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7Wissenschaft
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"European Extremely Large Telescope" soll in rund acht Jahren in Betrieb gehen. Wien – Die allerersten großen Objekte im Universum – Sterne in Galaxien, die nur 400 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind – sollen mit dem derzeit in Bau befindlichen europäischen Riesenteleskop E-ELT beobachtet werden. Der Vertrag für die Entwicklung des dafür notwendigen Instruments MOSAIC wurde am Freitag in Paris unterzeichnet, teilte die Uni Wien mit. Österreich ist Mitglied im MOSAIC-Konsortium. Die ESO (Europäische Südsternwarte) baut derzeit in der chilenischen Atacama-Wüste das weltgrößte optische Teleskop. Das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit einem Spiegeldurchmesser von 39 Metern soll in rund acht Jahren in Betrieb gehen. Für die Entwicklung der sechs geplanten Instrumente am E-ELT schließt die ESO Verträge mit den jeweiligen wissenschaftlichen Konsortien. Am MOSAIC-Konsortium sind Wissenschafter und Techniker aus Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Deutschland und Brasilien beteiligt, Österreich ist mit anderen Ländern assoziierter Partner. Am Freitag wurde der Vertrag für die Phase-A-Studie zur Errichtung von MOSAIC unterzeichnet. Dabei werden detaillierte Baupläne für die Konstruktion erstellt, ehe eine Strategie für die Bauphase und die Integration in das Großteleskop entwickelt wird. Gleichzeitig werden bereits die astronomischen Anwendungen erarbeitet und die geplanten wissenschaftlichen Projekte in Simulationen erprobt. Bei MOSAIC handelt es sich um einen sogenannten Multiobjekt-Spektrographen. Das Gerät wird bis zu 200 leuchtschwache Objekte gleichzeitig beobachten und ihr Licht in seine einzelnen Wellenlängen zerlegen können. Damit sollen neue Erkenntnisse etwa über extrasolare Planeten, die Chemie von Sternen, das Zentrum der Milchstraße mit seinem Schwarzen Loch, Entstehung und Entwicklung der Galaxien, die Verteilung der Materie im Universum und die Natur von Dunkler Materie und Dunkler Energie gewonnen werden. Der Astrophysiker Bodo Ziegler von der Universität Wien, der im obersten Kontrollgremium des MOSAIC-Konsortium sitzt, will das Instrument nutzen, um die ersten Objekte im Universum zu studieren. Uns interessiert, wie diese ersten Sterne entstehen konnten, warum sie sich gleich zu Hunderttausenden und mehr zu Galaxien gruppierten, wie die chemische Zusammensetzung dieser Sterne aussieht und warum sich diese ersten Strukturen zu immer größeren Galaxien formierten, so Zieglero. In einem weiteren Projekt möchte Ziegler die physikalischen Eigenschaften von Galaxien messen, die in acht bis zwölf Milliarden Lichtjahren Entfernung liegen. Damit sollen physikalische und chemische Prozesse dieser Galaxien besser verstanden werden. MOSAIC ist eines von insgesamt drei wissenschaftlichen Instrumenten des E-ELT mit österreichischer Beteiligung. Joao Alves und Manuel Güdel, ebenfalls vom Institut für Astrophysik der Uni Wien, sind jeweils österreichische Projektleiter, Alves für die MICADO-Kamera, Güdel für das Infrarot-Instrument METIS. Im Rahmen der Hochschulraum-Strukturmittel hat die Uni Wien rund 1,5 Mio. Euro für das Projekt Beobachtungsorientierte Astrophysik in der E-ELT-Ära erhalten, das von Ziegler geleitet wird.
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7Wissenschaft
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Ausstellung "Expanding Worlds" in Darmstadt kann mit Hominidenfossilien aufwarten, die meist im Safe bleiben. Darmstadt – Die am Freitag im Landesmuseum Darmstadt gestartete Ausstellung Expanding Worlds zeigt berühmte Fossilien von Urmenschen aus fünf Weltregionen. Dafür wurden selten gezeigte Überreste von insgesamt zehn Hominidenarten aus dem verzweigten Stammbusch des Menschen zusammengestellt. Die Funde, hauptsächlich Schädel und Unterkiefer, stammen aus Südost-Afrika (Malawi), Südost-Asien (Indonesien), dem Kaukasus (Georgien), der Levante (Israel) sowie Mittel- und Südwest-Europa (Deutschland, Gibraltar). Sie sollen die Evolution des Menschen über einen Zeitraum von mehr als zwei Millionen Jahren nachzeichnen. Das älteste Ausstellungsstück ist ein etwa 2,4 Millionen Jahre alter Unterkiefer. Ein weiteres Highlight sind Skelettreste des allerersten jemals gefundenen Neandertalers – also des 1856 entdeckten Typusexemplars, dem die Spezies ihren Namen verdankt. Die Fossilien liegen normalerweise in Safes von Museen und Forschungseinrichtungen, in Ausstellungen werden meistens nur Abdrücke gezeigt.
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7Wissenschaft
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Sogenannte mitochondriale Autophagozytose kann das Leben von Fadenwürmern verlängern. Düsseldorf – Der gerade einmal einen Millimeter lange Fadenwurm Caenorhabditis elegans gilt als Liebling unter den Alternsforschern, und zwar aus mehreren Gründen: Er ist ein durchsichtiger mehrzelliger Organismus mit einem kurzen Lebenszyklus und einer durchschnittlichen Lebensdauer von 15-20 Tagen. Sein Genom ist vollständig sequenziert und mehr als 60 Prozent seiner Gene haben die gleiche Struktur und Funktion wie menschliche Gene. Vor allem aber finden sich erstaunlicherweise einige mit dem Alter verbundene Merkmale, die im Menschen beobachtet werden, auch in C. elegans wieder. Nun haben Wissenschafter von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf einen Mechanismus identifiziert, der zur Verlängerung der Lebensspanne des kleinen Wurms erheblich beiträgt: Sogenannte mitochondriale Autophagozytose scheint offenbar bei mitochondrialem Stress eine bedeuten Rolle dabei zu spielen, dem Wurm eine längere Existenz zu sichern. Mitochondrien sind allgemein als Kraftwerksorganellen der Zelle bekannt. Sie erfüllen zentrale Funktionen und sind dadurch wichtig für das Gleichgewicht von Zellen und Geweben (Homöostase). In den letzten 10 Jahren wurde beobachtet, dass die moderate Verringerung verschiedener die Mitochondrien regulierender Proteine in unterschiedlichen Organismen von der Hefe bis zum Menschen in Verbindung mit einem Anti-Aging-Effekt steht. Diese Erkenntnis war überraschend, denn diese Proteine sind lebensnotwendig und ein schwerer Mangel kann zu Krankheiten führen. Frataxin ist eines dieser Proteine. Ein schwerer vererbter Mangel an Frataxin führt beim Menschen zu der seltenen und lebensbedrohlichen neurodegenerativen Krankheit Friedreich-Ataxie. Das Fehlen des analogen Proteins führt in C. elegans zu einem Entwicklungsstopp, wohingegen die moderate Verminderung die Lebensspanne des Tieres deutlich verlängert. Die zugrundeliegenden Mechanismen für diesen Anti-Aging-Effekt liegen bisher überwiegend im Dunkeln. Nun haben Wissenschafter um Natascia Ventura erstmals gezeigt, dass Mitophagie, der spezifische Abbau von nicht funktionalen Mitochondrien über Autophagozytose (ein wichtiger zellulärer Recyclingprozess) ursächlich an der Verlängerung der Lebensspanne von C. elegans bei mitochondrialem Stress beteiligt ist. Je mehr wir über diese molekularen Mechanismen wissen, desto besser kann man für die Entwicklung neuer Therapiestrategien für die Behandlung von mitochondrien- und alters-assoziierten Erkrankungen ansetzen. Somit können wir letztendlich Hoffnung auf eine Verlängerung des gesunden Alterns liefern, erklärt Ventura. Die Forscher konnten darüber hinaus zeigen, dass der Mechanismus, mit dem Zellen auf die moderate Verminderung von Frataxin reagieren, dem bei Eisenmangel ähnelt. Eine Reduzierung des Eisenspiegels könnte daher vielleicht eine Möglichkeit darstellen, mitochondriale Störungen zu behandeln und letztlich gesundes Altern zu fördern.
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7Wissenschaft
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Unterirdische Abwasserentsorgung im Zuge des Frackings destabilisiert tiefe Bodenschichten. San Francisco – Erdbeben sind mittlerweile nicht ausschließlich natürliche Phänomene, auch der Eingriff durch den Menschen kann den Untergrund in Bewegung versetzen. Nun warnen US-Wissenschafter, dass derartige Beben in Zukunft zunehmen könnten. Forscher der Bundesbehörde USGS (US Geological Survey) legten am Montag die erste Karte vor, die neben Gefahrenzonen mit natürlichen Erdbeben auch künstliche Erschütterungen einbezieht – etwa durch unterirdische Abwasserentsorgung im Zuge des sogenannten Frackings. Der Studie zufolge sind rund sieben Millionen Menschen in mittleren und östlichen Regionen der USA von stärkeren Erdstößen bedroht, die größtenteils keine natürliche Ursache haben. Durch die erstmalige Einbeziehung menschengemachter Auslöser sei die Risikoeinschätzung für Beben in Teilen der USA deutlich gestiegen, erklärte Mark Petersen, der Leiter der Studie. In Staaten wie Oklahoma, Kansas, Texas und Colorado seien in den vergangenen fünf Jahren stärkere Erschütterungen und daraus resultierende Schäden festgestellt worden. Als Hauptursache für die Beben nennen die Forscher die Entsorgung von Abwässern aus der Öl- und Erdgasförderung in tiefen Bodenschichten. So werden in vielen Teilen der USA große Mengen verschmutzter Abwässer durch hunderte Meter tiefe Bohrlöcher ins Erdinnere gepumpt. Dadurch kommt es zu einer Veränderung der Druckverhältnisse. In den mittleren Vereinigten Staaten wurden nach Angaben der Studie von 1973 bis 2008 im Jahresdurchschnitt 24 Erdbeben der Stärke 3 oder höher gemessen. Diese Zahl sei kontinuierlich angestiegen, auf zuletzt 1010 Beben im Jahr 2015. Der bisher schwerste Erdstoß in der Nähe von Bohrlöchern wurde 2011 im US-Staat Oklahoma mit einer Stärke von 5,6 gemessen.
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6Etat
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Nach Freispruch im "News of the World"-Abhörprozess. London – Rebekah Brooks kehrt – wie berichtet – nach ihrem Rücktritt im Zuge eines Abhörskandals zurück zum britischen Arm des Medienimperiums von Rupert Murdoch. Sie wird News UK leiten, den Herausgeber der großen Zeitungen Sun, Times und Sunday Times, wie der Verlag am Mittwoch mitteilte. Brooks, früher Chefredakteurin der inzwischen eingestellten Skandalzeitung News of the World und der Sun, war beschuldigt worden, von illegalen Abhöraktionen bei Prominenten sowie von Bestechungen von Polizeibeamten und anderen Amtsträgern gewusst zu haben. Betroffen war unter anderem die damalige Freundin und heutige Frau von Prinz William, Kate Middleton. Ein Gericht sprach die 47-Jährige jedoch vor einem Jahr frei.
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2International
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Katumbi will trotzdem bei Präsidentenwahl im November antreten. Goma – Die Staatsanwaltschaft im Kongo hat einen Oppositionskandidaten für die Präsidentenwahl der Rekrutierung von Söldnern angeklagt. Moses Katumbi soll sich am Montag vor Gericht verantworten. Katumbi werde sich den Fragen des Richters in Lubumbashi im Osten des Landes stellen, sagte einer seiner Anwälte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Justiz wirft Moses Katumbi vor, den unrechtmäßigen Aufenthalt ehemaliger Soldaten aus den USA und Südafrika im Land ermöglicht zu haben. Das erklärte Kommunikationsminister Lambert Mende. Katumbis Anwälte erklärten, sie befürchteten ein unfaires Verfahren. Sie hätten daher die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisation informiert, sagte sein Anwalt Georges Kapiamba. Was auch immer passieren wird, ich bleibe bei meiner Kandidatur und stehe fest zu meinem friedlichen Kampf für einen Rechtsstaat, hatte Katumbi nach der Durchsuchung seines Hauses am Donnerstag über Twitter mitgeteilt. Die Demokratie wird gewinnen. Katumbi hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass er bei der Präsidentenwahl im November gegen den Amtsinhaber Joseph Kabila antreten will. Als Einheitskandidat mehrerer Oppositionsgruppen will er sich um das höchste Amt im Staat bewerben.
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8Kultur
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Welche Bücher befinden sich aktuell auf Ihrer Leseliste? Wo lesen Sie gerne, und wem folgen Sie bei Buchempfehlungen?. Vergangene Woche haben wir den Community-Buchklub ins Leben gerufen. Drei Bücher standen für die erste Runde zur Auswahl. Ernest Hemingways Der alte Mann und das Meer hat das Rennen gemacht, und so wird am 15. Oktober über diese Novelle gesprochen. Noch handelt es sich um ein Experiment, aber wir sind schon gespannt wie ein Pfitschipfeil. Bevor der Buchklub startet, wollen wir noch einmal wissen: Womit haben Sie sich in den letzten Wochen beschäftigt? Welche Werke, Artikel und Blogs erscheinen Ihnen empfehlenswert oder diskussionswürdig? Bei welchem Buch kommen Sie einfach nicht voran, welches haben Sie verschlungen? Wann lesen Sie gerne, haben Sie einen Lieblingsort zum Lesen? Wir freuen uns über zahlreiche Postings. Und nicht vergessen, wir sehen uns in zwei Wochen wieder zur ersten Ausgabe des Community-Buchklubs. Bis dahin wünschen wir schöne Lesestunden! (kub, 1.10.2015)
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7Wissenschaft
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Wissenschaft und Religion dürfen nicht miteinander vermischt werden. Leider ist ihre Trennung oft mangelhaft - auch in Österreich. Dürfen Wissenschafter an Gott glauben? Selbstverständlich - warum denn auch nicht? Viele der größten Forscher der Vergangenheit waren gläubig und viele der heutigen Wissenschaftler sind es ebenfalls. Nur eines darf man nicht machen: Wissenschaft und Glauben vermischen. Denn beides passt einfach nicht zusammen. Und es ist auch gar nicht überheblich oder arrogant das zu behaupten. Es sind einfach zwei völlig unterschiedliche Arten, die Welt zu betrachten. Das sagen ja auch schon die Bezeichnungen. In der Wissenschaft geht es ums Wissen und gerade eben nicht darum, irgendwas ohne Beleg zu glauben. Die wissenschaftliche Methode in ihrer Idealform ist extra dafür da, objektive Erkenntnisse über die Welt zu erhalten. Erkenntnisse, die man dann mögen kann oder nicht - aber an die man auf keinen Fall glauben muss. In der Religion dagegen ist es oft ein Zeichen besonders großer Hingabe, wenn man Dinge glaubt, ohne dass hier objektive Belege existieren. Wissenschaft und Glaube passen nicht zusammen und wenn sie zusammen gezwungen werden ist es kein Wunder, wenn es dabei zu Konflikten kommt. Das klassische Beispiel dafür findet man in der Biologie. Spätestens seit Charles Darwin und Alfred Wallace im 19. Jahrhundert die grundlegenden Mechanismen der Evolution erkannt hatten, war klar, dass die biblische Schöpfungsgeschichte eben nur eine Geschichte ist. Eine von vielen Geschichten, die sich die Menschen seit Jahrtausenden über die Entstehung der Welt und ihrer Geschöpfe erzählen, die aber deswegen noch lange nicht real sein muss. Heute ist die Evolution als fundamentale biologische Theorie so gut bestätigt wie kaum eine andere wissenschaftliche Erkenntnis. Trotzdem beharren manche Gläubige weiterhin darauf, dass ihre eigene Schöpfungsgeschichte die einzige wahre Realität sei. Und das wäre ja auch alles nicht weiter tragisch, wenn nicht auch versucht würde, diese private Realität zum Maßstab für die Allgemeinheit zu erheben. Genau das passiert aber, wenn fundamentalistische Christen zum Beispiel fordern, im Schulunterricht die biblische Schöpfungsgeschichte als gleichwertige Alternative zur Evolution zu unterrichten. Unter dem Motto Teach the controversy wird vorgegeben, die Kinder doch selbst entscheiden zu lassen. Als einziger Gegenvorschlag zur wissenschaftlichen Evolution wird von den Fundamentalisten dann aber doch immer nur die Bibel zugelassen. Dabei herrscht wahrlich kein Mangel an Schöpfungsmythen, die man mit der gleichen Begründung ebenfalls als Alternativen zur Evolutionstheorie präsentieren könnte. Da wäre zum Beispiel die altägyptische Kosmogonie von Heliopolis, laut der der Lichtgott Atum sich zuerst selbst erschuf und dann per Masturbation die Luft- und Feuergötter Shu und Tefnut hervorbrachte. Oder die germanische Mythologie, laut der die ganze Welt und ihre Lebewesen aus dem geschlachteten Körper des Riesen Ymir gebildet wurden (die Wolken am Himmel sind übrigens die Reste seines Gehirns und die Erde auf der wir heute leben wurde seltsamerweise aus seinen Augenbrauen erschaffen). Sehr anschaulich ist auch der Schöpfungsmythos der zentralafrikanischen Kuba-Föderation: Der Riese Mbombo erbrach demnach zuerst Sonne, Mond und Sterne und danach die Vorfahren aller Tiere und Menschen. Es fällt leicht, diese speziellen Mythologien ins Lächerliche zu ziehen. Aber sie sind genau so gut - oder besser gesagt genau so schlecht - durch objektive Fakten belegt wie die biblische Schöpfungsgeschichte des Christentums. Es sind Geschichten, die viele verschiedene Zwecke erfüllt haben und immer noch erfüllen - aber definitiv nicht die Realität beschreiben. Und wenn man Schülerinnern und Schülern keine kotzenden Riesen und masturbierenden Götter als Alternative zur wissenschaftlichen Evolution präsentieren will, dann sollte das auch für den Schöpfungsmythos der Christen gelten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob er sich als Intelligent Design tarnt und einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben versucht. Religion und die Geschichten, die sich unsere Vorfahren über die Entstehung der Welt und ihrer Lebewesen ausgedacht haben, sollen durchaus ihren Platz im Lehrplan der Schulen haben. Aber es handelt sich dabei eben nicht um Wissenschaft und sie haben daher auch nichts im naturwissenschaftlichen Unterricht zu suchen. In Österreich ist die Lage vielleicht auf den ersten Blick nicht ganz so dramatisch wie in den USA, wo die Kreationisten massive (und leider oft auch erfolgreiche) Lobbyarbeit für die Verbreitung ihre Lehre in den Schulen leisten. In Louisiana sollten Kinder beispielsweise bei einer naturwissenschaftlichen Prüfungsfrage, folgenden Satz vervollständigen: Ist es nicht großartig, was ___ erschaffen hat!. Aber auch hierzulande ist die Trennung zwischen Religion und Wissenschaft nicht so weit fortgeschritten, wie man es sich als rationaler Mensch wünschen würde. In einer Studie aus dem Jahr 2010 haben der Biologe Erich Eder, der Psychologe Andreas Hergovich und ihre Kollegen über 2.000 Schülerinnen und Schüler in weiterführenden Schulen in Wien nach ihren Vorstellungen zu Kreationismus und Intelligent Design befragt. Der kreationistischen Aussage Gott hat das Leben auf der Erde und alle Arten so erschaffen, wie es in der Bibel steht stimmten immerhin 28 Prozent zu und nur 53 Prozent lehnten sie ab. Bei der Aussage Das Leben auf der Erde wurde von einem höheren Wesen erschaffen und hat seitdem einen langen Entwicklungsprozess durchlaufen, der von diesem höheren Wesen gesteuert wird, die die Grundthese des Intelligent Design zusammenfasst, war die Zustimmung mit 34 Prozent noch höher und hier waren diejenigen, die sie ablehnten, mit 42 Prozent sogar in der Minderheit. Die Ursachen für die Verbreitung dieser unwissenschaftlichen Einstellungen bei den Schülerinnern und Schülern sehen Eder und seine Kollegen übrigens vorrangig bei der Beeinflussung durch die Eltern der Jugendlichen. Die Religion hat in Österreich glücklicherweise noch keinen Eingang in den Lehrplan des Biologieunterrichts gefunden. Eder und seine Mitarbeiter merken aber auch an, dass die fundamentale Bedeutung der Evolution durchaus noch besser vermittelt werden könnte. Wissenschaft und Religion vertragen sich nicht. Und das bedeutet nicht, dass das eine besser wäre als das andere. Sondern nur, dass man das eine nicht mit dem anderen verwechseln darf. Wissenschaft ist Wissenschaft und soll entsprechend vermittelt werden. Und Religion sollte Privatsache sein, auch und vor allem in den Schulen. Aber dort hängen meistens immer noch die Kreuze der Christen - denn wie sagte der ehemalige Vizekanzler Josef Pröll: Wenn der Staat religiöse Symbole verbannt, ist er nicht neutral, sondern nimmt Partei für den Atheismus. Und wenn der fehlende Anblick von Kreuzen schon als atheistische Propaganda interpretiert wird, dann fehlt nicht mehr viel, um im Sinne der Religionsfreiheit auch Kreationismus in den Biologieunterricht zu reklamieren...
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7Wissenschaft
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Schon in der Steinzeit achteten Menschen ihre Hunde – und bestatteten sie sogar mit Grabbeigaben, wie 8000 Jahre alte Funde aus Sibirien zeigen. Edmonton – Die Beziehung zwischen Menschen und Hunden ist einzigartig – und uralt. Über ihren genauen Anfang wird nach wie vor gestritten: Einige genetische Studien der vergangenen Jahre deuten auf eine Domestizierung vor bereits 40.000 Jahren hin, andere kommen zu einem deutlich späteren Zeitpunkt. Doch wie lange es auch her sein mag, dass Zwei- und Vierbeiner Freunde wurden, ihr Verhältnis nahm im Lauf der Zeit immer bemerkenswertere Züge an. Moderne Hunde folgen etwa dem Blick ihrer Besitzer, suchen deren Aufmerksamkeit per Augenkontakt und können sogar Emotionen an Gesichtern ablesen, wie Biologen herausfanden. Aber auch auf menschlicher Seite gibt es erstaunliche Verhaltensweisen, so behandeln etwa nicht wenige Hundehalter ihre Tiere annähernd wie ihresgleichen. Dass es sich dabei aber um kein ausschließlich zeitgenössisches Phänomen handelt, berichten nun Forscher um Robert Losey (University of Alberta) in einer Aussendung: Bei Ausgrabungen am Baikalsee in Russland stießen sie auf steinzeitliche Überreste von Hunden – in Grabstätten von Menschen. Genauere Untersuchungen bestätigten, dass manchen Tieren schon vor 8000 Jahren eine ausgesprochen menschliche Behandlung zuteilwurde. Sie wurden auf Friedhöfen (mitunter gleich gemeinsam mit ihren Besitzern) begraben und erhielten sogar Grabschmuck und Beigaben. Die Hunde wurden nach ihrem Tod wie Menschen behandelt, sagt Losey. Sie seien vorsichtig in Gräber gelegt worden, manchmal mit dekorierten Halsbändern oder zusammen mit Gegenständen wie etwa Löffeln. All das deute darauf hin, dass den Tieren genau wie Menschen ein Leben nach dem Tod zugesprochen wurde. Chemische Analysen der Knochen zeigten wiederum, dass die steinzeitlichen Hunde auch die gleiche Nahrung erhielten wie ihre Besitzer. Nach Ansicht der Forscher bestätigen diese Funde ein weiteres Mal den beispiellosen Platz, den Hunde in der Geschichte des Menschen einnehmen. Man findet weltweit mehr prähistorische Gräber von Hunden als von irgendeinem anderen Tier, selbst von Katzen oder Pferden, so Losey. Doch natürlich ist die Geschichte dieser zwischenartlichen Beziehung keine der gegenseitigen Zuneigung und Versorgung allein: Auch die Hunde vom Baikalsee wurden in erster Linie für tägliche, harte Arbeit eingesetzt, viele davon dürften Vorläufer von Schlittenhunden gewesen sein, wie Reste von Geschirr und Leinen andeuten. Und immer wieder wurden Hunde auch gänzlich anders genutzt – nämlich als Nahrung ihrer Besitzer.
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2International
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Dos Santos kündigt nach fast 40 Jahren an der Macht Rückzug an. Luanda – Nach knapp vier Jahrzehnten an der Macht will sich Angolas Präsident José Eduardo Dos Santos von der Macht trennen. Ich habe entschieden, das politische Leben 2018 zu verlassen, sagte der 73-Jährige am Freitag auf einem Kongress seiner Partei MPLA. Dos Santos herrscht schon seit 1979 in dem südwestafrikanischen Land. Seine aktuelle Amtszeit läuft eigentlich im kommenden Jahr aus. Warum er seinen Rückzug für 2018 ankündigte, blieb am Freitag zunächst ungeklärt. Angola verfügt über große Ölreserven. Wegen des Preisverfalls auf den internationalen Märkten steckt das Land derzeit in einer Wirtschaftskrise.
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7Wissenschaft
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In der Nacht auf Dienstag hat es geklappt: Sentinel-1B hob vom Weltraumbahnhof Kourou ab. Kourou/Darmstadt – Nach mehrmaliger Startverschiebung hat die Europäische Weltraumorganisation ESA den Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-1B nun endlich ins All geschickt. Er hob in der Nacht auf Dienstag an Bord einer Sojus-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ab. Der 2,3 Tonnen schwere Satellit ist Teil des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus. Das Programm verfolgt das Ziel, den Zustand der Erde kontinuierlich zu erfassen und Fernerkundungsdaten über Ozeane, Landflächen, Atmosphäre und Klimawandel zu sammeln. Sentinel-1B ergänzt als den bereits gestarteten baugleichen Satellit Sentinel-1A, mit dem Copernicus im April 2014 startete. Bereits im All befinden sich zudem Sentinel-2A und Sentinel-3A. Im Laufe des Jahres sollen noch zwei weitere Satelliten starten, der vorerst letzte Start ist für 2020 geplant. Der Start von Sentinel-1B war ursprünglich für Freitagabend angesetzt gewesen. Er musste aber wegen zu starken Windes abgesagt werden – wie auch der zunächst für Samstag geplante Ersatztermin. Auch am Sonntag wurde der Countdown abgeblasen, nachdem es bei der Rakete technische Probleme gegeben hatte.
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6Etat
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Journalisten begrüßen Entscheidung. Harare – Das Verfassungsgericht in Simbabwe hat mit der Annullierung eines umstrittenen Gesetzes die Pressefreiheit in dem Land im südlichen Afrika gestärkt. Nach dem Urteil der neun Richter in Harare sollen Journalisten nun nicht mehr wegen übler Nachrede strafrechtlich verfolgt werden können. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Meinungsfreiheit in Simbabwe, erklärte das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) am Mittwochabend. Die Regierung hat die Kriminalisierung übler Nachrede zu oft als Maulkorb für unabhängige Journalisten eingesetzt, sagte der CPJ-Direktor Robert Mahoney. Die Klage war von vier betroffenen örtlichen Journalisten und vom Medieninstitut für das Südliche Afrika (MISA) eingereicht worden. Die Organisation begrüßte das Urteil vom Mittwoch und betonte, dass es in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz für eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit gebe. Der Kampf gehe weiter. Simbabwe rangiert auf dem Index für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von 180 beobachteten Ländern auf Platz 131. Der Organisation zufolge werden Journalisten und Medienhäuser dort regelmäßig eingeschüchtert.
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7Wissenschaft
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Nur 13- bis 14-mal im Jahrhundert schiebt sich Merkur direkt zwischen Erde und Sonne. Wien – Mit dem Merkurtransit ereignete sich am Montag ab 13.12 Uhr das interessanteste Himmelsereignis des Jahres. Der Merkur, der innerste und kleinste Planet des Sonnensystems, zog von der Erde aus gesehen direkt vor der Sonne vorbei. Das seltene Schauspiel war in Österreich – wegen des guten Wetters – fast in voller Länge zu beobachten. Der Merkurdurchgang hat um 13.12 Uhr (in Wien) begonnen und endete um 20.44 Uhr. In diesen rund 7,5 Stunden zog der Planet als kleiner schwarzer Punkt langsam über die Sonnenscheibe. Merkur benötigt nur 88 Tage, um einmal um die Sonne zu kreisen. Etwa alle 116 Tage stehen Erde, Merkur und Sonne in einer Linie. Da die Merkurbahn aber gegenüber jener der Erde um sieben Grad geneigt ist, wandert er dabei meistens nördlich oder südlich der Sonne vorbei. Nur 13- bis 14-mal pro Jahrhundert geht es sich aus, dass Merkur direkt zwischen Erde und Sonne steht – und zwar immer im Mai oder November. Der letzte von Mitteleuropa aus sichtbare Merkurtransit war 2003, den nächsten gibt es am 11. November 2019. Deutlich seltener als Merkur- sind Venusdurchgänge – zuletzt faszinierten diese in den Jahren 2004 und 2012 viele Beobachter. Allerdings ist Merkur nur ein Drittel so groß, aber doppelt so weit von der Erde entfernt wie die Venus, deren Transit bereits an der Wahrnehmbarkeitsgrenze des menschlichen Auges lag, erklärte Alexander Pikhard von der Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie (WAA). Für die Beobachtung des Merkurtransits ist daher ein Feldstecher mit einer mindestens 30-fachen Vergrößerung oder ein Teleskop inklusive spezieller Sonnenfilter notwendig. Denn Merkur misst von der Erde aus gesehen nur ein 158stel des Durchmessers der Sonnenscheibe. Das ist mit freiem Auge nicht wahrnehmbar, so Pikhard. Auf jeden Fall müssen bei der Beobachtung spezielle Sonnenfilter verwendet werden, die im astronomischen Fachhandel erhältlich sind, betonte der Experte. Andernfalls würden schwerste Augenschäden bis zur Erblindung drohen. In Österreich fanden zahlreiche Veranstaltungen statt, wo man den Transit unter fachkundiger Anleitung und der notwendigen Ausrüstung beobachten konnte. In Wien lud etwa die WAA zur öffentlichen Beobachtung auf die Sofienalpe in Wien-Penzing, der Verein Kuffner-Sternwarte in den Augarten beim gleichnamigen Café-Restaurant und das Astronomische Büro Wien ins Freiluftplanetarium Sterngarten am Georgenberg bei der Wotrubakirche in Wien-Liesing. In Graz wurden beim Hauptgebäude der Uni Graz Beobachtungen mit Sonnenteleskopen und im Foyer des Hauptgebäudes ein Livestream vom Sonnenobservatorium auf der Kanzelhöhe geboten. In Linz bot die Linzer Astronomische Gemeinschaft Sonderführungen an der Johannes-Kepler-Sternwarte. In Klagenfurt konnte man an der Sternwarte das Ereignis beobachten, im Salzkammergut an der Sternwarte Gahberg. Nach Angaben des Vereins Kuffner-Sternwarte hat Johannes Kepler erstmals 1629 einen Merkurtransit berechnet, und zwar für den 7. November 1631. Wegen ungünstigen Wetters konnten nur vier Personen das Ereignis beobachten, darunter auch der Schweizer Johann Baptist Cysat, der den Durchgang in Innsbruck mitverfolgte. Die Beobachtungen des Merkurdurchgangs lieferten wichtige Informationen zur damals noch recht ungenau bestimmten Merkurbahn.
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7Wissenschaft
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So lautet zumindest der Befund einer aktuellen Studie, die Aussterberaten verglich. Ohne massives Gegensteuern werde die Erde Millionen Jahre zur Erholung brauchen. Miami – Die Erdgeschichte lässt sich nicht weniger an Ereignissen festmachen, die massenhaften Tod mit sich brachten, als die menschliche Historie. Die einzelnen Erdzeitalter werden vor allem aufgrund starker biologischer Veränderungen voneinander unterschieden. Damit sich aber die charakteristische Flora und Fauna einer Ära entwickeln konnte, musste erst die der vorangegangenen Epoche weichen. Oft geschah dies aufgrund katastrophaler Ereignisse, die binnen relativ kurzer Zeit eine längere Phase der Stabilität beendeten. In der Geschichte des Lebens gibt es eine lange Reihe von Massenaussterbeereignissen auf regionaler oder sogar globaler Ebene. Fünf davon hatten jedoch so drastische Auswirkungen, dass sie traditionell über alle anderen gestellt werden: Das bekannteste vor knapp 66 Millionen Jahren, das alle Dinosaurier mit Ausnahme der Vögel dahinraffte. Und das war noch vergleichsweise milde angesichts des größten der fünf Ereignisse: Nämlich vor 252 Millionen Jahren, als schätzungsweise 90 bis 96 Prozent aller Spezies ausstarben. Weitere Katastrophen von beinahe gleicher Größe ereigneten sich vor 440 bis 450 Millionen Jahren, vor 375 bis 360 Millionen Jahren und vor etwa 201 Millionen Jahren. Aus dem Fossilienbefund rechnen Paläontologen vor, dass dabei jeweils zwischen 60 und 75 Prozent der damaligen Spezies ausstarben. Insofern ist es starker Tobak, wenn eine Studie nun zum Befund kommt, dass das sechste große Massenaussterben begonnen habe. Wissenschafter der drei US-Universitäten Princeton, Stanford und Berkeley sowie der Universidad Nacional Autonoma de Mexico berichten in der Zeitschrift Science Advances, dass in unserer Gegenwart die Arten etwa hundert Mal schneller aussterben als in früheren Phasen. Die Big Five liefen nicht nur unterschiedlich schnell ab, sie hatten auch verschiedene Ursachen. Und nicht bei allen herrscht in der Wissenschaft Einigkeit darüber, was der Auslöser war: Ob Asteroideneinschlag, erhöhte vulkanische Aktivität, Klimawandel oder Versauerung der Ozeane – oder ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Das für die Gegenwart postulierte Massenaussterben lasse sich hingegen auf einen eindeutigen Faktor zurückführen: menschliche Aktivität und deren Folgen. Für ihre Analyse werteten die Forscher um Gerardo Ceballos von der Universidad Nacional Autonoma de Mexico das Aussterben von Wirbeltier-Arten aus, die Befunde können dabei allerdings nur grobe Schätzwerte sein. In früheren Phasen starben ihren Erkenntnissen nach pro Jahrhundert zwei von 10.000 Wirbeltierarten aus. Die Rate im zurückliegenden Jahrhundert war bis zu 114 Mal höher, als sie es ohne menschliche Aktivität gewesen wäre, heißt es in der Studie. Und dies selbst, wenn die zurückhaltendsten Schätzungen zugrunde gelegt würden. Es gebe keine relevanten Zweifel daran, dass wir in eine sechste große Welle des Massenaussterbens eintreten, sagte Co-Autor Paul Ehrlich von der Stanford University. Ceballos ergänzt, dass dies auch die Spezies Mensch betreffen werde – und zwar zu einem eher frühen Zeitpunkt inmitten der allgemeinen Aussterbewelle. Die Gründe für das beschleunigte Artensterben liegen der Studie zufolge unter anderem in der vom Menschen ausgelösten Klimaerwärmung, in der Umweltverschmutzung und in großmaßstäblicher Waldrodung. Nach Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN sind 41 Prozent aller Amphibien-Arten und 26 Prozent aller Säugetier-Arten vom Aussterben bedroht. Es gibt Beispiele für Arten auf der ganzen Erde, bei denen es sich praktisch um wandelnde Leichen handelt, so Ehrlich. Die Autoren verbinden ihre Befunde mit einem eindringlichen Appell: Die Menschheit müsse ihre Bemühungen zum Erhalt bedrohter Arten schnell erheblich verstärken. Insbesondere müssten der Verlust des natürlichen Lebensraums, die Ausbeutung der Natur und der Klimawandel angegangen werden. Ohne Gegensteuern würde es Millionen Jahre dauern, bis sich unser Planet erhole, sagt Ceballo.
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7Wissenschaft
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Funde kamen bei Bauarbeiten ans Licht und sind 13.000 Jahre alt. Mexiko-Stadt – Mexikanische Archäologen haben die Überreste eines nach ersten Schätzungen 13.000 Jahre alten Mammuts freigelegt. Die Knochen seien bereits im Dezember in Tultepec nördlich von Mexiko-Stadt während Bauarbeiten an einem Abwasserkanal entdeckt worden, wie das mexikanische Archäologie-Institut INAH mitteilte. Es könnte sich dabei um ein Präriemammut (Mammuthus columbi) gehandelt haben, das weiter südlich als sein bekannterer Vetter, das Wollhaarmammut, lebte. Präriemammuts wurden noch größer als Wollhaarmammuts und zählten mit bis zu vier Metern Höhe zu den größten Rüsseltieren, die es je gegeben hat. Ob sie ebenfalls ein – möglicherweise weniger dichtes – Fell hatten, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Bisher sind in Tultepec innerhalb von drei Wochen etwa 60 Knochenstücke gefunden worden. Die Forscher vermuten, das Tier sei zum Zeitpunkt seines Todes zwischen 20 und 25 Jahre alt und etwa drei Meter hoch gewesen. Das Mammut sei damals wahrscheinlich nach seinem Tod von Menschen zerstückelt worden.
