zeit ist wichtig für die Kunden und Kundinnen, für die Bahn und für unser Klima. Herzlichen Dank. ({0})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,655
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollegin Lühmann. – Das Wort geht an die AfD-Fraktion. Es spricht Wolfgang Wiehle. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,656
227
19
Wolfgang
Wiehle
11,004,933
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Eisenbahnregulierungsgesetz, mit einem passenden Bild wird auch dieses Thema anschaulich: Nehmen wir dieses Handy. Das hat ein System, das regelt, wie die Apps mit Infrastruktur wie Anzeige und Kamera zusammenarbeiten. So ähnlich steuert die Eisenbahnregulierung auch die Zusammenarbeit der Unternehmen, die Bahnstrecken und Züge anbieten. Jetzt hat man dieses fünf Jahre alte System untersucht und präsentiert uns ein Update. Selbst seine Macher geben zu, dass dieses Update zu schmal geraten ist, und liefern deshalb ein hochheiliges Versprechen mit: dass das nächste Update aber größer sein soll. Welche Neuerungen werden uns da angeboten? Rahmenverträge sollen wieder möglich werden und langfristige Garantien für Angebote, zum Beispiel im Regionalverkehr, geben. Das ist im Prinzip gut. Aber die DB Netz AG soll ein Kündigungsrecht erhalten. Einen Rahmenvertrag müssen die Behörden genehmigen, seine Kündigung aber nicht. Das ist doch unlogisch. ({0}) Die Deutsche Bahn AG hat als integrierter Konzern eine große Macht am Eisenbahnmarkt. Um diese zu begrenzen, bietet der neue Gesetzentwurf zu wenig. Vor allem fehlt der früher einmal angekündigte Bußgeldkatalog gegen Diskriminierung von Wettbewerbern. Genauso fehlen Haftungsregeln bei Schlechtleistung des Infrastrukturbetreibers. Dass das relevant ist, haben wir ja gerade im Februar erlebt, als die DB Netz AG wichtige Strecken tagelang nicht vom Schnee geräumt hat. Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Gerät bekommt Schnee ab, fährt herunter und Sie können die wichtigsten Apps erst nach sechs Tagen wieder starten. Das Bahn-Chaos nach dem Wintereinbruch ist auch der Grund für den AfD-Antrag, über den wir nachher abstimmen. Dieser Antrag besagt, dass die Bundesregierung auf die Bahn einwirken soll, damit die Bahnstrecken mit höchster Priorität verkehrssicher bereitgestellt werden, und er enthält einen Ansatz, wie sich die Erfüllung oder Nichterfüllung dieser Forderung auf die staatlichen Gelder für die Bahn auswirken soll. Wir werden nachher sehen, wer diese Forderungen unterstützt. Mit dem System der Eisenbahnregulierung sollen künftig Experimente gemacht werden; denn es gibt ein neues Ziel: den Deutschlandtakt. In das Gesetz kommt eine Experimentierklausel, die aber nur sehr schwammig formuliert ist. Was hier mit „Strecken“ und „gesellschaftlichem Nutzen“ gemeint ist, steht nicht dabei. Staatssekretär Ferlemann hat am Mittwoch in der Ausschusssitzung eine sehr pragmatische Erklärung für die Bestimmung dieses Nutzens gegeben. Was wird aber passieren, wenn im Verkehrsministerium nach der Wahl grüne Ideologen sitzen? In solche Experimente können wir dann nicht mehr vertrauen. ({1}) Einen Vorgeschmack darauf bietet der grüne Entschließungsantrag. Danach sollen die Zugfahrten in staatlich vorkonstruierte Systemtrassen gelenkt werden. Dann kann man sich das Experimentieren für den Deutschlandtakt gleich sparen. Unabhängig von der politischen Couleur rate ich zu höchster Vorsicht mit der Experimentierklausel. Lesen Sie noch mal nach, was Professor Mohr in der Expertenanhörung zur Vereinbarkeit mit dem EU-Recht gesagt hat. Eine neue Pleite wie bei der Pkw-Maut können wir uns nicht leisten. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das Update für die Eisenbahnregulierung ist alles andere als ein Meisterwerk. Die AfD-Fraktion rät von der Installation ab. Wir stimmen gegen den Gesetzentwurf. ({2})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,657
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Wiehle. – Als Nächster hat der Abgeordnete Matthias Gastel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. ({0})
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,658
227
19
Matthias
Gastel
11,004,278
Guten Abend, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Koalition plant eine Änderung des Eisenbahnregulierungsgesetzes. Wenn man sich an die Änderung eines bestehenden Gesetzes macht, dann sollte man erst mal analysieren, inwiefern die Ziele des bisherigen Gesetzes erreicht oder nicht erreicht wurden und inwiefern und an welcher Stelle Korrekturen notwendig sind. Die Ziele sind definiert – ich mache es hier ganz kurz aufgrund der späten Stunde –: Steigerung der Verkehrsanteile der Schiene, Förderung von Investitionen in die Infrastruktur. – Schauen wir uns nun die Situation an, wie sie sich heute tatsächlich darstellt: Wir haben einen stagnierenden Verkehrsanteil der Schiene, mit dem sich leider die Klimaziele nicht erreichen lassen, und wir haben viel zu niedrige Investitionen, um eine leistungsfähige Infrastruktur zu schaffen, mit der sich zuverlässige Angebote auf der Schiene realisieren lassen. Was zu tun ist, aber leider in diesem Gesetzentwurf entweder fehlt oder wo man viel zu kurz springt, ist die dauerhafte Senkung der Trassenpreise; denn das bringt mehr Verkehr auf die Schiene. ({0}) Mit Systemtrassen wird der Deutschlandtakt ermöglicht, also bessere Angebote für die Fahrgäste, damit mehr Menschen auf die Schiene umsteigen, weil die Angebote aufeinander abgestimmt sind, weil die Züge häufiger und besser abgestimmt fahren. Das ist etwas, das eben fehlt. Das wäre nötig gewesen für diese Reform. ({1}) Und wir brauchen gezielte Investitionen in die Infrastruktur. Der Bund investiert aber viel zu wenig. Er investiert zum Beispiel in diesem Jahr doppelt so viel in den Aus- und Neubau von Straßen wie in die Infrastruktur der Schienenwege. Genau das ist der Fehler. Das muss geändert werden. Das muss korrigiert werden, wenn die Schiene stark werden soll. ({2}) Also: Mit dieser Gesetzesänderung wird leider nichts besser. Die komplizierte Regulierung, die wir schon haben, wird noch komplizierter und noch bürokratischer. Sie verpassen als Koalition eine weitere Chance, die Schiene zu stärken. Deswegen: Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, weil wir hier die Schwachpunkte erkennen, weil wir dieses Gesetz besser machen und damit die Schiene stärken. Wir wollen, dass Menschen die Bahn nutzen, dass Güter mit der Bahn transportiert werden, statt die Straße zu belasten, statt das Klima zu belasten. Wir machen die entsprechenden Vorschläge mit unserem Entschließungsantrag und Ihren Gesetzentwurf entsprechend besser. Bitte stimmen Sie diesem zu! ({3})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,659
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Gastel. – Der Parlamentarische Staatssekretär Enak Ferlemann, der Abgeordnete Detlef Müller sowie die Abgeordneten Herbst, Donth, Leidig und Oßner geben ihre Reden zu Protokoll. ({0}) Wir sind damit am Ende dieser Debatte.
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,660
227
19
Elisabeth
Winkelmeier-Becker
11,003,865
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Legislaturperiode haben wir den Kohleausstieg beschlossen. Das war ein großer Schritt in Richtung Klimaschutz und CO Heute geht es um die bergrechtliche Seite; denn unabhängig vom Endzeitpunkt des Kohleausstiegs – ob 2038 oder vielleicht auch noch ein paar Jahre früher – gilt, dass dieser Ausstieg natürlich große Folgen für die Tagebaue hat. Wenn wir die Kraftwerke herunterfahren, dann müssen die Tagebaue eben auch umgeplant werden. Das betrifft als Erstes das Rheinische Revier. Dort werden bis Ende nächsten Jahres bereits acht Blöcke vom Netz gehen, dann werden weitere elf bis zum Jahr 2030 in der Lausitz und im Rheinland stillgelegt, und danach gehen noch einmal elf Blöcke im Rheinland, in der Lausitz und im Mitteldeutschen Revier vom Netz. Deshalb hat RWE schon mit den Umplanungen begonnen. Das ist auch nötig. Wie wir alle wissen, soll der Restbestand des Hambacher Forsts erhalten bleiben. Der Abstand zwischen den Abbruchkanten der Tagebaue und den Ortschaften – das ist meinem Kollegen Günter Krings besonders wichtig – soll größer ausfallen als nach der bisherigen Leitplanung, und vor allem sollen insgesamt etwa 1,2 Milliarden Tonnen weniger ausgekohlt werden. Solche Genehmigungsverfahren, die jetzt erforderlich werden, dauern sehr lange. Es gibt eine große Öffentlichkeitsbeteiligung und komplizierte Verfahren; denn es geht ja um viel. Es werden ganze Landschaften umgeplant. Wenn wir diesen ambitionierten Ausstiegspfad jetzt umsetzen wollen, dann müssen wir uns auch mit diesen Genehmigungsverfahren beeilen. Das hat die Kohlekommission angemahnt; das brauchen aber auch die Kommunen vor Ort für eine sichere kommunale Planung. Sie müssen wissen, wo sich letztlich der Tagebaurestsee befinden wird, wo landwirtschaftliche Flächen, Bauland und dergleichen entstehen werden. Und da setzt die Novelle an. Wir werden die Hauptbetriebspläne länger laufen lassen, wir werden es ermöglichen, dass Projektmanager – der Name sagt es schon – die Verwaltungsverfahren als Verwaltungshelfer managen. Es wird daneben die Möglichkeit zu einem vorzeitigen Vorhabenbeginn geben, und Klagen gegen diese Maßnahmen sollen unmittelbar vor dem Oberverwaltungsgericht erhoben werden können; die Verfahren sollen damit beschleunigt werden. Wir stehen jetzt am Beginn des Raumordnungsverfahrens. Die Landesregierung NRW hat bereits eine neue Leitentscheidung vorgelegt. Damit fängt es an; das ist der erste Schritt. Wir sind also schon in einem guten Verfahren und brauchen jetzt genau diese bergrechtliche Ergänzung hier. An anderer Stelle reden wir darüber, welche Energien an die Stelle der Kohle treten werden, und über die Hilfen, die die Regionen bekommen, damit dort auch etwas Gutes entstehen kann. Zwei andere Punkte, die auch in dieser Novelle enthalten sind und mit dem Kohleausstieg nichts zu tun haben, will ich noch kurz darstellen: Zum einen geht es um die Erdwärme und Geothermie. Hier vereinheitlichen wir die Fristen, und es gibt einheitliche Ansprechpartner. Das soll den manchmal kleinen Unternehmen, die sich daranmachen, helfen; das ist gut für die Entwicklung der Geothermie. Zum anderen regeln wir klar, nach welchem Rechtsregime Lithium gefördert wird, vor allem das Lithium in wässrigen Lösungen, das wir etwa im Oberrheingraben finden. Dort gibt es erhebliche Vorkommen. Das soll nun auch als bergfrei gelten, damit dort eben Investoren tätig werden können, um diesen kostbaren und wichtigen Rohstoff zu bergen. Das ist wichtig für die Energiewende, für die Verkehrswende und für Zukunftstechnologien in Deutschland. Vielen Dank. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Secretary of State
Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie
2021-05-06
1,060,661
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Wir sind aufgrund der Einsparung der Zeit stolz auf die Bundesregierung. ({0}) Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Wir kommen zu dem Abgeordneten Enrico Komning von der AfD-Fraktion. ({1})
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,662
227
19
Enrico
Komning
11,004,787
