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1949-09-12 00:00:00
2021-05-07 00:00:00
1,060,310
227
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Oehme, wenn man Ihrem wirren Vortrag zugehört hat, ist man wirklich versucht, verfassungsrechtliche Nachhilfe zu geben. ({0}) Es ist unglaublich, was Sie hier vorgetragen haben. Denn es ist doch keineswegs so, dass die Grundrechte, die wir in unserem Grundgesetz stehen haben, alle gleichzeitig unbeschränkt gelten können. Darüber hinaus steht bei den Grundrechten dabei, dass sie durch Gesetz eingeschränkt werden können. ({1}) Und ein Letztes: Sprechen Sie, wenn Sie darüber sprechen, bitte nicht nur über die Grundrechte, die in Form von Schutzmaßnahmen eingeschränkt werden müssen. Sprechen Sie auch darüber, warum wir dieses Grundrecht einschränken: Wir schränken es ein, um ein anderes zur Geltung zu bringen, nämlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Darum geht es. ({2}) Sie können die gesundheitlichen Folgen dieser Pandemie nicht einfach ausblenden, weil es schöner wäre ohne Schutzmaßnahmen. Ja, es wäre schöner ohne Schutzmaßnahmen; aber das Leben ist nicht so, wie man es sich wünscht. Wir haben hier Herausforderungen in Verantwortung gegenüber der Bevölkerung anzunehmen, und das tun wir. Das sollten Sie nicht diskreditieren. ({3})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,311
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege Frei, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Frau von Storch?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,312
227
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Ja. ({0}) – Tja, das gehört zum Parlamentarismus dazu. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,313
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Und zur Nachhilfe auch.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,314
227
19
Beatrix
von Storch
11,004,905
Vielen herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage genehmigen. – Welchen Effekt hat es im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte anderer Menschen, wenn ich um 22 Uhr alleine auf die Straße gehe? Können Sie begründen, warum ich nicht mehr auf die Straße gehen darf und alle anderen auch nicht? ({0})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,315
227
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Frau von Storch, wenn Sie das möchten, dann führe ich das gerne noch mal aus; aber ich war selbst an so vielen Debatten hier im Haus beteiligt, in denen das von unterschiedlichen Kollegen getan wurde. Dabei ist immer darauf hingewiesen worden: Es geht bei einem diffusen Infektionsgeschehen nicht um eine einzelne Maßnahme. ({0}) Es geht nicht nur um eine Ausgangsbeschränkung, ({1}) sondern es geht um die Summe der Maßnahmen, die wir zum Schutz der Bevölkerung getroffen haben. Und diese Summe hilft, ein diffuses Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. ({2}) Daran ändert sich auch nichts, Frau von Storch, wenn Herr Oehme das bestreitet. Fakt ist: Vor zwei Wochen haben wir hier das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz mit der Bundesnotbremse beschlossen. Wir haben heute eine Sieben-Tage-Inzidenz von 129; vor zehn Tagen lag sie noch bei 169. ({3}) Man kann natürlich alles abstreiten. Aber das sind die positiven Folgen dieses Gesetzes, und das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. ({4}) Heute ist in der Tat ein Tag der Hoffnung und der Freude, ({5}) weil wir gut 460 Tage, nachdem das erste Mal von einem Covid-19-Ausbruch in Deutschland berichtet worden ist, Licht am Ende des Tunnels sehen. Vor zwei Wochen – ich habe vorhin das Vierte Bevölkerungsschutzgesetz angesprochen – ist doch hier im Hause auch von unterschiedlichen Seiten beklagt worden, dass es keinen Impfturbo gäbe. Heute sehen wir doch auch: 30,6 Prozent der Bevölkerung haben bis heute eine Erstimpfung erhalten. Gestern war ein weiterer Tag mit über 1 Million Impfungen. Wenn das kein Impfturbo ist, dann weiß ich auch nicht, was Sie darunter verstehen. Das verschafft uns das Licht am Ende des Tunnels. Deswegen werden wir jetzt alles Notwendige tun, um diesen Impferfolg nicht zu gefährden, sondern dafür zu sorgen, dass wir auch die letzten Meter dieser Pandemie noch gut bewältigen können. ({6})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,316
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege Frei, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,317
227
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Ja.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,318
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Bitte.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,319
227
19
André
Hahn
11,004,288
Vielen Dank, Herr Kollege Frei. – Sie haben eben von einem „Tag der Hoffnung“ gesprochen. Ich habe eine sachliche Frage zu § 6 der Ausnahmenverordnung. Dort geht es um Regelungen für den Sport, um Ausnahmen von der Beschränkung der Ausübung von Sport. Die Formulierung, die dort gefunden wurde, ist allerdings aus meiner Sicht unklar. Deshalb würde ich Sie gerne fragen: Dürfen nach dieser Verordnung, wenn sie denn beschlossen wird, vollständig Geimpfte und Genesene wenigstens im Freien wieder uneingeschränkt Sport treiben? Dann sollte man das zumindest sagen. Sollte es nicht so sein, dann wäre ich Ihnen für eine Begründung dankbar. Der Verordnungstext ist in dieser Frage nicht eindeutig. Viele warten auf ein entsprechendes Signal. Das wäre dann auch ein Zeichen der Hoffnung.
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,409
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Es macht sich bereit der Abgeordnete Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,410
227
19
Carsten
Müller
11,003,815
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus, ich glaube, ich werde Ihre Erwartungen nicht vollkommen erfüllen. ({0}) Denn ich werde einiges aus Ihrer Sicht Falsches sagen. Aber das Ganze ist in Folgendem begründet – ich glaube gar nicht, dass Sie das absichtlich gemacht haben –: Sie haben sich mit Ihrem Verhalten in den Diskussionsbeiträgen heute vor den laufenden Abstimmungen und auch in den Positionierungen Ihrer Partei aus meiner Sicht – und ich bin damit nicht alleine – in eine ungute Nähe zu Ihren Nachbarinnen und Nachbarn hier weiter rechts begeben. ({1}) Das macht Ihre Situation im Moment so unkomfortabel. ({2}) Meine Damen und Herren, wie war der Ablauf? Es war absehbar, dass wir in dieser Woche die Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 diskutieren und verabschieden werden. Trotzdem haben Sie Ihren Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Stunde, die dasselbe Thema hat, nämlich die Freiheiten für Geimpfte und Genesene wiederherzustellen, nicht zurückgezogen, sodass wir genau darüber debattieren, was wir bereits veranlasst haben. Sie kamen also bedauerlicherweise zu spät; aber in dieser Diskussion kamen Sie ohnehin häufig etwas zu spät, und Sie haben auch wenig präzise gearbeitet. Wir haben das anders gemacht. Wir haben uns der Verantwortung gestellt und konstruktiv gehandelt. ({3}) – Herr Kollege Theurer, Sie haben sich, ehrlich gesagt, verweigert; aber dazu kommen wir gleich. ({4}) Bereits mit dem Vierten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite haben wir die Bundesregierung in den Stand gesetzt, durch eine Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundestages bedarf, für Erleichterungen und Ausnahmen von Geboten und Verboten für Immunisierte oder negativ Getestete zu sorgen. Es war im Übrigen die FDP, die diesem nicht zugestimmt hat. ({5}) Insofern haben Sie sich dieser Diskussion vollkommen entzogen, und es ist ja bedauerlicherweise auch nicht das erste Mal in den letzten vier Jahren, dass Sie sich der Verantwortung entzogen haben. Meine Damen und Herren, in einem zügigen und zielorientierten parlamentarischen Verfahren hat die Koalition dieser Verordnung in dieser Woche zugestimmt, und mit der zu erwartenden Bestätigung des Bundesrates werden wir die Einschränkungen für Geimpfte und Genesene wahrscheinlich ab Sonntag effektiv abgeschafft haben; der Zeitplan ist von Vorrednerinnen und Vorrednern schon dargestellt worden. ({6}) Wir haben diese Verordnung heute Mittag angenommen. Meine Damen und Herren, das war auch dringend angezeigt. Das sind eben tatsächlich gelebte Verhältnismäßigkeit und verantwortungsvolles Handeln. Denn Grundrechtsbeschränkungen und ‑einschränkungen können stets nur Ultima Ratio, also letztes Mittel, sein. Daher ist es zwingend, die Beschränkungen genauso entschlossen und im Übrigen genauso verantwortungsvoll zurückzunehmen, wie die Beschränkungen, die zum Schutz der Bevölkerung, der Personen vor Schäden an Gesundheit und Leben ergriffen worden sind. Die positiven Entwicklungen bei den Coronainfektionszahlen setzten uns jetzt in den Stand, dies jetzt machen zu können. ({7}) Meine Damen und Herren – da teile ich die Auffassung des Kollegen Gysi nicht –, wir haben es jetzt tatsächlich mit einem Impfturbo tun. Es gab Versäumnisse in den ersten drei Monaten; aber die Beschleunigung war so stark, dass der Impfturbo wahrscheinlich an Ihnen vorbeigefahren ist. ({8}) Das ist bedauerlich, aber so ist die Realität. Kein anderes Land in Europa legt im Moment ein derartiges Tempo vor. Meine Vorrednerin hat das richtigerweise mit persönlichen Erlebnissen untermauert. Das sind die Gespräche, die auch an mich herangetragen werden. Darum geht es. Das ist gut. Das bringt auch Entspannung in die Diskussion. Gestern waren 25,5 Millionen Menschen das erste Mal geimpft. 7,2 Millionen Menschen sind vollständig geimpft. Die Zahlen am heutigen Nachmittag sind schon deutlich höher. Wir erwarten heute wieder mehr als 1 Million Impfungen. Wir werden bei den Zweitimpfungen wahrscheinlich bei knapp 7,5 Millionen liegen. Das alles ist besonders erfreulich, und das führt dazu, dass Beschränkungen, die absolut schwierig zu entscheiden waren, aber ergriffen werden mussten, für immer weniger Menschen gelten werden. Das ist ein großer Schritt zurück in die Normalität. Ich freue mich darüber – das ist das helle Licht am Ende des Tunnels – für die Geimpften und Genesenen. Das ist auch eine Perspektive für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für Kultur, für Kunst, für die Selbstständigen. Wir haben über die Probleme der Soloselbstständigen diskutiert, über die Probleme von Leuten, die frisch in dieses Land eingewandert sind, aber natürlich auch über die von jungen Familien, von Familien mit Kindern, von Kindern und Jugendlichen, von Erstklässlern, die das große Erlebnis Schule gar nicht haben mitbekommen können. Über diese Fälle müssen wir auch im Nachgang reden. Deswegen ist das Neustartpaket unbedingt notwendig. Ich warne aber vor einem, nämlich vor einer zu großen Leichtsinnigkeit. Es ist verschiedentlich angesprochen worden – Kollege Wiese und meine Vorrednerin haben es gesagt –: Wir schauen nach Chile und sehen, dass dort nach einer besonders erfreulichen Impfentwicklung ein riesengroßes Desaster eingetreten ist. Das zahlt die gesamte Gesellschaft, und die sozial Schwächsten zahlen den höchsten Preis. Das wollen wir nicht. Deswegen handeln wir verantwortungsvoll. Vielen Dank. ({9})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,452
227
19
Christine
Aschenberg-Dugnus
11,004,003
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hören doch aus unseren Wahlkreisen, dass Spätfolgen einer Coronaerkrankung leider keine Einzelfälle mehr sind. Diese Schicksale lassen doch keinen von uns kalt. Chronische Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Kopfschmerzen, Schwindel, Atembeschwerden, Ängste, Depressionen – das sind Folgen, die den Menschen schwer zu schaffen machen. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass zwölf Wochen nach einer Covid-19-Erkrankung etwa jeder zehnte Patient noch immer unter den Langzeitfolgen leidet. Es betrifft alle Bevölkerungsschichten, von jung bis alt. Selbst Leistungssportler sind von Covid-19-Langzeitfolgen betroffen. Nach Medienberichten – das wird auch aus persönlichen Berichten klar – nehmen die Hilferufe besorgter Eltern, deren Kinder sich nach einer SARS-CoV-2-Infektion nicht vollständig erholt haben, deutlich zu. In Deutschland gibt es bisher keine spezialisierten Behandlungszentren, um den Menschen, den Kindern schnellstmöglich zu helfen – weder ambulant noch stationär. Dabei benötigen die heute schätzungsweise 300 000 Betroffenen unbedingt unsere Hilfe. ({0}) Damit sie sich nicht im Versorgungswirrwarr verirren, brauchen sie geeignete Ansprechpartner. Für Patientinnen und Patienten ist es oft sehr schwierig, den bestmöglichen Versorgungspfad zu finden; denn die Symptome von Long Covid sind unspezifisch und unterschiedlich ausgeprägt. Außerdem führt die fehlende Datengrundlage zu einem geringen Wissensstand. Es gibt derzeit nur vereinzelt spezialisierte Therapiemöglichkeiten. In anderen Ländern wurden bereits sehr konkrete Schritte für eine bessere Versorgung unternommen. Für Großbritannien kündigte der Chef des National Health Service an, flächendeckend über 80 spezialisierte Behandlungszentren zu eröffnen. In Deutschland gibt es kein vergleichbares Angebot, und das wollen wir gerne ändern. ({1}) Wir müssen uns jetzt mit dieser Thematik befassen und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Denn die Patientinnen und Patienten brauchen jetzt unsere Hilfe und nicht erst in einem Jahr oder noch später. ({2}) Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, einen flächendeckenden Aufbau von Long-Covid-Behandlungszentren zu etablieren. Die Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung, die Krankenhäuser und die Vorsorge- und Rehaeinrichtungen müssen berechtigt sein, entsprechende Leistungen zu erbringen. Der Gemeinsame Bundesausschuss definiert dabei den Behandlungsrahmen. – Das fordern wir in unserem Antrag. ({3}) Meine Damen und Herren, um ausreichend Erkenntnisse über diese neue Erkrankung zu sammeln, wollen wir gemeinsam mit den Bundesländern ein Long-Covid-Register entwickeln, das die Fälle systematisch erfasst und analysiert. Ein Register kann helfen, Krankheitssymptome rechtzeitig zu erkennen. Auch Forschungsstudien über Long Covid müssen dringend auf den Weg gebracht und dauerhaft gefördert werden; denn eine zielgenaue Diagnose und Therapie verhindern langes Leiden. ({4}) Die Bundesregierung muss jetzt handeln und darf nicht zögern! ({5}) Auf den digitalen Impfpass warten wir bis heute. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir die Long-Covid-Patienten optimal versorgen und dass es für diese Menschen nicht wieder zu spät ist. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Herzlichen Dank. ({6})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,320
227
19
Thorsten
Frei
11,004,276
Zunächst einmal, Herr Kollege Hahn, ist es so, dass die Bundesregierung mit dieser Verordnung – wir stimmen ihr heute zu – den ersten Schritt auf dem Weg geht, den Geimpften und Genesenen Ausnahmen von Schutzmaßnahmen und damit Erleichterungen zu gewähren. Da geht es um die Quarantäne, da geht es um die Ausgangsbeschränkungen, die Kontaktbeschränkungen, da geht es darum, dass man die Getesteten den Geimpften gleichstellt oder umgekehrt, und es geht in § 6, den Sie angesprochen haben, um den Bereich des Sports. Im Grunde genommen ist es so, dass wir im Hinblick auf die Regelungen, die wir in § 28b des Infektionsschutzgesetzes zum Sport – nicht zum Individualsport im Freien – getroffen haben, deutlich machen, dass dieser Sport möglich ist, wenn es sich um Geimpfte oder Genesene handelt. Damit ist diese Regelung aus meiner Sicht sehr klar. Das ist der erste Schritt auf dem Weg der Hoffnung, und es werden weitere Schritte folgen, Herr Hahn. Das muss man, liebe Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle auch ganz deutlich sagen: Ja, es ist der erste Schritt. – Wir haben diesen Spagat zu machen, einerseits diese Pandemie zu bewältigen und andererseits – Frau Justizministerin hat es in ihrer Rede sehr deutlich gesagt – dafür zu sorgen, dass diejenigen, bei denen es keine Rechtfertigung für die Einschränkung von Grundrechten gibt, ihre Grundrechte wahrnehmen können. ({0}) Jetzt ist es, wenn man sich mal anschaut, welche Grundrechte denn eingeschränkt werden, so: Nicht in allen Fällen werden die Beschränkungen mit dieser Verordnung aufgehoben. Das ist klar. Es gibt leichte Beschränkungen wie das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung, die Abstandsregeln, die Hygiene- und Schutzkonzepte. Diese werden wir auch den Geimpften zukünftig zumuten müssen, zum Schutz derer, die nicht geimpft werden können oder auch nicht geimpft werden wollen, damit wir insgesamt die Pandemie gut bewältigen können. Es gibt auch andere Einschränkungen, beispielsweise im Bereich der Berufsfreiheit, die wir mit dieser Verordnung nicht aufheben. ({1}) Deswegen wird es weitere Schritte auf diesem Weg geben müssen, und es wird sie auch geben. Ein wichtiges Mitglied dieses Hauses hat heute Morgen in einer Zeitung die Frage gestellt: Warum hat man das denn nicht vor zwei Wochen im Infektionsschutzgesetz geregelt? ({2}) Warum haben wir im § 28c des Infektionsschutzgesetzes eine Verordnungsermächtigung geschaffen? Diese Frage kann man klar beantworten: weil wir Flexibilität brauchen, weil wir Antworten brauchen, falls es schwierige Virusmutationen gibt, die unter Umständen von Impfstoffen nicht umfasst sind, und weil der weitere Impffortschritt auch dafür sorgen wird, dass wir tatsächlich in weiteren Bereichen Erleichterungen schaffen und Ausnahmen machen können. Deswegen werden wir uns schon sehr bald wieder mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Herzlichen Dank. ({3})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,321
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Frei. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus, FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,322
227
19
Christine
Aschenberg-Dugnus
11,004,003