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4Sport
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Tabellenletzter WAC gewann unter Trainer Kühbauer alle drei Heimspiele gegen den Meister. Salzburg/Wolfsberg – Fußball-Bundesliga-Schlusslicht WAC empfängt am Samstagabend (18.30 Uhr) Titelverteidiger Red Bull Salzburg, der zuletzt 14 Punkte aus sechs Spielen geholt und sich damit auf Platz fünf vorgearbeitet hat. Gegen die Wolfsberger soll dieser Aufwärtstrend fortgesetzt und eine Negativserie beendet werden: Der Meister verlor die jüngsten drei Auswärtsmatches beim WAC. Die Ausbeute aus den letzten sechs Spielen ist gut. Wenn wir das beibehalten, sind wir am Schluss vorne, erklärte Salzburg-Trainer Peter Zeidler vor der Partie in der Lavanttal-Arena. Gleichzeitig erinnerte er aber auch an die schwache Vorstellung in der ersten Hälfte beim jüngsten 4:2-Heimsieg im Derby gegen Grödig. Es geht nicht nur um die Punkte, sondern auch darum, wie wir spielen. Und da haben wir gegen Grödig gesehen, dass wir einiges besser machen müssen, betonte der Deutsche. Wir haben in dieser Woche im Training einen klaren Schwerpunkt auf das gemeinsame Defensivverhalten gelegt, wie wir uns gemeinsam die Bälle holen. Dass der WAC in den ersten acht Liga-Partien nur einen Sieg und ein Remis geschafft hat, wollte Zeidler nicht überbewertet wissen. Wolfsberg ist immer gefährlich. Vor ein paar Wochen haben sie noch ein großes Spiel gegen Dortmund geliefert. Wir sind immer noch in der Anfangsphase der Meisterschaft, deshalb sollte man beim Blick auf die Tabelle zurückhaltend sein, meinte der Salzburg-Coach, der die Wolfsberger zuletzt beim 0:1 auswärts gegen Tabellenführer Admira beobachten ließ. Da hätten sie gewinnen können. Für Zeidler ist übrigens Rapid immer noch erster Anwärter auf den Titel. Es war überraschend, dass sie jetzt in der Liga zweimal verloren haben, aber es zeigt, dass es keinen Durchmarsch von Rapid geben wird, sagte der 53-Jährige, der an den Titelrivalen so schnell wie möglich rankommen will. Vor dem Abschluss des ersten Saisonviertels trennen die Bullen noch zwei Zähler von den Hütteldorfern, die einen Punkt hinter der Admira – am Sonntag im Schlager zu Gast bei Rapid – Zweiter sind. Beim WAC hatte man zuletzt wenig zu lachen. Die Zeit des Schönredens ist vorbei. Wir müssen kämpfen, beißen und kratzen, forderte Abwehrspieler Michael Sollbauer vor dem schweren Heimspiel gegen die Salzburger, die nach dem frühen Europacup-Aus nun zum dritten Mal in Folge das Double holen wollen. Wir wissen, dass wir nicht ans Tabellenende gehören und wollen dort wieder weg. Sein Trainer Dietmar Kühbauer, in dessen Ära der WAC alle drei Heimspiele gegen die Bullen gewonnen hat, sprach indes von einer dankbaren Aufgabe, denn Salzburg ist immer Favorit. Wir können nichts verlieren. Wenn man überrascht, dann ist es wunderbar, wenn nicht, hat jeder damit gerechnet. Natürlich wollen wir gegen Salzburg anschreiben, aber das wird sehr schwer. Es muss alles funktionieren, um Salzburg in die Knie zu zwingen. Bei den Kärntnern haperte es zuletzt vor allem im Abschluss, die jüngsten drei Matches gingen allesamt zu null verloren. In insgesamt sechs der acht Meisterschaftsspiele schoss der WAC kein Tor. Unser Problem ist der Abschluss. Wir müssen vor dem Tor konsequenter und kaltschnäuziger werden, denn gegen Salzburg werden wir nicht im Minutentakt zu Chancen kommen, betonte Kühbauer. Dass seine Stürmer seit Saisonbeginn nicht so richtig in Fahrt kommen, sei in erster Linie eine Kopfsache. Denn den Stress vor dem Tor kannst du nicht trainieren, erklärte der WAC-Coach, der bis November auf Mittelfeldspieler Manuel Seidl verzichten muss. Der 26-Jährige erlitt im Match gegen die Admira einen doppelten Bänderriss im linken Knöchel. (APA, 18.9.2015) RZ Pellets WAC – FC Red Bull Salzburg (Samstag, 18.30 Uhr, Wolfsberg, Lavanttal-Arena, SR Lechner). Saisonergebnisse 2014/15: 1:0 (h), 2:2 (a), 3:2 (h), 0:3 (a) WAC: A. Kofler – Standfest, Rnic, Drescher, Palla – Putsche, Tschernegg – Zündel, Silvio, Jacobo – Hellquist Ersatz: Dobnik – Baldauf, Kobleder, Berger, Hüttenbrenner, Sollbauer, Wernitznig, Schmerböck, Ouedraogo Es fehlen: Trdina (Kreuzbandriss), Seidl (doppelter Bänderriss im linken Knöchel), M. Weber (Probleme im Rumpfbereich) Salzburg: Walke – Lainer, Schmitz, Caleta-Car, Ulmer – Lazaro, Keita, Berisha, Minamino – Nielsen, Soriano Ersatz: C. Stankovic – Miranda, Sörensen, Schwegler, Atanga, Oberlin, Mukhtar, Prevljak Fraglich: Pehlivan (Oberschenkelprobleme) Es fehlen: Leitgeb, Hinteregger, Yabo, Reyna (alle Knieverletzungen), Damari (Trainingsrückstand nach Verletzung), Airton (Oberschenkelprobleme)
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2International
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Auch wenn sie nicht Präsidentin sein darf, wird sie die Geschicke Burmas lenken, sagt Südostasien-Expertin Katrin Bannach. STANDARD: Das Mehrheitswahlrecht und die starke Rolle der Armee, der ein Viertel der Parlamentssitze zustehen, machen klare Aussagen über das Endergebnis der Parlamentswahl in Burma schwierig. Kann Aung San Suu Kyi die Wahl noch verlieren? Bannach: Das ist tatsächlich möglich, weil die Nationale Liga für Demokratie (NLD) zwei Drittel der Stimmen gewinnen muss, um die Mehrheit zu erlangen. Bis dato sind aber nur die Ergebnisse aus dem Zentrum des Landes bekannt, wo alle mit einem Wahlsieg der NLD gerechnet haben. Es wird sich noch herausstellen, wie die Gebiete der ethnischen Minderheiten wählen, die alle jeweils eigene Parteien haben. Aus manchen Gebieten dauert es mindestens eine Woche, bis die Wahlergebnisse überhaupt in die Hauptstadt transportiert sind. Wenn die NLD im Zentrum nicht einen haushohen Sieg davonträgt, sondern bei 70 Prozent stehen bleibt, kann sich das noch einmal ändern. STANDARD: Präsidentin darf die Friedensnobelpreisträgerin ohnehin nicht werden. Wie will sie dann regieren? Bannach: Viele Beobachter hier in Burma meinen, sie würde sich ein neues Amt schaffen wollen, was die Verfassung aber nicht zulässt. Ganz konkret wird es heißen, dass sie einen Präsidenten einsetzt, den sie im Tagesgeschäft entsprechend briefen wird, damit er die Geschicke des Landes in ihrem Sinne führt. STANDARD: Gibt es schon Kandidaten? Bannach: Nein, Suu Kyi hat sich in dieser Frage stets bedeckt gehalten. In der Hauptstadt kursieren die Namen einiger Geschäftsfrauen, die sich in der NLD engagiert haben, die man aber kaum kennt. Klar ist, dass der nächste Präsident eine relativ schwache Position haben wird, weil Suu Kyi schon deutlich gemacht hat, dass eigentlich sie das Land führen wird. Zudem hat sie in den vergangenen Jahren niemanden neben sich wirklich groß werden lassen. STANDARD: Was wird sich ändern, wenn Suu Kyi oder einer ihrer Vertreter aus der NLD an der Macht ist? Bannach: Das oberste Gebot, das sich die Partei auf die Fahne geschrieben hat, ist Rechtsstaatlichkeit. Die Menschen im Alltag, aber auch die Wirtschaft brauchen dringend verlässliche Regeln, an die man sich halten kann, weil sonst nur zählt, wen man kennt. Das Vertrauen in die Behörden und die Regierung ist gering, viele fühlen sich betrogen, hintergangen. Die Menschen erwarten sich von Suu Kyi aber auch mehr Jobs und bessere Bildung. Kurz gesagt sind die Erwartungen sehr hoch, und sie werden sehr schwierig zu erfüllen sein. STANDARD: Wird die Armee einen Sieg Suu Kyis akzeptieren? Bannach: Die Signale waren jüngst sehr positiv. Der Oberbefehlshaber hat immer wieder betont, dass er auch einen Sieg der NLD akzeptieren würde. Das Militär hat diese Wahl schließlich erst zugelassen, obwohl es im Vorfeld genügend Gründe gehabt hätte, sie zu verschieben, etwa wegen der Flutkatastrophe. Egal wie die Wahl ausgeht, wird die Armee das Land weiterhin nachhaltig politisch beeinflussen können. Laut Verfassung hat die Armee noch immer eine sehr starke Vetomacht im Parlament und besetzt die wichtigsten Ministerien, nämlich das Grenz-, das Innen- und das Außenministerium. Der mächtige Sicherheitsrat kann außerdem die Verfassung jederzeit wieder außer Kraft setzen. Die Hoffnung ist nun, dass die Armee sich auf diese Sicherheiten zurückzieht. Es gibt aber noch immer Grenzen, so wurden kürzlich kritische Studentenführer auf offener Straße verhaftet. STANDARD: Ethnische Rebellengruppen bekämpfen die Zentralregierung seit Jahrzehnten. Wie könnte es unter einer neuen Regierung mit den Friedensverhandlungen weitergehen? Bannach: Das Hauptprojekt des amtierenden Präsidenten Thein Sein war die Unterzeichnung eines nationalen Friedensabkommens, was ihm nur mittelmäßig gelungen ist, weil es nur von acht der 16 anerkannten Bevölkerungsgruppen getragen wird. Zudem ist es ein sehr schwaches Abkommen, das den Namen kaum verdient. Ein Grund für die Zurückhaltung mancher Gruppen ist wohl, dass man die neue Regierung abwarten will. Wenn jetzt Suu Kyi tatsächlich über die Regierung bestimmt, wird das für Unruhe sorgen, weil erstens das Vertrauen komplett neu aufgebaut werden muss und zweitens das Militär eingebunden werden muss, was der neuen Regierung schwerer fallen wird als der alten, die armeenah war. Indem der nationale Vertrag jetzt nicht unterzeichnet wurde, hat man eine Riesenchance verpasst. Die Zeichen für Frieden standen vor der Wahl so gut, wie es danach eigentlich nicht mehr sein kann. Ein möglicherweise schwacher Präsident unter Suu Kyi wird nicht die notwendigen Kontakte haben. Und eine neue Regierung dürfte nicht das Mandat zur Lösung der essenziellen Fragen über eine neue dezentrale Staatsstruktur haben. STANDARD: Wie steht es um das Verhältnis von Buddhisten und Muslimen, das in der Vergangenheit sehr angespannt war? Bannach: Einige radikalisierte Mönche haben im Wahlkampf starken Einfluss auf die Politik und die Gesetzgebung genommen. Ihre Organisation Ma Ba Tha wird das Land nachhaltig verändern. Selbst wenn die Wahl eine Partei an die Macht bringt, die diesen Leuten kritisch gegenübersteht, wird es schwer sein, diesen Geist wieder zurück in die Flasche zu verfrachten. Konkret hat sich keine Partei getraut, muslimische Kandidaten aufzustellen. Unter der alten Regierung hatten Muslime hingegen noch politische Vertreter. STANDARD: Wie wird sich der Einfluss Chinas auf das weit kleinere Burma entwickeln, wenn dort eine neue Regierung an die Macht gelangt? Bannach: Burma ist nicht der Vasall Pekings, als der es im Westen oft dargestellt wird. Natürlich hat das Regime während der westlichen Sanktionen in den 90er-Jahren China die Tür geöffnet, weil es der einzige Partner war, mit dem Burma große Projekte durchführen konnte. Einerseits ist Chinas Einfluss in den vergangenen zwanzig Jahren in allen Bereichen stark gestiegen, andererseits ist auch das Ressentiment der Bevölkerung gegenüber den manchmal rabiat agierenden Chinesen stark gewachsen. Es wird gemunkelt, dass die Öffnung der Regierung gegenüber dem Westen auch dem Wunsch entspringt, sich aus der chinesischen Einflusssphäre hinauszubewegen.
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6Etat
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Strache will weltoffen sein, atmete man in dem Blatt, dessen Weltoffenheit auf jeder Seite sprichwörtlich ist, auf. Von der Kronen Zeitung angehimmelt zu werden hat auf Dauer noch keinem gutgetan, der sein Glück in der Politik versuchte und dabei auf der Blattlinie wandelte. Am längsten hat noch Jörg Haider als Ziehsohn des alten Dichand durchgehalten, aber weder Hans-Peter Martin noch Frank Stronach konnten letztlich die Erwartungen erfüllen, die da in sie gesetzt worden waren. Aber sie sind wenigstens noch am Leben, wenn stimmt, was man von ihnen hört. Grund genug, sich Sorgen um Strache zu machen. Nicht nur, dass habituelle Ausländerfeindlichkeit allmählich ihre Spuren in seinem Antlitz hinterlässt, sollte es nicht das Alter sein – (nicht erst) jetzt muss er erdulden, dass die Krone auch an ihm einen Narren gefressen hat. Strache will weltoffen sein, atmete man in dem Blatt, dessen Weltoffenheit auf jeder Seite sprichwörtlich ist, Dienstag nach dessen Sommergespräch mit einem ORF-Redakteur auf. Mehrmals betonte Strache, dass er weltoffen sei, ebenso wie die Stadt, deren Bürgermeister er werden will. Diese Betonung der Weltoffenheit war offenbar erforderlich, weil er mit derlei in der Stadt, deren Bürgermeister er werden will, bisher eher nicht aufgefallen ist. Sollten nachlesende Anhänger damit verschreckt worden sein, kam die Beruhigung umgehend: Doch die Aussagen zu Asyl und Migranten waren dann doch die alt bekannten, und die würde nicht einmal ein Kickl in Weltoffenheit drehen. Nein, und Heinz-Christian Strache gab sich betont gut gelaunt, gelassen und ruhig. In der Nachbehandlung des Ereignisses durch einen Innenpolitiker des Blattes am Donnerstag war von alldem nicht mehr die Rede, vor allem der Ausrutscher mit der Weltoffenheit war getilgt. Wie er, Strache, – gut vorbereitet – den Fragesteller mit Wortkaskaden überfällt, grenzt an Unfairness. Nichts mehr von gut gelaunt, gelassen und ruhig, aber dafür umso begeisterter: Nicht umsonst ist das Hinhauen auf die rot-schwarze Regierung im Bund und Rot-Grün in Wien derzeit Modesport Nr. 1. Wo man hinkommt, wird gelästert, und Strache redet den Leuten nach dem Mund. Damit hat er sich die Bewunderung eines Blattes, das davon lebt, den Leuten nach dem Mund zu reden, verdient. Umso lächerlicher die gestrigen Versuche diverser Medien, Strache und die FPÖ herunterzumachen. Das wäre ja noch schöner und überdies zwecklos, denn auch gegen Haider wurden Rezepte gesucht, und dann landete dessen FPÖ bei der Nationalratswahl zur Jahrtausendwende mit 27 % Wähleranteil auf Platz 2. Eine selige Erinnerung, die sich leider rasch eintrübt. Was dann folgte, war allerdings Chaos pur, weil sich die FPÖ allein vom Personal her und auch sonst als nicht regierungsfähig entpuppte. Daran hat sich bis heute nicht ein Jota geändert, aber für die Krone stirbt die Hoffnung zuletzt. Die Nagelprobe wird sein, welches Team Strache präsentieren kann, denn nur groß reden und wieder einen Polit-Bauchfleck machen, kann für Land und Leute ordentlich ins Auge gehen. Von der Metaphorik des ins Auge gehenden Polit-Bauchflecks einmal abgesehen, könnte Land und Leuten kaum Besseres widerfahren. Man muss sich aber keine Sorgen machen, der Anfall von Weltoffenheit, den die Krone an Strache diagnostizierte, wäre allein dessen Problem und hätte nichts mit seinen Einbläsern zu tun. Man muss die Welt nur klein genug fassen, um sich der Offenheit so hingeben zu können, wie Andreas Mölzer es in Zur Zeit regelmäßig tut. Zuletzt maßregelte er den oststeirischen Pfarrer, der örtliche Protestierer gegen die Aufnahme von Flüchtlingen mit Einsatz seiner Kirchenglocken zu läutern versuchte. Hat er sich irgendwann einmal überlegt, so Mölzer, was er und seinesgleichen der autochthonen österreichischen Bevölkerung antun, wenn er die schrankenlose Zuwanderung durch Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten befördert, indem man jede Protestaktion der autochthonen Bevölkerung als unmenschlich abqualifiziert? Die Frage wäre einer Antwort wert, aber Mölzer ist gehemmt. Er tut sich schwer, weil er das eigentlich gemeinte rassenreine Ariertum der Oststeiermark vor dem Griff der Kirche zum Glockenseil retten will, dabei aber aus Gründen freiheitlicher Weltoffenheit zu einem so undeutschen Begriff wie autochthon greifen muss. Dabei ist seine Sorge angesichts der Gutmenschen, denen alles am Herzen liegt, nur nicht das Wohl der angestammten Österreicher groß. Denn was ist der angestammte Österreicher von heute anderes als ein Scheinasylant von gestern? (Günter Traxler, 22.8.2015)
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7Wissenschaft
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Kampf um die Klimaanlage: Das anhaltende Erbe des dänischen Ingenieurs Povl Ole Fanger. Er ist seit fast neun Jahren tot, aber laut einem Artikel in Science trägt er die Schuld – oder zumindest einen maßgeblichen Teil – daran, wenn Ihnen im Büro ständig kalt ist. Und zwar besonders, wenn Sie eine Frau sind. Die Rede ist von Povl Ole Fanger, einem dänischen Ingenieur, der in den 1960er-Jahren ein Modell für die ideale Innentemperatur in Bürogebäuden entwickelte, das immer noch vielerorts zur Anwendung kommt. Sein Idealwert von 21 Grad Celsius war jedoch für den typischen Büroangestellten seiner Zeit ausgelegt: Weniger leger gekleidet als heute und vor allem männlichen Geschlechts. Da Männer im Schnitt einen schnelleren Metabolismus als Frauen haben, wird ihnen nicht so leicht kalt. An dieser Stelle kontrolliere jeder selbst, auf welcher Seite des täglichen Kampfs um die Klimaanlageneinstellung sich mehrheitlich Männer beziehungsweise Frauen sammeln – auch wenn solchen Erfahrungen natürlich nur anekdotische Evidenz zukommen kann. Zwei Forscher der Universität Maastricht, Wouter van Marken Lichtenbelt und Boris Kingma, glauben nun einen besseren Richtwert gefunden zu haben, und berichten darüber in Nature Climate Change. Durch Messungen der biophysikalischen Daten von Männern und Frauen kamen sie auf einen Idealwert von 24 Grad Raumtemperatur. Danach sollten ihnen zufolge – im Gegensatz zur sexistischen Einstellung bisheriger Thermostate – Bürogebäude ausgerichtet werden, um möglichst große wärmeneutrale Zonen zu schaffen, die für beide Geschlechter erträglich sind.
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4Sport
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Britischer Herausforderer spuckt vor Kampf am Samstag große Töne: "Bei dir werden die Rollläden runtergehen!". Düsseldorf – Box-Star Wladimir Klitschko steht vor einem Routine-Auftrag mit therapeutischem Ansatz. Tyson Fury heißt der Patient, den der promovierte Sportwissenschaftler mit dem Spitznamen Dr. Steelhammer am Samstag in seiner 19. Titelverteidigung als Schwergewichts-Weltmeister vor die Fäuste bekommt. Übersteigertes Selbstbewusstsein, wirre Weltanschauungen und persönliche Beleidigungen an die Adresse des seit über elf Jahren ungeschlagenen Titelträgers legen den Verdacht nahe, den Klitschko formulierte: Bei Fury sind einige Schrauben locker. Ich werde ihn im Ring therapieren. Auch der 65. Sieg im 68. Profi-Fight dürfte für den Weltmeister der drei großen Verbände IBF, WBO und WBA am Samstag in der Düsseldorfer Esprit-Arena (RTL ab 22.10 Uhr) nur Formsache sein. Die sagenhafte Serie Klitschkos, der in knapp vier Monaten 40 wird, sagt viel über seine Qualitäten, aber auch über die limitierte Schwergewichts-Szene im Allgemeinen aus. Sein Herausforderer ist mit seinen 2,06 Meter zwar eine imposante Erscheinung und sogar etwas größer als der Titelträger. Aber richtig Angst kann er dem Ukrainer kaum einflößen – weder als verkleideter Batman auf der ersten Pressekonferenz in London oder als Sänger eines Ständchens als Schmähung beim Presse-Training in Düsseldorf. Der 27-jährige Fury liebt den großen Auftritt und die großen Töne. Eine seiner Prophezeiungen an die Adresse Klitschkos, den er einen Narren, Idioten und Roboter schimpft, lautete: Bei dir werden die Rollläden runtergehen. Das wird einer meiner leichtesten Kämpfe! Klitschko kann da nur müde lächeln. Das ganz große sportliche Kaliber ist Fury trotz seiner 24 Siege in 24 Kämpfen nicht. Allein die Schlagkraft (18 K.o.) macht den unorthodox in zwei Auslagen boxenden Briten gefährlich. Sein Vater und Trainer, der irische Ex-Schwergewichtler John Gybsy Fury, ließ sich bei der Namensfindung für seinen Sohn immerhin von Mike Tyson inspirieren. Der Sinn für die besondere Show dieses Kampfabends soll sich nicht in den Extravaganzen Furys erschöpfen. Als Anheizer vor dem Kampf mit übersichtlichem sportlichen Reiz tritt Altrocker und Glasgow-Fan Rod Stewart auf. Ein 40-Mann-Chor intoniert die Nationalhymnen vor dem Kampf. Kaum jemand zweifelt daran, dass Klitschko seine lukrative Erfolgsstory fortsetzen kann. Ein Ende seiner Karriere ist noch nicht in Sicht, er hat vier weitere Kämpfe mit RTL vereinbart. Mir macht es noch Spaß und ich bin fit, lässt der Ausnahme-Boxer immer wieder wissen. Die große Motivation für Klitschko bleibt sicher der letzte noch fehlende WBC-Weltmeistergürtel. Den legte sein Bruder Vitali, gerade wiedergewählter Bürgermeister von Kiew, nieder. Zur Zeit hält ihn der US-Profi Deontay Wilder. Wladimir wird noch lange auf dem Thron sein, prophezeite sein Bruder, der am Samstag wie immer in der Ringecke stehen wird. Der Weltmeister dürfte am Samstag um einen zweistelligen Millionenbetrag reicher werden, Fury soll rund 3,5 Millionen Euro kassieren.
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4Sport
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U20-Teamkeeper hütet fortan das Tor in Floridsdorf. Wien – Österreichs Nachwuchs-Teamtorhüter Tino Casali wird in der kommenden Saison bei Zweitligist FAC im Tor stehen. Der 19-jährige Kärntner wechselte am Montag von der Wiener Austria als Kooperationsspieler nach Wien-Floridsdorf. Casali hatte zuletzt bei der U20-WM in Neuseeland starke Vorstellungen gezeigt. Beim FAC soll er den im Sommer zum SV Grödig abgewanderten Rene Swete beerben. Bereits zuvor war Mittelfeldspieler Bernhard Luxbacher leihweise für eine Saison von der Austria zum FAC gegangen.
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5Inland
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Die Macht macht ehrlich: Der oberösterreichische FPÖ-Chef lässt die Hosen runter. Linz – Der heurige politische Aschermittwoch der FPÖ in Ried war eine durchaus bemerkenswerte Veranstaltung. Zwar hatte der Heringskäse am Pappteller auch heuer wieder den Anmut von sonnenweichem Fensterkitt, und der Verbrauch alkoholfreier Getränke unter den rund 2.000 Getreuen pendelte sich wie gewohnt bei null ein. Und doch passierte Erstaunliches. Die eigentliche blaue Partyrakete mit Schenkelklopfer-Garantie war an diesem bierseligen Abend nämlich nicht etwa FPÖ-Bundeschef Heinz-Christian Strache. Auf der Bühne brachte klar Manfred Haimbuchner, FPÖ-Chef in Oberösterreich und seit dem deutlichen Wahlsieg im September des Vorjahrs auch Landeshauptmann-Stellvertreter, mit deftigem Wortwitz das Mikro zum Glühen. Normal garantierte das blaue Aschermittwochsprotokoll dem Hausherrn nette Begrüßungsworte und eine knappe landespolitische Analyse. Doch heuer teilte Haimbuchner kräftig und fast eine Stunde lang in alle Richtungen aus: Bund, Land, Schwarz, Rot, Grün, Asyl, Heimat. Phasenweise hatte man das Gefühl, dass es Strache ordentlich in der Lederhose juckte, dem jungen Emporkömmling den Stecker zu ziehen. Manfred Haimbuchner muss sich nicht mehr verstecken. Rein optisch geht der 37-jährige Jurist zwar immer noch als Mamas Liebling durch – immer höflich, immer adrett gekleidet, der Seitenscheitel scheint aus Beton gegossen –, doch die Tage als Wolf im Schafspelz sind vorbei. Die weiche Wolle ist ab – ein Wahlergebnis von 30,4 Prozent sichert auch ein politisches Überleben als harter Hund. Der Ton ist im Linzer Landhaus blauer und rauer geworden. Den für das oberösterreichische Politklima in der Vergangenheit so prägenden konsensorientierten Weg hat man mit dem Aufbruch in schwarz-blaues Neuland verlassen. Nur zwei Beispiele: die Deutschpflicht in Schulen und die Kürzung der Mindestsicherung. Beides tiefblau gefärbte Schnellschüsse, die rechtlich kaum umsetzbar sein werden. Aber das Ziel ist ohnehin erreicht: Die eigene Klientel johlt angesichts der Machtdemonstration. Die Sorgen, die Ängste und den Ärger von Verfassungsjuristen, NGOs, Sozialeinrichtungen überhört man gerne. Und die ÖVP? Der, immer noch, Landeshauptmannpartei entgleitet der blaue Partner scheinbar völlig. Blaue Ideen werden brav abgenickt – und Josef Pühringer freundet sich mehr und mehr mit der Politpension an. Möglich, dass der einst so mächtige Langzeit-Landeschef den Absprung noch schafft, ehe es im schwarz-blauen Gebälk ordentlich kracht. Denn die Unzufriedenheit an der schwarzen Basis ist groß, und selbst im ÖVP-Klub sollen die Tage der Einheit gezählt sein. Von der FPÖ ist jedenfalls kein Kurswechsel zu erwarten. Oder, um mit einem Auszug aus Haimbuchners Aschermittwochsrede zu schließen: Viele haben gesagt, ich muss mich als Landeshauptmann-Stellvertreter jetzt zurückhalten. Aber ich habe geantwortet: Nein, mach ich nicht – ich bleib für euch der Mandi.
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5Inland
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Scheidende ÖVP-Landesrätin wird Chefin des oberösterreichischen Wirtschaftsbunds – Pühringer mit 48 von 56 Stimmen als Landeshauptmann angelobt. Linz – Sie übernimmt das schönste Ehrenamt der Welt: Doris Hummer, jene oberösterreichische ÖVP-Landesrätin, für die in der neuen schwarz-blauen Landesregierung kein Platz mehr war, weil laut Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) eine Entscheidung zwischen Bauern und Frauen notwendig wurde, bekommt eine neue Funktion, über die sie sich am Freitag bei der Präsentation in Linz demonstrativ, aber auch mit großer Gelassenheit freute: Die 42-jährige Unternehmerin, die in der vergangenen Legislaturperiode Landesrätin für Frauenfragen, Wissenschaft und Bildung war, wird neue Wirtschaftsbundchefin in Oberösterreich. Dafür macht der oberste Wirtschaftsvertreter der Nation auf Landesebene höchstselbst Platz: Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl begründete seinen Verzicht auf das Amt an der Spitze des oberösterreichischen Wirtschaftsbunds etwas pathetisch mit den Worten: Es galt, die verlorene Ehre des Bundeslandes wiederherzustellen und ein Signal an die Frauen zu senden: Ihr seid toll, wir brauchen euch! Damit bekommt der Wirtschaftsbund, einer der berüchtigten Flügel der ÖVP, die jetzt ja auch für die Turbulenzen rund um eine letztlich rein männlich besetzte Landesregierung ausschlaggebend waren, erstmals in seiner 70-jährigen Geschichte eine Frau an der Spitze. Die Neuigkeiten wurden übrigens unter dem Titel Oö. Wirtschaftsbund: Es geht auch anders! präsentiert. Leitl, der die Abstimmung im ÖVP-Landesparteivorstand über die zwei Landesratssitze, für die es drei Kandidaten, darunter Hummer als einzige Frau, gab, explizit als Fehler und den letzten Tropfen im Fass bezeichnete, sagte weiters: Wir wollten aktiv handeln, um dem Land einen Dienst zu erweisen. Da muss ich bei mir beginnen. Ich räume meinen Posten für Doris Hummer – nicht, weil sie eine Frau ist, sondern eine bestqualifizierte Persönlichkeit. Hummer quittierte das mit einem strahlenden Verweis auf das schönste Ehrenamt der Welt, das sie künftig zusätzlich zu ihrem Landtagsmandat übernehmen wird. Die Wirtschaftsbundchefin in Oberösterreich will sie mit leichtem und frohem Herzen machen. Die von Landeshauptmann Pühringer als Trostpreis angebotene Funktion als Klubchefin der ÖVP im Landtag wird Hummer definitiv nicht annehmen, teilte sie mit. Der Job wurde am Freitag schließlich an Helena Kirchmayr vergeben. Für Hummer fand sich aber auch im Landtag noch ein kleiner Job: Sie ist eine von vier Vizes der neuen Klubchefin – neben Elisabeth Manhal, Alfred Frauscher und Johann Hingsamer. Eine zweite Funktion auf Wirtschaftsseite soll Hummer nach dem Abgang des Präsidenten der oberösterreichischen Wirtschaftskammer, Rudolf Trauner, übernehmen. Leitl und Trauner wollen sie als Spitzenkandidatin auch für dieses Amt. Trauners Periode läuft noch bis 2020, nach drei Perioden hätte er nicht mehr kandidieren können. Sinnigerweise – und vermutlich nicht ganz zufällig – war der Beginn der Pressekonferenz ursprünglich just parallel zur Angelobung der neuen Landesregierung auf 10 Uhr anberaumt, um dann doch eine halbe Stunde vorverlegt zu werden. Hummer ist ja als Landtagsabgeordnete gewählt. Als künftige Wirtschaftsbundchefin wird sie übrigens wieder Mitglied des ÖVP-Parteivorstands sein. Pühringer selbst betonte Donnerstagabend in der ZiB 2 noch einmal, dass er nicht vorhabe, die gesamte Legislaturperiode durchzudienen: Ich werde sicherlich nicht sechs Jahre in der Regierung bleiben. Wann er seine politische Karriere beenden will, ließ er jedoch offen. Er ist seit 1995 im Amt und geht nun in die vierte Amtsperiode. Am Freitag wurde er dann bei der konstituierenden Sitzung des Landtags wieder als Landeshauptmann angelobt. Er musste in Kauf nehmen, dass ihn bei der geheimen Wahl nur 48 der 56 Abgeordneten gewählt haben – was damit zusammenhängen könnte, dass er seinen früheren Koalitionspartner, die Grünen (sechs Abgeordnete), bei der Ressortverteilung nach zwölf gemeinsamen, schwarz-grünen Jahren schwer verärgert hat. Auch die SPÖ war enttäuscht, dass der Landeshauptmann mit den Blauen eine Pakt schloss und sie ihren zweiten Regierungssitz zugunsten der ÖVP nicht bekamen. Abgestimmt wurde am Freitag im Landesparteivorstand der ÖVP auch über die oberösterreichischen Bundesräte. Nominiert wurden Gottfried Kneifel, Klaus Fürlinger, Ferdinand Tiefnig und Peter Oberlehner. Nach dem Ausscheiden von Kneifel wird Robert Seeber im Bundesrat nachfolgen. Eine Nachrückzusage für den Bundesrat hat auch Christian Jachs bekommen.
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4Sport
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Der Meister hat mit der Admira seinen Spaß und holt sich in Klagenfurt das dritte Double in Folge. Klagenfurt – Red Bull Salzburg hat als erster österreichischer Fußballklub zum dritten Mal in Folge das Double aus Meisterschaft und Cup gewonnen. Die Bullen setzten sich am Donnerstag in Klagenfurt gegen Admira Wacker mit 5:0 (2:0) durch, die Tore vor 10.200 Zuschauern im Wörtherseestadion erzielten Jonatan Soriano (7., 65., 86./Elfmeter), Naby Keita (28.) und Konrad Laimer (73.). Es war der höchste Sieg in einem österreichischen Cupfinale, das in einem Spiel ausgetragen wurde, seit dem 8:0 von Admira Wien gegen Rapid 1934. Für die Salzburger handelte es sich um den vierten Cup-Erfolg, alle wurden in der Red-Bull-Ära erzielt. Die Admira steigt nach der Niederlage nicht als Cupsieger, sondern als Ligavierter und damit bereits am 30. Juni in der ersten Qualifikationsrunde zur Europa League ins internationale Geschäft ein. An diesem Donnerstag steigt bei der Europameisterschaft in Frankreich das erste Viertelfinale. Soriano war aufgrund einer Wadenverletzung fraglich gewesen, wurde aber rechtzeitig fit. Und der Goalgetter brauchte nicht einmal sieben Minuten, um seinen Job zu erledigen. Nach einem Schuss von Valon Berisha aus spitzem Winkel, den Jörg Siebenhandl direkt vor das Tor prallen ließ, staubte der Spanier aus kurzer Distanz per Kopf ab. Seinem achten Cup-Treffer in dieser Saison war ein Ballverlust von Christoph Knasmüllner tief in der eigenen Hälfte vorangegangen. Die Salzburger waren da weit aufgerückt und im Strafraum der Admiraner sogar in der Überzahl. Die Admira wurde durch zwei Distanzschüsse von Srdjan Spiridonovic (20., 26.) erstmals halbwegs gefährlich. Die Bullen hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Umstellung in der Hintermannschaft vornehmen müssen: Andreas Ulmer hatte sich bei einem Zweikampf verletzt und nach einer Viertelstunde Benno Schmitz Platz machen müssen. Der Linksverteidiger klagte über Schmerzen an der Hüfte, Details lagen vorerst nicht vor. Spielerisch fanden die Niederösterreicher kein Mittel, die Salzburger auch nur annähernd unter Druck zu setzen. Die wiederum präsentierten sich vor dem gegnerischen Tor als Meister der Effizienz. Keita traf in der 28. Minute nach einer Lazaro-Hereingabe von rechts im Nachsetzen, nachdem Siebenhandl und Markus Lackner sich in der Mitte uneinig gewesen waren. Den ersten Versuch von Keita wehrte Lackner noch ab, im Fallen traf der auch im Ausland begehrte Mittelfeldspieler aus Guinea dann aber. Danach war die Sache fast schon gegessen. Die große Offensive der Admira blieb auch nach der Pause aus, die beste Chance ließ nach knapp einer Stunde Spiridonovic mit einem Schuss links innerhalb des Strafraums aus. Weil Salzburgs Torhunger noch nicht gestillt war und die Admira hinten anfällig blieb, stand es bald 3:0. Soriano (65.) nahm eine Einladung von Spiridonovic an, der den Ball am Sechzehner vertändelte, und schoss platziert ins lange Eck. Sehenswert traf anschließend Konrad Laimer (73.) nach einem Eckball: Der 18-Jährige nahm den Ball mit der Brust optimal an und hämmerte ihn aus rund 20 Metern unter die Latte. Den Schlusspunkt setzte Soriano (86.) vom Elfmeterpunkt, nachdem er selbst gefoult worden war. Mit zehn Treffern wurde der 30-Jährige überlegen Cup-Schützenkönig. (APA, 19.5.2016) Admira Wacker Mödling – Red Bull Salzburg 0:5 (0:2)Wörtherseestadion, 10.200 Zuschauer, SR Schörgenhofer Tore: 0:1 (7.) Soriano0:2 (28.) Keita0:3 (65.) Soriano0:4 (73.) Laimer0:5 (86.) Soriano (Elfmeter) Admira: Siebenhandl – Zwierschitz, Lackner, Wostry, Wessely – Toth, Knasmüllner (74. Bajrami) – Starkl, Grozurek (87. Maranda), Spiridonovic (68. Malicsek) – Monschein Salzburg: Walke – Lainer, Miranda, Caleta-Car, Ulmer (16. Schmitz) – Bernardo – Lazaro, Laimer, Keita (69. Minamino), Berisha – Soriano (87. Reyna) Gelbe Karten: Toth, Starkl bzw. keine
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4Sport
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Die Wiener Austria lädt Flüchtlinge zum Training ein, Schalke 04 und das deutsche Weltmeisterteam senden Videobotschaften. Wien – Ein deutliches Signal angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation will Bundesligist Austria Wien setzen. Wie die Favoritner mitteilten, wird es ab sofort jeden Freitag um 15 Uhr ein organisiertes Training für Flüchtlinge in der Austria-Akademie mit Trainern der Austria geben. Das beweist, dass wir über unseren sportlichen Tellerrand hinausblicken und mehr sind als nur ein Fußballklub, sagte Austria-AG-Vorstand Markus Kraetschmer. Am Mittwoch absolvierten die Veilchen ab 18.30 Uhr zudem ein Benefizspiel beim Zweitligisten FAC, der Reinerlös kommt der Betreuung minderjähriger Flüchtlinge zugute. In Deutschland bezieht wiederum Schalke 04 Position. Unter dem Motto #stehtauf setzen sich die einstigen Schalker Profis Gerald Asamoah und Hans Sarpei gemeinsam mit der Mannschaft, den Trainern und dem Vorstand für Menschlichkeit ein. #stehtauf#stehtaufwennihrschalkerseid#stehtaufwennihrmenschenseid Wir greifen Leute an, die nichts haben, die Hilfe suchen? Jeder kann sich mal hinsetzen und sich Gedanken machen. Und das verlange ich von den Leuten. Wir müssen aufstehen, sagt Asamoah in dem Videoclip, den der Verein am Dienstag verbreitete. Die deutschen Weltmeister setzen ebenfalls ein Zeichen der Solidarität für die Flüchtlinge. In einem Video beziehen die Nationalspieler angeführt von Kapitän Bastian Schweinsteiger Position gegen Hass, Aggression und Gewalt sowie für ein weltoffenes Deutschland. #DieMannschaft setzt ein Zeichen: für Weltoffenheit, für Toleranz, für Hilfsbereitschaft, für Respekt, für Fairplay. In dem kurzen Spot präsentieren fünf Akteure zunächst einzeln Plakate: Schweinsteiger für Hilfsbereitschaft, Jerome Boateng für Respekt, Ilkay Gündogan für Integration, Mesut Özil für Weltoffenheit und Toni Kroos für Fairplay. Anschließend ist das Quintett gemeinsam zu sehen, auf den Tafeln steht nun: Gegen Gewalt und Fremdenhass.
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7Wissenschaft
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Lkw hatte Meteoriten mit einem Gesamtgewicht von 1,5 Tonnen geladen - Vier Verdächtige in Haft. Buenos Aires - Die argentinische Polizei machte am Samstag bei einer Fahrzeugkontrolle eine unerwartete Entdeckung: Im Laderaum fanden die Beamten 215 gesteinsähnlicher Brocken, die sich später als Meteoriten mit einem Gesamtgewicht von 1,5 Tonnen entpuppen sollten. Woher die kosmischen Festkörper stammen, ist laut den Ermittler noch nicht eindeutig geklärt - dass sie illegal beschafft wurden, gilt allerdings als wahrscheinlich. Der verdächtige Lkw wurde 32 Kilometer vom sogenannten Campo del Cielo (Feld des Himmels) entfernt angehalten - dabei handelt es sich um ein bekanntes Meteoriten-Einschlaggebiet. Das größte Fragment des Campo-del-Cielo-Meteoriten wurde 1980 geborgen, mit mehr als 37 Tonnen Gewicht ist El Chaco das schwerste, das je in Argentinien entdeckt wurde, und nach dem Hoba-Meteoriten von Namibia der zweitschwerste Meteorit weltweit. Die Fahrzeuginsassen - drei Argentinier und ein Paraguayer - wurden wegen Diebstahlverdachts festgenommen. Die konfiszierten Meteoriten werden nun von Experten begutachtet.
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7Wissenschaft
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Das Beispiel Schweiz zeigt, welche Auswirkungen Fremdenfeindlichkeit für eine vernetzte Wissenschaft hat. Wien – Ausgerechnet am Montagabend, an jenem Tag, an dem das Ergebnis der Wahl des österreichischen Bundespräsidenten verkündet wurde, stand bei einem Club Research in Wien – einer Diskussionsplattform für Wissenschaft und Forschung – die Internationalisierung der Forschung auf dem Programm. Der Hintergrund war zwar nicht unbedingt politischer Natur, denn Universitäten, Forschungszentren und Unternehmen beschäftigt derzeit vor allem der Spagat zwischen der notwendigen internationalen Ausrichtung und den nationalen Regulatorien, etwa bei der Forschungsförderung. Doch der Ausgang einer solchen Wahl und die politische Entwicklung insgesamt können gravierende Auswirkungen auf einen Forschungsstandort haben. Das zeigt sich am Beispiel der Schweiz, wie Matthias Kaiserswerth in seinem Vortrag demonstrierte: Der Direktor der Hasler-Stiftung und Vizepräsident der Schweizer Kommission für Technologie und Innovation verwies auf die Folgen der Volksinitiative Gegen Masseneinwanderung, die von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gestartet wurde, um die Zuwanderung mit Kontingenten zu begrenzen. Im Februar 2014 gaben die Schweizer der Initiative mit knapper Mehrheit ihre Zustimmung. Es kann ein Klima geschaffen werden, in dem Wissenschafter nicht mehr gerne in das Land kommen, sagte Kaiserswerth, bis 2015 Direktor von IBM Research. Dabei würden alle Forschungsstandorte heute im Wettbewerb mit anderen Ländern stehen. Eine Abgrenzung hat Folgen. Selbst die Schweiz kann es sich nicht leisten, bei der internationalen Vernetzung noble Zurückhaltung zu üben: Das Land nimmt daher an den Forschungsrahmenprogrammen der EU teil, dabei halten sich die Mittel, die aus der Schweiz in Richtung Brüssel geflossen sind, und jene Mittel, die aus der EU in die Schweizer Forschung gesteckt wurden, die Waage. Wichtig sind vor allem die Förderung einzelner Projekte sowie jene von Personen: Drei Viertel der Forscher in der Schweiz, die EU-Förderungen erhalten, sind Ausländer. Die SVP-Initiative hatte auch Folgen für diese Zusammenarbeit zwischen der EU und der Schweiz: Wegen der Ablehnung der Reisefreizügigkeit für kroatische Staatsbürger wurde die Zulassung des Landes zum Programm Horizon 2020 vorläufig bis Ende des Jahres begrenzt; derzeit wird über eine einmalige Verlängerung verhandelt, nachdem der Bundesrat der Ausweitung auf Kroatien doch noch zugestimmt hat. Der Attraktivität des Forschungsstandortes Schweiz sind solche Entwicklungen erwartungsgemäß nicht gerade dienlich; in Österreich braucht man zumindest für den Moment ähnliche Auswirkungen nur im Konjunktiv durchzudenken. Was macht einen Standort überhaupt attraktiv für Forscher aus dem Ausland? Matthias Kaiserswerth nannte dafür internationale Kooperationen, die Möglichkeit zur Mitnahme von Förderungen in andere Länder sowie Erleichterung bezüglich Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen. Beim Diskussionsabend, der in Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft organisiert worden war, verwies Thomas Henzinger, Präsident des IST Austria, auf die Grenzen der Internationalisierung: Rechtliche und regulatorische Hürden stehen uns entgegen. So sei die Abwerbung eines Professors aus Deutschland allein wegen des Pensionsrechts schwierig. Nach Ansicht von Sabine Herlitschka, Chefin von Infineon Österreich, findet Forschung nur dort statt, wo das nötige Know-how vorhanden ist und die Rahmenbedingungen passen. Österreich habe sich in dieser Hinsicht bisher gut platziert. 20 Prozent der rund 3500 Mitarbeiter in Österreich kommen aus anderen Ländern. Europa muss sich im Kampf um die besten Köpfe klar positionieren, meint sie. Klaus Schuch, Direktor des Zentrums für Soziale Innovation (ZSI), verwies allerdings auf die steigende Bedeutung der Kosten von Forschung: In Indien beispielsweise gibt es hervorragend ausgebildete Ingenieure, die günstiger arbeiten können. Er sieht die Renationalisierung als Gefahr für einen Forschungsstandort und nannte als Beispiel Russland. Auch in Österreich bestehe die Gefahr, dass das Klima für Forscher aus anderen Ländern schlechter werde.