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Zu später Stunde hier am Abend: Die Bundesregierung hat die Wirtschaft derzeit in einem Würgegriff, der seinesgleichen sucht. Die langfristigen Auswirkungen der Coronamaßnahmen sind noch in keiner Weise absehbar. ({0}) Die kurzfristigen sehen wir aber schon überall. Die LEAG – immerhin zweitgrößter deutscher Stromerzeuger – plant für dieses Jahr, Mitarbeiter im Braunkohletagebau zum wiederholten Male in Kurzarbeit zu schicken. Grund sei der niedrige Stromverbrauch wegen des Corona-Lockdowns. Insgesamt 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind momentan in Kurzarbeit – von den 500 000 zusätzlichen Arbeitslosen seit einem Jahr gar nicht zu sprechen. Sie von der Bundesregierung lassen sich von diesen Zahlen schon lange nicht mehr beeindrucken, geschweige denn erweichen. Sie von der Bundesregierung haben die Perspektivlosigkeit dieser Menschen zu verantworten. Und nun dieser Gesetzentwurf! Gleich in der Problemstellung machen Sie deutlich: Durch stillstehende Unternehmen – ich zitiere – „drohen erhebliche wirtschaftliche Schäden (auch mit Folgen für die Arbeitnehmer wie z. B. Kurzarbeit) …“ – Tja, wer hätte das gedacht?! Da müsse man ja nun was tun, und das machen Sie auch. Sie planen den Abbau bürokratischer Hürden und eine Rechtswegverkürzung in Bezug auf die Genehmigung der Wiedernutzbarmachung von Tagebaustätten für Anlagen zur Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen; Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen. Es ist ein Begleitgesetz zu Ihrem Kohleausstiegsvorhaben. Es soll sicherstellen, dass Sie Ihren Kohleausstieg auch tatsächlich bis 2038 hinbekommen. Mit anderen Worten: Wenn es um Ihre Klimaideologie geht, funktionieren auf einmal die erstaunlichsten Dinge: Bürokratieabbau und Rechtswegverkürzung sollen im Hinblick auf den Kohleausstieg stattfinden können. – Dem Mittelstand hingegen wird jeder bürokratische Knüppel zwischen die Beine geworfen, den man nur finden kann. ({1}) Damit wir nicht missverstanden werden: Bürokratieabbau ist ja grundsätzlich gut. Auch die nun bestehende Rechtssicherheit durch die klare Definition von Lithium als bergfreiem Bodenschatz schafft Planungssicherheit für Investoren. Bezogen auf die Rechtswegverkürzung muss man sich allerdings die Frage stellen, ob dies nicht zu einer zu starken Belastung der nun erstinstanzlich zuständigen Oberverwaltungsgerichte führt. Insgesamt lehnen wir den Ausstieg aus der Kohleverstromung aber ab. Sie gefährden damit nämlich die Energiesicherheit Deutschlands, bürden den Menschen die höchsten Energiekosten der Welt auf, nehmen strukturelle Verelendungen ganzer Regionen in Kauf und haben am Ende, wie schon im Ruhrgebiet, kein Konzept für den dann anstehenden Strukturwandel. Dem Klima wird es am Ende egal sein. ({2}) Wir von der Bundesregierung – – ({3}) – Tja, noch nicht! – Wir von der AfD-Bundestagsfraktion würden uns von der Bundesregierung ein ähnlich großes Entbürokratisierungsengagement wünschen, wenn es um die Rettung des deutschen Mittelstandes und der sozialen Marktwirtschaft geht. Darauf werden wir wohl noch lange warten können. Vielen Dank. ({4})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,663
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, Kollege Komning. ({0}) – Wünschen darf man sich ja mal was; das darf jeder. ({1}) Das Wort geht an Dr. Julia Verlinden von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({2})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,664
227
19
Julia
Verlinden
11,004,429
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat gerade erklärt, dass das sogenannte Klimaschutzgesetz der Bundesregierung das Klima eben nicht ausreichend schützt. Es benachteiligt die kommenden Generationen, weil längst überfällige Maßnahmen immer weiter hinausgezögert werden. Und was macht die Bundesregierung? Sie doktert an einem völlig veralteten Berggesetz herum und erleichtert sogar noch die Verlängerung der Abbaugenehmigung für Braunkohletagebaue. Wachen Sie endlich auf! ({0}) Wir brauchen dringend eine ambitionierte Energieeffizienz- und Erneuerbaren-Politik. Wir brauchen einen konsequenten Ausstiegspfad aus der fossilen Energieerzeugung. ({1}) Und glauben Sie mir: Das funktioniert – wenn man die richtigen Gesetze macht. Am besten, Sie fangen hier und jetzt an und überarbeiten das Bundesberggesetz grundlegend. In unserem Entschließungsantrag haben wir Ihnen dazu einige Punkte aufgeschrieben. Wo steht der Klimaschutz in diesem Gesetzentwurf? Fehlanzeige! Wie hoch ist der Umweltschutz gewichtet? Viel zu niedrig. Was ist mit den vom Bergbau betroffenen Menschen und Kommunen? Ich würde sagen, zeitgemäße Beteiligungsformate sehen anders aus. Schauen wir mal nach Niedersachsen. 97 Prozent der heimischen Erdgasförderung findet hier statt. Seismische Erschütterungen und Schäden an Häusern, unsanierte giftige Bohrschlammgruben und erhöhte Krebsraten verunsichern und belasten die Menschen. Derzeit ist es sogar noch erlaubt, in Wasserschutzgebieten und Naturschutzgebieten nach Erdgas und Erdöl zu bohren. Solche Bohrungen in Schutzgebieten müssen untersagt werden. ({2}) Umwelt und Gesundheit müssen Priorität gegenüber den Gewinninteressen von einzelnen Unternehmen haben. Die Menschen haben es schon zu oft erlebt, dass die Erdgasförderstellen nicht ordentlich gewartet werden und Leckagen auftreten. Sie bangen um ihre Gesundheit und um die ihrer Familien. Aber dieses Problem ist lösbar – mit einem zeitgemäßen Berggesetz. Wir brauchen eine unabhängige und dauerhafte Überprüfung von Erdgas- und auch Erdölförderstellen, um ein effektives Monitoring aufzubauen, und die Menschen müssen Gewissheit haben, dass sie selbst und ihre Umwelt bestmöglich geschützt werden. ({3}) Was außerdem dringend im Bergrecht klargestellt werden muss: dass für die Rohstoffgewinnung eine Förderabgabe gezahlt wird, in die auch Umweltschäden eingepreist werden; denn was sich da vor einigen Monaten in Niedersachsen abgespielt hat, ist echt unfassbar. Die Landesregierung hat da mal einfach so entschieden, dass die Förderabgabe gesenkt wird – und rückwirkend für das Jahr 2020 sogar auf null. Mit diesem Deal mit der Erdöl- und Erdgasindustrie verzichtet die schwarz-rote Landesregierung in Niedersachsen mal eben auf Einnahmen in Höhe von 250 Millionen Euro. Im Bundesbergrecht sollten diese Schlupflöcher für Rabatte an die fossile Industrie endlich geschlossen werden! ({4}) Und dann das Thema Fracking. Die aktuelle Hängepartie der Fracking-Gesetzgebung ist nun schon vier Jahre alt. Wir brauchen kein Fracking, wir brauchen ein grundsätzliches Verbot; denn Fracking bringt nicht nur Gefahren für Mensch und Umwelt. Wir brauchen schlichtweg nicht immer mehr, sondern weniger fossile Energieträger. ({5}) In diesem Sinne ist es besonders absurd angesichts eines unumgänglichen Kohleausstiegs, der bis spätestens 2030 abgeschlossen sein sollte, jetzt noch längere Genehmigungen für den Braunkohleabbau zu ermöglichen.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,665
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Kommen Sie bitte zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,666
227
19
Julia
Verlinden
11,004,429
Fangen Sie endlich damit an, den Klimaschutz ernst zu nehmen, und überarbeiten Sie das Bundesberggesetz grundlegend, auch im Sinne des Umweltschutzes und zum Schutz der Menschen! ({0})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,667
227
19
Petra
Nicolaisen
11,004,841
Sehr geehrte Frau Kollegin – – Es ist schon Geisterstunde. Das Beste zum Schluss.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,668
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Ich glaube, die Kollegen hätten sich gefreut, wenn Sie gesagt hätten: Liebe Präsidentinnen und Präsidenten! ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,669
227
19
Petra
Nicolaisen
11,004,841
Fangen wir noch einmal an; das geht von meiner Redezeit ab. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Vorbereitung liegt der Schlüssel zum Erfolg. Als Abgeordnete brauchen wir für viele unterschiedliche Entscheidungen immer wieder genaue Daten und verlässliche Zahlen. Dabei hat sich jeder von uns bestimmt schon mal die Frage gestellt: Wie viele Personen betrifft das eigentlich? Hat jemand mal eine Statistik dafür? Haben wir dafür zuverlässige Zahlen? – Eines ist klar: National wie international steigen Bedarf und Anforderungen an die Bevölkerungsstatistik. Der Zensus muss digitalisiert sein, er muss schneller und präziser sein. Wirtschaftlicher – sprich: günstiger – soll er werden und Bürgerinnen und Bürger von teils lästigen und redundanten Befragungen befreien – und das immer mit Blick darauf, dass wir stets aktuelle Daten benötigen, zum Beispiel für den Bau einer Schule vor Ort oder für bundesweite Förderprogramme. Der Weg in die Zukunft ist ein registerbasiertes Verfahren zur Datenermittlung; das haben wir in der öffentlichen Anhörung auch so zu hören bekommen. Nur so kann es uns gelingen, den hohen Standards und Anforderungen an einen modernen Staat sowie an künftige statistische Ermittlungen von Einwohnerzahlen gerecht zu werden und diese dann auch in der Praxis zu erfüllen. Die Grundlage für diese Zukunft schaffen wir jetzt mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf. Es gilt, die Daten aus den unterschiedlichen Registern in Deutschland nun besser für die amtliche Statistik nutzbar zu machen. Register, das sind Datenbestände der öffentlichen Verwaltung; diese sind entweder notwendig, um Verwaltungsleistungen erbringen zu können, oder es sind Daten, die von Verwaltung und Politik unterstützend genutzt werden können, so zum Beispiel die örtlichen Melderegister oder das Handelsregister. Entscheidend ist, dass mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Erprobung von Verfahren eines Registerzensus und zur Änderung statistikrechtlicher Vorschriften genau das getan wird, was der Entwurf bereits im Titel offenbart, nämlich: Es werden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, damit Verfahren erprobt werden können, um nach dem Zensus 2022 verlässliche Daten für weitere Bevölkerungsstatistiken erheben zu können. Die Daten aus dem Zensus 2022 sollen unter anderem genutzt werden, um zum Beispiel Methodentests durchzuführen, die die Erprobung von Verfahren zur Verknüpfung von Registern ermöglichen, um ein statistisches Einrichtungsregister aufzubauen, das Informationen zu Anstalten und Gemeinschaftsunterkünften enthält oder, um ein weiteres Beispiel zu nennen, um in Zukunft vorhandene Daten zur Ermittlung verschiedener Merkmale nutzbar machen und Lieferverpflichtungen für weitere Erhebungsmerkmale erfüllen sowie das Anschriftenregister weiterentwickeln zu können. Der Gesetzentwurf enthält zusammen mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen darüber hinaus Maßnahmen, um Daten statistisch zu bereinigen, Unstimmigkeiten zu klären und so insgesamt zu einem hochqualitativen Datenniveau beizutragen. Ich bedanke mich bei meinem Kollegen Thomas Hitschler von der SPD und bitte um und rechne mit Ihrer Zustimmung. Herzlichen Dank. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,670
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Vielen Dank, liebe Kollegin Nicolaisen. – Das Wort geht an die AfD-Fraktion mit dem Kollegen Dr. Christian Wirth. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,671
227
19
Christian
Wirth
11,004,936
Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Es gibt ja lustige Sachen. Eine lustige Sache ist heute Abend dieser Gesetzentwurf. Wir wollten eigentlich – bis gestern – über einen Gesetzentwurf zur Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises mit mobilen Endgeräten reden. Heute reden wir plötzlich über einen Gesetzentwurf zur Erprobung von Verfahren eines Registerzensus und zur Änderung statistikrechtlicher Vorschriften. Wir wollten also über etwas ganz anderes reden, und plötzlich reden wir über Statistik. Gut, gar kein Problem. Wir haben lange über den Zensus geredet – über die letzten Jahre – und festgestellt, dass die Regierung eigentlich viel verschlafen hat. Plötzlich soll es – im Gegensatz zu gestern – um den Zensus-Gesetzentwurf gehen, weil die EU plötzlich möchte, dass wir sehr schnell und jedes Jahr sehr viele solcher Daten weitergeben. Deshalb reden wir plötzlich heute Abend über einen Gesetzentwurf, der gestern gar nicht vorgesehen war. Da muss ich sagen, – ({0}) – überhaupt kein Problem –, ich wundere mich einfach, wie sich hier das Verfahren ändert. ({1}) Gestern noch sollten wir über ein anderes Verfahren reden, heute reden wir über diesen Gesetzentwurf. Ich muss sagen: Nein, wir werden diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil es einfach so ist ({2}) – ja, Junge, ist gut! – Wir werden einem Gesetzentwurf nicht zustimmen, wo die EU heute sagt, wir müssen jedes Jahr Daten übertragen. Was soll das? Wir wollten gestern über ein anderes Gesetz reden. Heute reden über wir dieses. Meine lieben Damen und Herren, wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Vielen Dank. ({3})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,672