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit März wissen wir vom Robert-Koch-Institut, dass von immunisierten Personen kein nennenswertes Infektionsrisiko mehr ausgeht. Und trotzdem wurde von Ihnen mit der Bundesnotbremse, Herr Frei, ein Gesetz verabschiedet, in dem die Rückgabe der Grundrechte gar nicht vorkommt. Ihre Begründung eben hat mich überhaupt nicht überzeugt. ({0}) Es ist bezeichnend für Ihre Politik, dass Sie bei den grundrechtseinschränkenden Maßnahmen sehr schnell sind. Bei der Frage der Rückgabe von Grundrechten an Genesene und Geimpfte lassen Sie sich leider sehr viel mehr Zeit. ({1}) Meine Damen und Herren, Grundrechte hat man von Geburt an, und zwar auch und gerade in Pandemiezeiten; da haben Sie völlig recht, Frau Ministerin Lambrecht. Wir haben zur Bundesnotbremse einen Änderungsantrag eingebracht, der die Rückgabe der Grundrechte verfassungskonform und umfassend geregelt hätte. Den haben Sie aber leider abgelehnt, meine Damen und Herren. Sie erlassen jetzt eine Rechtsverordnung – das müssen wir auch mal klarstellen –, die eigentlich erst am 28. Mai hätte in Kraft treten sollen. Jetzt haben Sie aber Angst bekommen, dass Ihnen das Bundesverfassungsgericht zuvorkommt. Dann muss man ja auch mal feststellen: Das hat die Verfassungsbeschwerde unter anderem der FDP-Bundestagsabgeordneten zumindest schon mal bewirkt – Sie sind aufgewacht und haben schneller als ursprünglich geplant diese Rechtsverordnung hier vorgelegt. ({2}) Die Verordnung führt jetzt richtigerweise zu mehr Freiheit, und das begrüßen wir ganz ausdrücklich. Aber sie geht uns längst nicht weit genug. Denn Freiheiten für Geimpfte und Genesene können nicht scheibchenweise zugeteilt werden, Frau Ministerin Lambrecht; es gibt keinen ersten und zweiten Schritt, Herr Frei. Freiheitsrechte gibt es nur als Ganzes, meine Damen und Herren. ({3}) Und es ist auch nicht nachvollziehbar, dass wesentliche Freiheitsbeschränkungen für Genesene weiterhin gelten sollen. Die Verordnung klammert vollständig die Öffnung von Gaststätten, von Hotels, von Freizeit- und Kultureinrichtungen, von Sportstätten und Fitnessstudios für Genesene und Geimpfte aus. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Geimpfte und Genesene nicht gemeinsam Mannschaftssport betreiben können. ({4}) Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Gastronom, der geimpft ist, sein Lokal nicht für Genesene und Geimpfte öffnen kann. ({5}) Unser Grundgesetz schützt in Artikel 12 auch die Berufsfreiheit. ({6}) Es reicht auch nicht aus, dass Sie eventuell irgendwann mal in einem zweiten Schritt das Problem lösen. Sie wollen doch hier nur eine Neiddebatte verhindern. Die Vermeidung von Neid ist aber kein verfassungsrechtliches Gut, meine Damen und Herren. ({7}) Wir enthalten uns hier, weil wir zwar diese Rückgabe von kleinen Freiheiten sehr begrüßen, Freiheiten gibt es aber nicht scheibchenweise, sondern nur als Ganzes. Genau das ist Inhalt unseres Entschließungsantrages.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,323
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Kommen Sie zum Schluss, bitte.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,324
227
19
Christine
Aschenberg-Dugnus
11,004,003
Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({0})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,325
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Ferschl, Fraktion Die Linke. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,326
227
19
Susanne
Ferschl
11,004,715
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für die Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten braucht es einen triftigen Grund. Entfällt dieser, sind sie selbstverständlich wieder zu gewähren. ({0}) Es ist also folgerichtig, für Geimpfte und Genesene einige Beschränkungen wieder zurückzunehmen. Deswegen stimmen wir Ihrer Rechtsverordnung auch zu. ({1}) Aber: Es ist Ihre Aufgabe als Bundesregierung, die Freiheitsrechte für alle Bürgerinnen und Bürger wiederherzustellen. ({2}) Dieser permanente Jo-Jo-Lockdown macht die Menschen mürbe: Brücken-Lockdown, Bundesnotbremse und heute nun die Ausnahmeverordnung – alles im Hauruckverfahren. Kanzlerkandidat Laschet hofft wahrscheinlich immer noch auf schönes Wetter. Aber weder mit Hauruckverfahren noch mit dem Prinzip Hoffnung besiegt man eine Pandemie. Dafür braucht es einen Plan. ({3}) Ich will Ihnen drei Punkte nennen, die uns wichtig sind: Erster Punkt. Wir brauchen ein schnelles Impfangebot für alle. Hätten Sie, wie von uns gefordert, die Patente freigegeben, stünde schon lange mehr Impfstoff zur Verfügung und wären deutlich mehr als 8 Prozent bislang geimpft. ({4}) Selbst die USA fordern mittlerweile die Freigabe der Patente. Besonders Menschen in zu kleinen Wohnungen, die jeden Tag in überfüllten Öffis zur Arbeit fahren müssen und nicht im Homeoffice bleiben können, stecken sich häufig an. Die sind im Übrigen besonders stark von den Einschränkungen betroffen. Denn es macht einen Unterschied, ob eine vierköpfige Familie in einer Dreizimmerwohnung ohne Balkon und Garten von der Ausgangssperre betroffen ist oder jemand in einer Villa in Dahlem mit 1 300 Quadratmetern Grund. Nehmen Sie die Menschen in prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Blick, und machen sie diesen ein schnelles Impfangebot. ({5}) Zweiter Punkt. Werden Sie konsequent. Während Sie allen bis in die Wohnzimmer hinein Vorschriften machen, haben Sie die Wirtschaft bislang mit Glacéhandschuhen angepackt. Es ist doch unglaublich, dass Amazon-Beschäftigten verboten wird, FFP2-Masken zu tragen. Nehmen Sie die Unternehmen endlich stärker in die Pflicht, und bestrafen Sie Verstöße gegen Arbeitsschutz konsequent. ({6}) Dritter und letzter Punkt. Wir brauchen eine andere politische Weichenstellung. Die Anfälligkeit für das Virus ist das Ergebnis einer Politik, die seit drei Jahrzehnten betriebswirtschaftliche Kriterien anwendet und nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche auf Profit getrimmt hat. ({7}) Die Konsequenz: überfüllte Busse und Bahnen, Kinder, die nicht beschult werden können, Pflegekräfte, die am Limit sind, Gesundheitsämter, die völlig überlastet sind, usw. usw. ({8}) Jetzt muss in die Bereiche investiert werden, die dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Statt Solidarität nur zu predigen, ist das die Solidarität, die Sie der Bevölkerung schulden. Vielen Dank. ({9})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,327
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Manuela Rottmann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,328
227
19
Manuela
Rottmann
11,004,866
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bekräftigen heute einen Verfassungsgrundsatz, eine verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit, und zwar leider nur per Verordnung. Sobald tiefe Grundrechtseingriffe im Einzelfall niemandem mehr nützen, müssen sie gegenüber diesen Personen sofort aufgehoben werden. ({0}) Die Situation ist nach wie vor kritisch. Die Belastung auf den Intensivstationen ist immer noch viel zu hoch. Deswegen müssen wir eine klare Sprache sprechen: Heute werden nicht etwa die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte aufgehoben, sondern Kontaktbeschränkungen unter vollständig Geimpften, und das ist ein wesentlicher Unterschied. ({1}) Wir wissen aber, dass Geimpfte selbst in den seltenen Fällen einer erneuten Infektion keine schweren Verläufe mehr durchleiden müssen. Deswegen nützt es niemandem, wenn sie sich untereinander weiterhin nicht mehr treffen dürften, auch nicht den überlasteten Beschäftigten auf den Intensivstationen, die übrigens selbst – und das freut mich –, wenn sie es wollten, zu der Gruppe derjenigen gehören, die bereits geschützt sind. Man kann im Verfassungsrecht über vieles streiten. Darüber, dass diese Beschränkungen aufgehoben werden müssen, kann man nicht streiten. ({2}) Das ist etwa so, als ob man infrage stellen würde, dass eins und eins zwei ergibt. Die Art und Weise, wie Politikerinnen und Politiker der Koalition diese Debatte begonnen haben, war für mich einer der Tiefpunkte der letzten Monate, angefangen beim notorischen Horst Seehofer, dessen abwegige Argumentation ich hier überhaupt nicht wiederholen will. In der Weihnachtspause kam dann die Meldung: Rechtspolitiker von Union und SPD prüfen ein gesetzliches Verbot von Sonderrechten für Menschen mit Coronaimpfung. Im Januar warnte die Bundeskanzlerin vor angeblichen doppelten Privilegien für Geimpfte. Damit schürt man Neiddebatten, und das ist das Letzte, was diese Gesellschaft gerade braucht. ({3}) Weder von der Bundesjustizministerin noch vom Bundesgesundheitsminister war da eine klare Ansage zu hören. Im Gegenteil: Jens Spahn hat erst mal den Ethikrat mit dieser Frage beschäftigt – als ob es da irgendetwas zu prüfen gäbe. Der Ethikrat ist gut und sinnvoll für viele Dinge, aber wenn ein Bundesminister eine verfassungsrechtlich glasklare Frage zur Disposition stellt, dann stellt sich mir eine andere Frage, nämlich die, ob er seinen verfassungsrechtlichen Kompass während der Pandemie verloren hat oder ob er je einen hatte. Eins und eins ist zwei, und damit muss man nicht den Ethikrat beschäftigen. ({4}) Sie hätten Besseres zu tun gehabt. Wir hätten mit Beginn der Impfkampagne eine einfache fälschungssichere Dokumentation haben müssen. Heute haben wir 24 Millionen Menschen, die in Deutschland geimpft sind. Wir haben diese Dokumentation immer noch nicht. Verfassungsrecht ist das Grundgerüst des Vertrauens in dieser Gesellschaft. Es darf auch während einer Pandemie nicht beschädigt werden; denn wir brauchen dieses Vertrauen auch in der nächsten Krise. Es ist gut, dass wir nach diesen Irrungen und Wirrungen heute den Menschen das Vertrauen zurückgeben können. Unser Land ist ein freiheitliches Land. Wir brauchen Solidarität, aber wir erwarten keine Schikanen. ({5})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,329
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Dr. Rottmann. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Johannes Fechner, SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,330
227
19
Johannes
Fechner
11,004,270
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mit diesem Gesetz beschließen wir nichts weniger als den Einstieg in die Rückkehr zur Normalität, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es stecken sich immer weniger Menschen an. Die Infektionszahlen gehen zurück, und alle Experten sagen, dass die dritte Welle gebrochen ist. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht mehr notwendige Beschränkungen aufheben, und das machen wir mit diesen Regelungen hier. ({0}) Wir haben zum Gesundheitsschutz die Grundrechte der Bürger sehr schnell ganz erheblich beschränkt. Das war gerechtfertigt. Aber genauso schnell müssen wir jetzt dabei sein, die Beschränkungen, die wir nicht mehr benötigen, auch wieder aufzuheben. Wir haben den Bürgern viel zugemutet, ja, aber das hat Wirkung gezeigt. Das war auch der Grund dafür, dass das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge gestern zurückgewiesen hat. Wenn Bürgerinnen und Bürger das Virus nicht mehr übertragen können, dann stellen sie für andere und auch für sich selbst keine Gefahr mehr dar. Deswegen können wir diese Beschränkungen für die Geimpften und Genesenen aufheben. Deswegen ist es richtig, dass wir die Ausgangssperren, die Kontaktbeschränkungen und auch die Quarantänepflichten für sie aufheben und dass wir mit diesen Regelungen dafür sorgen, dass Geimpfte und Genesene genauso wie negativ Getestete behandelt werden, wenn sie bestimmte Einrichtungen wie Zoos oder den Friseur besuchen, und dass Genesene und Geimpfte keinen Test dafür benötigen. Auch das ist ein ganz wichtiger Schritt zurück zur Normalität, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Ja, das wird zu Ungleichbehandlungen führen. Aber wir müssen doch sehen, dass das nur für einen überschaubaren, kurzen Zeitraum sein wird – ich hoffe, für wenige Wochen. Viele Bundesländer sind dabei, die Impfpriorisierung aufzuheben; es ist zu lesen, für AstraZeneca in ganz Deutschland in absehbarer Zeit. Der Zeitraum, in dem wir diese Ungleichbehandlung haben, wird also überschaubar sein. Und ganz nebenbei gesagt: Ich finde, es muss auch einen Anreiz geben, sich impfen zu lassen; denn ich glaube, dass wir schon in wenigen Wochen nicht mehr das Problem haben werden, zu wenig Impfstoff zu haben, sondern ich fürchte, es wird das Problem geben, dass es zu wenige Bürger geben wird, die sich impfen lassen wollen. Das kann es dann auch nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Und ja, oft ist der Vorwurf zu hören, es sei ungerecht, dass jetzt gerade die Älteren mehr Dinge tun dürfen, obwohl sie auch schon zuerst geimpft wurden. Dazu ist zu sagen, dass wir die Familien und die Kinder ganz genau im Blick haben. Wir wissen, dass die Kinder, die Jugendlichen, die Familien im Moment am meisten unter der Pandemie zu leiden haben. Gerade deshalb war es so wichtig, dass das Kabinett gestern 2 Milliarden Euro für das Aufholpaket zur Verfügung gestellt hat, dass wir den Kinderbonus beschlossen haben, um die Eltern zumindest ein Stück weit finanziell zu unterstützen. ({3}) Es ist eine gute Nachricht, dass sich die Zwölfjährigen bald werden impfen lassen können. Auch dass wir von der Notbremse eine Ausnahme für kleinere Gruppen von Kindern zugelassen haben, damit sich Kinder treffen können, damit sie sich austoben können, war ganz wichtig.
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,331
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Straetmanns aus der Fraktion Die Linke?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,332
227
19
Johannes
Fechner
11,004,270
Ja.
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,333
227
19
Friedrich
Straetmanns
11,004,907
Vielen Dank, Herr Kollege. – Die Frage knüpft an das an, was der Kollege Hahn eben schon gefragt hat. Einfach nur zur Klarstellung für alle und zur Beruhigung für mich selber, da ich immer noch gerne auch mit Ihnen zusammen Fußball spiele: Dürfen Genesene und Geimpfte demnächst diesen Mannschaftssport oder auch andere Mannschaftssportarten wieder ausüben?
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,334
227
19
Johannes
Fechner
11,004,270
Es ergibt sich aus § 6 der Ausnahmenverordnung, dass Sport von Geimpften und Genesenen wieder ausgeübt werden kann, unabhängig von der Regelung des § 28b Infektionsschutzgesetz. Ich freue mich, bald wieder mit dir, lieber Friedrich, kicken zu können. ({0})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,335
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Beide geimpft?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,336
227
19
Johannes
Fechner
11,004,270
Noch nicht. Aber das Training haben wir nötig. ({0}) Wenn wir geimpft sind, machen wir das, Friedrich. Natürlich stellt die FPD die Frage zu Recht: Wenn der Wirt geimpft ist, wenn der Kellner geimpft ist und wenn die Gäste geimpft sind, wo ist dann noch die Ansteckungsgefahr? Deswegen ist es richtig, dass der nächste Schritt schon sein wird, Handel und Gastronomie und auch den Tourismus zu öffnen. Aber jetzt wir sind erst bei der persönlichen Lebensführung, bei den unmittelbaren persönlichen Lebensumständen. Lassen Sie uns erst einmal bei diesen den ersten Schritt gehen und dort die Beschränkungen wieder zurücknehmen. Also, wir sind froh – die SPD hat hier Tempo gemacht –, dass der Gesetzentwurf in dieser Woche den Bundesrat erreicht. Ich hoffe, dass möglichst viele hier zustimmen. Wir wollen den Bürgern die Grundrechte wieder zurückgeben. Es geht nicht, dass Menschen, von denen keine Gefahren mehr ausgehen, weiterhin Beschränkungen unterliegen. Lassen Sie mich zum Schluss noch den folgenden Satz sagen, weil wir, wie ich finde, ein Jahrhunderturteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz hatten: Lassen Sie uns mit der gleichen Energie, mit der wir die Coronapandemie bekämpfen, mit der gleichen Entschlossenheit auch gegen den Klimawandel vorgehen. ({1}) Das ist die vielleicht noch größere Bedrohung für unsere Gesellschaft. Vielen Dank. ({2})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,337
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Fechner. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,338
227
19
Jan-Marco
Luczak
11,004,100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Rottmann, Sie wissen ja, ich schätze Sie sehr, aber bei Ihrer Rede gerade ist doch ein bisschen was verrutscht. Wenn Sie Minister Spahn vorwerfen, er habe seinen verfassungsrechtlichen Kompass verloren, wenn Sie gar behaupten, wir würden die Bürger schikanieren, dann frage ich mich, ob Sie nicht den Deutschen Bundestag mit einer Nominierungsveranstaltung der Grünen verwechselt haben. Da ist doch einiges danebengegangen, liebe Frau Kollegin. ({0}) Wir sind uns sehr bewusst, dass die Schutzmaßnahmen, die wir in den letzten 14 Monaten getroffen haben, einschneidend waren, dass viele Menschen darunter gelitten haben. Es war an vielen Stellen auch eine Zumutung, und natürlich war uns das klar. Aber ich sage auch: Es war richtig, dass wir diese Schutzmaßnahmen getroffen haben, weil wir das Infektionsgeschehen durch entschlossenes Handeln in den Griff bekommen mussten. Das ist uns gelungen. Es war wichtig, dass wir das gemacht haben, und die Verfassung sieht auch eine Schutzpflicht unsererseits gegenüber dem Leben und der Gesundheit der Menschen vor, verbunden mit der Notwendigkeit, entsprechend zu handeln. So wie es verfassungsrechtlich notwendig war, diese Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ist es jetzt verfassungsrechtlich notwendig, die Freiheiten zurückzugeben. Wenn Menschen nicht mehr infektiös sind, weil sie genesen sind, weil sie geimpft sind, dann gibt es für Freiheitsbeschränkungen keinerlei Rechtfertigung mehr. Deswegen war es uns von der Unionsfraktion und auch der SPD wichtig, dass wir das schnell machen. Deswegen habe ich, das muss ich ehrlich sagen, überhaupt kein Verständnis, dass jetzt hier von der Linken kritisiert wird, das sei ein Hauruckverfahren, sie aber gleichzeitig alles freigeben will. Was wollen Sie denn? Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie den Menschen schnell ihre Freiheiten zurückgeben, oder wollen Sie das kritisieren? Es ist widersprüchlich, wie Sie hier argumentieren. ({1}) Und Impfneid – das will ich noch sagen, weil das hier angesprochen worden ist – ist wirklich fehl am Platz. Es geht hier um die Wiederherstellung grundrechtlicher Freiheiten. Es geht nicht um Sonderrechte, es geht nicht um Privilegien. Deswegen wäre es aus meiner Sicht auch ein verfehltes Verständnis der verfassungsrechtlich garantierten Gleichheit, wenn man jetzt Rücksicht nehmen würde auf Nichtgeimpfte und die Aufhebung der Beschränkungen hinauszögern würde. Kein Nichtgeimpfter hat irgendetwas davon, wenn wir Menschen, die geimpft sind, ihre Freiheit vorenthalten. Deswegen war es richtig, dass wir hier gemeinsam aufs Tempo gedrückt haben. ({2}) Die FDP hat gesagt, wir müssten jetzt alles für alle freigeben, ganz egal was. ({3}) Dem will ich deutlich widersprechen. Natürlich ist es so, dass die wissenschaftlichen Studien besagen, dass von Geimpften eine geringere Infektionsgefahr ausgeht, etwa 80 Prozent. Das heißt aber, dass es ein Restrisiko gibt. ({4}) Deswegen muss man sehen: Wenn man alles zulässt bei immer noch hohen Inzidenzen – Kollege Frei hatte richtigerweise darauf hingewiesen: sie ist deutlich gesunken, liegt aber immer noch bei 129 –, wenn wir jetzt alles öffnen, dann müssen wir auch der Gefahr ins Auge sehen, dass sich dieses Restrisiko realisiert. Das gilt gerade für Gastronomie in geschlossenen Räumen. Deswegen muss es jetzt doch unser Anliegen sein, die Inzidenzen weiter herunterzubekommen. Da sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn das gelungen ist, wenn wir wieder unter eine Inzidenz von 100 gekommen sind, dann bin ich sofort bei Ihnen, dass wir dann auch weitere Öffnungsschritte machen bei Kunst und Kultur, im Einzelhandel und auch bei der Gastronomie. ({5})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,339