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7Wissenschaft
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"Mainauer Deklaration 2015 zum Klimawandel" in Paris an François Hollande überreicht. Paris – 72 Nobelpreisträger warnen eindringlich vor den Folgen des Klimawandels. Sie unterstützen einen Aufruf, den die französischen Physiknobelpreisträger Serge Haroche und Claude Cohen-Tannoudji zusammen mit Hans Joachim Schellnhuber, dem Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), am Montag dem französischen Präsidenten François Hollande im Pariser Élysée-Palast übergeben haben. Die Mainauer Deklaration 2015 zum Klimawandel besagt, dass die Nationen der Welt die Chance der UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015 nutzen und entschlossen handeln müssen, um die künftigen Emissionen weltweit zu begrenzen. Der Aufruf wurde erstmals am Freitag, den 3. Juli 2015, im Rahmen der 65. Lindauer Nobelpreisträgertagung auf der Insel Mainau im Bodensee veröffentlicht. Seitdem traten 36 weitere Nobelpreisträger Gruppe bei. Wenn wir dem Klimawandel nicht entgegensteuern, so wird die Erde schließlich nicht mehr in der Lage sein, den Bedürfnissen der Menschheit gerecht zu werden und unsere ständig zunehmende Nachfrage nach Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Und dies wird zu einer umfassenden menschlichen Tragödie führen, heißt es in der Deklaration. Die Initiatoren betonen, dass sie zwar keine Experten in der Klimaforschung seien, als Wissenschafter jedoch ein tiefes Grundvertrauen in den wissenschaftlichen Prozess hätten. Auch, wenn es weiterer Datensammlungen und Forschungen bedürfe, seien die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) noch immer die verlässlichste wissenschaftliche Einschätzung zum von Menschen verursachten Klimawandel und somit die Grundlage, auf der die politischen Entscheidungsträger Maßnahmen gegen diese globale Bedrohung diskutieren müssten. Die Unterzeichner der Erklärung sind, mit Ausnahme des indischen Kinderrechtsaktivisten Kailash Satyarthi, mit einem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin, Physik oder Chemie ausgezeichnet worden.
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7Wissenschaft
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Maxim Ljudomirski ist Experte für Lasertechnik. Moskau – Wegen Verrats von Staatsgeheimnissen ist ein russischer Physiker in einem nicht öffentlichen Prozess zu neun Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt worden. Das meldete die Agentur Interfax am Mittwoch unter Berufung auf ein Moskauer Stadtgericht. Für welchen fremden Staat der Chefingenieur für Lasertechnik gearbeitet haben soll, wurde nicht mitgeteilt. Der Verurteilte Maxim Ljudomirski war 2014 festgenommen worden. Russische Gerichte hätten damit im laufenden Jahr bereits mindestens drei Urteile wegen Verrats gefällt, hieß es. Zwei Männer seien zuvor wegen Spionage zu 13 und 12 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
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8Kultur
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Der deutsche Kulturtheoretiker und Musikjournalist referiert in Salzburg. Von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno stammt der Begriff der Kulturindustrie, den die beiden Philosophen zur kritischen Analyse moderner Massenkultur und Massenkommunikation vorgeschlagen haben. Gemeint ist damit ein Massenbetrug, denn die Theorie der Kulturindustrie begreift Massenmedien als Instrumente der Manipulation. Der deutsche Kulturtheoretiker, Kunstwissenschafter und Musikjournalist Diedrich Diederichsen schlägt in einer dreiteiligen Vortragsreihe, die am Dienstag im Salzburger Kunstverein startet, ein Überdenken dieses klassischen Kulturindustriebegriffs vor. Die Person als Special Effect lautet der Titel der Referate. Der langjährige Sounds-Redakteur und Spex -Herausgeber geht von folgenden Prämissen aus: Die wichtigsten künstlerischen Formate der Gegenwart sind in den 1960ern entstanden: Performance, Konzeptkunst, Installation und Aktionismus, aber auch Direct Cinema, Heavy Rock, Psychedelik und Minimal Music stammen aus dieser Dekade. Seitdem werde in den neuen künstlerischen und populärkulturellen Entwicklungen versucht, die Effekte technischer Medien wie die Indexikalität von Fotografie und Phonographie live (oder händisch) umzusetzen. Unter Indexikalität versteht man in der Semiotik den besonderen Bezug fotografischer und filmischer Bilder zur Wirklichkeit – also den kausalen Zusammenhang zwischen Zeichen und Objekt. Während dies im frühen 20. Jahrhundert bei Slapstick oder Surrealismus realisiert worden sei, gehöre das nun zum Alltag von Popmusik oder Cinéma vérité. Diese Künste arbeiten entweder bei aufgezeichneten Studiowerken mit der Gestaltung von Authentizität – oder sie konstruieren eine neue Liveness bei Performance, Straßentheater und anderen partizipativen Formen. Die neuen Paradigmen erfordern jedenfalls laut Diederichsen eine Neuinterpretation des Kulturindustriebegriffs. Wegen der technischen Veränderungen müssten verschiedene Entwicklungsstadien dieser ideologischen Maschine unterschieden werden. Die singuläre, lebendige Person – von Warhols Screen Tests bis zu den Youtube-Stars von heute – wird immer entscheidender. Das, wofür sie steht, immer unwichtiger. (dog, 20.7.2015)
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0Web
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Bündelt Kompetenzen und Befugnisse im BVT – V-Personen von außerhalb. Klare Verhältnisse für den Verfassungsschutz und damit auch den Kampf gegen Terrorismus möchte die Regierung mit dem neuen Staatsschutzgesetz schaffen. Dafür werden sowohl die Befugnisse der Ermittler gebündelt als auch das Bundesamt für Terrorismus und Verfassungsschutz (BVT) aufgewertet. In Verhandlungen im Parlament wurden noch einige Punkte abgeschwächt. Die Eckpunkte des Gesetzes im Detail: Staatsschutz-Aufgaben, die bisher im Sicherheitspolizeigesetz standen, gehören nun ins Polizeiliche Staatsschutzgesetz (PStSG). Damit soll klargestellt sein, wer in der Polizei die Verfassung schützen und etwa gegen Terroristen kämpfen darf und welche Maßnahmen erlaubt sind. Besondere Vorfeldermittlungen dürfen ausschließlich vom BVT durchgeführt werden, das für den Schutz vor terroristisch, ideologisch oder religiös motivierter Kriminalität sowie vor Spionage ebenso zuständig wie für die Bekämpfung von Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen). Das BVT darf ziemlich viel, um seine Aufgaben zu erfüllen. Heikel ist das nicht zuletzt, weil es wohl oft darum gehen wird, Verbrechen zu verhindern, anstatt – wie bei normaler Polizei-Arbeit – ein bereits verübtes Delikt aufzuklären. Die sogenannte Erweiterte Gefahrenerforschung ist hier ein wesentliches Instrument: nämlich die Beobachtung einer Gruppierung, wenn die Ermittler Grund zur Annahme zu haben glauben, dass es zu mit schwerer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verbundener Kriminalität, insbesondere zu weltanschaulich oder religiös motivierter Gewalt kommt. Kritiker stießen sich am umfangreichen Deliktkatalog, in den parlamentarischen Verhandlungen wurde nun noch einiges abgeschwächt. Als verfassungsgefährdender Angriff gelten können unter anderem terroristische Straftaten, der Zusammenschluss, die Ausbildung und die Anleitung dafür; auch das Anführen von Landfriedensbruch, Verhetzung, die zu Gewalt und Hass aufstachelt, oder die Bildung bewaffneter Verbindungen ist, wenn ideologisch oder religiös motiviert, ein Fall für das PStSG. Landesverrat, Preisgabe von Staatsgeheimnissen oder ein Angriff auf oberste Organe auch mittels Computer-Hacks sind ebenfalls entsprechende Delikte, sofern sie auf Terrorismus abzielen. Nicht mehr enthalten sind gegenüber ersten Plänen die Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, die Vorbereitung eines Hochverrats sowie Aufforderung zu bzw. Gutheißung von mit Strafe bedrohten Handlungen. Für Debatten sorgte im Vorfeld die Möglichkeit, sogenannte Vertrauenspersonen (V-Personen) von außerhalb des Behörden-Apparats, also sogenannte V-Leute, anzuwerben. Auch hier wurde noch abgeschwächt: Für sie wird es keine gefälschten Urkunden geben, Ausspähungsmaßnahmen (Verletzung des Hausrechts) sind ihnen nicht erlaubt. Telekom-Technologien werden ausgiebig genutzt: Verbindungsdaten, unter gewissen Umständen auch über Stammdaten, IP-Adressen oder Standortdaten. Die Speicherung der Ermittlungsdaten ist für fünf Jahre erlaubt (jene von Kontakt- und Begleitpersonen für drei Jahre), personenbezogene Daten sind aber zu löschen, wenn davon auszugehen ist, dass sie nichts mehr zur Ermittlung beitragen. Umgekehrt ist es erlaubt, dass solche Daten bis zu sechs Jahre aufgehoben werden, wenn von den Betroffenen erneut Gefahr erwartet werden kann. Von Kritikern als zahnlos gescholten wird der Rechtsschutz durch den schon bisher im Innenministerium angesiedelten Rechtsschutzbeauftragten und seine beiden Stellvertreter, die – beschränkt auf Fälle verdeckter Ermittlung und bei Verkehrsdatenauskunft – in einem Rechtsschutzsenat zusammengefasst werden soll. Die allerorten verlangte richterliche Kontrolle gibt es nicht, wenn auch vorgesehen ist, dass im Bund der drei zumindest ein langjähriger Richter oder Staatsanwalt sein muss. Der Rechtsschutzbeauftragte muss jeweils im Voraus um Genehmigung ersucht werden, wenn es etwa um Maßnahmen innerhalb der Erweiterten Gefahrenerforschung geht. Die Analysedatenbank des Staatsschutzes wird durch ihn kontrolliert. Betroffene werden vom Rechtsschutzbeauftragten über die gegen sie gesetzten Maßnahmen informiert, wobei eine Aufschiebung unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Der Rechtsschutzbeauftragte erstellt einen jährlichen Bericht, der ans Parlament geht. Auch er selbst kann sich an den zuständigen Unterausschuss im Nationalrat wenden, der wiederum jederzeit Auskunft vom Beauftragten einfordern kann. Neu gegenüber der Regierungsvorlage ist, dass auch für den Geltungsbereich des Staatsschutzgesetzes der Schutz von Berufsgeheimnissen von Anwälten oder Journalisten gilt – analog zu den Bestimmungen in der Strafprozessordnung.
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4Sport
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Meister erreicht bei der Admira ein 2:2, die Niederösterreicher bleiben auch im dritten Spiele der Saison ungeschlagen. Maria Enzersdorf – Fußball-Meister Red Bull Salzburg ist nach der dritten Bundesliga-Runde noch ohne Sieg. Drei Tage nach dem neuerlichen Aus in der Champions- League-Qualifikation musste sich die Elf von Trainer Peter Zeidler bei Admira Wacker Mödling mit einem 2:2-(2:2)-Unentschieden zufriedengeben. Bei einem Erfolg von Rapid am Sonntag gegen den WAC hätten die Bullen bereits acht Punkte Rückstand. Yordy Reyna brachte Salzburg in einer vor allem vor in der ersten Halbzeit kurzweiligen Partie früh in Front (7.), doch Salzburg verteilte wie in Malmö Geschenke in der Defensive. Dominik Starkl (17.) sowie Markus Lackner (32.) trafen jeweils nach Eckbällen und Patzern von Salzburg-Goalie Cican Stankovic. Keita sorgte mit einem Traumtor ins Kreuzeck bereits vor der Pause für den 2:2-Endstand. Während die Salzburger erst den ersten Punkt holten, hält die Drittplatzierte Admira bereits bei deren fünf. Toni Vastic als Solospitze Das Admira-Trainer-Duo Ernst Baumeister und Oliver Lederer begegnete den Salzburgern mit einer 4-2-3-1-Formation und Toni Vastic als Solospitze. Peter Zeidler veränderte an seinem 53. Geburtstag die Startformation im Vergleich zur Europacup-Schmach an gleich fünf Positionen. Duje Calenta-Car ersetzte den gegen Malmö inferioren Paulo Miranda in der Innenverteidigung, Stefan Lainer verteidigte rechts vor Felipe Pires. Im Angriff gab der von der Leipziger Red-Bull-Dependance gekommene Israeli Omer Damari sein Saisondebüt neben Reyna. Die 2.879 Zuschauer in der BSFZ Arena sahen von Anfang an viele Torchancen auf beiden Seiten. Die anfangs klar dominierenden Salzburger gingen in der 7. Minute nach einem traumhaften Solo von Reyna, der kurz nach der Mittellinie startend gleich mehrere Admira-Spieler stehen ließ und platziert ins rechte Eck abschloss, in Führung. Keita (10.) und Damari, völlig frei stehend per Kopf nach Ulmer-Flanke (15.), fanden weitere gute Chancen vor. Praktisch im Gegenzug traf Markus Blutsch nach einem Ballverlust von Christoph Leitgeb die rechte Stange (16.). Bei der nachfolgenden Toth-Ecke verschätzte sich Cican Stankovic zum ersten Mal: Er beförderte den Ball genau zu Dominik Starkl, der ohne Probleme zum Ausgleich – seinem zweiten Saisontor – einköpfelte (17.). Die Salzburger zeigten sich davon jedoch nicht beeindruckt: Keita steckte durch auf Reyna, der zunächst Keeper Siebenhandl überspielte, dann aber den Ball nicht an Verteidiger Christoph Schößwendter vorbei im Tor unterbrachte (25.). Stankovic verunsichert Nachdem Reyna einen verunglückten Rückpass von Markus Wostry erlief, jedoch an Siebenhandl scheiterte, unterlief Stankovic der zweite folgenschwere Fauxpas: Nach einem an sich ungefährlichen Eckball touchierte der ÖFB-U21-Keeper bereits den Ball in Händen haltend leicht mit Mitspieler Martin Hinteregger und ließ die Kugel doch noch aus – Lackner schob ohne Probleme aus zwei Metern zur Führung und seinem ersten Bundesligator überhaupt ein. (32.). Die Antwort der Salzburger folgte prompt: Berisha legte zurück auf den starken Keita und der 20-jährige Teamspieler aus Guinea traf unhaltbar ins linke Kreuzeck (34.). Auch danach fanden beide Mannschaften Torchancen vor: Einen Schuss von Damari blockte Schößwendter (39.), auf der Gegenseite konnte sich Stankovic bei einem Starkl-Schuss auszeichnen (41.). Zudem segelte ein Kopfball von Vastic – wieder nach einem Eckball – nur knapp am langen Eck vorbei (45.). Nach dem Seitenwechsel flachte das Spiel ein wenig ab, beide Mannschaften operierten viel mit ungenauen hohen Bällen und legten zudem mehr Wert auf ihre Defensiven. Außerdem schlichen sich im Aufbau der Salzburger immer wieder schwere Abspielfehler ein, die Admira kam über Starkl (73.) und Eldis Bajrami (76.) zu guten Konterchancen. Chancen in der Schlussphase Joker Dimitri Oberlin vergab in der Schlussphase nach schöner Kombination gegen Siebenhandl die große Chance auf das 3:2 (80.), dann setzte der ebenfalls eingewechselte Marco Djuricin den Ball über die Latte (82.). Zwei Minuten später verwehrte Schiedsrichter Andreas Heiss den Gästen nach einem Foul von Patrick Wessely von hinten gegen Oberlin einen Elfmeter. Auf der Gegenseite vergab Maximilian Sax nach Flanke von Rene Schicker eine gute Admira-Möglichkeit (86.). (APA, 8.8.2015) Fußball-tipico-Bundesliga (3. Runde):FC Admira Wacker Mödling – Red Bull Salzburg 2:2 (2:2)Maria Enzersdorf, BSFZ-Arena, 2.879 Zuschauer, SR Heiss. Torfolge: 0:1 ( 7.) Reyna1:1 (17.) Starkl2:1 (32.) Lackner2:2 (34.) Keita Admira: Siebenhandl – Ebner, Schößwendter, Wostry, Wessely – Lackner, Toth (60. Schicker) – Starkl (85. Zwierschitz), Blutsch, Bajrami – Vastic (71. Sax) Salzburg: C. Stankovic – Lainer, Caleta-Car, Hinteregger, Ulmer – Pires, Ch. Leitgeb, Keita, Berisha (80. Laimer) – Damari (62. Djuricin), Reyna (74. Oberlin) Gelbe Karten: Starkl, Schicker, Ebner, Wessely
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0Web
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Engere Verknüpfung von Hard- und Softwareentwicklung soll Apple-Vorteil dahinschmelzen lassen. Googles Hardwareambitionen sind in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Mit dem Chromebook Pixel hat das Unternehmen bereits seit einiger Zeit einen eigenen Laptop im Angebot, die Chromecast-Sticks sind ebenfalls eine Eigenentwicklung des Android-Herstellers. Und mit dem Pixel C soll sich schon bald ein eigenes Google-Tablet in diese Riege gesellen. Doch die Ambitionen des Unternehmens scheinen noch wesentlich weiter zu gehen. Mit eigenen Konzepten will Google die Prozessorentwicklung für Android-Smartphones vorantreiben, berichtet The Information. Die Idee dahinter sei es, künftig die Entwicklung von Hard- und Software stärker miteinander zu kombinieren – ähnlich wie es Apple seit Jahren mit eigenen Prozessoren für seine iPhones tut. Nur auf diese Weise könne man die eigene Vision für das mobile Betriebssystem vollständig umsetzen, sei das Unternehmen laut dem Bericht überzeugt. Einen Alleingang plant Google laut dem Bericht allerdings nicht. Viel mehr sollen die neuen Chips in Kooperation mit bekannten Partnern aus der Android-Welt entwickelt werden. Ein entsprechendes Treffen soll vor einigen Monaten stattgefunden haben, dabei habe Google eigene Designs für diverse Komponenten vorgelegt – von Kameras bis zum Hauptprozessor. Ein Vorteil eines solchen Ansatzes wäre, dass Google auf diesem Weg wesentlich schneller neue Hardwarefeatures auf einer großen Anzahl von Geräten unterbringen und diese dann umgehend in neuen Android-Versionen nutzen könnte. Eines der im Artikel erwähnten Beispiele wäre etwa die Unterstützung von Virtual und Augmented Reality. Freilich würde eine solch weitreichende Hardwarekooperation auch bedeuten, dass die Prozessorhersteller Alleinstellungsmerkmale gegenüber ihren Konkurrenten verlieren würden. Insofern ist noch unklar, ob sich diese auf die Kooperation mit Google einlassen werden. Sollten die Partner sich nicht für diese Form der Kooperation gewinnen lassen, bliebe Google noch immer eine andere Option: Jene die entsprechenden Hardwaredesigns einfach selbst produzieren zu lassen und mit eigener Hardware – etwa einem Pixel Phone – den Markt voranzutreiben. Ganz überraschend kommt der Bericht nicht, immerhin haben sich in den letzten Monaten die Anzeichen verstärkt, dass Google immer stärker in die Hardwareentwicklung eingreift. So zeichnen sich die neuen Nexus-Smartphones durch diverse gemeinsame, von Google entwickelte Komponente aus. Zudem war unlängst eine Jobausschreibung aufgetaucht, mit der Google nach einem Prozessorentwickler sucht.
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7Wissenschaft
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Das Krainer Greiskraut besteht in Wirklichkeit aus vier Arten, wie Forscher der Uni Wien zeigen konnten. Eine davon ist ausschließlich in Österreich heimisch. Wien – Botaniker der Uni Wien haben in den österreichischen Alpen neue Pflanzenarten entdeckt. Sie fanden heraus, dass das häufig zu findende Krainer Greiskraut (Senecio carniolicus) eigentlich aus vier Arten besteht. Alle davon kommen in Österreich vor, eine sogar nur dort, berichten sie im Fachjournal Phytotaxa. Das in den Ostalpen und den Karpaten oberhalb der Waldgrenze in Zwergstrauch-, Rasen- und Pioniergesellschaften vorkommende Krainer Greiskraut wächst sehr vielgestaltig, speziell Blattform und Behaarung unterscheiden sich. Die Wissenschafter hatten diese Mannigfaltigkeit laut Aussendung der Uni Ausdruck einer hohen innerartlichen Variabilität gedeutet. Durch zellbiologische, molekulare und ökologische Methoden zeigten Gerald Schneeweiß und Kollegen nun, dass das Krainer Greiskraut vier Gruppen umfasst, die sich durch Chromosomenzahl, genetische Muster, Standortsansprüche und zum Teil ihre Nicht-Kreuzbarkeit deutlich voneinander unterscheiden. Es lag daher die Vermutung nahe, dass die Formenvielfalt auf die evolutionäre Differenzierung zwischen diesen Gruppen zurückzuführen ist. Mit der morphologischen Charakterisierung hat Schneeweiß nun den letzten Puzzleteil gelegt, um die verschiedenen Formen als Arten beschreiben zu können. In manchen Gebieten, wie den Kärntner Nockbergen, kommen drei der vier Arten zum Teil auf kleinstem Raum gemeinsam vor. Aber selbst hier ist es mit ein wenig Übung möglich, die verschiedenen Arten zu unterscheiden, so der Botaniker. Alle vier Greiskraut-Arten gibt es in Österreich, eines davon, das Norische Greiskraut, kommt ausschließlich in Österreich vor. Die österreichische Flora umfasst etwa 3.600 heimische oder schon länger eingebürgerte Arten und Unterarten an Farn- und Blütenpflanzen, von denen 32 nur in Österreich vorkommen. Zu den letztgenannten Endemiten kommt nun durch die Arbeit von Schneeweiß eine weitere Art hinzu. Dass die Pflanzenvielfalt Österreichs unterschätzt wird, glaubt Schneeweiß nicht. Man darf aber davon ausgehen, dass es noch weitere neue Arten und Unterarten zu erkennen gibt, so der Forscher. Neuentdeckungen seien überall möglich, selbst in vergleichsweise gut untersuchten Gruppen wie den Blütenpflanzen.
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7Wissenschaft
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Goldschaumstoff repräsentiert leichteste Form des Edelmetalls, die je hergestellt wurde, und hat viele Anwendungsmöglichkeiten. Zürich – Schweizer Wissenschafter haben einen Schaumstoff aus Gold geschaffen – es ist die leichteste Form des Edelmetalls, die je hergestellt wurde. Sie ist tausendmal leichter als herkömmliches Gold und von diesem mit bloßem Auge kaum zu unterscheiden. Ein Nugget aus Gold, so leicht, dass es in einer Tasse Cappuccino nicht untergeht, sondern auf dem Milchschaum schwebt: Wissenschafter der ETH Zürich unter der Leitung von Raffaele Mezzenga, Professor für Lebensmittel und weiche Materialien, stellten eine neue Art Schaumstoff aus Gold her, ein dreidimensionales Goldgeflecht, das zu einem Großteil aus Poren besteht. Es handelt sich dabei um den leichtesten je geschaffenen Goldklumpen. Das sogenannte Aerogel ist tausendmal leichter als ein herkömmliches Goldnugget. Es ist leichter als Wasser und beinahe so leicht wie Luft, sagt Mezzenga. Mit dem bloßem Auge ist die neue Gold-Form kaum von herkömmlichem Gold zu unterscheiden – auch das Aerogel glänzt metallisch. Im Unterschied zur herkömmlichen Form ist es jedoch weich und von Hand verformbar. Es besteht zu 98 Teilen aus Luft, nur zu einem geringen Teil aus festem Material. Und von diesem festen Material sind gut vier Fünftel Gold, bei knapp einem Fünftel handelt es sich um Milchprotein-Fasern. Das entspricht 20 Karat Gold. Die Wissenschafter schufen den porösen Stoff, indem sie zunächst Milchproteine erhitzten, um daraus Nanometer-feine Proteinfasern (amyloide Fibrillen) herzustellen. Diese gaben sie in eine Lösung aus Goldsalz. Darin vernetzten sich die Proteinfasern zu einem Grundgerüst entlang dessen das Gold gleichzeitig zu kleinen Partikeln auskristallisierte. So entstand ein gelartiges Goldfasernetz. Eine der großen Herausforderungen war, dieses feine Netzwerk zu trocknen, ohne es dabei zu zerstören, erklärt Gustav Nyström, Oberassistent in der Gruppe von Mezzenga und Erstautor der entsprechenden Studie in der Fachzeitschrift Advanced Materials. Da das Trocknen an der Luft die feine Struktur des Goldes beschädigen könnte, wichen die Wissenschafter auf einen schonenden und aufwendigen Trocknungsprozess mithilfe von Kohlendioxid aus. Sie arbeiteten dazu zusammen mit Forschern aus der Gruppe von Marco Mazzotti, Professor für Verfahrenstechnik. Die gewählte Methode, bei der die Goldpartikel direkt bei der Herstellung des Aerogel-Proteingrundgerüsts auskristallisiert werden (und nicht etwa zu einem bestehenden Grundgerüst hinzugegeben werden), ist neu. Der große Vorteil der Methode: Sie erlaubt auf einfache Art, ein gleichmäßiges Goldaerogel zu erhalten. Außerdem bietet die Herstellungstechnik den Wissenschaftern viele Möglichkeiten, auf einfache Weise die Eigenschaften des Goldes bewusst zu beeinflussen. Die optischen Eigenschaften von Gold hängen stark von der Größe und Form der Goldpartikel ab, so Nyström. Wir können daher die Farbe des Materials verändern. Wenn wir dafür sorgen, dass das Gold nicht zu Mikropartikeln sondern zu kleineren Nanopartikeln auskristallisiert, entsteht dunkelrotes Gold. Nicht nur die Farbe, auch weitere optische Eigenschaften wie die Absorption und Reflexion können die Wissenschafter auf diese Weise beeinflussen. Das neue Material könne dort zum Einsatz kommen, wo bereits heute Gold gebraucht werde, sagt Mezzenga. Die Eigenschaften des Stoffes wie zum Beispiel das geringere Gewicht, der kleinere Materialbedarf oder der poröse Aufbau brächten Vorteile. Der Einsatz in Uhren und Schmuck sind nur eine Möglichkeit. Eine weitere Anwendung ist die chemische Katalyse, wie die Wissenschafter in ihrer Arbeit zeigten. Da das hochporöse Material eine riesige Oberfläche hat, laufen darin von der Anwesenheit von Gold abhängige chemische Reaktion sehr effizient ab. Außerdem könnte das Material dort zum Einsatz kommen, wo Licht absorbiert oder reflektiert werden soll. Und schließlich kann man daraus Drucksensoren herstellen. Bei normalem Luftdruck berühren sich die einzelnen Goldpartikel im Material nicht, das Goldaerogel leitet Strom nicht, erklärt Mezzenga. Wird der Druck jedoch erhöht, das Material quasi zusammengepresst, beginnen sich die Partikel zu berühren, das Material wird leitfähig.
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1Panorama
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In den vergangenen Tagen blieb die Zahl der Schutzsuchenden niedrig. Athen/Ankara – Die Zahl der aus der Türkei auf den griechischen Inseln ankommenden Flüchtlinge geht immer weiter zurück: Zwischen Samstag früh und Sonntag früh setzte kein einziger Schutzsuchender zu den griechischen Inseln über. Das teilte der Stab für die Flüchtlingskrise in Athen am Sonntag mit. Auch in den vergangenen Tagen blieb die Zahl der Schutzsuchenden niedrig. Von Montag und bis Samstag früh setzten dem griechischen Stab für die Flüchtlingskrise zufolge nur 332 Menschen über. Bisher haben wir keine Anzeichen dafür, dass die Türkei eine Erhöhung der Flüchtlingszustroms erlaubt, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. Bis heute morgen (Sonntag) ist sogar kein Einziger (Mensch) rübergekommen, sagte er. Im Februar setzten im Schnitt täglich mehr als 2000 Flüchtlinge und Migranten über, im März sank die Zahl auf fast 900 pro Tag. Im April kamen nach Angaben den UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) im Schnitt nur mehr 122 Migranten täglich an. Nach dem Abkommen zur Begrenzung des Flüchtlingszuzugs schickt die EU Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, zurück in die Türkei. Teil des Abkommens ist auch die Visumfreiheit für türkische Bürger, die in die EU reisen wollen. Über die Voraussetzungen streiten die EU und Ankara jedoch heftig, so dass die angestrebte Aufhebung der Visumpflicht bis Ende Juni offen ist – und damit die Zukunft des Flüchtlingspakts mit der EU insgesamt. (APA,. dpa, )
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7Wissenschaft
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Hermann F. Mark war einer der bedeutendsten österreichischen Chemiker – Die politischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts prägten sein turbulentes Leben. Wien – Alles Leben ist Chemie. Warum dieser Satz vielen nicht mehr ganz jungen Österreichern besonders vertraut klingt, hat auch mit Hermann F. Mark zu tun. Der weltberühmte Chemiker war 1978 Präsentator einer zehnteiligen ORF-Fernsehreihe unter eben diesem Titel – zu einer Zeit, als man im staatlichen TV noch etwas mehr Wert auf die Erfüllung des wissenschaftlichen Bildungsauftrags legte als heute. Mark war damals bereits 83 Jahre alt und lebte schon seit fast vier Jahrzehnten in den USA, wohin er nach dem Anschluss im März 1938 unter dramatischen Umständen geflüchtet war. Den Kontakt zu seiner Geburtsstadt Wien hat Mark aber nie aufgegeben. Und obwohl er aus Wien vertrieben wurde, hier kaum ein Drittel seines Lebens verbrachte und 1992 in Texas starb, wurde seine Urne am Matzleinsdorfer Friedhof in Wien beigesetzt. Geboren wurde Hermann Mark 1895 als Sohn eines prominenten Chirurgen, der vom Judentum zum Protestantismus konvertiert war. Sigmund Freud gehörte ebenso zu den Bekannten der Familie wie Arthur Schnitzer oder Theodor Herzl. Schon als hochbegabter Teenager hatte Hermann Mark vielfältige Interessen: Mit zwölf Jahren besuchte er erstmals naturwissenschaftliche Vorlesungen an der Uni Wien, schwärmte für die Musik Gustav Mahlers und war zudem exzellenter Sportler, kurz sogar Mitglied der Fußballnationalmannschaft. Dann kam der Erste Weltkrieg; Mark diente viereinhalb Jahre bei den Kaiserjägern, ab 1916 gehörte ein gewisser Engelbert Dollfuß Marks Regiment als Maschinengewehrspezialist an. Mark wurde drei Mal verwundet, erhielt 14 Tapferkeitsmedaillen und war angeblich der meist ausgezeichnete Truppenoffizier Österreichs. Trotz Kriegsgefangenschaft bis Oktober 1919 promovierte der tapfere Soldat bereits 1921 an der Uni Wien in Chemie, natürlich summa cum laude. Unmittelbar danach ging er aber nach Deutschland. Eine steile Karriere zwischen Universität, außeruniversitärer Forschung und Industrie begann, Mark war sowohl in der Chemie wie auch in der Physik an vorderster Front tätig: In Berlin konnte er als Kristallografieexperte mittels Röntgenbeugung die langkettige Molekülstruktur von Textilfasern aufklären, die zu den sogenannten Polymeren gehören. 1926 wechselte zu in die Industrie zu I.G. Farben, dem damals größten Chemiekonzern der Welt, und half sowohl in Theorie wie auch Praxis mit, dass die Firma zu einem der führenden Hersteller der ersten Kunststoffe wurde, die ebenfalls zu den Hochpolymeren zählen. In Deutschland gehörte der spätere Chemie-Nobelpreisträger Linus Pauling ebenso zu Marks Schülern wie der Physiker Edward Teller, der spätere Vater der Wasserstoffbombe. Angesichts des unaufhaltsamen Aufstiegs der Nationalsozialisten und seiner halbjüdischen Herkunft übersiedelte Mark im Herbst 1932 nach Wien, wo die Professur für physikalische Chemie frei geworden war. Die meisten Professoren der Philosophischen Fakultät wollten damals einen Arier, der politisch nicht links stehen durfte. In einem Brief anlässlich des Berufungsverfahrens gab ein (antisemitischer) Professor der Uni Wien immerhin auch Folgendes zu bedenken: Bei den vielfältigen Beziehungen gerade in der Chemie zum Judentum erwartet niemand von vornherein von einem Vertreter dieses Faches, dass er alle Juden, mit denen er notwendigerweise zu tun hat, sofort umbringt. Dass ausgerechnet der Halbjude Mark berufen wurde, hatte wohl auch damit zu tun, dass Ernst Späth, der damals mächtige Mann in der Chemie, kein ausgesprochener Antisemit war. Womöglich spielten aber auch Marks politische Beziehungen mit eine Rolle: Sein ehemaliger Untergebener Engelbert Dollfuß wollte Mark 1933 sogar als Handelsminister haben. Der frisch gebackene Ordinarius begnügte sich indes damit, das Ministerium in Sachen Holznutzung zu beraten und war zudem Mitglied des Erziehungsausschusses. Und als Dollfuß im Juli 1934 ermordet wurde, hielt Mark am Sarg seines Kriegskameraden Totenwache. Trotz der politischen und wirtschaftlichen Katastrophen dieser Jahre gelang es dem Chemiker, sein Institut binnen kürzester Zeit zu einem Weltzentrum der neuen Hochpolymerforschung auszubauen, wie Nuno Maulide, aus Portugal stammender Chemie-Jungstar an der Uni Wien, würdigt: Mark leistete in Wien entscheidende Beiträge, die Polymerchemie als eigene Subdisziplin des Faches zu etablieren. Und auch bei der Kommerzialisierung der Polymere spielte er eine entscheidende Rolle. Dabei halfen ihm die nach wie vor guten Beziehungen zu I.G. Farben, die einen Teil seiner Mitarbeiter finanzierten. Viele dieser jungen Forscher hätten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft keine Chance auf eine Anstellung an der Universität Wien gehabt, sagt Johannes Feichtinger, Wissenschaftshistoriker an der ÖAW, der über Mark und dessen hochproduktives Wiener Team geforscht hat, dem unter anderem der spätere Chemie-Nobelpreisträger Max F. Perutz angehörte. Mark und seine jungen Kollegen verfassten in den nicht einmal sechs Jahren bis zum Anschluss sieben Bücher und Dutzende wegweisende Fachartikel vor allem zur Chemie der Hochpolymere und Makromoleküle. Doch selbst das genügte dem leidenschaftlichen Bergfex Mark nicht, der Hobby und Wissenschaft verband, indem er wichtige Arbeiten zur Lawinenkunde verfasste. Als nach dem Juliabkommen des Jahres 1936 zwischen dem österreichischen Kanzler Kurt Schuschnigg und Adolf Hitler langsam absehbar wurde, dass nun auch in Österreich Gefahr drohte, organisierte Mark die Ausreise von rund 20 seiner Mitarbeiter in alle Welt. Damit war eine der erfolgreichsten Forschergruppen der Uni Wien für immer zerschlagen, denn nur die wenigsten Schüler Marks kehrten nach 1945 zurück nach Wien. Er selbst wartete mit der Ausreise im Frühjahr 1938 beinahe zu lange: Unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er als Dollfuß-Freund verhaftet, sein Reisepass wurde eingezogen und konnte von Mark erst gegen teure Bestechung eines befreundeten Rechtsanwalts wiedererlangt werden. Hermann Mark hatte aber längst selbst auch damit gerechnet, Österreich verlassen zu müssen, und als Wissenschafter ließ er sich einen besonderen Trick einfallen, um sein Vermögen an den Nationalsozialisten vorbei ins Ausland zu schaffen: Er kaufte in den Monaten vor dem Anschluss 1,1 Kilogramm Platindraht und verbog ihn zu unauffälligen Metallkleiderbügeln. Mit dieser wertvollen Fracht und Skiern am Auto flüchtete er mit seiner Familie unter abenteuerlichen Umständen über die Grenze in die Schweiz, nach Frankreich und England. Dann ging es mit einem Schiff weiter nach Kanada und in die USA. 1940 trat er ins Polytechnic Institute in New York ein, wo er sich auch um die US-Kriegswirtschaft verdient machte, sagt Johannes Feichtinger: Mark hat den USA nach dem Verlust des Zugangs zu Naturkautschuk der synthetischen Kautschukproduktion den Weg geebnet. Nach dem Krieg wurde Mark in den USA endgültig zu einem der führenden Pioniere der Erforschung und Kommerzialisierung von Kunststoffen, wovon rund 600 Fachartikel, 40 Bücher, rund 20 Ehrendoktorate und zahlreiche andere Auszeichnungen zeugen. Zum Glück für Österreich blieb Mark mit seiner Heimat weiter in Kontakt: Er war Gastprofessor an der Universität Wien und auch maßgeblich am Aufbau einer Reihe heimischer Industrieunternehmen beteiligt. Schließlich wurde Mark mit Alles Leben ist Chemie auch noch zu einem Pionier der Wissenschaftsvermittlung. Solche Aktivitäten hält Nuno Maulide, selbst ein engagierter Popularisator, heute für besonders wichtig. Es war wohl typisch für Mark, auch bei der Kommunikation von Wissenschaft ein Pionier gewesen zu sein.
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7Wissenschaft
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Forscher veröffentlichen sieben Fachartikel mit neuesten Erkenntnissen des Landers Philae über Tschurjumow-Gerassimenko. Göttingen/Wien – Zuletzt hatte ihm Pluto etwas die Show gestohlen, aber vergessen ist Tschurjumow-Gerassimenko, Zielkomet der Rosetta-Mission, keineswegs. Während Wissenschafter auf weitere Datenpakete vom Zwergplaneten warten, die über Monate hinweg portionsweise eintreffen werden, läuft die Auswertung der mit dem Landemodul Philae gewonnenen Erkenntnisse auf Hochtouren. Das US-Wissenschaftsmagazin Science bringt in seiner aktuellen Ausgabe gleich sieben Studien zu Tschuri. Wissenschafter analysierten seine Temperatur, den offenbar sehr homogen aufgebauten Kopf des entenförmigen Kometen und dessen hohe Porosität sowie mögliche Erosionsprozese an der Oberfläche. Noch nie konnte die Anatomie eines Kometen derart durchleuchtet werden. Besondere Bedeutung wird der Vielzahl organischer Moleküle beigemessen, die im Oberflächenstaub des Kometen gefunden wurden. Insgesamt 16 unterschiedliche organische Verbindungen konnten laut dem Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung nachgewiesen werden. Vier davon – Methyl-Isocyanat, Aceton, Propionaldehyd und Acetamid – waren von den Forschern zu eresten mal auf dem Kometen nachgewiesen worden. Alle enthalten Kohlenstoff und Wasserstoff, drei auch Stickstoff. Ein weiteres Team fand Hinweise auf größere kettenförmige Moleküle. Viele davon gelten als Schlüsselmoleküle für biochemische Reaktionen – etwa bei der Entstehung von Zuckern oder Aminosäuren. Die europäische Raumsonde Rosetta hatte das Mini-Labor Philae am 12. November 2014 nach zehnjähriger Reise auf dem Kometen abgesetzt. Statt weich aufzusetzen prallte Philae mehrmals von der Kometenoberfläche wieder ab. Bei seinem ersten Auftreffen auf dem Kopf des entenförmigen Kometen in der Region Agilkia traf die Sonde auf eine weiche, körnige Oberfläche von mindestens 20 Zentimetern Dicke, wie ein Team um Jens Biele vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln berichtet. Die meisten Partikel dort hätten einen Durchmesser von höchstens einem Zentimeter. Darauf können die Wissenschafter aus Daten über die weitere Flugbahn und Dämpfungseigenschaften der Beine des Landers schließen, wie Norbert Kömle vom Institut für Weltraumforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz erklärte. Da Philae sich nicht festhaken konnte, gelangte das Mini-Labor mit langsamen Hüpfern auf seinen letzten Landeort namens Abydos. Diese im Vergleich zum geplanten Landungsort viel schattigere Stelle erschwerte die Energieversorgung der Sonde, der nach wenigen Tagen der Strom ausging. Nachdem der Komet sich in den vergangenen Wochen immer stärker der Sonne angenähert hatte, erwachte sie am 13. Juni wieder und kommunizierte mit Rosetta, die den Kometen umkreist und die Verbindung zur Erde herstellt. In den folgenden Tagen meldete sich der Lander insgesamt sechs Mal wieder. Seit 9. Juli erreichen Philae-Projektleiter Stephan Ulamec und sein Team aber keine Daten mehr. Es ist ein wenig frustrierend, einen scheinbar funktionstüchtigen Lander auf der Oberfläche eines Kometen zu haben, aber nicht mit ihm kommunizieren zu können, sagte der aus Österreich kommende Forscher. Trotz der ungünstigen Lage wurden in den ersten Tagen nach der Landung Experimente durchgeführt. Bei elektromagnetischen Messungen ergab sich etwa, dass die Zusammensetzung des oberen Teils des Kometen überraschenderweise relativ homogen sein dürfte. Aufgrund des Zeit- und Energiemangels konnte nicht geklärt werden, ob die eigentümliche Form des vermutlich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entstandenen Himmelskörpers eine Folge von Erosion ist, oder ob er aus ursprünglich getrennten Objekten besteht. Überraschend ist auch die Erkenntnis, dass Philae auf einer harten Oberfläche zum Stehen oder Liegen kam. Diese Beschaffenheit dürfte auch die geplante Durchführung des MUPUS-Experiment (Multi purpose Sensors for Surface and Subsurface Science) verhindert haben, erklärte Kömle, der an dem Projekt und zwei der sieben Fachartikel beteiligt ist. Offenbar ist die Oberfläche so hart, dass der Mechanismus, den mit einer scharfen Spitze ausgestatteten 35 Zentimeter langen MUPUS-Stab nicht wie gewünscht im Untergrund hämmern konnte. Obwohl das System über drei Stunden hinweg bis zu 500 Hammerschläge mit steigender Energie ausgeführt hat. Temperatur-Sensoren in den Harpunen, die Philae eigentlich bei der Landung im Boden verankern sollten, und in einem anderen Instrument zeigten, dass die Tagestemperaturen auf Tschuri zwischen 90 und 130 Kelvin (minus 183 und 143 Grad Celsius) liegen. Warum die Harpunen nicht abgefeuert wurden, sei noch immer unklar, so der Grazer Forscher. Meine Hoffnung wäre, dass man die Harpunen gegen Schluss der Mission einfach doch noch schießt und damit weitere Daten erhält, erklärte er. Laut einem weiteren Ko-Autor einer der neuen Publikationen, dem Planetologen Karsten Seiferlin von der Universität Bern, könnte die harte Oberfläche erst vor kurzem, etwa durch die starke Strahlung in Sonnennähe, entstanden sein. Das widerspreche allerdings der Annahme, dass sich der Komet seit seiner Entstehung kaum verändert hat und somit einen Blick in die Gegebenheiten vor Milliarden Jahren ermöglicht. Der erhoffte Zeuge der Entstehung des Sonnensystems leidet gewissermaßen an Amnesie, so Seiferlin.