227
19
Dagmar
Ziegler
11,004,191
Nur ein kleiner Hinweis: Die Tagesordnung ist abgestimmt worden, und darauf stand genau dieser Tagesordnungspunkt. – Ich bedanke mich.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,673
228
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bringen heute in erster Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts ein. Ich will an dieser Stelle gleich den Versuch unternehmen, dieses Gesetz in einen etwas größeren Zusammenhang zu stellen, weil wir jetzt zum Ende der Legislaturperiode schon eine ganze Reihe von Sicherheitsgesetzen auf den Weg oder sogar zum Abschluss gebracht haben. Das gilt beispielsweise für das IT‑Sicherheitsgesetz 2.0, das gilt beispielsweise für das Bundespolizeigesetz, das wir in parlamentarischer Beratung haben, und das gilt eben auch für das Verfassungsschutzgesetz. Durch das Verfassungsschutzgesetz schaffen wir am Ende der Legislaturperiode die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen dafür, wofür wir schon zu Beginn der Legislaturperiode einen enormen Personalaufwuchs im Bereich der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste erreicht haben. Das ist schlüssige Politik für mehr innere Sicherheit in Deutschland. Das ist das Ergebnis der Arbeit der Großen Koalition. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man die gesetzlichen Rahmenbedingungen zusammenfasst, wenn man sich die einzelnen Gesetze genauer anschaut, dann wird man darin eine Quintessenz finden. Es geht im Kern darum, wie wir es schaffen, die Möglichkeiten, die Fähigkeiten, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden, die diese im analogen Bereich haben, im Rahmen der digitalen Transformation für die Zukunft zu erhalten, und wie wir verhindern, dass deren Instrumente an Bedeutung verlieren, dass sie letztlich unwirksam werden für die Arbeit der Sicherheitsbehörden und der Dienste. Wir wollen verhindern, dass unser Verfassungsschutz, dass unsere Sicherheitsbehörden blind und taub in der digitalen Welt werden. Deshalb machen wir das. ({1}) Heute ist es eben nicht mehr so, dass Extremisten und terroristische Gruppen über die klassische Sprachtelefonie miteinander kommunizieren. ({2}) Kommunikation findet anders statt. Das sind verschlüsselte Dienste, das sind Chatforen, das sind Messengerdienste wie Facebook oder Whatsapp. Es ist niemandem zu erklären, warum beispielsweise der Verfassungsschutz nach einem aufwendigen Verfahren mit hohen Hürden ein Handy auslesen darf, SMS-Nachrichten ausleiten darf, das aber bei Whatsapp-Nachrichten, wenn per Whatsapp kommuniziert wird, nicht erlaubt ist. Das ist doch wirklich niemandem zu erklären! Das ist deshalb niemandem zu erklären, weil es grober Unfug ist. ({3}) Dieses Problem lösen wir mit diesem Gesetz. Dieses Thema gehen wir an. ({4}) In der Politik geht es immer auch darum, das Bestmögliche zu erreichen, in diesem Falle das Bestmögliche für unsere Sicherheit. Ich will ganz klar sagen, dass wir, wenn unsere Fraktion hätte alleine entscheiden dürfen, an dieser Stelle weitergegangen wären. ({5}) Wir hätten uns dafür entschieden, die Onlinedurchsuchung zu ermöglichen. Es geht doch darum, dass wir für Sicherheit sorgen müssen und dass wir Instrumente brauchen, mit denen wir auch in der digitalen Welt tatsächlich praktizieren können. ({6}) Es gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Bundesland, das in seinem Verfassungsschutzgesetz das Instrument der Onlinedurchsuchung verankert hat, nämlich Bayern. In Bayern gibt es ganz praktische Fälle, an denen man sehen kann, dass durch die Möglichkeiten der Onlinedurchsuchung Anschlagspläne tatsächlich vereitelt werden konnten und Extremisten in Haft genommen werden konnten. Das ist ein gutes Beispiel. Das ist Best Practice. ({7}) Das würden wir gerne auch im Bundesverfassungsschutzgesetz verankern, wenn das möglich wäre. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an ganz vielen schlimmen Ereignissen haben wir gesehen, dass wir es dem Verfassungsschutz ermöglichen müssen, auch Einzelpersonen stärker in die Beobachtung nehmen zu können. Wenn man die Anschläge auf Utoya oder in Christchurch, Halle oder Hanau analysiert, dann kann man feststellen, dass sich die Täter im stillen Kämmerlein radikalisiert haben, dass das Radikalisierungen Introvertierter waren. Da brauchen wir für den Verfassungsschutz die Möglichkeit, dass er denjenigen – das ist schwierig genug bei solchen Täterprofilen – durch das Beobachten von entsprechenden Foren und dergleichen tatsächlich auf die Spur kommen kann. Das ist notwendig, das brauchen wir, und dafür müssen wir dem Verfassungsschutz auch die Möglichkeiten geben. ({8}) Ich will an dieser Stelle noch sagen: Man hätte bei diesem Gesetz durchaus noch etwas mehr Mut aufbringen können. Wir dürfen, auch wenn wir über Themen wie Speicherung von Daten Minderjähriger sprechen, eines nicht vergessen: Es geht nicht um Fragen der Strafverfolgung, es geht um Gefahrenabwehr, es geht um die Sicherheit in unserem Land. Dafür muss das Notwendige getan werden. Dafür legen wir die Grundlage mit diesem Gesetz. Herzlichen Dank. ({9})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,674
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Nächster Redner ist der Kollege Jens Maier, AfD. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,675
228
19
Jens
Maier
11,004,811
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf stellt einen weiteren Schritt dar in Richtung Totalüberwachung der Gesellschaft. Was hier als angebliche Reaktion auf die aktuellen Ereignisse im Bereich des Rechtsterrorismus verkauft wird, ist der Vorwand dafür, auf einfachere Weise als bisher Einzelpersonen gezielt in den Blick zu nehmen. Das heißt auf Deutsch: Jedermann kann jetzt jenseits der Strafverfolgung auf einfachere Weise in die Überwachung durch den Verfassungsschutz gelangen. Wenn denn der Verfassungsschutz wenigstens das wäre, was er in seinem Namen vorgibt zu sein: eine Behörde, die die Verfassung, das heißt die freiheitlich-demokratische Grundordnung, schützt. Bis zum würdelosen Abgang von Hans-Georg Maaßen wird man das im Großen und Ganzen sogar noch bejahen können. Mittlerweile ist der Verfassungsschutz aber zu einem reinen Regierungsschutz heruntergekommen. Seine Tätigkeit besteht unter anderem darin, Oppositionspolitiker auszuspähen, Oppositionsparteien zu denunzieren und im Zusammenspiel mit den Medien Diffamierungskampagnen zu unterstützen. ({0}) Dabei werden auch Kriterien, die das Gesetz nicht vorsieht, erfunden, wie zum Beispiel die Erklärung einer Partei als Prüffall. Bei seinem ersten Auftritt als neuer Präsident des Bundesamtes hat Herr Haldenwang, der oberste Verfassungsschützer, doch gezeigt, wie er es mit der deutschen Rechtsordnung hält: legal, illegal, völlig egal – Hauptsache, der Dienstherr ist zufrieden, Herr Seehofer. Das Verwaltungsgericht Köln musste damals eingreifen und auf Antrag der AfD Herrn Haldenwang und den Seinen wegen dieser Rechtsverletzungen einen Maulkorb verpassen. Es zeigt sich, dass der Verfassungsschutz eben nicht neutral und unabhängig operiert, sondern in das Ressort des Bundesinnenministeriums eingegliedert ist und offenbar zu liefern bereit ist, was man sich dort wünscht, Herr Seehofer. ({1}) Wenn man ein über 1 000 Seiten langes Gutachten anfertigen muss, um eine Partei zu einem Verdachtsfall abstempeln zu können, dann – das muss ich als ehemaliger Richter sagen – ({2}) spricht eine Vermutung dafür, dass an dem Verdacht nicht viel dran ist; sonst bedürfte es dieses Umfangs nicht. Seitdem Herr Haldenwang das Bundesamt leitet, ist die Maske gefallen. Der Verfassungsschutz hat seine Legitimation, sein Ansehen eingebüßt und das in ihn gesetzte Vertrauen verspielt. Er ist zu einem Unterdrückungsinstrument verkommen. ({3}) Am Umgang mit den Querdenkern kann man das besonders deutlich erkennen. ({4}) Der Verfassungsschutz ist dabei, sich Schritt für Schritt in eine Richtung zu entwickeln, die wir in Deutschland, vor allem aber in der ehemaligen DDR schon mal hatten. Darum sagen wir von der AfD: Es bedarf einer grundlegenden Reform des Verfassungsschutzes und seiner Reduzierung auf eng begrenzte Kernaufgaben. Es muss Schluss damit sein, dass sich der Verfassungsschutz politisch inszeniert. Es muss Schluss damit sein, dass der Verfassungsschutz das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht und aus Gründen politischer Gefälligkeit den Ruf anständiger Leute zerstört oder gefährdet. ({5}) Solange die Dinge so sind, wie sie sind, kann man einem Gesetzentwurf wie diesen, der weitere Befugnisse für den Verfassungsschutz vorsieht, nicht befürworten. ({6}) Das erlaubte Auslesen von Messengerdiensten über die sogenannte Quellen-TKÜ bedeutet für den Bürger, der Whatsapp oder Ähnliches nutzt, dass nun der Verfassungsschutz mitlesen kann und bestenfalls auch darf. Die Telekommunikationsanbieter müssen sogar dafür sorgen, dass die Dienste ihre Überwachungsgeräte direkt neben ihren Servern anschließen können. Dabei ist die Grenze hin zur Onlinedurchsuchung von Smartphones und Computern fließend. Denn in der geplanten Änderung des § 11 des Artikel‑10-Gesetzes ist vorgesehen, dass nicht nur die laufende Kommunikation überwacht und aufgezeichnet wird, sondern auch die Inhalte der Kommunikation, die ab dem Zeitpunkt der Anordnung hätten aufgezeichnet werden können, aber nicht aufgezeichnet worden sind. Das ist nichts anderes als ein Auslesen von Nachrichten, die in der Vergangenheit liegen, aber gespeichert worden sind. Das ist im Ergebnis nicht nur eine Quellen-TKÜ, sondern bereits eine Onlinedurchsuchung. Das halten wir für unverhältnismäßig. Daher lehnen wir es ab. Im Ausschuss wird hier noch einiges zu diskutieren sein. Vielen Dank. ({7})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,676
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Uli Grötsch, SPD, ist der nächste Redner. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,677
228
19
Uli
Grötsch
11,004,282