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,340
227
19
Jan-Marco
Luczak
11,004,100
Das alles wollen wir machen, aber noch nicht jetzt. Jetzt geht es erst einmal um die grundrechtssensiblen Bereiche. Das machen wir heute. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. Danke schön. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,341
227
19
Wolfgang
Kubicki
11,001,235
Vielen Dank, Herr Kollege Luczak. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,342
227
19
Stephan
Stracke
11,004,169
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Geimpfte und von Corona Genesene werden befreit von Testpflicht, Ausgangssperre, Kontaktbeschränkungen und Quarantäne. Das ist der Kern der vorliegenden Verordnung. Das machen wir, weil Geimpfte und Genesene keine relevante Gefahr mehr für sich und andere sind. Deshalb ist Impfen so wichtig. Impfen rettet Leben. Es schützt und ist der Schlüssel raus aus der Pandemie. Wir kommen beim Impfen spürbar voran. Über 30 Prozent unserer Bevölkerung sind das erste Mal geimpft; das sind fast 25,5 Millionen Menschen. Über 7 Millionen Menschen sind bereits vollständig geimpft. Aktuell werden im Wochenschnitt jede Sekunde fast acht Personen geimpft. Jede Sekunde fast acht Personen! Das ist doch ein großartiger Erfolg, den wir gemeinsam erreicht haben. Deswegen gehen wir diese Schritte und gefährden auch nicht diesen großartigen Impferfolg, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({0}) Wir kommen Tag für Tag spürbar voran. Das macht auch hoffnungsvoll für den Sommer. Ich sage ein großes Dankeschön an die Mitarbeiter und die Ärzte in den Impfzentren, an die Hausärzte und die Fachärzte: Das, was Sie leisten, ist ein wesentlicher Beitrag zu diesem Impferfolg. Danke! ({1}) Impfen ist der Weg zurück zur Normalität. Wir machen jetzt einen ersten wichtigen Schritt. Weitere Schritte werden folgen. Es ist gut, dass die Länder bei einer Inzidenz von unter 100 weitere Öffnungsschritte gehen können und dies auch tun. Testen und Impfen machen den Unterschied. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Änderungsgesetz stellen wir den Versorgungsanspruch bei einem Impfschaden durch eine Covid-19-Schutzimpfung klar. Wir schaffen Rechtssicherheit, insbesondere in Fällen, in denen ein Impfstoff im Einzelfall abweichend von den Empfehlungen der Länder, zum Beispiel für andere Altersgruppen, eingesetzt wird. Wir ziehen auch Regeln zum Wechselunterricht und zu Ausnahmemöglichkeiten von untersagtem Präsenzunterricht glatt. Dies ist unter anderem für Hochschulen, für berufsbildende Schulen wichtig. Jetzt kann praktischer Unterricht zum Beispiel in Laboren, in Krankenhäusern zweifelsfreier gestattet werden. Und Aus- und Fortbildung von Polizisten, Rettungsdienstkräften und Feuerwehrleuten können auch im Präsenzunterricht durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist ein zweimaliger Test in der Woche. Das Gesetz und die Verordnung enthalten wichtige Klarstellungen und Ausnahmen, Erleichterungen für Geimpfte und für coronagenesene Personen. Wir sind gut unterwegs. Der Weg, den wir für den Sommer beschreiten, ist hoffnungsvoll. Lasst uns entschlossen so weitergehen. ({2})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,343
227
19
Fabio
De Masi
11,004,817
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Staat hat in der Coronakrise Hunderte Milliarden Euro in die Hand genommen, um die Wirtschaft zu stützen. Und das war auch sinnvoll, weil sonst noch mehr Unternehmen über die Wupper gegangen wären, weil sonst noch mehr Arbeitsplätze vernichtet worden wären und im Ergebnis auch die Schulden weiter gestiegen wären. Es ist aber so, dass bei vielen Unternehmen die Wirtschaftshilfen immer noch nicht angekommen sind. Wir müssen vor der Bundestagswahl diskutieren, wie wir unsere Wirtschaft nach der Wahl weiter organisieren wollen. Ja, Deutschland könnte wie nach der Finanzkrise aus den Schulden langfristig herauswachsen. Aber wir haben die Schuldenbremse im Grundgesetz stehen, beschlossen mit Zweidrittelmehrheit. Deswegen droht nach der Wahl ein Kürzungshammer: Die Coronakredite sollen in den nächsten 20 Jahren getilgt werden. Und deswegen muss man sich hier ehrlich machen und sagen, was man vorhat: entweder Investitionen und beim Sozialstaat kürzen oder die Steuern erhöhen, meine Damen und Herren. ({0}) Deswegen hat jede Partei die Verpflichtung gegenüber der Bevölkerung, vor der Wahl zu sagen, was sie nach der Wahl tun will. Wer trägt die Kosten der Krise? Wer dies nicht beantworten will, der soll seine Wahlplakate erst gar nicht an den Laternenpfahl hängen, meine Damen und Herren. ({1}) Sind es wieder die Leute, die den Laden am Laufen halten? Ich erinnere mich, wie wir hier mit feuchten Augen, mit Standing Ovations diese Menschen beklatscht haben: die Lagerarbeiter, die Kassiererinnen und Kassierer, die Polizisten, die Pflegekräfte, die Müllwerker, die Busfahrer. Oder sind es – das will meine Fraktion – die Milliardäre in diesem Land, die eine Coronaparty gefeiert haben, meine Damen und Herren? ({2}) Das reichste 1 Prozent der Bevölkerung besitzt ein Drittel des Nettovermögens. Nettovermögen bedeutet Vermögen abzüglich der Schulden. Die vermögendsten 10 Prozent der Bevölkerung besitzen über 60 Prozent des Nettovermögens. Die Hälfte der Bevölkerung, die Leute, die sich hart anstrengen und an die Regeln halten, besitzt unter dem Strich nichts. Das hat mit Leistung nichts zu tun. Leistung muss sich wieder lohnen, meine Damen und Herren. ({3}) Es ist nun einmal so: Wer über Fabriken, über Aktienpakete, über mehrere Immobilien verfügt, erzielt jedes Jahr zusätzliche Einkünfte aus diesen Vermögen. Der französische Starökonom Piketty sagt, dass die Multimillionäre und Milliardäre jedes Jahr bis zu 8 Prozent Rendite darauf erwirtschaften. Gemäß Forbes-Reichenliste sind die Milliardäre in Deutschland in der Krise im Schnitt um 20 Prozent reicher geworden. Beate Heister und Karl Albrecht junior: Vermögen im März 2020 28 Milliarden Euro, mittlerweile 33 Milliarden Euro, ein Plus von 5 Milliarden Euro. Susanne Klatten, die CDU-Parteispenderin und BMW-Aktionärin – während die Arbeiter in Kurzarbeit geschickt wurden –: 14,1 Milliarden Euro vor der Krise, mittlerweile 24,3 Milliarden Euro, ein Plus von 10 Milliarden Euro. Der geschätzte Kollege Christian von Stetten steht hier leider nicht, aber er wird nach mir sprechen. Deswegen brauchen wir eine Debatte in diesem Land, wer die Kosten der Krise trägt. Es liegen ja Vorschläge aus der Unionsfraktion auf dem Tisch. Der Kollege Ploß aus Hamburg hat vorgeschlagen, den Rentnerinnen und Rentnern ins Portemonnaie zu fassen, an die Mütterrente, an die Grundrente heranzugehen und denjenigen, die ein ganzes Leben lang hinterm Bock gesessen haben, die Rente mit 63 zu nehmen. ({4}) Es ist schon erstaunlich, dass das von einer Seite des Hauses kommt, von der es immer wieder heißt: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Der geschätzte Kollege Ploß hat nach dem Studium zwei Jahre als Pressereferent gearbeitet, dann ging es schwups in den Bundestag. Minister Spahn sitzt seit seinem 22. Lebensjahr hier im Bundestag. Und einige Abgeordnete aus der Unionsfraktion sind in der Krise zum Maskenmillionär geworden. Meine Fraktion wird es nicht zulassen, dass die Rentnerinnen und Rentner die Krise bezahlen. ({5}) Deswegen hat Die Linke eine einmalige Vermögensabgabe als Einstieg in die dauerhafte Wiederbelebung der Vermögensteuer, die den Ländern zusteht, vorgeschlagen. Sie würde die reichsten 0,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung treffen. Also, wenn Sie auf die Straße gehen und dort 100 Leuten begegnen, trifft sie einen von 100, 99 trifft sie nicht. Es ist eine einmalige Abgabe von 10 Prozent auf Nettovermögen über 2 Millionen Euro mit einer Freigrenze für Betriebsvermögen von 5 Millionen Euro. Wer 2 Millionen Euro hat und 5 Millionen Euro Betriebsvermögen, also 7 Millionen Euro, der zahlt nichts. Wenn er 100 000 Euro mehr hat, dann zahlt er 10 Prozent darauf. Das sind 10 000 Euro über 20 Jahre, 40 Euro im Monat. Das ist angemessen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({6}) 310 Milliarden Euro kämen so in die Staatskasse, 19 Milliarden Euro im Jahr. Das würde fast den gesamten Tilgungsbedarf decken. Und wer seinen Briefkasten in die Schweiz verlagert, der würde über eine Stichtagsregelung rückwirkend beansprucht werden. Das heißt, man kann sich auch nicht davor verstecken. Wenn es jetzt wieder heißt, das alles sei doch Enteignung und nicht angemessen: Der gute Herr Adenauer – „keine Experimente“ – hat damals 50 Prozent und höhere Sätze erhoben. Herr Gabor Steingart schreibt im „Fokus“ dazu – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Die Blaupause für einen solchen Substanzeingriff haben nicht Karl Marx oder Oskar Lafontaine geliefert, sondern der ehemalige Finanzminister Matthias Erzberger. Der Zentrumspolitiker – der also der direkten Vorgängerin der CDU angehörte – setzte das Reichsnotopfer nach dem für Deutschland verlorenen 1. Weltkrieg durch. Eine große Mehrheit der Bevölkerung, über 70 Prozent quer durch alle Parteien, will sogar eine dauerhafte Vermögensteuer. Deswegen sagt Die Linke: Die Quandts und Klattens sollen nicht immer fragen, was das Land für sie tun kann, sie müssen sich fragen, was sie für dieses Land tun können. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,344
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Christian Freiherr von Stetten das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,345
227
19
Christian
Freiherr von Stetten
11,003,639
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, zu beobachten, dass immer am Ende einer Legislaturperiode, also pünktlich zum Beginn des Bundestagswahlkampfes, die Substanzsteuern aus der sozialistischen Mottenkiste geholt werden, um diese auf Antrag der Linken hier im Deutschen Bundestag zu beraten. ({0}) Sie begründen zwar heute Ihre Substanzsteuer mit der außergewöhnlichen Coronakrise, aber in Wirklichkeit ist diese Coronakrise bei Ihnen nur Mittel zum Zweck. Sie suchen sich jedes Jahr einen neuen Grund, um den Bürgern in die Tasche zu langen und sie teilzuenteignen. ({1}) – Kollege De Masi, Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen: Im Jahr 2017 haben Sie Ihren Antrag so betitelt: „Reichtum gerechter verteilen“. Sie wollten Millionäre weiter belasten: „Reichtum umverteilen in Deutschland und Europa“. Einige Jahre davor hieß es: „Wer Schulden bremsen will, muss Millionäre besteuern“ usw. usw. ({2}) Nun fordern Sie in der Coronakrise eine Vermögensabgabe. Eine unwiderrufliche Teilenteignung der Betroffenen ist also nun aus Ihrer Sicht unumgänglich und dringend notwendig. ({3}) Ihr Antrag heute ist kein seriöser Debattenbeitrag zur Bewältigung der Coronakrise, sondern ein Angriff auf den Standort Deutschland, auf unsere mittelständischen Unternehmen, auf die Millionen Arbeitsplätze in inhabergeführten Familienbetrieben. Von daher ist es heute kein guter Beitrag zu diesem Thema. ({4}) Sie haben völlig recht: Ihr Antrag hat trotzdem das Recht, dass wir 700 Parlamentarier uns intensiv mit ihm beschäftigen und ihn uns einmal genauer anschauen. Dann machen wir das doch einfach einmal. Sie hätten es uns ja einfach machen können, indem Sie einfach sagen: Wir wollen alle Personen, die ein Vermögen von 2 Millionen Euro oder 5 Millionen Euro haben, mit einer einmaligen Abgabe zwischen 10 und 30 Prozent besteuern. – Dann hätten wir relativ einfach ausrechnen können, was herauskommt. Aber Sie machen es sehr kompliziert. Sie wollen in der ersten Gruppe die reichsten 0,7 Prozent in Deutschland lebenden Erwachsenen bis zu einem Gesamtaufkommen von mindestens 300 Milliarden Euro besteuern. Da frage ich mich schon: Wie viele Jahre werden Sie brauchen und wie viele Hunderte von Millionen Euro wird es kosten, um festzustellen, wer diese Personen überhaupt sind? 0,7 Prozent der reichsten Erwachsenen. In Deutschland leben 83 Millionen Menschen. Ungefähr 70 Millionen sind älter als 18 Jahre. Damit gelten sie als Erwachsene. Von diesen 70 Millionen wollen Sie nun 0,7 Prozent heranziehen. Das sind 486 000 Personen. Um das rechtssicher und verfassungsmäßig korrekt feststellen zu können, müssen Sie doch im Prinzip von diesen 70 Millionen Bürgern den Verkehrswert ihrer Vermögen festlegen, den Schuldenstand abziehen, dann eine Liste erstellen und die 486 000 Reichsten feststellen und diese dann zur Besteuerung heranziehen. ({5}) Ein Wahnsinn. Das würde Zeit brauchen. ({6}) Und es ist völlig richtig – Sie haben es doch angedeutet –: Was würde ein Betroffener machen, wenn er merkt, dieser Bundestag würde es mit dem Einbringen eines Gesetzentwurfs tatsächlich ernst meinen, der dafür sorgt, dass in Zukunft 30 Prozent seines Vermögens enteignet werden? Er würde von der deutschen Seite des Bodensees auf die österreichische Seite des Bodensees wechseln. Wir sind ein vereintes Europa. Die Rechtsformalien würden wahrscheinlich an einem Tag erledigt werden – kein Problem –, und das persönliche Vermögen würde erhalten bleiben. Sie wissen ganz genau, dass es so ist. Weil Sie wissen, dass wir Ihnen dies heute vorhalten würden, haben Sie Ihren Antrag ja noch ergänzt und eine zweite Personengruppe aufgenommen, die Sie besteuern wollen. Sie schreiben in der Beschlussvorlage, dass Sie auch die beschränkt abgabepflichtigen natürlichen Personen besteuern wollen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, also alle Menschen, die außerhalb von Deutschland leben, aber große Vermögen in Deutschland haben. Sie sind hier großzügig und gewähren – –
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,346
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege von Stetten, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ernst?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,347
227
19
Christian
Freiherr von Stetten
11,003,639
Ja, sehr gerne, der Porschefahrer. ({0})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,411
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Der Abgeordnete Martin Reichardt hat das Wort für die AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,412
227
19
Martin
Reichardt
11,004,859
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über sogenannte Freiheiten für Genesene und Geimpfte. Die FDP nennt es „Freiheiten“. Die Regierung formuliert: „Es handelt sich insofern nicht um die Einräumung von Sonderrechten oder Privilegien, sondern um die Aufhebung nicht mehr gerechtfertigter Grundrechtseingriffe.“ Man kann noch so gestelzt daherformulieren, im Klartext heißt das: Impfpflicht durch die Hintertür, Eintritt in die Zweiklassengesellschaft, Diskriminierung gesunder Menschen, ({0}) und das werden wir von der AfD niemals mitmachen. ({1}) Im Gegensatz zu allen anderen hier im Hause vertretenen Fraktionen stehen wir zu unserer Verfassung. ({2}) Wir stehen zum Grundgesetz, zur Demokratie, zur Freiheit und zur Eigenverantwortung. Jeder Bürger in Deutschland hat auch in der Coronafrage das Recht und die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob er sich impfen oder testen lassen will oder ob er eine Maske trägt. Diese Entscheidung darf für den Menschen keine Nachteile, keine Repressalien und keine Ächtung innerhalb der Gesellschaft nach sich ziehen, meine Damen und Herren. ({3}) Aber genau das wird – auch durch Ihre Zwischenrufe hier – vorangetrieben. Nichtgeimpfte gelten angeblich als unsolidarisch. Sie sind sogar, wie man hört, schädlich für die Gesellschaft. Das sind Äußerungen, die wir in Deutschland nie wieder hören wollen, meine Damen und Herren. ({4}) Die AfD fordert schon seit Langem: Gebt den Menschen ihre Freiheit und ihre Grundrechte zurück; denn 99,8 Prozent der Menschen haben kein Corona. ({5}) Der Anteil der Coronainfizierten in der Bevölkerung liegt bei 0,22 Prozent, und infiziert heißt nicht einmal krank. Für alle Faktenchecker und alle ausgelagerten Zensurstellen der Regierung: Diese Zahlen kommen vom Statistischen Bundesamt; es besteht also keine Notwendigkeit, diese Rede zu sperren. ({6}) Grundrechte sind keine Privilegien, die der Staat willkürlich aufheben kann. Grundrechte sind kein Privileg. Die Grundrechte sind jedem Einzelnen eigen, und sie werden nicht vom Einzelnen erst durch Wohlverhalten, durch die Abgabe eines Tests oder durch eine Impfung erworben. Das sollten Sie alle hier mitnehmen, meine Damen und Herren. ({7}) Grundrechte sind „unveräußerlich“, so steht es im Grundgesetz. Seit aber in Deutschland in der Coronafrage – anders als bei allen Krankheiten, die es sonst noch so gibt, wie Grippe, Krebs und Herzinfarkt – der totale Gesundheitsstaat ausgerufen worden ist, gerät unsere Verfassung zusehends unter Druck. Das ist schlimm. ({8}) Die Regierung will Geimpften mehr Freiheiten, mehr Rechte einräumen. Sie treibt damit die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Die sogenannten Volksvertreter aller Parteien außerhalb meiner Fraktion sind in diesem Hause leider zum Abnickverein der Kanzlerin geworden, meine Damen und Herren, ({9}) ein Abnickverein, der sich nebenbei – das gilt gerade hier für den mittleren Bereich – noch die Taschen vollstopft, ein Abnickverein, der nicht mehr das Volk vertritt, das unter den unverhältnismäßigen Maßnahmen leidet, sondern einseitig einer Panikdoktrin Drosten’scher und Lauterbach’scher Provenienz folgt, mit Ausnahme der Antigrundrechtspartei, der Grünen, die die Bundesnotbremse sogar schon ab einer Inzidenz von 35 oder 50 forderte und damit noch totalitärer ist als die Regierung. Das Leben der Menschen in Deutschland wird also mit den Grünen noch düsterer, wenn diese Verbotsideologen dereinst die Macht in Deutschland übernommen haben, meine Damen und Herren. ({10}) Es ist aber auch heute schon sehr düster für Millionen gesunder Kinder, die ihr Recht auf Bildung mit einem Zwangstest und bald vielleicht auch mit einer Zwangsimpfung erkämpfen müssen. Das lehnen wir in aller Deutlichkeit und mit aller Entschiedenheit ab, meine Damen und Herren. ({11}) Wir müssen uns die Frage stellen, ob es in Deutschland noch Gewaltenteilung gibt, wenn Richter, die unliebsame Urteile gefällt haben, mit Hausdurchsuchungen drangsaliert werden, wenn Künstler mit Berufsverbot bedroht werden, weil sie eine abweichende Meinung haben. Da hätte ein Aufschrei durch dieses Haus hier gehen müssen. ({12}) Ich komme zum Schluss. ({13}) Sie alle tragen die Verantwortung dafür, dass unsere Demokratie erhalten bleibt und Menschenrechte nicht davon abhängig sein werden, ob man eine bestimmte Gesinnung oder einen bestimmten Impfstatus hat. Vielen Dank. ({14})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,423
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Vielen Dank, Tino Sorge. – Der nächste Redner: der Abgeordnete Uwe Witt von der AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,348