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Der Privatsender RTL hat die Besetzung für seine Dschungelcamp-Sommeredition bekannt gegeben. Köln/Wien – 27 ehemalige Kandidaten des erfolgreichen Formats spielen anlässlich des zehnten Staffeljubiläums um den Wiedereinzug eines Promis ins Dschungelcamp 2016. Motto: Ich bin DER Star! Lasst mich wieder rein! Nur einer bzw. eine kann den Weg zurück schaffen. In der RTL-Sommer-Show Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein! gehen die Ex-Kandidaten ab 31. Juli täglich live um 22:15 Uhr auf verschiedene Missionen im Großstadtdschungel. Neben Lugner kämpfen etwa der Schlagersänger Costa Cordalis, Nadja abd el Farrag, die Schauspieler Julia Biedermann, Mathieu Carrière und Brigitte Nielsen, die Erotikmodels Micaela Schäfer und Melanie Müller oder der Sänger Michael Wendler um den Wiedereinzug in den australischen Dschungel. Auch die Sommer-Ausgabe des Formats moderieren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich. Stargast im Studio ist Dr. Bob.
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Bereits 77 Prozent aller US-Amerikaner nutzen ein Smartphone. Das Analyseportal comScore hat neue Zahlen zum US-amerikanischen Smartphone-Markt veröffentlicht. Mittlerweile nutzen mehr als 77 Prozent der US-Bürger ein solches Gerät, der Wert stellt naturgemäß einen neuen Rekord dar. Bei den Betriebssystemen dominiert nach wie vor Android, wenngleich Apple leicht aufholen konnte. Mit 52,2 Prozent und 43,1 Prozent dominieren die zwei Betriebssysteme klar, Microsoft (3%), Blackberry (1,5%) und Symbian (0,1%) liegen abgeschlagen auf den letzten Plätzen. In Europa ist Apple weit weniger stark. Umfragen deuten darauf hin, dass Android hier mit bis zu 60 Prozent führt, während Apple bei 20 Prozent liegt. Eine Vielzahl der Nutzer wissen aber auch gar nicht, welches Betriebsystem sie verwenden – dabei dürfte es sich um Android handeln; da sich iPhone-Nutzer ihres iPhones meistens bewusst sind. Bei den einzelnen Anwendungen dominiert Facebook das Feld nach wie vor. 73,3 Prozent aller Smartphone-Nutzer waren im Juli 2015 in der Facebook-App, 59,5 Prozent im Facebook Messenger. Darauf folgt die Google-Vierfaltigkeit aus YouTube, Suche, Play und Maps. Dann kommt bereits das in den USA starke Pandora (in Europa dürfte Spotify gut abschneiden). Auch Apple Music ist mit 24,1 Prozent bereits in den Top 15 zu finden. Dahinter rangiert Snapchat (21,9 Prozent), das allerdings bei jungen Nutzern punktet und dementsprechend von Investoren umgarnt wird.
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Angriff auf vernetzte Kopierer und Drucker offenbar aus den USA – Sicherheitsleck behoben. Europa wird von feindseligen Fremden überschwemmt. Juden waren es und sind es, die den Neger an den Rhein bringen. Das sind Auszüge dessen, was kürzlich an mehreren deutschen Universitäten plötzlich von vernetzten Druckern und Kopierern ausgespuckt wurde. Ein Hackerangriff hat dafür gesorgt, dass die Geräte rechtsextreme Parolen, Hitler-Zitate und Hakenkreuze zu Papier brachten. Etwa 190 Dokumente wurden an den Hochschulen in Tübingen, Hamburg, Erlangen, Bonn und Münster gedruckt, berichtet Heise. Auch die Uni Darmstadt wurde genannt, hier liegt bislang aber noch keine Bestätigung vor. Es dürfte sich um einen geplanten Angriff von Neonazis anlässlich des Geburtstages von Adolf Hitler am 20. April handeln. Ein Datum, an dem alljährlich einige Menschen dem einstigen NS-Diktator ihre Reverenzen erweisen – etwa durch den öffentlich dokumentierten Verzehr von Eiernockerln mit Salat oder Schnitzel um 8,88 Euro im Tagesangebot eines Restaurants. Der Vorfall an den Universitäten ist zum Teil bereits aufgearbeitet worden. Der Angriff wurde demnach von einer US-amerikanischen IP-Adresse aus durchgeführt. Der Zugriff auf die Drucker und Kopierer war durch eine nicht näher genannte Sicherheitslücke möglich, die mittlerweile behoben worden sein soll. Es wurde Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Drucker anzugreifen, um sie rechtsradikales Material ausspucken zu lassen, ist keine neue Taktik. Auch US-Universitäten waren bereits Opfer solchen Vorgehens geworden, wie die Washington Post dokumentiert. Ein 30-jähriger Neonazi konnte sich nach eigenen Angaben Zugriff auf 20.000 Drucker verschaffen, um Hetzartikel und Werbung für ein rechtsradikales Blog zu drucken.
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7Wissenschaft
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Die ISS-Wohneinheit Beam blies sich nur um ein paar Zentimeter auf, der nächste Versuch soll am Freitag erfolgen. Miami/Washington – Die Installation eines experimentellen aufblasbaren Wohnmoduls an der Internationalen Raumstation (ISS) ist vorerst fehlgeschlagen. Das Modul mit dem Namen Bigelow Expandable Activity Module (Beam), das seit April an der Raumstation angekoppelt ist, sollte sich am Donnerstag aufblasen, doch das gelang nur teilweise, teilte die US-Raumfahrtbehörde Nasa mit. Der Versuch wurde nach mehreren Stunden abgebrochen, der nächste soll aber womöglich schon am Freitag folgen. Beam wurde von dem Privatunternehmen Bigelow Aerospace im Auftrag der Nasa zu einem Preis von 18 Millionen Dollar (rund 16 Millionen Euro) entwickelt und wird nun erstmals im All getestet. Nach dem ursprünglichen Zeitplan, der nun zu wackeln scheint, sollten erstmals am kommenden Donnerstag Astronauten in das annähernd kugelförmige Modul hineinschweben. Während des nun erfolgten Tests blies sich das in zusammengefaltetem Zustand 2,1 mal 2,4 Meter große Modul nach Angaben der Nasa jedoch gerade einmal um ein paar Zentimeter auf. Pressluft sollte Beam eigentlich zu einer vier Meter langen und 3,23 Meter breiten Einheit aufpumpen und innen rund 16 Kubikmeter Platz schaffen. Ist das Modul vollständig aufgeblasen, verfestigt sich die 30 Zentimeter dicke Wand und schützt die Besatzung vor den harschen Weltraumbedingungen – das zumindest hofft die Nasa. Ob die Wohneinheit hält, was sich die Techniker bei Bigelow Aerospace von ihr versprechen, und die Astronauten ausreichend gegen die hochintensive Strahlung, die extremen Temperaturschwankungen und kosmische Geschoße wie Weltraummüll und Meteoriten schützen kann, sollen Tests in den kommenden Monaten zeigen. Im Inneren von Beam sind zahlreiche Sensoren installiert, die unter anderem die Strahlung messen. Können die ISS-Astronauten die aktuellen Probleme nicht lösen, ist das Experiment gescheitert, bevor es richtig begonnen hat. Sollten sich Beam und etwaige Nachfolger jedoch als praktikabel erweisen, könnten aufblasbare Module nach Plänen der Nasa in künftigen Jahrzehnten als Wohnräume für Astronauten auf dem Mond oder dem Mars dienen. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass sie beim Transport nur wenig Platz brauchen.
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Nach der wechselhaften Nokia-Ära kommen in Finnland viele ehemalige Handyspezialisten in der Spiele-, Gesundheits- und Umwelttechnik unter. Das einstmals von Forstindustrie und Agrarwirtschaft geprägte Finnland hat der Computer- und Elektronikbranche im Großen und Ganzen den Aufstieg zur Businessnation modernen Zuschnitts zu verdanken. Nach der schlimmen Wirtschaftskrise, die Finnland Anfang der 1990er-Jahre im Zuge der Untergangswehen der Sowjetunion in eine tiefe Depression gestürzt hatte, war es der Unternehmenstausendsassa Nokia, der nach einer kurvenreichen Historie vom Papierhersteller über Gummistiefel, Reifen, Fernseher und Kabel als Handy-Weltmarktführer dem Land zu ungeahntem Wohlstand und Renommee verhalf. Tausende IT-Fachleute aus aller Welt, insbesondere aus Indien wurden mit verlockenden Gehältern ins Land geholt, der eigene Nachwuchs über offizielle und inoffizielle Kanäle gefördert. Nokia und eine Reihe von Zulieferern und Spin-offs dominierten das Finanzgeschehen und die Volkswirtschaft Finnlands; und das in einem Ausmaß, das jenes der ehemals so starken Papier- und Holzindustrie bei weitem übertraf. Das ging so weit, dass der damalige Nokia-Chef Jorma Ollila den Spitznamen König von Finnland verpasst bekam. In den Boomjahren machte nach Schätzungen allein der damalige Handy-Weltmarktführer mehr als 70 Prozent des gesamten Börsenwertes in Helsinki aus. Der schöne Traum platzte allerdings im Jahr 2013, als Nokia einen Jahresverlust von rund 2,3 Milliarden Euro hinnehmen musste. Es folgten der Verkauf der Handysparte an Partner Microsoft und die Entlassung tausender Arbeitskräfte. In Helsinki hatte man sich schon unmittelbar nach der Finanzkrise von 2008 den Kopf darüber zerbrochen, wie die finnische Erfolgsstory nach dem Sinken des Wirtschaftsflaggschiffs Nokia weitergeführt werden könnte. Dabei ging es auch um den Verbleib von Fachkräfte und Branchen-Know-how in Finnland. Politiker, Förderstellen und Arbeitsgruppen wie der legendäre Weisenrat zur Neudefinition einer nationalen Image-Strategie (Suomi-branding, 2008 bis 2010, dem Gremium gehörten Leute wie Ollila, Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari oder der spätere Ministerpräsident Alexander Stubb an) spekulierten anfangs noch, Unternehmen wie Jolla (Handy) könnten als Ersatzlokomotiven für die Erfolgswirtschaft aufgebaut werden. Jetzt setzt man in Helsinki vermehrt auf Diversifizierung. Vor rund zwei Jahren genoss die finnische Computerspielindustrie besondere Aufmerksamkeit. Doch die Resultate blieben hinter den hochgesteckten Erwartungen. Angry Birds-Produzent Rovio geriet wegen Problemen mit Nachfolgeprojekten ins Schleudern und musste ein Drittel seiner Belegschaft entlassen. Ein weiterer gehypter Star unter den Entwicklern, Supercell, wurde an japanische Investoren verkauft. Zahlreiche hoffnungsfrohe Game-Entwickler kamen erst gar nicht über das Brutkastenstadium hinaus. Start-up-Berater Valto Loikkanen sieht die Gaming-Branche als auf einem gewissen Niveau etabliertes Element der heutigen finnischen Wirtschaftsstruktur: Der Hype hat sich gelegt, die Aufwärtskurve ist flach geworden. 2015 erwirtschaftete die Sparte 1,8 Milliarden Euro Umsatz. Das ist naturgemäß ein winziger Bruchteil der finnischen Wirtschaftsleistung. Heutzutage steckt überall IT-Technologie drinnen, sagt Loikkanen und argumentiert, dass eine IT-Branche gar nicht mehr existiert. Für arbeitslos gewordene Computerspezialisten sieht er in Finnland derzeit die allerbesten Chancen im Bereich Gesundheit und Altenpflege. Als Beispiel nennt er die geplante Umgestaltung des vor einigen Jahren stillgelegten Maria-Krankenhauses in Helsinki zu einem der größten Healthcare-Start-up-Zentren in Europa. Die Umwelttechnik sei ein weiterer Bereich. Hier gibt es jetzt schon einen funktionierenden Cluster in der Region Vaasa an der mittleren Westküste des Landes. Auch in und um Helsinki gibt es viele Umwelttechnik-Unternehmen. Genaue Zahlen seien schwierig zu ermitteln, aber Loikkanen schätzt, dass es der Regierung bisher weitgehend gelungen ist, den größeren Teil der importierten Fachkräfte durch gezielte Initiativen an der Stange zu halten. Das ehemalige Nokia-Imperium zerfällt indes weiter. Nach der angekündigten Entlassung weiterer 1300 Mitarbeiter sah sich die Regierung Anfang April genötigt, die EU um Unterstützung zu bitten. Nokias anhaltende Krise ist sicherlich einer der Gründe, warum die Erholung der Wirtschaft im Europa-Vergleich in Finnland wie schon zuletzt hinterherhinkt. Für 2016 erwarten die Wirtschaftsauguren erstmals seit Jahren wieder ein bescheidenes Wachstum von einem halben Prozent.
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3Wirtschaft
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Händler monieren hohe Kosten durch wenig Wettbewerb. Wien – Die Stimmung war schon einmal besser in Österreichs Gaswirtschaft. Die für die Jahreszeit untypisch hohen Temperaturen haben zur Folge, dass weniger Gas aus Speichern abgerufen wird als in kalten Wintern üblich. Damit verdienen Unternehmen, die vom Ein- und Ausspeichern leben, weniger. In Österreich kommt hinzu, dass der Markt von zwei Firmen dominiert wird: RAG und OMV. Das ist quasi ein Monopol. Die Preise sind deutlich höher als etwa in Deutschland, sagte ein Eingeweihter, der nicht genannt werden wollte, dem STANDARD. Unter den hohen Speicherpreisen leide die Versorgungssicherheit. Gegen die RAG, die zu 50,025 Prozent der EVN gehört, zu 29,975 Prozent der Eon Exploration & Production GmbH und zu jeweils zehn Prozent Energie Steiermark Kunden GmbH und Salzburg AG, sind einige Schiedsgerichtsklagen anhängig, eingebracht von Kunden. Die RAG will zu laufenden Verfahren nichts sagen. Auslastung niedrig wie lange nicht Tatsächlich ist die Auslastung der Speicher in Österreich niedrig wie schon lange nicht. So lag der Füllstand aller in Österreich befindlichen Speicher Mitte November bei durchschnittlich 71 Prozent, ein Jahr davor bei 90 Prozent. Damit waren die Speicher schlechter gefüllt als zum selben Zeitpunkt 2013 (75 Prozent). In dem Jahr war der Russland/Ukraine-Konflikt am Hochkochen, was sich im Sommer mit Liefereinschränkungen und im Winter mit Lieferausfällen niederschlug. Momentan lagern nach Auskunft der RAG in deren Speichern (siehe Grafik) 3,6 Mrd. Kubikmeter (m3). Das entspricht einem Füllstand von 63 Prozent. Ein Jahr davor waren es noch 4,6 Mrd. Kubikmeter. Die OMV gibt den Füllstand ihrer drei Speicher mit 70 Prozent an, das sind zehn Prozentpunkte weniger als im Dezember 2014. Insgesamt fassen Österreichs Speicher rund 8,3 Mrd. m3 Erdgas. Während die Entgelte für gespeichertes Gas in Deutschland zwischen 2007 und 2015 von sechs bis zehn Euro je Megawattstunde (MWh) auf zwei Euro je MWh gefallen sind, sei davon in Österreich nichts zu bemerken, sagen Kritiker. Die Situation bei den Speichern ist zweigeteilt, sagt Energieregulator Walter Boltz. So sei noch Gas eingespeichert, das unter dem Regime der alten und vergleichsweise teuren Langfristverträge eingeleitet worden ist. Dieses Gas, das damals günstiger gewesen sei als der Marktpreis, belaste jetzt so manchen Händler. Bei Neuverträgen sei es für Speicherunternehmen aber kaum noch möglich, hohe Preise durchzusetzen. Boltz: Sonst deckt sich der Kunde billig am Gashub ein. Die Gaspreiskurve zeigt indes weiter nach unten. So hat sich innert eines Monats Gas an dem für Österreich relevanten Central European Gas Hub (CEGH) um zwei bis 2,5 Euro auf derzeit rund 17,4 Euro je MWh verbilligt.
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7Wissenschaft
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Jerusalem – Israelische Forscher haben untersucht, wie Gewinnen und Verlieren die Ehrlichkeit beeinflusst und eine erstaunliche Beobachtung gemacht: Siege bei Wettbewerben dürften das Gefühl auslösen, einen Anspruch auf größeren Erfolg zu haben, was Gewinner öfter schummeln lässt. Für die Studie im Fachblatt PNAS durchliefen 400 Probanden erst ein Schätzspiel. Beim folgenden Würfeltest wurde geprüft, welche Augenzahl sie sich selbst aufschrieben. Die Gewinner gaben dabei höhere Augenzahlen an, als sie statistisch haben dürften. (red) AbstractPNAS: Winning a competition predicts dishonest behavior New York – Kaiserschnitt-Babys weisen andere Bakterienbesiedelungen auf als vaginal Geborene. Das erhöht ihr Risiko für Asthma oder Immunschwächen. Maria Dominguez-Bello hat mit Kollegen in einer allerdings erst sehr kleinen Studie herausgefunden, dass das Einreiben mit in Vaginalsekret getränktem Mull helfen könnte. Dadurch entwickelten Neugeborene auch bei einem Kaiserschnitt in den ersten Wochen ein natürlicheres Mikrobiom, wie sie in Nature Medicine schreiben. (red) AbstractNature Medicine: Partial restoration of the microbiota of cesarean-born infants via vaginal microbial transfer (3.2.2016)
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7Wissenschaft
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Der Spieltheoretiker wurde im Juli 70 Jahre alt und wird nun mit einem zweitägigen Symposium geehrt. Als Mathematiker hätte man ja eigentlich alle Voraussetzungen, mobil zu sein. Man braucht für die Arbeit nur Papier, Bleistift und natürlich sein Hirn zum Nachdenken, scherzt Karl Sigmund über seinen Berufsstand. Wirklich ausgekostet hat das der Mann mit dem markanten Schnurrbart aber nur in ganz jungen Jahren. Da war er etwa am Institut des Hautes Études Scientifiques (IHES) in der Nähe von Paris und an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Mit doch verhältnismäßig jungen 29 Jahren wurde er ordentlicher Professor für Mathematik an der Universität Wien – und blieb der Alma Mater bis heute treu. Damit war es vorbei mit der Mobilität der Mathematik, könnte man meinen. Die Berufung war ein absoluter Glücksfall, sagt er heute. Ein zweiter Glücksfall geht übrigens auf das gleiche Jahr zurück: Sigmund heiratete die Historikerin und Autorin Anna Sigmund. Über sie und den gemeinsamen Sohn Willi sagte er nur: Wirklich außergewöhnliche Menschen. So verwurzelt er in all diesen Jahren in Wien auch war: Sigmund blieb geistig äußerst beweglich. Eine Eigenschaft, die von seiner Wissenschaft natürlich gefördert wird, weil viele Methoden und Formeln mehrere Anwendungsmöglichkeiten finden. Das hat mich immer fasziniert: Die Mathematik ist ein Mehrzweckwerkzeug, resümiert er. Und so kam es, dass er sich nach eingehender Beschäftigung mit einem Thema, das manch einen Leser in von Fragezeichen erfülltes Staunen versetzen dürfte, einem neuen, in den 1970er-Jahren geradezu revolutionären Bereich zuwandte: Nach der Ergodentheorie, der Mathematik der statistischen Mechanik, wie Sigmund es erklärt, kam die Biomathematik. Warum der so plötzliche Wechsel des Schwerpunkts innerhalb des Fachs? Sigmund: Wenn ich mich zu lange mit etwas Bestimmtem beschäftige, dann fällt mir irgendwann einmal nichts Neues mehr ein. Beispiel Evolutionstheorie Natürlich gab es auch andere Einflüsse: Der theoretische Chemiker Peter Schuster, später Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hatte interessante, für mich damals völlig neue Fragestellungen aufgeworfen. Und musste Sigmund wohl nicht lange überreden, sich ebendiesen zu widmen. Das war damals eine Sensation, diese Fächer zu verknüpfen. Und bis heute wundern sich viele Menschen, was Biologie und Mathematik miteinander zu tun haben. Dabei würden schon ganz einfache Beispiele aus Charles Darwins Evolutionstheorie beweisen, dass das sehr wohl auf Fakten beruht, sagt Sigmund. Je schneller sich ein Verhalten kopieren lässt, desto häufiger wird es, erklärt er. Eine Schlüssellektüre gab es auch: Das egoistische Gen von Richard Dawkins, obwohl die Mathematik darin nur am Rand ein Thema ist. Damit erschloss sich Sigmund ein ganz neues Feld, das damals international erst im Entstehen war: die evolutionäre Spieltheorie. Die Frage, ob in einer Tierart ein Konflikt eskaliert oder nicht, ließ sich doch tatsächlich durch mathematische Modelle beschreiben. Eine Gedankenwelt, die unter anderem in den Arbeiten des theoretischen Biologen John Maynard Smith (1920-2004) ihren Ausgangspunkt hatte, fand in Sigmund einen neugierigen und begeisterten Anhänger. Bei Null angefangen Das Wissen darüber eignete er sich freilich ausschließlich durch die Teilnahme an Kongressen oder die Lektüre von Büchern an, denn in Österreich spielte die Spieltheorie in den 1970er- und 1980er-Jahren keine große Rolle. Da waren vereinzelt Arbeiten an der Universität Wien oder am Institut für Höhere Studien (IHS), aber so etwas wie eine Schule der Spieltheorie gab es damals nicht. Und das, obwohl der gebürtige Österreicher Oskar Morgenstern gemeinsam mit John von Neumann als ihr Begründer gilt. Ein für die österreichische Nachkriegszeit fast schon typisches Versäumnis: Morgenstern flüchtete 1938 vor den Nazis. Damit wurden die grundlegenden Werke in seiner neuen Heimat, den USA, publiziert und wurden in den Wirtschaftswissenschaften übernommen. Sigmund: Es ging – verkürzt gesprochen – um Formeln für menschliches Verhalten. Um Interessenkonflikte. Und unter welchen Bedingungen man sich für Konflikt oder Kooperation entscheiden soll. Indirekte Reziprozität Erst später kamen dann die Anwendung im Tierreich und die Bedeutung für evolutionstheoretische Überlegungen. Welche Rolle spielt die Kooperation dabei? Ein Spieler kratzt einen Mitspieler. Dieser kratzt einen weiteren. In der Sprache der Spieltheoretiker nennt man das indirekte Reziprozität. In diesem Zusammenhang seien noch viele Fragen offen, sagt Sigmund. Weggefährten und Schüler bezeichnen Karl Sigmund als einen der wichtigsten Vertreter dieser Theorie – und als einen der Mitbegründer einer Schule, die mittlerweile einige Mathematiker hervorgebracht hat, die an international renommierten Universitäten auf dieser Basis arbeiten: zum Beispiel Martin Nowak und Christian Hilbe, beide an der Harvard University. Sigmund selbst wehrt derlei Beschreibungen entschieden ab. Peter Schuster und der Mathematiker Josef Hofbauer hätten auch so begonnen, sich damit auseinanderzusetzen. Kurze Pause. Sagen wir so: Ich war dabei. Er sei mit seinen Arbeiten höchstens auf Hügeln gewesen, auf den großen Bergen waren andere, sagt er. Wer? John Nash zum Beispiel, der heuer bei einem Autounfall verstorbene Mathematiker, oder Kurt Gödel, der große Logiker, über den Sigmund schon eine umfassende Ausstellung gestaltete. Es wäre Anmaßung, mich dazuzustellen. Aber man kann die Gipfel auch von unten bewundern. Was für Sigmund immer sehr wichtig war: die Eins-zu-eins-Beziehung zu Kollegen. Die hatte auch eine ganz starke emotionale Komponente. Zum Beispiel zu Martin Nowak, der heute ein Freund ist, auf den er bei einem ersten Vortrag über das Gefangenendilemma, einen Klassiker der Spieltheorie, aufmerksam wurde. Da war im Publikum unter den Studenten ein Kopf, der zu leuchten begann, das war Martin. Wenig später besiegte der Student den Professor mehrfach bei einem Brettspiel. Sigmund: Von da an wusste ich, dass ich mit ihm arbeiten will. Eine Kooperation entstand, aus der zahlreiche von großen Journals wie Nature publizierte Papers hervorgingen. Glückliche Zufälle Dass man sich damals fand und dass Sigmund diese Arbeiten meist mit jungen Mathematikern schrieb, mit denen er gedanklich auf einer Wellenlänge war, bezeichnet er als glücklichen Zufall. Und ergänzt mit einem Augenzwinkern: Dank ihrer musste ich mich nie mit Computerprogrammen beschäftigen, die heute in der Spieltheorie aber ein wichtiges Werkzeug sind. Zu einer zweiten Methode der Erkenntnisgewinnung fand Sigmund allerdings noch weniger Zugang. Ich habe an Experimenten teilgenommen, sogar eines geleitet, aber mein Weg war eher das theoretische Gerüst dazu. Eine Gedankenwelt, für die man eben nur Papier und Bleistift braucht. Sigmund ist also Hochschullehrer und Spieltheoretiker. Da gibt es aber noch einen dritten Beruf, den er seit Jahren verfolgt, den des Wissenschaftshistorikers. Das habe ihn schon als Schüler fasziniert, als er vorerst einmal vor allem für Geometrie eine Leidenschaft einwickelte. Und ich war vermutlich noch keine 20, als ich beschloss, irgendwann einmal ein Buch über den Wiener Kreis, die philosophische Denkschule der 1920er-Jahre, zu schreiben. Heuer ist es schließlich bei Springer herausgekommen:Sie nannten sich Der Wiener Kreis. Die gleichzeitig gemeinsam mit Friedrich Stadler gestaltete Ausstellung zum Thema läuft noch bis 31. Oktober im Hauptgebäude der Universität Wien. Hang zur Philosophie Geistesgrößen wie Moritz Schlick oder Gödel, auch Mitglied des Wiener Kreises, haben es Sigmund eben angetan. Wahrscheinlich hat das auch eine gewisse Logik, denn die Spieltheorie hat eine starke philosophische Komponente. Ein Thema ist dabei häufig: Moral. Und ich habe auch einen Hang zur Philosophie. Das ist für mich eine wichtige Ergänzung. Sigmund wird weiterhin der Uni Wien verbunden bleiben. Am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) ist er ja schon seit 1984 nebenbei aktiv. Immer freitags, weswegen ihn die Wissenschafter in Laxenburg nach dem Vorbild von Daniel Dafoes Robinson Crusoe The Man Friday nannten. Eine nächste Idee für ein Projekt zur Wissenschaftsgeschichte gibt es bereits: Sigmund will einen Dokumentarfilm über Albert Einsteins Spuren in Wien drehen. Und ansonsten nicht daran denken, mit der Mathematik aufzuhören. Das ist ja keine Arbeit, sondern eine Leidenschaft. Nachsatz mit einem Lächeln: Solange ich nicht gaga bin, werde ich natürlich nicht aufhören nachzudenken.
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Physiker untersuchten das Explosionsverhalten von Luftballons systematisch und entdeckten erstaunliche Regelmäßigkeiten. Paris/Wien – Im Labor von Sébastien Moulinet und Mokhtar Adda-Bedia an der Universität Paris Diderot dürfte es einige Zeitlang recht lustig und auch recht laut zugegangen sein. Die beiden Physiker wollten nämlich das Geheimnis lösen, wie Luftballons wirklich zerplatzen – und von welchen Faktoren das Explosionsverhalten abhängt. Angeregt wurde Moulinet durch Fotos eines platzenden Ballons, die mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen worden waren. Sie zeigten nicht nur einen Riss in der Ballonhaut, sondern ein regelmäßiges Muster an Rissen. Doch warum reißen die meisten Luftballons nur an einer Stelle, sodass meist ein Gummifetzen bleibt? Die beiden Forscher gingen diesem Rätsel mittels Experimenten auf den Grund. Und die Ergebnisse waren interessant genug, dass sie im renommierten Fachmagazin Physical Review Letters veröffentlicht wurden – nicht zuletzt wohl auch deshalb, weil die neuen Erkenntnisse der Materialforschung helfen könnten, Reißprozesse anderer Materialien besser zu verstehen. Ihre Versuchsanordnung sah vor, dass eine dünne Gummimembran über ein Gasventil gespannt und von diesem aufgeblasen wird. Über dem sich aufblähenden Luftballon wurde eine scharfe Klinge befestigt – und zwar in verschiedenen Abständen. Damit konnten die Forscher überprüfen, wie der Ballon unter unterschiedlichen Druckverhältnissen platze – jeweils aufgenommen von einer Hochgeschwindigkeitskamera mit bis zu 60.000 Bildern pro Sekunde. Das erstaunliche Resultat bei den Forschungen mit Knalleffekt: Luftballons platzen ausschließlich auf zwei Arten: Entweder wird die Gummihaut nur durch einen großen Riss zerstört, was zu einem Fetzen führt, der übrig bleibt. Oder der ursprüngliche Riss verzweigt sich mit einer Geschwindigkeit von rund 570 Metern pro Sekunde in weitere, meist regelmäßige Risse. Übrig bleibt eine Ballonleiche in Form vieler kleiner Fetzen. Welche Alternative das Ende des Luftballons besiegelt, schien auf den ersten Blick vom Luftdruck innerhalb der Hülle abzuhängen: Bei geringem Druck bildet sich nur ein großer Riss. Bei einem voll aufgeblasenen Ballon mit entsprechend straff gespannter Gummihaut hingegen breitet sich der einzelne Riss nicht schnell genug aus, um die Spannungen abzubauen: Er ist instabil und beginnt sich baumartig zu verzweigen. Weitere Experimente zeigten dann freilich, dass es nicht der Druck im Inneren des Ballons ist, sondern die Spannung der Gummihaut. Dementsprechend kommt es auch auf die Dicke der Gummihaut und die Biegung des Materials an, ob das Reißverhalten komplex wird oder nicht.
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7Wissenschaft
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Sentinel-3A auch mit österreichischer Technologie ausgerüstet. Wien – Am Dienstagabend ist der Umwelt-Satellit Sentinel-3A mit einer Rockot-Trägerrakete vom Kosmodrom Plessezk in Nordrussland Richtung All gestartet. Aus rund 800 Kilometern Höhe soll er regelmäßig und global die Ozeane im Blick haben und die Temperatur sowie das Ansteigen des Meeresspiegels messen. Sentinel-3A (englisch für: Wächter) ist der dritte Satellite aus dem europäischen Copernicus-Programm zur Erdbeobachtung. Weitere Satelliten sollen folgen. Dazu zählt im nächsten Jahr 2017 ein zweiter, baugleicher Sentinel-3B. Die Vorhersage- und Klimadaten nutzen hauptsächlich Politiker, Unternehmer, Wissenschafter und die Landwirtschaft. Bis 2021 sollen insgesamt zehn Sentinel-Satelliten um die Erde kreisen. 2014 wurde mit Sentinel-1A der erste davon gestartet, im Vorjahr folgte Sentinel-2A. Das Programm Copernicus ist eine Initiative der EU, der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und der Europäischen Organisation für meteorologische Satelliten EUMETSAT. Damit soll nach den Missionen ERS-1, ERS-2 und ENVISAT die kontinuierliche Umweltbeobachtung fortgesetzt werden. Die Sentinel-Flotte überwacht Land- und Meeresoberflächen, beobachtet Klimaveränderungen und Veränderungen in der Flächennutzung. Die öffentlich zugänglichen Daten der Satelliten stehen aber nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für wirtschaftliche Anwendungen in der Land- und Forstwirtschaft, Raum-und Städteplanung oder für das Katastrophen-Management zur Verfügung. Die zwei baugleichen Sentinel-3-Satelliten (Sentinel-3B soll 2017 starten) werden Temperatur, Farbe und Höhe der Meeresoberflächen sowie die Dicke von Meereis messen und damit u.a. Veränderungen des Meeresspiegels, Meeresverschmutzung und biologische Produktivität überwachen. So können etwa für die Seefahrt der Zustand der Meeresoberfläche genau vorhergesagt werden. Aus der Beobachtung der Landfläche sollen Aussagen über die Landnutzung, den Zustand der Vegetation oder die Pegelstände von Flüssen und Seen getroffen und etwa Flächenbrände überwacht werden können. Der Satellit wurde von einem Konsortium aus rund 100 Unternehmen unter der Federführung von Thales Alenia Space aus Frankreich entworfen und gebaut. Von RUAG Space Österreich, der größten heimischen Firma im Bereich Weltraumtechnik, stammen – wie schon für Sentinel-2A – die GPS-Navigationsempfänger zur genauen Positionierung des Satelliten im All, die Schnittstellenelektronik für den Zentralcomputer und das gesamte Thermalsystem für einen geregelten Temperaturhaushalt des Satelliten. Zudem lieferte RUAG Space Österreich das Hochfrequenz-Testsystem des Höhenmessradars und Siemens Österreich Softwaretestgeräte. Zahlreiche österreichische Unternehmen und Forschungseinrichtungen nutzen bereits die Sentinel-Daten.
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7Wissenschaft
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Britische Forscher wollen in nur mäßig erhaltenen Knochen Kollagen und sogar rote Blutkörperchen entdeckt haben.. London/Wien - Um sich ein einigermaßen stimmiges Bild davon zu machen, wie Dinosaurier ausgesehen haben, bleibt den Paläontologen nach all den Jahrmillionen nicht mehr viel, mit dem sie heute arbeiten können. Rekonstruktionen basieren in der Regel auf schlecht erhaltenen fossilen Knochen. Ob die Urzeitechsen beispielsweise womöglich eine bunte Farbenpracht zur Schau trugen, bleibt noch immer weitgehend der Fantasie der Wissenschaftsillustratoren überlassen. Noch weniger zuverlässig erweist sich in dieser Hinsicht Hollywood: Der nun angelaufene vierte Teil der Dino-Saga Jurassic Park setzt immer noch auf kahle Geschöpfe, obwohl sich seit einigen Jahren in der Fachwelt allmählich die Vorstellung von gefiederten Riesen durchsetzte. Vermutlich befürchteten die Macher von Jurassic World, dass flauschige Räuber nicht furchterregend genug wirken könnten. Wichtige Hinweise auf Erscheinungsbild und Lebensweise der Dinosaurier könnten freilich organische Überreste liefern. Doch diese waren Forschern erst in seltenen Ausnahmefällen anhand von außerordentlich gut erhaltenen Fossilien zugänglich. Schuld daran ist der Umstand, dass Proteine im Normalfall innerhalb von vier Millionen Jahren bis zur Unkenntlichkeit zerfallen. Umso überraschender kommt daher eine nun von britischen Wissenschaftern im Fachjournal Nature Communications vorgestellte Entdeckung: Die Forscher um Sergio Bertazzo und Susannah Maidment vom Imperial College in London konnten in acht rund 75 Millionen Jahre alten Dinosaurierknochen biologische Spuren nachweisen, die sie als Blutzellen und Kollagenfasern interpretieren. Das Besondere an dem Fund: Die Knochen, aus denen die organischen Reste geborgen wurden, befinden sich in einem reichlich dürftigen Erhaltungszustand. Die Rippen, Hüft- und Beinknochen wurden vor etwa zehn Jahren in Kanada ausgegraben und lagerten seither in der Sternberg and Cutler Collection des Londoner Natural History Museum. Wie schlecht der Konservierungsgrad der Fossilien war, zeigt die Tatsache, dass sich an ihnen nicht mehr feststellen lässt, welcher Spezies die Gebeine einst gehörten. Für Bertazzo und sein Team als besonders ergiebig erwies sich eine Klaue: Mithilfe eines Ionenstrahls extrahierten die Forscher daraus auf besonders materialschonende Weise Proben, die sie im Anschluss genauer unter die Lupe nahmen. Der Einsatz eines Massenspektrometers brachte schließlich das zutage, was unter den gegebenen Umständen schon längst hätte verschwunden sein müssen: Proteine. Konkret fanden die Forscher kleine rundliche Strukturen mit einem dichteren Kern, die frappierend an rote Blutkörperchen moderner Emus erinnern. Außerdem zeigten die mikroskopischen Aufnahmen stäbchenartige Formen. Diese interpretierten die Wissenschafter als mögliche Kollagenfasern. Dennoch bleibt Bertazzo vorsichtig: Wir müssen noch weitere Untersuchungen durchführen, um unsere Entdeckungen zu bestätigen. Die potenziellen Gewebereste nähren die Hoffnung, dass sich auch in vielen anderen in Museen gelagerten Dinosaurierknochen noch biologisches Material finden lässt. Ein mögliches zukünftiges Jurassic-World-Szenario lässt sich aus den Ergebnissen der britischen Wissenschafter allerdings nicht ableiten: DNA-Spuren konnten die Forscher in den Proben nämlich keine entdecken.
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2International
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Er sei kein Jihadist, gab der 35-Jährige am Montag Ermittlerinformationen zufolge an. Paris – Der mutmaßliche Attentäter in Frankreich, der die Enthauptung seines Chefs gestanden hat, will nicht aus islamistischen Motiven gehandelt haben. Der 35-Jährige habe den Ermittlern gesagt, er sei kein Jihadist, gab eine mit der Untersuchung vertraute Person am Montag an. Er habe zudem frühere Aussagen bekräftigt, wonach er die Tat am Freitag nach vorausgegangenen Streitereien mit seiner Frau und seinem Chef begangen habe. Warum er am Anschlagstag neben den abgetrennten Kopf seines Opfers Fahnen mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis aufhängte, erklärte der Festgenommene aber nicht. Der Mann war am Tatort, einer Chemiefabrik am Rande von Lyon, festgenommen worden. Bei einer Überprüfung des Handys des Verdächtigen wurde ein Foto entdeckt, das ihn vor seiner Festnahme mit dem Kopf zeigt. Das Bild wurde an ein Mobiltelefon eines Franzosen geschickt, das zuletzt im syrischen Raqqa geortet wurde, einer Hochburg der IS-Miliz. Der Verdächtige soll zudem versucht haben, die Fabrik in die Luft zu sprengen. Präsident François Hollande hatte von einem Terroranschlag gesprochen. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, der Festgenommene sei nicht vorbestraft. Er sei aber in der Vergangenheit vom Staatsschutz überwacht worden, weil die Gefahr einer Radikalisierung bestanden habe.
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2International
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Nichts ist mehr übrig vom Umfragehoch für François Hollande nach dem Terror in Paris – viele fordern für die Präsidentschaftswahl 2017 sogar eine Vorwahl. Die Leibwächter bildeten eine Menschenkette um den Präsidenten, dennoch wurde er beim Pariser Agrarsalon angerempelt; bleich und verängstigt hastete François Hollande weiter, während Gebuhe, Pfiffe und Rufe nach démission widerhallten. Der Empfang, der Hollande am Samstag durch aufgebrachte Landwirte zuteilwurde, hatte etwas Unerhörtes: Der Präsident des Bauernverbandes FNSEA, Xavier Beulin, entschuldigte sich nachher offiziell für die Schmach, die Hollande bereitet worden war. Sogar für französische Verhältnisse war die Grenze zur Majestätsbeleidigung klar überschritten. Bei Hollande scheinen Ablehnung und Zurückweisung aber keine Grenzen mehr zu kennen. Nach einem kurzen Popularitätsschub infolge der Pariser Terroranschläge im vergangenen November ist der 61-jährige Sozialist wieder auf Sympathiewerte von kaum 20 Prozent abgesackt. Kein Wunder, dass sich auch aufseiten der Linken immer mehr Zweifel laut wird, ob Hollande nächstes Jahr überhaupt der richtige Kandidat für die Nachfolge Hollandes sei. Auch das hat etwas Unerhörtes: Bei der überragenden Position des Staatspräsidenten in Frankreich gilt dieser per se als natürlicher Kandidat. So ist es 1981 bei Valéry Giscard dEstaing, 1988 bei François Mitterrand, 2002 bei Jacques Chirac und auch 2012 bei Nicolas Sarkozy gewesen. Hollande scheint seine Position selbst zu untergraben: Mit der vom Front National übernommenen, rein symbolischen Idee, Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, stößt er die meisten Parteifreunde vor den Kopf. Auch mit seiner neuen Arbeitsmarktreform erntet er Beifall einzig von rechts, während die Linke über die Liberalisierung aufschreit. Zu viel ist zu viel, wetterte vergangene Woche ein Kollektiv aus Martine Aubry, Daniel Cohn-Bendit und anderen, um zum Schluss zu kommen: Der gesamte Aufbau unserer sozialen Beziehungen wird niedergerissen! Als Reaktion darauf vertagte die Regierung die für den 9. März angekündigte Präsentation der Reform auf später. Aubry hatte allerdings schon am Vortag erklärt, sie trete mit ihren Anhängern geschlossen aus der Parteiführung zurück. Die Aubristen verstärken so die Reihen jener, die eine Vorwahl verlangen. Einen entsprechenden Appell hatten im Jänner schon bekannte Linke gestartet – und keineswegs bloß Cohn-Bendit, der Starökonom Thomas Piketty oder der Grüne Yannick Jadot. Letzterer fordert kategorisch: Wenn Hollande 2017 antreten will, muss er sich einer Vorwahl stellen. Der Präsident steht damit vor einem Dilemma: Allein schon die Teilnahme an einer Vorwahl wäre erniedrigend; setzt er sich aber darüber hinweg, würde er damit so viele linke Splitterkandidaturen hervorrufen, dass er nicht einmal sicher sein könnte, bei der tatsächlichen Wahl in den zweiten Durchgang vorzudringen – zumal der Linke Jean-Luc Mélenchon bereits seine Bewerbung angemeldet hat. Auch der 2014 von Hollande geschasste Wirtschaftsminister Arnaud de Montebourg bereitet angeblich einen Soloritt vor. Hollande kann derzeit nur noch hoffen, dass sich die Wirtschaftslage rasch bessert: Die Statistik weist für Jänner in der Tat einen überraschend starken Rückgang der Arbeitslosigkeit aus. Mehr als ein Strohhalm ist das nicht für Hollande: Die meisten Ökonomen glauben nicht an eine dauerhafte Aufhellung an der Arbeitsfront.