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In gewisser Weise kann ich an die Worte meines Vorredners anknüpfen und sagen: Noch nie war das Bundesamt für Verfassungsschutz mehr ein Frühwarnsystem für extremistische Bestrebungen als heute. Wie wichtig das ist, haben wir eben gehört bzw. anhand der Ausführungen meines Vorredners festgestellt. ({0}) Insbesondere die jüngste Entscheidung zur Beobachtung von Teilen der Querdenkerbewegung zeigt, dass die Behörde schnell auf neue Formen des Extremismus reagiert und meiner Meinung nach auch reagieren können muss. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist inzwischen top aufgestellt. Es hat nicht nur Islamismus und Linksextremismus, sondern eben vor allem Rechtsextremismus auf dem Radar. Es richtet seinen Blick nicht nur nach draußen, sondern auch in die Sicherheitsbehörden, um Verfassungsfeinde aufzuspüren. Das unterstützen wir als SPD ganz ausdrücklich. ({1}) Das zeigt mir auch, dass diese Behörde auf der Höhe der Zeit ist und aktuelle Herausforderungen fest im Blick hat. Sie genießt daher – das sage ich ganz ausdrücklich – mein Vertrauen, und zwar heute stärker, als es in der Vergangenheit der Fall war. ({2}) Das oberste Ziel der vorliegenden Novelle des Verfassungsschutzrechts ist die Bekämpfung des Rechtsterrorismus. Das steht gleich im ersten Satz. Dass Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus die größte Bedrohung für unsere Demokratie sind, hat der Bundesinnenminister erst diese Woche bei der Vorstellung der Statistik bezüglich politisch motivierter Straftaten in 2020 wiederholt. Herr Seehofer, für diese Vehemenz danke ich Ihnen. Ich hoffe sehr, dass das auch in Ihre Parteienfamilie hineinwirkt. ({3}) Deshalb ist es richtig, dass wir das Bundesverfassungsschutzgesetz an die jüngsten rechtsterroristischen Anschläge in Halle und Hanau oder in Christchurch, auf Utoya und anderswo anpassen, sodass die Verfassungsschützer auch gezielt Einzelpersonen im Vorfeld besser in den Blick nehmen können. Bislang war das Gesetz eher auf extremistische Gruppierungen ausgerichtet und nicht darauf, dass sich Einzelpersonen im stillen Kämmerlein radikalisieren. Das wollen wir mit diesem Gesetzentwurf ändern. Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss aber auch technisch auf die Höhe der Zeit kommen. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb maßvolle Befugniserweiterungen vereinbart; auch diese sind in diesem Gesetzentwurf enthalten. Dabei geht es um die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, das heißt das Auslesen von Kommunikation etwa auf Smartphones; wir haben das schon gehört. ({4}) Es ist nun mal so – und das ist ja auch nicht neu –, dass Extremisten und Terroristen nicht per SMS oder Telefon, sondern eben per Messenger auf ihrem Smartphone kommunizieren. Ganz wichtig ist bei all dem, was in diesem Zusammenhang in diesem Gesetzentwurf steht: Es darf eben nur überwacht werden, was auch im öffentlichen Telekommunikationsnetz hätte überwacht werden können. Das halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Punkt. ({5}) Ich weiß, das ist umstritten. Die Argumente reichen von: „Wir brauchen keinen Verfassungsschutz“, bis hin zu: Warum geben wir unseren Nachrichtendiensten nicht alles, was technisch möglich ist, also eine Art Blankoscheck? Dass diese Maßnahme aber nicht bei unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern eingesetzt wird, sondern bei Extremisten und Terroristen, von denen eine erhebliche, schwerwiegende Gefahr für unser Land ausgeht, wird in der Debatte manchmal verzerrt dargestellt, auch in dieser wieder, liebe Kolleginnen und Kollegen. Außerdem ist das jetzt auch kein Instrument – das ist ja auch ein wichtiger Punkt –, das massenhaft zum Einsatz kommt, sondern eines, das sehr maßvoll angewendet werden wird. Ja, das Auslesen von Kommunikation, auch aus Messengerdiensten, ist ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte, der nur unter ganz engen Voraussetzungen und erst nach Prüfung und Anordnung vollzogen werden darf. Aber wir können von unseren Verfassungsschützern nicht erwarten, mit Instrumenten aus der Vergangenheit Anschläge in der Zukunft zu verhindern. Wer ein Frühwarnsystem will, der muss das Werkzeug mitliefern, und das wird den Verfassungsschutz als demokratisches Frühwarnsystem stärken. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten beschließen übrigens am Wochenende bei unserem Parteitag ganz ausdrücklich, dass wir den Verfassungsschutz als ein Frühwarnsystem in unserer Demokratie sehen, und wir machen damit deutlich, dass die SPD für Maß und Mitte steht. Das ist unser Auftrag, liebe Genossinnen und Genossen. ({6}) Wir erweitern mit Augenmaß und flankieren mit parlamentarischer Kontrolle. ({7}) So schaffen wir mit diesem Gesetz gleichzeitig die Voraussetzung für eine bessere und effektivere Kontrolle der TKÜ-Maßnahmen, zum Beispiel durch mehr Mitglieder in der G‑10-Kommission und zusätzlichen technischen Sachverstand. Hier bin ich übrigens der Meinung, dass wir auch den juristischen Sachverstand in der G‑10-Kommission noch ausbauen sollten; denn es kommt ja auch mehr Arbeit auf die G‑10-Kommission zu. Wir setzen hier die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um. Mehr Aufklärungsbefugnisse sollen mit mehr Kontrolle einhergehen. Das haben wir im März bei der BND-Novelle so gemacht, und ich bin froh, dass gemäß den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein neues Kontrollregime für die Auslandsüberwachung des Bundesnachrichtendienstes gerade sehr fruchtbar im Aufbau ist. Das gehört sich in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat so, und das unterscheidet uns wohltuend von der Mehrheit aller Länder der Welt. Maß und Mitte gilt für uns auch in Bezug – das sei noch erwähnt – auf die Reform des Bundespolizeirechts, die wir auch bald beschließen wollen: keine Onlinedurchsuchung und auch keine automatische Gesichtserkennung, keine Taser für die Bundespolizei, und die Quellen-TKÜ beschränken wir nur auf den Bereich Menschenhandel. ({8}) Das ist Maß und Mitte, und dafür steht die SPD. ({9}) Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gilt es immer, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu halten. Wegen dieser Balance war und ist die SPD der Meinung, dass wir die Befugnisse zur Quellen-TKÜ erst mal nur auf das Bundesamt für Verfassungsschutz hätten beschränken sollen. Das sieht der Bundesinnenminister, und das sieht unser Koalitionspartner anders, und jetzt bekommen eben auch die anderen beiden Nachrichtendienste diese Befugnisse. „Mehr ist mehr“, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ist meiner Meinung nach nicht immer das richtige Motto. ({10}) Aber einer Koalition ist das Prinzip des Kompromisses inhärent. Deshalb tragen wir das an dieser Stelle natürlich mit. Gleichzeitig sage ich aber für meine Partei – und damit komme ich zum Schluss –: Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode ein dauerhaftes, regelmäßiges und unabhängiges Monitoring unserer Sicherheitsgesetze und damit auch der Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Ich bin mir sicher: Auch in der Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf in der nächsten Sitzungswoche wird es dazu noch Input geben. Darauf freue ich mich und auch auf die parlamentarischen Beratungen. Vielen Dank. ({11})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,678
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Benjamin Strasser, FDP, hat jetzt das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,679
228
19
Benjamin
Strasser
11,004,908
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Genossinnen und Genossen! ({0}) Eines muss man dieser Großen Koalition ja lassen: Die Seehofer-Doktrin wird konsequent umgesetzt: Alle dürfen alles! Und Sie lassen dabei auch vollkommen außer Acht, dass Verfassungsschutz, Nachrichtendienste auf der einen Seite und Polizei auf der anderen Seite ganz unterschiedliche Aufgaben haben ({1}) und dass es in Deutschland so etwas wie ein Trennungsgebot gibt. Man steht wirklich fassungslos neben dieser Großen Koalition. ({2}) Herr Minister Seehofer, Herr Frei, ob Sie es glauben oder nicht: Jeder in diesem Haus will, dass bei Gefährdern und bei Terroristen Chats überwacht werden. Nur die Antwort auf die Frage, wie das denn technisch gehen soll, die lassen Sie seit Jahren offen. ({3}) Sie verschweigen den Leuten in diesem Land, dass eine „Quellen-TKÜ plus“ mit einem Staatstrojaner nur dann geht, wenn Sicherheitslücken bei allen Geräten aller Deutschen offen gelassen werden. Das verursacht nicht nur einen Milliardenschaden für die Wirtschaft in Deutschland; es ist quasi eine Einladung für Cyberkriminelle und für ausländische Nachrichtendienste. Ihre Politik ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland. ({4}) Und da machen wir doch mal den Praxistest – auch dazu, Herr Frei, habe ich heute nichts gehört –: Wo hätte denn bei den Anschlägen auf dem Breitscheidplatz, von Halle und von Hanau oder bei dem Mord an Walter Lübcke die Quellen-TKÜ diese Taten verhindert? Nirgends, nirgends! Im Gegenteil: Der Attentäter des Breitscheidplatzes hat über verschlüsselte Telegram-Chats kommuniziert. Die Sicherheitsbehörden hatten im Vorfeld diese Chats und haben sie erst nach dem Anschlag ausgewertet. Das zeigt das ganze Dilemma Ihrer Sicherheitspolitik. ({5}) Sie haben vor lauter Überwachungsdiskussionsorgien den Blick für das Wesentliche verloren. Und dabei gäbe es nach 16 Jahren unionsgeführter Innenpolitik durchaus große Baustellen. Wo ist denn die konsequente digitale Ausstattung in den Sicherheitsbehörden? Wo wird denn künstliche Intelligenz genutzt, um große Datenmengen auszuwerten? Wo ist denn die Überwachungsgesamtrechnung, die das Bundesverfassungsgericht fordert? Nicht nur gilt „Alles dürfen alle“, sondern bei Herrn Seehofer gilt auch: „Alle machen alles“. Wir haben zu viele Sicherheitsbehörden in Deutschland, die oftmals zu klein sind, um diese neuen Aufgaben anzugehen. Und deswegen braucht es eine Föderalismuskommission III, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) In den letzten vier Jahren ist aus der Großen Koalition eine müde Koalition geworden. Ihnen fehlen der Mut und die Kraft, diese Aufgaben anzugehen. Deswegen braucht es im Herbst einen Neustart in der Innen- und Sicherheitspolitik. Vielen herzlichen Dank. ({7})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,680
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Jetzt erhält das Wort der Kollege Dr. André Hahn, Die Linke. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,681
228
19
André
Hahn
11,004,288
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die deutschen Geheimdienste sollen neue, weitreichende Schnüffelbefugnisse erhalten. Dem fortwährenden Drängen aus dem Hause Seehofer zu erweiterten geheimdienstlichen Befugnissen hatte sich das SPD-geführte Bundesjustizministerium bereits im Herbst letzten Jahres zunächst inhaltlich gebeugt. Nun wurden laut Presseberichten letzte rein machtpolitische Widerstände innerhalb der SPD-Fraktion in einem Tauschhandel gegen das bis dato von der Union blockierte Unternehmensstrafrecht aufgegeben. Selbst Kanzlerkandidat Scholz soll persönlich in den Deal involviert gewesen sein, obwohl er von Geheimdiensten nun wahrlich keine Ahnung hat. Fakt ist: Es handelt sich um einen schlechten Tauschhandel zulasten der Bürgerrechte in diesem Land. Lieber Genosse Grötsch, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, wenigstens in diesem Punkt hätten Sie doch einmal auf Ihre Parteivorsitzende hören sollen. Mit dem Gesetz sollen das Bundesamt für Verfassungsschutz, aber auch die Verfassungsschutzämter der Länder sowie der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst zum Einsatz der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung, kurz TKÜ, ermächtigt werden. Anbieter von Kommunikationsdiensten müssen künftig nach einer entsprechenden Anordnung den vollständigen Datenstrom eines Betroffenen auf die Überwachungssysteme der Geheimdienste umleiten. Über einen Trojaner werden dann dessen digitale Endgeräte infiltriert, um anschließend heimlich darauf zugreifen und eigentlich verschlüsselte WhatsApp-Nachrichten oder Nachrichten anderer Messengerdienste direkt an der Quelle unverschlüsselt auslesen zu können. Das ist nicht nur aus Sicht der Linken ein schwerwiegender und völlig unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff. ({0}) Eine trennscharfe Abgrenzung zu Maßnahmen der sogenannten Onlinedurchsuchung, für die nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sehr strenge Auflagen bestehen, ist nicht möglich. Für beide Maßnahmen – der Kollege der FDP hat es eben gesagt – müssen Sicherheitslücken in den IT-Systemen genutzt werden, und niemand kann kontrollieren, dass die Grenze zwischen beiden eingehalten wird. Wer entscheidet eigentlich, was eine schwere Bedrohung für den Rechtsstaat darstellt, bei der die Quellen-TKÜ künftig zum Einsatz kommen soll? Zugleich wird die digitale Sicherheitsarchitektur aller Bürgerinnen und Bürger untergraben, indem staatliche Akteure Sicherheitslücken, anstatt diese zu schließen, ähnlich wie kriminelle Angreifer nutzen. Die Geheimdienste brauchen aus unserer Sicht keine zusätzlichen Befugnisse, sondern klare Grenzen für die Überwachung von Bürgerinnen und Bürgern und auch von Institutionen. ({1}) Deren Einhaltung muss auch durch parlamentarische Gremien wirksam kontrolliert werden. Das ist jetzt schon schwierig. Demnächst wird es nahezu unmöglich. Der Verfassungsschutz hat beim Thema NSU, beim Umgang mit den V‑Leuten oder in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nicht in Ermangelung von nachrichtendienstlichen Mitteln versagt, sondern aus systemischen Gründen. Er benötigt daher keine Quellen-TKÜ, sondern gehört in der jetzigen Form aufgelöst. Der vorliegende Gesetzentwurf sollte möglichst der Diskontinuität unterfallen. Herzlichen Dank. ({2})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,682