227
19
Klaus
Ernst
11,003,753
Wenn Sie nett sind, nehme ich Sie mal mit, Herr von Stetten; ({0}) aber Sie sind es nicht. ({1}) Ich möchte Ihnen Folgendes sagen – denn das ärgert mich ein bisschen –: In Ihrer Rede geht es nur darum, warum das, was wir vorschlagen, nicht geht. Ich fordere Sie auf, zu den Kollegen zu gehen, die die Krise dazu benutzt haben, sich selbst maßlos zu bereichern, was gegenwärtig hier in diesem Lande massiv kritisiert wird. Die haben offensichtlich ein paar Ideen, wie so etwas geht. Vielleicht gehen Sie mal zu denen und lassen sich sagen, wie das geht, was wir vorschlagen. Dann wären wir hier nämlich ein Stück weiter und müssten nicht über so einen Unsinn diskutieren. ({2}) Selbstverständlich ist es möglich, festzustellen, was einer an Vermögen hat. Man geht zu den Finanzämtern. Das ist relativ leicht. Und wenn man das weiß, dann ist die Frage, ob es 0,7 Prozent oder 0,65 Prozent sind, relativ wurscht. Es geht darum, dass diejenigen zur Finanzierung der Krise herangezogen werden, die davon profitiert haben, und nicht die, die bereits dadurch herangezogen wurden, dass ihnen ihr Lohn durch das Kurzarbeitergeld nicht vernünftig ausgeglichen wurde und Ähnliches; andere haben wir ganz nach Hause geschickt. Das sind diejenigen, die das Ganze tragen und auch künftig tragen. Unser Vorschlag ist: Wir brauchen eine andere Verteilung der Lasten. Haben Sie auch einen Vorschlag, oder können Sie nur herumnörgeln, Herr von Stetten? ({3})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,349
227
19
Christian
Freiherr von Stetten
11,003,639
Lieber Kollege Ernst, das müssen Sie schon uns überlassen, dass wir, wenn Sie einen Antrag einbringen, den wir für nicht umsetzungsfähig halten, Ihnen das auch sagen und ihn nicht einfach in blindem Gehorsam beschließen. Sie haben gerade gesagt: Es ist ganz einfach. Du gehst zum Finanzamt und findest heraus, ob dieser oder jener unter die 0,7 Prozent fällt. – Ich habe schon darauf hingewiesen: Sie wollen auch die beschränkt Abgabepflichtigen in Deutschland zur Steuer heranziehen. Die sind aber bei keinem deutschen Finanzamt gemeldet. Sie sind großzügig zu diesen Menschen. Sie sagen: Die kriegen einen Freibetrag in Höhe von 100 000 Euro, und vom restlichen Vermögen werden 10 bis 30 Prozent teilenteignet, wegbesteuert. Da sage ich Ihnen: Viel Spaß auf der weltweiten Suchen nach dem Finanzamt, das Ihnen die Zahlen liefert, die Sie für Ihre Vermögensabgabe brauchen. Das ist doch – in Anführungszeichen – völlig „absurd“! Wie wollen Sie das denn machen? Wollen Sie den Leuten, die auf der Welt verteilt leben, von ihrem örtlichen Finanzamt einen Brief schicken lassen mit der Bitte um Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse? Ich glaube, dieser Vorschlag – schauen Sie sich ihn selber noch mal an – wird nicht durchführbar sein. Ich nenne Ihnen noch ein Beispiel. Einer der reichsten im Ausland lebenden, aber in Deutschland Vermögen habenden Personen ist sicherlich der Chinese Herr Li Shufu. Nach Medienangaben besitzt er 10 Prozent der Aktien der Daimler AG in Stuttgart. Nach heutigem Stand hat er ungefähr 7 Milliarden Euro investiert. Nun wollen Sie ihm einen Freibetrag von 100 000 Euro abziehen. Jetzt ist meine Frage: Soll das Finanzamt Stuttgart nach China einen Bescheid schicken? Glauben Sie, die kriegen da Auskunft? ({0}) Wird das am Ende des Tages durchsetzungsfähig sein? Sollte es in China durchsetzungsfähig sein, weil Sie da besondere kommunistische Beziehungen haben und das hinkriegen? ({1}) Dann dauert es aber keinen Tag, bis dieser chinesische Investor, den wir auch in Deutschland vielleicht dringend brauchen, sein Aktienpaket von der Daimler AG verkauft. So, wie er das als Investor machen wird, werden das noch Hunderte, wenn nicht gar Tausende andere Menschen machen, die in Deutschland investieren, aber hier nicht direkt steuerpflichtig sind. Was würde passieren? Die deutsche Börse würde zusammenbrechen, Teile der deutschen Wirtschaft würden zusammenbrechen, wenn von heute auf morgen ausländische Investitionen abgezogen werden. Ja, das kann gut sein, dass Sie wollen, dass die deutsche Wirtschaft und die Börse zusammenbrechen. ({2}) Wenn ich an Ihre antikapitalistischen Demonstrationen denke mit der Forderung, die soziale Marktwirtschaft zu überwinden, dann ist das sicherlich ein Punkt. Aber wir wollen das nicht. Wir wollen ausländische Investitionen in Deutschland und ein solides Fundament der sozialen Marktwirtschaft. ({3}) Da auch das Thema Elektromobilität angesprochen wurde: Was machen Sie eigentlich mit Elon Musk? Elon Musk möchte gerade in Brandenburg 40 000 Arbeitsplätze schaffen. Wahrscheinlich hat er auch größere Summen – 100 Millionen oder in welchem Größenbereich auch immer – an Subventionen bekommen, damit diese wichtige Investition in unser Land kommt. An einem Tag schicken Sie ihm den Scheck über die Summe der Subventionen zur Unternehmensansiedlung, und ein halbes Jahr später schicken Sie ihm ein Teilenteignungsbeleg; damit ist seine ausländische Investition weg. ({4}) – Es gibt überhaupt gar keinen Grund, so zu schreien. ({5}) – Es gibt überhaupt keinen Grund, zu schreien. Wir diskutieren doch gerne über Ihren Antrag hier im Deutschen Bundestag. Aber bitte, vielleicht glauben Sie ja, dass es Ihnen am Ende des Tages im Wahlkampf hilft, in einen Überbietungswettbewerb mit der SPD und auch mit den Grünen darüber einzutreten, wer im Herbst die höchsten Steuern für die Unternehmen und für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erhebt. ({6}) Es ist ja nicht nur Ihre Linksfraktion, die Substanzsteuern fordert. Wenn man in die Wahlkampfentwürfe der einzelnen Parteien hineinschaut, ({7}) dann sieht man, dass SPD und Grüne neben den höheren Einkommensteuern teils auch Enteignungen von Vermögen vornehmen wollen. Nach einem Freibetrag, lieber Kollege, wollen Sie neben höheren Einkommensteuern auch eine 1-prozentige Vermögensteuer einführen, genauso wie die Grünen – 1 Prozent, und das nicht einmalig, sondern jährlich, Jahr für Jahr. ({8}) Wir brauchen nach dieser Coronakrise keine Steuererhöhung. Wir brauchen keine Steuererhöhungsorgien. Wir brauchen im Herbst keinen Wettbewerb darum, wer die Unternehmen, die Bürger am meisten belastet. Wir brauchen das Gegenteil: Wir brauchen mehr Freiheiten für Bürgerinnen und Bürger, mehr Freiheiten für Unternehmen und Selbständige. Wir gemeinsam – Opposition und auch Regierung – haben in dieser Legislaturperiode noch zwei Monate Zeit, den dringend notwendigen Bürokratieabbau zu beschließen, einen Bürokratieabbau, der diesen Namen auch verdient. ({9}) Wir müssen die über Jahre hinweg angesammelten bürokratischen Vorschriften nicht nur kritisch sehen, sondern uns von diesen Fesseln befreien. ({10}) Eine Bürokratie, die die deutsche Wirtschaft an der Entwicklung hindert, muss beseitigt werden, damit die Unternehmen in unserem Land nach dieser wirklich schwierigen Coronazeit endlich wieder voll durchstarten können. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Herzlichen Dank. ({11})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,350
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bruno Hollnagel für die AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,351
227
19
Bruno
Hollnagel
11,004,760
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit fast anderthalb Jahren fährt das Staatsschiff ohne Radar durch den Coronanebel; ohne Radar deswegen, weil es für die Effizienz der einzelnen Anticoronamaßnahmen keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege gibt. Nun ist das Schiff auf die Klippen gefahren und hat leckgeschlagen. Die Linken wollen das Leck mit einer Vermögensabgabe schließen, Grüne und SPD mit einer Vermögensteuer. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Virus in infamer Weise instrumentalisiert werden soll, ({0}) nämlich um den Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu leben haben, um die Schuldenobergrenze zu kippen, um die Wirtschaft umzubauen und um eine Vermögensabgabe einzuführen. Alles das ist verwerflich. ({1}) Die geforderte Abgabe suggeriert, dass wir in Deutschland ein Einnahmenproblem hätten. Das stimmt nicht. ({2}) Wir haben ein Ausgabenproblem. Die Vermögensabgabe wird mit einer finanziellen Ausnahmelage begründet. Solange wir aber an Brüssel und an die Südländer mehr bezahlen als unbedingt nötig, ({3}) existiert die erwähnte Ausnahmelage nicht; denn Geld ist wohl offensichtlich genug da, nur nicht für uns. ({4}) Wir haben rekordverdächtig hohe Steuer- und Abgabenquoten. Wir sollten nicht den Ehrgeiz haben, diese noch weiter nach oben zu treiben. Was ist also fiskalisch zu tun? Die im Haushalt bestehenden Reserven müssen aufgelöst werden, Steuerbetrug ist erfolgreich zu bekämpfen und Ausgaben sind zu kürzen. Erst danach können wir uns weitere Abgaben überlegen. ({5}) Die Grünen, die SPD und Die Linke wollen in Wirklichkeit eine Neidabgabe auf Dauer. Sie wissen nicht, was sie tun. Was bedeutet das? Sie belasten diejenigen Einkommen, die bereits versteuert worden sind. Vermögen sind Investitionen oder potenzielle Investitionen; Sie bestrafen also Investitionen. Vermögen ist Sicherheit gegen Krisen; Sie bestrafen also Krisenvorsorge. Durch Ihre Abgaben vertreiben Sie Investoren aus dem Land. Sie vernichten damit Arbeitsplätze, und Sie verjagen die Steuerzahler. Die Frage ist: Wie wollen Sie diese Lücke eigentlich schließen? Durch weitere Abgaben? Dann kommen Sie in die Abwärtsspirale, die kein Ende findet. Und schließlich schaffen Sie ein Bürokratiemonster. ({6}) Eine Lawine von Klagen wird sich über das Land ergießen. Denn: Wie wollen Sie Verkehrswertermittlungen von Millionen von Häusern und anderen Wertgegenständen gerichtsfest durchsetzen? ({7}) Sie setzen Millionen von individuellen Wertermittlungsverfahren voraus. Das wird ein Horror. ({8}) Aber, meine Damen und Herren, gehen wir zurück. Da trifft sich ein Kommunist mit einem Kapitalisten. ({9}) Der Kommunist fordert Solidarität. Er fordert, das Vermögen zu teilen. „Also gut“, sagt der Kapitalist, „du bist mein Freund, ich will in Frieden mit dir zusammen leben. Also teilen wir. Aber was machen wir dann, wenn du dein Geld ausgibst und ich meines spare?“ Da sagt der Kommunist: Dann teilen wir wieder. – Und genau diese falsche Methode wollen Sie hier anwenden, ({10}) eine Methode, die eigenverantwortliches Handeln und damit die Basis des gesellschaftlichen Erfolges untergräbt. Sie sägen nicht am Ast, auf dem wir alle sitzen, sondern am Stamm des Baumes, der uns alle trägt. Wir lehnen den Antrag ab. ({11})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,352
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat die Kollegin Kiziltepe für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,353
227
19
Cansel
Kiziltepe
11,004,328
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise seit dem Kollaps des Finanzsystems 2008. Mit der außerordentlichen Feuerkraft unseres Bundeshaushaltes halten wir dagegen. So schaffen wir es gemeinsam durch diese Krise. Als SPD haben wir immer für ein handlungsfähiges und für ein solide finanziertes Gemeinwesen gekämpft, und genau das zahlt sich jetzt aus. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Feuerkraft der öffentlichen Hand brauchen wir auch in Zukunft. Deswegen müssen wir über die Finanzen von morgen sprechen. Danke an die Kolleginnen und Kollegen aus der Linksfraktion, aufgrund ihres Antrags können wir heute über dieses Thema debattieren. Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Jetzt können wir die Weichen richtig stellen. Schauen wir zurück, müssen wir vor allem zwei Punkte festhalten: Erstens. Sparen ist nicht nur in der Krise oft die falsche Antwort, sondern auch danach. Auf die Coronapandemie darf keine Austeritätswelle folgen. ({1}) Zweitens. Die Ungleichheit stieg all die Jahre, egal was passierte. Die obersten 1 Prozent bekamen das beste Stück vom Kuchen. Dieses Stück wurde immer größer, während 99 Prozent durch gute und schlechte Jahre gingen. Eklatant ist dies besonders bei den Vermögenden. In kaum einem anderen Land ist die Ungleichheit so groß wie in Deutschland. Während die unteren 50 Prozent gerade einmal 1,3 Prozent des gesamten Vermögens besitzen, verfügt das oberste 1 Prozent alleine über ein Drittel des Gesamtvermögens. Das zeigt auch diese Grafik, die ich Ihnen mitgebracht habe, sehr deutlich: Wer 2017 in der Mitte der Gesellschaft stand, hatte knapp 26 000 Euro. Zum reichsten 1 Prozent gehörte man mit einem Vermögen von über knapp 1 Million Euro; das entspricht ungefähr der Kante dieses Papiers. Die reichsten Deutschen – laut der Forbes-Liste die Aldi-Erben – besitzen alleine 42,5 Milliarden Euro. Dafür müsste ich auf diesem Papier einen 8,5 Kilometer langen Balken oder Zollstock in den Himmel zeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Genau das ist eine Flughöhe, die eine gesellschaftliche Verantwortung mit sich bringt. Dafür brauchen wir ein Steuersystem, das diese Verantwortung auch reflektiert, und dafür stehen wir als SPD. Wir als SPD wollen die Vermögensteuer wieder einführen. Die Linksfraktion schlägt hier einen anderen Weg vor: Sie möchte die Adenauer-Abgabe wieder einführen. Das ist kein Weg, den wir grundsätzlich ablehnen, anders als die Union, die scheinbar ihr eigenes Gründungsvermächtnis vergessen hat: Eine gerechte Vermögensbesteuerung war die Grundlage für den Wirtschaftsboom in den 50er- und 60er-Jahren. Heute wollen die Erben Adenauers diesen Fakt aus den Geschichtsbüchern streichen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, anders als die Linksfraktion wollen wir als SPD einen anderen Weg gehen, einen Weg, der Maß und Mitte im Blick behält; einen Weg, der bei der Verantwortung von Milliardären und Multimillionären ansetzt und kleine und mittlere Betriebe nicht belastet, einen Weg, der auch langfristig eine gerechte Besteuerung sicherstellt. ({4}) Das erreichen wir mit einer dauerhaften Vermögensteuer und mit einer Entlastung für die arbeitenden Menschen mit geringen und mittleren Gehältern. Wir werden den vorliegenden Antrag deswegen, aber auch wegen der Erinnerungslücken unseres Koalitionspartners ablehnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an alle Menschen da draußen appellieren: Im September habt ihr/haben Sie die Wahl. Gebt uns/geben Sie uns die politische Mehrheit, um ein Spardiktat nach der Pandemie zu verhindern und die Lasten der Coronakrise gerecht zu verteilen. Ich verspreche: Wir als SPD werden dafür kämpfen. Vielen Dank. ({5})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,354
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Die Zeit für die namentliche Abstimmung ist abgelaufen. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgeben konnte? – Das ist der Fall. Also haben Sie noch Gelegenheit. Ich werde die Abstimmung nach dem nächsten Redebeitrag schließen. Das Wort hat der Kollege Markus Herbrand für die FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,355
227
19
Markus
Herbrand
11,004,745
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe keine Tabelle mitgebracht, aber auch wir können es ganz praktisch machen: Hier, ziemlich genau vor mir, verläuft die Linie in diesem Hause, an der die Abgabenpolitik sich trennt. Wir haben hier auf der einen Seite diejenigen, die eigentlich überhaupt nie genug Steuern einnehmen können, ({0}) um ihre Umverteilungsfantasien irgendwie umsetzen zu können. Auf der anderen Seite haben wir, unter anderem mit der FDP natürlich, diejenigen, die die Rahmenbedingungen dafür setzen wollen, dass wir durch Wirtschaftswachstum überhaupt dafür sorgen können, dass wir Steuern einnehmen und eine gewisse Balance herstellen zwischen dem, was an Wertschöpfung in den Betrieben auf der einen Seite und an Abschöpfung durch den Staat auf der anderen Seite geschieht. ({1}) Aus drei Aspekten heraus werden wir diese Vermögensabgabe – wir lehnen ja auch die Vermögensteuer ab; das wissen Sie – natürlich ablehnen. Der erste Aspekt ist ein psychologischer – da sind wir sogar noch einer Meinung; da bin ich ziemlich sicher –: ({2}) Wir haben eine Vermögensabgabe in Deutschland dreimal erhoben, immer zur Finanzierung von Kriegsschäden. Ich glaube, das ist eine Rhetorik, die wir hier alle nicht wollen. Wir befinden uns nicht im Krieg, deshalb sollten wir uns davon auch lösen. ({3}) Das zweite und viel wichtigere Argument ist die ökonomische Komponente. Wir halten es wirtschaftspolitisch eigentlich eher für kontraproduktiv, was hier vorgeschlagen wird. Es ergibt unserer Auffassung nach einfach keinen Sinn, in die Substanz hinein zu versteuern. Sie nehmen unter anderem den Betrieben wichtige Liquidität, die notwendig ist, damit Investitionen getätigt werden. Da sprechen wir auch über die Schaffung von Arbeitsplätzen, damit tatsächlich auch wieder Steuern generiert werden können. Ich will noch mal darauf hinweisen, dass in Deutschland 90 Prozent der Investitionen privat finanziert werden und nur 10 Prozent durch den Staat. Wir müssen die Rahmenbedingungen für die Privaten verbessern, damit auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Sie versuchen eigentlich immer, den Kuchen kleiner zu machen, von dem dann am Ende noch mehr essen sollen. ({4}) Zweitens haben wir eigentlich auch gar keinen Bedarf – das ist jetzt mehrfach angesprochen worden; es wird ja nicht besser, wenn Sie lauter werden – an einem Mehr an Umverteilung. Nirgendwo in der Welt wird mehr umverteilt als in Deutschland, ({5}) und das erfolgt über einen progressiven Steuertarif. Wir können nach meinem Dafürhalten ja auch darüber sprechen, ob unser Sozialstaat immer treffsicher ist. Da bin auch ich der Auffassung, dass wir großen Optimierungsbedarf haben. Aber wir haben wirklich keine Unterfinanzierung unseres Sozialstaates. Es gilt auch nicht, dass immer mehr auch mehr hilft. Das ist definitiv nicht der Fall. ({6}) Die Menschen mit den starken Schultern sind bei uns in der Tat diejenigen, die schon sehr viel dazu beitragen. Der dritte Aspekt – der ist mir ganz besonders wichtig – sind die verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen eine solche Abgabe bestehen. Die Mehrzahl der Rechtswissenschaftler sieht das so, und auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat geschrieben, dass die Vermögensabgabe nur möglich ist, wenn der Staat in eine „existenzbedrohende finanzielle Notlage“ geraten ist. Und das sind wir nicht. Wir haben noch andere Finanzierungsmöglichkeiten, über die dann tatsächlich politisch debattiert werden kann. Wir müssen auch Einsparmöglichkeiten bei den Subventionen etc. überprüfen.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,356
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Herbrand, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen De Masi?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,357
227
19
Markus
Herbrand
11,004,745
Aber selbstverständlich; sehr gerne.