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1Panorama
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Die "Opferanwälte" in der Causa Alijew wollten 2011 erreichen, dass Bundespräsident Heinz Fischer einen Bericht von der Justizministerin einfordert. Die Präsidentschaftskanzlei sagt, man habe stets Österreichs Rechtsstandpunkt vertreten. Wien – In der Causa Alijew hatten die involvierten Anwälte der Witwen der mutmaßlichen Mordopfer alle Hände voll zu tun. Ihr Ziel war unter anderem die Auslieferung Rachat Alijews nach Kasachstan. Die Republik lehnte die Auslieferung aber ab und hat in der Folge selbst ermittelt; das Mordverfahren läuft, Alijew hat sich in der U-Haft das Leben genommen. Für die Kanzlei Lansky, Ganzger & Partner (LGP) haben auch hohe Exmitarbeiter aus der Justiz gearbeitet – einer davon war der pensionierte Präsidialchef des Justizministeriums und Generalprokurator im Ruhestand, Otto F. Müller. Auch er hat sich in der Auslieferungsfrage sehr engagiert – und zwar auch bei der höchsten Stelle der Republik, beim Bundespräsidenten. Das geht aus einem LGP-Aktenvermerk von Anfang Mai 2011 hervor. Damals hatte der kasachische Generalstaatsanwalt ein Schreiben bei Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) und bei Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) deponiert, mit Garantien zur Wahrung der Verfahrens- und Menschenrechte der Auszuliefernden nach deren Überstellung. Mit dabei: ein Aktenvermerk der österreichischen Botschafterin in Kasachstan, Ursula Fahringer. Als weitere Schritte plante LGP, sich über die Reaktion des Bundespräsidenten zu erkundigen. Insbesondere wolle man erfahren, ob er auf dieser Grundlage einen Bericht von der neuen Ministerin (Karl; Anm.) verlangt, (was unser Ziel wäre), oder ein Gespräch mit ihr in die Wege leitet. Dem Zufall wurde nichts überlassen. Weiter aus der Aktennotiz: Otto F. Müller versucht, über seine Kontakte im Büro von HBP (Herrn Bundespräsidenten; Anm.) über sein Vorhaben und seine Reaktion zu erfahren und Einsicht in den Aktenvermerk der Botschafterin zu bekommen. Er versucht weiters zu erreichen, dass HBP einen Bericht von der Bundesministerin Karl verlangt. Die Opferanwälte von der Kanzlei LGP hatten damals vor allem Staatsanwalt Peter Seda im Visier, dem sie Untätigkeit vorwarfen (und den sie auch beschatten ließen). Allerdings hielten sie es selbst für unwahrscheinlich, dass es aus dem Ministerium eine Antwort in die Richtung geben wird, dass die Garantien im Alijew-Auslieferungsverfahren berücksichtigt werden. Trotzdem wollte man genau das erreichen: Dass Bundesministerin Karl über Frau Mag. Göth-Flemmich (Abteilungsleiterin für Auslieferungsfragen im Justizministerium; Anm.) Dr. Seda anweist, die Garantien in seinem Abschlussbericht zu berücksichtigen. Auch dieses Vorhaben sei aber recht ambitiös, heißt es im LGP-Aktenvermerk. Ob beziehungsweise was Müller bei Bundespräsident Fischer oder dessen Büro recherchierte, lässt sich heute schwer sagen. Müller selbst ist nicht zu erreichen, und in der Präsidentschaftskanzlei sagt man so: Der Bundespräsident und die Präsidentschaftskanzlei haben in der Causa Alijew immer den österreichischen Rechtsstandpunkt vertreten. Überlegungen, die eine Rechtsanwaltskanzlei in dieser Causa anstellt, sind nicht maßgeblich. Und Anwalt Gabriel Lansky lässt ausrichten, die seine Kanzlei betreffenden Daten seien gestohlen und teils manipuliert und rechtswidrig an Medien verteilt worden. Man sehe sich nicht in der Lage, jedes einzelne dieser gestohlenen, dem Anwaltsgeheimnis unterliegenden Schriftstücke zu kommentieren.
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6Etat
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ARD will für die Jahre 2017 bis 2020 offenbar so viel Geld für Sportübertragungen ausgeben wie nie zuvor. Köln – ARD und ZDF bemühen sich um eine Sublizenz für die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele von 2018 bis 2024. Rechteinhaber ist seit Ende Juni Discovery Communications, die Muttergesellschaft des Spartensenders Eurosports. Discovery zahlt dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für sämtliche TV- und Multiplattform-Übertragungsrechte für die vier Olympischen Spiele 1,3 Milliarden Euro. Ich kann bestätigen, dass das ZDF gemeinsam mit der ARD in Gespräche mit Discovery/Eurosport eintreten wird, um die Möglichkeit einer Sublizensierung von TV-Rechten an den Olympischen Spielen ab 2018 zu diskutieren, teilte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz dem Sport-Informations-Dienst (SID) mit und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky stellte fest: Die Gespräche mit den Rechtehaltern der Olympischen Spiele 2018-2024 stehen noch an. Zu Inhalten oder Umfang einer möglichen Sublizensierung können wir uns daher momentan noch nicht äußern. Die ARD will – laut Bild – im kommenden Haushalt für die Jahre 2017 bis 2020 offenbar so viel Geld für Sportübertragungen ausgeben wie nie zuvor. Demnach beantragt die ARD 1,163 Milliarden Euro, das wären 66 Millionen Euro mehr als im laufenden Vier-Jahres-Haushalt. Mit diesem Geld will sich das Erste nicht nur um Olympia und die weitere Austrahlung der Sportschau bemühen, sondern hat als weiteres Großprojekt auch den Wiedereinstieg in die Übertragungen von den Qualifikationsspielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die EM 2020 und WM 2022 ins Visier genommen. Man prüfe, so Axel Balkausky, generell programmlich attraktive Sportrechte. Dazu gehören natürlich auch die Qualifikationsspiele einer Fußball-EM. Derzeit hält der Kölner Sender RTL die Rechte an den Ausscheidungsspielen zur EM 2016 und WM 2018 und erreichte bei den Zuschauerzahlen zuletzt zweistellige Millionen-Werte. Die Spiele des Weltmeisters sind aber nicht nur für die ARD ein lohnendes Objekt. Das ZDF meldet ebenfalls Interesse an. Auch die Übertragungsrechte an den Quali-Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ab 2018 sind für das ZDF ein Thema, bestätigte Gruschwitz dem SID. ARD und ZDF besitzen die TV-Rechte an der EM-Endrunde 2016 in Frankreich und der WM-Endrunde 2018 in Russland.
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5Inland
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Schulverwaltungsreform ist ein hartes Geschäft – für Bund und Länder. Braucht Kärnten acht Landwirtschaftsschulen? Drei reichen, sagt der rote Bildungskoordinator. Tun sie nicht, kontert die ÖVP. Ein Exempel. Wien – Mit der Reform der Schulverwaltung im Großen haben Bund und Länder bzw. das SPÖ-geführte Bildungsministerium und einige ÖVP-Landeshauptleute gerade gröbere Schwierigkeiten. Dass Schulverwaltung im Kleinen, also auf Landesebene, auch eine harte Nuss sein kann, zeigt exemplarisch ein Beispiel aus Kärnten. Es geht um den landwirtschaftlichen Schulbereich. Den hält der von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) eingesetzte bildungspolitische Koordinator Herbert Würschl für ein Verwaltungsmonstrum, wie er im STANDARD-Gespräch sagt: Das gehört dringend reformiert, um zu einer effizienten und sparsamen Schulverwaltung zu kommen. Gefordert sei da der zuständige Agrarlandesrat Christian Benger, der auch ÖVP-Landeschef ist. Die land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen – sie zählen zu den berufsbildenden mittleren Schulen – fallen in die Kompetenz der Länder und werden in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium verwaltet. Auf STANDARD-Anfrage verwies Landesrat Benger auf die reformorientierte Vorreiterrolle des landwirtschaftlichen Schulwesens in Kärnten, das bestmögliche Ausbildungsqualität für den ländlichen Raum garantiert, was die einzig steigenden Schülerzahlen aller Schulbereiche in Kärnten mehr als verdeutlichen. Wir sind finanziell unter Druck, entgegnet der Bildungskoordinator und verweist auf Umstrukturierungen im Pflichtschulbereich, wo das Land Kärnten Lehrerinnen und Lehrer einsparen und Kleinschulen zusammenlegen müsse – und zugleich haben wir für acht landwirtschaftliche Schulen 120 Schulverwalter. 15 Schulverwalter pro Schule sind zu viel. Zur Verwaltung rechnet Würschl vom Landesrat abwärts die landwirtschaftliche Schulabteilung im Land (für die Pflichtschulen gibt es eine eigene Schulabteilung, in der Würschl tätig ist), die Direktoren, eine Personalvertreterin und 103 Mitarbeiter wie zum Beispiel Hauswarte, Wirtschafter oder Melker und Sekretärinnen in den Schulen. Diese Lesart stößt in Bengers Büro auf scharfen Widerspruch: Bei den Angestellten rund um die Schulen und Schulgüter von Verwaltungspersonal zu sprechen, ist schlichtweg falsch und zeugt von Unkenntnis oder parteipolitischer Polemik. Eine Landwirtschaftsschule mit Internat und landwirtschaftlichem Gut brauche neben klassischen Schultätigkeiten über Reinigung und Betriebsküche naturgemäß auch Bearbeiter für Grün- und Ackerland, Wald, Teichwirtschaft und Weinbau bis zu Tierhaltung – dafür seien aber auch wirtschaftliche Erträge in Millionenhöhe zu verbuchen. Weiterer Kritikpunkt Würschls: 164 Lehrerinnen und Lehrer für rund 1200 Schülerinnen und Schüler machten die Landwirtschaftsschulen mit einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1:7 zum teuersten Schultyp und damit teurer als technisch bestausgestattete HTLs, kritisiert er. Zudem gebe es einen knapp 30-prozentigen Lehrerüberhang, um den der Dienstpostenplan, den das Landwirtschaftsministerium – so wie das Unterrichtsministerium für die Pflichtschulen – vorgebe, überzogen sei. Für das finanziell angeschlagene Land Kärnten verursache das laut Würschl zusätzliche Kosten von mehr als 1,8 Millionen Euro pro Jahr. Auch das hält man im Büro des Agrarlandesrats für irreführend. Seit 2010 habe man die Dienstposten von 184 auf 163 reduziert, obwohl aktuell das landwirtschaftliche Schulwesen der einzige Bereich mit leicht steigenden Schülerzahlen ist. Laut Finanzausgleich habe der Bund – hier das zuständige Landwirtschaftsressort – fünfzig Prozent der Lehrerkosten zu tragen, sei von dieser Vorgangsweise jedoch einseitig abgegangen und habe für alle Bundesländer eine Obergrenze eingeführt. Es entstehen dadurch für die Länder jährliche finanzielle Mehrbelastungen für Personalkosten. Der Rechnungshof empfahl 2011, die land- und forstwirtschaftlichen Schulen in eine umfassende Reform des österreichischen Schulwesens einzubeziehen. Würschl will noch mehr Strukturreformen. Acht Schulstandorte seien – 2014/15 gab es dort laut Statistik Austria 1268 Schülerinnen und Schüler – schlicht zu viel: Das ist Geldvernichtung auf Kosten der Kärntner Steuerzahler. Diese Schülerzahlen rechtfertigen maximal drei Schulstandorte. Die Gesamtschülerzahl aller landwirtschaftlichen Schulen Kärntens entspreche einer durchschnittlichen AHS oder BMHS. In Bengers Büro verweist man auf den Bedarf an Profis als Hofübernehmer. Ungeachtet dessen seien im Zuge des Strukturentwicklungskonzepts der Fachschulen schon vor zehn Jahren Standortreduktionen gestartet und mittlerweile bereits eine 36-prozentige Verringerung der Schulstandorte gesetzt worden. Die rot-schwarz-grüne Regierungskoalition habe zudem die Fusion des Standorts Drauhofen mit der Fachschule Litzlhof beschlossen. Eine Fusion anderer Art fordert Würschl als Mittel gegen einen Bürokratiedschungel sondergleichen, da sich die zwei Verwaltungsschienen auf Landesebene mit der allgemeinen und der landwirtschaftlichen Schulabteilung im Bund fortsetzen. Für die höheren Landwirtschaftsschulen ist das Landwirtschaftsressort zuständig: Das Unterrichtsministerium müsste natürlich für alle Schulen zuständig sein, so werden nur teure Doppelgleisigkeiten produziert. Grotesk, dass da zwei Apparate verwalten.
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7Wissenschaft
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Forscher mahnen mehr Schutz und Aufmerksamkeit für nördliche Wälder an. Laxenburg – Boreale Nadelwälder machen knapp ein Drittel der von Bäumen bedeckten Gebiete auf der Erde aus und speichern mindestens genau so viel Kohlenstoff wie tropische Regenwälder. Sie geraten jedoch durch den Klimawandel zunehmend unter Druck und brauchen mehr Schutz, berichtet ein Forschungsteam mit heimischer Beteiligung im Fachblatt Science. Die borealen Wälder könnten in diesem Jahrhundert an einem Wendepunkt angelangen, erklärte Anatoly Shvidenko vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Es könne nämlich passieren, dass sie vom Netto-CO2-Speicher zu einer bedeutenden Quelle des Treibhausgases werden. Die borealen Nadelwälder erstrecken sich über die nördlichsten Regionen von Kanada, Russland, Alaska und Skandinavien. Sie spielen für das globale Klima eine große Rolle, weil sie enorme Mengen an CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen. Nach Schätzungen speichern sie mindestens 32 Prozent des weltweit vorhandenen Kohlenstoffes, und zwar nicht nur in den Bäumen, sondern auch im Permafrostboden. Außerdem beherbergen sie eine Fülle von Pflanzen-, Tier und Pilzarten. Diese nördlichen Wälder sind jedoch eines der vom Klimawandel am meisten betroffenen Ökosysteme der Erde, so die Forscher. Bei einer globalen Erwärmung um vier Grad Celsius würde es dort sogar um bis zu elf Grad wärmer. Die Klimazonen verschieben sich laut Studien in diesem Bereich zehnmal schneller Richtung Norden als die Baumpopulationen wandern können, erklärten sie. Schon jetzt würden die wärmeren Temperaturen und stärkere Trockenheit zu vermehrten Waldbränden und stärkerem Insektenbefall führen. Die zunehmende Industrialisierung und Verschmutzung von Boden, Wasser und Luft verstärken den Stress für diese Wälder, so die Wissenschafter. Aufgrund von Nährstoffverlusten drohten Waldgebiete auszuhagern und zu Gras- und Buschland zu verkommen. Taut der Dauerfrostboden auf, betrifft das nicht nur den globalen Wasserhaushalt: Es würden auch riesige Mengen an CO2 und Methan freigesetzt. Die Forscher plädieren in dem Artikel dafür, dem borealen Wald auf politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit und Schutz zu widmen. Sie schlagen etwa lokale Aufforstungen vor, fordern besser verteilte Schutzgebiete, ein aufmerksames Beobachten von möglichen Veränderungen und nachhaltigere Waldbewirtschaftung.
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7Wissenschaft
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Im Konrad-Lorenz-Institut in Klosterneuburg wird theoretische Biologie erörtert. Johannes Jäger ist seit kurzem der Direktor. Wien – Es waren schon die späten 1970er-Jahre, als der österreichische Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz in seiner Villa in Altenberg mit dem Meeresbiologen Rupert Riedl Gesprächsrunden veranstaltete. Mit dabei war Gerd Müller, heute theoretischer Biologe an der Uni Wien und Vorstandspräsident des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung (KLI). Man diskutierte buchstäblich über Gott und die Welt. Es wurden Weltanschauungen ausgetauscht. Lorenz entwickelte seine evolutionäre Erkenntnistheorie. Er hielt tierisches Verhalten für vorbestimmt durch Gene, Riedl war der Ansicht, dass man die Evolutionsbiologie auch anwenden könnte, um Erklärungen für gesellschaftliche Entwicklungen zu finden. Viele dieser Ideen gelten heute als überholt, die Diskussionen waren aber Anlass für eine Institutsgründung. Riedl hob 1990, ein Jahr nach Lorenz Tod, das KLI aus der Taufe, eine Denkwerkstatt für theoretische Fragen in der Biologie. Hier beschäftigt man sich mit der Frage, was das Leben denn eigentlich überhaupt ist. Die Basisfinanzierung erhält das Institut von einer Privatstiftung, die vollständig unabhängig ist von der Familie Lorenz. Doktoranden und Postdocs sind eingeladen, sich um ein Fellowship zu bewerben. STANDARD: Die Uni Salzburg hat Konrad Lorenz im Dezember 2015 posthum ein Doktorat aberkannt. Stand der Name Ihres Instituts jemals zur Debatte? Johannes Jäger: Nein. Der Name Konrad Lorenz reflektiert ja die Geschichte des Instituts. Eine Namensänderung würde in diesem Fall sicher nicht zur Vergangenheitsbewältigung beitragen, an der das Institut maßgeblich beteiligt war. Unsere Archive wurden intensiv genutzt für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit von Lorenz. STANDARD: Die Uni argumentierte, Lorenz habe die aktive Mitgestaltung oder Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie verschwiegen. Hat man in Salzburg richtig oder falsch gehandelt? Jäger: Es ist nicht an uns, die Entscheidungen anderer akademischer Institutionen zu kommentieren. Konrad Lorenz war durchaus widersprüchlich. Er hat die Theorie vertreten, dass Menschen, wenn es ihnen zu gut geht, genetisch und moralisch degenerieren. Er hat da aus dem, was er für wissenschaftliche Gründe hielt, einen moralischen Verfall angeprangert. Das war nicht rassistisch im eigentlichen Sinn. Andererseits sprach er aber auch von der Aussonderung kranken Erbmaterials zur Erhaltung der Zivilisation. Das ist Eugenik, wie sie zwar gang und gäbe war in den Dreißigerjahren, aber auch im Nationalsozialismus praktiziert wurde. Lorenz war wohl eher ein Opportunist. Er war aber auch ein in seiner Zeit hervorragender Wissenschafter und Denker. STANDARD: Haben diese Ideen von Lorenz heute noch Geltung? Jäger: Er hat einzelnen Genen eine zu starke Wirkung zugeschrieben. Man weiß mittlerweile, dass Gene mit anderen Genen und mit der Umwelt interagieren und nur so Verhaltensmuster entstehen können. Das sind komplexe Netzwerke, über die wir noch recht wenig wissen. Wir wissen über einzelne Gene Bescheid, aber noch fast nichts darüber, wie sie einander ein- oder ausschalten während der Entwicklung des Organismus. Das Problem ist, dass man, wenn mehr als zwei bis drei Faktoren auf komplexe Art und Weise zusammenwirken, nichts mehr vorhersagen kann. Das KLI beschäftigt sich mit solchen Fragestellungen. STANDARD: Aber es gibt monogenetische Erkrankungen? Jäger: Eines der seltenen Beispiele ist der Veitstanz, also Chorea Huntington. Verstärkte Muskelbewegungen sind hier erste Krankheitssymptome. Wenn man einen Defekt eines bestimmten Gens entdeckt, kann man vorhersagen, dass diese Krankheit sicher ab dem 60. Geburtstag auftritt. Bei Phänotypen, wo mehrere Gene und die Umwelt einen Einfluss haben, ist dies nicht mehr so einfach. STANDARD: Sie selbst haben in den vergangenen Jahren evolutionsbiologische Entwicklungen von Fliegen im Labor studiert. Sie sind seit einem halben Jahr wissenschaftlicher Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts und arbeiten daher ausschließlich theoretisch. Ist das nicht ein harter Schnitt in ihrer Biografie? Jäger: Die Jahre im Labor waren sehr spannend, haben aber auch viel Energie gekostet. Es war nämlich auch eine von Unsicherheiten geprägte Zeit, obwohl das Centre for Genomic Regulation (CRG) in Barcelona, meine letzte Arbeitsstätte vor dem Wechsel nach Österreich, eine recht solide Finanzierung hatte. Die Unsicherheiten entstanden durch die Projektfinanzierung und die Karriereentwicklung, die man an diesem Institut genauso wie an der Max-Planck-Gesellschaft und anderen renommierten wissenschaftlichen Institutionen verfolgt. Nach dem Postdoc gibt es eine Fünf-Jahres-Befristung für die Gruppenleiter. Da herrscht enormer Erfolgszwang, die Leute müssen so viel wie möglich publizieren und kommen aus dem Antragschreiben kaum mehr heraus. Das macht viele Wissenschafter kaputt. STANDARD: Wünschen Sie sich die alten Zeiten wieder zurück? Jäger: Nein. Die früher übliche Gangart, mit genügend Sitzfleisch und Beziehungen zu einer Fixanstellung zu kommen, hat nichts in einem modernen Wissenschaftsbetrieb verloren. Aber es müsste auch einen Mittelweg zwischen diesen Extremen geben, um den Produktionswahn in der Wissenschaft auf ein normales Level zu bringen. Ich sehe das KLI als einen Ort, wo Fellows für eine bestimmte Zeit Pause machen können von diesem akademischen Alltag und finanziert werden, um ungestört neue Ideen für wissenschaftliches Arbeiten zu haben. Die einzige Vorgabe: Es muss sich um theoretische Fragen in der Biologie handeln. Und wir müssen keine externen Projektfinanzierungen beantragen. Das ist ein Luxus.
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3Wirtschaft
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Die Einsprüche gegen die Anklage in der Causa VCP-Honorar wurden abgewiesen, Heinrich Pecina muss sich wegen Anstiftung zur Untreue verantworten. Wien – In der Hypo-Causa VCP / Projekt Adam gibt es schlechte Nachrichten für die ehemaligen Hypo-Chefs Tilo Berlin, Wolfgang Kulterer und Josef Kircher sowie den Wiener Investmentbanker Heinrich Pecina (VCP). Die Anklage gegen die genannten Personen und die VCP ist rechtskräftig, das Oberlandesgericht Graz hat die Einsprüche Berlins, Kulterers und Kirchers abgewiesen. Das bestätigt eine Sprecherin des Straflandesgerichts Klagenfurt. Der Terminplan für das Verfahren wegen des Vorwurfs der Untreue (beziehungsweise der Anstiftung dazu) steht aber noch nicht fest. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. In der Causa geht es um ein Beraterhonorar für eine Fairness-Opinion, die das Investmenthaus VCP vor dem Hypo-Verkauf an die Bayern um 4,3 Millionen Euro für die Kärntner Landesholding erstellt hat. Bezahlt hat aber auf Drängen Kulterers und Pecinas die Hypo beziehungsweise zwei ihrer Töchter, und für die sei die Stellungnahme nutzlos, ohne jeden Wert gewesen (Anklage). Die VCP hat ihr Honorar laut Pecina auf Vorgabe der Bank (unter Berlins Leitung) in drei Tranchen zerlegt, für die Projekte Floating, Klammer und Adam, wobei es Adam laut Pecinas Aussage de facto gar nicht gab. Die Leistung der VCP wird nicht bezweifelt, und Pecina hat der Hypo fast den ganzen Schaden ersetzt. Laut Beschluss des Oberlandesgerichts Graz hatte sich Berlin als neuer Hypo-Chef der Bezahlung des VCP-Honorars zunächst verweigert, daraufhin habe Pecina Hypo-Aufsichtsratschef Kulterer um Vermittlung gebeten. Ende 2007 sei bei einer Besprechung bei der VCP in Wien die Dreiteilung beschlossen worden. Rechtskräftig wurde auch die Anklage in der Causa Monarola. In dem Fall sollen zwei Hypo-Banker im Auftrag Kirchers 750.000 Euro aus Liechtenstein in bar abgeholt haben. Das Geld wurde laut OLG-Beschluss für die steuerneutrale Bezahlung von Lobbyisten und Bearbeitung eines Medienproblems der Hypo verwendet.
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7Wissenschaft
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Probleme mit Seismographen aus Frankreich – Lander sollte innere Struktur des Planeten und geologische Prozesse erforschen. Washington – Eigentlich hätte die prestigeträchtige Mars-Mission InSight der NASA bereits diesere Tage starten sollen, doch daraus wird nun nichts. Die US-Raumfahrtbehörde hat den Beginn des Projektes um zwei Jahre verschoben, voraussichtlicher Starttermin ist nun der 5. Mai 2018. Ursache für den Aufschub ist ein Problem mit einem von der französischen Weltraumbehörde CNES bereitgestellten Seismographen, der mit dem Lander zum Roten Planeten fliegen sollte. Versuche, ein Leck an der Vakuumdichtung des Geräts zu reparieren, waren bereits im vergangenen Dezember fehlgeschlagen. Vor drei Monaten war angesichts enger Budgetgrenzen überhaupt unklar gewesen, ob die Mission nicht gänzlich aufgegeben werden sollte. Das gänzliche Aus konnte aber zumindest vorerst abgewendet werden. InSight (Interior Exploration using Seismic Investigations, Geodesy and Heat Transport) sollte auf der Marsoberfläche die Entwicklung des Planeten erforschen und herausfinden, ob sein Kern fest ist oder flüssig wie bei der Erde. Dazu sollte der Lander unter anderem seismische Aktivitäten messen und Tiefenbohrungen vornehmen. red, APA, 9.3.2016)
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4Sport
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Vorarlberger fahren einen 1:0-Heimsieg gegen Grödig ein und sammeln Punkte im Abstiegskampf. Altach – Der SCR Altach hat am Samstag zum Auftakt des letzten Viertels der Fußball-Bundesliga einen großen Schritt auf dem Weg zum Klassenerhalt gemacht. Die Vorarlberger besiegten Schlusslicht SV Grödig in der Cashpoint-Arena ohne Glanz mit 1:0 (0:0), feierten den zweiten Erfolg hintereinander und haben nun acht Runden vor Schluss einen beruhigenden Acht-Punkte-Polster auf das Tabellenende. Für die seit 2. Dezember zehn Partien sieglosen Grödiger wird die Ausgangssituation im Abstiegskampf hingegen immer schlechter. Nur mehr Ried liegt in unmittelbarer Reichweite, und die Innviertler haben die Möglichkeit, am Sonntag zum Abschluss der 28. Runde zu Hause gegen Rekordmeister Rapid den Drei-Punkte-Abstand zu vergrößern. Fraglich ist, ob Coach Peter Schöttel nach der fünften Niederlage in den jüngsten sechs Runden auch nach der Länderspielpause im Heimspiel gegen Sturm Graz am 2. April noch auf der Trainerbank Platz nehmen darf. Da Johannes Aigner (56.) aus leichter Abseitsposition traf, traten die Grödiger auch im vierten Ligaauftritt in Altach ohne Punkte im Gepäck die Heimreise an. Die Gastgeber waren bis zur Führung die klar initiativere Mannschaft, gingen aber aufgrund von Grödigs Konterstärke nicht das letzte Risiko ein. So blieben vor der Pause zwei Fehlschüsse von Aigner (18.) und Dominik Hofbauer (31.) die einzige gefährliche Ausbeute. Aus dem Nichts wären aber beinahe die Gäste in Führung gegangen. Benjamin Sulimani verschaffte sich mit einem nicht geahndeten Foul an Cesar Ortiz den nötigen Platz, Martin Kobras konnte den Ball nicht bändigen, Grödigs Solospitze brachte diesen aber aus spitzem Winkel nicht im leeren Tor unter. Sulimani war es auch, der nach der Pause einen Abschluss am langen Eck vorbeischoss (50.). Auf der anderen Seite waren die Vorarlberger effizienter, hatten aber auch das nötige Glück. Rene Swete ließ sich von einem Hofbauer-Freistoß nicht überraschen (53.), war bei einem Aigner-Schuss nach Prokopic-Vorarbeit aber machtlos (56.). Der achte Saisontreffer Aigners hatte aber einen Schönheitsfehler, das Schiedsrichterteam rund um den Schweizer Referee Sascha Amhof hatte eine Abseitsstellung des Stürmer-Routiniers übersehen. Schöttel reklamierte daraufhin heftig und wurde deshalb auf die Tribüne verbannt. Dort sah er, dass die Altacher ihre Offensivbemühungen völlig einstellten, nur mehr hinten dichtmachten. Grödig hatte ein deutliches Übergewicht, ließ aber wie so oft diese Saison die Effizienz vermissen. Ein Schütz-Volley-Aufsetzer ging hauchdünn drüber (67.). Zudem konnte sich Kobras bei einem Maak-Freistoß auszeichnen (72.). Damit blieb es beim zweiten Erfolg der Altacher in Serie nach dem 2:0 in Ried. Vor eigenem Publikum war es der erste Triumph seit dem 21. November 2015, zuvor hatte es in fünf Partien drei Niederlagen und zwei Remis gegeben. (APA, 19.3.2016) Fußball-Bundesliga (28. Runde): SCR Altach – SV Grödig 1:0 (0:0). Altach, Cashpoint-Arena, 4.386, SR Amhof/SUI. Tor: 1:0 (56.) Aigner Altach: Kobras – Lienhart, Ortiz, Zech, Galvao – Jäger – Salomon (46. Prokopic), Hofbauer, Netzer (77. Zwischenbrugger), Schreiner (83. Harrer) – Aigner Grödig: Swete – T. Kainz, Maak, D. Baumgartner, Strobl – Brauer, Rasner (84. Goiginger) – Schütz, Derflinger (75. R. Wallner), Denner (57. Ofosu) – B. Sulimani Gelbe Karten: Aigner, Galvao, Schreiner bzw. Schütz, B. Sulimani
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0Web
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Bringt Mehrfensterunterstützung für Nexus 9 und Nexus 10 – Erste Testversion zum Download. Eigentlich ist es das Ziel von Remix OS Android für den Desktop-Einsatz fit zu machen. Nun fließen die dafür vorgenommenen Änderungen aber wieder in den mobilen Bereich zurück. Softwarehersteller Jide hat eine erste Version von Remix OS 2.0 für Nexus 9 und Nexus 10 veröffentlicht. Damit bekommen die beiden Tablets eine Desktop-ähnliche Oberfläche samt Mehrfensterunterstützung. Es können also mehrere Programme parallel genutzt werden, die Fenster lassen sich frei vergrößern oder verkleinern und können auch überlappend dargestellt werden. Einen Taskbar sowie einen Desktop-ähnlichen Dateimanager bietet Remix OS ebenso. Remix OS basiert auf Android 5.1.1, es lassen sich also beliebige Apps aus der Android-Welt nutzen. Zu diesem Zweck ist auf den Images für die beiden Tablets auch von Haus aus der Play Store von Google vorinstalliert. Die Testversionen von Remix OS 2.0 für Nexus 9 und Nexus 10 können von der Seite des Softwareherstellers heruntergeladen werden. Wer diese ausprobieren will, sollte gewisse Grundkenntnisse für Tools wie Fastboot und ADB mitbringen, auch wenn die Anleitung den Ablauf recht einfach erklärt. Darauf hingewiesen sei, dass die aktuellen Releases von Remix OS noch nicht den Status stabil tragen, insofern also mit diversen Problemen zu rechnen ist.
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3Wirtschaft
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Bruttoinlandsprodukt fiel schwächer aus. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung.
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3Wirtschaft
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Angesichts von Negativzinsen könnten Sparer in größerem Stil Geld von ihren Konten abziehen. Frankfurt – Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte nach Einschätzung der genossenschaftlichen WGZ-Bank eine Sonderkonjunktur für Schließfächer auslösen. Wenn die Negativzinsen auch auf Sparer durchschlagen sollten, schließe er nicht aus, dass Kunden in größerem Stil Geld von ihren Konten abziehen könnten, sagte WGZ-Chef Hans-Bernd Wolberg heute, Donnerstag, in Düsseldorf. Schließfächer haben Konjunktur. Er könne sich gut vorstellen, dass ein Kunde mit einem Guthaben von 100.000 Euro dieses Geld in den Safe steckt, bevor er Negativzinsen zahlen müsse. Fallweise müssten Anleger aus Industrie oder größerem Mittelstand bei der WGZ im Fall der Anlage großer Summe Zinsen zahlen, sagte der WGZ-Chef. Kunden müssten damit aber erst einmal nicht rechnen: Bei Sparern halten wir das, solange es geht, zurück. Erst am Vortag hatte der Rückversicherer Münchener Rück erklärt, er experimentiere bereits damit, wie er den Strafzinsen der EZB entkommen könne. Schon vor einiger Zeit habe das Unternehmen Gold in den Tresor gelegt, vor kurzem auch eine zweistellige Millionensumme in bar gebunkert. Wir probieren das jetzt einfach mal aus. Daran sehen sie, wie ernst die Situation ist, hatte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard gesagt.
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7Wissenschaft
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Datenbank für die digitale Rekonstruktion der 2.000 Jahre alten Texte. Bonn – Deutsche und israelische Qumranforscher und Computerwissenschafter entwickeln eine Plattform, die künftig virtuelles Arbeiten an den Qumran-Handschriften ermöglichen soll. Geplant sind neue kritische Editionen der 2.000 Jahre alten Texte, wie die Israelische Antikenbehörde am Dienstag mitteilte. An dem Projekt beteiligen sich die Göttinger Akademie der Wissenschaften sowie die Universitäten Haifa und Tel Aviv. Die Qumran-Rollen, die zu den wichtigsten archäologischen Funden des 20. Jahrhunderts gehören, wurden bereits 2012 digitalisiert und in einer Online-Datenbank zugänglich gemacht. Sie enthält hochauflösende Bilder in verschiedenen Wellenlängenbereichen. Das Projekt will nun eine virtuelle Forschungsumgebung entwickeln und exemplarische Mustereditionen repräsentativer biblischer und nicht-biblischer Texte aus den Höhlen von Qumran erarbeiten. Die Forschungsumgebung enthält alle verfügbaren Informationen zu den einzelnen Fragmenten und kann kontinuierlich mit neuen Daten erweitert werden. Die gespeicherten und miteinander verbundenen Daten können einzeln abgerufen oder in beliebiger Kombination genutzt werden, um etwa eine materielle Rekonstruktion von Fragmenten überprüfen oder selbst durchführen oder eine eigene Edition und Übersetzung generieren zu können. Für die biblischen Texte werden sämtliche Varianten in den Handschriften vom Toten Meer mit einem mehrdimensionalen Klassifikationsschema erfasst, das eine Analyse der Textgeschichte nach unterschiedlichen Parametern erlaubt. Ferner soll das Qumran-Lexikon der Göttinger Wissenschaftsakademie in die Datenbank integriert werden.
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7Wissenschaft
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Bei der Nachzucht des Europäischen Nerzes musste man nicht nur herausfinden, wann das Tier fruchtbar ist, sondern auch Teiche graben, die der Nerz mag. Wien – Einst waren sie auch hierzulande anzutreffen. Man stellte ihnen mit Fallen nach, ihrer Pelze wegen, und tötete sie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jedoch begannen die Populationen einzubrechen. Mustela lutreola, der Europäische Nerz, machte sich zunehmend rar. Der Negativtrend hält bis heute an. Inzwischen sind die putzigen Tiere im größten Teil ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets ausgestorben. Nur in Nordspanien, Südwestfrankreich, den Deltas von Donau und Dnjestr sowie in einigen Regionen Russlands haben sie überlebt. Nerze lieben Wasser. Sie leben in der unmittelbaren Nähe von Flüssen und Bächen, manchmal auch an Seen, und suchen dort nach Futter. Ihr Habitat teilte sich Mustela lutreola früher meist mit dem Fischotter – ohne allzu große Konkurrenz. Der Nerz ist eher an den Uferbereich angepasst, erklärt Franz Schwarzenberger, Wissenschafter an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die Vierbeiner suchen nach Krebsen, Fröschen, Kleinsäugern oder andere Wasserbewohnern. Der Fischotter dagegen jagt schwimmend, im offenen Gewässer, und erbeutet hauptsächlich Fische. So können beide Marderarten koexistieren. Mit einer anderen Tierspezies verträgt sich der Nerz allerdings gar nicht gut: mit seinem amerikanischen Verwandten, dem Mink (Neovison vison). Letzterer wurde für die Pelztierzucht nach Europa gebracht und in Russland zum Teil auch gezielt ausgewildert, als Ersatz für den schwindenden Nerzbestand. Der Beginn einer regelrechten Invasion. Immer wieder entkommen Minks aus Pelztierfarmen, oder sie werden von Tierschützern daraus befreit. Für den Artenschutz hat das üble Folgen. Minks sind anpassungsfähiger und aggressiver als ihre europäischen Vettern. Bei Revierkämpfen ziehen Nerze den Kürzeren, mitunter kommen sie sogar zu Tode. Die Verdrängung durch den heute weitverbreiteten Mink dürfte eine der Hauptursachen für den Kollaps der Nerzpopulationen sein. Zuvor seien die Bestände bereits durch Jagd und Lebensraumzerstörung stark geschwächt gewesen. Die Aussichten sind nicht sehr rosig, fasst Franz Schwarzenberger zusammen. Um den Europäischen Nerz dennoch vor dem Aussterben zu bewahren, läuft im Zoo in der estnischen Hauptstadt Tallinn ein aufwendiges Nerz-Nachzuchtprogramm. Auch Schwarzenberger und zwei seiner Wiener Kolleginnen sind daran beteiligt. Das Projekt kann zwar schon beachtliche Erfolge vorweisen, doch der Kenntnisstand über den Reproduktionszyklus weiblicher Nerze ließ noch zu wünschen übrig. Viele Fragen sind offen: Wann genau zum Beispiel sind die Tiere fruchtbar, und wie lässt sich dies zuverlässig erkennen? Einige dieser Wissenslücken konnten nun im Rahmen einer neuen, vom Fachblatt Theriology online veröffentlichten Studie geschlossen werden. Schwarzenberger und sein Team haben den Hormonhaushalt von insgesamt 15 Nerzweibchen 16 Monate lang analysiert. Die Forscher nahmen Kotproben und maßen die darin enthaltenen Konzentrationen von Abbauprodukten der Hormone Östrogen und Progesteron. Auch die vaginale Zytologie wurde untersucht. Die Kopulation ist bei Nerzen eine ziemlich ruppige Angelegenheit, erklärt Schwarzenberger. Um sich darauf vorzubereiten, verändert sich die Epidermis der Vagina, noch bevor die Tiere rollig werden. Dabei verhornt die Hautoberfläche. Sobald rund 70-90 Prozent der Zellen dort ihre Zellkerne verloren haben, ist die fruchtbare Phase eingetreten. Die getesteten Nerzweibchen waren regulär Teil des Zuchtprogramms. Ihre Paarungsbereitschaft wurde anhand ihrer Vulvagröße und Vaginalzytologie ermittelt. Nerze leben solitär. Männchen und Weibchen vertragen sich nur während der Paarungszeit. Sind sie allerdings nicht in Stimmung, kommt es leicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen – was zu vermeiden ist. In Gefangenschaft aufgezogene Nerzmännchen neigen zu abnormalem Paarungsverhalten, wie Franz Schwarzenberger berichtet. Sie sind entweder hyperaggressiv, oder sie haben überhaupt kein Interesse an Weibchen. Trotz solcher Schwierigkeiten gelang es, alle untersuchten weiblichen Tiere erfolgreich decken zu lassen. Die Tragzeit dauert rund 42 Tage, anschließend kommen im Durchschnitt vier bis fünf Junge zur Welt. Nerzbabys werden knapp einen Monat lang gesäugt. Der Zyklus der Mütter lässt sich gut am nun erstmals gemessenen Hormonprofil aufzeigen. Vor allem die stark erhöhten Hormonkonzentrationen drei Wochen nach der Paarung sind zuverlässige Schwangerschaftsindikatoren. Der Eisprung wird bei Nerzweibchen durch die Kopulation ausgelöst. Obwohl sie nur einen Wurf pro Jahr großziehen, können sie vorher mehrfach fruchtbar werden. Für die Nachzucht ist das ein Vorteil. Ist eine Nerzdame beim ersten Rendezvous nicht trächtig geworden, so hat sie später immer noch Chancen. Seit 2000 setzen die Experten des Tallinner Zoos ihre nachgezüchteten Nerze für die Neugründung einer Population auf der estnischen Ostseeinsel Hiiumaa ein. Das 989 Quadratkilometer große Eiland ist zu gut zwei Dritteln waldbedeckt. Vorher musste der dort lebende Minkbestand eliminiert werden. Und es gab noch ein weiteres Hindernis: Zu Sowjetzeiten wurden großflächige Drainagemaßnahmen durchgeführt, um die Landschaft zugunsten von Forst und Agrarwirtschaft trockenzulegen. Tümpel und kleine Seen verschwanden. Den Nerzen hatte es an Fröschen gemangelt. Zwecks Ausgleich ließen die Biologen im Umfeld von Wasserläufen 23 Teiche graben. Der Trick gelang. Die Frösche nahmen die künstlichen Laichgewässer umgehend an, ihre Bestände stiegen. Auch andere Tierarten wie zwei gefährdete Libellenspezies und die Wasserspinne Argyroneta aquatica profitierten (vgl.: Oryx, Bd. 49, S. 559). Inzwischen plädieren die Experten für das Blockieren der Drainagegräben. So sollen Teile der Insel wieder vernässt und größere Feuchtbiotope wiederhergestellt werden. Der Europäische Nerz scheint sich auf Hiiumaa wohlzufühlen. Nach 15 Jahren gibt es endlich Hinweise auf die Etablierung einer stabilen, sich selbst erhaltenden Nerzpopulation. Da braucht man eben Geduld, sagt Franz Schwarzenberger. In Österreich seien derartige Projekte vorerst nicht geplant. Zwar gäbe es hierzulande bestens geeignete Lebensräume, vor allem im Nationalpark Donau-Auen, aber diese seien leider nicht minkfrei.