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Konstantin von Notz, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,683
228
19
Konstantin
von Notz
11,004,123
Herr Präsident! Liebe Freundinnen und Freunde! Der Verfassungsschutz ist dem Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet. Und die Bandbreite der Angriffe in dieser Zeit ist groß: von Fantasien über den Tag X bis zum Sturm auf den Reichstag, von Desinformationskampagnen bis zu IT‑Angriffen auf unsere Verfassungsorgane. Deswegen: Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist für unseren wehrhaften Rechtsstaat von herausragender Bedeutung, meine Damen und Herren. ({0}) Aber gerade weil das Bundesamt eine so wichtige und sensible Arbeit leistet, ist es zentral, dass es nach klarsten rechtlichen Vorgaben agiert, streng kontrolliert wird und Vertrauen genießt. Leider wurde jedoch genau dieses Vertrauen immer wieder durch den Umgang mit handfesten Skandalen massiv erschüttert. Auch die parlamentarische Kontrolle ist noch immer bei weitem nicht da, wo sie sein müsste. Die jetzige Hausspitze der Behörde leistet engagiert und glaubhaft ihren Teil und leitet überfällige Kurskorrekturen ein; das ist so. Das Agieren der Fach- und Rechtsaufsicht des BMI hingegen, Herr Seehofer, überzeugt nicht. Statt Rechtssicherheit auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhöhen, legen Sie dem BfV mit der Quellen-TKÜ gleich das nächste offen verfassungswidrige Ei ins Nest. Herr Kollege Frei, BKA und GBA haben kein einziges Mal die Quellen-TKÜ zum Einsatz gebracht – nicht ein einziges Mal! –, weil die Rechtsunsicherheit so groß ist. Wer das verschweigt, der baut hier einen Popanz auf, Herr Kollege. ({1}) Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen. Deshalb brauchen wir eine umfassende Reform des Verfassungsschutzes des Bundes und der Länder. Unsere Vorschläge dazu liegen lange vor. Statt des dringend notwendigen großen Wurfes legen Sie hier wieder den allerkleinsten gemeinsamen Nenner vor, auf dem diese GroKo noch agiert: ein bisschen mehr G-10-Kontrolle – mehr nicht. Das ist mangelhaft und unzulänglich; denn wir brauchen eine stärkere, besser ausgestattete Kontrolle des G-10-Bereichs durch einen weiteren Spruchkörper im Unabhängigen Kontrollrat. Und wir brauchen zwingend eine effiziente Kontrolle des völlig wildwüchsigen Einsatzes von V Personen, meine Damen und Herren. Der ganze Bereich ist Kraut und Rüben. Das ist eine Wurzel allen Übels: von den bis heute bestehenden Unklarheiten bei der Rote-Armee-Fraktion über den NSU bis zum Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Die faktisch nicht existente Kontrolle in diesem Bereich sowohl bei der Fach- und Rechtsaufsicht als auch aufseiten des Parlaments ist ein Sicherheitsrisiko ersten Ranges, meine Damen und Herren. ({2}) In allen Sachverständigenanhörungen der letzten Jahre und Monate war man sich einig: Das Nachrichtendienstrecht gehört grundlegend reformiert. SPD und Union sind dazu offenkundig nicht mehr in der Lage. Sie haben völlig abgewirtschaftet, auch innenpolitisch. Das ist schade. Ganz herzlichen Dank. ({3})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,684
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Jetzt erhält das Wort der Kollege Alexander Throm, CDU/CSU. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,685
228
19
Alexander
Throm
11,004,917
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nicht erst seit dem Bericht des Innenministers in dieser Woche wissen wir, dass die politisch motivierte Kriminalität in nahezu allen Bereichen zunimmt. Wir haben eine nach wie vor hohe Gefährdungslage, und da brauchen wir unsere Sicherheitsorganisationen, da brauchen wir insbesondere den Verfassungsschutz. Wir stärken heute mit diesem Gesetz den Verfassungsschutz. Aber ich will auch gleich sagen, Herr Kollege von Notz: Ja, wir hätten uns als CDU/CSU mehr in diesem Gesetz gewünscht; beispielsweise die Onlinedurchsuchung. ({0}) Das war in der Großen Koalition mit der SPD, mit den Genossinnen und Genossen, leider nicht möglich. Aber, Herr Kollege von Notz, Sie haben ja heute quasi angekündigt, dass Sie noch nicht einmal bereit sind, diesem kleinsten gemeinsamen Nenner zuzustimmen, ({1}) und deswegen sind Sie ein Teil dieses Sicherheitsrisikos, wenn es darauf ankommt. ({2}) Der Redner von der AfD hat von Totalüberwachung gesprochen und die Quellen-TKÜ plus angesprochen, also die Frage, ob die in dem Zeitraum zwischen Anordnung und Installation der Maßnahme anfallenden Daten auch noch ausgelesen werden dürfen. Das ist die Kritik, die ich auch von der FDP und von den Grünen immer wahrnehme. Sie sollten sich mal überlegen, mit wem Sie hier gemeinsame Sache machen. ({3}) Das sind diejenigen, die wir nämlich gegebenenfalls auch durch den Verfassungsschutz beobachten müssen. Das fordern gerade die Grünen. ({4}) Aber in der Sache werfen Sie sich vor diejenigen hin, die betroffen sind, Herr Kollege von Notz. ({5}) Ein letzter Punkt. Ich bin Mitglied des Untersuchungsausschusses Breitscheidplatz, der Kollege Strasser und der Kollege von Notz ebenso. Wir fragen intensiv, ({6}) wir beklagen auch, warum es damals nicht möglich war, diesen schrecklichen Terroranschlag zu verhindern. Der Kollege Strasser ist derjenige, der Zeugen von unseren Sicherheitsbehörden immer nach dem Motto fragt: Hätte, wäre, wenn. Was wäre passiert, wenn? – Alles okay. Das ist unsere Aufgabe als Parlament. Aber diejenigen, die dort das große Wort führen, sind diejenigen, die sich dann, wenn es um die Konsequenzen daraus geht, verweigern. ({7}) Sie haben die Telegram-Chats angesprochen. Ja, die haben wir aber nur durch ausländische Geheimdienste bekommen. Sie sind zwar bereit, diese Erkenntnisse anzunehmen, ({8}) aber geben unseren Sicherheitsbehörden nicht die Möglichkeit, so etwas selbst zu ermitteln. ({9}) Keiner von uns, Herr Kollege Strasser, weiß, wie, wann und von wem eventuell der nächste Terroranschlag vorbereitet wird. Und keiner von uns weiß, ob bei der Verhinderung die Quellen-TKÜ eine entscheidende Rolle spielen kann. ({10}) Deswegen: Wenn Sie es ernst meinen mit der Terrorverhinderung, dann müssen Sie auch der Quellen-TKÜ zustimmen. Sonst sind Grüne, FDP, Linke und AfD ein Sicherheitsrisiko. ({11})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,686
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU, ist der voraussichtlich letzte Redner in dieser Debatte. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,687
228
19
Volker
Ullrich
11,004,427
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, dass uns nach dieser Debatte zwei Dinge einen müssen: zum einen, dass diese freiheitlich-demokratische Grundordnung geschützt werden muss vor den Feinden der Freiheit, und zum anderen, dass wir neuartige Bedrohungen haben und ein Rechtsstaat sich dieser Bedrohungen auch im Vorfeld annehmen muss, damit er wehrhaft bleibt. Wir haben mit den Anschlägen in Hanau, Halle und auch auf dem Breitscheidplatz gesehen, dass Täter sich auf der einen Seite heimlich radikalisieren, ohne in ein Netzwerk eingebunden zu sein, oder auf der anderen Seite konspirativ in einem Netzwerk an Anschlägen arbeiten, aber eben nicht mehr klassische Kommunikationskanäle benutzen, sondern in verschlüsselte Chats ausweichen. Darauf muss der Rechtsstaat eine kraftvolle Antwort geben, meine Damen und Herren. Es kann doch nicht sein, dass der Verfassungsschutz im Vorfeld bei einer drohenden Gefahr, bei Bestrebungen, die verfassungsmäßige Ordnung anzugreifen, Telefongespräche abhören darf, aber wenn dann über Telegram oder WhatsApp eine Anschlagsplanung erfolgt, dem Rechtsstaat die Hände gebunden sein sollen. ({0}) Das ist doch die entscheidende Lücke, die wir schließen müssen, meine Damen und Herren. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,688
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Herr Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Strasser?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,689
228
19
Benjamin
Strasser
11,004,908
Vielen Dank, Herr Kollege Ullrich. – Sie sind jetzt der dritte Unionsredner, der den uns einenden Konsens, dass wir bei Gefährdern und Terroristen die Kommunikation überwachen wollen, vorträgt. Deswegen die Frage an Sie: Wie stellen Sie es technisch sicher, dass mit einem Staatstrojaner ausschließlich auf Geräte von diesen Personen zugegriffen werden kann und nicht auf Geräte von allen anderen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern? Wie stellen Sie das technisch sicher? ({0})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,690
228
19
Volker
Ullrich
11,004,427
Ja, da empfehle ich einen Blick in das Gesetz, das wir dem Bundestag jetzt vorgelegt haben. Wir wollen durch eine Verpflichtung bei den Telekommunikationsunternehmen sicherstellen, dass genau nur die Verbindungsdaten und Inhalte im Rahmen der Quellen-TKÜ weitergeleitet werden können, die den jeweiligen Gefährder betreffen. Das ist das eine. Und das Zweite ist – was hier bislang verschwiegen worden ist –: Es gibt eine starke präventive rechtsstaatliche Kontrolle. Die Anordnung der Quellen-TKÜ ist nämlich nur möglich, wenn die G 10-Kommission Ja sagt. ({0}) Das ist ein wichtiger rechtsstaatlicher Schritt. Der ist von vielen hier – ich glaube, aus ganz taktischen Grünen – verschwiegen worden. Aber ich kann Ihnen versichern: Diese technische Voraussetzung wird sichergestellt, und obendrein wird auch noch die rechtsstaatliche Frage beachtet, dass nur der überwacht werden kann, der tatsächlich eine Gefahr darstellt, und niemand anderer. ({1}) Wir wollen des Weiteren auch einen stärkeren Blick werfen auf Einzelpersonen, die sich radikalisieren. Bislang geht das nach dem Verfassungsschutzrecht nur, wenn diese Einzelpersonen eingebunden sind in ein Netzwerk oder Gewaltbereitschaft deutlich nach außen getragen haben. Aber das wird den vielfältigen Konstellationen nicht gerecht, wo jemand zu Hause sitzt, möglicherweise Manifeste verfasst und sich damit selbst radikalisiert. Hier muss der Rechtsstaat eine Antwort geben. Das tut er, indem gefährliche Einzelpersonen im Einzelfall stärker in den Blick genommen werden. Und ein letzter Punkt ist uns wichtig, nämlich dass der Datenaustausch, dass der Verbund der Verfassungsschutzbehörden stärker wird. Deswegen soll auch der MAD, der Militärische Abschirmdienst, zukünftig stärker in den Verfassungsschutzverbund integriert werden, damit dieser Verbund insgesamt durch den Datenaustausch stärker wird und Bedrohungen für die Freiheit frühzeitig erkannt werden können. Entscheidend ist – und das ist der Sinn und Zweck dieses Gesetzes –, dass der Rechtsstaat im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und durch geordnete Verfahren auf Bedrohungen reagiert, diese Bedrohungen abstellt und damit Bürgerinnen und Bürger schützt. Das ist unser Auftrag. Daran lassen Sie uns arbeiten. ({2})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,691
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Damit schließe ich die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,692
228
19
Mechthild
Heil
11,004,052