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,358
227
19
Fabio
De Masi
11,004,817
Vielen Dank, lieber Kollege Herbrand, lieber Markus, dass du die Zwischenfrage zulässt. – Ich würde gerne fragen, ob dir ein Artikel von Gabor Steingart – der ist bekanntlich kein Linker – aus dem „Focus“ bekannt ist. Er nimmt Bezug auf ebendieses Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages und schreibt – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: In Wahrheit allerdings erfährt man bei genauer Lektüre des Gutachtens, dass die Wissenschaftler den Befürwortern einer Vermögensabgabe juristische Brücken bauen, die direkt in die Depots der Reichen führen könnten. So heißt es da: • „Dadurch, dass die Vermögensabgabe im Grundgesetz in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 ausdrücklich normiert wurde, ist sie grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig.“ • „Die Vermögensabgabe muss laut Verfassung eine einmalige Abgabe bleiben. …“ Und so weiter und so fort. – Ähnlich hat sich auch der Verfassungsrechtler Joachim Wieland in einem Gutachten für die Kollegin Kiziltepe geäußert. Insofern will ich einfach nur sagen, dass dieses Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages offenbar auch von interessierten Kreisen in der Öffentlichkeit falsch wiedergegeben wird. ({0})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,359
227
19
Markus
Herbrand
11,004,745
Ich habe ja auch mit keinem Wort gesagt, dass alle der Auffassung sind, dass das nicht möglich ist. Aber die Mehrzahl der Juristen ist in meinen Augen der Auffassung, dass es verfassungsrechtlich sehr bedenklich ist. Und selbst wenn man zu der Auffassung käme, dass diese verfassungsmäßige finanzielle Notlage bestehen würde, gibt es Grenzen, die durch Artikel 14 des Grundgesetzes, nämlich die Eigentumsgarantie, gegeben sind. Also: Man kann darüber streiten, aber letzten Endes gibt es eine ganze Reihe von Verfassungsjuristen – meines Erachtens tatsächlich eine große Mehrheit –, die das sehr kritisch sieht. ({0}) Ich will aber sagen: Wir haben andere Finanzierungsmöglichkeiten. Unsere Wirtschaft wächst offenbar erstaunlich schnell wieder aus diesen großen Schwierigkeiten heraus. Wir werden natürlich eine höhere Schuldenquote haben, wenn diese Krise einmal hinter uns liegt. Aber im internationalen Vergleich ist diese Schuldenquote immer noch sehr niedrig, was auch dazu führt, dass wir auf den internationalen Finanzmärkten eine wirklich blendende Bonität besitzen. Das alles, denke ich, sind Dinge, die dafür sprechen, dass es andere Finanzierungsmöglichkeiten gibt und keine existenzbedrohende finanzielle Notlage besteht. Also: Mit uns wird es keine Vermögensabgabe und auch keine Vermögensteuer geben. Das Gegenteil ist aus unserer Sicht geboten: Wir müssen die Leistungsträger entlasten, damit der Kuchen insgesamt größer wird. ({1}) Dann können wir auch besser und mehr verteilen. Herzlichen Dank. ({2})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,413
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Herr Reichardt, nur zur Klarstellung: Alle Mitglieder dieses Hauses sind von den Bürgerinnen und Bürger gewählte Volksvertreter – keine „sogenannten“, sondern gewählte – nur zur Klarstellung. ({0}) Die Abgeordnete Heike Baehrens hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({1})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,360
227
19
Stefan
Schmidt
11,004,877
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine kaputte Infrastruktur, eine wacklige Konjunktur und gigantische soziale und politische Herausforderungen, ein wahres Trümmerfeld: Das ist Deutschland Anfang der 1950er-Jahre. Vom berühmten Wirtschaftswunder spüren die Menschen zu diesem Zeitpunkt noch nichts. In dieser wirtschaftlich und sozial extrem schwierigen Situation hat der Bundestag schon einmal eine einmalige Vermögensabgabe beschlossen: das Lastenausgleichsgesetz. Es dient der Linken auch heute als gedankliche Brücke für eine einmalige Vermögensabgabe für Milliardäre und Multimillionäre. Die Forderung dieses Antrags ist richtig, den konkreten Weg dahin und den Zeitpunkt möchte ich aber infrage stellen. Das Vermögen in Deutschland ist sehr ungleich verteilt. Das reichste Prozent der Bevölkerung verfügt über rund ein Drittel des Vermögens in diesem Land. Gleichzeitig besitzt die ärmere Hälfte lediglich rund 1 Prozent des privaten Nettovermögens.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,361
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Schmidt, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Glaser?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,362
227
19
Stefan
Schmidt
11,004,877
Nein, erlaube ich nicht. – Als wäre das nicht skandalös genug, verschärft die Pandemie mit ihren Folgen die ungleiche Vermögensverteilung sogar noch: Wer Aktien und Immobilien besitzt, verdient sich weiter eine goldene Nase – trotz der Krise. Wer aber seinen Arbeitsplatz infolge der Pandemie verloren hat, keine Aufträge mehr bekommt oder seit Monaten in Kurzarbeit ist – zum Beispiel die vielen Angestellten in Hotels, in der Gastronomie oder im Kulturbereich –, der muss jeden Euro mehr als zweimal umdrehen. Diese massive Ungleichheit dürfen wir nicht weiter ignorieren! ({0}) Denn wachsende Ungleichheit ist ein Problem. Fragen nach der Verteilung von Lebenschancen, von Teilhabe und politischer Einflussmöglichkeit verlangen eine Antwort. Wenn eines von fünf Kindern in Deutschland von Armut bedroht ist, wenn nicht Talent und Engagement, sondern die soziale Herkunft über die Chancen eines Menschen entscheiden, dann ist das nicht nur beschämend für unser reiches Land, es stellt auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt infrage oder zumindest auf eine harte Probe und lässt viel Potenzial, ja lässt Menschen auf der Strecke bleiben. Extreme Vermögensungleichheiten abzubauen, heißt, Bildungschancen und Teilhabemöglichkeiten aufzubauen, und das ist Aufgabe der Politik. ({1}) Politik muss für Verteilungsgerechtigkeit sorgen. Wir dürfen uns doch nicht darauf verlassen, dass einige Reiche schon freiwillig ein Stückchen vom Kuchen abgeben werden. Von Marlene Engelhorn aus Wien haben Sie vielleicht gehört. Die junge Frau muss derzeit Interviews geben, weil sie sich von ihrem künftigen Millionenerbe zu 90 Prozent trennen will, weil – Zitat – „Vermögen und damit Macht und Lebenschancen wahnsinnig ungleich verteilt sind“, wie sie erkannt hat. Dieser Schritt ist ehrenwert; er ist aber auch die Ausnahme und entlässt die Politik nicht aus der Verantwortung. ({2}) Wir dürfen nicht zulassen, dass Verteilungsgerechtigkeit vom freiwilligen Verzicht der Wohlhabenden abhängt! Die gerechte Verteilung von Vermögen und von Chancen ist die Aufgabe der Politik und hat nichts mit Gönnertum zu tun. ({3}) Deswegen unterstützen wir das Ziel des Antrags. Wir brauchen mehr Verteilungsgerechtigkeit in diesem Land! ({4}) Der Pfad, den die Linke dabei aber beschreiten möchte, ist nicht ganz ungefährlich; denn ich zweifle daran, dass er verfassungsfest ist. Damit sind wir beim ersten Problem des Antrags. Das Grundgesetz erlaubt zwar das Instrument einer einmaligen Vermögensabgabe, aber nur unter der Voraussetzung einer staatlichen Ausnahmesituation. Natürlich nehmen wir momentan Rekordschulden auf, um die Folgen der Krise zu meistern. Aber befinden wir uns gerade in einer existenziellen Krise? Ist unsere Situation gerade mit einer Lage wie beim Reichsnotopfer oder beim Lastenausgleich gleichzusetzen? Diese Frage kann zu diesem Zeitpunkt der Pandemie noch niemand abschließend beantworten. Ein zweites Problem: Der Antrag kommt aus unserer Sicht zu früh. Wir sind mitten in der Krise. Wir wissen heute noch nicht, ob sich die Lage bis zum Sommer deutlich verbessert. Deshalb müssen wir jetzt die Pandemie überwinden, und erst wenn wir gemeinsam diese Herausforderung bestanden haben, ist es Zeit für eine Bilanz. Aus unserer Sicht wäre ein Antrag zu einem Zeitpunkt nach der Krise glaubwürdiger. Ich habe Sie auch so verstanden, Herr De Masi, dass eigentlich die Frage ist, was Sie nach der nächsten Bundestagswahl machen und nicht jetzt mittendrin. ({5}) – Herr Kollege, was haben Sie denn für ein Problem? ({6}) – Haben Sie keine Redezeit? Dann quatschen Sie doch nicht immer dazwischen. ({7}) – Wenn Sie was sagen wollen: Bei Ihnen würde ich ja vielleicht sogar eine Frage zulassen. ({8}) Das dritte Problem des Antrags ist die Zweckbindung der Vermögensabgabe. Abgaben sind immer zweckgebunden; aber die Linke beschränkt sich auf die Einnahmen von 300 Milliarden Euro, um das staatliche Defizit und die Pandemieschulden zu reduzieren. Das ist mir, ehrlich gesagt, zu wenig, zu uninspiriert. Ich vermisse ein Konzept, wie Sie mehr Verteilungsgerechtigkeit erreichen wollen. Kein Wort über Bildungsinvestitionen, eine anständige Grundsicherung, eine gute Ausstattung von Kommunen, nichts darüber, wie Sie die Altersarmut konkret bekämpfen und öffentliche Güter solidarisch finanzieren wollen. Da würde ich mir vorstellen, dass Sie ganz konkret in Ihren Antrag schreiben, wofür Sie das Geld verwenden wollen.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,363
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollege Schmidt, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der FDP-Fraktion?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,364
227
19
Stefan
Schmidt
11,004,877
Die will ich erlauben, ja.
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,365
227
19
Christian
Dürr
11,004,705
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. – Ich muss sagen: Ich gebe den Kollegen der Linken recht, dass Sie hier Farbe bekennen müssen. ({0}) Sie reden viel umher; aber die zentrale Frage, die Sie eigentlich in Ihrer Rede beantworten müssten, lautet doch: Wird es mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen eine Vermögensabgabe oder eine Vermögensteuer geben? Das müssen Sie heute beantworten. Bitte tun Sie das, Herr Kollege Schmidt. ({1})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,366
227
19
Stefan
Schmidt
11,004,877
Das mache ich sehr gerne. Sie können auch gerne einfach in unserem Programmentwurf lesen; das lohnt sich im Übrigen, übers komplette Programm hinweg. Da steht klar drin: Wir sind für eine Vermögensteuer, konkret ausdifferenziert, und dazu bekennen wir uns selbstverständlich. ({0}) Aber zur konkreten Fragestellung „Vermögensabgabe jetzt?“: Damit muss man, finde ich, ein bisschen differenzierter umgehen. ({1}) Ich finde es gut, dass wir heute über die ungerechte Vermögensverteilung sprechen. Wir müssen endlich raus aus diesen ideologischen Schützengräben, in denen wir uns – das haben meine Vorredner deutlich gemacht – befinden. Wir müssen die Fakten anerkennen und eine politische Lösung finden. Die Krise lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergehen. Was das Mittel der Wahl ist, ob eine einmalige Vermögensabgabe oder eine andere Form der Vermögensteuer, darüber müssen wir sicherlich sprechen, aber nach der Krise. Für uns ist klar: Wer viel hat, der muss auch mehr geben als derjenige, der wenig hat. Wir werden nicht zulassen, dass die Ungleichheit in unserer Gesellschaft noch weiter zunimmt. Vielen Dank. ({2})
3
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,367
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. h. c. Hans Michelbach das Wort. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,368
227
19
Hans
Michelbach
11,002,738
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Woran merkt ein langjähriger Abgeordneter, dass der Wahltag naht? Sie wissen es nicht? Ich kann es Ihnen sagen. ({0}) Das ist ganz einfach: Von der linken Seite des Hauses kommen dann Anträge zur Einführung einer Vermögensteuer oder, wie heute, zur Einführung einer Vermögensabgabe. Das Ganze wird dann jedes Mal wieder mit Verteilungsgerechtigkeit bemäntelt. Es macht sich ja im Wahlkampf auch ganz gut, ein paar Superreiche an den Pranger zu stellen. Das ist bei Ihnen Programm; das ist das allgemein bekannte Neidprogramm. Nur, meine Damen und Herren, mit Gerechtigkeit hat das alles nichts zu tun. ({1}) Ich sage Ihnen die Wahrheit: Unter dem Schleier der Gerechtigkeit verbergen Sie allzu schlecht Ihre Gier nach mehr Geld anderer, ({2}) Ihre Gier nach dem Geld der Bürger zur Finanzierung Ihrer ideologischen Wunschträume. Sie bekommen nie Geld genug. ({3}) Steuererhöhungen, das ist Ihr Thema, meine Damen und Herren. ({4}) – Betroffene bellen, meine Damen und Herren. Ich kann nur sagen: Sie führen die Menschen in diesem Land hinters Licht; denn Sie verschweigen, dass die 10 Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen schon jetzt 50 Prozent zum Einkommensteueraufkommen beitragen. ({5}) Sie verschweigen, dass die oberen 50 Prozent der Steuerpflichtigen sogar 94 Prozent der Einkommensteuer tragen. Die vereinigte Linke verschweigt, dass sie damit Betriebe und Arbeitsplätze besteuern will. Sie führen die Menschen in diesem Land hinters Licht; denn Sie verschweigen, dass dieses Vermögen, auch das der Betriebe, letzten Endes schon einmal versteuert wurde. Das ist der wesentliche Punkt. ({6}) Sie verschweigen auch, dass der Halbteilungsgrundsatz gilt und Ihre Anträge deswegen generell verfassungswidrig sind. Ich war bei der Aussetzung der Vermögensteuer 1996 dabei. Da hat das Verfassungsgericht deutlich gesagt, was verfassungskonform und verfassungswidrig ist, meine Damen und Herren. Und all das wissen Sie genau. Aber es reicht Ihnen einfach nicht. Sie ahnen natürlich die Folgen Ihres Tuns, nämlich die Abwanderung von Investoren, Unternehmen und Privatpersonen ins Ausland. Warum sonst sollen Vermögenswerte aus der Vergangenheit als Berechnungsgrundlage genommen werden? Mit einer Abwanderung von Investoren und Unternehmern ins Ausland ist doch aber niemandem gedient; das ist die eine Seite. Die andere Seite ist: Ihre Vermögensabgabe ist auch ein bürokratisches Monster. Es bedarf eines riesigen bürokratischen Aufwands, um diese Abgabe überhaupt erheben zu können, angefangen bei den Immobilienwerten. Was ist mit den Wertgegenständen, die Sie natürlich auch besteuern wollen: Gemälde, Antiquitäten, Schmuck, Fahrzeuge, Oldtimer? Sie können sich letzten Endes in irgendeiner Form vorstellen, sie für die Verwirklichung Ihrer ideologischen Wunschträume zu Geld zu machen. Für jeden Gegenstand, für jede Immobilie müsste ein Wertgutachten erstellt werden. Dazu sagen Sie nichts. Sie stellen diese Steuererhöhung einfach ins Schaufenster, meine Damen und Herren. Was glauben Sie, wozu die Vermögensabgabe auf Immobilienvermögen führt, meine Damen und Herren? Ich sage es Ihnen: zu höheren Mieten.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,369
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Herr Kollege Michelbach?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,370
227
19
Hans
Michelbach
11,002,738
Frau Präsidentin, ich höre immer auf Sie.