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8Kultur
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Von Popakademie und Creative Writing veredeltes politisches Liedermaching: Singer-Songwriter Max Prosa auf "Hallo Euphorie"-Tour in Salzburg und Wien. Wien/Salzburg – In den 60er- und vor allem den 70er-Jahren hatten Liedermacher in deutschen Landen Konjunktur. Manchen alten Haudegen wie Konstantin Wecker oder Hannes Wader gibt es noch; auch von ihren politischen Botschaften haben sie sich meist nicht verabschiedet. Seit einigen Jahren tritt eine jüngere Garde ans Mikrofon, wenn auch deren Protagonisten wie etwa Philipp Poisel, Tim Bendzko oder Gisbert zu Knyphausen den Begriff Liedermacher nicht gern mögen. Viel lieber wollen sie Singer-Songwriter genannt werden, denn trotz deutscher Texte kommen ihre Vorbilder aus dem angloamerikanischen Raum. Einer der Hauptvertreter dieses Revivals ist der Berliner Max Podeschwig – besser bekannt unter seinem Künstlernamen Max Prosa. Der 25-jährige Sänger und Gitarrist tritt jetzt zweimal in Österreich auf. Einflüsse von Dylan, Waits und Cohen Vergleiche mit seinem Vorbild Bob Dylan begründen sich auf den nachdenklich-romantischen Texten und dem Vortrag mit Gitarre und Mundharmonika; weitere Einflüsse sind Tom Waits, David Bowie oder Leonard Cohen. Cohens Klassiker Hallelujah hat der Berliner für sein zweites Album Rangoon (2013) eingespielt. Der deutsche Text stammt allerdings von Freund und Mentor Misha Schoeneberg, der in den 1980ern Mitglied von Ton Steine Scherben war und später auch mit deren Mastermind Rio Reiser auf dessen Soloplatten zusammenarbeitete. Prosa versuchte nicht nur durch persönliche Kontakte seinen musikalischen Horizont zu erweitern, sondern auch mittels Studiums an diversen Popakademien sowie Creative-Writing-Kursen. Bei aller Innerlichkeit hat Prosa auf Rangoon die politische Dimension nicht völlig ignoriert – wohl ein nachhaltiger Effekt seiner Bekannten Schoeneberg und des Scherben-Gitarristen R.P.S. Lanrue: Der Titelsong hat ein Massaker während der Safranrevolution in Myanmar zum Thema. Stimmlich hat er sich ebenfalls weiterentwickelt, heuer noch soll das dritte Album erscheinen. Live wird Max Prosa – wie auf seiner aktuellen Hallo Euphorie-Tour – meist von Joda Foerster (Schlagzeug), Erez Frank (Bass), Stefan Ebert (Keyboards), Alex Binder (Gitarre) und Magnus Olsen (Gitarre) begleitet. Allerdings: Das für Freitag geplante Konzert in Innsbruck musste aus produktionstechnischen Gründen abgesagt werden.
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5Inland
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Polizeiaufgebot sicherte Jagdveranstaltung von Mensdorff-Pouilly im Burgenland wegen "allgemeiner Gefahr". Wien – Die Jagd, die Alfons Mensdorff-Pouilly am Samstag im burgenländischen Bildein veranstaltet hat, zieht weite Kreise. Nach einer Anzeige gegen Mensdorff wegen Tierquälerei werden jetzt auch Parlament und Innenministerium mit der Causa befasst. Der Grüne Peter Pilz stellt eine Anfrage betreffend Platzverbot für Gatterjad. Bei der Veranstaltung waren in einem Gatter Wildschweine aus einem Zuchtbetrieb sowie Rehe, Hirsche und andere Tiere von Treibern vor die Flinten der Jagdgäste getrieben worden, die von Hochständen aus schossen. Um empörte Tierschützer fernzuhalten, rückte die Polizei mit einem Großaufgebot aus und erließ ein Platzverbot unter Berufung auf das Sicherheitspolizeigesetz. Dieses Platzverbot sei rechtswidrig gewesen, behauptet Pilz. Die allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen, auf die sich die Polizei berief, setze gefährliche Angriffe voraus. Wenn schon, dann seien diese von der Jagdgesellschaft zu erwarten gewesen. Also hätte die Jagd – und nicht der Protest dagegen – verboten werden müssen. Pilz verweist in seiner Anfrage an die Innenministerin auch auf die Situation in Spielfeld. Dort fehlten Polizisten. Pilz: Warum ist Ihnen die Geschäftssicherheit Mensdorff-Pouillys wichtiger als die öffentliche Sicherheit Österreichs? (völ, 10.11.2015)
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7Wissenschaft
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Salzwasser-Einstrom spülte die Tiere in eine Umgebung, die ihnen nicht bekam. Braunschweig – Gleich zweimal sind am vergangenen Wochenende junge Mondfische in der Ostsee gesichtet worden. In beiden Fällen handelte es sich leider um tote Exemplare, wie das Johann Heinrich von Thünen-Institut für Ostseefischerei berichtet, dem eines der Tiere für eine wissenschaftliche Untersuchung zur Verfügung gestellt wurde. Mondfische (Mola mola) sind Hochseebewohner und eher in tropischen Breiten zuhause. Der Golfstrom kann sie aber auch bis in den Nordatlantik führen. In der Ostsee handelt es sich um seltene Gäste – dafür braucht es eine spezielle Wetterlage, die einen Salzwasser-Einstrom aus dem Kattegat in die westliche Ostsee bewirkt, wo ihnen die Brackwasserverhältnisse allerdings nicht bekommen. Die Tiere wurden wahrscheinlich mit dem Einstromwasser im November aus dem südlichen Kattegat durch den Großen Belt in die Mecklenburger Bucht gespült, vermutet Uwe Krumme, stellvertretender Leiter des Thünen-Instituts. Hier können die Tiere kurze Zeit überleben, aber dann setzen ihnen Nahrungsmangel, verringerter Salzgehalt und die niedrigen Temperaturen zu. Mit seinem hochrückigen und seitlich zusammengedrückten Körper sieht der Mondfisch, der mit den Kugelfischen verwandt ist, wie ein schwimmender Kopf aus. Ein ziemlich großer Kopf allerdings: Erwachsene Exemplare können bis zu drei Meter Durchmesser haben und eine Tonne schwer werden. Die nun gefundenen Tiere waren mit knapp zehn Kilogramm Gewicht und 60 Zentimeter Durchmesser noch weit davon entfernt. Mondfische sind Räuber, aber alles andere als rasante Schwimmer. Sie treiben mit den Strömungen unterhalb der Wasseroberfläche, tauchen aber auch regelmäßig mehrere Hundert Meter in die Tiefe. Mit ihrem schildkrötenartigen Schnabel fressen sie hauptsächlich Flügelschnecken oder Quallen, aber auch Kopffüßer und kleinere Fische. Von unglücklichen Umständen, wie sie die beiden unfreiwilligen Ostseeeinwanderer trafen, einmal abgesehen, muss man sich um Mondfische übrigens keine Sorgen machen. Die Tiere, deren Weibchen bis zu 300 Millionen Eier legen können, sind nicht gefährdet – nicht zuletzt deshalb, weil sie für die Fischerei uninteressant sind.
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7Wissenschaft
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Die schöne Prinzessin, der tapfere Prinz, die böse Hexe: Disney-Animationsfilme gelten als Hort konservativer Rollenbilder. Doch es eröffnen sich durchaus auch subversive Räume, wenn man sie aus Sicht der Gender- und Queer-Studies betrachtet. Wien – Schon als Mädchen verspürte Beatrice Frasl eine große Abneigung gegenüber traditionellen Prinzessinnenfiguren in Disney-Filmen. Die jungen und schönen Prinzessinnen waren die Guten, die in komatösem Zustand darauf warteten, von ihrem Prinzen wachgeküsst zu werden. Und das Böse wurde immer dargestellt durch alte Hexen, deren einziger Wunsch es war, der jungen Frau diese heteroromantische Erfüllung zu vereiteln. Viel interessanter, zuweilen auch ermächtigend fand Frasl die Charaktere in Disneys neueren Animationsfilmen, wo Prinzessinnen gegen ihre Rolle rebellierten – und am Ende trotzdem heirateten. Im Laufe ihres Studiums der Anglistik und Amerikanistik an der Uni Wien kam Beatrice Frasl mit feministischer Kritik an Disney-Produktionen in Kontakt, da begann ihr akademisches Interesse an diesen Figuren. Who Is the Monster and Who Is the Man? heißt ihr Dissertationsprojekt, in dem sie Konstruktionen von Heteronormativität und Andersheit sowie Gender und Herkunft in Zeichentrickfilmen der Walt-Disney-Studios von 1937 bis 2013 analysiert. Ihre Untersuchung ist in drei Phasen unterteilt: die Zeitspanne von 1937 bis 1967, in der Walt Disney noch am Leben und Produzent war (1937-1967), die Epoche von 1989 bis 1999, die als Disney-Renaissance bezeichnet wird, in der die Firma durch die Rückkehr des Disney-Musicals wieder an den Erfolg vergangener Zeiten anknüpfte, und die Phase ab 2000, in der mit der Zusammenarbeit mit Pixar Animation Studios der Fokus auf Computeranimationen gelegt wurde. Als Beispiel für ein heteroromantisches Narrativ, das andere Ungleichheitskategorien trivialisiert, nennt Frasl den Zeichentrickfilm Pocahontas, erschienen im Jahr 1995. Der Plot ist simpel und lässt sich auf die Liebesgeschichte der Indigenen Pocahontas mit dem Engländer John Smith reduzieren. In Pocahontas ist das ganze Streben und Begehren darauf ausgerichtet, einem Mann zu begegnen – ihr Schicksal ist es, John Smith zu treffen, sagt Frasl. Damit wird nicht nur die gewaltsame Geschichte der Kolonialisierung ausgeblendet, sondern: Durch den Fokus auf die Heteroromanze wird Kolonialismus gerechtfertigt. Ähnliche Muster findet man auch bei anderen Thematiken, etwa in Bezug auf monarchische Herrschaft oder Geschlechterverhältnisse. Aufschlussreich sind dafür die Darstellungen in Streifen der 1990er-Jahre. Ausgangspunkt ist oft der Vater, der symbolisch für die patriarchale Ordnung steht. Seine Rolle besteht darin, eine Ehe zu arrangieren, wogegen sich die Tochter zur Wehr setzt und sich aus eigenem Antrieb einen Prinzen sucht. Diese Charakterisierung geht konform mit den postfeministischen Darstellungen dieser Phase: Typisch für diese Zeit sind Darstellungen einer Gesellschaft, in der Feminismus angeblich obsolet ist und die Frauen sich aus eigenen Stücken entscheiden, klassischen Rollenbildern zu folgen, sagt Frasl, die derzeit als Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) forscht. Subversive Räume eröffnen hingegen die Darstellungen der Bösewichte. Frasl verweist auf die lange Tradition im Hollywood-Kino, das Monströse mit queeren Bedeutungen zu überschreiben. Bei männlichen Figuren werden oft schwule Stereotype verwendet, um Monstrosität darzustellen, das hat der US-amerikanische Filmwissenschafter Harry Benshoff in seinen Arbeiten über das Horrorkino dargelegt. Die antagonistischen Gestalten, wie etwa der tückische Gouverneur Ratcliffe in Pocahontas, der böse Zauberer Jafar in Aladdin oder der schurkische Löwe Scar in Lion King, sind klassische Beispiele für queere Charaktere in Disney-Filmen. Feministisch lesbar sind auch die Darstellungen der bösen Hexen, da sie keinem klassischen Weiblichkeitsbild entsprechen. Die Meereshexe Ursula aus The Little Mermaid, die einer Dragqueen nachempfunden ist, veranschaulicht das. Geschlecht wird hier auf eine sehr performative Art und Weise verhandelt, konstatiert Frasl. Der von Ursula dargebotene Song Poor Unfortunate Souls, in dem sie Arielle erklärt, wie eine gute Frau zu sein hat, kann auch als Drag-Performance gelesen werden. Komplexer sind hingegen die Produktionen ab 2000, die keinem klaren Muster mehr folgen. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse. Kennzeichnend ist auch eine ironische Bezugnahme auf frühere Phasen. Und: Die Idee von true love, die im Prinzessinnenfilm immer wieder auftaucht, wird aufgebrochen. Jüngere Disney-Produktionen wurden von der Wissenschaft bis jetzt noch vernachlässigt. Das will Beatrice Frasl nun ändern.
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7Wissenschaft
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1520 – Der portugiesische Seefahrer Magellan (Fernao de Magalhaes), seit 1517 im Dienst der spanischen Krone, entdeckt die Einfahrt in die nach ihm benannte, 600 Kilometer lange Straße zwischen Südamerika und Feuerland. (Am 28.11. erreicht er den Stillen Ozean.) 1805 – Der britische Admiral Lord Nelson besiegt in der entscheidenden Seeschlacht von Trafalgar (südlich von Cadiz) die französisch-spanische Flotte, wird aber dabei tödlich verwundet. 1915 – Zwischen Paris und Arlington in Virginia (USA) wird das erste transatlantische Funktelefongespräch geführt. 1925 – Erstmals zeigt der deutsche Maler Paul Klee seine Werke in einer Pariser Ausstellung. 1945 – Durch eine von General Charles de Gaulle angeordnete Wahlrechtsänderung dürfen Frankreichs Frauen erstmals zu den Wahlurnen gehen. In der Konstituierenden Nationalversammlung stellen Sozialisten und Kommunisten die Mehrheit. 1970 – Die Brücke über den Kleinen Belt, die Jütland und Fünen verbindet, wird eröffnet. 1985 – In Hamburg wird je ein Exemplar der blauen und roten Mauritius von einer US-Amerikanerin für umgerechnet rund zwölf Millionen Schilling ersteigert. 2000 – Im Theater an der Wien wird erstmals der Nestroy-Theaterpreis vergeben. Geburtstage: Jean Bart (Baert), frz. Seefahrer (1650-1702) Franz Moritz Graf Lacy, öst. Feldmarschall (1725-1801) Jur Fandly, slowak. Theologe u. Autor (1750-1811) Giuseppe Baini, ital. Kirchenmusiker (1775-1844) Alphonse de Lamartine, frz. Schriftst. (1790-1869) Hermann Müller-Thurgau, schwz. Winzer (1850-1927) Umberto Nobile, ital. General und Luftschiffbauer (1885-1978) Egon Wellesz, öst. Komp. u. Musikwiss. (1885-1974) Nikos Engonopoulos, griech. Schriftst. (1910-1985) Günther Feuerstein, öst. Architekt (1925- ) Pele (eigtl. Edson Arantes do Nascimento), bras. Fußballer (n.a.A. 23.10.1940) (1940- ) Manfred Mann, südafrikanischer Musiker (1940- ) Todestage: Pedro de Espinosa, span. Schriftsteller (1578-1650) Horatio Viscount Nelson, brit. Admiral (1758-1805) Grete Körber, öst. Schriftstellerin (1895-1950) Lothar Olias, dt. Komponist (1913-1990) Maxene Andrews, US-Sängerin (1916-1995) (APA, 21.10.2015)
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7Wissenschaft
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Forscher untersuchten eine Familie mit ungewöhnlichem Schlafrhythmus und fanden die Genvariante, die dafür verantwortlich sein könnte. San Francisco – Winterdepressionen sollten in den nächsten Wochen durch wärmeres, sonnigeres Wetter idealerweise wieder zurückgehen. Dennoch ist das Thema nicht zu vernachlässigen: Zwei bis neun Prozent der Weltbevölkerung leiden an der Krankheit, die eine Folge der verminderten Sonneneinstrahlung in den Herbst- und Wintermonaten ist und oft dafür sorgt, dass die Betroffenen länger schlafen. Wie der Zusammenhang zwischen Schlaf und Stimmung auf molekularer Ebene aussieht, ist noch nicht geklärt. Eine neue Studie will Licht ins Dunkel bringen: Die Biologin Ying-Hui Fu von der University of California in San Francisco analysierte mit ihrer US-amerikanischen Forschungsgruppe zunächst das Erbgut einer jener seltenen Familien, die von einer genetisch bedingten Schlafkrankheit betroffen sind: Die Mitglieder leiden an Winterdepressionen, Stimmungsschwankungen und einem ungewöhnlichen Schlafrhythmus. Ihre Schlafenszeit liegt meist zwischen 19 und 3 Uhr (familial advanced sleep-phase disorder, FASPD). Mutierter Schlaf Die Wissenschafter suchten nach Mutationen in Genbereichen, die mit dem Tagesrhythmus in Zusammenhang stehen, und wurden fündig: Wir haben eine genetische Veränderung bei Personen entdeckt, die sowohl Winterdepressionen haben als auch sehr früh am Tag wach werden, sagt Fu. Das betroffene Gen heißt Period3, die abweichende Variante scheint nur sehr selten aufzutreten. Weniger als ein Prozent der Bevölkerung hat diese Version, die für frühes Erwachen und jahreszeitliche Stimmungsschwankungen verantwortlich sein könnte. Um festzustellen, ob die Symptome durch die Mutation erklärt werden können, wurden Mäuse mit der genetischen Variante sowie ohne funktionierendes Period3-Gen gezüchtet. Die Mäuse mit der Genvariante hatten einen ungewöhnlichen Schlaf-Wach-Rhythmus und bewegten sich weniger, wenn sie von den Forschern gehalten wurden. Auffällig war die Winterdepression bei Mäusen ohne das Gen: Wurden sie weniger Licht ausgesetzt, verhielten sie sich bei menschlichem Kontakt ruhiger. Dies gilt im Mausversuch als Indiz für Depressionen. Eingeschränkte Interpretation Da die Genvariante so selten auftritt, Winterdepressionen aber relativ verbreitet sind, können sie nicht die einzige Erklärung für Verstimmungen in düsteren Monaten sein. Dennoch kann die Funktion von Period3 Aufschluss über die molekularen Grundlagen von Stimmungs- und Schlafstörungen sowie über Behandlungsmöglichkeiten geben, schreiben die Autoren in der Fachzeitschrift PNAS. Ihre Ergebnisse seien aber auch mit Vorsicht zu genießen, da die untersuchte Familie nur aus sieben Personen in drei Generationen besteht, von denen vier Personen betroffen waren. Zudem sei das Testen von Depression bei Nagetieren nur eingeschränkt möglich. Ein Kommentar zweier niederländischer Autoren im Fachjournal Psychoneuroendocrinology unterstreicht, dass der angewandte Schwimmtest nicht für die Interpretation von Depression gedacht sei.
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1Panorama
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Griechische Regierung: Umgehung des Grenzzauns war "organisierte Aktion" mit Flugblättern. Athen – Mazedonien hat nach eigenen Angaben mehrere hundert Migranten nach Griechenland geschickt, die sich aus dem Flüchtlingslager Idomeni nach einem Fußmarsch über die Grenze durchgeschlagen haben. Die meisten der Flüchtlinge seien noch am Montag oder in der Nacht mit Lastwagen zurück nach Griechenland gebracht worden, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Von der griechischen Regierung hieß es, sie könne dies weder bestätigen noch dementieren. Hunderte Menschen aus dem Notlager an der griechisch-mazedonischen Grenze, in dem mehr als 12.000 Männer, Frauen und Kinder seit der Schließung der Balkanroute festsitzen, hatten sich am Montag auf eine mehrstündige Wanderung gemacht, durchquerten einen Fluss und nutzten schließlich eine Lücke im Grenzzaun. Auf mazedonischem Gebiet wurden sie jedoch von der Polizei oder von Soldaten aufgegriffen. Nach Ansicht Athens war der Versuch, die Grenze zu überqueren, organisiert. Wir haben in unseren Händen Flugblätter, die zeigen, dass der Exodus eine organisierte Aktion war, erklärte am späten Montagabend der Sprecher des Krisenstabes für die Flüchtlingskrise, Giorgos Kyritsis, in Athen. Er hatte zuvor an einer Dringlichkeitssitzung unter Vorsitz des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras teilgenommen. Wer hinter der Aktion gesteckt haben könnte, war zunächst unklar. Zudem gebe es auch andere Flyer, die die Menschen falsch informieren und sie auffordern, nicht in andere Lager ins Landesinnere zu gehen. Sie sollten nicht in Busse steigen, weil die Regierung in Athen plane, sie zurück in die Türkei zu bringen, hieße es darin, sagte Kyritsis weiter. Wir fordern die Migranten und Flüchtlinge auf, den griechischen Behörden zu vertrauen und es zu akzeptieren, in andere Lager gebracht zu werden. Die Lage im Flüchtlingslager Idomeni sei absolut aussichtslos, erklärte der Sprecher des Krisenstabes weiter. Griechische Medien veröffentlichten Kopien der Flugblätter, die Unbekannte an die Menschen verteilt hatten. Darin ist eingezeichnet, auf welchem Weg sie den mazedonischen Zaun meiden können und über Umwege nach Mazedonien einreisen können. Athen hatte angekündigt, über eine Rücknahme dieser Flüchtlinge nachzudenken. Wenn mazedonischen Behörden einen entsprechenden Antrag stellen, werden wir es uns überlegen und entscheiden, sagte der Sprecher des griechischen Flüchtlings-Krisenstabes am Dienstag im Nachrichtensender Skai in Athen. Laut Medienberichten war am Montag auch eine Gruppe von etwa 40 Journalisten vorübergehend wegen illegalen Grenzübertritts verhaftet worden. Sie hatte die Flüchtlinge bei ihrem Versuch, über den Fluss zu gelangen, begleitet. Nachdem die Journalisten eine Geldstrafe in der Höhe von rund 260 Euro pro Person bezahlt hatten, wurden sie nach Angaben mazedonischer Medien wieder freigelassen. Unter den Festgenommenen befand sich auch die österreichische Aktivistin Fanny Müller-Uri. Hunderte Flüchtlinge, denen es am Vortag nicht gelungen war, den mazedonischen Grenzzaun zu überqueren, kehrten am Dienstag wieder ins griechische Hinterland zurück. Dies berichtete der Nachrichtensender Skai aus der Region des kleinen griechischen Grenzdorfes Chamilo. Die Migranten wurden gestern Abend von den mazedonischen Sicherheitskräften gestoppt. Sie konnten am Zaun übernachten und jetzt kommen sie wieder zurück nach Griechenland, berichtete ein Reporter des Senders. Wie vielen Flüchtlingen die illegale Einreise von Griechenland nach Mazedonien gelungen ist, war aus offiziellen Quellen nicht zu erfahren. Medien schätzten ihre Zahl auf zwischen 700 und 2.000. Tsipras appellierte am Dienstag an die Flüchtlinge, der griechischen Regierung zu vertrauen und sich zu einem der Aufnahmelager in der Umgebung zu begeben. Viele Flüchtlinge wollen in Idomeni ausharren, weil sie auf eine Möglichkeit der Weiterreise hoffen. Es sei ausgeschlossen, dass die Balkanroute wieder geöffnet wird, so Tsipras. Er verurteilte die Flugblattaktion: Dieses Spiel mit Menschenleben muss aufhören. Im südserbischen Preševo sind indessen am Wochenende 33 illegal eingereiste Menschen in einem Frachtzug, der von Mazedonien nach Serbien unterwegs war, aufgegriffen worden. Das berichtete die Tageszeitung Politika am Dienstag. Demnach handelte es sich um afghanische, libysche und syrische Staatsbürger. Im Aufnahmezentrum Preševo gibt es laut Politika nach der Schließung der Balkanroute weiterhin Möglichkeiten für die langfristigere Aufnahme, Unterkunft und Pflege von etwa 1.000 Personen. Im nordmazedonischen Tabanovce harren weiterhin mehrere hundert Flüchtlinge aus, die dort nach der Schließung der Balkanroute gestrandet sind. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR haben von Jahresanfang bis 13. März 143.205 Menschen auf der Flucht von der Türkei zu den griechischen Inseln übergesetzt. Zum Vergleich: In den ersten drei Monaten des Vorjahres waren knapp 12.500 Menschen gekommen. 38 Prozent der Asylsuchenden sind Minderjährige und 22 Prozent Frauen, wie das UN-Hilfswerk am Dienstag weiter mitteilte. Demnach stammen 48 Prozent der Menschen aus Syrien. Auf den griechischen Inseln warten aktuell mehr als 9.000 Menschen darauf, zum Festland weiterreisen zu dürfen.
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2International
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Frankreichs Präsident unterzeichnet bei China-Besuch mit Staatschef Xi eine gemeinsame Erklärung. Noch vergangene Woche zeigte sich UN-Klimachefin Christina Figueres skeptisch, ob die angestrebte Beschränkung auf eine Temperaturerhöhung um 1,5 bis zwei Grad bis zum Jahrhundertende realisierbar sei. Bei einer Konferenz in Bonn erklärte sie, die von 146 Staaten eingereichten nationalen Klimaziele ergäben umgerechnet eine Zunahme um 2,7 Grad. Die Differenz von einem Grad mag minimal erscheinen. Sie kann aber gewaltige Folgen haben, wie der belgische Klimatologe Jean-Pascal van Ypersele von der Universität Louvain schätzt: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Grönlandeis langfristig vollkommen schmilzt – was den Ozeanspiegel um bis sieben Meter steigen lassen könnte –, sei bei einer Klimaerwärmung um drei Grad ungleich höher als bei einer Zunahme um zwei Grad. Am Montag gab es nun aber Fortschritte in einem zentralen Punkt. China, das allein ein Viertel der weltweiten Treibhausgase produziert, erklärte sich am Montag zu einem ehrgeizigen und verbindlichen Abkommen in Paris bereit. Eine entsprechende bilaterale Erklärung unterzeichneten der chinesische Präsident Xi Jinping und der französische Staatschef François Hollande in Peking. China zeigt sich insbesondere bereit, dass eine vollständige Revision der Klimaziele alle fünf Jahre stattfinden könne. Sie soll die erreichten Fortschritte festhalten, danach werden gegebenenfalls die getroffenen Maßnahmen verschärft. Den französischen Unterhändlern gelang es nicht, den Chinesen konkrete Zusagen über allfällige Sanktionen abzuringen, sollte ein Land seine Versprechen nicht einhalten. Peking hält dies für unvereinbar mit der nationalen Souveränität. Einzelne Nichtregierungsorganisationen sind deshalb der Meinung, dass die Fünfjahresrevision zahnlos bleibe; Kritiker erklären sogar, dass Hollande nur deshalb auf die Einrichtung von Fünfjahresplänen gedrängt habe, weil das offizielle Zweigradziel ohne sie nicht mehr realistisch gewesen sei. Wird dieses Ziel aber verpasst, gilt die Konferenz als ähnlich gescheitert wie die Vorgängerkonferenz in Kopenhagen im Jahr 2009. Der französische Außenminister Laurent Fabius verweist allerdings darauf, dass bis am Wochenende nicht einmal sicher gewesen sei, dass sich die chinesische Führung prinzipiell auf eine Fünfjahresprozedur einlassen wolle. Die Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstum schmälert eben auch die Bereitschaft für eine beherzte Klimapolitik. Hollande erklärte deshalb am Montag in Peking, sein Abkommen mit Xi Jinping sei ein großer Schritt zu einem erfolgreichen Abkommen in Paris. Dank dieser gemeinsamen Erklärung haben wir die Bedingungen vereinigt, um einen Erfolg möglich zu machen. Dass sich Hollande sogar zu Bemerkung verstieg, seine China-Visite sei historisch, hat zwar eher innen- und wahlpolitische als reale Grundlagen. Immerhin hat es der in Frankreich sehr unpopuläre Präsident aber dank seines persönlichen Einsatzes geschafft, dass die zentrale Teilnehmernation China anders als in Kopenhagen einen verbindlichen und substanziellen Beschluss der Klimakonferenz nun mittragen will. Klimapolitiker erhoffen sich dadurch nicht nur, dass China weiterhin Kohlekraftwerke schließen und die CO2-Ausstoß bis 2030 wie versprochen stabilisieren wird; als Mitglied des G77-Gremiums hat Peking auch beträchtlichen Einfluss auf die Haltung von Schwellen- und ärmeren Ländern. Auch wenn sich noch erweisen muss, wie zwingend das Revisionsverfahren sein wird, dürfte sich das Szenario von Kopenhagen, wo sich Amerikaner und Chinesen gemeinsam quergelegt hatten, in Paris nicht mehr wiederholen.
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5Inland
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Faymann bestellt neuen Bundesgeschäftsführer und schickt auch Pressesprecher in die Löwelstraße. Der Nachfolger von Norbert Darabos als Bundesgeschäftsführer der SPÖ heißt Gerhard Schmid. In der Öffentlichkeit und auch innerhalb der SPÖ ist Schmid noch weitgehend unbekannt, er ist allerdings ein enger Vertrauter des Bundeskanzlers. Werner Faymann hatte Schmid 2007 in das Kabinett des Verkehrsministers geholt, seit 2008 ist Schmid Mitarbeiter im Kabinett im Bundeskanzleramt, im Jänner 2015 machte ihn Faymann dort zum stellvertretenden Kabinettschef. Schmid kommt aus der Wiener SPÖ, er ist in der SPÖ Hietzing engagiert, wo er erst Vorsitzender der Sozialistischen Jugend und seit April 2011 schließlich Bezirksparteivorsitzender war. Offenbar hat Faymann bewusst jemand aus der Wiener Sozialdemokratie gesucht, um auch den Wiener Bürgermeister Michael Häupl zu befriedigen, der im Oktober Landtagswahlen zu bestreiten hat. Noch bevor Faymann Schmid gefragt hat, waren etliche in der SPÖ, die auch für diesen Job infrage gekommen wären, in Deckung gegangen. In der jetzigen Situation den Parteimanager in der Löwel-straße zu machen, galt vielen als Himmelfahrtskommando. Der drohende Verlust der SPÖ in Wien sowie die unsichere Zukunft von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Faymann ließen potenzielle Kandidaten schon im Vorfeld abwinken. Die berufliche Laufbahn von Norbert Darabos, der jetzt als Landesrat nach Eisenstadt übersiedelt und sich nachsagen lassen muss, äußerst biegsam und meinungsflexibel zu sein, hatte dazu geführt, dass das Renommee des Jobs als Parteimanager schließlich erheblich beschädigt wurde. So hatte Darabos die Freiheitlichen zuerst massiv bekämpft, die Koalition der SPÖ mit der FPÖ im Burgenland dann aber als einer der ersten Bundespolitiker als gelungenes Experiment bezeichnet. Faymann bezeichnete Schmid als besten Mann für diesen Job. Dieser sei seit fast vierzig Jahren ein wichtiger und engagierter Mitstreiter der österreichischen Sozialdemokratie und habe sich im Rahmen seiner vielseitigen Tätigkeiten stets für ein soziales und friedliches Zusammenleben aller Menschen eingesetzt. Schmid selbst erklärte, es sei ihm eine Ehre und große Freude, die Geschäftsführung jener Partei zu übernehmen, für die er seit Jahrzehnten mit vollem Herzen tätig sei. Faymann dankte er für das Vertrauen. Offiziell bestellt wird Schmid erst im Bundesparteivorstand am 3. Juli. Neu besetzt wird auch der Posten des Kommunikationschefs in der SPÖ: Matthias Euler-Rolle, bisher neben Susanna Enk Pressesprecher von Bundeskanzler Faymann, wird künftig nach außen hin kommunizieren. Peter Slawik bleibt Chef der SK (Sozialistischen Korrespondenz). Euler-Rolle, der als Radiomoderator arbeitete und bis 2014 Programmchef des Wiener Privatradiosenders 98.3 Superfly war, wurde 2014 von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer als Pressesprecher für die Bereiche Kunst und Kultur geholt, ehe er im Jänner 2015 zu Faymann wechselte.
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6Etat
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Den Missbrauch eines Zwölfjährigen neutral als "Sex" und stark verharmlosend als "heißes Date" zu bezeichnen verstößt gegen den Ehrenkodex der Presse. Wien – Der Senat 2 des Presserats rügt Österreich: Der Artikel Pater (73) hatte Sex mit Zwölfjährigem, erschienen auf Seite 14 der Tageszeitung Österreich vom 9. November 2015 ist ein Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. In dem Artikel wird berichtet, dass ein 73-jähriger Ex-Pater vor Gericht stehe und ihm der sexuelle Missbrauch eines Unmündigen vorgeworfen werde. Zudem wird angemerkt, dass er den Minderjährigen für ein heißes Date bezahlt haben solle. Darüber hinaus wird der Zwölfjährige als Stricher und Lustknabe bezeichnet. Ein Leser sieht in der Bezeichnung heißes Date eine schwere Verharmlosung von sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen. Der Senat hält fest, dass der Zwölfjährige nicht identifizierbar ist. Den Missbrauch eines Zwölfjährigen allerdings neutral als Sex und in der Unterüberschrift stark verharmlosend als heißes Date zu bezeichnen, hält der Senat für unzulässig und für einen Verstoß gegen Punkt 2 des Ehrenkodex (Genauigkeit), insbesondere gegen Punkt 2.1., wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit bei der Wiedergabe von Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind. Weiters ist der Senat der Auffassung, dass die abwertende Bezeichnung des zwölfjährigen Opfers als Stricher und Lustknabe die Gruppe jener Minderjährigen, die in dieses Milieu abgerutscht sind und sexuell missbraucht und ausgebeutet werden, pauschal verunglimpft und diffamiert. Als Opfer von Straftaten ist diese Gruppe besonders schutzwürdig. Daher verstößt der Artikel auch gegen Punkt 7 des Ehrenkodex (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung). Der Senat fordert Österreich auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund der Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Österreich habe von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht, informiert der Presserat.
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7Wissenschaft
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Es ist die farbenprächtigste Handschriftensammlung und das berühmteste, gleichwohl unvollendete "Buch" des Mittelalters. Berlin – Ich saz uf eime steine und dahte bein mit beine, dar uf satzt ich den ellenbogen, ich hete in mine hant gesmogen daz kinne und ein min wange. Das sind die ersten Verse des sogenannten Reichstons, den der große politische Lyriker des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, um 1200 gedichtet hat, also vor gut 800 Jahren. Ich saß auf einem Felsengestein und hatte ein Bein über das andere geschlagen (dahte kommt von decken, überdecken; Dach steckt darin), (auf das Knie) stützte ich den Ellenbogen, in die Hand hatte ich das Kinn und eine Wange geschmiegt. Walther zeichnet hier ein bekanntes Bild des Denkers, des Nachdenklichen, wie ihn die Antike kennt, aber auch die Moderne (Rodin). Er denkt über den Weltenlauf nach und wie man sich in ihm einrichten sollte – doch er weiß eigentlich keinen Rat. Zu diesem Sinnbild Walthers gibt es auch eine Miniatur, also ein Bild, gezeichnet im Mittelalter. Diese Miniatur eröffnet in der bedeutendsten Sammlung mittelalterlicher Literatur, dem sogenannten Codex Manesse, die Liedsammlung Walthers. Der Geburtsort Walthers ist nicht bekannt. Begraben soll er im Lusamgärtchen in unmittelbarer Nähe des Würzburger Doms sein. Doch auch dies ist nicht verbürgt. Eigentlich kennt man Walther nur durch sein literarisches Werk, das in insgesamt mehr als 30 heute noch erhaltenen Handschriften und Handschriftenfragmenten überliefert ist. Handschrift heißt: ein Schreiber im Mittelalter hat jedes seiner Lieder Buchstaben für Buchstaben auf- oder, wenn eine Handschrift schon vorhanden gewesen ist, abgeschrieben. Das ist viel Arbeit, und deswegen waren Handschriften schon damals sehr kostbar. Das Werk Walthers ist am umfassendsten in jenem Codex Manesse bewahrt geblieben. Der Codex ist die umfangreichste Sammlung mittelhochdeutscher Lied- und Spruchdichtung. Insgesamt 137 wunderschöne Miniaturen zeigen die Sänger in verschiedenen bildlichen Kontexten und gewähren einen einmaligen Einblick in die Welt der adligen Hofhaltung des Mittelalters. Mit seinen Anfängen um 1300 verbindet man, gerade auch wieder in der jüngsten Forschung, die Zürcher Patrizierfamilie Manesse. Seit dem 19. Jahrhundert wird die berühmteste Handschrift des deutschsprachigen Mittelalters in der Heidelberger Universitätsbibliothek aufbewahrt. Die wissenschaftliche Entschlüsselung des Codex Manesse erstreckt sich inzwischen über mehr als vier Jahrhunderte, ohne bisher in allen oder auch nur in vielen Punkten zu einem Konsens gekommen, geschweige denn an ein Ende gelangt zu sein, schreibt der Heidelberger Altgermanist Lothar Voetz über die Handschriftensammlung. Obwohl er einer der besten Kenner des Codex ist, spricht Voetz von einem Buch mit sieben Siegeln. Er versucht in seiner großformatigen, neuesten Arbeit gleichwohl, den Codex zu entziffern und zeichnet den Stand der Forschung nach. Die Großen der mittelalterlichen Minnesänger und deren Liebeslyrik porträtiert er. Er zeigt deren farbenprächtigen Miniaturen und gibt mit Abbildungen von Handschriften einen starken Einblick in diese Kunst.
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7Wissenschaft
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Genetische Analysen stützen die Hypothese von Anatolien als kulturelle Drehscheibe. Stockholm – Die sogenannte Anatolien-Hypothese besagt, dass sich die Landwirtschaft und damit eine sesshafte, bäuerliche Lebensweise vor 9500 bis 8000 Jahren über Anatolien nach Europa ausbreitete (und mit ihr eine indogermanische Ursprache). Die Annahme eines solchen Kulturtransfers, der seinen Ausgang in der Levante nahm, stützen nun auch genetische Analysen, die Forscher der Universität Stockholm vornahmen. Die Wissenschafter untersuchten DNA aus 8.000 Jahre alten menschlichen Überresten, die in der nordwestanatolischen Ausgrabungsstätte Kumtepe entdeckt worden waren. Es dürfte sich dabei um die ersten sesshaften Bewohner von Kumtepe gehandelt haben. Auf dem prähistorische Hügel wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Spuren früher Besiedelung gefunden. Die Arbeit sei aufgrund des schlechten Zustands der Funde schwierig gewesen, habe sich aber gelohnt, sagte Ayca Omrak: Demnach würden die Ergebnisse im Vergleich mit dem Erbgut früher europäischer Bauern und heutiger Europäer zeigen, dass Anatolien tatsächlich eine Art kulturelle und genetische Drehscheibe nach Europa war. Um besser nachvollziehen zu können, wie und in welchen Schritten sich die landwirtschaftliche Entwicklung genau ausbreitete, müssten weitere Analysen und Vergleiche mit Funden aus der Levante folgen. Die Forscher planen nun ein gemeinsames Projekt mit Archäologen aus der Türkei und dem Iran. Eines sei jedoch bereits klar, kommentierte Anders Götherstörm (ebenfalls Uni Stockholm) den Zwischenstand: Unsere Ergebnisse streichen die herausragende Bedeutung Anatoliens in der europäischen Kulturgeschichte hervor.