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute über den Stadtentwicklungsbericht 2020. Dieser Bericht zeichnet ein Bild unserer Kommunen und zeigt den Beitrag auf, den wir als Bund für eine positive Entwicklung unserer Kommunen leisten. Wir haben viele Förderprogramme aufgelegt. Eines davon feiert dieses Jahr den 50. Geburtstag, die Städtebauförderung. Dieses Programm haben wir in diesem Jahr neu strukturiert und neu entwickelt. Ich möchte mich in meiner Rede heute auf das Thema „Grün in der Stadt“ und den Klimaschutz beziehen, der ist nämlich in all den Programmteilen neu verankert worden. Ja, wir leben in einer Zeit, in der es viel Nachverdichtung gibt. Städte sind verdichtete Räume. Viele Menschen leben, wohnen und arbeiten auf engstem Raum. Genau das ist das Wesen einer Stadt. Grün wurde es in früheren Zeiten erst weit vor den Toren der Stadt. Aber das Idealbild einer Stadt ist in ständigem Wandel, und so gehört heute zum Idealbild der Stadt auch das Grün. Warum ist es heute so wichtig, dass Städte grün sind? Grünflächen, egal ob sie horizontal oder vertikal sind, ob sie am Boden, auf den Fassaden oder auf den Dächern sind, dienen dem Klimaschutz und der Klimaresilienz der Städte. Sie können helfen, die CO All diese Aufgaben können unsere Grünflächen aber nur erfüllen, wenn sie nicht als Restflächen oder sogar als Kostentreiber gesehen werden, sondern als ein ganz wesentlicher Bestandteil einer modernen und vitalen Großstadt gesehen werden. Sie stehen deswegen auch nicht beliebig für andere Zwecke zur Verfügung. Sie müssen kontinuierlich geschützt und gepflegt werden. Das ist zum Glück mittlerweile Konsens bei allen Städten. Aber damit nicht genug. Wir müssen weitere Flächen für mehr Grün in unseren Städten ausbilden. Wenn wir Stadtentwicklung in Zukunft betreiben, dann müssen wir auch immer Grünentwicklung mit betreiben, ({0}) genauso wie wir an Schulen denken, an Wege denken und auch an die Nahversorgung immer denken, wenn wir an Stadtentwicklung denken. Das ist also kein Nice-to-have, sondern das ist ein wichtiger Bestandteil für gute Aufenthaltsqualität in unseren Städten und für ein gesundes Stadtklima. Genau darum geht es auch in dem vorliegenden Bericht. Ja, Kommunen können dabei sogar ein Alleinstellungsmerkmal erlangen. In meiner Heimatstadt Andernach haben wir die „Essbare Stadt“ gegründet, das heißt, auf öffentlichen Flächen, bei uns an der Stadtmauer wird Obst und Gemüse angepflanzt. Das wertet die Flächen auf. Es schafft auch neue soziale Kontakträume. Aber was viel interessanter ist: Das hat viele Touristen angezogen, und uns als Bewohner der Stadt hat es versöhnt und ein bisschen mehr stolz gemacht auf unsere eigene Heimatstadt. Dafür hat der Bund die Rahmenbedingungen geschaffen und auch hohe Fördermittel bereitgestellt. Ich bin stolz dadrauf, dass wir das getan haben. An dieser Stelle und als letzten Punkt möchte ich ein Dankeschön an die Bundesregierung und allen voran unseren Minister Horst Seehofer richten dafür, dass er immer vorangegangen ist und uns unterstützt hat. Ich gehe davon aus, dass die Zusammenarbeit mit dem Ministerium auch in Zukunft eine gute sein wird. Ich hoffe es zumindest; unter welchen Voraussetzungen auch immer. Danke schön. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,693
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Wilhelm von Gottberg, AfD. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,694
228
19
Wilhelm
von Gottberg
11,004,730
Herr Präsident! Herr Minister Seehofer! Meine Damen und Herren! Wir wollen hier und heute den vorgelegten Bericht zur Stadtentwicklung erörtern. Der Bericht ist ein Konvolut von 156 Seiten. Er ist eine Fleißarbeit. Aber wie soll ein derartig umfangreicher Bericht in wenigen Minuten Redezeit, die der Opposition zur Verfügung stehen, sachgerecht bewertet werden? Wir praktizieren hier parlamentarisches Alltagsgeschehen in eingefahrenen Gleisen. Eine verantwortungsbewusste Arbeit der Legislative geht anders, meine Damen und Herren. ({0}) Der Bericht enthält wesentliche Fakten und wissenswerte Informationen, aber auch Unwesentliches und Überflüssiges; was dem Bericht einen unnötigen Umfang gibt. Beispiele: Das Abkürzungsverzeichnis umfasst drei Seiten. Der Bericht enthält überdurchschnittlich viele Abbildungs- und Kartenverzeichnisse. Was soll beispielsweise ein Schaubild über die Antragsbestätigung für das Baukindergeld im Bericht? Wichtig und überraschend ist andererseits die Aussage im Bericht, dass die Bundesregierung Projekte der nachhaltigen Stadtentwicklung im sogenannten Globalen Süden mit mehr als 22 Milliarden Euro fördert. Das ist bemerkenswert. Die künftigen Vorgaben für die Stadtentwicklung in der EU sind in der Neuen Leipzig-Charta formuliert. Diese Charta wurde am 30. November von den zuständigen Ressortchefs der EU fortgeschrieben. Es ist zumindest zu hinterfragen, ob eine Stadtentwicklung in den ländlichen Regionen Nord- und Südeuropas nicht andere Schwerpunkte zu setzen hat, als dies im hochverdichteten Industriestaat Deutschland der Fall ist. Im Bericht auf Seite 148 heißt es in Bezug auf die Stadtentwicklung, dass sich die Rahmenbedingungen sowie die stadtpolitischen Herausforderungen seit 2007 deutlich gewandelt haben. Stichworte dazu: Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel, Globalisierung und verstärkte soziale Disparitäten. – Richtig, aber es ist eine jahrhundertealte menschliche Erfahrung: Alles ist ständig im Fluss. Zukunft ist nach vorne immer offen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Politik der vergangenen Jahre einen Großteil der sogenannten Probleme selbst verschuldet hat. ({1}) Einige dieser Entwicklungen wurden bereits im Stadtentwicklungsbericht 2008 angestoßen, Stichworte: Klimaschutz, Energiesparen und – besonders wichtig – Flächenreduzierung. Der Bericht lässt viele Fragen offen. Politik hat den Menschen und dem allgemeinen Wohl zu dienen. Die Bedürfnisse der Menschen sind zeitlos. Sie sind 2021 nicht anders als 2007 oder 1920. Dazu gehören vorrangig eine angemessene Wohnung bzw. angemessene Mieten auf dem Wohnungsmarkt. Ebenso bedeutsam ist der Wunsch, Wohneigentum zu erwerben; die vielen Hunderttausend Häuslebauer belegen dies. Sie haben jahrzehntelang Konsumverzicht geübt, um sich ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung anzuschaffen. Eigentum gewährt ein Stück weit Unabhängigkeit und Freiheit. Stadtentwicklung muss zum Ziel haben, den Menschen ein bezahlbares Angebot zum Erwerb von Wohneigentum zu machen. Neben anderen wichtigen Indikatoren muss Wohnen oberste Priorität bei der Stadtentwicklung haben. Wohnen ist ein Grundrecht. Wohnen ist Zu-Hause-Sein – das reicht vom Eigentum bis zum Mietobjekt. Weite Kreise der Bevölkerung streben auf ihre Weise danach. Schlussbemerkung. Eine den Menschen dienende Stadtentwicklung muss sich auch von der Warnung des großen Ökonomen Wilhelm Röpke leiten lassen – Zitat –: Der Aufbau des Sozialstaates bewirkt den Verlust des Freiheitsankers Privateigentum. Danke. ({2})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,695
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Bernhard Daldrup, SPD. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,696
228
19
Bernhard
Daldrup
11,004,258
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hallo, Karsten! Ich will zunächst mal sagen: Herr von Gottberg, Sie haben ja in Ihrer Rede ein oder mehrere schöne Beispiele dafür gegeben, was es alles an Überflüssigem geben könnte. Ihre Rede war selbst ein schönes Beispiel dafür; mehr ist nicht dazu zu sagen. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sieht eigentlich die Stadt der Zukunft aus? Wie schaffen wir – angesichts von Pandemie, von Klimawandel, von Digitalisierung – Resilienz, also Widerstandsfähigkeit in Städten, die Hans-Jochen Vogel einmal als Stein gewordene Gesellschaftspolitik, aus deren Grundrissen man Wertordnungen ablesen kann, bezeichnet hat? Wie fördern wir eigentlich die „transformative Kraft der Städte“, wie es in der Leipzig-Charta heißt? Unser Grundgesetz verpflichtet uns zur Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen in Deutschland. Wenn Sie alle wissen wollen, wie eigentlich die räumliche Seite des Sozialstaatsgebotes aussieht, dann lesen Sie den Stadtentwicklungsbericht. Er ist ein sehr gutes Dokument. Herzlichen Dank an die Autorinnen und Autoren. ({1}) Wohnen ist ein großes Thema. Wir verabschieden hier heute das BauGB, das Baulandmobilisierungsgesetz. Ich gehe darauf nicht weiter ein, aber ich will sagen: Die Städtebauförderung in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Deswegen haben wir auch allen Grund, zu feiern; denn am 19. Juni 1971, also vor fast 50 Jahren, trat das erste Städtebauförderungsgesetz in Kraft. Die Idee des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt war es, die Städtebauförderung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen zu organisieren. Der Hintergrund war der eminente Nachholbedarf in den Kommunen mit dem Konzept der Modernisierung der Volkswirtschaft. Das war ein ökonomisches und städtebauliches Programm. Es ging dabei nie alleine nur um Städte, sondern immer auch um Dörfer. Es ging immer auch um das Verhältnis von Stadt und Land und die Perspektive von Regionen. Es ging um Strukturpolitik, um das gute Leben. Deswegen ist auch unter dem Gesichtspunkt von Strukturpolitik – Herr Minister, Sie wissen das – die Forderung nach einem Altschuldenschnitt richtig. ({2}) Es ging nie alleine nur um Grün. Das Programm hat viele Etappen durchlaufen, und durch Entscheidungen dieser Großen Koalition stehen in drei Programmen Jahr für Jahr 200 Millionen Euro für den sozialen Zusammenhalt, 300 Millionen Euro für die Förderung lebendiger Zentren und 290 Millionen Euro für Wachstum und nachhaltige Entwicklung in den Städten und Gemeinden des Landes zur Verfügung. Ich bedanke mich bei dem letzten Sozialdemokraten – wie er sich selber nennt – in der CSU, und ich bedanke mich auch bei dem stärksten Sozialdemokraten in der SPD, Olaf Scholz, dafür, dass diese Mittel immer wieder zur Verfügung gestellt werden können. ({3}) 19 Milliarden Euro hat der Bund insgesamt aufgebracht für mehr als 9 300 Gesamtmaßnahmen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen können über Projekte aus ihren eigenen Wahlkreisen berichten. Das ist übrigens nicht nur das Städtebauförderungsprogramm. Das sind auch die nationalen Projekte des Städtebaus. Es geht um Smart City, es geht um Klimapolitik durch Förderung von Park- und Grünanlagen, es geht um Sport, Jugend, Kultur, für die gerade 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden sind. Neben der immensen Bedeutung des Programms für die Stadterneuerung hat die Städtebauförderung auch eine sehr wichtige regionalwirtschaftliche Bedeutung. Jeder Euro aus der Städtebauförderung löst 8 Euro private Investitionen aus. Der Großteil der Investitionen verbleibt beim örtlichen Handwerk und bei der regionalen Wirtschaft. Das ist ein wichtiger Aspekt. Seit 2018 bewegt sich die Städtebauförderung mit 790 Millionen Euro seitens des Bundes auf einem Höchststand. Es ist gut, dass das heute so unumstritten ist zwischen den Fraktionen. Das war nicht immer so. „Rettet die soziale Stadt“ hieß es beim Städtetag vor zehn Jahren, also zum 40‑jährigen Bestehen, weil das Programm „Soziale Stadt“, das heute 190 Millionen Euro umfasst, fast auf null, aber immerhin noch auf 28,5 Millionen Euro – maßgeblich auf Betreiben der FDP in der schwarz-gelben Koalition –, zusammengestrichen werden sollte. Aber ich weiß, dass die FDP das heute auch anders sieht. Städtebauförderung ist eine zutiefst soziale Veranstaltung und nicht nur Kubikmeter umbauter Raum. ({4}) Wenn wir nicht erneut in eine solche Situation kommen wollen, müssen wir uns darum bemühen, die Städtebauförderung auch rechtlich vernünftig abzusichern, verfassungsrechtlich vernünftig abzusichern. Das ist eine dringende Aufgabe, damit wir den Anforderungen in der Zukunft gerecht werden und Städtebauförderung nicht zum Gegenstand von Konjunkturpolitik werden lassen. Der Zustand unserer Gesellschaft findet seinen Ausdruck in der Lebendigkeit der Städte und Gemeinden unseres Landes. Das sollte allemal unsere gemeinsame Aufgabe sein. Herzlichen Dank. ({5})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,697