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,371
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Troost?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,372
227
19
Hans
Michelbach
11,002,738
Des Kollegen Troost? Der Axel Troost, der ist neu. Aber der hat so viel Nachholbedarf; dem genehmige ich das. ({0}) – Der ist wieder da, ja. ({1})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,414
227
19
Heike
Baehrens
11,004,244
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir werden uns alle Grundrechte und Freiheiten wieder zurückerobern.“ Das habe ich Bürgerinnen und Bürgern, die sich damals besorgt zu den Grundrechtseingriffen geäußert haben, gesagt und geschrieben. Ich konnte tatsächlich nicht ahnen, wie lange es dauert. Aber jetzt ist es soweit, und wir halten Wort: Jetzt, wo Wissenschaft uns bestätigt, dass von Geimpften und Genesenen nur ein geringes Risiko ausgeht, das Virus zu verbreiten, jetzt, wo mehr und mehr Leute immer schneller geimpft werden, können erste Beschränkungen zurückgenommen werden. Das haben wir dem Virus in großer gemeinsamer Anstrengung abgerungen. ({0}) Wie wichtig und wertvoll das ist – das hat unsere Ministerin Christine Lambrecht heute Morgen schon thematisiert –, zeigt sich gerade in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Behindertenhilfe. Nur wenige wurden so extrem in ihrer Lebensqualität eingeschränkt wie Menschen, die in Gemeinschaftseinrichtungen leben. Ihr Bewegungsspielraum wurde auf ein kleines Zimmer reduziert, in dem sie lange nicht einmal Besuch bekommen konnten. Freiheitsräume, die die meisten von uns in der Familie und draußen immer noch hatten, waren für sie äußerst reduziert. Deshalb ist es ein Grund zur Freude, dass wir diese Lebensqualität gerade für diejenigen in einer Wohnsituation, die auch ohne Pandemie von Einschränkungen geprägt ist, jetzt zurückgewinnen. ({1}) Ich habe das Beispiel des Seniorenzentrums Mühlehof in Steinen bei Lörrach vor Augen. Bis auf eine Bewohnerin wurden alle Bewohnerinnen und Bewohner geimpft, und über 90 Prozent der Mitarbeitenden ebenso. Dennoch durften sie sich über Monate nicht gemeinsam zum Mittagessen treffen. Erst nach langem Mahlen der Mühlen von Verwaltung und Justiz wurde eingelenkt. Jetzt können sich Seniorinnen und Senioren endlich wieder zum Essen oder auch für andere Gemeinschaftsveranstaltungen treffen. ({2}) Auch jenseits von Verordnungen und Gesetzen müssen Infektionsschutzmaßnahmen mit Augenmaß und, ich finde, auch mit beherztem Pragmatismus abgewogen werden, gerade dann, wenn es um die allerletzte Phase im Leben geht. Ich denke, wir sollten Einrichtungen, Diensten und Pflegepersonal zutrauen, hier individuelle und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. ({3}) Denn Freiheit und Verantwortung müssen immer in Balance gehalten werden. Viele hatten vielleicht weniger Angst vor eigener Erkrankung, aber trafen Freunde trotzdem nur digital. Junge Menschen sagten Geburtstage und Abschlussfeiern ab, nicht aus Angst um die eigene Gesundheit, sondern weil sie nicht zum Infektionsgeschehen beitragen wollten, weil sie vernünftiger waren als die Vertreter hier von der rechten Seite, weil sie eben andere schützen wollten, weil sie Menschen mit Vorerkrankungen und Ältere schützen helfen wollten. Ich verstehe gut, dass es für junge Menschen kaum noch auszuhalten ist, dass wichtige Meilensteine des Erwachsenwerdens aufgeschoben oder gar verpasst werden. Umso bemerkenswerter finde ich, dass gerade sie, über Generationen hinweg, eine enorme Solidarität gezeigt haben. Ich finde, das fordert unser aller Respekt. ({4}) Ich habe auch großes Verständnis, dass nun gefragt wird: Wann sind wir endlich dran? Wann können wir wieder Sport treiben, normal zur Schule gehen, verreisen? Denn auch für Familien besteht weiterhin die enorme Belastung, Schule, Homeoffice, eingeschränkte Freizeit zu organisieren. Ja, wir brauchen einen Plan für Öffnungen, wie es Olaf Scholz einfordert, und da müssen Kinder und Familien im Mittelpunkt stehen. ({5}) Wir haben uns alle mit einem Kraftakt gegen das Virus gestemmt. Dass jetzt die ersten Lockerungen nicht sofort für alle gelten, ({6}) ist trotzdem notwendig, bleibt aber schwer für ganz viele. Deshalb muss weiter alles getan werden, um allen, die es wollen, schnell ein Impfangebot zu machen. Darum wird bald, auch mit dem Fortschritt der weiteren Impfstoffe, die Impfstrategie entsprechend angepasst, werden weitere Ärzte wie die Betriebsärzte mit einbezogen, und es werden vor allem auch Impfstoffe für Kinder und Jugendliche entwickelt. Das alles macht Hoffnung und lässt uns noch etwas geduldig sein; denn jede weitere Impfung ist ein Schritt hin zur Öffnung für alle. Vielen Dank. ({7})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,415
227
19
Michael
Theurer
11,004,914
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Vorwurf der Kollegen Karin Maag und Carsten Müller, die Diskussion heute Nachmittag sei gegenstandslos und nicht notwendig wegen der Verordnung der Bundesregierung, geht völlig ins Leere. Denn erstens nimmt ja die Verordnung der Bundesregierung die Einschränkungen für Geimpfte und Genesene nur punktuell zurück. Zum Beispiel sind weite Teile – die Öffnung von Geschäften, Hotellerie, Gastronomie und Veranstaltungen – komplett ausgenommen. Zum Zweiten ist der entscheidende Punkt der, dass, wenn von immunisierten Personen keine Infektionsrisiken ausgehen, sich grundsätzlich keine Einschränkungen ihrer Freiheit mehr rechtfertigen lassen. Dies wurde hier eindrucksvoll auch von Gregor Gysi bestätigt. ({0}) Ich kann an der Stelle feststellen, dass wir mehr gemeinsam haben als nur unsere Frisur, Herr Kollege Gysi, ({1}) nämlich auch den Einsatz für unsere Grundrechte. Meine Damen und Herren, auch die Argumentation von Karin Maag, die Bundesnotbremse habe zum Rückgang der Inzidenzen geführt, entspricht ja offensichtlich nicht den Tatsachen. Denn wenn Sie sich mal die Infektionszahlen anschauen – ich habe hier mal die Zahlen der Johns-Hopkins-Universität mitgebracht: die rote Kurve zeigt die Schweiz, die blaue Kurve zeigt die Bundesrepublik Deutschland –, dann stellen Sie fest: Die Zahlen in der Schweiz gehen wesentlich deutlicher zurück als die Zahlen in der Bundesrepublik. Das heißt, die Bundesnotbremse Deutschlands wirkt in der Schweiz offensichtlich besser als in der Bundesrepublik, ({2}) und das, obwohl, meine Damen und Herren, die Schweiz bereits Anfang März Läden, Museen, Außensportanlagen und Zoos geöffnet hat. Die Schweiz hat Mitte April die Außengastronomie, Kinos, Theater und Fitnessstudios geöffnet. ({3}) Also, meine Damen und Herren – ich sage das ohne Häme –, Ihre Argumentation, die Bundesnotbremse habe den Rückgang der Inzidenzen eingeleitet, kann nicht den Tatsachen entsprechen, sondern – im Gegenteil – es muss andere Gründe dafür geben. Wahrscheinlich ist es der Fortschritt beim Impfen, aber auch die frische Luft. Es gibt weniger Ansteckungen an der frischen Luft; das wird auch von den Aerosolforschern klar gesagt. ({4}) Nicht „Stay at home“, sondern raus an die frische Luft, Bewegung im Freien: Das minimiert die Ansteckungsgefahr. ({5}) Meine Damen und Herren, deshalb ist auch eine ganz klare Aussage: Wenn das RKI recht hat, dass die meisten Infektionen im privaten Bereich stattfinden, dann muss die Antwort doch sein: Wer private Saufgelage verhindern will, der muss die Außengastronomie mit Hygienekonzepten wieder öffnen, damit die Menschen sich auch wieder treffen können. ({6}) Entscheidend ist aber, dass von Geimpften offensichtlich keine Ansteckungsgefahren in erheblichem Umfang ausgehen. Das zeigt auch die Oxford-Studie; darauf beruhen ja jetzt auch die Empfehlungen, Freiheitseinschränkungen für Geimpfte und Genesene zurückzunehmen. Da stellt sich dann aber schon die Frage, warum eigentlich die Bundesregierung die Warnungen, man müsse die Impfstoffproduktionskapazitäten erhöhen, nicht ernst genommen hat. ({7}) Herr Kollege Gysi, es gab auch Kapazitäten im Westen. Jedenfalls habe ich die Bundesregierung mündlich bereits im Mai und schriftlich im Juni darauf hingewiesen, dass Impfstoffkapazitäten erhöht werden müssen. Das ist aber nicht mit entsprechendem Nachdruck verfolgt worden. Herr Kollege Spahn, wenn Sie sich jetzt in etlichen Tweets und Social-Media-Auftritten über den Impffortschritt freuen – da bin ich bei Ihnen –, dann hätten Sie an der Stelle vielleicht im Namen der Bundesregierung auch mal eine Entschuldigung dafür aussprechen können, dass die Impfstoffbestellung in Deutschland und in der Europäischen Union nicht mit dem notwendigen Nachdruck, nicht rechtzeitig genug, nicht in den entsprechenden Mengen und auch nicht zu den gleichen Preisen erfolgt ist wie zum Beispiel in Israel oder in den Vereinigten Staaten von Amerika. ({8}) Meine Damen und Herren, der dritte Punkt sind die Modellprojekte. Ich schaue mir mal das Land Schleswig-Holstein an. Da machen die FDP-Landesminister Bernd Buchholz und Heiner Garg die Arbeit, und der Ministerpräsident Günther rühmt sich heute in der „Bild“-Zeitung für die Erfolge der Modellprojekte. Wir sind für Modellprojekte. Frau Kollegin Maag, wir haben einen Änderungsantrag zu Ihrem Gesetz gestellt, um diese Modellprojekte auch in Zukunft zu ermöglichen. Den haben Sie, genauso wie der Kollege Carsten Müller, in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Und das ist ja auch der Grund, warum wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen konnten. Es hätte der Verordnung für die Geimpften heute gar nicht bedurft, wenn Sie unserem Änderungsantrag zugestimmt hätten, der eben entsprechende Ausnahmen für Geimpfte und für Genesene vorgesehen hat. ({9}) „Auf uns hören“ heißt, auf Nachbesserungen verzichten zu können. Deshalb bleiben wir dabei: Das, was Sie mit der Verordnung gemacht haben, ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus. Wenn von Geimpften und Genesenen keine Infektionsrisiken mehr ausgehen, dürfen die Freiheitsrechte dieser Menschen nicht länger eingeschränkt werden. Wir werden nicht müde, dies an dieser Stelle einzufordern. ({10})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,416
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Nächster Redner ist der Kollege Lothar Riebsamen, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,417
227
19
Lothar
Riebsamen
11,004,135
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Freien Demokraten haben zweifelsohne einen besonderen Bezug zum Thema Freiheit im Allgemeinen und zum Thema „individuelle Freiheitsrechte“ im Besonderen. Das zweifeln wir überhaupt nicht an. ({0}) Aber, Herr Theurer, ich bin mir ganz sicher, dass die FDP umgekehrt den Parteien, die das F nicht schon im Parteinamen tragen, sondern im Programm haben, auch nicht abspricht, dass sie jetzt, nach einem Jahr Pandemie und nach einem Jahr Einschränkung von Freiheitsrechten – das ist so –, die gleiche Sehnsucht danach haben – wie die FDP auch –, möglichst schnell wieder zur Normalität zurückzukehren und möglichst viele Freiheitsrechte wieder einzuräumen, die bisher aus gutem Grund nicht wieder eingeräumt werden konnten. In den vergangenen Tagen – das muss man allerdings auch sagen – ist die Skepsis bei manchen Menschen gestiegen. Das merken wir wahrscheinlich auch an unseren E-Mails. Bei mir war es jedenfalls so, dass mich in den vergangenen Tagen viele E-Mails erreicht haben, deren Verfasser die Auffassung vertreten, es komme jetzt alles zu früh, es gehe zu schnell, es sei unsolidarisch gegenüber denjenigen, die noch keine Impfung erhalten haben. Ich bin allerdings der Auffassung, dass es nicht nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ gehen kann. Ich denke, es ist richtig, sich im Gegenteil mit denen zu freuen, die schon eine Impfung erhalten haben, die ihre Freiheitsrechte wieder zurückbekommen. Wir haben heute Mittag, vor zwei Stunden, die entsprechenden Beschlüsse für die Geimpften gefasst, und darüber sollten wir uns freuen. Ich bin sicher, dass die Notbremse, Herr Theurer, wie wir sie für Inzidenzwerte über 100 in Deutschland eingeführt haben, sehr wohl genau zu dem Punkt geführt haben – natürlich zusammen mit den Impfungen –, dass wir Freiheitsrechte wieder einräumen können. Ich freue mich für die Schweizer, wenn sie mit ihren Maßnahmen Vergleichbares erreicht haben. Aber ohne die Notbremse – das können Sie an der Zeitachse ganz genau festmachen – wären die Inzidenzzahlen nicht so gefallen, wie sie in den vergangenen Tagen gefallen sind, ({1}) wäre der R-Wert nicht so zurückgegangen, wäre die Belegung auf den Intensivstationen nicht so zurückgegangen. Das lässt sich einfach belegen und sollte jetzt überhaupt nicht Thema der Diskussion sein. ({2}) Es liegt auf der Hand; es ist geradezu evident. Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang an eine Ad-hoc-Empfehlung des Deutschen Ethikrats vom Februar 2021 mit der Überschrift „Besondere Regeln für Geimpfte?“. Da steht – wenn ich das zitieren darf –: Je mehr aber mit dem Fortschreiten des Impfprogramms besonders gravierende Risiken reduziert werden und verbesserte Kenntnisse hinsichtlich der Nichtansteckungsfähigkeit vorliegen, desto eher sind individuelle Rücknahmen von Freiheitsbeschränkungen für geimpfte Personen vorstellbar und gegebenenfalls geboten. Diese Empfehlung des Deutschen Ethikrats ist plausibel, klug und richtig. Auch aus diesem Grund haben wir vor zwei Stunden die entsprechenden Beschlüsse gefasst und den Geimpften und vergleichbaren Personengruppen ihre Freiheitsrechte wieder zurückgegeben. Ich bin aufgrund der sinkenden Inzidenzen einerseits und der massiv ansteigenden Zahl der Geimpften andererseits zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen zügig in diese Richtung fortfahren können. Das wünsche ich uns allen, aber nicht ohne abschließend darauf hinzuweisen, dass die Schutzpflichten natürlich nach wie vor bleiben. Es muss weiterhin getestet werden. Es müssen weiterhin die Hygienevorgaben und die Abstände eingehalten werden. Wir haben jetzt 7,1 Millionen Menschen vollständig geimpft, aber eben noch nicht alle. Auch das ist ein Grund dafür, dass wir weiterhin die vulnerablen Gruppen schützen müssen. Die Maßnahmen zur Eindämmung müssen insofern aus guten Gründen noch für einige Wochen in Kraft bleiben. Aber wir sind auf einem guten Weg. Herzlichen Dank. ({3})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,424
227
19
Uwe
Witt
11,004,937
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Man könnte behaupten – ach, der Herr Spahn ist gar nicht da –, das Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz sei ein so missglücktes Vorhaben wie sein Titel selbst. Das ist natürlich nicht weiter überraschend; denn an die Realität und die tatsächlichen Umsetzbarkeiten werden gerade hier viel zu wenig Gedanken verschwendet, wie wir alle wissen. Dennoch: Die Kernziele dieses Gesetzes sind dann auf den ersten Blick durchaus unterstützenswert: digitale Helfer für die Pflege, mehr Telemedizin und eine moderne Vernetzung des Gesundheitswesens. Die Formulierungen können beim Lesen den Gedanken erwecken, die Digitalisierung in Deutschland schreite mit riesigen Schritten voran. Doch dem ist leider, wie wir alle wissen, nicht so. Dieses Modernisierungsvorhaben wird noch im Keim von der miserablen Infrastruktur in Deutschland erstickt werden. Im internationalen Vergleich steht Deutschland hier schon seit Jahren als Verlierer da. Wir glauben nicht, dass mit digitalen Pflege-Apps der Pflegealltag wirklich besser zu bewältigen ist. Langfristig dürften viele Apps wenig bis gar nicht genutzt werden. Wer Gedächtnisspiele verordnet bekommt, wird möglicherweise schnell vergessen, dass er eine solche App auf dem Handy hat. Und ob die Pflegerinnen und Pfleger die Zeit finden, ihre Patienten regelmäßig daran zu erinnern, steht auch auf einem anderen Blatt. Oftmals haben sie kaum noch Zeit für die wichtigsten Aufgaben. Den seit Jahrzehnten bestehenden hausgemachten Pflegenotstand zu beseitigen, hätte hingegen einen deutlichen und nachhaltigen Effekt zur Verbesserung des Pflegealltags tatsächlich gebracht. Der zwischenmenschliche Umgang mit den Patienten dürfte mehr wert sein als die besten Apps und kommt heute schon viel zu kurz. ({0}) Eine weitere Frage ist, wer überhaupt die Schreibrechte für diese Apps bekommen soll. In der Pflege wird der Qualifikationsmix durch die generalistische Ausbildung nicht abnehmen. So werden die Schreibrechte für das Pflegepersonal wahrscheinlich genauso unterschiedlich sein. Eine bürokratische Katastrophe, die in letzter Konsequenz wieder zurück zur analogen Pflege führen wird. Eine Entbürokratisierung gerade in der Pflege wäre daher wünschenswert, bevor man von großspurigen digitalen Revolutionen zu schwadronieren beginnt. Ebenso verhält es sich mit der Nutzung der elektronischen Patientenakte. Sie ist kompliziert und durch die Speicherung der Daten an unterschiedlichen Stellen fehleranfällig. Dazu kommt, dass lebenswichtige Informationen gegebenenfalls nicht eingespeichert werden können. Letztlich komme ich noch zur gematik GmbH. Diese gehört zwar mehrheitlich dem Bund, ist aber gleichzeitig zu 100 Prozent beitragsfinanziert. Das halten wir für genauso wenig hinnehmbar wie die Tatsache, dass sie in Doppelfunktion als Dienstleister und als Genehmigungsbehörde zugleich aktiv sein soll. Wie Digitalisierung richtig und im Sinne der Bürger funktioniert, haben wir in unserem Antrag gegen das Aufweichen der Datenschutzvorgaben bei der Corona-Warn-App für Sie alle hier herausgearbeitet. Derzeit wird von verschiedenen Seiten gefordert, dass man den Datenschutz für die Pandemiebekämpfung zurückstellen sollte. ({1}) Wir sehen eine erneute Gefahr des Eingriffs in die Privatsphäre unter dem Schirm der Coronapandemie. Dass persönliche Daten automatisch an die Gesundheitsämter weitergegeben werden sollen oder das Herunterladen der Corona-Warn-App verpflichtend zu machen, lehnen wir aus datenschutzrechtlichen und freiheitlichen Gründen entschieden ab. Danke schön. ({2}) – Ach Mensch. Da bin ich öfter, als Sie denken, per WhatsApp. Mal gucken! ({3})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,373
227
19
Axel
Troost
11,003,857
Danke schön, lieber Hans. – Es wird hier öfter gesagt, wir stellten regelmäßig Anträge zur Einführung einer Vermögensteuer. Jetzt habe ich so ein bisschen das Gefühl, dass du deine Gegenrede den alten Anträgen entnommen hast. Hier geht es ja nicht nur um sozialistische Freuden, sondern es geht auch darum, mit dieser Vermögensabgabe zu versuchen, die außerordentlich hohen Belastungen in einer Notsituation – das war die Bedingung für die Aussetzung der Schuldenbremse –, die die normale Finanzierung überschreiten, zu finanzieren. Wir werden am Ende des Jahres 2023 bei rund 350 bis 400 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden landen, und die müssen dann abgebaut werden, und zwar mit einem Tilgungsplan über 20 Jahre. Unsere Vermögensabgabe dient nicht dazu, sozialistische Elemente zu finanzieren, sondern dazu, einen Ausgleich in genau in dieser Größenordnung zu schaffen, damit man nicht Investitionen oder Sozialausgaben kürzen oder die Mehrwertsteuer erhöhen muss. Die Vermögensabgabe ist nur für diesen einen Zweck bestimmt, sie darf auch nur zu diesem einen Zweck erhoben werden. Wir sagen allerdings: Die coronabedingten Schulden der Länder sollten auch noch mit aufgenommen werden. Das ist das Zentrum unserer Überlegung hier. ({0})
6
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,374
227
19
Hans
Michelbach
11,002,738