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8Kultur
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Am Samstag leitet der Wiener Dirigent an der Volksoper die Premiere von Alexander Borodins Oper "Fürst Igor". Alfred Eschwé über die Qualitäten des Werks und die Qualitätssteigerungen des Hauses. STANDARD: Sie dirigieren mit Fürst Igor ein eigenartiges Werk: eine dreiviertelfertige Oper eines Komponisten, der hauptberuflich Chemieprofessor war. Die zwei Komponisten, die es fertiggestellt haben, Alexander Glasunow und Nikolai Rimski-Korsakow, haben Teile umgestellt und von 7000 Takten Borodins angeblich nur 1000 übernommen. Wie viel Borodin steckt in Borodins Fürst Igor? Eschwé: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Was mir aufgefallen ist: dass das Stück in inspirierte und weniger inspirierte Teile zerfällt. Die Ouvertüre ist ganz bestimmt nicht von Borodin, das ist eine langweilige Potpourri-Ouvertüre in einer Sonatensatzform, mit einem faden Durchführungsteil. Ich habe sie auf dreieinhalb Minuten zusammengestrichen. STANDARD: Haben Sie noch weitere Änderungen vorgenommen? Eschwé: Wir spielen nach dem Prolog den zweiten Akt, was auch gut ist, weil die Polowetzer Tänze, der bekannteste Teil der Oper, so direkt vor der Pause kommen. Ich habe das Stück um eine Dreiviertelstunde gekürzt, sodass wir jetzt auf zwei Teile zu etwa 70 Minuten kommen, dabei habe ich nicht einen wichtigen Melodietakt rausgenommen, sondern nur Wiederholungen. Den dritten Akt, den ich kompositorisch schwach finde, habe ich deutlich zusammengestrichen. Und wir schließen mit einem Chorbild, mit den zwei Bänkelsängern Skula und Jeroschka, den zwei Wendehälsen, den zwei Herren Karls aus Russland. STANDARD: Es gibt da keine einheitliche Musiksprache, mehr ein Nebeneinander von Volksmusik, Kirchenmusik und Opernstil. Eschwé: Die Musik ist sehr heterogen, dadurch aber abwechslungsreich. Es gibt große russische Chöre – bei uns sowohl am Anfang wie auch am Ende. Dann sind wieder Teile drin, die Arie des Wladimir etwa, die könnten von Lehár sein! Daneben gibt es effektvolle Passagen, die wohl auf Rimski-Korsakow zurückgehen, anderes ist eher bieder und spröde instrumentiert. STANDARD: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur, Thomas Schulte-Michels? Eschwé: Schulte-Michels kommt vom Schauspiel, er inszeniert oft spontan, ihm gelingen in einigen Duettszenen ungewöhnliche Lösungen fernab aller schablonenhaften Opernposen. Das Zwischenmenschliche liegt ihm, er will, dass interagiert wird. Er ist kooperativ und offen für Vorschläge. Technisch interessant ist, dass der hinterste Teil des Orchestergrabens auf Bühnenniveau hochgefahren wird, wodurch die Bühne um etwa eineinhalb Meter verlängert wird. Die Sänger können so weit vorne agieren, sind für das Publikum präsenter und auch akustisch vorteilhafter positioniert. Ich brauche das Orchester nicht so zu dämpfen. Wir spielen ganz groß besetzt, mit zwölf ersten Geigen: Da soll schon ordentlich was los sein! STANDARD: Sie dirigieren seit 1989 an der Volksoper. Wie viele Vorstellungen sind es mittlerweile? Eschwé: Das weiß ich nicht. Bis vor drei Jahren habe ich meistens alle Werke des Spielplans, die Musicals und die Ballette ausgenommen, geleitet. Ich bin auch oft eingesprungen. Asher Fisch (ein ehemaliger Chefdirigent, Anm.) hat manchmal morgens angerufen, um mir zu sagen, dass ich abends den König Kandaules oder den Feurigen Engel leiten soll. Ich glaube, dass ich Sachen gut übernehmen kann. Und nach 26 Jahren freut sich das Orchester immer noch, wenn ich dirigiere! Die Volksoper ist meine Heimat, aber ich habe auch die Möglichkeit zu gastieren: Letztes Jahr habe ich an der Semper-Oper Wildschütz gemacht, vor kurzem war ich in Neapel und habe Die lustige Witwe gemacht. Das ist für mich befruchtend und erholsam zugleich. STANDARD: Was hat sich an der Volksoper geändert in den Jahren? Eschwé: Die Qualität des Orchesters hat sich enorm verbessert. Auch weil es ein völlig anderes System gibt: Als ich angefangen habe, hat man manchmal in einem Monat zwanzig verschiedene Werke gespielt! Da gab es kaum Orchesterproben. Im neuen Kollektivvertrag haben die Musiker mehr Dienste, jetzt gibt es selbst bei Wiederaufnahmen eine, oft sogar zwei Orchesterproben, mit den Sängern probieren wir oft 14 Tage. Und bei den Probespielen kommen von den Hochschulen die besten Leute. Das Repertoire ist insgesamt schmäler geworden, umso mehr freue ich mich, dass die Volksoper den Mut hat, solche Nischenstücke wie den Fürst Igor in den Spielplan zu nehmen.
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7Wissenschaft
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Gebürtige Deutsche erlangte in Österreich mit Thematisierung der Habsburger große Popularität. Wien – Die Historikerin Brigitte Hamann prägte das öffentliche Bild der Habsburger, schrieb Bücher über Wolfgang Amadeus Mozart und Adolf Hitler. Und das nicht obwohl, sondern weil sie gebürtige Deutsche ist: Ich hatte einen anderen Blick auf Österreich und begann mit einer gewissen Distanz zu schreiben, sagte sie einmal. Am Sonntag (26. Juli) feiert Hamann ihren 75. Geburtstag. Auch die Jury begründete die Zuerkennung des Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels für Toleranz im Jahr 2012 damit, dass Hamann mit dem objektiven Blick einer nicht gebürtigen Österreicherin die Identität dieses Landes offenlegt. In ihrem imposanten Oeuvre vereine Hamann wissenschaftliche Rigorosität mit publikumsfreundlicher Lesbarkeit, würdigte damals der Historiker Gerald Stourzh seine Fachkollegin bei der Verleihung. Geboren wurde die Volksbildnerin in Sachen Geschichte als Brigitte Deitert am 26. Juli 1940 in Essen. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Münster und an der Universität Wien. 1963 legte sie ein Examen als Realschullehrerin ab und versuchte sich anschließend als Journalistin. 1965 heiratete sie den 1994 verstorbenen Wiener Historiker und Universitätsprofessor Günther Hamann, bei dem sie auch als Assistentin arbeitete. Im Alter von fast 40 Jahren schloss sie ihre Doktorarbeit über das Leben von Kronprinz Rudolf ab. Im gleichen Jahr, 1978, arbeitete sie ihre Dissertation zu einem Buch um: Rudolf, Kronprinz und Rebell bescherte ihr sogleich den Durchbruch als Autorin. Fast 30 Jahre später diente das Buch als Grundlage für Robert Dornhelms 2006 erschienenen Fernsehfilm-Zweiteiler Kronprinz Rudolf, dem die Historikerin als Beraterin zur Seite stand. 1981 folgte ihre bis heute wohl bekannteste Biografie, Elisabeth, Kaiserin wider Willen, die weltweit Anklang fand und in viele Sprachen übersetzt wurde. Neben weiteren Werken über die Habsburger, Winifred Wagner und Bertha von Suttner wandte sich Hamann der Zeitgeschichte und heiklen, gemeinsamen deutsch-österreichischen Themen zu. Hitlers Wien, Lehrjahre eines Diktators aus dem Jahr 1996 wurde zu einen Standardwerk. Anlässlich des Mozart-Jahres 2006 veröffentlichte Hamann den umfangreichen Band Mozart – Sein Leben und seine Zeit. Im Jahr 2008 folgte Hitlers Edeljude, Das Leben des Armenarztes Eduard Bloch, 2009 erschien Österreich. Ein historisches Porträt. Die Historikerin, die seit beinahe 50 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, nimmt auch immer wieder in der Öffentlichkeit zu historischen, zeitgeschichtlichen oder politischen Themen Stellung. So forderte sie unter anderem eine kommentierte Neuausgabe von Mein Kampf, damit die jüngere Generation nicht auf all die Lügengeschichten Hitlers reinfällt. Auch die Jury für den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels würdigte Hamanns unverzichtbare mahnende Stimme: In ihren Arbeiten appelliert sie, alles zu tun, um die Entstehung sozialer Gegensätze und wirtschaftlicher Notlagen zu vermeiden, wie sie etwa zum Aufstieg des Nationalsozialismus beigetragen haben. Neben dem Buchhandels-Ehrenpreises wurde Hamann bisher u. a. mit dem Anton-Wildgans-Preis (1995), dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (1998), dem Ehrenpreis des Presseclubs Concordia (2002), dem Preis der Stadt Wien für Publizistik (2004) sowie mit der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Silber (2006) ausgezeichnet. (APA, 25. 7. 2015)
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7Wissenschaft
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Eine ganze Myriade an Szenarien könnte den Staat in die Bredouille bringen. Ob Reaktorunfall, Hochwasser oder Terror: Die Regierung will vorbereitet sein. Wien – Katastrophen hat Österreich in den vergangenen Jahren ohne Zweifel miterlebt: etwa 1999 in Galtür, als 38 Menschen von einer großen Lawine getötet wurden. Auch zwei Jahrhunderthochwasser binnen zehn Jahren – 2005 und 2013 – kosteten Menschenleben und verursachten Sachschäden in Milliardenhöhe. Doch die schwere Katastrophe, als die Wissenschafter Ereignisse mit mehr als 100 Toten bezeichnen, blieb in Österreich zuletzt aus. Wer sich gern Untergangsszenarien ausmalt, braucht allerdings auch hierzulande nicht viel Fantasie: So sind im unmittelbaren Grenzgebiet mehrere Atomkraftwerke in Betrieb, gleichzeitig herrscht in ganz Europa die Angst vor Terroranschlägen. Ein Blick in die Geschichtsbücher liefert mehr Inspiration: Vor rund 770 Jahren forderte ein Erdbeben in Kärnten wohl tausende Tote, gleichzeitig wütete die Pest. Zwei solche Ereignisse – ein Erdbeben und eine Pandemie – werden von der Bundesregierung zurzeit auch als Szenarien mit den drastischsten Auswirkungen auf den Staat gesehen. Möglich werden solche Rankings durch das Verfahren der gesamtstaatlichen Risikoanalyse, die im europäischen Raum durch Großbritannien etabliert worden ist. Dabei kommen unterschiedliche wissenschaftliche Methoden zum Einsatz, um die Wahrscheinlichkeit von Katastrophen abschätzen zu können. Das Problem dabei: Das System Österreich wird immer dichter. Unterschiedliche Teilsysteme stehen miteinander in enger Verbindung, die Einführung von smarten Komponenten wie einem intelligenten Stromnetz verkompliziert die Risikobewertung weiter. Denn dadurch wird die Kontingenz im System erhöht: So könnte ein Staudamm mit Cyberangriffen durch Terroristen attackiert werden, der Anschlag löst ein Hochwasser aus, das wiederum die Energieversorgung lahmlegt. Es ist also nötig, einzelne Gefahrenanalysen aus Katastrophenschutz, Schutz kritischer Infrastrukturen und Cybersicherheit zusammenzuführen. Das will das Projekt Gerian (Gesamtstaatliche Risiko-Analyse), das im Austrian Institute of Technology in Klagenfurt seit 2013 entwickelt wird. Es wird im Kiras-Programm für Sicherheitsforschung des Verkehrsministeriums gefördert. Die direkten Auswirkungen auf einzelne kritische Infrastrukturen sind für viele Bedrohungen bekannt, so Projektleiter Stefan Schauer, wechselseitige Abhängigkeiten und Kaskadeneffekte werden jedoch oft nur vereinzelt betrachtet und können schwer abgeschätzt werden. Dennoch müssen Einsatzkräfte und Behörden für den Super-GAU vorbereitet werden. In der Katastrophenforschung wurden deshalb eine Reihe von Methoden erprobt, um die Anfälligkeit komplexer Systeme zu beurteilen und Szenarien nach Wahrscheinlichkeit und Auswirkungen bewerten zu können. Internationale Normen finden sich etwa im ISO-Standard 31010, der eine Reihe von Best-Practice-Beispielen auflistet. Ein probates Mittel dafür ist laut Schauer die sogenannte Delphi-Methode, die nicht ganz ohne Ironie auf das antike Orakel anspielt. Sie funktioniert folgendermaßen: Experten aus unterschiedlichen Bereichen erhalten eine Liste mit Fragen oder Thesen. Diese bewerten sie schriftlich und anonym. Anschließend werden die Antworten wieder der gesamten Gruppe vorgelegt und unter Einbeziehung der ersten Ergebnisse weitere Bewertungen durchgeführt. Ebenso wichtig ist laut Schauer die Szenarioanalyse: Nach einer umfassenden Analyse des Ist-Stands werden künftige Entwicklungen im Untersuchungsgegenstand überlegt. Dann werden eine Vielzahl von möglichen Faktoren zueinander in Beziehung gesetzt und Vernetzungen identifiziert. Schließlich erfolgt die Bildung von Szenarien und die Erarbeitung von Präventions- und Reaktionsstrategien. Eine Methode, die ebenso mühsam und aufwendig ist, wie sie klingt. Doch solange keine magische Kristallkugel den Blick in die Zukunft erlaubt, bleiben komplexe Berechnungsmodelle alternativlos. Vor allem, da im Katastrophenschutz gilt, dass jeder für Prävention ausgegebene Euro mehrere Euro Schaden spart. Bis Ende 2017 soll eine umfassende Bewertung der staatlichen Risikomanagementfähigkeiten erfolgen. Dabei soll auch überprüft werden, wie gut die einzelnen Akteure – also Bundes- wie Landesbehörden, Wirtschaft wie Militär – aufeinander eingespielt sind. Vorgaben dazu kommen auch von der EU-Kommission, die gesamtstaatliche Risikoanalysen für einzelne Mitgliedsstaaten langsam vereinheitlichen will. Denn dass Katastrophen vor Ländergrenzen keinen Halt machen, zeigten etwa die vergangenen Hochwasser.
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6Etat
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Der "Öko-Terminator" in der "Krone": Als Titelbild des Tages wurde noch "Arnie radelt zum Klima-Gipfel geboten". Um die Erde steht es bekanntlich schlecht. Da ist man für jede Idee dankbar, was noch zu retten wäre. Prall vor Stolz auf Österreich ist das kaum Glaubliche zu konstatieren: Unser Umweltminister hatte eine. Mit einem allseits beachteten Überraschungscoup betrat Minister Rupprechter am Montag in Paris das internationale Klimagipfel-Parkett. Le Ministre dAutriche holte seinen berühmten Landsmann, unseren Öko-Terminator Arnold Schwarzenegger, ans Mikrofon, verkündete die Kronen Zeitung am Dienstag. Die Überraschung der Delegierten aus aller Welt angesichts des ministeriellen Bauchredners ist nachzuvollziehen, der Auftritt kam keine Minute zu früh. In dieser heiklen, schicksalhaften Phase kam der Auftritt unseres Öko-Terminators Arnold Schwarzenegger gerade recht. Die Erde soll sich vor Freude etwas rascher gedreht haben, als die steirische Eiche, die schon längst eine Umweltbrücke zwischen Wien, Graz und Kalifornien gebaut hat, die Mächtigen dieser Welt neuerlich zum Handeln, zur Action - Aktschn – aufrief. Das allein hätte die Erde nicht gerettet, aber als Schwarzenegger betonte, auf Österreich stolz zu sein, die Liebe zur Natur habe er in der Steiermark als Kind schon gelernt, da ging es ihr gleich viel besser. Sie weiß, in der Kronen Zeitung, in deren Privatbesitz sich unser Öko-Terminator befindet, ist sie gut aufgehoben. Schließlich ist Schwarzeneggers Österreich-Repräsentantin die Krone-Kolumnistin Monika Langthaler, die dieses Treffen auch eingefädelt hatte. Als Titelbild des Tages wurde noch Arnie radelt zum Klima-Gipfel geboten: Der Terminator in blauen Shorts samt Fahrrad unterm Eiffelturm. Sollte er tatsächlich in diesem Aufzug zum Klima-Gipfel geradelt sein, wird der tosende Applaus, den der Krone-Umweltredakteur gehört haben will, nicht zuletzt den reschen Wadeln der steirischen Eiche gegolten haben. Der Abschlussappell von Arnold und Andrä: Helft uns, die Erde zu retten! darf einfach nicht ungehört verhallen – der Rest der Welt sollte sich geschmeichelt fühlen, den beiden helfen zu dürfen. Weiter hinten im Blatt wurden Geschenke an die Natur verteilt, wozu Krone-Herausgeber Christoph Dichand, Bundeskanzler Faymann und Walter Hödl vom Naturschutzbund die fotografische Staffage bildeten. Das Antlitz des Bundeskanzlers spiegelte trefflich den Zustand der Erde wider, vielleicht verzogen bei dem Gedanken, was ein Mark Zuckerberg aus eigenem Vermögen gespendet hätte, während sich die Krone immer nur mit Spenden ihrer Leser beweihräuchert. Auch News konnte sich aus Anlass des Klimagipfels nicht enthalten, seine Leserinnen und Leser mit den Weisheiten Arnold Schwarzeneggers zu konfrontieren, und das etwas tiefer schürfend als die Krone. Die Frage, was müssten Politiker ändern, um erfolgreich auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, parierte Schwarzenegger so: Politiker müssten sofort Lösungen präsentieren, sobald sie über den Klimawandel sprechen. Eine brillante Idee! Wenn er sie auch in Paris vorgetragen hat, wird seine Einschätzung verständlich: Ich bin eigentlich optimistisch, was das Ergebnis des Klimagipfels betrifft. Die Konkurrenz auf dem Boulevard hat Schwarzeneggers Wirken in Paris etwas distanzierter reportiert. Der Kurier betonte Rupprechters Eintreten für die Krone: Österreichs Umweltminister hat am Montag die Monotonie im Plenarsaal ein wenig durchbrochen, indem er Arnold Schwarzenegger (sehr zum Missfallen der Grünen) aufs Podium holte und ihm die Hälfte seiner vier Minuten Redezeit überließ. Dass ein österreichische Minister die Hälfte seiner ohnehin knappen Redezeit vor einem wichtigen internationalen Forum als Freundschaftsdienst an die Trophäe eines Blattes abgibt, in dem er selbst gut wegkommen will, mag eine nationale Eigenheit sein. Was er in den zwei Minuten gesagt hat, die ihm Arnold Schwarzenegger überlassen hat, war dem Kurier keine Zeile wert, ebenso wenig war da von tosendem Applaus die Rede. Österreich erlaubte sich neben der Erwähnung Schwarzeneggers in einer Kurznotiz eine besondere Rohheit. Schlechte Nachrichten für den Umweltminister während des Weltklimagipfels. Im neuen Klimaschutzindex der deutschen Umweltorganisation Germanwatch rutschte Österreich von Platz 36 auf Platz 45 weiter ab. Bereits im Vorjahr war Österreich um fünf Plätze zurückgefallen. Da hilft jetzt nur noch der Terminator.
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7Wissenschaft
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Enzyme der Einzeller erkennen und zerstören fremde DNA, können aber auch überreagieren. Klosterneuburg/Wien – Bakterien werden häufig von Viren befallen und haben dagegen eine Art Immunabwehr entwickelt, die fremdes Erbgut (DNA) erkennt und zerschreddert. Diese kann aber auch überreagieren und greift dann die eigene DNA an, fanden österreichische Forscher mit Kollegen heraus. Ein effizienteres System ist dafür anfälliger als ein zahmeres, berichten sie im Fachjournal Current Biology. Als Einzeller haben Bakterien natürlich keine direkte Entsprechung unseres Immunsystems, aber doch einen Mechanismus, der diese Funktion erfüllt. Ihr Immunsystem besteht aus Enzymen (Restriktions-Endonukleasen), die fremde DNA an bestimmten Abschnitten (bei kurzen spezifischen Sequenzen) spaltet, sobald sie in die Zelle eingedrungen ist. Damit das eigene Erbgut nicht angegriffen wird, kennzeichnen es andere Enzyme, indem sie Markierungen (Methylgruppen) daran anbringen. Die Forscher um Calin Guet vom Institute of Science and Technology (IST) Austria haben nun bei Escherichia coli-Bakterien untersucht, ob zwei solcher Systeme auch Fehler machen und die eigene DNA attackieren können. Das eine namens EcoRI schützt die Mikroben sehr effektiv vor Bakteriophagen, während das andere, RcoRV genannt, sie weniger gut abwehrt. Sie konnten nachweisen, dass EcoRI tatsächlich Schäden am eigenen Erbgut verursacht. Unter normalen Umständen wird dann eine SOS-Antwort ausgelöst, und der Defekt von Reparaturenzymen wieder beseitigt. Bei Ressourcenmangel funktioniert dies aber nicht einwandfrei, berichten die Forscher. Das zahmere EcoRV-System war hingegen für Fehler immun, es griff die eigene DNA nie an, und deswegen war auch kein Noteinsatz der Erbgut-Mechaniker zu beobachten. Die Wahrscheinlichkeit für Autoimmunität liegt bei effizienter arbeitenden Systemen also viel höher, so die Wissenschafter. Es wirkt fast so, als wären diese manchmal zu übereifrig in ihrem Bestreben, die Zelle vor Eindringlingen zu bewahren, meinen sie.
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8Kultur
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Mark Osborne verwebt eine computeranimierte Geschichte aus der grauen Gegenwart mit dem Märchen vom reisenden Prinzen in reizvoller Stop-Motion-Technik. Dass Der kleine Prinz von Antoine de Saint-Exupéry längst zu einem Kinderbuch geworden ist, hat sich bei den zahlreichen Adaptionen für Theater und Kino oft als Nachteil erwiesen. Es ist wohl zu verführerisch, bewusst Einfachheit mit Naivität zu verwechseln. Bei der Verfilmung von Mark Osborne sollte man sich gleich zu Beginn von einer entsprechenden Erwartungshaltung verabschieden. Die Geschichte eines kleinen Mädchens mit großen Augen, das mit den verbotenen Besuchen beim alten, verschrobenen Nachbarn das Reich der Fantasie betritt, ist mehr als bloß Rahmenhandlung. Osborne verwebt die computeranimierte Geschichte aus der grauen Gegenwart mit dem Märchen vom reisenden Prinzen in reizvoller Stop-Motion-Technik. Ganz nebenbei fallen die berühmten Zitate, eingebettet in ein liebevoll gestaltetes Plädoyer für die Erinnerung an das Schöne.
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8Kultur
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Rebecca Nelsen und Rodney Gilfry über die Volksopernpremiere von "Kismet". Wien – Schon ein kurioses Ding: Das musikalische Grundmaterial (Orchesterstücke und Kammermusik des Russen Alexander Borodin) stammt aus dem 19. Jahrhundert. Der Text basiert auf einem Theaterstück von Edward Knobloch, das 1909 in Paris uraufgeführt wurde. Und Robert Wright und George Forrest verbanden beides Anfang der 1950er und bastelten daraus ein Musical, das in den USA mit einem Tony Award ausgezeichnet wurde: Kismet. An der Volksoper ist das Stück dreimal konzertant zu erleben, quasi als Prélude zu Borodins einziger Oper Fürst Igor, die im März neu inszeniert wird. Taugt das Musical etwas? Auf jeden Fall, finden Rebecca Nelsen und Rodney Gilfry. In der märchenhaften, im Bagdad des elften Jahrhunderts angesiedelten Geschichte singen die beiden Hajj und Marsinah, also Vater und Tochter. Eigentlich würde sich das ganze Stück darum drehen, meint Nelsen: um die bedingungslose Liebe zwischen Vater und Tochter. Hajj ist bereit, alles für seine Tochter zu tun; er tötet sogar den Wesir, als dieser sie bedroht, erklärt die Sopranistin. Zum Glück ist der Wesir ein wirklich fieser Charakter: Alle sind froh, dass er tot ist, kommentiert Gilfry die Sachlage trocken. Bei den Aufführungen wird übrigens Volksoperndramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz den turbulenten Handlungsgang pointiert zusammenfassen. Die gebürtige Texanerin Nelsen und der in Kalifornien lebende und lehrende Gilfry haben neben ihrer Nationalität noch weitere Gemeinsamkeiten: Beide singen viel Oper mit Schwerpunkt Mozart, beide haben einige Uraufführungen gesungen (Gilfry etwa Maws Sophies Choice, Nelsen Opern von Christoph Cech und Richard Dünser), beide singen Operette und Musical. Wie kam es zu dieser enormen Bandbreite? Es hat wohl mit unserem Studium in den USA zu tun: Wir werden dort als Allrounder ausgebildet, erklärt Nelsen. Und eigentlich hätten sie Musicals dazu inspiriert, Sängerin zu werden: Ich bin in West-Texas aufgewachsen, dort gab Countrymusik und Cowboys, aber weit und breit keine Oper ... Gilfry erzählt, dass er schon an der Highschool Musicals gemacht habe; die Ausbildung zum klassischen Sänger kam erst danach. Etwa in Sachen Textdeutlichkeit habe er als Opernsänger von seiner Musical-Erfahrung profitieren können, erzählt der Bariton. Grundsätzlich singe er als Musicalsänger mit weniger Resonanz als in der Oper. Der Titel des Musicals ist Kismet, also Schicksal. Gab es für Nelsen und Gilfry einen schicksalhaften Moment, der alles veränderte? Ja. Ich hatte einen schweren Autounfall während meines Studiums, erzählt Nelsen. Ich wollte an der Ostküste weiterstudieren, konnte aber aufgrund der Verletzungen das Vorsingen dafür nicht machen. Sie habe dann Deutsch studiert, dadurch sei sie mit einem Fulbright-Stipendium nach Wien gekommen – und geblieben. So bekam eine schreckliche Sache etwas Gutes. Und bei Gilfry? Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber er sei viel älter als die Kollegin und habe schon vergessen, meint der 57-Jährige, der als komplett eitelkeitsfreier Menschen zu beschreiben ist. Ich bin 35 Jahre mit meiner Frau verheiratet, habe drei Kinder, ein großes Haus in Kalifornien – ist doch ein ziemlich gutes Schicksal. Einen Wunsch habe er aber noch an dieses: Ich träume davon, einmal Barmann zu sein! Ich will das später mal machen! Und auch die ehemalige Autoverkäuferin Nelsen ist positiv gestimmt, freut sich darauf, auch weiter im Ensemble der Volksoper zu sein: Es ist für mich hier wie eine Familie. (Stefan Ender, 22.1.2016)
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7Wissenschaft
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Wiener Forscherinnen belegen positive Konsequenzen eines freundlichen Umgangs mit Nutztieren. Wien – Dass der freundliche Umgang mit Rindern die gute Beziehung zwischen Mensch und Tier fördert, klingt nach einer Binsenweisheit. Nun aber haben Wissenschafter von der Vetmeduni Wien einen daraus resultiernden positive Effekt festgestellt, der sich auch messen und wirtschaftlich nutzen lässt. Die im Journal Applied Animal Behaviour Science präsentierte Studie hat gezeigt, dass Kälber auf einem Milchviehbetrieb, die nach ihrer Geburt eine Zeit lang von Menschen gestreichelt wurden, rascher an Gewicht zunehmen als ihre nicht gestreichelten Artgenossen. Das kann sich für Betriebe lohnen, da Kühe, die als Kälber schneller zugenommen haben, mehr Milch geben. In der konventionellen Milchwirtschaft werden Kälber am Tag ihrer Geburt von ihren Müttern getrennt. Danach werden sie meist eine Zeit lang einzeln gehalten und leben später in Kälbergruppen zusammen. Eine gute Beziehung zum Menschen kann sich nur dann aufbauen, wenn Halter regelmäßig und freundlich mit den Tieren umgehen. Erstautorin Stephanie Lürzel und ihre Kolleginnen vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz an der Vetmeduni Wien untersuchten 104 Holstein-Kälber eines Milchvieh-Betriebes im Osten Deutschlands. Etwa die Hälfte der Tiere wurde nach der Geburt 14 Tage lang je drei Minuten pro Tag gestreichelt, die andere Hälfte nicht. Lürzel und die Masterstudentin Charlotte Münsch streichelten die Kälber an einer ganz bestimmten Stelle – am unteren Hals. Unsere Arbeitsgruppe hat bei früheren Untersuchungen herausgefunden, dass Kühe es besonders genießen, an dieser Stelle gestreichelt zu werden. Sogar die Herzfrequenz der Tiere sinkt währenddessen, so Lürzel. Etwa 90 Tage nach der Geburt hatten die zuvor gestreichelten Kälber mehr Gewicht als die nicht gestreichelten. Die menschliche Zuwendung scheint sich ganz direkt auf die Gewichtszunahme bei den Tieren auszuwirken. Eine Studie aus dem Jahr 2013 zeigte, dass Kälber, die schneller zunehmen, später als Kühe auch mehr Milch geben. Die von uns untersuchten und gestreichelten Kälber hatten zum Zeitpunkt des Absetzens von der Milch eine etwa 3 Prozent höhere Gewichtszunahme als die nicht gestreichelten. Das ließe sich laut der genannten Studie in etwa 50 Kilogramm mehr Milch pro Kuh und Jahr umrechnen, erklärt Lürzel. Die Forscherinnen untersuchten auch die Qualität der Mensch-Tier-Beziehung mit dem sogenannten Ausweichdistanz-Test. Dieser misst, ab welcher Distanz sich das Kalb abwendet, wenn ein Mensch von vorne auf das Tier zugeht. Haben die Tiere gegenüber Menschen Vertrauen, ist die Ausweichdistanz gering. Fürchten sich die Tiere, ist die Ausweichdistanz größer. Bei den Experimenten zeigte sich, dass Kälber aus der Streichelgruppe dem Menschen nicht so schnell ausweichen wie die nicht gestreichelten Artgenossen. Die Ausweichdistanz war bei den gestreichelten Tieren also geringer. Wir konnten mit diesem Test klar zeigen, dass das regelmäßige Streicheln positive Auswirkungen auf die Mensch-Tier-Beziehung hat, betont Lürzel. In der Praxis empfehle ich Landwirtinnen und Landwirten, regelmäßig freundlichen Kontakt zu ihren Tieren zu pflegen. Auch wenn sich drei Minuten pro Tag und Kalb nicht ausgehen, hat der regelmäßige Kontakt über einen längeren Zeitraum auf jeden Fall positive Auswirkungen auf die Tiere. Anders stellten sich die Ergebnisse dar, nachdem die Kälber im Alter von etwa 32 Tagen ohne Betäubung, wie auf dem untersuchten Betrieb üblich, enthornt wurden. Bei dem in der Milchviehhaltung heute weitverbreiteten Verfahren werden die Hornanlagen mit einem Brenneisen ausgebrannt. Die Hörner wachsen danach nicht mehr. Nach der Enthornung waren die Ausweichdistanzen bei beiden Gruppen höher als vor der Enthornung. Tiere, die als junge Kälber gestreichelt wurden, schnitten zudem nicht anders ab als nicht gestreichelte Kälber. Die zuvor aufgebaute gute Beziehung zum Menschen scheint bei den gestreichelten Tieren nach dem Enthornen, das ohne Betäubung mit starken Schmerzen für das Tier verbunden ist, gestört zu sein. Einige Wochen nach der Enthornung ist der Effekt des Streichelns auf die Beziehung zum Menschen wieder erkennbar, erläutert Lürzel. Verhaltensexpertin Lürzel empfiehlt auf Basis ihrer und früherer Forschungsergebnisse einen freundlichen Umgang mit Kälbern: Nutztiere, die immer wieder Kontakt mit dem Menschen haben, sei es weil sie vom Tierarzt untersucht werden oder vom Bauern oder der Bäuerin gemolken werden, profitieren von einer guten Beziehung zum Menschen. Die Meinung einiger LandwirtInnen, wonach Rinder Furcht vor dem Menschen haben sollten, um mit ihnen gut arbeiten zu können, ist laut Lürzel nicht haltbar. Der regelmäßige freundliche Kontakt mit den Tieren wirke sich letztendlich auch auf wirtschaftlicher Ebene positiv aus.
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7Wissenschaft
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1516 – Nach dem Tod des Großvaters mütterlicherseits, des Königs Ferdinand des Katholischen von Aragonien, der zusammen mit seiner Gemahlin Isabella von Kastilien die Grundlagen für die Weltgeltung Spaniens schuf, erbt Karl I. den spanischen Thron. (1530 wird er als Nachfolger seines väterlichen Großvaters Maximilian I. unter dem Namen Karl V. zum Kaiser gekrönt). 1556 – Bei einem zweistündigen Erdbeben in der chinesischen Provinz Schensi sterben mehr als 800.000 Menschen. 1631 – König Gustav II. Adolf von Schweden schließt in Bärwalde in der Neumark einen Subsidienvertrag mit Frankreich. 1896 – Wilhelm Conrad Röntgen spricht zum ersten Mal vor der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft in Würzburg über die von ihm 1895 entdeckten X-Strahlen. 1916 – Österreichisch-ungarische Truppen besetzten die nordalbanische Stadt Skutari (Shkodra). 1916 – Deutsche Wasserflugzeuge bombardieren die Hafenanlagen von Dover. 1926 – Im Greenwich Village Theatre in New York wird Eugene ONeills Schauspiel Der große Gott Brown uraufgeführt. 1936 – Der Film Traumulus (Regie Carl Froelich) mit Emil Jannings wird in Berlin uraufgeführt. 1946 – Zwischen Österreich und der Sowjetunion werden volle diplomatische Beziehungen hergestellt. 1946 – In Frankreich verständigen sich die drei größten Parteien – Sozialisten (SFIO), Kommunisten (PCF) und christdemokratisch ausgerichtete Volksrepublikaner (MRP) – auf eine Regierungszusammenarbeit (Tripartisme) nach dem Rücktritt von General de Gaulle. 1966 – Offiziere der ghanesischen Armee stürzen den außer Landes weilenden Staatsgründer und ersten Präsidenten Kwame Nkrumah, der in Guinea Asyl findet. 1966 – In Syrien reißt der linke Flügel der panarabischen Baath-Partei (Neo-Baath) unter Nureddin Atassi die Macht an sich, in den Wirren kommen mehr als 400 Menschen um. 1981 – Als erste Frau wird die Schriftstellerin Marguerite Yourcenar (eigtl. de Crayencourt) (1903-1987) Mitglied der Academie francaise, die 1635 von Richelieu gegründet wurde. 1981 – In Südkorea wird das unter der Militärdiktatur verhängte Todesurteil gegen den Politiker und Menschenrechtskämpfer Kim Dae Jung (den späteren Staatspräsidenten und Friedensnobelpreisträger 2000) in lebenslange Haft umgewandelt. 1986 – Einem Großbrand in einem Luxushotel der indischen Hauptstadt Neu Delhi fallen 37 Menschen zum Opfer. 1991 – Das Suchschiff Valiant Service trifft exakt 14 Jahre nach dem Untergang der Lucona in seinem Zielgebiet im Indischen Ozean ein, um dem Verschwinden des Frachters auf den Grund zu gehen. 1996 – Die ÖVP-Politikerin Waltraud Klasnic wird in der Steiermark zum ersten weiblichen Landeshauptmann Österreichs gewählt. Sie löst an der Spitze der Landesregierung Josef Krainer ab. 2001 – Das britische Oberhaus stimmt dem Gesetz über das Klonen von Embryos zu und macht damit den Weg frei für die Forschung mit menschlichen Stammzellen. Geburtstage: Peter von Rittinger, öst. Montanist und Pionier der Erzaufbereitung (1811-1872) Theodor Alt, dt. Maler (1846-1937) Rupert Mayer, dt. Theologe (1876-1945) Charlotte von Nassau, Großherzogin von Luxemburg (1896-1985) Anna Maria Jokl, öst. Schriftstellerin, Journalistin und Psychotherapeutin (1911-2001) Boris Beresowski, weißruss. Unternehmer (1946-2013) Germanos (eigtl. Lukas Strenopoulos), griech.-orth. Metropolit und Exarch für Westeuropa (1951- ) Thomas Frühmann, öst. Springreiter (1951- ) Todestage: William Pitt d.J., brit. Politiker (1759-1806) Peter Joseph Lenne, dt. Gartenbaumeister (1789-1866) Anna Pawlowa, russische Ballerina (1882-1931) Sir Alexander Korda, brit.-ung. Filmregisseur und Produzent (1893-1956) Paul Robeson, US-Sänger/Schauspieler (1898-1976) Hans Mettel, dt. Bildhauer (1903-1966) Sam(uel) Barber, US-Komponist (1911-1981) Joseph Beuys, dt. Maler/Graphiker/Objektkünstler (1921-1986) (APA, 23.1.2016)
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4Sport
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Den ÖFB-Verteidiger zieht es nach England. Er erhält beim Premier-League-Aufsteiger Watford einen Vertrag bis 2020. London/Wien - Fußball-Teamspieler Sebastian Prödl spielt künftig für den englischen Premier-League-Aufsteiger Watford. Der 27-jährige Innenverteidiger unterschrieb beim Club aus dem Großraum London am Montag einen Fünfjahresvertrag. Der Steirer wechselt nach sieben Jahren bei Werder Bremen ablösefrei zu den Hornissen. Es macht mich sehr stolz, euch mitteilen zu können, dass ich in Zukunft ein Hornet bin. Ich habe beim Londoner Klub Watford FC einen Vertrag bis 2020 unterschrieben und freue mich auf die großen Herausforderungen und hoffentlich viel Erfolg in der Premier League, schrieb der 49-fache Teamspieler am Montagabend auf seiner Facebook-Seite. Prödl war 2008 nach der Heim-EM von Sturm Graz nach Bremen gewechselt. Im Jahr 2009 feierte er dort mit dem Cupsieg und dem Einzug ins UEFA-Cup-Finale die größten Erfolge. In der Vorsaison schaffte er mit Werder nur mit Mühe den Klassenerhalt, heuer kam er mit dem Ex-Meister nicht über Platz zehn hinaus. Sein neuer Arbeitgeber gab bei der Bekanntgabe der Verpflichtung des Steirers an, man habe sich im Werben um Prödl gegen mehrere Ligakonkurrenten behauptet. Der groß gewachsene Abwehrspieler war zuletzt auch mit Besiktas Istanbul in der Verbindung gebracht worden. Watford, das seine Spiele im 20.000 Zuschauer fassenden Stadion an der Vicarage Road austrägt, steht seit 2012 im Besitz einer italienischen Unternehmerfamilie. Davor war der englische Popstar Elton John lange Jahre (Mit-)Eigentümer und Vereinspräsident. In der heurigen Saison hatte Watford eine Runde vor Schluss die Rückkehr in die Premier League fixiert, aus der man zuletzt 2007 nach nur einer Saison abgestiegen war. Prödl ist vier Tage nach Ex-Köln-Profi Kevin Wimmer (Tottenham) der nächste ÖFB-Abwehrspieler, der in die Premier League wechselt. Neben dem Innenverteidiger-Duo stehen derzeit auch Marko Arnautovic (Stoke City) und Andreas Weimann (Aston Villa) in der englischen Topliga unter Vertrag. (APA 1.6.2015)
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5Inland
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Die grüne Vorarlberger Soziallandesrätin Wiesflecker will klare Berechnungen der ÖVP zur Kürzung der Mindestsicherung. Die Vorarlberger Volkspartei zieht mit den Forderungen der Bundespartei nach Deckelung und Kürzung der Mindestsicherung mit. Die Grünen sehen in der Diskussion einerseits Wahlkampfgeplänkel zwischen ÖVP und SPÖ, aber auch die Gefahr, dass auf dem Rücken sozial Schwacher populistische Politik gemacht wird. Die grüne Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker sieht vor allem Familien durch Kürzungen gefährdet. STANDARD: Was läuft in der Diskussion um die Mindestsicherung falsch? Wiesflecker: Man redet vor allem über die Höhe der Mindestsicherung und viel zu wenig über die niedrigen Löhne. Es kann doch nicht darum gehen, die Mindestsicherung zu kürzen, es muss darum gehen, die Löhne zu erhöhen. Der Reallohn stagniert seit Jahren. Sozialleistungen sind mittlerweile Lohnergänzungsleistungen. STANDARD: Wie viele bekommen die Mindestsicherung als Ergänzung zum Arbeitseinkommen? Wiesflecker: Wir haben inklusive Kinder 12.000 Menschen in der Mindestsicherung. 70 Prozent der 5500 Bedarfsgemeinschaften (das sind 8000 Erwachsene) sind sogenannte Aufstocker. Arbeitslose, Beziehende von Notstandshilfen und Menschen mit geringem Lohn. STANDARD: Verschärfen Flüchtlinge die Situation? Wiesflecker: Es ist nicht abzustreiten, dass wir durch die große Zahl von Flüchtlingen Druck auf die Mindestsicherung bekommen. Das muss man wahrnehmen. Wir sind alle miteinander aufgefordert, darüber nachzudenken, wie wir das gut bewältigen können. STANDARD: Sind die ÖVP-Vorschläge zur Deckelung und Kürzung Wahlkampf-Theaterdonner oder nehmen Sie das ernst? Wiesflecker: Die Idee der Oberösterreicher, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu kürzen, ist tatsächlich Theaterdonner. Zwei Kategorien von Mindestsicherungsbeziehern zu schaffen ist Ungleichbehandlung und rechtlich nicht machbar. STANDARD: Eine andere Idee der Volkspartei ist eine Deckelung auf 1500 Euro. Steckt hinter dem Betrag eine realistische Berechnung? Wiesflecker: Das bezweifle ich. Mit einer Deckelung von Wohnbedarf und Lebensunterhalt würde man vor allem die Familien treffen, denen bleibt dann noch weniger zum Leben. Bei uns in Vorarlberg schaut man, dass durch die Mindestsicherung zuerst einmal die Wohnungskosten gedeckt werden. Oft geht dieser Teil der Unterstützung direkt an die Vermieter. Geht man davon aus, dass je nach Wohnungsgröße mindestens 500 Euro zu bezahlen sind, hieße das, dass die verfügbaren Mittel für den Lebensunterhalt um diesen Betrag gekürzt werden. STANDARD: Haben die Bundesländer unterschiedliche Regelungen? Wiesflecker: In anderen Bundesländern wird mit 25 Prozent des Richtsatzes, der 850 Euro beträgt, für Wohnungskosten gerechnet. In Vorarlberg bekommt kein Mensch um 200 Euro eine Wohnung, nicht einmal eine Kleinwohnung für eine Einzelperson. Deshalb decken wir den Wohnbedarf nach Aufwand und Marktpreis. Der Richtsatz für eine alleinstehende Person beim Lebensunterhalt beträgt 630 Euro. Beim Wohnen gelten die Richtwerte der Wohnbeihilfe. STANDARD: Hält man damit nicht die hohen Mietpreise stabil? Wiesflecker: Ja, das ist so. Wir stützen über die Mindestsicherung den teuren Wohnungsmarkt. Deshalb wäre mein Vorschlag, für Konventionsflüchtlinge, die aus der Grundversorgung kommen und alleinstehend sind, Wohngemeinschaften anzubieten. Das würde die Kosten reduzieren. STANDARD: Gibt es entsprechenden Wohnraum auf dem Markt? Wiesflecker: Die Caritas mietet schon seit 2014 Einfamilienhäuser für WGs an. 160 solcher Mietverhältnisse für 500 Menschen gibt es bereits. 130 davon sind direkte Mietverhältnisse, das macht mich optimistisch. STANDARD: Funktioniert in Vorarlberg die Zusammenarbeit zwischen AMS und Bezirkshauptmannschaften bei der Meldung von Arbeitsverweigerung? Wiesflecker: Erfahrungen wie in anderen Bundesländern machen wir keine. Aus den Bezirkshauptmannschaften berichtet man mir, dass die Zusammenarbeit gut klappt. Verweigerungen werden sofort rückgemeldet. Konsequenz ist die Kürzung in 25-Prozent-Schritten. STANDARD: Wie viele beziehen die Mindestsicherung dauerhaft? Wiesflecker: Armutsverfestigte, so der Fachbegriff, haben wir im Land drei bis fünf Prozent. Das sind zum Großteil alleinstehende Männer. STANDARD: Wie hoch ist der Anteil von Konventionsflüchtlingen mit Mindestsicherung? Wiesflecker: Mit 23 Prozent ist der hoch und wird dieses Jahr weiter steigen. Mein Vorschlag wäre, dass der Bund die Überbrückungszeit zwischen Grundversorgung Asylsuchender und Aufnahme in Arbeitsmarkt oder Mindestsicherung von vier auf sechs Monate verlängert. STANDARD: Was halten Sie von Sach- statt Geldleistungen? Wiesflecker: In dieser Diskussion werden die Begriffe vermischt. Unter Sachleistung versteht jeder was anderes. Klassische Sachleistung wäre Lebensmittelgutschein statt Geld. Das möchte ich nicht. Ich plädiere für leistbaren Zugang zu Wohnen, Kinderbetreuung, Mobilität. Ich verstehe da nicht, warum die ÖVP von ihren sozialpolitischen Grundsätzen abgeht. Sie ist ja immer von Subsidiarität ausgegangen, von Hilfe zu Selbsthilfe. Was bei Geldleistungen eigenverantwortliches Wirtschaften bedeutet. STANDARD: Soll die Mindestsicherung Bundeskompetenz werden? Wiesflecker: Verbundlichung heißt das schöne neue Wort dafür. Man muss genau klären, welche Kompetenzen auf welcher Ebene gemeint sind. Im Moment weiß man noch nichts Genaues. Stutzig macht mich, dass dieser Vorschlag aus dem schwarzen Niederösterreich kommt. Da werde ich hellhörig. STANDARD: Was vermuten Sie hinter dieser Forderung? Wiesflecker: Als man die Sozialhilfe abgeschafft und 2010 die 15a-Vereinbarung zur Mindestsicherung abgeschlossen hat, wurde ein Verschlechterungsverbot vereinbart. Würde man dem Bund die Kompetenzen übertragen, wäre eine Nivellierung nach unten möglich. Das wäre also eine Aufhebung des Verschlechterungsverbots durch die Hintertür.