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP, erhält als nächste Rednerin das Wort. ({0})
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,698
228
19
Marie-Agnes
Strack-Zimmermann
11,004,906
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor uns liegt ein durchaus blumiger Bericht über die Stadtentwicklung und über die Bundesförderprogramme. Der Bericht bestätigt: Die Innenstädte verlieren ihre Individualität und damit Attraktivität. Die Menschen suchen Wohnraum, wollen flexibler arbeiten. Pendler und Verkehrsströme werden zu einer immer größeren Herausforderung. Sie führen in Ihrem Bericht, Herr Minister, unzählige Maßnahmen und Projekte an, durchaus auch interessante; aber die Frage muss erlaubt sein, inwieweit dieser Dschungel an Förderprogrammen wirklich hilfreich ist oder nicht ablenkt von den eigentlichen Problemen und Defiziten, die die Bundesregierung bis dato versäumt hat zu lösen, nämlich das ganze Thema der Digitalisierung, das uns ja gerade jetzt in Pandemiezeiten voll auf die Füße gefallen ist. ({0}) Meine Damen und Herren, wir müssen die kommunale Welt nicht nur aus der Großstadtperspektive betrachten. Wir müssen den ländlichen Raum mehr denn je in den Fokus nehmen; denn wer die Ballungszentren wirklich entlasten will, der muss jenseits der Städte Lebensalternativen anbieten. Die Voraussetzung ist der flächendeckende Breitbandausbau, und zwar bis in die hinterste Ecke der Republik. ({1}) Nur so werden Menschen wieder rausziehen, nur so sich Firmen niederlassen, nur so wird neues soziales Leben entstehen und nur so die kommunale Verwaltung in die Lage versetzt werden, Anliegen von Bürgerinnen und Bürgern und Gewerbetreibenden digital, unkompliziert und zügig zu befrieden, auf allen Ämterebenen. ({2}) Nur 47 Prozent der Kommunen in Deutschland haben überhaupt eine Digitalisierungsstrategie, und sage und schreibe nur 7 Prozent der Gemeinden wären in der Lage, diese auch umzusetzen. Meine Damen und Herren, Herr Minister, Sie sprechen immer wieder von der Revitalisierung der Ortskerne und haben unzählige Projekte im Angebot. Abgesehen davon, dass der Begriff „Revitalisierung“ mehr an ein morgendliches Duschbad erinnert als an eine wirkliche kommunale Strategie – zu dieser gehört übrigens auch physische Erreichbarkeit durch ein entsprechendes Schienennetz –, werden Ihre Förderprogramme in den jeweiligen Kommunen in der Menge verpuffen. Das von Ihnen propagierte Onlinezugangsgesetz, welches die Interaktion zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Verwaltung schneller und effizienter machen soll, schleppt sich leider dahin. Die Kommunen merken unmittelbar, ob die Rahmenbedingungen für moderne Strukturen, für Mobilitätspolitik vom Gesetzgeber auf den Weg gebracht werden. Ja, einzelne Förderprogramme, oft komplex in der Handhabe, helfen alleine nicht weiter, weil sie die grundsätzlichen Defizite nicht kompensieren werden. Meine Damen und Herren, die Rathäuser kommen ihren Verpflichtungen den Menschen gegenüber nach; aber die Rahmenbedingungen muss der Bundestag auf den Weg bringen. Und schade, wirklich schade, dass die Bundesregierung in dieser Legislatur, wild gestartet mit großen Ambitionen, eben nicht den großen kommunalen Wurf auf den Weg gebracht hat! ({3})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,701
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Jetzt erhält das Wort die Kollegin Daniela Wagner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,702
228
19
Daniela
Wagner
11,004,184
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die zurückliegenden Monate haben deutlich sichtbar werden lassen, dass die eindimensionale Ausrichtung unserer Innenstädte auf die Rolle von renditegetriebenen Shoppingmalls kein nachhaltiges Konzept ist. Ohne Shopping ist alles ziemlich öde in den Fußgängerzonen zwischen Flensburg und Füssen. Im Übrigen ist der öffentliche Raum dominiert vom Leitbild der individualmotorisierten Mobilität. Dagegen tut die Koalition zu wenig, auch angesichts der sehr grünen Reden, die Sie hier halten. ({0}) Was zu kurz kommt, sind alle anderen Funktionen, die Städte so haben oder zumindest mal hatten: als Orte der spontanen Begegnung, der Kommunikation, der Angebote für Jugendliche und Kinder jenseits des Konsums, der Kultur, des Handwerks, als Orte zum Verweilen. Nicht umsonst liegt das Augenmerk zurzeit ganz besonders auf den Städten; denn sie sind die Orte, an denen Fehlentwicklungen am ehesten und am deutlichsten erfahrbar werden: wenn Mieten explodieren, wenn gesellschaftlicher Zusammenhalt fehlt, wenn Familie nicht funktioniert, wenn Einsamkeit das Leben zu vieler Menschen prägt. Aber auch die permanente Verlärmung, zu viel Abgase und Feinstaub, zu wenig Grün, zu viele versiegelte Flächen, Hitze und schlechte Luft machen unseren Städten zu schaffen. Das wissen wir alles nicht erst seit dem Frühjahr 2020. Den sehr grünen Reden, die hier von der Koalition gehalten werden, stehen leider viel zu wenig Konsequenzen entgegen. ({1}) 77 Prozent der Menschen in unserem Land leben in Städten. Die Tatsache, dass die ländlichen Räume aktuell wieder mehr Anziehungskraft auf junge Menschen ausüben, ist ebenso positiv wie sie deutlich macht, dass interkommunale Zusammenarbeit, Digitalisierung und moderne Mobilitätsangebote das Gebot der Stunde sind. Städtisches Leben und ländliche Freiräume können und müssen sich ergänzen. Unsere Aufgabe hier im Hause ist es, dafür optimale Rahmenbedingungen zu schaffen, und zwar durch eine vernünftige bodenseitige Mobilität. Die Neue Leipzig-Charta, die Klimaziele von Paris und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen müssen die Grundlage all unserer Entscheidungen hier im Hause werden, betreffend Städte, Gemeinden, aber auch allgemein und ganz grundsätzlich. Wir brauchen eine Gemeinwohlorientierung in der Boden- und Wohnungspolitik, eine faire Flächennutzungspolitik, ein Ende der renditegetriebenen Stadtentwicklung und ein Ende der Privilegierung der flächenverschlingenden Pkw-Infrastruktur. ({2}) Wir brauchen eine mit kommunalen Spitzenverbänden, Sozial- und Kulturverbänden, der Wissenschaft und weiteren Stakeholdern gemeinsam entwickelte und getragene Bundesstrategie „Orte des Zusammenhalts“. Meine Damen und Herren, das ist kein Wimmelbild, sondern überfälliges Neudenken unserer Städte inmitten der Klimakrise, der Coronakrise und des demografischen Wandels. Daran müssen wir alle Entscheidungen und auch alle Städtebauförderungsprogramme ganz grundsätzlich ausrichten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,703
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Karsten Möring, CDU/CSU, erhält jetzt das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,704
228
19
Karsten
Möring
11,004,356
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Bernhard, vielen Dank für die Sonderbegrüßung. Ich habe mich immer gefragt: Wie schafft man es, besonders viel Beifall zu bekommen, wenn man zum Pult geht? Heute weiß ich es. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Stadtentwicklungsbericht dokumentiert eine wirkliche Erfolgsgeschichte, die man nicht nur anhand der Zahlen dokumentieren kann, sondern auch anhand der Beschreibungen unserer Projekte. Dieser Blick zurück zeigt nicht alles. Er zeigt aber, dass wir die Rahmenbedingungen bei der Stadtentwicklung den Notwendigkeiten angepasst haben, zuletzt geschehen dadurch, dass wir die Programme auf drei Kernprogramme konzentriert haben und in diese Kernprogramme auch das Thema „Grün in der Stadt“ integriert haben. Denn wir haben gesagt: Das soll kein eigenes Programm sein, sondern zwingend Bestandteil von allem, was in der Stadtentwicklungspolitik passiert. – Deswegen, liebe Kollegin Wagner, sind das nicht nur Worte. Es findet auch eine Umsetzung statt. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Bericht, der zurückblickt, verlangt auf dieser Basis aber auch den Blick voraus auf die Probleme, die vor uns liegen und die zu lösen sind. Ich komme aus Köln, ({2}) und ich weiß, zu welchen Konsequenzen Corona in den Innenstädten und bei unseren Läden geführt hat. Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, dass ein Geschäft nach dem anderen schließt, vor allem kleine inhabergeführte Geschäfte, die Probleme haben, in dieser Situation zu überleben. Wir tun einiges dafür und hoffen, dass möglichst viele überleben. Wir wissen aber – das ist öfter gesagt worden –: Corona war nur der Brandbeschleuniger. Die Entwicklung, die dem zugrunde liegt, ist älter. Die große Konkurrenz des Onlinehandels ist es, die den kleinen und auch den großen Geschäften zu schaffen macht. In meiner Kindheit gab es einen Werbespruch der Firma Kaufhof; damals war das ein großer Warenhauskonzern, heute ist nicht sehr viel davon übrig geblieben. Der Werbespruch hieß: „Tausendfach – alles unter einem Dach“. Heute müsste der Spruch heißen: „Zehntausendfach oder hundertausendfach – alles im Netz“. Wenn ich mir angucke, welche Konsequenzen diese Entwicklung hat, dann glaube ich, dass es wichtig ist, dass sich die Einzelhändler, die einen Kern des Angebots in den Innenstädten und den Zentren ausmachen, überlegen, wie sie dem entkommen wollen. Ein Manager managt sein Einkaufszentrum, indem er dafür sorgt, dass ein Mix von Angeboten da ist, und das kann er dadurch steuern, dass er nicht von jedem dieselbe Miete nimmt, sondern je nachdem, was derjenige umsetzen bzw. verdienen kann, Mieten unterschiedlicher Höhe verlangt. So etwas muss auch in Einkaufsstraßen möglich sein. Die Vermieter müssen sich damit mal auseinandersetzen und sich zusammensetzen. Es ist Einbildung, wenn die Vermieter glauben, sie könnten im Rahmen der Konkurrenz ihrem Nachbarn immer noch den potenteren Mieter wegschnappen. Die Mieten in den Innenstädten werden sinken müssen. Das Angebot muss vielfältiger werden und kann dann auch nicht so stark renditegetrieben sein wie bisher. Das ist wichtig für die Zukunft. Die Vielfalt der Innenstädte ist etwas, worauf wir unser Augenmerk legen müssen. Wir werden nachher bei der Debatte zum Baulandmobilisierungsgesetz unter anderem beschließen, dass wir Klubs zu kulturellen Einrichtungen machen. Wenn wir sagen, dass wir mehr Kultur oder andere Nutzungen in die Stadt bringen und sie damit vielfältiger gestalten wollen, dann sind das Überlegungen, die vielleicht auch für Klubs interessant sind. In der Innenstadt ist der Lärm in der Regel ein nicht so starkes Problem wie in anderen Gebieten, in denen es bisher diese Schwierigkeit gibt. Mir ist insgesamt nicht bange, diese Herausforderung zu bewältigen, wenn wir alle anpacken und jeder seinen Part dazu beiträgt und nicht nur auf seinen eigenen Nutzen schaut. So werden wir lebendige Städte schaffen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,705
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Ulli Nissen, SPD, ist die nächste Rednerin. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,706
228
19
Ulli
Nissen
11,004,363