Lieber Kollege Troost, fast hätte ich gesagt, ich habe Sie nicht vermisst. Sie sagen – gewissermaßen wie in einer Art Voodoo-Ökonomie –, die Tilgung muss durch Steuererhöhungen stattfinden. Ihr ökonomischer Intellekt ist doch aber so weit – da kenne ich Sie –, dass Sie verstehen, dass mit einer Steuererhöhung immer kontraproduktiv gearbeitet wird. Tilgung kann nur mit Wachstum und Beschäftigung gelingen. Das ist der Kern der Sache. ({0}) Das sicherzustellen, ist unser aller Aufgabe, und nicht: das einreißen, was wir brauchen, nämlich Wachstum und Beschäftigung. Meine Damen und Herren, zur Vermögensabgabe auf Immobilienvermögen. Ich frage Sie: Wen trifft das denn? Es trifft genau die Menschen, die Sie mit Ihrer Mietergesetzgebung letzten Endes unterstützen wollen. Ich sage Ihnen: Das führt zu höheren Mieten; denn die zusätzliche Steuerbelastung wird natürlich auf die Mieter abgewälzt werden. Und das trifft dann vor allem Menschen in den Regionen, in denen die Mieten jetzt schon am höchsten sind. Sie treffen mit Ihrer Erhöhung der Steuern letzten Endes die Mieter. Das ist die Situation, meine Damen und Herren! Das ist doch ökonomischer Irrsinn! ({1}) Aber der Hauptleidtragende der Vermögensabgabe, meine Damen und Herren, wird wieder einmal der Mittelstand sein, werden die Familienunternehmen sein, der Motor von Wachstum, Ausbildung und Beschäftigung in unserem Land. Denn die Vermögensabgabe ist nichts anderes als eine Substanzbesteuerung. ({2}) Die Vermögen der Mittelständler liegen in den Betrieben. Dort muss ausreichend Liquidität für Investitionen vorhanden sein; ({3}) es muss Liquidität zur Sicherung von Arbeitsplätzen, für Forschung und für Entwicklung vorhanden sein. ({4}) Darum geht es. Jeder Euro, den Sie mit Ihrer Vermögensabgabe abkassieren wollen, fehlt für Investitionen, zur Arbeitsplatzsicherung und für die Schaffung neuer innovativer Jobs, meine Damen und Herren. ({5}) Sie wollen 300 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen; so viel wollen Sie abkassieren. Die Linke will auch noch eine Vermögensteuer von 5 Prozent einführen: 1 Prozent Vermögensteuer bedeutet in 20 Jahren schon einen Verlust von 20 Prozent des Unternehmenswertes. ({6}) Im Klartext: Mit der Vermögensteuer ist das Unternehmen nach 20 Jahren zerstört, samt Arbeitsplätzen. ({7}) – Ja, rechnen Sie sich das aus. Das ist die Wahrheit, wenn Sie das umsetzen, was Sie in Ihrem Antrag fordern. Genauso ist es! ({8}) Bei der SPD und den Grünen gibt es die Vermögensteuer bislang noch etwas billiger; vielleicht nehmen Sie das in Anspruch, um sich nicht gleich auf Grün-Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün festzulegen. Sie hat aber den gleichen Effekt, nämlich die Besteuerung von Arbeitsplätzen. Diese Steuerpolitik führt geradewegs in die Pleitewelle, zu massiven Arbeitsplatzverlusten und zu massiven Einnahmeverlusten für Staat und Sozialversicherungen; denn alles, was Sie wollen, ist letzten Endes eine kontraproduktive Vorgehensweise. Meine Damen und Herren, was wir zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemiekrise brauchen, sind nicht zusätzliche Belastungen. Wir brauchen eine Politik, die Anreize für mehr Wachstum und Beschäftigung schafft. Die Vermögensabgabe ist nicht nur völlig untauglich, sie ist in einem hohen Maße schädlich für unseren Wirtschaftsstandort Deutschland. ({9}) Hören Sie auf, ideologisches Stroh zu dreschen. Jeder Bauer, jeder Landwirt kann Ihnen sagen: Beim Strohdreschen kommt nichts Nahrhaftes heraus. – Und so ist das auch mit Ihrer Vermögensteuer, weil Sie die Wachstumskräfte, die Früchte, nicht ernten, sondern Sie dreschen leeres Stroh. Wir brauchen eine Politik unter der Überschrift: Leistung muss sich lohnen! ({10}) Wir brauchen keinen Kommunismus, keinen Freiheitseingriff, keinen Neidpranger, keine Enteignungen, sondern wir brauchen eine Politik, die auf dem Prinzip der sozialen Marktwirtschaft basiert. ({11}) Es geht um die freiheitliche soziale Marktwirtschaft. Die werden wir gegen diese linken rot-rot-grünen Kräfte verteidigen. Das müssen wir deutlich machen. ({12}) Wir wollen diese Eingriffe, diese Bevormundungen, diese Steuererhöhungen nicht. Wir wollen Freiheit, wir wollen eine freiheitliche soziale Marktwirtschaft, weil sie am besten den Menschen dient. Arbeit für alle, Wohlstand für alle – das ist das Prinzip, das hier gelten muss, meine Damen und Herren, ({13}) und nicht das dieser vereinigten Linken, die uns ins Abseits führt, die uns auf die falsche Fährte führt. Wir brauchen diese Möglichkeit, eine Marktwirtschaft zum Erfolg zu führen. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Sie damit rechnen, dass nach der Pandemiekrise alles an die Wand fährt. Ich kann Ihnen sagen: Das beste Prinzip, um aus dieser Krise herauszukommen, um neue wirtschaftliche Leistungskraft zu entfalten, Arbeitsplätze zu sichern, Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, ist zweifellos die soziale Marktwirtschaft; denn die freiheitlichen Kräfte haben immer bewiesen, dass sie am besten die Sache voranbringen können. ({14}) In diesem Sinne darf ich Sie herzlich bitten, davon Abstand zu nehmen, solche Anträge überhaupt zu stellen. Herzlichen Dank. ({15})
4
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,375
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Abgeordnete Stefan Keuter für die AfD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,376
227
19
Stefan
Keuter
11,004,778
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen Tusch für Herrn De Masi, für diesen typisch sozialistischen Antrag, liebe Genossinnen und Genossen! ({0}) Herr De Masi, was ist denn das für ein schlaffer Haufen? Früher, wenn man Sie mit „Genossinnen und Genossen“ angesprochen hätte, haben Sie wenigstens noch Haltung angenommen. ({1}) Wollen Sie sich mit diesem Antrag, Herr De Masi, bei Ihren Freunden von der Sozialistischen Linken noch mal empfehlen, quasi zum Abgang aus dem Bundestag? Was wollen Sie mit diesem Antrag? Sie wollen Reiche besteuern. ({2}) Sie wollen eine Sonderabgabe auf Vermögen. ({3}) Diese Forderung ist doch ein absolut alter Hut, ({4}) und Sie holen ihn regelmäßig wieder aus der Schublade heraus. Dieses Mal wird das Ganze begründet mit der Coronakrise. Wo waren Ihre Forderungen nach einer Reichenbesteuerung, als mit deutschem Geld in Griechenland und Italien die Staatshaushalte gerettet werden mussten? Bezieht sich Ihre sozialistische Solidarität nur auf das Ausland und gilt nicht für Deutsche? Woher rührt der Wohlstand in Deutschland? Ich sage es Ihnen: von hart arbeitenden Menschen, von Unternehmern, die investieren, die Risiken eingehen und die dann auch die Früchte ihrer Arbeit einfahren, versteuert wohlgemerkt. Sie haben darauf nämlich bereits Steuern gezahlt und den Staat mitverdienen lassen. Diese Kapitalpolster sind übrigens nötig, um Arbeitsplätze zu sichern, um Unternehmen durch Krisen und durch wirtschaftliche Flauten zu führen, so wie jetzt auch in der Coronapandemie. Deutschland und sein Finanzplatz waren international immer ein sicherer Hafen. Diesen Nimbus wollen Sie jetzt aufs Spiel setzen? Sie wollen bereits versteuertes Vermögen enteignen. Sie gefährden nicht nur den Standort Deutschland, Sie gefährden auch die Existenz der Bürger in diesem Land. Sollte so ein Gesetz kommen, würde dies Panik bei den internationalen Investoren auslösen; es würde zu gigantischen Vermögensabflüssen aus Deutschland kommen. Als Banker sage ich Ihnen: Geld ist scheuer als ein Reh und schneller als ein Windhund. Dieser Antrag ist übrigens auch handwerklich schlecht gemacht. ({5}) Sie wollen nach einer Freigrenze 25 Prozent auf den Marktwert des Weltvermögens erheben. Wie wollen Sie den ermitteln? Was ist mit der Berücksichtigung von Haftungsrisiken? Wie sollen illiquide Werte liquide gemacht werden? Fragen über Fragen, auf die Sie keine Antworten haben. Die links-grünen Enteignungsfantasien machen mir Angst. Haben Enteignung und mehr Staatswirtschaft jemals Mangel beheben können? Sie aus der DDR müssten das doch kennen. Nein, hat es nicht! ({6}) Wohnraumenteignung hat beispielsweise nicht zu mehr Wohnraum, sondern zu Substanzverfall geführt. Ich möchte schließen ({7}) mit den Worten von Franz Josef Strauß: Wenn diese Bundesrepublik Deutschland einen fundamentalen Richtungswandel in Richtung rot-grün vollziehen würde, dann wäre unsere Arbeit der letzten 40 Jahre umsonst gewesen. Das Leben der künftigen Generationen würde auf dem Spiele stehen. Wir stehen doch vor der Entscheidung: Bleiben wir auf dem Boden trockener bürgerlicher Vernunft und ihrer Tugenden oder steigen wir in das buntgeschmückte Narrenschiff Utopia ein, in dem dann ein Grüner und zwei Rote die Rolle der Faschingskommandanten übernehmen würden. Vielen Dank. ({8})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,377
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Bernhard Daldrup für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,378
227
19
Bernhard
Daldrup
11,004,258
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahlen sind eigentlich Feste der Demokratie, und Wahlkämpfe sind nichts Schlimmes. Wenn etwas als Wahlkampfauseinandersetzung bezeichnet wird, ist es eben der Kampf darum, den Menschen zu sagen, was man will. Das finde ich völlig in Ordnung. Wenn man den Dreschflegel schon rausholt, muss man hinterher auch ein paar Körner rausholen, Hans Michelbach. Das waren bei Ihnen, ehrlich gesagt, nicht ganz so viele, auch wenn es laut genug gewesen ist. ({0}) Vor ein paar Wochen habe ich hier eine Rede gehalten zu einem Gesetzentwurf der FDP-Fraktion. Die FDP war ganz besonders besorgt, wie es denn eigentlich mit dem Vermögen der Vermögenden während der Coronakrise weitergeht. Sie wollte deswegen sofort die Vermögensteuer komplett ad acta legen – eine Steuer, die seit 25 Jahren gar nicht mehr erhoben wird. Das hatte natürlich nichts mit Wahlkampf zu tun, das war fachlich einfach mal so dahergesagt. ({1}) Die Linken nehmen sich jetzt die Milliardäre vor. Ich finde das durchaus eine legitime Sache. Warren Buffett beispielsweise macht das ja auch. Der ist Milliardär und sagt: Ihr müsst uns endlich mal rannehmen. – Und Jerry Lewis hat gesagt: Milliardäre sind im Grunde genommen auch nur Menschen, die mal als ganz gewöhnliche Millionäre angefangen haben. ({2}) Also muss man sie auch ganz normal behandeln. ({3}) Sie merken: Die ideologische Bandbreite des Themas wächst; denn unter Berufung auf Konrad Adenauer – das weiß ich seit heute; nach Christian von Stetten ist das ein rheinischer Sozialist gewesen – ({4}) will Die Linke nun eine Vermögensabgabe von 300 Milliarden Euro im Laufe von 20 Jahren nach dem Vorbild des Lastenausgleichs nach dem Zweiten Weltkrieg realisieren. Das ist ein bisschen „Zurück in die Zukunft“, aber der Film war auch nicht ohne Erfolg, muss ich ganz ehrlich sagen. Ich begrüße jedenfalls sehr die Berufung auf Thomas Piketty, der auf die ungleiche Vermögensverteilung auch in Deutschland hingewiesen hat. ({5}) Die ist in Wirklichkeit inakzeptabel, Herr von Stetten. ({6}) Sie ist inakzeptabel. Sie ist in jeder Form ungerecht. Und wenn man darüber redet und glaubt, das Gegenprogramm zu mehr Gerechtigkeit in dieser Gesellschaft, die auseinanderklafft, wäre Bürokratieabbau, dann ist man gewiss an seine intellektuelle Grenze gekommen, das muss ich echt sagen. ({7}) Die Linken machen jetzt in ihrem Antrag einen Vorschlag, wie denn sozusagen die moderne Form der Expropriation der Expropriateure laufen kann, wohl wissend allerdings, dass dieser Antrag keine Mehrheit im Deutschen Bundestag findet. Das ist die Gemeinsamkeit mit dem FDP-Antrag: Dem werden wir auch nicht zustimmen. Dieser Antrag dient der eigenen Profilierung im Wahlkampf, und ich finde das nicht schlimm. Das ist überhaupt gar kein Problem. Allerdings will ich eines sagen: Man muss dabei gerade bleiben. Wenn Sie in Ihrem Szenario sagen, es würde ohne Vermögensabgabe Ausgabenkürzungen geben, dann entgegne ich Ihnen: Nein. Wir haben eine Krise, und wir werden darauf in Zukunft nicht mit Ausgabenkürzungen reagieren, sondern mit Investitionen. Wir haben die sozialen Leistungen ausgeweitet. Wir haben nicht mit bürokratischer Kontrolle gegenüber Hartz-IV-Empfängern reagiert, sondern wir haben die Leistungen ausgeweitet. Das ist unsere Antwort. ({8}) Wir haben als Reaktion im letzten Jahr ein beispielloses Konjunkturprogramm mit einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das geht noch für den gesamten Finanzplanungszeitraum bis 2025: eine Rekordsumme von 200 Milliarden Euro für Investitionen, damit die Konjunktur anspringt, damit wir Arbeitsplätze haben, damit wir Steuern einnehmen. Das ist der Weg aus der Krise, und den halten wir für richtig. ({9}) Es ist auch nicht so, als ob wir gar nichts machen würden in dem ganzen Kontext. Ich nenne nur die Themen Reichensteuer und Soli: Die 10 Milliarden Euro jedes Jahr würde es ohne die SPD, ohne Olaf Scholz, gar nicht geben. Das ist eine dicke Finanzierung, an der wir übrigens festhalten wollen. Das steht auch in unserem Programm, Hans Michelbach. Ich weiß nicht, was in eurem Programm steht; das kennt man ja nicht. Das ist das Problem. ({10}) Bei dem Thema ist aber noch Luft nach oben; das will ich gar nicht bestreiten. Deswegen haben wir als Zukunftsprogramm dargestellt: Entlastung für kleine und mittlere Einkommen; Erhöhungen bei den ganz großen Einkommen, auch im Hinblick auf Erbschaftsteuer und Vermögensteuer mit entsprechenden Freibeträgen. Das kann ich jetzt nicht mehr im Einzelnen darstellen, weil meine Zeit vorbei ist. Aber diesen Weg wollen wir nach der Bundestagswahl umsetzen. ({11}) Das muss ich euch hier sagen: Wir wollen den umsetzen, nicht nur ankündigen, und deshalb müsst ihr euch gut überlegen, wen ihr unterstützt! Danke schön. ({12})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,379
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Till Mansmann für die FDP-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,380
227
19
Till
Mansmann
11,004,815
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Vermögensabgabe und Vermögensteuer ist ein trauriger Dauerbrenner oder, wie der „Spiegel“ gerade in seiner aktuellen Ausgabe schreibt, ein „unsinniges“, ein „untotes“ Modell. Zu den verfassungsrechtlichen und ökonomischen Bedenken hat mein Kollege Markus Herbrand schon einiges gesagt. Was Sie aber regelmäßig unterschätzen, ist der erhebliche Erhebungsaufwand und die damit verbundene Eingriffstiefe in die Grundrechte der Bürger; denn Steuerrecht ist Eingriffsrecht. Wenn Sie alle Vermögensarten ordentlich erfassen möchten, kommen Sie nicht darum herum, in alle Lebensbereiche der Menschen tief einzudringen: Immobilien, Unternehmensanteile, auch Wertgegenstände wie das Kunstwerk im Schlafzimmer – all das müsste erfasst werden. Mit einem Erhebungsaufwand im niedrigen einstelligen Prozentbereich, wie das für ein ordentliches, effizientes Steuersystem die Maßgabe wäre, kommen Sie da nicht hin. Experten gehen eher von einem zweistelligen Erhebungsaufwand aus, bis hin zu einem Drittel der Summen, die Sie einnehmen wollen. Rechnen wir mal konservativ mit 10 Prozent, dann wären 30 Milliarden Euro von den 300 Milliarden Euro schon weg. Das ist etwas, was Sie den Bürgern erklären müssen; das können Sie ihnen meiner Ansicht nach aber nicht erklären. Einen solch ineffizienten Verlust darf sich ein Steuersystem nicht leisten. ({0}) Aber es geht Ihnen auch gar nicht unbedingt darum, jetzt diese Krise miteinander zu bewältigen. Sie wollen die Krisenfolgen in einem großen Gegeneinander ausschlachten: „die Reichen“ gegen „die Armen“ oder, wie an anderer Stelle gerade, „die Wessis“ gegen „die Ossis“. Hier sind es nun „die Krisengewinner“ gegen „die Krisenverlierer“. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von allen Fraktionen: Mit so einer Grundhaltung des Gegeneinanders, des Klassenkampfes werden wir nicht besser durch die Krise kommen, sondern schlechter. ({1}) Ihr Ansatz ist falsch; denn er macht den zweiten vor dem ersten Schritt. Hier haben viele Kollegen von dem Kuchen gesprochen, um den Sie jetzt herumstehen und den Sie verteilen wollen. Dabei ist dieser Kuchen erst noch zu backen. ({2}) Das ist die viel wichtigere Frage. Unser Wohlstand der Zukunft hängt vor allem von unserer Leistungsfähigkeit ab. Deutschland kann sich glücklich schätzen, mit einer Vielzahl vitaler Familienunternehmen und mit einem starken Mittelstand eine gute Grundlage für die Bewältigung der Krise zu haben. Genau an dieser Stelle setzen Sie schädlich an. Wir müssen die Belastungen in Deutschland senken, nicht steigern, und zwar durch eine negative Gewinnsteuer oder eine Erweiterung der steuerlichen Verlustverrechnung. Das alles sind Möglichkeiten, mit denen wir in die Zukunft gehen können. Wir brauchen Flexibilität und Investitionsspielräume bei den Betrieben, statt sie mit solchen zusätzlichen bürokratischen Lasten dauerhaft zu gefährden. ({3}) Lassen Sie uns die Ideen der vielen unternehmerisch in unserem Land tätigen Menschen entfesseln, indem wir den bürokratischen Dschungel der Bundesrepublik zurechtstutzen, statt neue bürokratische und substanzgefährdende Belastungen draufzupacken. ({4}) Nur so wird uns ein glaubhafter Neustart nach der Krise gelingen. Vielen Dank. ({5})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,381
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Kollege Marco Bülow.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,382
227
19
Marco
Bülow
11,003,512
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Erste Vorbemerkung: Die Reden der Union und der AfD liegen bei der Sozialpolitik gefährlich nahe beieinander; sie sind fast deckungsgleich. Zweite Bemerkung: Bei einigen Reden muss man sich fragen: Wo sind eigentlich die Spaßparteien? – Eine sitzt hier vorne. Die Bemerkung fand ich wirklich sehr abstrus, dass keine Vermögensabgabe erhoben werden darf, weil dann nämlich diejenigen, die jetzt schon unglaublich viel Profit mit Wohnungen und Mieten gemacht haben, gezwungen wären, die Mieten zu erhöhen, und man deswegen die Mieter treffen würde. Also, das würde wirklich in jede Satiresendung passen. Da haben Sie sich schon verdient gemacht. ({0}) Es hätte noch die Bemerkung der Union gefehlt, dass der IWF ein kommunistischer Untergrundverein ist; denn auch dieser fordert eine Vermögensabgabe. Komischerweise ist das nicht gefallen. ({1}) Schauen wir uns doch die Fakten an; dazu hat nämlich keiner aus diesem Lager was gesagt. Es sind ein paar benannt worden: 10 Prozent besitzen zwei Drittel des Gesamtvermögens in Deutschland. 50 Prozent – das ist kein Bodensatz, das ist die Hälfte der Gesellschaft, die Mitte, die Sie immer so gerne ansprechen – besitzen quasi nichts. Keine einzige Maßgabe, kein einziger Satz, keine einzige Forderung aus Ihren Reihen, das zu ändern! Das ist keine soziale Marktwirtschaft; das ist mittlerweile asoziale Marktwirtschaft, wenn wir das so stehen lassen. ({2}) Dann noch von Gier zu sprechen, wenn man so eine Vermögensabgabe einführt, bricht wirklich alle Rekorde. Das sagt eine Fraktion, die jetzt einige ausschließen musste – ja, ich weiß, sie sind freiwillig gegangen –, die wegen ihrer Gier noch ihr Geschäft mit der Pandemie machen müssen. Das war Gier! Gier ist es nicht, eine Vermögensabgabe einzuführen. ({3}) Bleiben wir weiter bei den Fakten. Es gibt 58 000 neue Millionäre seit Beginn der Pandemie. Wir haben mittlerweile 2,1 Millionen Millionäre. Das ist schön. Das zeigt aber auch, wie reich wir in diesem Land sind, wenn mittlerweile jeder 40. Millionär ist. Wenn diejenigen, die in der letzten Zeit, auch während der Pandemie, so viel Profit gemacht haben, ein wenig – und zwar wirklich nur ein wenig – davon abgeben, ist das kein kommunistisches oder sozialistisches Teufelswerk, das ist Vernunft, und das ist sozialer Ausgleich. ({4}) Zum Schluss bin ich wieder bei meinem beliebten Thema Lobbyismus; denn nichts anderes ist das hier. Klar, Sie haben die Lobbyisten in der Immobilienwirtschaft und in den ganzen anderen Bereichen sitzen, die genau das nicht wollen. Das ist Profitlobbyismus, das ist Reichenlobbyismus, der hier betrieben wird. Wenn Sie keine Maßnahmen dazu einführen, dann wissen wir doch, wer die Zeche zahlt. Die Zeche zahlt am Ende die breite Mehrheit dieser Gesellschaft, die gerade in diesen Bereichen hart gearbeitet hat und die wenig hat. Die werden die Zeche zahlen; denn die eigentlichen Auswirkungen der Pandemie kommen noch. Ich verlange, dass wir einen Ausschuss einrichten, der sich genau mit den Spätfolgen und Langfristfolgen der Pandemie auseinandersetzt, und zwar auch mit den sozialen Folgen. Dann wären wir einen Schritt weiter. Dann wären Sie konstruktiv. In diesem Sinne: Vielen Dank. ({5})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,383
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat Dr. Wiebke Esdar für die SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,384
227
19
Wiebke
Esdar
11,004,710
Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur das Aufholpaket für Kinder und Jugendliche, das gestern im Kabinett beschlossen worden ist, sondern auch der Kinderbonus, die Ausbildungsprämie, das Kurzarbeitergeld, die Wirtschaftshilfen, die Konjunkturhilfen, die Beschaffung von Tests und Impfstoffen: Im Kampf, um die Folgen der Pandemie abzufedern und abzumildern, haben wir hier als Bundestag Milliarden mobilisiert. Das war richtig, weil uns am Ende nichts teurer zu stehen kommt, als gegen eine Krise anzusparen. ({0}) Darum stellt die Linkspartei mit ihrem vorgelegten Antrag auch die richtige Frage ({1}) – Die Linke –, nämlich wer die Zeche für diese Krise zahlen soll. Sollen diejenigen, die durch Homeschooling und Homeoffice doppelt belastet sind, zahlen? Sollen es diejenigen sein, die durch das Kurzarbeitergeld zwar gut abgefedert sind, aber trotzdem finanzielle Einbußen hatten? Oder sollen es die bezahlen, die wie die Kulturschaffenden und Gastronomen immer noch um ihre Existenz fürchten müssen? Oder wollen wir die Krisengewinnerinnen und Krisengewinner, die, die sich private Kinderbetreuung ohne Probleme leisten können, die, deren Vermögen so hoch ist, dass es ganz viele gar nicht mehr richtig fassen können, dazu heranziehen, für diese Krisenkosten aufzukommen? Für uns als Sozialdemokratie ist das eindeutig und klar: Die solidarische Finanzierung muss im Heute so gelten wie im Gestern, wie im Morgen: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. ({2}) Ich sage auch ganz ehrlich bei der Debatte, die wie hier geführt haben: Mich ärgern die Ignoranz an dieser Stelle darüber, dass die Ungleichheit in Deutschland so eklatant ist, dass es ein Gerechtigkeitsproblem gibt, und die Ignoranz, die darin liegt, mit irgendwelchen bürokratisch vorgeschobenen Argumenten zu kommen. Denn Antworten müssen wir doch auf die Fragen finden: „Ist das gerecht?“ und: „Wen wollen wir für die Finanzierung dieser Kosten heranziehen?“ Meine Damen und Herren, wir als Sozialdemokratie wollen eine klare Finanzpolitik, die für innovative Jobs, für Zukunftsinvestitionen und für klimaneutrales Wachstum steht. Wir machen dazu ganz klare Vorschläge. Drei Vorschläge möchte ich vorstellen: Der erste betrifft die Einkommensteuer. Bei der Einkommensteuer möchten wir die kleineren und mittleren Einkommen besserstellen, wir möchten sie entlasten. Damit ist, Herr Michelbach, Ihr Vorwurf, wir würden nur um mehr Steuern kämpfen, es würde nur um die Steuern gehen, falsch. Wir wollen die mittleren und die kleinen Einkommen entlasten.