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7Wissenschaft
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Thomas Henzinger erhält den Milner Award 2015 der britischen Akademie der Wissenschaften. Klosterneuburg – Der Präsident des Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneuburg, Thomas Henzinger, wird mit dem Milner Award 2015 der Royal Society ausgezeichnet. Die britische Akademie der Wissenschaften ehrt damit jährlich außerordentliche Errungenschaften eines europäischen Forschers in der Informatik, wie das IST mitteilte. Henzinger erhalte den von Microsoft Research unterstützten Preis in Anerkennung seiner wesentlichen Beiträge zu Theorie und Praxis der formalen Verifikation und Synthese von reaktiven, hybriden und Echtzeit-Computersystemen. Neben einer Medaille und einem Betrag von umgerechnet rund 7.200 Euro ist die Auszeichnung mit der Einladung zu einer öffentlichen Vorlesung in der Royal Society verbunden. Für Henzinger ist der Namensgeber des Preises, der britische Informatiker und Turingpreisträger Robin Milner (1934-2010), ein wissenschaftlicher Held und Vorbild: Vor allem was dessen Zugang zu Formalismen betrifft, die durch ihren Reinheitsgrad spezifische Aspekte der Computerwissenschaft äußerst konzise beleuchten, hieß es in der Mitteilung.
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7Wissenschaft
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Korea führt Liste vor Israel und Japan an, Finnland innerhalb der EU. China überholte 2014 die 28 EU-Staaten. Paris/Wien – Mit einer Forschungsquote von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) landet Österreich unter einer Auswahl der 34 OECD-Länder inklusive Argentinien, China, Taiwan, Rumänien, Russland, Singapur und Südafrika auf Rang sieben. An der Spitze der OECD-Auswertung liegt Südkorea mit 4,29 Prozent vor Israel (4,11 Prozent) und Japan (3,58). Mit Finnland folgt das erste EU-Land auf Platz vier (3,2). Österreich ist allerdings das einzige Land in der Liste, für das bereits Daten aus dem Jahr 2015 herangezogen wurden, während bei den meisten anderen Staaten die Zahlen aus dem Jahr 2014 eingerechnet wurden. Unmittelbar vor Österreich finden sich mit Schweden (3,16) und Dänemark (3,05) zwei weitere nordeuropäische Staaten. Knapp hinter Österreich liegen mit ebenfalls rund drei Prozent die Schweiz (Datenstand allerdings 2012) und Taiwan. Auf Rang zehn folgen Deutschland (2,84) und die USA mit 2,74 Prozent (Daten aus dem Jahr 2013). Über dem OECD-Schnitt (2,4) finden sich auch noch Belgien und Slowenien. Obwohl China 2014 auf eine Forschungsquote von 2,05 Prozent kam, lagen dort die Gesamt-Investitionen 2014 um zwei Prozentpunkte über den Gesamtausgaben der 28 EU-Staaten. Damit hat China die EU erstmals überholt, wie es am Donnerstag in einer Aussendung der OECD heißt. Im Schnitt arbeiten in Österreich 9,4 Personen pro 1.000 Einwohner in Forschung und Entwicklung, was in diesem Vergleich Rang 11 bedeutet. Einsame Spitze in dieser Auswertung ist Israel mit 17,6 Forschern pro 1.000 Einwohnern. Eher bescheiden nimmt sich in Österreich hingegen der Anteil weiblicher Wissenschafter aus: Mit einem Anteil von lediglich 29,6 Prozent Forscherinnen findet sich Österreich hier eher am Ende des Rankings. Allerdings liegen strukturell vergleichbare Länder, wie Deutschland, Frankreich oder die Niederlande sogar noch weiter zurück. Fast ausschließlich eine Männerdomäne ist Forschung demnach in Teilen Asiens: Denn am Ende der Aufstellung finden sich Taiwan (22,1 Prozent Forscherinnen), Korea (18,5 Prozent) und Japan (14,7 Prozent).
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2International
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Parlament hob Immunität von Staatsoberhaupt Otto Perez nach Korruptionsvorwürfen auf. Guatemala-Stadt – Wegen der Korruptionsermittlungen gegen den guatemaltekischen Präsidenten Otto Perez darf der Staatschef das Land nicht verlassen. Das habe ein Richter angeordnet, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Dienstagabend mit. Damit solle verhindert werden, dass sich der Präsident ins Ausland absetzt. Wenige Stunden zuvor hatte das Parlament die Immunität von Perez aufgehoben und damit den Weg für eine Strafverfolgung des Präsidenten freigemacht. Nach Einschätzung der Ermittler stand Perez an der Spitze des Korruptionsringes La Linea, der im Zollwesen hohe Beträge unterschlagen haben soll. Die frühere Vizepräsidentin Roxana Baldetti sitzt wegen des Falls bereits in Untersuchungshaft.
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7Wissenschaft
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Moskau will Weltall "erschwinglicher" machen. Moskau – Russland geht nach der Auflösung seiner langjährigen Raumfahrtbehörde Roskosmos mit neuen Strukturen in das Jubiläumsjahr 2016. Präsident Wladimir Putin hatte das Ende von Roskosmos zum 1. Jänner 2016 angeordnet, an die Stelle der Behörde tritt ein neues Staatsunternehmen. Es gibt dann keinen Beamtenapparat mehr, sondern eine Stelle, die selbst Raumschiffe bauen und Projekte umsetzen wird, sagte Vizeregierungschef Dmitri Rogosin in Moskau. Der neue Konzern unter Leitung von Igor Komarow soll alle Betriebe der Branche unter einem Dach vereinigen. Am 12. April 2016 will Russland den 55. Jahrestag des historischen Flugs von Kosmos-Pionier Juri Gagarin mit der Eröffnung eines neuen Weltraumbahnhofs feiern. Wichtigste Aufgabe von Russlands ziviler Raumfahrt sei, das Weltall erschwinglicher zu machen, hatte Rogosin vor kurzem gesagt. Die Konkurrenz tritt uns auf die Fersen. Wir wollen Starts günstiger gestalten, kündigte der für Raumfahrt zuständige Politiker an. Russland will etwa auch mit Satellitenprojekten mehr Geld verdienen. Roskosmos hatte zuletzt mitgeteilt, dass die Raumfahrtnation 2015 ihre Führungsposition bei Starts behauptet habe. Weltweit seien im vergangenen Jahr 86 Trägerraketen ins Weltall geschossen worden, hieß es. Russland belege mit 29 Starts den ersten Platz vor den USA (19).
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3Wirtschaft
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Weinunternehmer und "Weinführer" Gambero Rosso streben an die Börse. In Italien gibt es Glühwein der anderen Art. Im heißesten Sommer seit mehr als hundert Jahren hat die Weinernte auf der Apenninenhalbinsel nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Rekorde geschlagen. Die warmen Temperaturen haben den Prosecco-Winzern, den Herstellern des Sprudelweins, eine gegenüber dem Vorjahr um knapp ein Drittel erhöhte Ernte beschert. Weinkenner und Präsident der Region Venetien, Luca Zaia, bestätigt eine Prosecco-Ernte des Jahrhunderts, mit exzellenter Qualität. Wir schlagen heuer nicht nur in der Produktion, sondern auch im Konsum den französischen Rivalen Champagner, gibt sich der Präsident des Konsortiums der Prosecco-Produzenten, Stefano Zanette, zufrieden. 2015 sollen 485 Mio. Prosecco-Flaschen abgesetzt werden gegenüber 307 Mio. Champagnerflaschen im Vorjahr. Frankreich überholt Mit einer Produktion von 48,9 Millionen Hektolitern hat Italien heuer erstmals Frankreich (46,45 Mio. Hektoliter) auf Platz zwei verdrängt. Abgeschlagen auf Platz drei rangiert Spanien mit 36,8 Millionen Hektolitern. Für Italien ist es die höchste Produktion seit dem Jahr 2004, als noch 53 Millionen Hektoliter erzeugt wurden. Die vier wichtigsten Weinregionen Toskana, Venetien, Piemont und Lombardei bestätigen hervorragende Qualität. Einziger Wermutstropfen ist der inländische Konsum, der in den vergangenen fünf Jahren um 18 Prozent zurückgegangen ist. Nicht nur das Wetter kam den Winzern zugute – die Weltausstellung Expo hat Italiens Weinwirtschaft Rückenwind verliehen. Allein im Weinpavillon verkosteten 1,5 Mio. Besucher italienische Weine. Wir haben den Weinliebhabern hier vor allem die Geschichte des italienischen Weins, die Kultur und die wirtschaftliche Bedeutung des italienischen Weins vermittelt, sagte Landwirtschaftsminister Maurizio Martina. Die Exporte würden heuer die Fünf-Milliarden-Umsatzgrenze überschreiten, ein neuer Rekord. Insgesamt setzt die Weinwirtschaft in Italien 15 Mrd. Euro um. Ebenso wie die Modeunternehmen benötigen auch die Weinhersteller frisches Kapital, um zu expandieren und in Innovation zu investieren. Masi Agricola, der Hersteller des bekannten Rotweins Amarone mit einem Umsatz von 60 Millionen Euro, hat zu Jahresmitte den Börsengang gewagt und 30 Millionen Euro eingesammelt. Am Montag wird der Gambero Rosso, Italiens bekanntester Weinführer, an die Börse gehen. Und die Cantine Ferrari, der famose Schaumweinhersteller aus Trient, denkt ebenfalls über einen Börsengang nach. Italiens Weinanbau geht auf die Römer zurück. Das ist allgemein bekannt. Aber wer wusste schon, dass auch der Maler des Letzten Abendmahls und Erfinder des Bewässerungssystems von Mailand, Leonardo da Vinci, selbst Wein angebaut hat: im Weingarten gegenüber dem Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie, in dem er sein berühmtes Gemälde Das letzte Abendmahl schuf. Dieser Weingarten mit Leonardos Wohnung mitten in Mailand steht inzwischen als Le Vigne di Leonardo dem Publikum offen.
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6Etat
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Ob sich Österreich in eine Buhmann-Rolle in Europa manövriert, fragt Ingrid Thurnher den Vizekanzler. Wien – Vom EU-Sondergipfel am Montag werden entscheidende Weichenstellungen für die künftige Flüchtlingspolitik Europas erwartet. Österreichs Kurs mit fixen Obergrenzen und Tageskontingenten zeigt einstweilen Wirkung: Es kommen deutlich weniger Flüchtlinge, dafür staut es sich in Griechenland, weil die Balkan-Staaten nachgezogen und ihre Grenzen dicht gemacht haben. Österreich muss sich dafür heftige Kritik aus Brüssel, Berlin und Athen gefallen lassen. Zu Recht? Darüber diskutieren bei Ingrid Thurnher Im Zentrum am Sonntag um 22 Uhr in ORF 2: Nutzen Sie das Forum, um sich mit anderen über die Sendung auszutauschen.
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7Wissenschaft
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Thomas Südhof erforscht, was genau sich an Synapsen abspielt. In den USA sieht er dafür etwas bessere Voraussetzungen als in Deutschland. Klosterneuburg – Der Geldwert eines Nobelpreises ist weniger hoch, als man annehmen möchte – besonders dann, wenn man sich den Preis wie Thomas Südhof mit zwei weiteren Wissenschaftern teilt: Den Medizinpreisträgern von 2013 bleibt jeweils nach Abzug der US-amerikanischen Steuern weniger als die Hälfte, rund 200.000 Dollar, übrig. Davon kann Südhof vielleicht einmal die Collegebildung eines seiner Kinder bezahlen. Die wissenschaftlichen Errungenschaften hingegen sind unbezahlbar: Die Forscher haben dazu beigetragen, den molekularen Prozess der Neurotransmitterfreisetzung aufzuklären – den ersten Schritt in der Übertragung von Informationen an Synapsen. In seiner jetzigen Forschung beschäftigt sich Südhof immer noch mit Synapsen, wie er am vergangenen Mittwoch bei einem Vortrag am IST Austria in Maria Gugging erläuterte. Nun gehe es ihm allerdings darum, wie sich Neuronen gegenseitig erkennen und untereinander ihre Eigenschaften kommunizieren. Jede Synapse hat ihr eigenes Kurz- und Langzeitgedächtnis. Je nach Erfahrung können sich die Nervenverbindungen daher stark unterscheiden – und sich auch in ihrer Funktion und Anatomie verändern, berichtete Südhof. Der gebürtige Deutsche erforscht, wie diese Veränderungen vonstattengehen und mit welchen Signalen Neuronen ihren jeweiligen Zustand mitteilen. Interessant ist auch, was bei Krankheiten passiert, bei denen diese Prozesse nur noch teilweise funktionieren. Das sind neben neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson vor allem Schizophrenie und Autismus. In den vergangenen Jahren wurden Mutationen in vielen Genen identifiziert, die eine Prädisposition für diese Krankheiten bedeuten. Ein Teil der Gene ist für die Bildung von Proteinen verantwortlich, die an der Synapse wirken und das neuronale Netzwerk beeinflussen – manche Syndrome könnten auf diese Mutationen zurückgehen. Südhof betont allerdings, dass die Hirnforschung erst ein äußerst rudimentäres Verständnis davon hat, wie ein Gehirn funktioniert. In der Öffentlichkeit ist manchmal der Eindruck entstanden – vielleicht durch ein paar übereifrige Kollegen –, dass wir bald dabei sind, Gehirne zu modellieren. Er könne sich dies aber nicht vorstellen: In meiner persönlichen Einschätzung würde ich sagen, dass wir weit weniger als fünf Prozent des Gehirns verstehen. Die Neurowissenschaft, die Therapien gegen psychische Krankheiten entwickeln könnte, sei vielleicht auf dem Stand der Krebsforschung vor 20 Jahren. Dennoch gebe es noch kein Krebsheilmittel – aber bei einigen Erkrankungsformen erfolgversprechende Therapien. Und warum sollte eine Nervenzelle einfacher sein als eine Krebszelle? Zu diesen Erkenntnissen will der 60-jährige Wissenschafter weiterhin beitragen und denkt nicht daran, in fünf oder zehn Jahren aufzuhören – mit ein Grund, weshalb er in den USA weiterarbeiten will, wo er seit mehr als 30 Jahren forscht. In seiner Heimat Deutschland liege sein Pensionseintrittsalter bei 65, und spätestens dann werde erwartet, einen Gang zurückzuschalten. Die Forschungsfinanzierung hält der Doppelstaatsbürger dort jedoch für ähnlich gut wie in den USA, wo er sein Labor an der Stanford University hat. Einen Unterschied gebe es aber in der Struktur der Mittelvergabe: In Deutschland kann Leuten, die erst mal auf einem bestimmten Posten sitzen, wenig passieren. In den Vereinigten Staaten wird durch das starke Drittmittelsystem die Finanzierung konstant erneuert, je nachdem, ob man gute Forschung macht oder nicht. Es dürfe nicht so weit gehen, dass Wissenschafter um ihren Job bangen müssen, aber so würde das Geld effektiver verwendet werden und zudem die Dialogbereitschaft höher sein. Es ist gut, wenn man seine Forschung rechtfertigen muss – wir als Wissenschafter schulden das der Gesellschaft, weil sie uns bezahlt, sagt Südhof. Daher müssen wir sie rational davon überzeugen, in uns zu investieren. Wir dürfen dabei aber kein gemeinsamer Verein, keine Lobby werden, die bestimmte Interessen verfolgt. Wissenschaft sollte wertneutral sein. Forschung trage zu den fundamentalen Erkenntnissen bei, auf denen unsere Gesellschaft beruhe. Deswegen ist es so absurd, wenn Leute gegen Wissenschaft kämpfen und gleichzeitig ein Smartphone aus der Tasche ziehen. Mit bestimmten Gruppierungen sei da jedoch kein Dialog möglich. Ich unterstütze Forschung an Tieren, weil ich sie für essenziell halte, sehe aber auch eine große Berechtigung für Tierschutz. Was mich in Diskussionsrunden zu diesem Thema aber erschreckt, ist, dass viele Menschen gar kein Interesse an einem Dialog haben. Da ist nicht nur Dogmatik, sondern oft auch richtiger Hass dabei. Trotzdem hält er es für wichtig, andere von der Notwendigkeit des Dialogs zu überzeugen. Weniger Verständnis hat der Neurowissenschafter für das Thema Open Access, also den freien Zugang zu wissenschaftlicher Literatur. Für kleinere Institutionen und Entwicklungsländer mit wenig Geld für Fachjournalabonnements sei dies zwar wichtig. In der Forschung generell halte ich das aber für einen Nebenkriegsschauplatz und verstehe nicht, warum es dazu immer eine Riesendiskussion gibt. Dadurch lasse sich die wirtschaftliche Macht der großen Fachzeitschriften nicht mindern. Wenn sie zur kostenlosen Onlineveröffentlichung ihrer Artikel gezwungen werden, würden sie stattdessen höhere Gebühren für die Publikation verlangen und so Profit machen. Das eigentliche Problem ist: Die großen Journals sind hochprofitabel und haben irrsinnig hohe Renditen, die man behalten will, sagt Südhof. Da sei die Verantwortung gegenüber dem Inhalt sekundär, und es gebe letztlich keinen, der die Zeitschriften wirklich überprüfe. Ich bin sonst gegen mehr Regulierung, aber wenn ein Journal etwas Falsches veröffentlicht, wird es nicht abgestraft, nur die Autoren. Dabei ist das Medium auch schuld. Daher fordert Südhof, dass das Peer-Review-System gründlicher werden muss.
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8Kultur
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Der 18-Jährige kam nahe dem Gelände des Sziget-Festival auf der Budapester Donauinsel ums Leben. Budapest – Mit nur 18 Jahren ist der deutsche Schauspieler Fynn Henkel (Die schwarzen Brüder) gestorben. Er wurde am Dienstagmorgen am Sziget-Musikfestival auf einer Donauinsel in Budapest von einem Ast erschlagen. Wie die Festivalverantwortlichen dem Portal blikk.hu mitteilten, war das Festival zu dem Zeitpunkt schon vorbei. Henkel habe sich in einem Zelt aufgehalten, das außerhalb des Festivalgeländes aufgebaut war, in einem gefährlichen Bereich, wo es verboten ist zu zelten, hieß es. In einer ersten Stellungnahme gegenüber bluewin.ch zeigte sich der Schweizer Schwarze Brüder-Regisseur Xavier Koller am Mittwoch bestürzt. Ja, es ist furchtbar! Die Nachricht hatte mich gestern Nacht erreicht. Ich kann es noch immer nicht glauben. Fynn sei ein superintelligenter, einfühlsamer junger Mann gewesen. Die Schauspielerei war mehr in seiner Neugierde verankert, als eine seiner großen Ambitionen.
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0Web
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Entwickler sprechen zudem über dedizierte Server und Mikrotransaktionen. Electronic Arts startet am Donnerstag den öffentlichen Beta-Test zu Star Wars Battlefront und hat im Vorfeld einige frische Informationen zu dem Spiel herausgegeben. So bestätigten die Entwickler, dass die Multiplayer-Schlachten sowohl bei der PC- als auch den Konsolen-Versionen auf dedizierten Servern abgehalten werden. Überdies versicherte Hersteller DICE, dass es keine Möglichkeit für Mikrotransaktionen etwa zum Erwerb neuer Spielgegenstände geben wird. Unterdessen haben diverse Seiten und Youtuber bereits erste Videos von den Mehrspieler- und Coop-Missionen der kommenden Beta veröffentlicht. Darin zu sehen sind erstmals auch die Duelle zwischen Helden wie Luke Skywalker und Darth Vader. Bestätigt wurde, dass jeder Spieler einer Fraktion in die Rolle dieser Helden schlüpfen kann. Diese sind fraktionsabhängig. Luke Skywalker kann im Spiel daher nicht plötzlich auf die dunkle Seite der Macht wechseln. Zum Helden wird man, indem man eine zufällig im Spiel platzierte Münze einsammelt und diese ohne zu sterben und vor Ablauf eines Countdowns einlöst. Diese Mechanismen sollen garantieren, dass mehrere Spieler im Zuge eines Matches die Chance haben, einen der ikonischen Charaktere zu steuern. Erfüllt man diese Anforderungen, kehrt man nach einer kurzen Sequenz als Held auf das Schlachtfeld zurück und kann so übermächtig mit Lichtschwert und Telekinese auf die gegnerischen Soldaten losgehen. Dadurch kann man mächtig Schaden anrichten, allerdings ist der Aktionszeitraum begrenzt und man ist auch nicht unverwundbar. Stößt man auf einen gegnerischen Helden, stehen die Chancen auf ein vorzeitiges Ableben noch besser. Wie fair diese Heldenmechanik ist, wird sich wohl im Laufe der Beta zeigen. Den ersten Eindrücken nach zu urteilen, sieht DICE damit offenbar eine Art Booster-System vor, das vor allem unterlegene Parteien wieder zurück ins Spiel bringen könnte.
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7Wissenschaft
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Forscher untersuchten den Mageninhalt von Walen: Die Ursache der jüngsten Strandungen dürfte die Wetterlage gewesen sein. Kiel – Seit Anfang des Jahres sind nach Angaben der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer rund 30 junge Pottwale in der südlichen Nordsee verendet, darunter alleine 13 an der schleswig-holsteinischen Küste. Aber auch an den Küsten Niedersachsens, der Niederlande, Großbritanniens und Frankreichs verendeten Pottwale. Unterwasserlärm, Sonarexperimente und Parasitenerkrankungen sind Faktoren, die am häufigsten für Massenstrandungen von Walen verantwortlich gemacht werden – und oft genug sind sie es auch. Diesmal war jedoch laut einer deutschen Untersuchung indirekt das Wetter schuld. Pottwale findet man in allen Meeren – dauerhaft können sie jedoch nur dort leben, wo es tief genug ist. Denn Pottwale tauchen nach ihrer Beute – hauptsächlich Tintenfische – und stoßen dabei in Tiefen von einigen hundert Metern, manchmal sogar zwei Kilometern und noch mehr vor. Die Nordsee bietet ihnen keine idealen Bedingungen, in der Regel umschwimmen Pottwale sie auf ihren Wanderungen und ziehen westlich von Großbritannien weiter. Dass heuer relativ viele Pottwale in der Nordsee auftauchten und dort teilweise auch ihr Ende fanden, dürfte am Wetter gelegen haben, vermuten Kieler Meeresforscher. Sie untersuchten den Mageninhalt von 13 an der Nordseeküste verendeten Pottwalen. Dabei fanden sie unter anderem 110.490 Tintenfisch-Schnäbel. Der einem Papageienschnabel ähnliche Beißapparat der Kopffüßer besteht aus unverdaulichem Horn und ist das einzige, was von dem Weichtier übrig bleibt. Der Meeresbiologe Uwe Piatkowski vermutet, dass die heftigen Stürme, die im Jänner im Nordostatlantik herrschten, die Tiere in die Nordsee getrieben haben. Und die Wale folgten ihrer Lieblingsnahrung. Diese Stürme haben Wassermassen nach Süden getrieben und damit unter Umständen auch die Beute der Tiere – die Kalmare, sagte Piatkowski vom Kieler Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Als die Pottwale den Tintenfischen hinterherschwammen, gerieten sie in den flachen Gewässern der Nordsee in eine ernste und für viele letztlich tödliche Lage.
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7Wissenschaft
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Spinnenmännchen setzen oft auf Sabotage, um Konkurrenten auszubooten – die de Spezies Larinia jeskovi sind dabei besonders rabiat. Greifswald/Bialystok – Einige Spinnenmännchen beschädigen nach der Begattung die Geschlechtsorgane der Weibchen: Ein Akt der Kontrolle, mit dem sie sich die Vaterschaft sichern, da sich das Weibchen nun nicht mehr mit anderen Männchen fortpflanzen kann. Varianten dieser Strategie kennt man aus dem Reich der Spinnen verschiedene. Bei manchen Arten verstopften die Spinnenmännchen mit einem Sekret die weiblichen Genitalkanäle, erklärt die Zoologin Gabriele Uhl von der Universität Greifswald. Männchen anderer Arten lassen Teile ihrer Geschlechtsorgane nach der Kopulation im Weibchen zurück und sperrten damit den Zugang für Konkurrenten. Die Kosten hierfür sind allerdings hoch, weil das Männchen sich dadurch sterilisiert, so Uhl. Weniger verlustreich für das Männchen, aber umso rabiater gegenüber dem Weibchen ist die Vorgehensweise bei der Radnetzspinne Larinia jeskovi. Bei ihr verstümmelt das Männchen kurzerhand die Genitalien des Weibchens, wie Greifswalder Forscher zusammen mit Kollegen von der polnischen Universität Bialystok herausfanden. Die Männchen dieser ungefähr einen Zentimeter großen Spinnenart zwicken eine äußere fahrradsattelähnliche Struktur der weiblichen Genitalregion – den Scapus – mit ihren Kopulationsorganen ab. Uhl dazu: Ohne diesen Scapus, der primär der Verhakung der männlichen Kopulationsorgane dient, ist eine weitere Verkopplung der Genitalien nicht mehr möglich. Für ihre Analyse haben die Forscher Spinnenpaare während der nur wenige Sekunden dauernden Kopulation mit flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius fixiert und mit Hilfe eines hochauflösenden Röntgen-Computertomographen betrachtet. Das Phänomen untersuchten die Forscher auch im Freiland. Bei allen Weibchen, die am Ende der Paarungssaison in den Sümpfen des Biebrza Nationalparks (Polen) gesammelt wurden, fehlte der Scapus, sagt Uhl. Derzeit werde untersucht, ob diese Genitalverstümmelung bei den Weibchen weitere Folgen verursacht, etwa eine anschließende Infektion. Die Forscher, die ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Current Biology veröffentlichten, haben Literatur ausgewertet und bei bisher mindestens 80 Spinnenarten Hinweise darauf gefunden, dass auch bei diesen die weiblichen Genitalien verstümmelt werden. Das Phänomen der Genitalverstümmelung scheint – so die Schlussfolgerung der Forscher – zumindest bei Spinnen weit verbreitet zu sein. Es sei denkbar, dass aufgrund dieser Studie weitere Tiergruppen entdeckt würden, bei denen äußere Genitalverstümmelung vorkommt, aber bisher unbemerkt blieb.
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4Sport
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Außenverteidiger war zuletzt vereinslos. Graz – Sturm Graz hat den zuletzt vereinslosen Türkei-Legionär Tanju Kayhan unter Vertrag genommen. Der 26-jährige Außenverteidiger unterschrieb einen leistungsbezogenen Einjahresvertrag mit Verlängerungsoption. Der frühere Rapid-Spieler hatte in der Vorsaison für den türkischen Zweitligisten Karabükspor gespielt, war aber seit Juli vertragslos. Ich bin glücklich, dass ich bei Sturm Graz bin und nach vier Jahren Türkei wieder in Österreich spielen darf. Ich freue mich auf die neue Herausforderung in der Steiermark, zitierte Sturm den gebürtigen Wiener am Dienstag in einer Aussendung.
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5Inland
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Freundlich, zuvorkommend, ein Hardliner: Sebastian Kurz, in der Regierung für Außenpolitik und Integration zuständig, haut derzeit ordentlich auf die Pauke. "Macht die Grenzen dicht!", lautet seine Botschaft. Ich bin nicht rechts, sagt Sebastian Kurz. Er habe nur recht. Der Außenminister ist nicht von Selbstzweifeln angekränkelt: Pragmatisch sei er und realistisch, ich bin einer der wenigen, die ihre Linie nicht dreimal ändern mussten. Er sei nur ehrlich: Wir sind überfordert. Flüchtlinge, so Kurz im Gespräch mit dem Standard, sollten lieber außerhalb der EU als innerhalb gestoppt werden. Andere Politiker hätten auf Abwarten gesetzt und sich brutalst verkalkuliert, sagt Kurz. Ich habe recht bekommen. Die Sprechblasen helfen uns nicht weiter. Wir müssen Klartext reden, viele Politiker trauen sich das nicht. Er schon. Der 29-Jährige sucht in den vergangenen Tagen verstärkt die Öffentlichkeit, auch jene in Deutschland und in der Schweiz. Große Interviews in der Neuen Zürcher Zeitung und in der Frankfurter Allgemeinen, zur Sicherheit werden die Interviews auch an die heimischen Redaktionen versandt. Seht her, was unser Außenminister tut und sagt. Seine Botschaft: Wir müssen die Grenzen sichern und die Flüchtlinge stoppen. Wenn das jetzt nicht gelingt, dann kommen nächstes Jahr doppelt so viele. Das müssten auch die Deutschen wissen. Im Übrigen seien die Schuldzuweisungen zwischen jenen Ländern, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen, absurd. Wir sind hier mit einer Feindseligkeit konfrontiert, die wir nicht verdient haben. Die Begriffsdebatte, mit der sich Österreich aufhalte, sei absurd: Vor drei Monaten war das Zelt böse, jetzt ist der Zaun böse. Die Frage ist doch nur, wo er steht. Wenn er in Europa steht, sei das schlecht. Er sei überzeugt davon, wenn es keine Grenze drumherum gibt, wird der Schengenraum zerfallen. Allerdings, und da sind wir wieder bei der Begriffsdebatte, brauche es auch an der Grenze in Spielfeld eine Befestigung, um die Situation zu kontrollieren. Kurz zuckt die Schultern: Wenn das zufällig das gleiche Material wie der Zaun ist ... Wir können auch Gitter dazu sagen. Eine andere Begrifflichkeit ist die Festung Europa, die seine Parteifreundin und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner so ausdrücklich will. Ein unglücklicher Begriff sei das, sagt Kurz, aber die Hanni und ich meinen das Gleiche. Es sei ja nicht so, dass keiner mehr reindarf, wie der Begriff Festung suggeriere. Ob Mikl- Leitner dieses Bild absichtlich wählte, um das auszudrücken, oder ob es ihr passiert ist, das lässt der Außenminister offen. Ich bin auch dafür, dass man einen Asylantrag im Ausland stellen darf, sagt Kurz – und fügt triumphierend an: Eine links-grüne Forderung! Dass Österreich diese Möglichkeit vor Jahren abgeschafft hat, wischt Kurz beiseite: Es braucht eine europäische Behörde, die das abwickelt. Und ja, das auch: Die, die bereits hier sind, müssten bestmöglich integriert werden, auch mit einem verpflichtenden Wertekurs, in denen ihnen Grundsätzliches von der Gleichberechtigung bis zur Mülltrennung beigebracht wird. Das sei ebenso wichtig wie der Spracherwerb, Alphabetisierung, Zugang zum Arbeitsmarkt. Rechte bedingen Pflichten, daher müssten sich Flüchtlinge integrieren und unseren Werten anpassen, besonders viel Wert legt Kurz auf das Engagement in einem Ehrenamt, was ihm sehr österreichisch erscheint, aber vielleicht nur, weil er in der ÖVP sozialisiert wurde. Paradoxerweise ist damit nicht jene Tätigkeit gemeint, denen derzeit viele Menschen an Bahnhöfen und in Flüchtlingsquartieren nachkommen, um die Überforderung des Staates aus eigenen Stücken zu kompensieren – ehrenamtlich. Kurz verfolgt seine Ziele freundlich, aber hartnäckig. Als er im April 2011 Integrationsstaatssekretär unter Mikl-Leitner wurde, gelang der ÖVP ein medialer Coup: Der junge Mann steuerte der mit eiserner Faust und verbaler Brachialgewalt agierenden Ministerin ein routiniertes Lächeln bei, das der Bevölkerung signalisieren sollte: Ich habe das alles im Griff. Viele, die Kurz in den ersten Tagen kritisiert hatten, zollten ihm nach einigen Monaten Respekt: Das Dauerstreitthema Integration, nun war es in ruhigen, verbindenden Gesten aufgehoben. Von einer Versachlichung der Debatte war oft die Rede. Integration durch Leistung war das Mantra, das der sauber frisierte Jungpolitiker so oft wie nur möglich anstimmte. In Staaten, die sich seit Jahrhunderten als multikulturelle Gesellschaften definieren, klingt das altbacken. In der Ära Fekter, als Migranten und deren Kindeskindern der Verdacht der Integrationsunwilligkeit als quasi genetisches Merkmal zugeschrieben wurde, war es erfrischend. Vier Jahre später schlägt Kurz auch andere Saiten an. Zugewanderten, die jahrelang in den Steuertopf eingezahlt haben, will er die Familienbeihilfe streichen und Asylberechtigten nach drei Jahren den Status aberkennen – Integration hin oder her. Dieser Schwenk in Richtung einer Das Boot ist voll-Rhetorik kam für viele überraschend. Kurz galt als das liberale, freundliche und weltoffene Aushängeschild der ÖVP, eine Zukunftshoffnung, die bei einem jüngeren Publikum punkten könnte, auch mit Coolness und lockeren Gesten. Da passen die strengen Töne, die er anschlägt, nicht dazu. Dabei sei er sich nur selbst treu geblieben, behaupten Vertraute. Konservativ sei er immer schon gewesen, seine politische Heimat ist die Junge ÖVP, das sind keine gesellschaftskritischen Revoluzzer. Wenig überrascht zeigt sich auch Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie und Autor des Buchs Die Integrationslüge. Er ortet keinen Sinneswandel, sondern sieht den Schwenk eher in der veränderten Realpolitik begründet: Bisher, so Schenk, habe Kurz das Thema Asyl strikt ausgeklammert und der Innenministerin überlassen. Heute ist das Thema so dominant, dass die strikte Trennung Migranten hier, Asylwerber dort in der Integration nicht funktioniert, meint Schenk. Anders gesagt: Gedacht hat er vielleicht schon immer so, nur gesagt hat er es nie. In Zeiten geringer Asylantragszahlen war diese Zwei-Welten-Theorie einfach leichter aufrechtzuerhalten. Tatsächlich beschränkte sich Kurz stets auf jene Migranten, die schon seit längerem hier leben. Er packe an, wo frühere Regierungen geschlafen und die Diskussion den linken und rechten Rändern überlassen hätten, pflegte er zu sagen – und setzte alle Hebel der PR in Gang, um das Image des Saubermachers zu verfestigen. Und PR-Kampagnen lässt er sich einiges kosten. Die von ihm initiierte Social-Media-Aktion #stolzdrauf, die Zugewanderte zu öffentlichen Patriotismusbekundungen aufforderte, wurde laut Berechnungen des STANDARD von Inseraten im Wert von 500.000 Euro begleitet. Wie viel die konzeptionell eher dünne Kampagne insgesamt gekostet hat, war auch durch parlamentarische Anfragen der Grünen nicht zu erfahren. Viel PR, viel Ideologie, aber wenig konkret Erreichtes – dieses Zeugnis stellte auch eine Forschergruppe an der Universität Wien der Arbeit des Integrationsministers aus. Studienautor Oliver Gruber konstatierte eine große Kluft zwischen Rede und tatsächlich getroffenen politischen Entscheidungen. Wobei fraglich ist, wie viel ein Integrationsminister jemals erreichen kann: Als Querschnittsmaterie ist die Integrationspolitik auf andere Ressorts angewiesen, um Reformen voranzutreiben. Ohne Bildungsministerium keine Sprachförderung, ohne Sozialministerium keine Reform der Rot-Weiß-Rot-Card und der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Wer verleitet ist, Kurz als einsamen Reformator zu zeichnen, liegt aber ebenso falsch, meint Norbert Bichl, Wiener Experte für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse – ein Bereich, den Kurz stets als Herzthema dargestellt hatte. De facto gingen nämlich viele Veränderungen zum Positiven auf das Konto des Sozialministeriums. Kurz Verdienst in dieser für den Leitspruch Integration durch Leistung so zentralen Materie beschränke sich – einmal mehr – auf gute PR. Dieser mediale Push habe aber immerhin bewirkt, dass die Anträge jener Migranten, die ihre Bildungsabschlüsse hier bewerten lassen wollten, massiv angestiegen seien – ein klares Verdienst des Integrationsministers, meint Bichl. Kurz hat in der Integrationsdebatte eine andere Sprache eingeführt, lobt Martin Schenk. Indem der Minister die Scheinwerfer auf die Leistungen der Migranten richtete, habe Kurz aber zugleich seinen eigenen blinden Fleck offenbart: Auch jene Migranten, die weniger gut ausgebildet oder ärmer sind, haben ein Anrecht auf Teilhabe und Unterstützung. Doch hier zeigte Kurz wenig Erbarmen: Dass Migranten nur dann österreichische Staatsbürger werden dürfen, wenn sie ein Einkommen beziehen, das 70 Prozent der hiesigen Arbeiterinnen nie erreichen – diese Ungerechtigkeit wurde von ihm stets verteidigt. Wer will, kann es schaffen, das ist Kurz Prämisse. Dass Migranten am Karriereweg vielfach an gesellschaftlichen Schranken und fremdenfeindlichen Arbeitgebern scheitern, kommt in Kurz Erzählung ebenso wenig vor wie die Tatsache, dass Kinder von Zugewanderten schon in der Schule benachteiligt sind. Seine eigene Lebensplanung reiche über den Terminkalender im Vorzimmer nicht hinaus: Kurz lebt im Hier und Jetzt. Minister sei er mit Leidenschaft, einen groben Fauxpas hat er sich bis jetzt nicht geleistet. ÖVP-Chef, Vizekanzler, Kanzler – daran verschwende er keinen Gedanken. Was für ihn klar war: dass er nicht Chef der ÖVP Wien werden wollte. So viel politischen Instinkt hat er, zudem ist er der JVP verpflichtet, nicht der ÖVP. Er weiß aber auch, dass die Karriere schnell wieder vorbei sein kann. Wenn es ihn einmal aufstreut, was in der Politik täglich passieren kann, dann mache er eben sein Studium fertig.
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