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir den Stadtentwicklungsbericht der Bundesregierung. Die Städtebauförderung in Deutschland feiert ihren 50. Geburtstag. Gratulation! Seit 1971 unterstützt der Bund Städte und Gemeinden dabei, baulichen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen. Der Bericht 2020 nennt acht zentrale Probleme der Städte, unter anderem den Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die Folgen der Coronakrise und den Klimawandel. Einige Themen davon finden sich auch in den Nachhaltigkeitszielen wieder. Für mich als Frankfurterin ist Mangel an bezahlbarem Wohnraum eng mit den Schicksalen von Menschen verbunden. Gut, dass wir in dieser Legislatur Wohnen zur zentralen Frage unserer Zeit erklärt haben. Wichtig: Der Bund bleibt in der Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau. Die Förderung bleibt auf hohem Niveau; 2020 sind es wieder 1,5 Milliarden Euro. Klar ist: Wir wollen diese Summe deutlich erhöhen. Unsere Maßnahmen im Mietrecht zeigen Wirkung. Die Mieten steigen deutlich geringer. Ein weiteres Kernstück der Wohnraumoffensive ist die Mobilisierung von Bauland; das ist der Hemmschuh beim Wohnungsbau. Ich bin glücklich, dass wir heute, quasi auf den letzten Metern dieser Legislatur, das Baulandmobilisierungsgesetz verabschieden werden. ({0}) Wir stärken die Kommunen beim Vorkaufsrecht von Grundstücken. Diese können künftig preislimitiert zum Verkehrswert ausgeübt werden. Das ist ein echter baupolitischer Meilenstein. Was mich auch sehr freut: Unter anderem wird die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen deutlich erschwert; das ist auch für Frankfurt sehr wichtig. Ein guter Tag für Mieter/‑innen, ein schlechter für Miethaie! Der Bericht nennt als zweite Herausforderung die Folgen der Coronakrise. Die Vitalität und die Vielseitigkeit der Städte müssen erhalten bleiben. Die Folgen von Corona sind in den Städten jetzt schon deutlich sichtbar: Immer mehr Geschäfte und Restaurants geben auf. Wir von der SPD lassen die Betroffenen nicht alleine, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Es gibt von uns ein großartiges Konzept zur Zukunft der Innenstädte. Leider habe ich nicht die Zeit, dieses ausführlich vorzustellen. Für mich ist klar: Die Profiteure der Krise wie Amazon müssen ihren finanziellen Beitrag leisten, um die Folgen der Krise zu bewältigen. Die Folgen für die Städte durch den Klimawandel sind deutlich sichtbar. Die Sommer werden immer heißer. Phänomene wie Starkregen und starke Trockenheit wechseln sich ab. Die Auswirkungen werden immer extremer. Klar ist: Wir brauchen mehr Grün in der Stadt. Dazu gibt es zahlreiche Förderprogramme wie „Zukunft Stadtgrün“. Seit 2020 sind Maßnahmen des Klimaschutzes Querschnittsaufgabe für alle Programme. Es gibt eine wichtige Studie aus dem Masterplan Stadtnatur. Hier wurde Stadtgrün in Kombination mit anderen Dimensionen von Umweltqualitäten im Quartier wie Lärmminderung, Luftreinhaltung und Klimaschutz integriert betrachtet, und Handlungserfordernisse wurden formuliert. Wir sehen: Die Städte stehen vor großen Herausforderungen. Diese müssen bewältigt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({2})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,707
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Michael Kießling, CDU/CSU. ({0})
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,708
228
19
Michael
Kießling
11,004,779
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bund ist ein verlässlicher Partner für Länder und Kommunen. Frau Lay, Ihr Vergleich hinkt etwas. Wir geben den Kommunen 65,2 Milliarden Euro in 2021. Das ist, glaube ich, schon eine hervorragende Leistung, die der Bund den Kommunen gegenüber erbringt. Dafür auch meinen herzlichen Dank an unsere Regierung. Das ist keine Selbstverständlichkeit. ({0}) Mit zahlreichen Förderprogrammen unterstützen wir die nachhaltige Stadtentwicklung, und zwar seit vielen Jahren; so steht es im Stadtentwicklungsplan 2020. Allerdings blickt dieser Bericht vier Jahre zurück, und die Auswirkungen der Pandemie sind nur teilweise erfasst. Jede Stadt hat andere Strukturen und Herausforderungen. Dafür brauchen wir realistische und finanzierbare Ansätze. Einerseits müssen wir unsere Lebenszentren in ihrer bestehenden Form als multifunktionale Orte stärken; denn sie verbinden Sozial- und Arbeitsraum mit Angebot für Wohnen, Kultur und Handel. Das BMI handelt und hat den Beirat Innenstadt eingerichtet, der bis zum Sommer Strategien dazu erarbeiten soll. ({1}) Andererseits müssen wir Orts- und Stadtzentren neu denken. Die Stadt der Zukunft muss die vorhandenen Funktionen in kluger Weise mit neuen und veränderten Formen verknüpfen. Es geht um nachhaltige Stadtentwicklung, um Klima- und Ressourcenschutz, aber auch um Verkehr und Mobilität. Dafür nutzen wir die Digitalisierung. Im Rahmen der Modellprojekte „Smart Cities“ stellen wir in diesem Jahr 300 Millionen Euro zur Verfügung. Warum investieren wir diese Summen? Frau Strack-Zimmermann hat es angesprochen: 45 Prozent der Kommunen haben eine Digitalisierungsstrategie, aber nur 7 Prozent setzen diese um. Das liegt unter anderem an der Hürde der hohen Anschubfinanzierung, und daher denke ich, dass wir uns vermehrt darum kümmern müssen. Es ist richtig, dass wir mit diesem Programm Impulse setzen. Denn mit der Digitalisierung unserer Kommunen vernetzen wir Lebensräume, Arbeitsplätze und können effektiv zur Erhöhung der Lebensqualität beitragen. ({2}) Apropos „Erhöhung“ und damit zu den Anträgen der Grünen: Ihren Wunsch nach Fördermillionen zum Beispiel in der Städtebauförderung kann man durchaus nachvollziehen. Forderungen nach Erhöhungen kann natürlich jeder stellen; aber das muss realistisch und finanzierbar sein und darf nicht einfach dem Gießkannenprinzip folgen. Die grüne Wünsch-dir-was-Politik hängt mir nicht nur heute zum Hals raus. Mein Tipp ist: weniger Ideologie und Umverteilungsgedanken, dafür etwas mehr Realismus und Weitsicht. ({3}) Was gibt uns der vorliegende Bericht nun für einen Auftrag mit? Viele Förderprogramme sind ein Erfolg; deshalb müssen wir diese fortführen. Zusätzlich müssen wir diese an die aktuellen Herausforderungen anpassen. Daran arbeiten wir – um unsere Städte und Gemeinden zu beleben, deren urbane Resilienz zu stärken und eine nachhaltige Entwicklung unserer Lebenszentren zu ermöglichen. ({4})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,709
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Damit schließe ich die Aussprache.
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07
1,060,710
228
19
Elisabeth
Motschmann
11,004,357
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufmerksamkeit möchte ich natürlich bekommen, ist ja klar. – Respektlosigkeit, Hass und Gewalt richten sich nicht nur gegen Politik, Polizei oder Rettungskräfte, sondern inzwischen auch gegen Journalisten. Das ist schlimm, liebe Kolleginnen und Kollegen. So kann und darf es nicht weitergehen! Hierzu vier Punkte: Erstens. Die Demokratie braucht freie Presse. Presse- und Informations- und Meinungsfreiheit sind elementar wichtig für unsere Demokratie. Wir alle sind darauf angewiesen, mithilfe eines verlässlichen und vielfältigen Informationsangebots unsere Meinung bilden zu können. An dieser Stelle können wir uns auch mal bei den Medien in unserem Land bedanken; sie haben es verdient. ({0}) Pressefreiheit ist genauso ein Grundrecht wie zum Beispiel Demonstrationsfreiheit. Pressefreiheit ist die Visitenkarte einer Demokratie. Sie gibt Auskunft über den Zustand eines Landes. Das ist nicht nur bloße Theorie. Im Coronajahr 2020 stieg das Informationsbedürfnis auf ein Rekordniveau. Neun von zehn Personen ab 14 Jahren haben sich täglich im Fernsehen, Radio, online oder in Printmedien über das aktuelle Pandemiegeschehen und seine Auswirkungen informiert. Zweitens. Angriffe auf Journalisten schaden der Pressefreiheit und natürlich auch der Demokratie. In dieser Zeit ist leider auch die Zahl gewaltsamer Angriffe gegen Journalisten gestiegen; das erreicht bei uns gerade eine ganz neue Qualität und Dimension. Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Reporter ohne Grenzen hat 2020 mindestens 65 gewalttätige Angriffe gegen Journalisten gezählt, fünfmal mehr als im Vorjahr. Journalisten berichten uns von Einschüchterungsversuchen auf allen Ebenen, Morddrohungen, körperlichen Angriffen und Attacken in sozialen Medien. Vor allem die Berichterstattung von Demonstrationen gegen Coronamaßnahmen ist für sie zu einer erheblichen Gefahr geworden. Es wird „Lügenpresse“ gebrüllt oder von „Systemmedien“ fabuliert, schlimmer: Sie werden bedroht oder gar tätlich angegriffen. Das ist eine Schande für unser Land! ({2}) In Deutschland ist es zum Glück nicht der Staat, der die Arbeit der Medien einschränkt; es sind Angriffe aus der Mitte der Gesellschaft, von rechts und von links, die die Pressefreiheit bedrohen. Aus Worten werden Taten, aus Hass wird Gewalt. Die Respektlosigkeit beginnt immer mit der Sprache. Als Abgeordnete müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen. ({3}) Tun wir das? Ja, die große Mehrheit des Hauses tut das. ({4}) Meister sprachlicher Entgleisungen und Respektlosigkeit ist die AfD. ({5}) Im letzten Jahr gingen zwei Drittel aller Ordnungsaufrufe, Herr Gauland, auf das Konto der AfD – eine traurige Spitzenreiterposition! ({6}) Gerade gestern haben wir ein wunderbares Beispiel bekommen, wie respektlos Sie mit Kollegen umgehen. Der Kollege Dr. Christian Wirth, AfD, hat gesagt – Zitat –: „Ihr Tourettesyndrom in Ehren, Frau Kollegin; jetzt rede ich“. Wenn das nicht menschenverachtend ist, dann weiß ich nicht, was das ist. ({7}) Von Vorbildfunktion kann bei Ihnen leider keine Rede sein, Frau von Storch. ({8}) – Ja. – Das habe ich bei meiner letzten Rede zum Thema Sprache selbst erfahren. Einer Ihrer Abgeordneten, Uwe Schulz, so berichtet von dem Abgeordneten Jens Brandenburg, der allein es offenbar hören konnte, hat mich als „alte Schrulle“ bezeichnet. Es ist eine Ehre, wenn Sie mich kritisieren, aber das ist wirklich unverschämt! ({9}) Zum einen ist das Altersdiskriminierung und zum anderen Frauendiskriminierung, und dagegen verwahren wir uns in aller Form. ({10}) Dazu vielleicht Charles Reade, ein englischer Schriftsteller aus der Mitte des 19. Jahrhunderts: „Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen“. Drittens. Es besteht also Handlungsbedarf. Meine Fraktion hat im letzten Herbst ein Positionspapier zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten verabschiedet. Darin haben wir die Rolle der Polizei und der Sicherheitsbehörden besonders hervorgehoben. Die Herausforderung ist nicht neu; neu ist aber die Qualität der Angriffe. Daher brauchen wir erstens kontinuierliche Gespräche zwischen den Innenministerien der Länder, der Polizei und den Journalistenverbänden. Zweitens muss die Rolle von Medienvertretern Gegenstand der Polizeiausbildung sein, wie zum Beispiel in Sachsen und Bayern. Und drittens müssen die Sicherheitsbehörden die Angriffe auf Journalisten auch online verfolgen können. Es wird aber auch schon viel getan. Die Polizei schließt Journalisten bei Demonstrationen in die Einsatzkonzepte mit ein. Baden-Württemberg hat vor Kurzem einen Pressekodex für die Polizei eingeführt und dadurch Standards gesetzt. Auch die Branche selbst tut einiges: dpa, mehrere große Tages- und Wochenzeitungen sowie die Journalistengewerkschaften haben einen Schutzkodex für Medienschaffende erarbeitet; schlimm genug, dass das nötig ist. Dadurch bekommen Betroffene bei Dreharbeiten zum Beispiel Personenschutz und Begleitung durch Sicherheitspersonal. Schließlich – viertens – ein Blick auf die internationale Presse. In Deutschland wird die Lage der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen noch als zufriedenstellend bezeichnet – wir wurden leider herabgestuft –; international ist sie schlechter denn je. Ob Belarus, Brasilien, Russland, China oder die Türkei: Kritische Radiosender, Zeitungen oder Onlinemedien werden geschlossen oder auf staatliche Linie gebracht, unabhängige Journalisten inhaftiert und verfolgt. ({11}) Wir erleben es gerade in Russland. Autokratische Regime bedrohen die Pressefreiheit oder schaffen sie ganz ab. Leider geben auch einige Länder der Europäischen Union Grund zur Sorge; ich denke an Ungarn, Polen oder Slowenien. ({12}) Ich komme zum Schluss. Pressefreiheit ist ein hohes Gut unserer Demokratie. Sie zu bewahren, zu schützen und um sie zu kämpfen, ist unsere gemeinsame Pflicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({13})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-07
1,060,711
228
19
Dr. Wolfgang
Schäuble
11,001,938
Martin Renner, AfD, ist der nächste Redner. (Beifall bei der AfD
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https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19228.pdf
Presidium of Parliament
Präsident
2021-05-07