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,385
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Kollegin Esdar, –
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,386
227
19
Wiebke
Esdar
11,004,710
Ja?
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,387
227
19
Petra
Pau
11,003,206
– gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der AfD-Fraktion?
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,388
227
19
Wiebke
Esdar
11,004,710
Nein, nicht aus der AfD-Fraktion. Danke schön. ({0}) Wir wollen bei der Einkommensteuer die kleineren und mittleren Einkommen besserstellen und wollen die oberen 5 Prozent aber dann stärker heranziehen. Zweitens wollen wir die Erbschaftsteuer reformieren, weil sie derzeit wirklich ungerecht ausgestaltet ist und die richtig hoch vermögenden Unternehmserbinnen und ‑erben bevorzugt. Wir wollen – drittens – eine Vermögensteuer einrichten, einen einheitlichen Steuersatz von 1 Prozent für die sehr, sehr hohen Vermögen. Da müssen diejenigen, die ein Einfamilienhaus haben oder ein Haus erben, sich keine Sorgen machen. Aber es geht eben um die ganz reichen Vermögenden, um die Multimillionäre. ({1}) Wir sind aber, auch wenn ich glaube, dass man vorsichtig optimistisch sein kann – ein Twitter-Influencer hat neulich getwittert: „Der Sommer wird gut werden“ –, dass wir diese Pandemie jetzt langsam in den Griff kriegen, noch nicht am Ende dieses schweren Weges angekommen. ({2}) – Ah. – Darum ist an dieser Stelle auch noch nicht abzusehen, wie hoch das finanzielle Aufkommen am Ende in der Gesamtheit sein muss. Daher sind wir der Meinung, dass es zu früh ist, ein Preisschild dranzuhängen. Es ist zu früh, jetzt diesen Antrag zu stellen. Darum werden wir diesen Antrag von der Linksfraktion heute ablehnen. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir uns einig sind in dem Ziel, dass die starken Schultern mehr tragen müssen als die schwachen und auch mehr tragen müssen, als das jetzt der Fall ist. Darum kann ich, so wie meine Vorrednerin Frau Kiziltepe eben auch schon gesagt hat, dazu einladen, dafür zu kämpfen, dass wir im nächsten Bundestag eine progressive Mehrheit haben, mit der das auch möglich ist. Denn mit der Union ist leider in Sachen Steuergerechtigkeit nichts zu machen. Danke schön. ({3})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,389
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Das Wort hat der Abgeordnete Kraft zu einer Kurzintervention.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,418
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Hartmann, SPD-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,419
227
19
Sebastian
Hartmann
11,004,291
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir blicken auf 14 Monate einer unvergleichlichen Herausforderung, die unser Land und die Welt gefordert hat wie keine der Herausforderungen in den letzten Jahrzehnten; das ist der eine Teil. Der andere Teil ist – wenn man sich an den positiven Dingen orientieren will –: Wir reden über viele Millionen Menschen, die jeden Tag Impfungen erhalten, und darüber, dass es sogar verschiedenste Impfstoffe gibt, was nun dazu führt, dass wir weite Teile der Bevölkerung immunisieren können. Darum geht es hier in dieser Debatte. Nun zur FDP, die eine Aktuelle Stunde beantragt hat. Diese Aktuelle Stunde ist vielleicht etwas aus der Zeit gefallen; denn sie findet, wenige Stunden nachdem wir als Große Koalition gehandelt und entsprechende Rücknahmen bei den Grundrechtseingriffen beschlossen haben, statt. Wir sollten uns an etwas erinnern: Es fing damit an, dass wir keine Behandlungsmethoden kannten. Wir mussten mit diesem neuartigen Virus umgehen lernen. Es gab keine Situation, in der wir aus Impfstoffen wählen und sagen konnten: Das ist die Impfung für die und die Gruppe, die wir schützen wollen. – Das ist etwas, was wir als Parlament getan haben. Die FDP blendet einen Teil dieser Debatte aus. Die Grundrechtseingriffe sind doch nur deswegen vorgenommen worden, um auch Zeit zu gewinnen; denn wir hatten keine Behandlungsmethoden. Wir waren nicht in der Lage, bestimmte Gruppen zu schützen. Ja, wir haben eine Bundesnotbremse beschlossen, um einheitliche Regelungen zu haben. Akzeptanz und Transparenz sind wichtig. Es muss klar sein: Daran orientieren wir uns, wenn wir bestimmte Maßnahmen beschließen. Aber Sie von der FDP nehmen sich nur einen Teil dieser Diskussion, und Sie sind zu spät, weil die entsprechenden Beschlüsse heute schon gefasst worden sind. Die Grundrechtseingriffe dürfen nur so lange stattfinden, wie sie auch gerechtfertigt sind. Gerade dann, wenn Menschen genesen oder vollständig geimpft sind, entfällt der wesentliche Grund für diese Grundrechtseingriffe, und dieser Verantwortung sind weite Teile dieses Hauses demokratisch nachgekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Einen zweiten Teil der Debatte, den die FDP immer wieder ausblendet, kann ich Ihnen nicht ersparen: Eng verbunden mit der Idee der Freiheit ist ja auch die des handlungsfähigen Staates, der überhaupt die Grundvoraussetzungen schafft. Wenige Monate vor der Debatte um die Pandemie gab es doch gerade aus Ihren Reihen noch Diskussionen, Krankenhauskapazitäten im ländlichen Raum zu reduzieren und das Gesundheitswesen dem Marktdiktat zu unterwerfen. ({1}) Sie waren doch diejenigen, die Einsparungen vorgenommen haben, die den Tarifvertrag für die Pflege nicht wollten, die alles dem Markt überlassen wollten. Sie haben auch in Ihrer Regierungsverantwortung dafür gesorgt, dass dieser Staat an den Rand der Leistungsfähigkeit kam, dass keine Vorsorge getroffen wurde, keine Masken gekauft worden sind und keine Ressourcen entsprechend bereitgestellt worden sind. ({2}) Also können Sie sich diesen Teil der Debatte auch nicht ersparen. ({3}) – Sie waren von 2009 bis 2013 verantwortlich, und Sie waren stolz darauf, Teile des Personals einzusparen. Wenn wir heute an die Kommunen denken, die nicht in der Lage sind, den Öffentlichen Gesundheitsdienst ausreichend zu finanzieren, dann wird klar: Sie sind hauptverantwortlich dafür. Sie können sich nicht den einen Teil dieser Debatte herausnehmen und über Freiheit reden ({4}) – wenn Sie schreien, geben Sie mir doch recht –, wenn Sie auf der anderen Seite nicht in der Lage sind, den Bürgerinnen und Bürgern darzulegen, dass ein starker, leistungsfähiger Staat auch eine Grundvoraussetzung für die Freiheit aller Menschen in diesem Land ist, meine Damen und Herren. ({5}) Da ist das Problem: Sie nehmen sich immer nur einen Teil der Debatte, weil Sie die gesamte Wahrheit nicht ertragen. Sie haben uns an den Rand der Handlungsfähigkeit gebracht mit Ihren Sparlogiken. Deswegen können wir stolz darauf sein, dass wir 14 Monate nach Beginn der Pandemie nicht nur einen Teil der Verantwortung, sondern die gesamte Verantwortung für dieses Land übernommen und gesagt haben: Wir wollen bessere Löhne in der Pflege, wir wollen die Krankenhäuser besser finanzieren, wir wollen Impfstoffe für die breite Masse organisieren, und wir wollen dafür sorgen, dass diese Pandemie eine Veränderung bringt, und zwar zum Positiven. ({6}) Wenn das ein Lerneffekt ist, dann war es gut, dass die FDP diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Denn dann kann sie diesen Punkt auch mitnehmen, anstatt uns zu belehren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Sie müssen damit leben, dass Sie die gesamte Debatte nehmen müssen. Sie können sich nicht nur den Teil der Lockerungen nehmen, wenn Sie auf der anderen Seite nicht die entsprechenden Einschränkungen oder die Finanzierung dieses Gemeinwesens mittragen wollen. Das ist Ihr Problem: Sie blenden einen Teil der Debatte bewusst aus. ({8}) – Es ist wahr. – Die Debatte gehört hier ins Parlament. ({9}) Gerade in diesem Moment tagt das Parlamentarische Begleitgremium – es ist die 4. Sitzung – und führt eine Anhörung zu den Rechten Geimpfter und zu den Fragen der Impfpriorisierung durch. Ich finde es wichtig, dass diese Debatte hier im Parlament stattfindet und nicht in nichtöffentlichen Debatten der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben einen Anspruch darauf, zu wissen: Wo stehen die Parteien, und wo wollen sie hin? Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der gute Teil dieser Aktuellen Stunde, die ansonsten in weiten Teilen völlig überflüssig war, liebe FDP. ({10})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,420
227
19
Dr. Hans-Peter
Friedrich
11,003,124
Der letzte Redner in der Aktuellen Stunde ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsident
2021-05-06
1,060,390
227
19
Rainer
Kraft
11,004,792
Vielen Dank. – Ich bin etwas verwundert – nicht nur bei Ihrer Rede, sondern auch bei denen einiger Kollegen –, dass Sie sich jetzt hier mal wieder als Kämpfer für die soziale Gerechtigkeit aufspielen. Wenn wir uns Ihre Energiepolitik anschauen, dann sehen wir, dass Sie die Stromverbraucher zur Kasse bitten. Damit die Rendite derjenigen stimmt, die sich ein Investment leisten können, sei es eine Solaranlage auf dem eigenen Dach, sei es eine Beteiligung an einem millionenteuren Windrad, werden die Stromverbraucher, auch wenn sie im fünften Stock in einer kleinen Zweizimmerwohnung mit Nordblick leben, zur Kasse gebeten. Schauen wir uns Ihre Verkehrspolitik an. Sie fördern Luxusspielzeuge wie Elektrowagen im sechsstelligen Bereich, damit jemand, der sich einen Zweit- und Drittwagen leisten kann, eine Tausende von Euro teure Staatssubvention bekommt für sein Elektrospielzeug, während Sie den kleinen Leuten, die auf ihre Kleinstwagen angewiesen sind, damit sie zur Arbeit kommen, ihre Wagen wegnehmen. Jetzt stellen Sie sich hin und spielen sich tatsächlich als Bewahrer der sozialen Gerechtigkeit auf. Sie waren nicht die Einzige heute in dieser Diskussion, das möchte ich klarstellen; aber irgendwann reicht es hier ja auch mal mit Ihrer Bigotterie. ({0})
0
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,391
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Sie haben das Wort zur Erwiderung.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,392
227
19
Wiebke
Esdar
11,004,710
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Ein falscher Gedanke wird ja nicht dadurch richtig, dass man ihn laut herausschreit. Wenn Sie die Debatten verfolgt hätten, wüssten Sie, dass das, was Sie gerade gesagt haben, nicht stimmt. Beispielsweise haben wir den Mieterstrom eingeführt. Damit sind die Unterstellungen, die Sie gerade zum Thema Photovoltaik gemacht haben, einfach falsch. Danke schön. ({0})
23
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06
1,060,393
227
19
Petra
Pau
11,003,206
Ich schließe die Aussprache.
-1
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Presidium of Parliament
Vizepräsidentin
2021-05-06
1,060,394
227
19
Marco
Buschmann
11,004,023
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 21. April 2021 hat dieses Haus abschließend über die sogenannte Bundesnotbremse entschieden. Das ist ein Gesetz, das eine ganze Reihe tiefer Grundrechtseingriffe enthalten hat. Und einigen hier im Haus gingen diese Grundrechtseingriffe noch nicht weit genug. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Ralph Brinkhaus, hat ausweislich des Stenografischen Berichts hier zu Protokoll gegeben, dass, wenn er alleine hätte entscheiden können, die Eingriffe noch – ich zitiere – „härter und schärfer“ – Zitatende – geworden wären. ({0}) Wegen eines solchen Politikverständnisses, das in der ohnehin schweren Zeit der Krise nur eines kennt, nämlich immer härter und immer schärfer in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger einzugreifen, ({1}) ist es ein großes Glück, dass unsere Verfassung die Grundrechte kennt; denn die Grundrechte richten an die Politik eine Botschaft. Und diese Botschaft lautet: Nicht die Bürgerinnen und Bürger schulden dem Staat eine Begründung für ihre Freiheit, sondern es ist der Staat, der den Bürgerinnen und Bürgern eine Begründung für jeden einzelnen Grundrechtseingriff schuldet. – Das kann man dieser Tage gar nicht oft genug sagen, meine Damen und Herren. ({2}) Corona ist eine schwere Gefahr. Wir erinnern uns alle an die schrecklichen Bilder aus Bergamo. Wir sehen die schrecklichen Bilder aus Indien jeden Tag. Daher ist es klar, dass es auch vernünftige Regeln gibt, dass es auch eine ganze Reihe von Grundrechtseinschränkungen gibt, die natürlich vernünftig begründbar sind. Aber dass man Geimpften und Genesenen nicht erlaubt, einzukaufen, ihre Wohnung zu verlassen, ihre Angehörigen zu sehen, Sport zu treiben, auch mit anderen Geimpften und Genesenen, gehört nicht dazu. ({3}) Denn wir wissen mittlerweile, dass für diese Personengruppen das gilt, was die Mediziner „sterile Immunität“ nennen. Nach menschlichem Ermessen ist es eben höchst unwahrscheinlich, dass sich diese Personen selber anstecken können oder andere Menschen anstecken können. Ihre Freiheitseinschränkung ist deshalb kein Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Wenn Grundrechtseingriffe aber keinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, dann ist die Pandemiebekämpfung auch keine vernünftige Begründung für diese Grundrechtseingriffe. Das gilt bei Geimpften und Genesenen. Auch das kann man dieser Tage nicht oft genug sagen, meine Damen und Herren. ({4}) All das ist nicht neu. All das wussten wir schon, als die Bundesnotbremse beschlossen worden ist. Wir haben es Ihnen hier vorgetragen, Sie haben es ignoriert. Wir haben zu dem Gesetz Änderungsanträge vorgelegt, Sie haben diese Änderungsanträge niedergestimmt. ({5}) Und plötzlich meint man, die schlimmsten Fehler hinsichtlich dieser Personengruppe ganz schnell korrigieren zu müssen. Man wundert sich: Plötzlich wird auf das RKI abgestellt. Plötzlich erinnert man sich an die Begründungspflicht bei Grundrechtseingriffen. In Wahrheit war das alles schon vorher bekannt. Es gibt nur eins, was sich geändert hat: Inzwischen gibt es eine Unzahl von Verfassungsbeschwerden, auch die der 80 Abgeordneten der FDP-Fraktion. Es ist gut, dass es in diesem Haus nicht nur Politiker gibt, die meinen, immer härter und immer schärfer in die Freiheit eingreifen zu müssen, sondern die ihre Aufgabe darin sehen, als Hüter und Anwälte der Grundrechte zu agieren, meine Damen und Herren. ({6}) Daran hat sich übrigens auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestern zu gewissen Eilanträgen nichts geändert. Über unsere Verfassungsbeschwerden und unsere Eilanträge ist nicht entschieden worden. Und über die Rechte der Geimpften sagt diese Entscheidung gar nichts aus, außer einem Hinweis: Macht euch in die Spur, GroKo, sonst wird euch großes Ungemach drohen! – Ich kann die Lektüre der Entscheidung nur empfehlen. Was das Gericht ausdrücklich nicht gemacht hat, ist eine rechtliche Würdigung, weder was den Umgang mit Genesenen und Geimpften angeht, noch was die Ausgangssperren angeht. Ich will Ihnen aus den Erwägungen des Ersten Senats zitieren. Schon der zweite Satz lautet: Bei der Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung haben die Gründe, – Achtung! - die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben ... Das Verfassungsgericht hat eben nicht gesagt, dass die Maßnahmen in Ordnung sind, sondern es hat tatsächlich eine reine Folgenabwägung vorgenommen. Auch das muss man dem ein oder anderen sagen, der meint, das Verfassungsgericht habe sich auf die Seite der Schneller-und-härter-Fraktion, der Privilegienfraktion gestellt, derjenigen, die bis heute nicht verstehen wollen, warum man in Grundrechte nicht eingreifen darf, wenn es dafür keine vernünftige Begründung gibt, meine Damen und Herren. ({7})
13
https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19227.pdf
Member of Parliament
null
2021-05-06